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Was ist von der Wissenschaft zu erwarten II.
Eine Publikation1 “Die lange Sicht” von Gottfried Schatz zum Thema Energie, welcher ein
Austausch freundlicher e-Mails zwischen dem Autor und mir folgte, veranlasst mich einen
zweiten Energie-BLOG zum Thema “Was ist von der Wissenschaft zu erwarten?” zu schreiben.
Inzwischen ist eine weitere2 Publikation erschienen, "Energiewandler für die Energiewende",
welche mich besonders bestärkt hat diese Gedanken zu formulieren.
In meinem ersten BLOG mit diesem Titel formulierte ich eine Warnung, man solle zwar
Grundlagenforschung durchaus weiter betreiben, sich aber von Versprechungen, dass dann
einmal Entdeckungen gemacht würden - sofern man nur genügend investiert - die die
Energieprobleme lösen würden, sich nicht verführen lassen. Ich teile somit die Ansicht von
Gottfried Schatz durchaus, dass man weiter Grundlagenforschung betreiben soll, bin aber doch
ganz dezidiert weniger optimistisch in der Einschätzung der Wege, die noch offen stehen um
das Problem einer genügenden Energieversorgung zu lösen. Heute möchte ich diese Warnung
wiederholen und auch meine Wissenschaftler-Kollegen aufrufen, sich nicht verführen zu lassen
dem Druck der Politik einerseits und dem Wunsch nach möglichst erfolgreichem Eintreiben von
Drittmitteln andererseits nachzugeben, indem sie in Publikationen, die für die Allgemeinheit
bestimmt sind, Utopien als mögliche Realitäten darstellen.
"Die lange Sicht"1, mit dem Untertitel "Wie Unwissen unsere Energiezukunft bedroht", ist
sicherlich in bester Absicht geschrieben, und doch denke ich, dass von solchen Publikationen
die Gefahr einer Beeinflussung von nicht sachverständigen Personen ausgeht. Prof Schatz ist ein
sehr renommierter Wissenschaftler, und seine Publikationen in der NZZ werden ohne Zweifel
von vielen einflussreichen Personen gelesen. Wenige Tage nachdem der erwähnte Artikel
erschienen war, konnte man von unserer Bundesrätin Doris Leuthard, nachdem sie die
Abstimmung über den "Atomausstieg" im Parlament gewonnen hatte, hören: " In 10 oder 20
Jahren werden vielleicht Technologien zur Verfügung stehen, von denen man heutzutage noch
gar nichts weiss". Hatte sie den Artikel von Gottfried Schatz - in dem nota bene keine genauen
Prognosen angegeben waren - gelesen?
Wesentlich kritischer als mit dem Artikel von Gottfried Schatz möchte ich mich mit der
Publikation im ETH Globe2 auseinander setzen. Dort wird über Forschungsarbeiten zu
Brennstoffzellen berichtet in einer Art, die ein grosses Potenzial hat Politikern Sand in die
Augen zu streuen, besonders wenn die Publikation von einer so renommierten Institution wie
der ETH stammt. Es werden dort hanebüchene Aussagen gemacht. So steht bereits im zweiten
Abschnitt der Satz "Ihre (der Brennstoffzelle) Vorteile: Sie wird gespeist mit unerschöpflich
verfügbarem Sauerstoff und leicht herstellbarem Wasserstoff". Das erinnert mich an ein
Gespräch mit einem Professor der Wirtschaftswissenschaften der WU Wien, der mir meine
Bedenken bezüglich einer zukünftigen Verknappung des Erdöls mit unabsehbaren Folgen für
die Menschheit zu zerstreuen versuchte mit der Entgegnung: "Na wissens, wenn dann das Erdöl
knapp wird, wird's der Markt schon richten und das Erdöl wird dann substituiert werden".
"Substituiert durch was?" lautete meine Frage. "Zum Beispiel durch Wasserstoff" war seine
1
2
NZZ 22.08.2011
ETH Globe 3/2011
Antwort. Auf meine zweite Frage: "Woher soll der Wasserstoff kommen" wusste mein
Gesprächspartner dann allerdings keine Antwort. Der Unsinn der Behauptung über die
Verfügbarkeit von Wasserstoff im zitierten Artikel wird dann nochmals fortgesetzt, indem
gesagt wird: "Zwar besteht beim Brennstoff kein Mangel." (!)
Dann wird auf das Elektrodenproblem eingegangen: Es wird ein Ersatz zum Platin gesucht. Es
wird berichtet, dass Prof. Hansjörg Grützmacher dafür Rhodiumkomplexe eingesetzt hatte, was
funktioniert haben soll. Das wird sicherlich stimmen, nur muss man wissen, dass Rhodium noch
3-4 Mal seltener als das seltene Platin ist und deshalb sicherlich nicht als Ersatz für Letzteres
dienen kann. Darauf wird zwar auch eingegangen, aber bezeichnenderweise im Konjunktiv:
"Auch Komplexe preiswerterer Metalle als Rhodium sollten funktionieren. Nickel etwa oder
Eisen, das häufigste metallische Element in der Erdkruste". Wer auch nur die geringste Ahnung
hat von Übergangsmetallchemie, und das nehme ich für mich auch 5 Jahre nach der
Emeritierung in Anspruch, der weiss, dass Nickel und Eisen fundamental andere Eigenschaften
aufweisen als Platin oder Rhodium, besonders in Bezug auf Hydrid-Transferreaktionen, die in
Brennstoffzellen von besonderer Bedeutung sind.
Dass das Probleme der Erhältlichkeit von Wasserstoff in diesem Artikel in keiner Art und Weise
seriös diskutiert wird, habe ich bereits erwähnt. Nur auf das Speicherungsproblem wird kurz
eingegangen. Richtigerweise wird erwähnt, dass H2 Tankstellen wohl nie realisiert werden
können. Als Ei des Kolumbus wird Natriumborhydrid vorgeschlagen, welches schon seit
geraumer Zeit für diese Funktion diskutiert wird. Daimler Chrysler hält auch Patente für dieses
Verfahren. Die bisherigen Ergebnisse dieser Entwicklungen sind aber äusserst bescheiden und
man muss vermuten, dass die grossen Automobilkonzerne vor allem aus Gründen der
Propaganda, solche Projekte verfolgen, und dabei gleichzeitig von der Tatsache ablenken, dass
immer noch viel zu viele übermotorisierte Fahrszeuge hergestellt werden, die von einem
breiten Publikum auch gekauft werden.
Für heute schliesse ich mit dem Aufruf an Wissenschaftler: Widersteht der Versuchung,
Politikern und dem breiten Publikum mit Utopien Sand in die Augen zu streuen und sie glauben
zu machen, man werde das Problem der Energieverknappung schon lösen, wenn man nur genug
in Forschung und Entwicklung investiere. In einer dumpfen Vorahnung der enormen Probleme,
die auf die Menschheit zukommen werden, ergreifen viele, Wissenschaftler inbegriffen, jeden
Strohhalm der Hoffnung, und sie verdrängen dabei die höchst unangenehmen Aussichten auf
eine Zukunft, die nichts Gutes ahnen lässt.
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