„Ich setze meinen Fuß in die Luft und sie trug“ das ist ein Wort der Lyrikerin Hilde Domin. Es ist ein merkwürdiges Wort. Kann man denn in der Luft gehen? „Mit beiden Beinen auf der Erde stehen“ – das wäre etwa die gegenteilige Aussage, und sie führt uns heran an das, was die Dichterin sagen will. Es gibt Menschen, die ihr Leben auf nichts anderes stellen als auf den Boden, sich an nichts anderes festmachen als an dieser Erde. Sie sehen nichts anderes als „Tatsachen“, denken nichts anderes als „Handfestes“. Sie bewegt nichts, als was sie vor Augen haben. Und dann gibt es die anderen Menschen, die setzen ihre Füße in die Luft. Sie setzen darauf, daß zwischen Himmel und Erde mehr ist als da zu sein scheint. Sie erfahren, daß da etwas ist, was sie hebt und trägt. Marc Chagall hat sie gemalt, diese Luft, die trägt und hebt. Bäume, Tiere, Menschen - alle Kreaturen schweben in seinen Bildern und Lithographien glücklich zwischen Himmel und Erde. Ein Gebet des jungen Malers kennen wir aus seiner Biographie, die er mit 35 Jahren niederschrieb: „Gott, der du dich verbirgst hinter der Wolke oder dem Haus des Schusters - eine neue Welt laß mich sehen.“ Marc Chagall sah diese neue Welt und malte sie voller Sprünge und Wunder in den Lüften. Er sah eine Welt, in der die Schwerkraft aufgehoben ist. Er sah das Zimmer, durch das leise ein Kopf zieht, in dem die Decke durchsichtig wird und Wolken und blaue Sterne hereinfliegen. Er sah Häuser, die weinen und Straßen, die beten, und er staunte: „Von allen Seiten kommt der Himmel.“ Mit der österlichen Zeit feiern auch wir in der Kirche eine Zeit geheimnisvoller Erscheinungen und Verwandlungen. Wir feiern das leere Grab, den Tod als Leben, durchlässige Türen und Wände, unerklärliches Wiedererkennen, besiegbare Trauer, davonfliegende Zweifel. „Wir wollen alle fröhlich sein in dieser österlichen Zeit“ singen wir in unseren Gottesdiensten. Die Zeiten der Kraft, wo wir mit beiden Beinen fest auf der Erde stehen, sind schön, aber es sind auch Zeiten der Selbsttäuschung. Länger im Leben sind die Zeiten, wo uns das Wunderbare und Unendliche not tut und wohl tut. Wir tun gut daran, uns mit nichts Geringerem zufrieden zu geben und uns nicht geborgen zu fühlen, solange unsere Füße nicht die himmlische Luft und ihre Tragfähigkeit erkundet haben. „Selbstrettung aus Gnade“ nennt das Hilde Domin. Sigrid Lunde, Bad Kreuznach Auch bei einer rein gottesdienstlichen Verwendung dieses Meditationstextes muss die obenstehende Illustration bei einem der einschlägigen Kunstverlage in ausreichender Anzahl bestellt werden. Auf keinen Fall darf das Bild mit Farbdruckern oder Ähnlichem einfach vervielfältigt werden. Für Hinweise auf günstige Bezugsquellen für meditative Kunstpostkarten – etwa im Internet – sind wir im übrigen dankbar. Evtl. würden wir sogar auf diese Bezugsquellen hier hinweisen wollen. Sc. Die obenstehende Abbildung dient nur dem Verständnis des Textes!