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Stadt Herborn
Der Magistrat
Hauptstr. 39
35745 Herborn
Gedenken an den politischen Widerstand gegen die NS-Diktatur in Herborn
hier: Historisches Gewerkschaftshaus Burger Landstraße 5
Im Jahr 2013 Jahr jährt sich die sogenannte „Machtergreifung“ Adolf Hitlers, d.h.
seine Ernennung zum Reichskanzler durch Reichspräsident Paul v. Hindenburg am
30.01.1933, zum 80. Mal. Dieser Regierungswechsel wahrte zwar damals noch
äußerlich den Schein der Verfassungstreue gibt sich jedoch heute als erster Schritt in
jene Diktatur zu erkennen, deren Geschichte von uns Deutschen sogar noch in
einem Abstand von inzwischen nahezu drei Generationen nur als Alptraum
wahrgenommen werden kann. Der Streit der Meinungen darüber, wie es dazu
kommen konnte, setzte bereits mit Hitlers Kanzlerschaft ein. Er erfuhr durch das
Übermaß an Leid eine ungewöhnliche Größenordnung an Verbreitung und Intensität,
als nach dem Zusammenbruch Hitler-Deutschlands das freie Wort wieder möglich
wurde und hält bis heute an.
Hinter der Frage, wer oder was nun eigentlich hauptschuldig an der verhängnisvollen
Wende von 1933 war, tritt die Erinnerung an Menschen, die sich dieser Entwicklung
entgegenstemmten, oft genug zurück. Das ist auch in Herborn so. Die Entscheidung
über die neue Kriegsgedenkstätte von 1966 brach auf eine kluge Weise mit der
uralten, damals noch überall als selbstverständlich empfundenen Tradition des
Kriegerdenkmals, in dem sie die Opfer der Verfolgungen unter dem NS-Regime
einbezog und gleichzeitig das Denkmal für den Ersten Weltkrieg angemessen
integrierte. Heute wird jedoch die damals gefundene Lösung der rein chronologisch
geordneten Aufzählung von Todesopfern unter Soldaten und Zivilbevölkerung dem
Stand der historischen Forschung nicht mehr gerecht, weil die dichte Verknüpfung
der Wehrmacht mit den Verbrechen des NS-Regimes inzwischen nur zu gut bekannt
ist. Die Überlieferungslage schließt es aus, den Mangel zu beheben, dass in einem
Denkmal an Opfer und Täter zugleich erinnert wird. Statt dessen bietet es sich an,
das Denkmal in seinem Zustand zu belassen, eben auch als Denkmal dafür, was
1966 war und der Opfer gesondert in einer neuen Form zu gedenken. Dabei sollten
wir auch Überlebende des NS-Terrors nicht vergessen, die bereits vor und während
der Wende von 1933 sich öffentlich sichtbar der verhängnisvollen Entwicklung
entgegen stemmten. Nach der Rückkehr aus Zuchthäusern, KZs oder
Strafbataillonen und nicht zuletzt aus dem Exil wurden sie von der Mehrheit der
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Deutschen keineswegs als Zeugen eines besseren Deutschlands begrüßt, sondern
als lebende Erinnerung an die Größte Dummheit der der Deutschen Geschichte oft
genug angefeindet und verfemt.
Heinrich Beckers Biographie und politisches Wirken wird in den ortsgeschichtlichen
Zusammenhang gestellt:
Heinrich Becker (1877-1964) begann nach 20 jähriger Tätigkeit als Bergmann eine
Laufbahn als Sekretär in der Bergarbeitergewerkschaft. 1921 wurde er Bezirksleiter
in Herborn, wo ab 1928 Paul Szymkowiak (1885-1950) sein wichtigster Mitarbeiter
wurde. Szymkowiak war Mandatsträger in der letzten frei gewählten Herborner
Stadtverordnetenversammlung, Becker 1924-1928 Kreistagsmitglied und 1924-1933
für die SPD, als „Becker (Herborn)“, Mitglied des Reichstages in Berlin. Während er
sich auf Reichsebene dem Kampf gegen den aufsteigenden Nationalsozialismus
anschloss, kann Szymkowiak als Zentralfigur dieses Kampfes auf der örtlichen
Ebene gelten. Er organisierte die öffentlichen Kundgebungen der „Eisernen Front“
der republikanischen Parteien und Verbände (vgl. Akten im Stadtarchiv).
Anmeldung von Kundgebungen der Eisernen Front, 14.Juli 1932, mit der Unterschrift von Paul
Szymkowiak.
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Das Herborner Gewerkschaftshaus Burger Landstraße 5 war daher bei den örtlichen
NS-Größen verhasst und wurde zur Zielscheibe von Übergriffen, wie das hier
erstmals gezeigte zeitgenössische Foto (Sammlung Brandenburger) belegt.
Der Sitz der Bergarbeitergewerkschaft, Burger Landstraße 5, Herborn, mit Schmierereien („Heil Hitler.
Der dritte Schlag sitzt.“), vermutlich Frühjahr 1933. (Repro: Stadtarchiv Herborn).
Aufgrund ihrer Opposition wurden Becker und Szymkowiak verfolgt. Becker hatte am
23.3.1933 im Reichstag gegen Hitlers Ermächtigungsgesetz gestimmt, emigrierte am
25.6. des Jahres in das damals unter französischer Verwaltung stehende Saarland
und von da 1935 nach Frankreich. Er war bis 1938 aktiv an der Arbeit der SPD in der
Emigration beteiligt, wurde 1939 in Frankreich interniert, 1941 von der deutschen
Besatzungsmacht verhaftet und 1942 vor dem Berliner Volksgerichtshof wegen
Hochverrats angeklagt. Bis zur Befreiung durch die „Rote Armee“ saß er im
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Zuchthaus, kehrte danach zunächst nach Herborn zurück und verbrachte seinen
Lebensabend in Burg. Szymkowiak wurde am 16. Juli 1933 von SA-Leuten in
Schutzhaft genommen, jedoch auf dem Weg zum Wetzlarer Gefängnis so schwer
misshandelt, dass ihn die Gefängnisleitung als haftunfähig in das Kreiskrankenhaus
überstellen ließ. Die Familie verzog nach Gießen, wo Paul Szymkowiak sich eine
neue Existenz als Spediteur aufbaute. Er gehörte zu den ehemaligen
Mandatsträgern der Republik, die am 20.7.1944 nach dem missglückten Attentat auf
Hitler in KZs eingeliefert wurden.
Die beiden hier in Kürze vorgestellten Lebensläufe dürften genügen, um ein
Gedenken zu begründen. Es wird auch deutlich, wo dieses hingehört, nämlich in die
Kernstadt von Herborn, wo das Gewerkschaftshaus Zentrum des politischen
Widerstandes gegen die Durchsetzung der NSDAP war. Es zeigt sich auch, dass
eine Ehrung von Heinrich Becker alleine nicht genügt, sondern, dass Becker und
Szymkowiak gemeinsam zu würdigen sind.
Aufgrund der vorliegenden Gestattung zur Anbringung einer Gedenktafel am
Gebäude Burger Landstraße 5 durch den Eigentümer Ernst Roland Grimm hat der
Magistrat in seiner Sitzung am 19.11.2012 beschlossen am o. g. Gebäude eine
Gedenktafel mit folgendem Text anbringen zu lassen:
Burger Landstraße 5
Bis Mai 1933 Sitz der Bezirksverwaltung der Bergarbeiter-Gewerkschaft.
Von hier aus organisierten Heinrich Becker und Paul Szymkowiak den
Widerstand in Herborn gegen die Nationalsozialisten.
Stadt Herborn
Herborn, 02.05.2013
Hans Benner
Bürgermeister
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