Impulsreferat von Diözesanbischof Dr. Alois Schwarz, Klagenfurt Donnerstag, 14. 10.2010 im Bankhaus Schelhammer & Schattera, Goldschmiedgasse 3, 1010 Wien zum Thema: „Ethik und Nachhaltigkeit in der Bank“ These 0: These 1: These 2: These 3: These 4: These 5: These 6: These 7: Ein Wort voraus „Ethik“ „Nachhaltigkeit“ “Bank” Ausgewogenheit der Bankziele - innere Stimmigkeit Ethik und Nachhaltigkeit im Bankalltag Corporate Social Responsibility Den ´Kredit´ nicht verspielen, sondern erneuern. These 0: Ein Wort voraus: Ein Wort des chinesischen Weisen Konfuzius [551 - 479 v. Chr.] kann helfen, die NotWendigkeit sprachlicher Klarheit und Klärungen einzusehen und zu erhören: " Sind die Bezeichnungen nicht richtig gestellt, so entspricht, was man sagt, nicht den Tatsachen. Entspricht, was man sagt, nicht den Tatsachen, so werden die Handlungen der Regierung ohne Erfolg bleiben. Bleiben die Handlungen der Regierung ohne Erfolg, so verlieren die Normen der Riten und die Ritualmusik ihre Wirkkraft. Verlieren die Riten und die Ritualmusik ihre Wirkkraft, so werden Züchtigungen und Strafen ohne Maß erteilt. Werden Züchtigungen und Strafen ohne Maß erteilt, so weiß das Volk nicht mehr aus noch ein. Darum bezeichnet der edle Mensch die Dinge so, dass er zu Recht davon reden und dass er das, wovon er redet, auch zu Recht durchführen kann. Denn der edle Mensch gestattet sich in allem, was er sagt, keinerlei Leichtfertigkeit" 1 1 aus: Konfuzius: Gespräche des Meisters Kung (Lun Yü). 1. Aufl., Vollst. Ausgabe aus dem Chines. übertragen, 1985; 4. Aufl.: München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 1991, 92 [aus: XIII.3]. 1 Was meint wohl Konfuzius damit – in heutige Sprache übersetzt? • Dass es richtige, den Tatsachen entsprechende Bezeichnungen gehen muss, • damit das politische, wirtschaftliche, kulturelle und religiöse Handeln „greifen“ kann, d.h. nicht ins Leere zielt; • damit Orientierung gebende Werte und Kultur („Normen der Riten und Ritualmusik) ihre Wirkkraft erhalten und bewahren; • damit nicht Maßlosigkeit und Willkür vorherrschen und infolgedessen • damit das Volk, die Gemeinschaft, die Gesellschaft nicht sittlich, sozial, politisch, kulturell verwahrlost, orientierungs- und aussichtslos werden. Das wollen wir auch bei den hier kurz zu erschließenden Worten: „Ethik“, „Nachhaltigkeit“ und „Bank“ beachten und in kritischer Evidenz halten. These 1: „Ethik“ Zwischen ETHIK (als wissenschaftlicher/philosophischer Disziplin) und MORAL (Ethos) gibt es einen Zusammenhang und einen Unterschied. Moral (Ethos) wird verstanden als die Sitte, die Gewohnheit, der Brauch, also als die gewohnte und gewöhnliche Art zu denken und zu Handeln. Ethik ist die systematisch-kritische Reflexion der gelebten oder überlebten Moral, also alles dessen, was sich „moralisch“ gibt oder verhält. Es ist also not-wendig, ethisch zu denken“, damit der Mensch moralisch (gut bzw. richtig) handelt. In diesem Sinne stellt sich die Ethik in den Dienst der gelebten Moral, indem sie diese „aufklärt“, reinigt und von Vorurteilen befreit, damit sie nicht nur im „gut Gemeinten“ verharrt, sondern sich ihren guten Grundes im Denken und Handeln bewusst wird und bleibt. „Ethisch denken“ heißt nach Gernot BÖHME sich ernsthaft befassen mit einer Frage oder einem Problem, „mit der oder mit dem es ernst ist 2“. Dazu hat am 30. April 2010, Papst Benedikt XVI. in seinem Grußwort 3 zur 16. Plenarsitzung vor der Päpstlichen Akademie für Sozialwissenschaften, das unter dem Titel stand: „Krise in 2 Böhme, Gernot: Ethik im Kontext. Über den Umgang mit ernsten Fragen. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1997,155) 3 http://www.vatican.va/holy_father/benedict_xvi/speeches/2010/april/documents/hf_benxvi_spe_20100430_scienze-sociali_en.html 2 einer Weltwirtschaft – Neuplanung der Reise“, mit mahnenden Worten auf die Gefahr einer schrankenlosen Marktwirtschaft hingewiesen. Wörtlich sagt der Papst: „Der weltweite finanzielle Zusammenbruch hat, wie wir wissen, die Brüchigkeit des gegenwärtigen Wirtschaftssystems und der mit ihm verbundenen Institutionen demonstriert. Er hat ebenso den Irrtum der Annahme gezeigt, dass der Markt in der Lage sei, sich selbst zu regulieren, ohne öffentliche Interventionen und [ohne die] Unterstützung von verinnerlichten moralischen Standards“ 4. Mit Bezugnahme auf seine Sozialenzyklika „Caritas in veritate“ (29.06.2009) 5 fordert der Papst die in der Päpstlichen Akademie für Sozialwissenschaften versammelten Wissenschaftler auf, „nach objektiven Bewertungskriterien für wirtschaftliche Strukturen, Institutionen und Entscheidungen zu suchen“ 6. Hier wiederholt der Papst nicht den im Zusammenhang mit der Finanzkrise, die dann zur Wirtschaftskrise und schließlich zu handfesten Staatskrisen führte, aufgekommenen Not-Ruf nach Ethik, gar nach einer „neuen Ethik“, sondern er weist mit klaren Worten darauf hin, dass es mit einer verbalen ethischen Behübschung oder modisch-vertuschenden („Deckmantel“) Postulaten oder Etikettierungen mit „Ethik“ nicht getan ist , sondern dass es überprüfbare Kriterien und Regeln braucht. Die schönen Worte und Rufe nach „Ethik“ oder einer speziellen „Krisenethik“ müssen im Sinne des einleitenden Konfuzius-Wortes an den damit garnierten Handlungen und Programmen gemessen werden, die immer noch von Begehrlichkeit, Eigensucht und Eigennutzen bestimmt sind und „ der Gerechtigkeit und dem wahren Wohl der Menschen widersprechen“. Wörtlich sagt der Papst dazu: „Die Wirtschaft braucht nämlich für ihr korrektes Funktionieren die Ethik; nicht irgendeine Ethik, sondern eine menschenfreundliche Ethik. Heute spricht man viel von Ethik im Bereich der Wirtschaft, der Finanzen und der Betriebe. […]Es ist jedoch gut, auch ein gültiges Unterscheidungskriterium zu erarbeiten, da man eine gewisse Abnützung des Adjektivs »ethisch« feststellt, das, wenn es allgemein gebraucht wird, auch sehr verschiedene Inhalte 4 Absatz 2 in: http://www.vatican.va/holy_father/benedict_xvi/speeches/2010/april/documents/hf_benxvi_spe_20100430_scienze-sociali_en.html 5 http://www.vatican.va/holy_father/benedict_xvi/encyclicals/documents/hf_ben-xvi_enc_20090629_caritas-inveritate_ge.html 6 http://www.kath.net/detail.php?id=26564 3 bezeichnet. Das kann so weit gehen, dass unter seinem Deckmantel Entscheidungen und Beschlüsse durchgehen, die der Gerechtigkeit und dem wahren Wohl des Menschen widersprechen“ (Papst Benedikt XVI: Caritas in veritate, Nr. 45). Die diesjährigen Alpbacher Wirtschaftsgespräche fragten dann: „War die Krise umsonst?“ – Mit „die Krise“ war wiederum gemeint, was als Investmentbankenkrise in den USA begann, sicht zur weltweiten Wirtschaftskrise ausweitete und zumindest in Europa zu mehreren, noch immer nicht abgewendeten Staatskrisen geführt hat. Die Frage, ob diese Krise umsonst war, scheint nahe zu legen, dass sie nun schon vorbei sei. Der deutsche Wirtschaftswissenschaftler und Direktor der Abteilung für Globalisierung und Entwicklungsstrategien bei der UNCTAD, Dr. Heiner Flassbeck, hat dies in einem Seminar zu "Economic Theory and Economic Policy in Crisis?" (20.-25.8.2010) widerlegt mit der These, dass die jüngste „große Krise der globalen Finanzen ist keineswegs zu Ende“ ist (vgl. http://science.orf.at/stories/1656890), da bei den Verantwortlichen „Alles weiter wie bisher“ gehe. Dr. Flassbeck beruft sich dabei ausdrücklich auf den Nestor der Katholischen Soziallehre, Oswald von Nell-Breuning (1890-1991), der ein Jahr von der ersten großen Weltwirtschaftskrise (1929) mit seiner sozialethischen Untersuchung „Grundlagen der Börsenmoral“ zwar keine Patentlösungen für die heutige Krisenlandschaft entworfen hat, jedoch – bei allem noch zeitbedingten Optimismus – unmissverständlich klar gestellt, dass Banken, Börsen und Wirtschaften nicht in einem moral- und ethikfreien Spielraum ablaufen dürfen sondern moralisch und ethisch in die Pflicht zu nehmen und an Regeln zu binden sind. „Die Finanzmärkte und auch die Börse sind kein moralfreier Raum“ stellt dazu einer der Nachfolger Nell-Breunings, Dr. Friedhelm Hengsbach, fest (in: http://www.cicero.de/97.php? ress_id=6&item=3169). Dazu eine persönliche Erfahrung: Als ich Anfang Mai 2007 im Rahmen des 5. „Finance- & Ethics“-Kongresses in Diex zum Thema „Der Preis des Risikos“ im Geiste von Oswald von Nell-Breuning und der Katholischen Soziallehre darlegte, dass Hedgefonds aus ethischer Sicht abzulehnen sind, weil sie im Stande sind, riesige Anlagenvolumina anzuhäufen und dadurch willkürliche Trends in Form ungeordneter Marktkorrekturen auszulösen, und dass eine ausschließlich an maximalem Profit orientierte Investmentstrategie, die keine sozialen oder 4 ökologischen Kriterien berücksichtige, ethisch nicht vertretbar ist (http://www.kathkirche-kaernten.at/pages/bericht.asp?id=9426) wurde ich von einem anwesenden Finanzfachmann heftig angegriffen und der Unsachlichkeit verdächtigt. Ein paar Monate später begann (im Sommer 2007) in den USA die weltweite Banken-, Finanz- und Wirtschaftskrise. Dies sage ich zur Bestätigung der von Dr. Fassbeck geäußerten Skepsis. Neben sei bemerkt, dass die Tatsache dass die Katholische Kirche in Kärnten beim Aufbau des Vorsorgefonds für die Pensionsvorsorge ihrer Priester eine konservativausgewogene Veranlagungsstrategie mit einer Aktienquote von maximal 30 Prozent verfolgt und eine Investition in Hedgefonds aus ethischen Gründen grundsätzlich ausgeschlossen hat, hat u. a. auch dazu geführt, für diese Veranlagungen das mit der genannten Krise verbundene Verlustrisiko wirksam einzuschränken. Die Maßgabe des „ethischen Investments“ hat sich also auch in der Krise bewährt, und zwar nicht auf Kosten Anderer! Es gilt also, die Gefahr der Behübschung mit „Ethik“ zu erkennen und zu überwinden, vor allem sie rechtzeitig in Frage zu stellen, wie z. B.: „Ethik“ zur „Krisenbewältigung“ [die Gewaltsamkeit ist „im Begriffe“, d. h. inbegriffen]? Gilt eine „Ethik“ auch dann noch, wenn es wieder „bergauf“, „gut“ geht: nach dem Motto: „uns geht´s (wieder) gut, wie haben (uns machen) keine Sorgen ….“ Nagelprobe ethischer Bemäntelung: Gilt die Ethik weiter auch für „gute Zeiten“ und in „guten Zeiten“ als kritisches Korrektiv für ein Handeln, das von sich aus dazu veranlagt ist, schnellstmöglich wieder zum Gewohnten, zur „Tagesordnung“ überzugehen (nach dem Motto: „Hurra, die Krise ist geschafft, machen wir wieder so weiter wie bisher!“), ─ oder wird Ethik schnellstmöglich „suspendiert“ (ausgesetzt, wie ein weggelegtes Kind), sobald die Bilanzzahlen wieder „mehr als positiv“ aussehen? These 2: „Nachhaltigkeit“ Was und wer soll und will heute nicht alles „nachhaltig“ sein?! 5 In einem Buch über „Zehn Gebote für Europa. Der Dekalog und die europäische Wertegemeinschaft 7“ habe ich darauf hingewiesen, dass die bisherigen sozialen, individuellinterpersonalen, politischen und ökonomischen sowie ökologischen Nachhaltigkeitskonzepte und –Modelle zu kurz greifen und sowohl von einer philosophisch-ethischen Grundlegung wie auch von einer transzendent-theologischen Reflexion und Praxis als Perspektive (Durchblick) getragen und gehalten sein müssen. Angeregt wurde ich dazu von dem Artikel von Rupert M. SCHEULE über „Nachhaltigkeit. Zur ekklesialen Rekonstruktion der Nachweltfürsorge8 “. Scheule weist darauf hin, „dass die Kirche mehr als jede andere Institution auf der Welt eine Nachhaltigkeitsagentur sein“ muss, „um ganz bei sich bzw. ihren Zielen zu sein9“. „Nachhaltigkeitsdebatten“ müssen sich also daran messen lassen, wie „ernst“ es ihnen ist mit den Überlegungen, ob sie unverbindliche Gedankenspiele sein oder bleiben wollen oder sich der Frage stellen: Wie ist dieses und jenes, das schon oder noch nicht in Frage steht, „letztendlich“ zu verantworten. Nachhaltigkeit hat also wesentlich und unausweichlich zu tun mit der überzeugenden Antwort auf die Frage: Wie möchte ich dastehen und bestehen vor…?“ „Nachhaltigkeit“ ist damit nicht zu trennen von der Gewissensfrage (Kann ich das vor meinem Gewissen verantworten?) und auch nicht zu trennen von der „Gerichtsfrage“ (Kann ich das verantworten vor dem Richter der Welt?). Die „ekklesiale Rekonstruktion des Nachhaltigkeitsprinzips beansprucht“ nach Scheule „keine umfassende Letztbegründungsreichweite“ philosophisch-rationaler Art (weil in ihr Gott das erste wie auch das letzte Wort hat!), sondern sie „ist vielmehr zu verstehen als schlichte institutionelle Selbstverpflichtung10 “, die sich aus dem Wesen der Kirche wie auch aus ihrer Verantwortung für die Welt ergibt. Mit dieser Vorbildfunktion hat die Kirche auch die Aufgabe, die politischen und ökonomischen Fakten und die damit verbundenen Folgen im Geiste Jesu Christi mit der Botschaft der Bibel in Verbindung zu bringen. Das hat auch Folgen für die ethischen Konzepte jedwelcher Art. 7 Jünemann, Elisabeth / Theisen, Heinz (Hg.): Zehn Gebote für Europa. Der Dekalog und die europäische Wertegemeinschaft. Erkelenz: Altius-Verlag, 2009, 99 ff. 8 in: „Theolgie der Gegenwart“ Jahrg. 46 (2003) 107-126. 9 ebd. 10ebd. 6 Die klassische Vernunftethik ist damit herausgefordert, über sich hinauszuwachsen und nicht nur formal, sondern auch inhaltlich noch universaler zu werden, um die Globalisierung „solidarisch“ zu halten. >>Die alten Werte der „Nächstenethik“ wie Gerechtigkeit, Barmherzigkeit, Ehrlichkeit, Vertrauen und Verlässlichkeit haben immer noch Geltung. Was wir heute jedoch zusätzlich brauchen, ist eine, wie es der Philosoph und Ethiker Hans Jonas nennt, ´Reichweitenentgrenzung ethischen Denkens´ in neue Bereiche. Es braucht eine „Globalisierung der Solidarität“, die mit dem Zwischenmenschlichen beginnt und weit darüber hinausgeht, „weil es uns alle angeht“. Ich stimme Hans Jonas zu, wenn dieser sagt, es "wird die Sache der Menschheit wohl doch von unten und nicht von oben betrieben. Die großen sichtbaren Entscheidungen zum Guten oder zum Schlimmen werden auf der politischen Ebene fallen (oder auch versäumt werden). Aber wir können unsichtbar den Boden dafür bereiten, indem wir mit uns selbst den Anfang machen11“<< These 3: „Bank“ Damit meine ich nicht die bekannte „lange Bank“, die des Teufels liebstes Möbelstück ist! Gemeint ist vielmehr, was in einem geläufigen Definitionsversuch wie folgt umschrieben wird: „Eine Bank ist ein Kreditinstitut, das entgeltliche Dienstleistungen für den Zahlungs- und Kredit- und Kapitalverkehr anbietet 12“. Doch – wie man so schön zu sagen pflegt – „in Zeiten wie diesen“ müssen wir fragen, ob das noch stimmt. Haben die in die bekannt Bankenkrise verwickelten Banken nicht alles getan, was jede „Definition“, jede mögliche verständliche Selbst- oder Fremdbegrenzung übersteigt und sich damit selbst ver-stiegen, zum Schaden und Nachteil unzähliger Menschen, wirtschaftlicher Unternehmen und Staaten? 11 aus: Bischof Schwarz zum Jahreswechsel [31.12.2009]: Veränderung beginnt bei jedem Einzelnen, in: http://www.kath-kirche-kaernten.at/pages/aktuell.asp?menuopt=16172 12 In: http://de.wikipedia.org/wiki/Bank 7 Wir werden also innerhalb der Bankinstitute wie auch außerhalb derselben wieder neu darüber nachzudenken und zu regeln haben, was Banken sind und zu sein haben13. Banken haben sich – und das haben sie mit den Religionsgemeinschaften und Kirchen wenigstens formal gemeinsam – in und vor kritischer Öffentlichkeit zu bewähren und in einer transparenten Zielbestimmung über ihren eigenen Zweck hinaus als glaubwürdig und verantwortlich zu erweisen. Zu diesen drei vorausgegangenen Thesen biete ich im Folgenden einige Überlegungen und Anfragen zur konkreten Finanz- und Bankpraxis an. These 4 Ausgewogenheit der Bankziele - innere Stimmigkeit Nicht erst die jüngste Wirtschaftskrise, sondern die von Einzelpersonen und Unternehmen, insbesondere an schicksalhaften Wendepunkten, gewonnenen Erfahrungen im Umgang mit Banken machen deutlich, dass ihnen im Wirtschaftsleben eine enorme Macht und zugleich Verantwortung zukommt. Wie Geldwirtschaft selbst nur funktioniert, in dem man darauf vertraut, dass sie eben funktioniert, setzt ein funktionierendes Bankwesen einen enormen Vertrauensvorschuss seitens der Kunden, besser der gesamten Gesellschaft, voraus. Ich vertraue darauf, dass meine Ersparnisse bei der Bank nicht nur sicher aufgehoben sind, sondern auch Zinsen tragen. Ich vertraue darauf, dass mein Kredit nicht vorzeitig fällig gestellt wird. Ich vertraue darauf, dass die Bank keine überzogenen Spesen verrechnet. Ich vertraue darauf, dass ich gut und objektiv beraten werde usw. Auch die Bank muss ihren Kunden Vertrauen entgegenbringen, dem Firmengründer, dass er den dringend benötigten Kredit zurückzahlen kann, dem Investor, dass sich sein Vorhaben rechnet, dem Mitarbeiter, dass er seriös arbeitet und keine unzulässigen Risiken zum Schaden der Bank eingeht, dem Staat, dass er mit seinen Gesetzen Voraussetzungen dafür schafft, dass eine gedeihliche und planbare Geschäftsentwicklung möglich wird. 13 vgl. dazu auch: Koslowski, Peter: Ethik der Banken und der Börse, Tübingen: Mohr Siebeck, 1997, - und neuerdings: ders.: Ethik der Banken. Folgerungen aus der Finanzkrise. München / Paderborn: W. Fink, 2009. 8 Bankkrisen und Bankpleiten, Kreditausfälle und damit verbundene Staatshilfen, Insidergeschäfte und unberechtigt hohe Managerbezüge usw. haben immer wieder sichtbar gemacht, dass der manchen Großbanken gewährte Vertrauensvorschuss doch nicht ganz berechtigt war. Dass es auch anders sein kann, beweist die konsequent nachhaltige Geschäftspolitik etwa eines Bankhauses Schelhammer & Schattera, das zum Wohl seiner Eigner und Kunden schon immer auf Sicherheit und auf eine fundierte Eigenkapitalbasis Wert gelegt hat. Wertvorstellungen und Ziele eines Unternehmens sind oft in Leitbildern niedergelegt, die sich aber nicht selten als bloße Marketing-Instrumente entpuppen und weit entfernt von der täglichen Unternehmenspraxis Hochglanz-Romantik vermitteln. Trotzdem gibt es immer mehr Unternehmen, die sich freiwillig auch vielschichtigen Nachhaltigkeitszielen verpflichten und über die Umsetzung dieser Ziele jährlich in ihren Geschäftsberichten informieren. Der Fokus richtet sich dann nicht mehr allein auf den finanziellen Erfolg, sondern umfasst eine Fülle weiterer wichtiger Ziele, die in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen. Mit dem Instrument 'Balanced Scorecard', das ich selbst vor mehreren Jahren in den BistumsBetrieben implementiert habe, lassen sich diese Ziele anschaulich abbilden und mittels geeigneter Kennzahlen auch zuverlässig messen. Entscheidend dabei ist, dass nicht ein Oberziel den Vorrang einnimmt, sondern die einzelnen Ziele sorgfältig aufeinander abgestimmt und ihre Auswirkungen aufeinander verlässlich beobachtet werden. Es gilt dabei, die Ziele des Unternehmens mit jenen der Kunden, der Mitarbeiter, der Gesamtgesellschaft, der Region, der Ökologie usw. in Einklang zu bringen. Blickt ein Unternehmen über den eigenen Tellerrand hinaus, ist ihm die dauerhafte Kundenbindung, die Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern und der Umwelt, in die es hineingestellt ist, ein wirkliches Anliegen, kann ihm auch eine große externe Krise - wie man sieht - nicht viel anhaben. These 5: Ethik und Nachhaltigkeit im Bankalltag 5.1 Mittelveranlagung Banken wird von den Kunden Geld in Form von Spareinlagen, als Sichteinlagen, als Terminoder Festgeld, anvertraut. 9 Was macht die Bank mit diesem Geld? Wie viel kann sie davon in Form von Darlehen weiterverleihen, wem gewährt sie Kredit? Wie legt sie das Geld an, das nicht in Kredite fließt? Spielt dabei nur die Aussicht auf hohe Rendite, Sicherheit und Liquidität, eine entscheidende Rolle oder gibt es verbindliche ethische Maßstäbe für die Veranlagung, die auch konsequent umgesetzt werden? Gibt es dafür Ethikkriterien? Und wenn es solche gibt, wie werden sie bei der Titelauswahl umgesetzt? Beschränkt sich die interne Ethik-Richtlinie darauf, dass sie Investitionen mit sozial und ökologisch negativen Auswirkungen vermeidet bzw. Investitionen in sozial verantwortliche und ökologisch zukunftsfähige Produkte, Unternehmen oder Wirtschaftsweisen bevorzugt? In der Praxis haben sich dafür Negativ- bzw. Ausschlusskriterien und Positivkriterien entwickelt. Auch wenn sich der Ausschluss bestimmter Praktiken, Produkte und Wirtschaftsweisen als unerlässlich erweist, geht es im Kontext einer christlichen und humanistischen Ethik um mehr als um eine 'saubere Weste' oder ein 'reines Gewissen', es geht um einen ernsthaften Einsatz für eine bessere Welt! Gerade Banken hätten aufgrund der ihnen zur Verfügung stehenden erheblichen Kapitalien und als Anleger für ihre Kunden unglaubliche Möglichkeiten, dem Ziel 'einer besseren Welt' zu dienen! In der Frage der gezielten Förderung und Unterstützung von Wirtschaftsweisen, die eine nachhaltige Entwicklung ermöglichen, kommt ihnen eine einzigartige Schlüsselfunktion zu. Sie könnten beispielsweise durch die Bevorzugung von Best-in-ClassUnternehmen, die innerhalb ihrer Branche eine Vorreiterrolle in Bezug auf gesellschaftlich und ökologisch verantwortliche Wirtschaftspraktiken einnehmen, einen ethischen Wettbewerb initiieren: Dadurch könnten Unternehmen, die nicht Best-in-Class sind, motiviert werden, ihre Bemühungen in Richtung Nachhaltigkeit zu intensivieren! Banken mit entsprechendem Gewicht und besonders fundiertem Nachhaltigkeitsverständnis könnten aber auch allein - oder als Gruppe - gesellschaftlich und ökologisch interessante Themen und Fälle aufgreifen, um mit Unternehmen und Akteuren in Wirtschaft und Politik in einen Dialog zu treten. Ziel dieses Dialoges wäre es, nachhaltige Wirtschaftsweisen und nachhaltige Entwicklungen voranzutreiben! Insgesamt versteht sich ethische Geldanlage also als Motor für eine nachhaltige Entwicklung. Zu betonen ist, dass die ethische Geldanlage zwar einen wichtigen Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit und ökologischen Zukunftsfähigkeit leistet, aber dieser Beitrag nicht isoliert 10 von zahlreichen zusätzlichen Nachhaltigkeitsinitiativen gesehen werden darf. Ethisches Investment ist nicht die alleinige Lösung, sondern eine Hilfe neben anderen, zur Bewältigung der globalen gesellschaftlichen und ökologischen Herausforderungen der Zukunft. 5.2 Der Umgang mit den Kunden In keiner 'Balanced Scorecard' darf die Kundenperspektive fehlen! Wird der Kunde nur als Steigbügelhalter zur Erreichung der eigenen Finanzziele betrachtet? Oder versetzt sich das Unternehmen ehrlich in die Situation des Kunden in seinen unterschiedlichen Befindlichkeiten? Bewirkt mein Verhalten als Bank eine Win-Win-Situation für beide oder muss sich der Kunde nicht oft als 'über den Tisch gezogen' vorkommen? Berate ich ihn tatsächlich immer nach seinen Bedürfnissen oder liegt es mir daran, ihm jene Produkte zu verkaufen, die mir als Bank besonders viel bringen? Oft zeigt es sich, dass die Konditionen in einer Kundenbeziehung zwar wichtig, aber nicht der ausschlaggebende Faktor der Zufriedenheitsstiftung sind. Seriosität, Redlichkeit und Verlässlichkeit sind meistens ebenso wichtige Kriterien. Oft wird die Bank auch auf harte Proben gestellt, wenn es etwa um die Uneinbringlichkeit eines Kredites geht, wenn der Kunde in die Insolvenz gerät, sich existenzielle Nöte auftun. Welche Verantwortung übernehme ich als Bank dann für einen zahlungsunfähigen Kunden und für seine Familie? Es ist schon klar, dass eine Bank kein Wohltätigkeitsverein ist, aber ist das Thema 'Hilfe' überhaupt eine praktizierte Bankmaßnahme? Wie weit kann der Bankberater, der aus seinen Aufzeichnungen schon sehr oft das aufkommende Kundenunheil mitverfolgen kann, seine Autorität in finanziellen Angelegenheiten ins Spiel bringen, um den Kunden rechtzeitig auf die drohende Entwicklung aufmerksam zu machen? Ist er überhaupt interessiert, auf den Kunden einzuwirken? Gerade in der Kunden-/Bankbeziehung ist es oft sehr aufschlussreich, die Position zu wechseln und in die Kundenrolle zu schlüpfen. Kunden haben ein Recht darauf, fair behandelt zu werden! .3 Der Umgang mit den Mitarbeitern Bankmitarbeiter zu sein, ist seit je ein sehr begehrenswerter Job! Aber hinter glanzvollen Marmorfassaden spielen sich oft schicksalhafte Entwicklungen, Ungerechtigkeiten, 11 Missachtungen, extremer Leistungsdruck, Bevorzugungen, Zurücksetzungen und Mobbing ab. Natürlich nicht nur bei Banken, sondern in vielen Branchen und Unternehmen. Unternehmer wissen, dass ein verantwortungsbewusster Umgang mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine zentrale Voraussetzung für den wirtschaftlichen Erfolg ihres Betriebes ist. Allerdings wird bei Mitarbeiterbefragungen trotzdem regelmäßig festgestellt, dass zumindest 30 % der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht ausreichend motiviert sind. Eine faire Bezahlung, Mitgestaltungsmöglichkeit im Unternehmensalltag oder die Möglichkeit, sich fachlich und persönlich weiterzuentwickeln, bestimmen maßgeblich die Lebensqualität, die Flexibilität und die Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter. So stellt der zunehmende Druck auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer öfter die Vereinbarkeit von Familie und Beruf auf die Probe. Kommen zum Leistungsdruck im Unternehmen noch private Belastungen hinzu, ist der Weg ins Burnout oft vorgezeichnet! Immer öfter wird daher die Sicherstellung einer Work-Life-Balance zu einer zentralen Führungsaufgabe! Banken rühmen sich oft, ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern besonders viele Weiterbildungsmöglichkeiten zu bieten und es werden oft stolz die durchschnittlichen Ausbildungstage pro Mitarbeiter und Jahr veröffentlicht. Aber wird Bildung wirklich allen Mitarbeitern in gleicher Weise zuteil und fallen manche nicht doch, aus welchem Grund auch immer, regelmäßig durch den Rost? Und wie steht es mit den Ausbildungs- und Karrierechancen der weiblichen Mitarbeiterinnen? Dürfen sie damit rechnen, für gleiche Tätigkeiten, gleiche Verantwortung gleich entlohnt zu werden wie ihre männlichen Kollegen? Was tut die Bank, um ihren Mitarbeitern neben dem Beruf Kindererziehung und Familienleben ohne permanenten Organisationsstress zu ermöglichen, etwa in Form flexibler Arbeitszeiten oder familiengerechter Teilzeitbeschäftigungen? Muss die junge Mitarbeiterin sofort einen Karrierebruch befürchten, wenn sie sich für ein Familienleben mit Kindern entscheidet? Welchen Stellenwert besitzen ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter? Dürfen sie trotz ihres Alters und ihrer höheren Kosten noch regelmäßig an Weiterbildungsprogrammen teilhaben? Erleben sie dieWERTschätzung, die sie verdienen oder werden sie als Kostenverursacher nur mehr recht und schlecht geduldet? Haben ältere Bewerber überhaupt noch eine Chance, in eine Bank aufgenommen zu werden? 12 Mitarbeiterführung hat viel mit Ethik zu tun. Es geht um Ausgewogenheit von 'Fördern' und 'Fordern', um Gleichbehandlung und Gerechtigkeit, um Konfliktwahrnehmung und gerechte Konfliktbereinigung. Aber es geht immer auch um Vorbildwirkung und um Augenmaß! Wenn ich den Geschäfts- und Nachhaltigkeitsbericht des Bankhauses Schelhammer & Schattera aufschlage, lese ich, dass etwa die Mitarbeiterfluktuation in Ihrer Bank extrem niedrig ist. Sie beträgt gerade 3 % pro Jahr. Dies ist zweifellos ein Indiz dafür, dass sich die überwiegende Mehrheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hier in der Bank sehr wohl fühlen. Der hohe Stellenwert der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zeigt sich aber auch in den verschiedenen gesundheitlichen Vorsorgeaktivitäten, die Ihr Bankhaus setzt, in den Bildungszielen und in der großen Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Arbeitszeitgestaltung. 5.4 Sonstige Bereiche der Nachhaltigkeit Wird Ethik und Nachhaltigkeit in einem umfassenden Sinn verstanden, ergeben sich viele neue und weit reichende Arbeitsfelder in einem Unternehmen. Im ökologischen Bereich seien hierfür die Umstellung in der Energieversorgung auf erneuerbare Energien ebenso wie die Steigerung der Energieeffizienz durch entsprechende Wärmedämmung angeführt, aber auch die direkte Förderung von Umweltprojekten öffnet ein weites Betätigungsfeld. Einen wichtigen Stellenwert besitzt auch die Nachhaltigkeit in der Beschaffung, etwa der Einsatz von Recyclingpapier oder die konsequente Reduktion des Papiereinsatzes insgesamt, die Nutzung von Ökostrom, der Einkauf von Produkten mit dem Fairtrade-Siegel usw. Da Banken aufgrund ihrer wirtschaftlichen Potenz oft um Subventionen gebeten werden, könnte sich in der Förderung von Nachhaltigkeitsprojekten oder der Einforderung von Nachhaltigkeit bei der Vergabe von Fördermitteln eine neue Förderqualität eröffnen. These 6: Corporate Social Responsibility In meinem Referat habe ich eine Reihe von Umsetzungsformen von Ethik und Nachhaltigkeit in der betrieblichen Praxis aufgezeigt. Sie betrafen zunächst das unmittelbare Handlungsfeld der Bank, das tägliche Geschäft mit dem Geld, den Umgang mit den Mitarbeitern und Kunden. Es wurde aber bereits auf die weit darüber hinausreichende Eingebundenheit in ein globales Umfeld hingewiesen, etwa in der Einflussnahme auf Unternehmen im Rahmen des ethischen Investments oder der Umsetzung von Ökologiestandards in der Beschaffung. 13 Sie alle stellen wichtige Elemente einer umfassenden 'Corporate Social Responsibility' dar. Im engeren Sinne wird 'Corporate Social Responsibility' als betriebliches Engagement zum Wohl der Gesellschaft verstanden, das über das Kerngeschäft eines Unternehmens hinausreicht und benefits für Gesellschaft und bestimmte gesellschaftliche Gruppen bewirkt. Im EU-Grünbuch (2001) heißt es, dass die soziale Verantwortung der Unternehmen eine freiwillige Verpflichtung sei, auf eine bessere Gesellschaft und eine saubere Umwelt hinzuwirken. Das Engagement von Unternehmen wie ein guter Bürger zum Wohl der Gemeinschaft - Corporate Citizenship - zeigt sich in Sachmittelspenden und Sponsoring zugunsten sozialer und kultureller Zwecke. Dies war schon immer ein Teil der sozialen Öffentlichkeitsarbeit vieler Unternehmen, insbesondere von Banken. In Kärnten bringt sich die katholische Kirche als Projektpartner seit mehreren Jahren aktiv in Projekte mit Schwerpunkt 'gesellschaftlicher Verantwortung' ein. Ein besonderes Anliegen ist es mir, beispielsweise im Projekt 'Brückenschlag' Manager von Wirtschaftsbetrieben zu einer Woche freiwilliger Mitarbeit in Sozialeinrichtungen zu motivieren und umgekehrt Mitarbeitern von Sozialeinrichtungen die Möglichkeit zu eröffnen, eine Woche lang in der Vorstandsetage eines Wirtschaftsunternehmens mitzuarbeiten. Dieser Perspektivenwechsel wird von den Teilnehmern des Projektes 'Brückenschlag' als ungemein fördernd und sinnstiftend erlebt. Die Wahrnehmung sozialer Verantwortung schafft neue Zugänge zu den Problemen unserer Zeit, eröffnet neue Perspektiven, sei es im lokalen oder regionalen betrieblichen Umfeld, sei es im globalen Kontext unserer gemeinsamen Schöpfungsverantwortung. Banken sind mit allen Schichten der Bevölkerung in besonders sensibler Weise vernetzt, sie erleben die menschlichen Krisen ebenso wie die gesellschaftlichen Veränderungen. Sie genießen nach wie vor ein hohes Vertrauen in der Bevölkerung, auch wenn in den letzten Jahren ihr Ansehen durch diverse Skandale gelitten hat. Ihre Stellung in der Gesellschaft, die vorhandene Vertrauensbasis, das ökonomische Wissen und die materielle Potenz bilden eine ideale Voraussetzung dafür, dass Banken in einer globalen Gesellschaft erfolgreich gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen können. Hier eröffnet sich ein weites Betätigungsfeld für die Zukunft, wobei Handlungstransparenz, Vorbildwirkung und Authentizität unabdingbare Voraussetzungen für die nachhaltige Sicherung ihrer Glaubwürdigkeit darstellen. Es ist sehr zu wünschen, dass die wirtschaftlichen Rückschläge die vielen Initiativen, die auf diesem Gebiet vor allem auch von Banken gesetzt werden, nicht bremsen, sondern sich immer 14 mehr, derzeit noch zögerliche Unternehmen vom guten Beispiel anderer inspirieren lassen, selbst aktiv zu werden. Mit der jährlichen Verleihung von CSR-Preisen, wie dem TRIGOS, erhalten solche Projekte auch eine angemessene Würdigungsplattform. These 7: Den ´Kredit´ nicht verspielen, sondern erneuern. Es ist auch für mich als Bischof eine spannende Erfahrung, dass mitten in einer weit verbreiteten Vertrauenskrise in und gegenüber der Kirche, bei vehementer Kirchenkritik, hohen Kirchenaustrittszahlen und sinkender Kirchenbindung wieder eine herausfordernde Neu- und Rückbesinnung beginnt, eine Rückbesinnung auf die traditionellen und aktuellen Grundaussagen und Grundforderungen der christlichen Soziallehre im Geiste des Evangeliums und in der Sorge um das irdische Wohl und ewige Heil der Menschen. Angesichts des offenkundigen Fehlverhaltens einzelner Christen und kirchlicher Personen, Institutionen und Organisationen sind wir mit und in der Kirche alle herausgefordert, uns auf diese Grundlagen neu zu besinnen bzw. neue, die Probleme lösende und die Fehlentwicklungen ändernde Ansätze und Handlungsnormen zu entwickeln. Das Stehen bleiben bei den erkannten und bekannten Fehlern und Schwächen wäre ein dreifacher Verrat: • ein Verrat an den Opfern und Geschädigten • ein Verrat an uns selbst und der wertvollen christlichen Tradition • ein Verrat an der Welt, für die wir da zu sein haben mit den „Sinnressourcen“, die uns geschenkt und anvertraut sind, damit wir sie weiter geben und weiter vermitteln an alle, die danach suchen und fragen. Das führt nun wieder zurück zu dem, was ich schon gesagt habe zu „Nachhaltigkeit“ im Blick auf die Kirche als „globale Nachhaltigkeitsagentur“: Die Kirche hat hier – trotz allem bekannten Versagen – eine unverzichtbare Vorbildfunktion. Damit hat sie auch die Aufgabe, die politischen und ökonomischen Fakten und die damit verbundenen Folgen im Geiste Jesu Christi mit der Botschaft der Bibel in Verbindung zu bringen. Die Kirche hat die Aufgabe, diese Erneuerung selbst immer wieder zu wagen: „Denn es ist Aufgabe der Kirche, Gott den Vater und seinen Menschgewordenen Sohn präsent und sozusagen sichtbar zu machen, indem sie sich selbst unter der Führung des Heiligen Geistes unaufhörlich erneuert und läutert; das wird vor allem erreicht durch das Zeugnis eines lebendigen und gereiften Glaubens, der so 15 weit herangebildet ist, dass er die Schwierigkeiten klar zu durchschauen und sie zu überwinden vermag“ (2. Vatikanisches Konzil, GS, Nr. 21). „Von der Kraft des auferstandenen Herrn aber wird sie gestärkt, um ihre Trübsale und Mühen, innere gleichermaßen wie äußere, durch Geduld und Liebe zu besiegen und sein Mysterium, wenn auch schattenhaft, so doch getreu in der Welt zu enthüllen, bis es am Ende im vollen Lichte offenbar werden wird“ (2. Vatikanisches Konzil, LG, Nr. 8). Die Kirche ist also auch hier gefordert, unaufdringliche Protagonistin, Vorreiterin zu sein in einer beständigen Erneuerung und Wertorientierung, ihre „verfahreren Kurse“ zu korrigieren und im Vertrauen auf die „Navigation“ durch den Hl. Geist sich zum Guten weiter zu entwickeln, verbunden mit einer unablässigen selbstkritischen Achtsamkeit für die bleibende Gefährdung, wieder schnellstmöglich ins „Alte“, aber nicht mehr Belebende zurückzufallen. Auch die Kirche bedarf der ständigen Einübung in die „Kunst des Aufhörens“, von der Marianne GRONEMEYER in ihrem Buch „Genug ist genug14 “ spricht, verbunden mit der Einübung in die Kunst des schöpferischen, nicht erschöpfenden Neuanfangs, in die Kunst der „Bekehrung“, zu der das Evangelium Jesu Christi aufruft und einlädt (vgl. Mk 1,15). Gemeint ist auch jene heilsame „Unterbrechung“ als Gegenbewegung zu einer „funktionalistischen Engführung“, die es auch in der Kirche gegeben hat und gibt und die zu verhängnisvollen und beschämenden „Betriebsblindheiten“ geführt hat. Der Münchener Erzbischof Reinhard Marx spricht in seinem Buch „Das Kapital15 unter Berufung auf L. J. O´Donovan, R. Spaemann – und wohl indirekt auch: J. B. Metz – davon im Blick auf die „Tradition des jüdischchristlichen Erbes, wie es sich im Gebot der Sabbatruhe vom Beginn der Schöpfung an zeigt. […] In der Unterbrechung der alltäglichen Geschäftigkeit liegt für den Menschen die Möglichkeit, sich selbst zu finden und sich in der Hinwendung zu Gott selbst zu überschreiten 16.Das hebräisch-biblische Wort „Sabbat“ – bedeutet ja: „Unterbrechung“ – zum schöpferischen Neuanfang. Ohne voreilige Vereinnahmung und Anbiederung sehe ich, dass die Kirche hier vieles mit den Banken gemeinsam hat und zu tun hat. Es geht um die Wiedergewinnung einer Kreditwürdigkeit, die verantwortungslos von einigen verspielt worden ist, zum Schaden aller. 14 Gronemeyer, Marianne: Genug ist genug. Über die Kunst des Aufhörens. Darmstadt: Primus Verlag, 2008. 15 Marx, Reinhard: Das Kapital. Ein Plädoyer für den Menschen. Unter Mitarbeit von Dr. Arnd Küppers. München: Pattloch, 2008. 16 ebd. , S. 209. 16 Hier wird jede Seite, die Kirche wie die Banken, in ihren eigenen Bereichen das ihre zu tun haben, um ihren „Kredit“ wieder zu gewinnen. Plötzlich soll und kann also wieder „ernsthaft“ über Ethik gesprochen werden, über Vertrauen und Verantwortung. Die Kardinaltugenden Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Mäßigung tauchen wieder in den Anforderungsprofilen für Führungskräfte auf und es gehört zum guten Ton, über Redlichkeit, Handschlagqualität und Anstand im Geschäftsleben zu sprechen. Man erinnert sich wieder der Ordensregel des hl. Benedikt und sieht in ihr eine der Säulen gelungen und humanisierenden Managements. Dürfen wir nun schon von einer Trendumkehr sprechen, einer epochalen Wende zu einer gerechten, solidarischen und humanen Weltgesellschaft oder spiegelt in der Selbstanklage doch nur eher eine Katerstimmung nach der großen Finanz- und Wirtschaftskrise? Haben die guten Vorsätze, eine feste Basis, ─ oder ist zu befürchten, dass sie wie jene so rasch verfliegen, die oft zum Jahreswechsel gefasst und in Fensterreden verkündet werden? Auch die Kirche muss die ihr entgegengebrachte Kritik ernst nehmen, ihre Position neu überdenken. Es nützt wenig, sich der guten Zeiten hoher Kirchenbindung und voller Gotteshäuser wehmütig zu erinnern und sich in den Schmollwinkel des NichtVerstandenwerdens zurückzuziehen und den Menschen in Wirtschaft und Gesellschaft vorwurfsvoll den Spiegel hinzuhalten und zu sagen: 'Hättet ihr doch die Gebote gehalten, wäre euch allen dieses erspart geblieben ...' Die Kirche muss sich besonders in den Bereichen, die für die Infragestellung und den Kreditverlust der Kirche mitverantwortlich sind, wieder besinnen auf die schöpferischen Spielregeln des Lebens, wie sie z. B. in den biblischen ZEHN GEBOTEN überliefert und immer wieder „unerhört“ aktuell sind. So wird die Kirche z. B. auch dem Finanz-Management ein reiches Rückbesinnungs- und Erneuerungspotential anbieten können. Wir stehen gemeinsam vor dem Erfordernis einer neuen SINNbestimmung als einer neuen WERTEbestimmung. Dazu können uns die Zehn Gebote einen guten Ansatzpunkt anbieten. 17 Die „Zehn Gebote“ 17 – diesmal „rückwärts“ 18 gelesen, also vom 10. Gebot zum 1. Gebot hin19: „Du wirst nicht begehren deines Nächsten Haus. Du wirst nicht begehren deines Nächsten Weib, Knecht, Magd, Rind, Esel noch alles, was dein Nächster hat“ (Ex 20.17) „Das zehnte und letzte Gebot unterscheidet sich von den vorausgehenden durch seine Ausführlichkeit und seinen Gegenstand. Es untersagt nicht eine Handlung, sondern ein Begehren“ 20. „Um die Menschen daran zu hindern, dass sie aufeinander losgehen, trachtet der [biblische] Gesetzgeber vorerst danach, ihnen alle Objekte zu verbieten, um die sie sich unablässig streiten, und beginnt mit deren Aufzählung. Doch rasch wird er gewahr, dass es ihrer zu viele sind: Er kann sie gar nicht alle aufzählen. Also bricht er unvermittelt ab, legt das Augenmerk nicht auf die ständig wechselnden Objekte, sondern wendet sich dem zu, was immer da ist, nämlich das Individuum, der Nächste, der Nachbar, jenes Wesen, von dem man offensichtlich alles, was ihm gehört, begehrt“ 21. 17 a) Jünemann, Elisabeth / Kilz, Gerhard (Hg.): Die Zehn Gebote – Orientierung für gerechte Strukturen. Für eine menschenwürdige Kultur in wirtschaftlichen, sozialen und politischen Organisationen. Paderborn: Bonifatius Verlag, 2009. [Elisabeth Jünemann ist Leiterin des Instituts für ethische Zertifizierung nach dem Dekalog, DekaCert] b) Jünemann, Elisabeth / Theisen, Heinz (Hg.): Zehn Gebote für Europa. Der Dekalog und die europäische Wertegemeinschaft. Erkelenz: Altius Verlag, 2009. 18 Mit HJR (Exposé préliminaire ..., 2005 ff.) lassen sich zwei Leserichtungen für den Dekalog unterscheiden: I. eine „theoduktive“, vom Ersten Gebot bis zum Zehnten Gebot, also von Gott her zum Menschen hin und ins Allzumenschliche hinein; und eine II. „anthropoduktive“, vom Zehnten Gebot zum Ersten Gebot hin, also vom Menschen her auf Gott hin. Die „theoduktive“ Lesart entspricht dabei eher der Sinnrichtung von „Lumen gentium“ (Dogmatische Konstitution über die Kirche, II. Vatikan. Konzil, vgl. LG 2-4), die „anthropoduktive“ Lesart entspricht eher der Sinnrichtung von „Gaudium et spes“ (Pastorale Konstitution über die Kirche, II. Vatikan. Konzil). Beide Lesarten sind nicht voneinander zu trennen, sondern sie sind aufeinander bezogen und aufeinander zu beziehen. Sie verwenden sich beiderseitig füreinander. 19 Vgl. dazu auch: Girard, René: Ich sah den Satan vom Himmel fallen wir einen Blitz. Eine kritische Apologie des Christentums. Mit einem Nachwort von Peter Sloterdijk. München-Wien: Hanser, 2002, 21ff. 20 Girard, René: Ich sah den Satan vom Himmel fallen wir einen Blitz. Eine kritische Apologie des Christentums. Mit einem Nachwort von Peter Sloterdijk. München-Wien: Hanser, 2002, 21ff. 21 ebenda, 24. 18 Herr GD Jonas hat diese fortwährende „Gier“ in seinen eröffnenden Worten (S.7) schon illusionslos angesprochen. Ohne eine bewusste und ausdrückliche Rückbindung, Aufklärung und Transzendierung auf Gott hin (bewusster „Gottesbezug“), bleibt dieses Begehren bekanntlich unerlöst und dann hoffnungs- und heillos beherrschend: >>Aber wir dürfen es dabei nicht belassen. Wir sind als Betroffene auch Beteiligte, indem wir in unserem oft maßlosen Habenwollen, in unseren übersteigerten Ansprüchen, in unserer unstillbar scheinenden Angst, zu kurz zu kommen und weniger zu bekommen als die anderen, der Gier und Begehrlichkeit anderer nach ´mehr haben´ als sein wollen Vorschub leisten und die im Wirtschafts- und Bankwesen Verantwortlichen damit auch verantwortungslos und stillschweigend anregen, sich in maßlose Spekulationen und Fehlkalkulationen zu versteigen“ […] Deshalb wird sich nur etwas ändern, wenn wir uns ändern. Wir können das Lebens- und Weltklima beeinflusse“. Papst Benedikt XVI. weist in seiner Botschaft zum Weltfriedenstag 2010 z. B. darauf hin, dass das Thema Umweltverschmutzung „das Verhalten eines jeden von uns sowie die heute gängigen Lebensstile und Modelle des Konsum [...] zur Rechenschaft ruft“ 22<< 22 aus: Bischof Schwarz zum Jahreswechsel [31.12.2009]: Veränderung beginnt bei jedem Einzelnen, in: http:// www.kath-kirche-kaernten.at/pages/aktuell.asp?menuopt=16172 19