Xenia-Rosemarie REIT, Matthias LUDWIG, Goethe-Universität Frankfurt Winkeldetektivaufgabe: Mit Hilfslinien zur Lösung Schon Polya erkannte das Potential von Problemlöseaufgaben die Neugierde abseits von Routineaufgaben weckten und unabhängiges Denken förderten (Polya, 1957, S. V). Problemlöseaufgaben im Geometrieunterricht der Sekundarstufe I verbinden Schülerinnen und Schüler oft mit einem Griff in die mathematische Trickkiste. Dahinter verbergen sich Heurismen und Vorgehensweisen, um eine Konstruktions- oder geometrische Berechnungsaufgabe mit Hilfe des eigentlich bekannten mathematischen Werkzeugkastens zu lösen. Aber gerade die Verbindung des mathematischen Werkzeugkastens mit dem gestellten geometrischen Problem, ist für Schülerinnen und Schüler meist eine große Hürde. Im vorliegenden Beitrag wird anhand einer kurzen Unterrichtssequenz erläutert, wie Schülerinnen und Schüler mit sogenannten Winkeldetektivaufgaben umgehen. Dieser Typ von Geometrieaufgaben stammt ursprünglich von Paul Eigenmann und hat gemein, dass die Aufgaben ohne Aufgabentext auskommen (siehe Abb. 1, links). Alle relevanten Informationen sind in einer Konstruktionsabbildung enthalten und die gesuchte Größe (ein Winkel oder eine Strecke) ist in der Abbildung markiert. In der durchgeführten Unterrichtssequenz wird deutlich, welche Schwierigkeiten Schülerinnen und Schüler bei der Lösung solcher Aufgaben haben und wie diese durch geschicktes Einzeichnen von Hilfslinien überwunden werden können. Die Unterrichtssequenz Die Unterrichtssequenz zu Hilfslinien in Winkeldetektivaufgaben wurde in einer 8. Jahrgangsstufe eines Frankfurter Gymnasiums durchgeführt. Abb. 1 Links: Denksportaufgabe Nr. 7 von Eigenmann (1981), Rechts: für den Unterricht modifizierte Winkeldetektivaufgabe In einer ersten Phase des Unterrichts ging es zunächst um die Einführung in die Symbolik der Winkeldetektivaufgaben, die Wiederholung relevanter Winkelsätze als auch um die gemeinsame Erarbeitung einer Lösungsstrategie. Als Einführungsbeispiel diente die Winkeldetektivaufgabe in Abb. 1 In Institut für Mathematik und Informatik Heidelberg (Hrsg.), Beiträge zum Mathematikunterricht 2016 (S. x–y). Münster: WTM-Verlag (rechts), welche im Kern der Denksportaufgabe Nr. 7 aus Eigenmann (1981) (Abb. 1, links) entspricht. Um im Unterricht zielgerichteter über die Eigenschaften der Figur sprechen zu können, wurden in der ursprünglichen Fassung von Eigenmann (1981) Bezeichnungen relevanter Punkte ergänzt. In einer ersten Heranführung an eine solche Aufgabe, wurde mit den Schülerinnen und Schülern die Symbolik der Winkeldetektivaufgabe und dabei insbesondere die „Kringeldarstellung“ besonderer Punkte thematisiert. Nach kurzer Besprechung war klar, dass diese „Kringelpunkte“ Mittelpunkte der angedeuteten Kreisbögen darstellen. Daraufhin wurde sofort geäußert, dass es sich bei Punkt C um einen rechten Winkel handeln müsse. Wohl aus der vorschnellen Schlussfolgerung heraus, dass es sich um einen Dreieckspunkt auf einem Kreisbogen handelt, so dass der Satz des Thales gelte. Diese kurzzeitige Irrung wurde allerdings mithilfe der Erklärungen von Mitschülerinnen und Mitschülern schnell eingesehen. Im Unterrichtsgespräch wurde gemeinsam nach dem Sinn der in der Zeichnung vorhandenen Kreisbögen gesucht. Mit einem kleinen Impuls der Lehrkraft konn̅̅̅̅ eingezeichnet werden, was dazu führte, dass ten die Hilfslinien ̅̅̅̅ 𝐶𝐷 und 𝐷𝐸 die Schülerinnen und Schüler die neu entstandenen Figuren analysierten und gleichschenklige Dreiecke benannten. Auch zum erkennen gleicher Winkel (aus der impliziten Anwendung des Basiswinkelsatzes) bedurfte es keines weiteren Impulses und die Aufgabe wurde in der Folge schnell gelöst. Um die angewandte Strategie sichtbar und für weitere Aufgaben verfügbar zu machen, wurde diese an der Tafel schriftlich fixiert: 1. Zeichne Hilfslinien ein. Verbinde dazu noch nicht verbundene Punkte sinnvoll. 2. Analysiere die neue Situation. Finde besondere Figuren, kongruente Strecken oder Winkel. 3. Anwenden der Winkelsätze. Insbesondere Schritt 3 bedurfte einer langsamen und bewussten Wiederholung der Winkelsätze, wobei auch dies in Bezug auf die Winkeldetektivaufgabe aus Abb. 1 (rechts) geschah. Hierbei war es besonders wichtig für jeden einzelnen Lösungsschritt eine Begründung von den Schülerinnen und Schülern einzufordern. In einer zweiten Phase waren die Schülerinne und Schüler aufgefordert die erarbeitete Strategie der Hilfslinien in Partnerarbeit auf eine andere Winkeldetektivaufgabe anzuwenden. Die Teilaufgaben in denen es um das Einzeichnen von Hilfslinien und das Auffinden gleichschenkliger bzw. gleichseitiger Dreiecke ging, wurden von den Schülerinnen und Schülern gut gelöst. Die Dokumentation des Lösungswegs zur Berechnung des gesuchten Winkels war mal mehr, mal weniger ausführlich. So begründeten die Wenigsten ihren Lösungsweg so konsequent wie die Schülerlösung aus Abb. 2. Abb. 2 Schülerlösung einer Winkeldetektivaufgabe (nach Denksportaufgabe Nr. 3 aus Eigenmann (1981)) Bei der anschließenden Besprechung der Winkeldetektivaufgabe wurde deutlich, dass die Anwendung der durch die Winkelsätze vorgegebenen Regeln weitestgehend funktioniert, eine explizite Zuordnung der Winkelsätze zu den Lösungsschritten allerdings schwer fällt. Womöglich weil das zur Lösungsfindung ja auch nicht zwingend notwendig ist. Am Ende der Unterrichtssequenz stand ein 35-minütiger Kurztest, der drei Winkeldetektivaufgaben umfasste und in Einzelarbeit bearbeitet wurde. Aufgabe 1 fragte hierbei nur nach geeigneten Hilfslinien und sich daraus ergebenden gleichschenkligen bzw. gleichseitigen Dreiecken. Aufgabe 2 verlangte zusätzlich noch das Lösen der Aufgabe und bei Aufgabe 3 sollte der gesuchte Winkel berechnet werden, ohne dass in der Aufgabe explizit die erarbeitete Lösungsstrategie gefordert war (siehe Abb. 3). Die Frage die sich stellte ist, ob die Schülerinnen und Schüler die Lösungsstrategie auch auf andere Aufgaben übertragen bzw. eine Hilfe darin sahen. In den Schülerlösungen wurde deutlich, dass das Einzeichnen von Hilfslinien und Analysieren der neu entstandenen Figuren gut umgesetzt wurde. Allerdings war nicht immer klar, ob die Strategie der Hilfslinien tatsächlich zum Lösen der Aufgabe herangezogen wurde. In der Schülerlösung in Abb. 3 ist die Verwendung des Basiswinkelsatzes explizit benannt und die Hilfslinien die zum zugrundliegenden gleichschenkligen Dreieck führen sind in der Zeichnung eingezeichnet. Auch wenn, wie in vielen Schülerlösungen zu sehen, die zur Lösung nicht notwenige Hilfslinie ̅̅̅̅ 𝐵𝐶 eingezeichnet wurde, so ließ sich der betreffende Schüler nur kurz (in Zeile 2 seiner Lösung in Abb. 3) durch nicht zielführende Winkelberechnungen ablenken. Obwohl es nicht explizit gefordert war, hat der Schüler seinen Lösungsweg mit Winkelsätzen begründet. Zwar sind nicht alle Winkelsätze benannt, allerdings kann von einem nachvollziehbaren Lösungsweg gesprochen werden. Abb. 3 Schülerlösung zu Winkeldetektivaufgabe 3 des Kurztests Fazit Die Unterrichtssequenz hat gezeigt, dass sich Winkeldetektivaufgaben sehr gut eignen, um die Winkelsätze motivierend und anwendungsbezogen zu wiederholen und in einen Zusammenhang zu stellen. Die Strategie der Hilfslinien wurde von den Schülerinnen und Schülern bei entsprechender Aufforderung gut umgesetzt und zu großen Teilen bei freier Bearbeitungsmöglichkeit auch zielführend eingesetzt. Im Unterrichtsgespräch wurde deutlich, dass es einen Unterschied zwischen Hilfslinien und sinnvollen Hilfslinien gibt, insofern als dass nicht sinnvolle Hilfslinien zu Umwegen führen. In diesem Fall sind aber im Grunde selbst die Umwege eine Bereicherung für den Unterricht, da sie den Lösungsprozess verlangsamen und die Schülerinnen und Schüler dazu bringen sich umso intensiver mit den Begriffen zu beschäftigen die zur Lösung führen. Literaturverzeichnis Eigenmann, P. (1981). Geometrische Denkaufgaben. Stuttgart: Klett. Polya, G. (1957). How to solve it: A new aspect of mathematical method. Princeton, New Jersey: Princeton University Press.