Pricing Banking 32 Den Zahlungswillen optimal abschöpfen Höhere Erträge lassen sich recht einfach mit dem Dreh an der Preisschraube erzielen. Am Beispiel der Depotgebühren wird der Vorteil besonders gut sichtbar. ROBERT-ALEXANDER WIELAND / ANDREAS POHLE er effektivste Stellhebel, um eine höhere Rentabilität zu erreichen, ist der Preis: Dessen Anpassung verursacht einen relativ geringen Aufwand. Darüber hinaus benötigen Banken nur kurze Vorlaufzeiten, um ihre Preise anzupassen. Verglichen mit Maßnahmen, die den Absatz steigern oder Kosten senken sollen, erweisen sich Preisaufschläge häufig am wirkungsvollsten. Bei Verantwortlichen deutscher Banken spielen daher moderate Preiserhöhungen bei ihrer Preisund Produktpolitik eine große Rolle, um die Erträge ihrer Häuser aufzupolieren. Dies zeigte eine aktuelle Befragung von TNS Infratest (siehe Grafik rechts). D 4/06 Bankmagazin Damit preis- und produktpolitische Maßnahmen nicht die Kunden verärgern oder sogar dazu bewegen, die Bank zu wechseln, ist es notwendig, den Nutzen der eigenen Leistungen aus Kundensicht zu kennen. Nur so kann ein Kreditinstitut seine Angebote zielgerichtet und kundenorientiert gestalten. Eine Bank muss deshalb ■ Produkteigenschaften und Serviceleistungen identifizieren, die Mehrwert für den Kunden schaffen, ■ Leistungsbestandteile eliminieren, für die keine Zahlungsbereitschaft besteht, ■ zielgruppenspezifische Leistungspakete konzipieren, um verschiedenen Kundenpräferenzen gerecht zu werden und Preisbereitschaften optimal abzuschöpfen, ■ Angebote entwickeln, die zur Strategie des Hauses passen sowie ■ Werbeauftritte und Vertriebsmaßnahmen konzipieren, die den zentralen Schlüsselfaktor, der zum Kauf des Produktes einlädt, berücksichtigen. Preis-Leistungsverhältnis bei Banken oft unangemessen Das „Value for Money Meter“ – ein von TNS Infratest entwickeltes Verfahren, um das wahrgenommene PreisLeistungsverhältnis zu messen – zeigt, dass Banken ihre Finanzprodukte noch nicht ausreichend anhand dieser Kriterien gestalten. Vielmehr sind deutsche Bankkunden mit dem PreisLeistungsverhältnis ihres eigenen Geldinstituts unzufriedener als Kunden anderer Branchen. Banken und Sparkassen müssen ihre Produkt- und Preispolitik also stärker an den Kundenbedürfnissen ausrichten, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Häufig werden bei Projekten mit dem Thema „Preis- und Produktmanagement“ Workshops und Experten- Zielsetzung der Preis-/Produktstrategie Ertragssteigerung durch moderate Preiserhöhungen 72% Kontinuität durch weitgehend unveränderte Preis- und Produktpolitik Neukundengewinnung durch preisaggressive Maßnahmen Quelle: TNS Infratest 28% 0% © BM-Grafik Pricing Banking gespräche mit Vertriebsmitarbeitern bzw. Produktmanagern durchgeführt, um das Kundenverhalten zu „antizipieren“. Allerdings werden diese Expertenmeinungen häufig von Eigeninteressen oder einer subjektiven Innensicht beeinflusst. Dieses interne Knowhow sollte jedoch in jedem Fall ergänzend zur objektiven Kundenmeinung genutzt werden. Eine objektive Sicht der Kunden erhält man durch neutrale Befragungen. Um den Kundennutzen zu messen, stehen zahlreiche Befragungsmethoden zur Verfügung. Bewährt haben sich vor allem Verfahren des Conjoint Measurements und insbesondere Discrete Choice Models. Für welche Kreditkarte würden Sie sich entscheiden? Befragungsbeispiel Jahresbeitrag: € 15 Jahresbeitrag: € 0 50% Rückerstattung bei € 5000 Jahresumsatz Jahresbeitrag: € 30 75% Rückerstattung bei € 15.000 Jahresumsatz Ohne Versicherungspaket Mit Versicherungspaket Kein Revolving Credit Kein Revolving Credit Quelle: TNS Infratest Das „Discrete Choice Model“ offenbart Präferenzen Beim Discrete Choice Model werden in computergestützten Interviews dem Befragten online oder persönlich verschiedene Auswahlsituationen mit realistischen Angebotskonzepten vorgestellt (siehe Grafik). Durch die Auswahl des jeweils attraktivsten Angebots offenbart der Befragte seine „wahren“ Präferenzen. Mit Hilfe verschiedener statistischmathematischer Verfahren wird für jeden Befragten ein Nutzenwert für jedes Produktmerkmal – zum Beispiel für die Marke, für einzelne Leistungen oder Preise – geschätzt. Die Nutzenwerte insgesamt sind Basis für Simulationsmodelle, die mit realen Informationen wie Informations- und Wechselverhalten des Kunden, seine Nutzung von Vertriebskanälen oder strukturen ergänzt werden. Ein solches Modell ermöglicht die Simulation von Marktanteilen im Bestands- und Neugeschäft. Mit Hilfe software-basierter Modelle kann dann das Entscheidungsverhalten analysiert und errechnet werden. So erhält man Antworten auf beispielsweise folgende Fragen: ■ Welches sind die zentralen Leistungen für die Kaufentscheidung eines Kunden? ■ Wie wichtig sind die einzelnen Leistungen? ■ Wie stark wird die Kaufentscheidung durch den Preis beeinflusst? 33 ■ Welche Zahlungsbereitschaft besteht für die unterschiedlichen Leistungen? ■ Ab welcher Preisänderung fragt der Kunde das Produkt nicht mehr nach? ■ Welche Angebote wählen Kunden in bestimmten Markt- bzw. Wettbewerbssituationen? ■ Welche Kannibalisierungseffekte zu anderen Angeboten bestehen? ■ Welche Auswirkungen haben preisund produktpolitische Maßnahmen? Wie wirken sich diese auf die Konkurrenten und die eigene Wettbewerbsposition aus? ■ Wie reagieren Kunden auf die Einführung oder Eliminierung von Produkten? ■ Sind zielgruppenspezifische Angebote sinnvoll? Praxisfall: Die Depotpreise einer Sparkasse Dass dies in der Praxis funktioniert, zeigt das Beispiel einer Sparkasse mit etwa 1,6 Milliarden Euro Bilanzsumme. Ursprünglich bot sie ein komplexes und nur schwer verständliches Preisverzeichnis für Wertpapierdepots. Jede Leistung wurde mit differenzierten Einzelpreisen abgerechnet – selbst jene, die Kunden nur selten in Anspruch nahmen. Heute gibt es nur noch drei Preise: eine einheitliche Transaktionsgebühr Mit Versicherungspaket Keine dieser Kreditkarten Revolving Credit: Verfügungsrahmen: € 2000 Überziehungszins: 12,5% © BM-Grafik in Abhängigkeit des Ordervolumens, die Depotpauschale sowie Limit- und Zeichnungsgebühren. Alle anderen Zusatzleistungen sind in der Depotführungsgebühr bereits enthalten. Dieses neue Preismodell hat zu einer Gewinnsituation sowohl auf Kundenals auch auf Bankenseite geführt: ■ Die Kunden sind deutlich zufriedener mit dem neuen Angebot, da es ihren Bedürfnissen nach Transparenz, Übersichtlichkeit und Kalkulationssicherheit für das Wertpapierdepot entspricht. ■ Die Berater in den Filialen sind deutlich zufriedener, weil ihnen die oft langwierigen und mühsamen Erläuterungen von diversen Einzelposten erspart bleiben. Somit haben sie mehr Zeit für eine effektivere und individuellere Beratung des Kunden. ■ Die Sparkasse konnte aufgrund der neuen Konditionen effektiv höhere Gebühren durchsetzen und dadurch die Erträge deutlich steigern. Eine konsequent am Kundennutzen orientierte Preis- und Produktpolitik führt somit nicht nur zu erheblich mehr Erträgen, sondern leistet auch einen wertvollen Beitrag zur Vertriebsund Kundenzufriedenheit. ■ Andreas W. Pohle ist Senior Consultant, Robert A. Wieland Prokurist und Director bei der TNS Infratest GmbH in München. 4/06 Bankmagazin