Wer im Social Web forscht, der findet

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Strategie & Innovation → Social Media
Wer im Social Web
forscht, der findet
Autorin: Sandra Fösken
Das Web-2.0-Zeitalter sorgt in der Marktforschung
für erweiterte Möglichkeiten. Web-Content-Mining
beschäftigt sich mit der Untersuchung von WebDokument-Inhalten und ergänzt als neue Methode
bei Symrise inzwischen traditionelle Verfahren.
Die Meinungen anderer Konsumenten
im Web haben aufgrund ihrer hohen
Glaubwürdigkeit einen großen Einf luss
auf die Kaufentscheidung. Besonders
junge Menschen sind bereit, ihre Ideen,
Erfahrungen und Meinungen zu Produkten, Marken und Services öffentlich
zu machen, wie eine Umfrage des Bundesverbands Informationswirtschaft,
Telekommunikation und neue Medien
(Bitkom) dokumentiert. 28 Prozent der
14- bis 29-jährigen Internetnutzer wünschen sich sogar eine Mitwirkungsmöglichkeit bei der Produktentwicklung. „Gerade die junge Generation
will als Verbraucher mitreden und die
Anbieter sollten diese Chance nutzen“,
erklärt Bitkom-Präsident August-Wilhelm Scheer.
Marktforschungsunternehmen wie die
Gesellschaft für Konsumforschung
(Gf K), TNS Infratest, Ipsos und Psychonomics nutzen dieses Potenzial und setzen es gezielt für ihre Auftraggeber ein.
Diese Unternehmen haben eigene „Research Online Communitys“ aufgebaut,
die allerdings nicht öffentlich zugänglich sind. Der Vorteil: Die Teilnehmer
der Gemeinschaft (Community) sind
bekannt, sie werden gezielt mit Fragen
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zu Konzept- oder Produktentwicklung
konfrontiert, die sie in einem vorgegebenen Zeitraum in einem Blog oder in
Foren beantworten und diskutieren.
Ipsos bezeichnet dieses Verfahren als
„Ipsos Social Space“, bei Psychonomics
heißt es „Zap Qual“.
„Unsere Community-Mitglieder lernen
sich in Supergroup-Workshops auch
persönlich kennen“, berichtet Dirk Steffen, stellvertretender Geschäftsführer
Technology und Media bei TNS Infratest. „In diesen Online-Communitys
ist es auch möglich, klassische OnlineBefragungen durchzuführen und Forschung im ethnografischen Kontext zu
betreiben“, ergänzt Christian Jarchow,
Head of Online Research bei der Gf K.
Neben der Diskussion in Foren arbeiten
die Forscher auch mit Co-CreationAnsätzen, indem sie die Teilnehmer
auffordern, gemeinsam neue Ideen
zu entwickeln. Bei der Gf K dauern sie
im Schnitt vier Wochen. Dabei werden
sämtliche multimedialen Möglichkeiten ausgeschöpft, um das kreative Potenzial zu fördern und die Motivation
der Teilnehmer zu steigern. Die eigentliche Herausforderung besteht in der
Suche nach geeigneten Teilnehmern
für die Community. Die Mitglieder
sollten die Bereitschaft mitbringen,
sich über einen längeren Zeitraum aktiv
darin einzubringen. „Dies erfordert
sehr ausgefeilte Ansätze für Rekrutierung und Moderation“, erläutert TNSInfratest-Manager Steffen.
Ein Standard-Werkzeug ist Netnography beziehungsweise Web-ContentMining. Dabei werden die Kommentare der Mitglieder in Social Networks
analysiert und ausgewertet. Sogar Produktideen lassen sich durch diesen
Ansatz ermitteln. Der Duft- und Aromenhersteller Symrise mit Hauptsitz in
Holzminden versorgt Parfüm-, Kosmetik- und Nahrungsmittelhersteller mit
Duft- und Aromastoffen. Symrise hat
eine Netnography zum Thema Zitrus
durchgeführt und erforscht, was Nutzer
mit Getränken, die nach Zitrone oder
Orange schmecken, assoziieren.
Die Agentur Hyve AG half dabei, die
passenden Foren und Communitys
zu finden. Bei der Auswahl der Foren
gab es keine speziellen geografischen
Vorgaben. Es kamen alle Quellen in
Betracht. Als Plattformen wählten die
Forscher Koch-, Diät-, Fitness-Foren
und Ernährungsportale aus. Dabei
definierten sie vorab, nach welchen
Schlagwörtern sie die Aussagen durchsuchen mussten.
Die Kommunikation in den ausgewählten Communitys und Blogs wurde
über einen Zeitraum von mehreren
Wochen beobachtet. Die wichtigsten
wurden – softwaregestützt – einer systematischen qualitativen Analyse unter-
Marktforschung im Web: Social-Media-Kommunikation beschleunigt Innovationen insgesamt und
auch das Tempo, mit dem sie umgesetzt werden.
zogen und kodiert. In einem weiteren
Schritt wurden die Daten aggregiert,
in Beziehung zueinander gesetzt, interpretiert und zu Consumer-Insights
verdichtet. Die Meinungen und Dialoge
in den Foren waren so aufschlussreich,
dass Symrise die Wünsche der Konsumenten erfassen konnte.
Der Aromenhersteller beobachtete etwa, dass die Konsumenten gelernte
Produkteffekte aus dem Wellness- und
Health-Segment auf Getränke übertragen. Zum Beispiel trinken viele
Konsumenten aus gesundheitlichen
Gründen Wasser mit frischem Zitronensaft, kreieren aber auch gerne
eigene Limonaden-Rezepte, die sie ins
Netz stellen. Symrise entwickelte darauf hin das neue Limonaden-Konzept „I
love home made“, das Kunden Hinweise
für die Produktentwicklung, das Marketing und den Vertrieb liefert.
Die wichtigsten Ergebnisse daraus sind:
Verbraucher wünschen sich Getränke
mit natürlichen Zutaten, einem hohen
Fruchtanteil, ohne künstliche Aromen
und dass sie schmecken wie „selbst
gemacht“. Grundsätzlich werden bei
der Generierung von „Social Media
Insights“ Diskussions- und Publikationsinhalte im Web strukturiert und
analysiert. Typische Ziele sind der Aufbau eines Frühwarnsystems und die
Durchführung von Markenanalysen.
„Die Motivation für Frühwarnsysteme
entsteht häufig in Corporate-PR-Abteilungen, die rechtzeitig über mögliche
Skandale informiert sein wollen, um
korrektive Maßnahmen einleiten zu
können“, erläutert Steffen.
Doch die Maßnahmen sollten gut abgewogen werden. Ein PR-Debakel entstehe häufig nicht durch einen Blogeintrag
oder ein Youtube-Video, sondern erst
durch die unangemessene Reaktion
eines Unternehmens auf diese Inhalte,
bekräftigt der Experte.
Markenanalysen beschäftigen sich dabei mit einem Markenbild im Internet:
Wie und mit welchen Schwerpunkten
wird eine Marke diskutiert? Zudem ist
interessant, ob die Diskussion positiv,
neutral oder negativ verläuft. Was sind
die Treiber der Diskussion?
Anhand von Kennzahlen lassen sich
dann die passenden Handlungsoptionen ermitteln. Die zunehmende
Nachfrage nach quantitativer OnlineMarktforschung ist vor allem in den
niedrigeren Kosten gegenüber traditionellen Verfahren begründet. Ein weiteres Argument ist die Kundennähe. Der
Kunde wird als Partner auf Augenhöhe
betrachtet, der als Experte wesentlichen
Input im Innovationsprozess leisten
kann. Catherin Hiller, Beraterin bei
Ipsos, schränkt aber ein: „Repräsentative Aussagen über das deutsche Verbraucherverhalten lassen sich auf Basis
von Social Networks nicht gewinnen.“
Diese modernen Ansätze böten nicht
die Validität klassischer Erhebungsmethoden. Vor diesem Hintergrund
gilt es, die Vor- und Nachteile klassischer und neuer Methoden für jedes
Forschungsprojekt genau abzuwägen
und entsprechend zur Beantwortung
der Fragestellung einzusetzen. ←
»In unseren Online-Communitys können auch brisante und stark innovative
Themen diskutiert werden.«
Dirk Steffen, stellvertretender Geschäftsführer Technology und Media bei TNS Infratest
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