Differenzierung im Strom- und Massenmarkt

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VKU Verlag GmbH München/Berlin
Redaktion: Neumarkter Straße 87 · 81673 München
Ausgabe 09/14, Seite 16
Differenzierung im Strom- und
Massenmarkt
Bedürfnissegmentierung TNS Infratest identifiziert fünf Segmente mit eigenständigen Bedürfnisprofilen bei Stromkunden. Neben dem Preis spielen Online-Verfügbarkeit, erneuerbare Energien und Sorgenfreiheit
eine Rolle. Zielgruppen lassen sich durch gezielte Kombination der Tarifmerkmale besser erreichen
VVon APOSTOLOS APERGIS, München,
und ULRICH MAIER, Bielefeld
F
ür viele Stadtwerke und regionale Energieversorger ist die Marge im Kerngeschäft mit Strom und Gas in den letzten
Jahren deutlich zurückgegangen: Einerseits bewegen wachsende Steuern und Umlagen mehr Kunden zum Wechsel. Andererseits
führt der Wettbewerb durch überregionale Anbieter mit geringeren Fixkosten oder niedrigeren Gewinnerwartungen zu erheblichem Preisdruck. Viele Versorger überdenken daher ihr Geschäftsmodell und suchen nach neuen Ertragsquellen, etwa im Bereich der Mehrwert-Dienstleistungen. Gleichzeitig ist die Frage wichtig,
wie sich Margen und Marktanteile im Kerngeschäft durch die Überarbeitung der Tarife steigern lassen. Und zwar so, dass sich auch der
Kundennutzen erhöht. Die Produkt- und Preispolitik ist nachhaltig nur erfolgreich, wenn sie
beide Ziele in Einklang bringt: die Anforderungen des Unternehmens an Wirtschaftlichkeit
und die Bedürfnisse der Kunden.
Letztlich muss das Ziel sein, die Kundenbedürfnisse zu verstehen und das Produktportfolio danach auszurichten. Ein bewährtes Instrument ist die Bedürfnissegmentierung. Sie beruht auf den Präferenzen der Verbraucher. Im
Ergebnis stehen Gruppen (Segmente) von
Menschen, die innerhalb einer Gruppe ähnlich
gerichtete Präferenzen haben und sich dadurch
von den anderen Gruppen deutlich unterscheiden. So lässt sich das Produktportfolio stärker
auf einzelne Zielgruppen ausrichten.
Eine bundesweite, repräsentative Umfrage
von TNS Infratest bei 1023 Haushalten im August 2013 erhob und analysierte die Kundenbedürfnisse. Der Schwerpunkt lag auf den Präferenzen und dem Verhalten bei der Wahl des
Stromtarifs. Der Preis bleibt dabei zweifelsfrei
ein wichtiges Entscheidungskriterium. Stromkunden machen ihre Wahlentscheidung aber
nicht nur vom Gesamtpreis abhängig. Die jährlichen Gesamtkosten sind zwar am wichtigsten für die Wahl von Anbieter und Tarif, doch
43 % der Entscheidungen werden durch andere
Aspekte, wie Preisgarantie, Boni, Zusatzleistungen und natürlich Attraktivität des Anbieters
selbst bestimmt.
TNS Infratest konnte fünf Segmente mit eigenständigen Bedürfnisprofilen identifizieren.
Sie dienen zur Orientierung sowohl bei der Produktentwicklung als auch bei der gezielten Ansprache zur Vermarktung. Die Segmentierung
zeigt klar, dass neben dem Preis die Themen
Online, erneuerbare Energien und Sorgenfreiheit eigene Differenzierungsmerkmale bieten:
Die Kunden in den Segmenten 1 und 2 legen
grundsätzlich deutlich mehr Wert auf den Anbieter: Darüber hinaus ist das Segment 1 bereit,
einen Aufpreis für einen attraktiven und glaubwürdigen Ökotarif zu zahlen, während Kunden
im Segment 2 einen Rundum-sorglos-Tarif
wünschen und relativ wenig preissensibel
sind. Für die Segmente 3 und 4 spielt der Preis
dagegen eine überdurchschnittliche Rolle. Die
Kunden im Segment 3 möchten alles über das
Internet abwickeln und das Segment 4 versucht regelmäßig, die Stromkosten zu senken.
Das Segment 5 hat ein ausgewogenes Profil, ließe sich aber z. B. mit Mehrwert-Dienstleistungen gezielter ansprechen: Ein Teil dieser Kunden ist an Elektromobilität oder dezentraler
Energieerzeugung interessiert, andere wiederum an Beteiligungen von Windkraftanlagen.
Mithilfe einer Bedürfnissegmentierung haben Produktmanager die Möglichkeit, durch eine gezielte Kombination von Tarifmerkmalen
die besonderen Bedürfnisse des anvisierten
Zielgruppensegments zu bedienen. Ein aktiv
vermarktetes Portfolio sollte all die Segmente
bedienen, die im vertrieblichen Fokus des Anbieters liegen. Aus unserer Beratungspraxis
wissen wir, dass Tarifmerkmale wie regionales
Sponsoring, Treuebonus oder 24-Stunden-Hotline bei einzelnen Segmenten auf hohe Attraktivität stoßen – bestimmte Kunden sind bereit
dafür einen Aufpreis zu zahlen – oder diese Aspekte können bei der Wahl des Anbieters entscheidend sein. Unternehmen können solche
Zusatzleistungen nutzen, um sich vom Wettbewerb zu differenzieren. Im Stammgebiet lassen
sich auf diese Weise ein Aufpreis durchsetzen
und die Marge steigern, und im Vertriebsgebiet
Neukunden gewinnen. Dabei ist es wichtig, das
Angebot der regional relevanten Wettbewerber genau zu analysieren und die möglichen
Dimensionen der Differenzierung festzulegen.
Das Produktportfolio kann noch so gut auf
Kundenbedürfnisse ausgerichtet sein: Wenn
die Kommunikation nicht entsprechend konzipiert ist, bleibt der gewünschte Erfolg aus. Eine
Bedürfnissegmentierung gibt auch hier Anhaltspunkte anhand von demografischen
Merkmalen und Statements zur Lebenseinstellung. Der Vertrieb kann dann z. B. das Kommunikationskonzept mit den für das Segment
richtigen Botschaften füllen und die Werbeplakate oder den Posteinwurf auf die entsprechenden Stadtteile beschränken.
Für die Praktiker im Marketing und Vertrieb
ist die Erkenntnis wichtig, dass es nicht »den
Kunden« gibt. Menschen haben unterschiedliche Bedürfnisse und Präferenzen. Eine bedürfnisbasierte Kundensegmentierung hilft, diese
Vielfalt zu strukturieren und das Produktangebot und die Kommunikation zu verbessern.
Energieanbieter können dadurch die Relevanz
ihres Angebots für ihre Kunden steigern und
sich vom Wettbewerb differenzieren.
APOSTOLOS APERGIS (Senior Director) und
ULRICH MAIER (Associate Director) arbeiten bei
der TNS Infratest Energiemarktforschung.
ZfK 09/14, 16
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demografische Profile der segmente
Vier der fünf identifizierten Segmente weisen Profile aus, die sich deutlich von der Gesamtbevölkerung unterscheiden
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