Carl Hugo Hans Eckensberger – sein Weg zum Lizenzverleger von Friedrich Walz „Wahrheit ist einflußreicher als Propaganda.“ (Robert P. Patterson, 1945) Braunschweig 2013 4. erweiterte Auflage 1 2 Vorwort Bei der Erstellung meines Beitrags „Die Werkberufsschule der Volkswagenwerk GmbH im Vorwerk Braunschweig 1938-1945/46“ wurde ich 2008 bei Recherchen auf einen Artikel „Die DAF.-Presse als geistiges Führungsinstrument“, den ein Hans Eckensberger im Arbeitertum der DAF von Dezember 1940 verfasst hatte, aufmerksam. Im Dezember 2009 stellte Stefan Kläsener, stellvertretender Chefredakteur der Braunschweiger Zeitung, Hans Eckensberger, der während der Nazi-Diktatur zu den Menschen zählte, die sich nicht verführen ließen, als besonders geeigneten Namensgeber für einen Nachwuchsjournalistenpreis in einem Leitartikel „Der Eckensberger-Kompass“ dar. Dies war Anlass, den beruflichen Werdegang dieser bekannten Nachkriegspersönlichkeit in der Region Braunschweig nachzuvollziehen. Dem Verfasser standen dabei Bundes- wie auch Landesarchivakten zur Person von Hans Eckensberger zur Verfügung, die bisher wissenschaftlich nicht ausgewertet waren. Des weiteren wurden insbesondere die Zeitungsjahrgänge der Braunschweiger Neuesten Nachrichten von 1924 bis 1936 ausgewertet. Diese Zeitung gehörte über den Verlag Lauer & Co. von 1923 bis 1936 dem Verleger Hugo Eckensberger, dem Vater von Hans Eckensberger, der hier Schriftleiter-, Verlagsleiterund auch Verlegerfunktionen inne hatte. Ergebnis dieser Studie ist, dass neue Tatsachen über Hans Eckensberger recherchiert wurden und bisherige Darstellungen/Portraits und Veröffentlichungen nicht immer den Tatsachen entsprechen oder unvollständig sind. Diese Lücke soll diese Studie schließen und einen Betrag zur Braunschweiger Pressegeschichte leisten. Die familiären Wurzeln Im Jahr 1709 wurde Leonhard Eckensberger geboren. Er war Schutzverwandter1 und Tagwerker „in den bortenmacher Zingler [...] Werken“ in Oberreichenbach bei Schwabach in Mittelfranken, als sein erster Sohn Christoph als zweites Kind am 26. 11.1742 zur Welt kam. Das Traubuch von Oberreichenbach enthält unter dem Datum vom 19.11.1769 folgenden Eintrag: „Der ehrbare Christoph Eckensperger, Bürger und Schumachermeister zu Chemnitz, Leonhard Eckenspergers, Bauerns zu Reichenbach ehel. noch lediger Sohn, und Anna Rosina Börnerin, weyl. Johann David Börners und Schumacher Meisters zu Chemnitz nachgelassene Wittib.“2 Christoph hatte sich um 1760 auf Wanderschaft begeben, die dann in Chemnitz endete. Das jetzt auftretende „p“ und später wieder das „b“ im Namen ist dem Dialekt und der mündliche Überlieferung geschuldet. Sein Vater, Leonhard Eckensberger, Halbbauer zu Oberreichenbach, starb am 26.12.1771 im 63. Lebensjahr. Aus der Ehe Christoph Eckensbergers mit Anna Rosinen Börner, geb. Lorentzen, 1 Einwohner einer Gemeinde ohne volle Bürgerrechte. 2 Auszüge aus den Kirchenbüchern von Oberreichenbach vom 17.01.2011, ausgestellt von SCHWARZ, Hansjörg, evang. Pfarramt St. Martin in Schwabach. 3 gingen zwei Söhne hervor: Johann Georg wurde am 06.06.1774 und Carl Gottlieb am 28.08.1775 in St. Johannis getauft. Meister Christoph Eckersberger starb am 17. September 1798 in Chemnitz. Johann Georgs einziger Sohn Karl August wurde in Zschopau am 17.03.1801 geboren und starb am 07.06.1871 in Chemnitz.3 Am 28.10.1832 fand in St. Johannis die Trauung statt zwischen „Mstr. Karl August Eckensperger, B. u. Wb. Allh., juv., weil. Hr. Joh. Georg Eckenspergers, Zitz- u. Kattundruckers allh. nachgel. ehel. einziger Sohn u. Mstr. Joh. Gottlieb Busch`s, B. u. Web. Allh. Stiefsohn und Jgfr. Ernest. Wilh. Ihle, Hr. Christ. Gottlieb Ihles, B. u. Kattundruckers u. Handelsmanns allh. ehel. 4te Tochter.“ Ihr zweites Kind und erster Sohn, Carl Eduard, wurde am 09.01.1835 geboren. Carl Eduard Eckensberger heiratete am 05.04.1861 Amalie Louise Ruttloff in Chemnitz. Im Taufbuch von St. Johannis ist 1865 folgender Eintrag zu finden: „Carl Hugo, 3. Kind, 1. Sohn, geb. 3. Juni 1865, getauft 18. Juni 1865.“ Sein Vater war der Webermeister Carl Eduard Eckensberger und seine Mutter Amalie Louise, geb. Ruttloff.4 Nach 1865 musste der Vater seinen Beruf als Weber aufgeben. Das Textilhandwerk wurde besonders in Sachsen von expandierenden Textilfabriken verdrängt. Er verdingte sich später als Bierreisender.5 Carl Hugo Eckensberger hielt sich seit 1886 kurzzeitig in verschiedenen Städten auf. Er kehrte dann immer wieder nach Chemnitz zurück, wo er bis 1892 mit dem Hauptwohnsitz gemeldet war. Zwischen 1892 und 1898 war er in Leipzig wohnhaft, 1898/99 in Plauen, von 1899 bis 1908 wieder in Leipzig, wo er mit der Berufsbezeichnung Kaufmann 1904 ein Bürgerrechtsgesuch stellte, von 1908 bis 1909 in Berlin und seit 13.04.1909 in Braunschweig.6 Am 01.04.1889 heiratete der Buchhalter Carl Hugo Eckensberger die Hausfrau Helene Voigtmann, die am 22.04. 1868 in Chemnitz geboren wurde. Ihre Tochter Elli kam am 03.02.1890, ihr Sohn Carl Hugo H a n s am 16.3. 1897 in Leipzig zur Welt. Hugo Eckensbergers Weg vom Buchhalter zum Verleger In Braunschweig nahm Hermann Lauer den Kaufmann Hugo Eckensberger 1909 in seinen Verlag Lauer & Co. auf, der im Braunschweigisches Adressbuch damit warb, Neueste Nachrichten Braunschweig „besitzen eine höhere Abonnentenzahl als alle Braunschweiger Tageszeitungen zusammen.“ Hugo Eckensberger wurde im Braunschweigisches Adressbuch für das Jahr 1910 unter Lauer & Co. als Prokurist geführt. Seit dem 28.11.1911 war er zusammen mit Hermann Lauer OHGGesellschafter. Dr. phil. Isenburg wurde 1912 als Prokurist erwähnt. 1917 wies das Braunschweigisches Adressbuch ihn und Dr. R. Isenburg als Inhaber aus. Lauer war 3 Vgl. Fragebogen in Staatsangehörigkeitssachen des Carl Hugo Eckensberger zum Antrag auf Verleihung des Bürgerrechtes der Stadt Leipzig vom 02.05 1904. StA Leipzig, Akte E 687. 4 Auszüge aus den Kirchenbüchern von St. Jakobi und St. Johannis zu Chemnitz, ausgestellt von LÄTSCH, Joachim, Ev.-Luth. Kirchgemeinde Chemitz vom 24. 08.; 30.09.; 15.11. und 30.11.2010; 14.06.2011. 5 Carl Hugo Eckensberger Akte E 687, Stadtarchiv Leipzig. 6 Carl Hugo Eckensberger, Akte E 687, Stadtarchiv Leipzig. 4 ausgeschieden.Von 1923 an war Hugo Eckensberger Alleininhaber des Verlages. Zum 01.01.1926 wurde Lauer & Co. in eine KG umgewandelt. Der Buchdruckereibesitzer und Zeitungsverleger Hugo Eckensberger und der finanzstarke Fabrikbesitzer Gottlieb Paul Leonhardt in Dresden waren persönlich haftende Gesellschafter, wobei Eckensberger noch einen Anteil von 20 % oder 20.000 RM hielt. Kommanditistin wurde Gisela Leonhardt, geb. Sarfert, in Dresden mit einer Einlage von 125.000 RM. Hugo Eckensberger blieb weiterhin Verleger der Zeitung, die sich ab April 1926 Braunschweiger Neueste Nachrichten nannte und die „von allen Braunschweiger Tageszeitungen die weitaus größte Verbreitung in den bemittelten und gebildeten Kreisen“7 hatte. 1932 erreichte die Zeitung mit 30.000 die zweithöchste Auflage aller Braunschweiger Tageszeitungen.8 Bis zum 14.02.1936 erschien sie unter diesem Namen. Der Verlag Lauer & Co. verzichtete im Jahr 1936 zu Gunsten des Verlages Limbach auf die Herausgabe der Zeitung. In der letzten Ausgabe wurde dies den Lesern so dargestellt: „An unsere Leser! Mit Herausgabe der heutigen Nummer unserer Zeitung nimmt die Firma Lauer & Co. Abschied von ihrer zeitungsverlegerischen Tätigkeit. Die von uns seit nahezu 40 Jahren herausgegebenen 'Braunschweiger Neueste Nachrichten' leben fort in der von morgen an im Verlag Albert Limbach erscheinenden Zeitung Braunschweiger Neueste Nachrichten Braunschweigische Landeszeitung.' Diese Neureglung erfolgt im Zuge der Anordnung des Präsidenten der Reichspressekammer vom 24.04.1935 über 'Schließung von Zeitungsverlagen zwecks Beseitigung ungesunder Wettbewerbsverhältnisse'. Als Herausgeber der 'Braunschweiger Neuesten Nachrichten' hat sich unser Verlag seit Jahrzehnten mit unserer engeren und weiteren Heimat, mit Stadt und Land Braunschweig und ihrer niedersächsischen Bevölkerung in engster Zusammenhörigkeit gefühlt. Es fällt uns sehr schwer, unsere erwiesene und gefühlte Bindung zu unserem Leserkreis nunmehr, dem höherem Gebot folgend, aufzugeben. Nur der Gedanke kann uns diese Trennung erleichtern, daß die bisherigen Leser der 'Braunschweiger Neuesten Nachrichten' vollen Ersatz finden werden in der künftig unter dem Titel 'Braunschweiger Neueste Nachrichten Braunschweigische Landeszeitung' vom Verlag Albert Limbach herausgegebenen Zeitung. Wenn wir aus unserer langjährigen Treuebeziehung zu unseren Lesern das Recht herleiten dürfen, eine Bitte auszusprechen, so ist es die, der neuen Zeitung, die zur gleichen Zeit (und zum gleichen Preise) erscheinen wird, wie bisher, die alte Treue zu wahren. Verlag Lauer & Co.“9 Die Anordnung sah vor, dass einzelne Verlage geschlossen werden konnten oder aber 7 Werbeslogan im Braunschweigisches Adressbuch für das Jahr 1925, 111. Ausg., Brg. 1925, S. 379. 8 Kaiser, Klaus: Braunschweiger Presse und Nationalsozialismus, in: Braunschweiger Werkstücke, Reihe A, Veröffentlichungen aus dem Stadtarchiv und der Stadtbibliothek, hsg. v. Israel, Ottokar, Band 6/der ganzen Reihe Band 43, Braunschweig 1970, S. 20. Das Generalanzeigerblatt BAA hatte eine Auflage 40.000 Stück. 9 Braunschweiger Neueste Nachrichten, 40. Jg. Nr. 38, vom 14. Feb. 1936, Seite 1. 5 es wurde ermittelt, ob eine Schließung durch Zusammenlegung vermieden werden konnte. Da die Familie Leonhardt die erdrückende Mehrheit im Verlag Lauer & Co. wie im Verlag Albert Limbach hatte, wurde die Zusammenlegung gewählt, um so möglichst weniger Abonnenten und Anzeigenkunden an die NSDAP-eigene Braunschweiger Tageszeitung zu verlieren. Ende 1935 wurde auf Hugo Eckensberger Druck vom Reichsverband der deutschen Zeitungsverleger ausgeübt, indem dieser seine politische Zuverlässigkeit überprüfte und er Fragen wie diese beantworten sollte: „Welche Gründe veranlassten Sie, in die „Loge Carl zur gekrönten Säule“ einzutreten? Warum hatten Sie in unserem Fragebogen nicht erwähnt, dass Sie vor der Machtübernahme der Deutschen Volkspartei angehört haben? Warum konnten die Katholische Aktion und ihre Untergliederungen die BNN als Veröffentlichungsorgan nutzen?“10 Verleger Hugo Eckensberger war auch wegen des Strafverfahrens gegen seinen Sohn das erste Gleichschaltungsopfer in der Braunschweiger Zeitungslandschaft geworden. Anfang Dezember 1935 war der langjährige Verlagsleiter und Hauptschriftleiter der BLZ Hellmuth Raabe nach 18 Jahren ausgeschieden. Die Reichsleitung der NSDAP hatte ihn zum Verlagsleiter der NTZ nach Hannover berufen. Konsul Harald Voigt wurde Verleger der BLZ und Dr. Ernst Sieverts sein Stellvertreter sowie Hauptschriftleiter. Parteigenosse Sieverts war bis dahin bei den zu Leonhardt gehörenden Chemnitzer Neuesten Nachrichten Verlagsleiter und Hauptschriftleiter gewesen.11 Der Verlag Albert Limbach hatte mit Verleger Harald Voigt, der zu diesem Zeitpunkt schon SS-Sturmführer und Schwiegersohn G. P. Leonhardts war, die besseren Karten. Die Braunschweigische Landeszeitung war eine der ersten in Norddeutschland in den Kampfjahren der Bewegung, die hinter den Führer getreten war.12 Die BNN-BLZ erschien fünf Jahre unter diesem Titel, bis der Braunschweiger Allgemeiner Anzeiger das zweite Opfer Amannscher13 Verordnungen wurde und er sein Erscheinen einstellen musste: Der Braunschweiger Allgemeiner Anzeiger war zu 100 Prozent im Eigentum des Albert Limbach Verlages und damit der Voigt-Familie gewesen. Der BAA verabschiedete sich in der letzten, achtseitigen Ausgabe am 31.05.1941 so: „An die Leser und Freunde des Braunschweiger Allgemeinen Anzeigers! Die Kriegswirtschaft erfordert strengste Konzentration aller Kräfte. Die Zusammenfassung macht es notwendig, daß unser Blatt mit dem heutigen Tage bis 10 Vgl. Entschädigungsakte Helene Eckensberger, Nds StA WF, 4 Nds Nr. 501 Zg 41/1992 Aktenbl. 32/3. 11 Vgl. Gemeinschaftsfest des Verlages Albert Limbach.: BLZ vom 16.12.1935, S. 3. 12 Vgl. Schreiben des Auslandspressechefs, Hans Hanfstaengl, an Reichsleitung NSDAP vom 09.03.1935, zit. nach STROPPE-EULERICH, A. M.: Lizenz, Geld, Meinung, Das Buch vom Zeitungsmachen in Braunschweig, Braunschweig 1995, S. 18. 13 Max Amann war Reichsleiter für die Presse und Präsident der Reichspressekammer. Er war mit verantwortlich für die Gleichschaltung der Gesellschaft im gesamten Pressebereich.Näheres hierzu:KARSTEN, Arne und VON THIESSEN, Hillard (Hrsg.): Nützliche Netzwerke und korrupte Seilschaften, Göttingen 2006. 6 auf weiteres sein Erscheinen einstellt, um Menschen und Material für andere kriegswichtige Zwecke freizumachen. Hauptschriftleiter Heinrich Schmedding Verleger und Betriebsführer Harald Voigt.“ 14 Die verbliebene, ebenfalls zum Albert Limbach Verlag gehörende Braunschweigische Landeszeitung, jetzt ohne Braunschweiger Neueste Nachrichten im Zeitungskopf, sollte Kontinuität für die noch verbliebenen Leser suggerieren. Hugo Eckensberger verstarb am 17.09.1942 im 78. Lebensjahr nach längerer Behandlung in einer Wiesbadener Privatklinik an einem Krebsleiden 15. Die Braunschweigische Landeszeitung stellte in der Ausgabe vom 23.09.1942 seine Verdienste für das Braunschweiger Zeitungswesen heraus. „Fast drei Jahrzehnte lang hat der Verstorbene in Braunschweig in verantwortlicher Stellung gestanden und die 'Neuesten Nachrichten' sicher durch die schweren Jahre der Inflation und des wirtschaftlichen und nationalen Niedergangs geführt. Daß diese Zeitung ein so hohes Ansehen genoß, ist ihm und seiner Arbeit zu verdanken. Auch als Mensch genoß Hugo Eckensberger wegen seiner Charaktereigenschaften und der ruhigen Freundlichkeit, die sein Wesen auszeichnete, in allen Kreisen Wertschätzung.“16 Wir erfahren noch, dass er nach 1936 weiter „schaffend tätig“ war. „Als im Kriege die Leitung des Verlages Bernhard Thalacker verwaiste, sprang er auch dort wieder trotz seines Alters in alter Tatkraft ein.“17 Lizenzierter Verleger und Betriebsführer der Braunschweigischen Landeszeitung, die am 31.08.1944 als eine der letzten privat geführten Tageszeitungen im „Dritten Reich“ ihr Erscheinen einstellen musste, war Harald Voigt. Den noch verbliebenen Lesern wurde das so vermittelt: „Und wenn am 1. September der Verlag der 'Braunschweiger Landeszeitung' eine Kriegsgemeinschaft mit dem NS.- Gauverlag Südhannover bildet, [gemeint war die Braunschweiger Tageszeitung] damit in den kommenden Monaten Kräfte für Wehrmacht und Rüstung frei werden, dann bejahen wir diese Maßnahmen und fügen uns willig dem ehernen Gebot der Stunde.“18 Die Firma Lauer & Co. war weiterhin mit der noch im Besitz befindlichen Druckerei gewerblich tätig mit den Teilhabern G. P. Leonhardt und Hugo Eckensberger. Dieser schied nach seinem Tod aus der Gesellschaft aus, ohne dass ein Familienmitglied nachfolgte.19 1938 bezog Hugo Eckensberger noch 17.500 RM Gewinn aus der Firma.20 Im späteren Entschädigungsverfahren wegen Vermögensverlusten und Behinderung im beruflichen Fortkommen des Vaters Hugo vor dem Landgericht Braunschweig behauptete seine Ehefrau als Erbin und nach ihrem Tod die Nacherben, die Kinder Hans und Elli, der Vater hätte 1936 nur seinen 20-prozentigen Anteil von 20.000 RM ausgezahlt bekommen, obwohl der innere Wert des Verlages um ein 14 15 16 17 18 19 20 7 BAA vom 31.05.1941, S. 3. Mitteilung des Stadtarchivs Wiesbaden vom 17.06.2011. Hugo Eckensberger ╬, in: Braunschweiger Landeszeitung vom 23.09.1942, S. 3. BLZ vom 23.09.1942, S. 3. Die Tat ist alles, Braunschweiger Landeszeitung vom 31.08.1944, S. 1. Entschädigungsakte Helene Eckensberger, 4 Nds Nr. 501, Zg 41/1992, Akt.-Bl. 24/25. Vgl. Entschädigungsakte Helene Eckensberger, Bl. 68. (Handelsregisterauszug). Mehrfaches höher gewesen sei. Das Landgericht wies die Ansprüche mit der Begründung ab, dass aus der allgemeinen Gleichschaltung keine Entschädigung geltend gemacht werden könnten, da alle Deutschen davon betroffen waren. Gottlieb P. Leonhardt „fiel im Alter von 78 Jahren am 16. Januar 1946 der sowjetischen Besatzungsmacht zum Opfer.“21 1946 wurde Gerhart Klippgen Vollhafter, Gisela Klippgen, geb. Leonhardt, und Isolde Voigt, geb. Leonhardt, wurden Teilhafter. 22 Bis heute fungiert Lauer & Co. als Grundstücksgesellschaft.23 Hans Eckensbergers erste 27 Jahre Von 1903 bis 1907 besuchte Eckensberger in seiner Geburtsstadt Leipzig die Höhere Bürgerschule, von 1907 bis 1908 das Dr. Hallers Progymnasium in Leipzig, von 1908 bis 1909 das Friedrichs Realgymnasium Berlin und von 1909 bis 1915 das Herzogliche Realgymnasium zu Braunschweig, dessen Rechtsnachfolger die Neue Oberschule in Braunschweig ist.24 Von 1915 bis 1918 leistete er Kriegsdienst, wurde mit dem EK II und I. Klasse , Braunschweiger Verdienstkreuz II. Klasse sowie dem Braunschweiger Bewährungsabzeichen ausgezeichnet und war Leutnant der Reserve.25 Von 1919 bis 1922 absolvierte er ein Studium der Rechts- und Staatswissenschaften sowie Geschichte in sechs Semestern ohne Abschluss. Das Sommersemester 1920 verbrachte er an der Universität Greifswald, die übrigen Semester an der Universität Leipzig. Im März 1921 heiratete der Student Hans Eckensberger Elisabeth Cuers in Leipzig, die am 07.12.1899 in Braunschweig als Tochter von Rechtsanwalt Dr. jur. Carl Cuers geboren wurde. Die gemeinsame Tochter Rose-Marie wurde am 28.11.1921 in Stettin geboren. Sie heiratete später Monsieur Jaunbersin.26 Nach dem Studium volontierte er bei der Leipziger Zeitung. Danach arbeitete er nur kurz als politischer Redakteur beim Leipziger Tageblatt und Handelsblatt.27 1923 hielt er sich in Rudolstadt/Thüringen auf und am 23.9.1924, aus Heidenheim an der Brenz kommend, meldete er sich in Braunschweig an. 28 In beiden Orten war er als Redakteur tätig. 21 BRENNECKE, R., TYLACK, G.: 125 Jahre Druckhaus Limbach, 1990, S. 9. 22 Vgl. STROPPE-EULERICH, ANGELA M.: Lizenz, Geld, Meinung, Das Buch vom Zeitungsmachen in Braunschweig, Braunschweig 1995, S. 83. 23 Die Angaben über die Firma Lauer & Co sind den Handelsregister-Akten Amtsgericht Nr. 3067 Braunschweig entnommen. 24 Personal-Fragebogen der MILITARY GOVERNMENT OF GERMANY NACHRICHTENKONTROLLE, BArch (ehem. BDC), RKK, Eckensberger, Hans * 1897, Blatt 22. 25 Entschädigungsakte H. Eckensberger, NLA-StA WF; 4 Nds Nr.500 Zg 41/ 1992; Hrsg., Deutscher Wirtschaftsverlag: Reichshandbuch der deutschen Gesellschaft, Bd. I , A-K, S. 367. 26 Entschädigungsakte; E-Mail-Auskunft des ECKARD SCHIMPF vom 26.04.2011. 27 Vgl. Reichshandbuch 1930, Bd. I, A-K S. 367. 28 StA BS, D I 12 160, Einwohnermeldekartei, Eckensberger, Hans. 8 Sein Schaffen von 1924 bis 1933 in Braunschweig Hans Eckensberger gab im Antrag auf Lizenzerteilung an, dass er von 1925 bis 1927 Hauptschriftleiter der Braunschweiger Neueste Nachrichten war, was weder im Impressum der Zeitung noch in den Braunschweigischen Adressbüchern nachweisbar ist. Ab dem 30.11.1924 zeichnete der 27-jährige Hans Eckensberger verantwortlich für den Textteil der 16-seitigen Wochenendbeilage Der Sonntag. Diese Beilage erschien mit seinem Dienstbeginn im väterlichen Verlag bei der Neuesten Nachrichten Braunschweig für die gebildeten Kreise erstmals. Er bestimmte die Themen und trug die Texte dafür zusammen oder ließ dazu Artikel schreiben, wobei kein Artikel mit seinem Namen gekennzeichnet war, so dass nicht erkennbar ist, ob er auch eigene Beiträge geliefert hatte. Ab der Ausgabe vom 14.01.1925 führte das Impressum ihn als verantwortlichen Schriftleiter für das Feuilleton der Neuesten Nachrichten Braunschweig auf. Diese Stellung bekleidete er bis zum 25.04.1926 und gab sie dann an Dr. Hans Ullrich ab. Der Sonntag wurde ab dem 24.10.1926 von Hans Eckensberger und Hans Ullrich gemeinsam gestaltet. Aus der Redaktion zog sich Hans Eckensberger mit der letzten gemeinsamen Ausgabe des Sonntag vom 21.08.1927 zurück. Schon seit dem 11.05.1926, nach dem Einstieg des Kommerzienrates Gottlieb Paul Leonhardt in den Verlag Lauer & Co., hatte Hans Eckensberger auch kaufmännische Aufgaben wahrgenommen. Erstmalig 1927 und letztmalig 1933 wurden im Adressbuch unter „Lauer & Co.“ Schriftleiter Hans Eckensberger und der Hauptbuchhalter Julius Naujock mit „Gesamt-Prok.“ aufgeführt.29 Beide konnten die Fa. Lauer & Co. gemeinschaftlich mit einem anderen Prokuristen vertreten. Julius Naujok könnte auf Vorschlag von G. P. Leonhardt eingestellt worden sein. In seinem Antrag auf Lizenzerteilung behauptete Hans Eckensberger aber, „1928 – 1933 [die] Gesamtleitung des Verlages der 'Braunschweiger Neuesten Nachrichten' innegehabt zu haben.30 Unter der Privatadresse Ritterbrunnen 6 bezeichnete er sich als Verlagsdirektor. Als er in den 50-er Jahren einen Antrag auf Vermögensentschädigung stellte, konnte er weder einen Arbeitsvertrag noch eine Gehaltsabrechung für diese Zeit beibringen, die belegen konnten, dass er als Verlagsdirektor eine Bezahlung von jährlich 12.000 RM erhalten hatte. Vom 21.07. bis 16.08.1925, als der Hauptschriftleiter Fred Bergt-Blume seinen Urlaub nahm, lieferte der 28-jährige Hans Eckensberger sein journalistisches Gesellenstück ab. Für 24 Ausgaben war er laut Impressum verantwortlich für Leitartikel und Politik, für Feuilleton und für die Wochenbeilage Der Sonntag. Insbesondere die Themen und ihre Inhalte lassen Rückschlüsse auf seine nationalistische Einstellung erkennen. 29 Vgl. Braunschweigisches Adressbuch für das Jahr 1927, S. 164 und Grundstücksakte Amtsgericht Braunschweig, Steinweg 40, 321 A 8141, Bd 43 A, Blatt 53, Abschrift vom 11.05. 1932. 30 BArch (BDC) Eckensberger, Hans, Anhang zu D. Schriftwerke und Reden. Blatt 9. 9 Sein erster Leitartikel am 21.07.1925 lautet: „Raub unter der Erde. Frankreich als Kohlendieb.“ Am 30.07.25: „Polens Kampf gegen das Deutschtum“. Zum gleichen Thema am 05.08.25: „Das Unrecht [an Deutschen in Polen] an den Optanten“. Am 08.08.25: „Südtirol und Italien“. Zum Thema Kriegsschuldfrage am 31.07.25: „Der Krieg gegen die deutsche Wissenschaft“ beginnt der Artikel so : „Die Wissenschaft will und soll der Wahrheit dienen, und ihre Vertreter haben die Aufgabe, sich unbeirrt durch Tagesströmungen und ehrlich diesem Dienste zu widmen. […]“ Am 06.08.25 schrieb T. Rakoff einen Bericht über innenpolitischen Probleme in Bulgarien: „Die Arbeitsdienstpflicht in Bulgarien.“ Zu Beginn bemerkte die Redaktion, also H. E., dazu Folgendes: „Wir bringen die beachtenswerten Ausführungen über die Arbeitsdienstpflicht in Bulgarien, da auch in Deutschland im Hinblick auf unsere schwierige Lage und in Fortfall der allgemeinen Dienstpflicht eine ähnliche Einrichtung erwägenswert wäre.“ 31 Diese nationalistische und militaristische Haltung kam bereits bei der Stichwahl zwischen Dr. Wilhelm Marx und Paul von Hindenburg im April 1925 deutlich zum Ausdruck. Zunächst schalteten elf Rechtsparteien (einschließlich der NSDAP) als Landeswahlausschuss in den Neueste Nachrichten Braunschweig Anzeigen, die für die Wahl Hindenburgs aufriefen. Ebenfalls am 19. April erschien ein halbseitiger Artikel von der Redaktion, als Anzeige aufgemacht: „Deutsche Männer! Deutsche Frauen! Deutsche Jugend! Wer schützte Euch und Eure Heimat vor den russischen Horden? Wer war Eure Zuversicht in schweren Jahren ruhmgekrönten Ringens? Wer harrte selbst dann noch aus in treuer Pflichterfüllung, als Treubruch das Schwert des unbesiegten deutschen Heeres zerbrach? H I N D E N B U R G ! [ Lettergröße 60] Darum keine Stimme dem Kandidaten der vereinigten schwarz-rot-goldenen Internationale, der, wenn der Parteiprofit es verlangt, heute als preußischer Ministerpräsident, morgen als Reichskanzler und übermorgen als angeblicher Träger christlicher Kultur für die kirchenfeindliche Sozialdemokratie als Reichspräsident kandidiert. Die dauernde Entwürdigung des deutschen Namens, die planmäßige Herabzerrung des Nationalgefühls seit der Revolution brachte und bringt uns Demütigung über Demütigung. Retten kann uns davor nur die Aufstellung eines aufrechten Mannes von selbstloser Vaterlandsliebe, auf den Freund und Feind mit Achtung und Bewunderung blicken. Wählt darum Hindenburg! Sein Name allein heißt Sammlung aller Kräfte nationaler Wiedergeburt, ist 31 BNN vom 06.08.1925, S.1. 10 Deutschbewußtsein und deutsche Würde, ist Wille und Tat. Der Glaube des Deutschen Volkes an sich selbst und an seine Zukunft, sein Wille zur Freiheit heißt H I N D E N B U R G !“ 32 Diese Rhetorik übertraf noch die des radikalen Deutschnationalen Ernst August Roloff oder die eines Hugenbergs. Das war Wasser auf die Mühlen der so salonfähig gemachten Nationalsozialisten. Hitlers Vorbild in der Realschule in Linz (vermittelt durch seinen Geschichtsprofessor Dr. Pötsch) und Wien (Parlamentsreden im Reichsrat) war der antisemitische Deutschnationale und „Führer“ Georg Ritter von Schönerer gewesen, dessen Ansichten den Schüler Adolf Hitler zum fanatischen Deutschnationalen machten.33 Der ehemalige Frontsoldat Hans Eckensberger war 1925 Mitglied der Redaktion und wohl Mitverfasser und Mitverantwortlicher dieses Aufrufes. Vater Hugo Eckensberger war Alleinverleger in der Zeit von 1922/1923 bis zum Eintritt Leonhardts 1926. Bei dieser Stichwahl machten sich die Neueste Nachrichten Braunschweig zum Kampfblatt aller Rechtsparteien im Freistaat Braunschweig. Der erst für den 2. Wahlgang nominierte Paul Hindenburg gewann die Wahl mit 880.000 Stimmen knapp vor Dr. Wilhelm Marx vom Zentrum.34 Dieser Stil und diese Weltanschauung waren schon 1922 zum 25-jährigen Jubiläum der Zeitung auf einem ganzseitigem Rückblick erkennbar. Die antimarxistische Frontstellung, insbesondere die feindliche Haltung zur Sozialdemokratie, hatte ihren Höhepunkt schon 1921 erreicht, als das Braunschweigische Staatsministerium unter Ministerpräsident Sepp Oerter (USPD) das Erscheinen der Zeitung vom 5. bis 11. Oktober per Verfügung verhinderte. In dem Leitartikel „ Und Oerter sprach --- !“ wurden dieser und die Landesregierung verächtlich gemacht.35 Klaus Kaiser stellte 1970 fest, dass seit der Gründungsausgabe am 27.03.1897, anlässlich des 100. Geburtstag Wilhelms I., dem Nationalismus gehuldigt wurde.36 Den ebenfalls 1897 formulierten Anspruch der Zeitung, „von keiner Partei beeinflußtes, absolut unabhängiges Organ“ zu sein, haben die Verleger Lauer, Hugo Eckensberger und Gottfried P. Leonhardt bis 1933 nicht und erst Recht nicht bis zur Verschmelzung mit der Braunschweigische Landeszeitung 1936 durchgehalten. Insbesondere vor und nach Kommunal-, Landtags und Reichstagswahlen kam ihre Parteilichkeit klar zum Ausdruck, wie einige Beispiele zeigen. So machte die BNN vor der Reichstagswahl 1928 unter einer Anzeige der Deutschnationalen an ihre Leserschaft folgenden Wahlaufruf: „Wer nicht wählt, 32 33 34 35 Neueste Nachrichten Braunschweig vom 19.04.1925, S. 4. Vgl. GREINER, Josef: Das Ende des Hitler-Mythos, S. 50 ff, dort zit. aus Mein Kampf. Näheres in: NNB vom 28.04.1925 S. 1 f. Vgl. NNB vom 04. und 05.10.1921, Seiten 1. Spätere Zeitungsverbote, s. Klaus Kaiser, 1970, S.137ff. 36 KAISER, Klaus: Braunschweiger Presse und Nationalsozialismus, Braunschweig 1970, S. 20. 11 verrät das Vaterland! Eine verlorene Wahlschlacht ist ein verlorener Krieg! Die Kriegskosten zahlt der Nichtwähler mit seiner Existenz!“37 Zur Landtags- und Reichstagswahl 1930 bezogenen Verlag und Redaktion deutlich Position. Der Leitartikel der BNN am 07.09.1930 lautet: „Jeder der nicht wählt, ist gewissenlos!“ Gemeint waren die bürgerlichen Leser. Auf der gleichen Seite 1 liest man einen Kommentar mit dem Titel „Mord an der Seele.“ Daraus ein Auszug: „Die Verfassung von Weimar hat das Wahlalter bereits auf das 20. Lebensjahr festgesetzt. Heute ist man sich darüber in allen einsichtigen Kreisen im klaren, daß ein zwanzigjähriger Mensch kaum die nötige Reife und das sachliche Erkenntnisvermögen besitzt, um wirklich 'wählen', das heißt ein politisches und weltanschauliches Urteil abgeben zu können.“ Gemeint waren hier wohl die Jugendlichen der Sozialisteneltern, die deren Seelen vergifteten. Es stellt sich die Frage, ob im 1. Weltkrieg die zahllosen toten und verletzten Jugendlichen unter 20 Jahren wie Hans Eckensberger, die notwendige Reife gehabt hatten, um sie kämpfen zu lassen. Am 10.09.1930 leitartikelte die BNN „Wer nicht wählt, wählt seinen Feind!“ Am Wahlsonntag, den 14.09.1930, wurde auf der ersten Seite der BNN ein politisches Sperrfeuer auf die Sozialisten abgeschossen: 1. Artikel „Geht wählen, stürzt die Bonzen!“ 2. Artikel „Die Bonzen müssen herunter vom Bock!“ Sogar der Haupteigentümer Gottlieb P. Leonhardt lieferte politische Munition für den 3. Artikel „Wo geht die Reise hin?“ „Kann die Privatwirtschaft dies alles tragen?“ Hier wurden am Beispiel des Haushalts der Gemeinde Thurm, Krs. Glauchau in Sachsen, dem Wohnsitz der Familie Leonhardt, die „Leistungen“ der bürgerlichen Mehrheit vor dem Krieg mit der Linksmehrheit 1929/1930 verglichen: 2 Beamte hier , 6 Beamte dort; 2.890 MK Jahresgehälter hier; 25.200 MK dort; 12.000 MK Gesamtausgaben hier; 144.000 MK dort; keine Schulden hier, 67.500 MK dort. Mit „Die Folgerung? Du wählst bürgerlich!“ endet der Artikel. Der sächs.-königl. Kommerzienrat G. P. Leonhardt hatte vor 1918 dem Sächsischen Landtag angehört. Vielleicht war er auch im Vorstand der Gemeinde Thurm gewesen. Leonhardt veröffentlichte u. a. „Allzeit – treu bereit – allseitige Kriegsbereitschaft (Schaffung eines Wirtschaftlichen Generalstabs).“38 Am 13.12.1930 erschien auf einer halben Seite ein vierspaltiger Artikel „Adolf Hitler spricht in Braunschweig“ - im überfüllten Hofjäger. Durch die ausführliche, fast wörtliche Wiedergabe der Rede wurde Hitlers Weltanschauung hoffähig gemacht. [...] „Überwunden werden müsse nicht nur der Klassengeist in Deutschland, sondern auch der Geist des Nachäffens fremder Kunst, fremder Kultur. Was habe das denn schon zu sagen, wenn man einen Schandfilm (Remarque-Film 'Im Westen nichts Neues' Anm. Red.) vorlege und erklärt, Lloyd George hat ihn gelobt. Nichts! [...]“39 Zu der Rede folgte kein Kommentar, geschweige denn Kritik. Offensichtlich hatte Hitler der Redaktion und Verlagsleitung aus der Seele gesprochen. In den Jahren bis 37 BNN vom 20.05.1928, S. 8. 38 LEONHARDT, Gottlieb, Paul, in: Reichshandbuch der deutschen Gesellschaft, S. 1103. 39 BNN vom 11.12.1930, S. 12 1930 „gelang der NSDAP der innere Durchbruch zum mittelständischen Bürgertum“, nicht nur wegen der sich anbahnenden Wirtschaftskrise, sondern vermehrt trugen auch Artikel wie diese in der nationalistisch-bürgerlichen Presse dazu bei.40 Um aus der Wirtschaftskrise zu kommen, hatte Hugenberg im Oktober 1931 einen programmatischen Artikel zur Lösung der Krise verfasst, den die BNN unter dem Titel Kampf dem Marxismus! am 30.10.1931 auf Seite 2 kommentierte und in Auszügen wiedergab: „Ein grelles Licht fällt durch eine Veröffentlichung des deutschnationalen Parteiführers Hugenberg auf die Ursachen der schweren innerdeutschen Wirtschaftskrise. Nicht die Wirtschaft selbst, so formulierte Hugenberg die von der BNN so oft vertretende Ansicht, sondern die Einmengung der Politik in die Wirtschaft sei schuld an der Unrentabilität, die alles wirtschaftliche Leben zu ertöten drohe. Nur die 'Vernichtung jeder Sorte von Sozialismus' könne uns daher helfen und uns Arbeit und Brot geben.“ Außerordentlich positiv und ausführlich berichtete die BNN am 22.09. und 20.10.1931 über zwei nationalsozialistische Großkundgebungen in Braunschweig: Nationalsozialistische Kundgebung in Braunschweig „Das Braunschweiger Straßenbild beherrschte am Sonntag wieder die braune Uniform der Nationalsozialisten.[...] Dem Aufmarsch auf dem Schloßplatze ging eine Paradeaufstellung auf dem Leonhardplatze voraus. Es mögen etwa 3000 Mann gewesen sein, die, braun gekleidet dort in Reih und Glied standen.... 15.15 Uhr wurde das Signal zum Marsch durch Stadt gegeben. Ein Trommlerkorps und eine Musikkapelle marschierten nach den Sturmabteilungen an der Spitze. Im Zug wurden wieder viel Fahnen mitgeführt. Auch Weißhemden befanden sich in den Kolonnen. Es waren uniformierte Mitglieder der Nationalsozialisten aus Preußen, denen das Tragen der Braunhemden verboten ist. .Das Ende der Kundgebung bildete ein Vorbeimarsch auf dem Schloßplatz, von dem diesmal reichlich die Hälfte den Zuschauern zugeteilt war, so daß der Aufmarsch gut beobachtet werden konnte. Es fehlte aber Adolf Hitler, den viele Zuschauer erwartet hatten..... Der Vorbeimarsch nahm 20 Minuten in Anspruch. In der Stadthalle am Schützenplatz, die wegen Überfüllung polizeilich gesperrt werden mußte, sprachen Sonntag abend für den Führer der nationalsozialistischen Freiheitsbewegung, Adolf Hitler, Minister Klagges aus Braunschweig und der Führer der Nationalsozialisten aus in Berlin, Reichstagsabgeordneter Dr. Goebbels.... Zunächst nahm Minister Klagges das Wort. Er führte u. a. aus: …. Heute, wo zum ersten Male wieder seit vielen Monaten die braunen Scharen Adolf Hitlers die Straßen Braunschweigs beherrschten, habe sich gezeigt, daß dieses feste und entschiedene Auftreten den bolschewistischen und marxistischen Mob in seine Schlupfwinkel zurückgejagt habe. Diese Tatsache spreche für sich selbst. Sie spreche vor allem für den Erfolg der einjährigen Regierungstätigkeit des Nationalsozialismus in Braunschweig. Das Volk habe eine antimarxistische Regierung verlangt. Ihm dem Redner, sei die Aufgabe geworden, an Stelle des Ministers Franzen das Amt zu übernehmen. Er bilde sich nicht ein, diese 40 ROLOFF, Ernst -August: Braunschweig und Staat von Weimar, Braunschweig 1964, S. 11. Speziell: Wie Hitler Deutscher wurde, in: Braunschweiger Zeitung , Spezial, Nr. 1 (2007). 13 Aufgabe aus eigener Kraft erreicht zu haben. Er wisse, daß es die Bewegung mit ihrem Führer an der Spitze sei, die ihn auf diesen Platz gestellt habe. Er gebe die Versicherung gleich einem heiligen Schwur, diesen Posten zu halten, solange er vom Führer und im Interesse der Bewegung gehalten werde. Er sei bereit, alles zu tun, was notwendig sei,um diesen Platz zu halten. Denn er sehe diesen Platz an als ein Stück eines Frontgrabens, in das die Nationalsozialisten eingebrochen seien und das sie in der Hand hätten. Als ein Frontstück, von dem aus man die Front des Gegners aufzurollen vermöge. Er denke nicht daran, diesen Kampf mit ungesetzlichen Mitteln zu führen. Sie würden die Front auf legalem Wege aufrollen.“ Nach einer kurzen Pause sprach in der Versammlung der Stadthalle der nationalsozialistische Führer von Berlin, Dr. Goebbels spricht über die Reichspolitik Er führte unter anderem aus: … 'Bevor eine Veränderung der Machtverhältnisse in Deutschland eintreten könne, verlangten sie [die Nationalsozialisten], daß der Reichstag und der Preußische Landtag aufgelöst würden. Auf Grund dieser Basis solle im Reich und in Preußen ein neues Regime eingeleitet werden. Denn entweder würde in Deutschland national regiert – dann müsse der Marxismus mit Stumpf und Stiel ausgerottet werden' oder es werde in Deutschland offen oder versteckt international regiert, dann aber ohne Nationalsozialisten. Die Nationalsozialisten seien heute die letzte Hoffnung von „Millionen Deutschen. Wenn die nationalsozialistische Bewegung nicht wäre, wären wir heute alle zerbrochene Menschen. Die Nationalsozialisten wollten die Macht und scheuten die Verantwortung nicht. Aber sie könnten die Verantwortung nur dann übernehmen, wenn sie das vor Volk und Geschichte verantworten könnten. Beide Vorträge fanden äußerst beifällige Aufnahme.“ Reibereien in den Abendstunden ….“Auch der Maler mußte mit dem Pinsel zur Abwehr erscheinen. In der Nacht zum Sonntag hatten Unbekannte auf den Steinen rechts und links vom Eingang zu den Kammerspielen am Schloss große, gegen die nationalistische Bewegung und ihren Führer gerichtete Aufschriften in roter Farbe angebracht, die mit Beize beseitigt und überstrichen werden mußten.“ (BNN vom 22.September 1931, S. 13 (Viertes Blatt). Dieser Aufmarsch der 3000 Braunen war eine Generalprobe gewesen für den vier Wochen später stattgefundenen Aufmarsch der Hunderttausend Braunen. Zweck und Ziel der Kundgebung war gewesen, 24 neue Sturmabteilungen (Standarten) der S.-A. zu weihen. Viktor Lutze, Ernst Röhm und der Pressechef der NSDAP Otto Dietrich erläuterten den ca. 100 erschienenen Pressevertretern u.a. warum diese Kundgebung in Braunschweig stattgefunden hat: „Braunschweig sei als Aufmarschplatz gewählt worden, weil hier ein nationalsozialistisches Innenministerium bestehe und man nicht Gefahr laufe, daß eine solche Veranstaltung, nachdem zwei oder drei Wochen Vorbereitungen aufgewendet seien, verboten würde. Man sei hier nicht den behördlichen Schikanen, Verboten und Gehässigkeiten ausgesetzt wie in anderen Teilen Deutschlands. In Braunschweig dürfe der braune Dienstanzug der 14 Nationalsozialisten getragen werden, während in Deutschland von einigen Ausnahmen abgesehen, noch nicht einmal das weiße Hemd der NSDAP. getragen werden dürfe.“ Die BNN berichtete und kommentierte das Ereignis vom 17./18.10 1931 auf fünf Seiten, eine Seite ausführlich über Adolf Hitlers Rede über seine Ziele in der Stadthalle. Die BNN kommentierte den Aufmarsch der Hunderttausend u. a. so euphorisch: “Mehr als jede Propaganda eines Verkehrsamtes hat es dieser Aufmarsch vermocht, die Stadt Braunschweig im In- und Ausland nennen zu lassen.“ Am 10.04.1932 fand die Stichwahl zum Reichspräsidentenamt statt. Hatte die BNN sich 1925 marktschreierisch für Paul von Hindenburg eingesetzt, war das Engagement für ihn zum ersten Wahlgang noch zu erkennen. „Die BNN unterstützt eindeutig und ausdrücklich Hindenburg,...“, stellte Klaus Kaiser (1970, S. 93) fest. Ihre Festlegung auf Hitler einen Monat später war ihm entgangen. Am Wahltag, den 10.04.1932, wurde auf zwei ganzen Seiten Partei für Adolf Hitler ergriffen: „Männer und Frauen aller Berufsschichten Braunschweigs erklären sich für Adolf Hitler!“ 29 Wählerinnen und Wähler begründeten in alphabetischer Reihenfolge des Namens, warum sie Hitler wählen wollten. So kam beispielsweise Oberspielleiter Max Haas zu Wort: „Ich wähle Adolf Hitler, weil ich überzeugt bin, daß auch für die Theater und ihre Angestellten wieder wirtschaftliche Besserung und soziale Sicherheit eintritt. Ferner, daß an unseren deutschen Bühnen in erster Linie nur deutsche Künstler und keine Ausländer mehr verpflichtet werden, wodurch der zur Zeit bestehenden Engagementnot unbedingt entgegengesteuert wird.“ Nach dem letzten veröffentlichten Leserbrief machten Verlag und Redaktion ihren eigenen Aufruf: „Hunderte von Zuschriften aus allen Schichten der Bevölkerung sind bei uns eingegangen. Beliebig könnten wir obige Aufführung fortsetzen. Aus der großen Zahl der Zuschriften von jung und alt sind noch besonders hervorzuheben die einer Anzahl Arbeiter- und Wirtschaftsführer und Führerinnen von Frauenverbänden, einer Anzahl von Polizeibeamte sowie einer Führerin des Braunschweiger Königin-Luise-Bundes. A d o l f H i t l e r ist nicht der Kandidat einer Partei, sondern der Auserwählte aller derer, die mit ganzen Herzen an der Neugestaltung Deutschlands Zukunft hängen. Wer endlich Schluß machen will mit der Notverordnungspolitik des heutigen Systems, mit Korruption und Versklavung, der wählt am 10. April den Frontsoldaten Adolf Hitler!“41 Dieser Text trug auch mit die Handschrift des ehemaligen Frontsoldaten und Verlegers Hans Eckensberger. Dieser anzeigenähnliche Aufruf war für die NSDAP mehr wert als Parteibeitritte. Die BLZ unter Verleger Harald Voigt hatte sich schon zum 1. Wahlgang am 13.März 1932 festgelegt: „Tut Eure nationale Pflicht: wählt Adolf Hitler!“ Die Wende der BNN zum Nationalsozialismus wurde forciert durch 41 Vgl. BNN, Der Sonntag, vom 10.04.1932. 15 den im März 1932 eingestellten Schriftleiter für Leitartikel/Politik Dietrich Friede, 1907 in Berlin geboren. Friede hatte diese Position inne bis zum Zusammenschluss mit der Braunschweigische Landeszeitung im Februar 1936 und dort dann bis zu seinem Weggang im April 1938 nach Berlin. Im Mai 1944 wurde er Referent im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda. 42 Er war das Pendant zu Hanns Dohrmann, der von Gottfried P. Leonhardts Schwiegersohn Harald Voigt schon 1930 als Wortführer der „nationalen Opposition“ bei der Braunschweigischen Landeszeitung engagiert worden war. Harald Voigt hatte wohl über seinen Schwiegervater, auch maßgeblich Einfluss auf die nationalsozialistische Ausrichtung der Braunschweiger Neuesten Nachrichten seit 1930 genommen. In seinem 1937 abgefassten Lebenslauf gab Voigt folgendes Bekenntnis ab: „Seit 1930 bin ich Nationalsozialist. Seit 1930 wähle ich nationalsozialistisch und unterstütze die Partei durch bedeutende Geldbeträge. Aus Rücksicht auf Geschäfte und Familie (Schulden bei jüdischen Banken, fast durchweg jüdische Kundschaft) habe ich erst nach der Machtübernahme meine Aufnahme in die NSDAP beantragt.“43 Die Kundgebung der Nationalen Opposition (Harzburger Front)44 bis zur Ernennung Hitlers zum Reichskanzler durch von Hindenburg waren weitere Stationen hin zur „nationalsozialistischen Bewegung“, in der BNN politisch insbesondere geprägt vom Leitartikler Dietrich Friede. Richard F. Hamilton stellte 1982 in seiner Studie Braunschweig 1932 folgendes fest: Die NSDAP erhielt im Land Braunschweig von der „upper middle class“ ungewöhnlich starke Unterstützung. Ein Grund dafür war die starke Unterstützung der führenden lokalen Zeitungen, die im Besitz von Leonhardt und den Eckensbergern waren. Der „Provinz-Presse-Lord“ und „kleine Hugenberg“, Gottlieb Leonhardt, besaß des weiteren Zeitungen in Chemnitz, Plauen und Kiel. In allen diesen Verbreitungsgebieten erzielte die NSDAP bei Wahlen in 1932 überdurchschnittliche Ergebnisse, die höchsten in Bad Harzburg.45 1947 erinnerte die Braunschweiger Zeitung an dieses „Schaltjahr“ 1932. „Vor 15 Jahren, am 20. Juli 1932, wurde von der Reaktion zum Todesstoß gegen die deutsche Republik ausgeholt. Die Kräfte, deren politische und wirtschaftliche Ausschaltung man 1918 versäumte, hatten sich innerhalb von 14 Jahren glänzend erholt. Sie nutzten die 1930 einsetzende Weltwirtschaftskrise, um durch die künstliche Stillegung von Fabriken die Arbeitslosigkeit noch zu vergrößern und aus den in die Not getriebenen Menschen willenloses Stimmvieh zu machen. Die von den Großindustriellen [z. B. Hugenberg, Leonhardt u. a.] finanzierten Parteien, die NSDAP und die Deutschnationalen sogen diese Massen in sich auf. Ein jeder konnte seinem Geschmack nach wählen, die Proletarier das SA-Rabaukentum und die 42 BArch, Personalakte des Dietrich Friede aus dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda [R 55/30054]. 43 BArch (ehem. BDA) Personalakte des Harald Voigt, zit nach STROPPE-EULERICH, A.: Lizenz, Geld, Meinung, Braunschweig 1995, S. 17, i. V. m.dortiger FN 14 und 17. 44 Vgl. Die Berufung einer Nationalregierung gefordert, BNN vom 13. Okt. 1932, S. 1. 45 Vgl. HAMILTON, Richard F.: Braunschweig 1932. Further Evidenz on the Support for National Socialism. 1982. o.J. 16 Bürger die Kriegsveteranenvereine.“46 Die BNN, die Vorgängerin der Braunschweiger Zeitung, schrieb zur Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30.Januar 1933: „Der schnelle Entschluß des Reichspräsidenten: Ein Kabinett der nationalen Konzentration: Hitler-HugenbergSeldte mit Hindenburgs Vertrauensmännern“ Ist der Kommentar über die Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler zunächst abwägend, kommt er am Ende zu dem Schluss: „Selbst ein Demokrat kann hiergegen nichts sagen. Das politische Schwergewicht liegt heute auf der Rechten und muß A u s s c h w i n g u n g s r a u m haben. […] Darum sollte man dem Kabinett eine Chance geben. Da es um die Rettung unseres Leben geht, wäre das kein Opfer, auch von denen nicht, die andere Götter haben.“47 Da die neue Regierung keine arbeitsfähige Mehrheit mit dem Zentrum aushandeln konnte, löste der Reichspräsident den Reichstag am 02.02.1933 auf und setzte Neuwahlen zum 05.03.1933 an.48 Dazu kommentierte die BNN: „Und warum wird wieder gewählt? […] Es ist der Versuch, nicht nur der Zersplitterung der politischen Meinungen in Deutschland ein Ende zu machen, es ist auch der Versuch, unter Voranstellung eines Aufbauplanes [Vierjahresplan], die nationalsozialistische Idee der Volksgemeinschaft zu verwirklichen.“49 Die dann folgende Wahlkampfberichterstattung fällt ebenfalls eindeutig aus. Über zwölf Reden50 des Reichskanzlers Adolf Hitler auf NSDAP-Veranstaltungen wurden meistens auf der Titelseite ausführlich und bis ins Detail („stürmischer Beifall“; „Vorbeimarsch von 11.000 SA- und SS-Männern“) wiedergegeben. Der schwarzweiß-rote Wahlblock mit von Papen, Hugenberg und Seldte kam am 14.02., 03.03. und 05.03.1933 weniger ausführlich zu Wort. Zwei „Oppositionsreden“ von Brüning erschienen am 19.02. und 05.03., ebenso zwei von Prälat Kaas vom Zentrum am 03.03. und 05.03. Ausführlich berichtete die BNN über das zehnjährige Bestehen der NSDAP in Braunschweig mit den Hauptrednern Klagges und Zörner. Während einer Kundgebung der NSDAP in Braunschweig wurde Hitlers letzte Rede vom 04.03. in Königsberg auf dem Schlossplatz übertragen, von der die BNN am 07.03. berichtete. Nach seiner Wahlkampfrede in München am 25.02.1933, über die auf Seite 1 berichtet wurde51, ließ es sich die BNN nicht nehmen, ihren Lesern noch Folgendes zu präsentieren: “Gegen 22 Uhr traf der Reichskanzler Hitler im Festsaal des 46 47 48 49 50 NEUMANN, Albert: Der Todesstoß gegen die Republik, BZ vom 25.07.1947, 2. Jg., S. 2. Vgl. Leitartikel; Kommentar: Die großen Verpflichtungen, in: BNN vom 01.02.1933 S. 1f. Vgl. BNN vom 03.02.1933, S. 1. Im D-Zug-Tempo, in: BNN vom 03.02.1933, S.1. Vgl. Hitlers Reden im Berliner Sportpalast, in: BNN vom 12.02; in Kassel vom 14.02.; in Stuttgart vom 17.02.; in Dortmund vom 19.02.; in Köln vom 21.02.; in Frankfurt a. M. Vom 25.02.; in München vom 26.02.; in Nürnberg vom 28.02.; in Breslau vom 03.03.; im Berliner Sportpalast vom 04.03.; in Hamburg vom 05.03.; in Königsberg am 07.03.1933. Er benutzte zeitsparend das Flugzeug für diesen „Wahlkampfrundflug“. 51 Vgl. Berichterstattung der BNN zum Wahlkampf vom 12.02. bis 07.03.1933. 17 Hofbräuhauses in München ein, wo im Rahmen einer Gründungsfeier ein Empfang der 2000 ältesten Mitglieder der nationalsozialistischen Freiheitsbewegung stattfand. Nicht enden wollender Jubel brauste Hitler entgegen. Der Reichskanzler in der Uniform der S.-A. begrüßte seine alten Mitkämpfer mit bewegten Worten. […] Als der Reichskanzler unter Beifallsstürmen geendet hatte, wurde aus der Mitte der Versammelten heraus der Ruf laut: 'Heil Hitler, dem Baumeister des Dritten Reiches, unserem Führer!' Die Anwesenden stimmten begeistert in das Hoch ein“.52 Die ausführliche Berichterstattung der BNN über Adolf Hitlers Wahlreden hatten mit zur Verbesserung der Wahlergebnisse für die „Harzburger Front“ im Lande Braunschweig geführt. Die NSDAP legte um 18 % und die „Kampffront SchwarzWeiß-Rot“ um 25 % im Vergleich zur Wahl am 06.11.1932 zu, wobei die HitlerPartei 6,4 mal mehr Stimmen erhielt als ihre politischen Koalitionspartner. Die SPD verlor 7,3 % und die KPD 16 %. Am 11.03.1933 wurden in Braunschweig 36 Schaufenster der Kaufhäuser Adolf Frank (21), Hamburger & Littauer (7) und Karstadt (8) eingeschlagen, später am Abend die beiden Schaufenster des Juweliergeschäfts Macholl auf dem Bohlweg durch Steinwürfe.53 Die drei Kaufhäuser waren bisher mit häufig ganzseitigen Anzeigen Großkunden bei der BNN gewesen. Am 27.03.1933 wies Reichsminister Göring die „Greuelhetze“ im Ausland zurück und klärte die Vertreter der Auslandspresse gründlich auf. […] „Der Minister wies auf die Animosität des Mittelstandes [Nationalsozialistischer Kampfbund für den Mittelstand] gegen Warenhäuser und Einheitspreisgeschäfte hin, aber auch darauf, daß ein Warenhaus geplündert oder zerstört wurde. Die Regierung würde es niemals dulden, daß ein Mensch nur deshalb irgendwelchen Verfolgungen ausgesetzt werden sollte, weil er Jude sei.“[...]54 Am 30.03.1933 berichtete die BNN ausführlich über einen Aufruf zur Abwehr gegen die Gräuelpropaganda der Auslandspresse sowie über eine Anordnung der Reichsparteileitung, sofort Aktionskommitees zu bilden, die Boykotts gegen jüdische Geschäfte, jüdische Waren und jüdische Ärzte und Rechtsanwälte planmäßig durchzuführen hätten.55 Einen Tag später: „Wir schließen uns der Boykottbewegung der Nationalsozialistischen Arbeiterpartei gegen die Greuelpropaganda des Weltjudentums an, indem wir bis zur Klärung dieser Angelegenheit keinerlei jüdische Anzeigen aufnehmen. 'Braunschweiger Neueste Nachrichten'“.56 Verlagsleitung und Redaktion leiteten jetzt den Nationalsozialismus in seiner schlimmsten Form mit ein.Die Zeitung lässt im Kommentar Infame Greuelmärchen ihre nationalsozialistische Einstellung deutlich erkennen: „…Das Weltjudentum, daß in England und in Amerika den Boykott gegen deutsche Waren preist, trägt die 52 53 54 55 56 18 Hitler bei den Parteiältesten, BNN vom 26.02.1933, S. 1. Vgl. Ein Schaufenstersturm in Braunschweig, in: BNN vom 14.03.1933, S.10. Die Greuelhetze wird zurückgewiesen, in: BNN vom 28.03.1933, S.1. Vgl. BNN vom 30.03.1933, Viertes Blatt. BNN vom 01.04.1933, S. 1. Schuld. Leute wie Emil Ludwig, Lyon Feuchtwanger, Einstein haben die Greuelpropaganda gegen das deutsche Volk in Szene gesetzt. So etwas darf nie wieder sich ereignen. Darum steht das deutsche Volk geschlossen hinter der Reichsregierung, die sich vom Wege der nationalen Erfüllung nicht abdrängen läßt. Was in vielen Sturmgesängen immer wieder klang, was das Sehnen einer Nation ausmacht, das D e u t s c h l a n d, .D e u t s c h l a n d ü b e r a l l e s , das ist jetzt der Akkord, der uns zu einem einigen, einzigen Volk machen wird.“…57 Wenn Stefan Kläsener behauptete, Verlagsleiter der BNN Hans Eckensberger „zählte während der Nazi-Diktatur zu den Menschen, die sich nicht verführen ließen“ 58, hätte er besser erst die Jahrgänge 1930 bis 1933 der BNN gelesen, die jedem noch heute zur Verfügung stehen“59. Dann hätte er erkennen können, dass Hans Eckensberger spätestens seit der Reichspräsidentenwahl 1932 den „Hitler-Kompass“ in der Tasche trug und für junge Journalisten heute ein untaugliches Vorbild abgibt. Am 28.04.1933 erschienen dann eine kleine Anzeige von Adolf Frank und am 16.04. und 28.04. zwei von Hamburger & Littauer in der BNN, nachdem der Vorsitzende des Abwehr-Zentralkomitees, Julius Streicher, die Einstellung des Boykotts zum 04.04. mit der Begründung ankündigte: „Es war nicht leicht, Zugeständnisse zu machen, aber Adolf Hitler kann nur schrittweise vorgehen.“ 60 Am nächsten Tag berichtete die BNN noch einmal über den Verlauf des Boykotts, dargestellt von Streicher: „Dabei sei besonders erfreulich gewesen die eiserne Disziplin, mit der der Abwehrkampf in allen Teilen des Reiches durchgeführt wurde. Vom Ausland sei dies bereitwillig anerkannt worden. Aber noch sei die Gefahr, die Deutschland bedrohe, nicht gebannt. Es gelte jetzt, die erstürmte Stellung auszubauen. Die Judenfrage sei die ernsteste Frage, die von einem Volk zu lösen sei.“61 Im gleichen Atemzug empörte sich die BNN, indem sie eine Meldung des Nationalsozialistischen Pressedienstes aufgriff, dass einflussreiche Männer und jüdische/politische Beamte sowie Notare Deutschland verließen.62 Gemeint war damit z. B. der konfessionslose, von jüdischer Herkunft, Professor Dr. Hugo Kanter, der Dozent an der TH Braunschweig, Syndikus der IHK Braunschweig und Direktor und Lehrer an den Kaufmännischen Schulen im Freistaat Braunschweig bis zu seiner rechtswidrigen Ämterenthebung gewesen war. Fluchtartig musste er mit seiner Ehefrau Ende März 1933 aus Braunschweig fliehen, weil die SA ihn verfolgte. Sie fanden zunächst Zuflucht in der Schweiz. Die nationalsozialistische BTZ kommentierte seine Amtsenthebung am 31.03.1933 so: „Wir sehen diesen Juden mit ganz besonderer Freude aus seinen Ämtern scheiden, verbindet uns doch mit ihm eine jahrelange, von beiden Seiten unnachgiebige und bewußte Feindschaft. Wir Nationalsozialisten haben vom ersten Augenblick an in diesem Mann den Gegner Ebenda KLAESENER, S.: Der Eckensberger-Kompass, in: Braunschweiger Zeitung vom 05.12.2009, S. 4. 59 Siehe Stadtarchiv Braunschweig, Z 5. 60 Der Eindruck des Boykotts auf das Ausland, Leitartikel BNN vom 04.04.1933, S. 1. 61 Zur Boykott-Abwehr, in: BNN vom 05.04.1933, S. 3. 62 Vgl. Flucht ins Ausland, in: BNN vom 05.04.1933, S. 3. 57 58 19 gesehen, mit dem es ein Versöhnen nicht gibt, weil er nicht aus Bequemlichkeit und Beharrung an alten Wirtschaftsbegriffen festhält, sondern weil ihm nach Art und Abstammung jede völkische Regierung verhaßt ist.“ Am 07.04.1933 erschien ein Artikel Im Konzentrationslager. „In dem württembergischen Konzentrationslager auf dem Heuberg, das das größte Gefangenenlager in Deutschland überhaupt darstellt, sind zur Zeit 1750 politische Gefangene untergebracht. Es ist ein ständiges Kommen und Gehen von der Freiheit in die Gefangenschaft und von der Gefangenschaft in die Freiheit.“ Und weiter: 450 S.-A. Männer und ein Kommando Polizei mit Karabinern machten ein Entrinnen unmöglich. Das Essen war einfach. Es gab nur Eintopf, aber davon reichlich. Es waren entgegen ausländischen Gräuelmärchen keine Mißhandlungen vorgekommen. „Wie lange die Gefangenschaft dauert, ist ungewiß. Die 'Schweren' werden von den 'Leichten' getrennt. Viele werden bald wieder heimwärts ziehen dürfen, aber täglich kommen wieder neue, so daß der Heuberg wohl noch lange das größte Gefangenenlager Deutschlands bleiben wird.“63 Am 20.04.1933 gratulierte die BNN: „Dem Reichskanzler Adolf Hitler zum 44. Geburtstag!“ Sein Foto in Portraitformat mit Autogramm zierte die Mitte der Titelseite. Die Leser mussten den Eindruck gewinnen, Hitlers Geburtstag würde drei Tage in Deutschland gefeiert, als sie die Artikel vom 20.04. bis zum 22.04.1933 in der BNN lasen. „Deutschland feiert Hitlers Geburtstag“, so lautet der Leitartikel am 21.04. und der am 22.04. „Das ganze Volk huldigte dem Kanzler.“ Die BNN brachte 15 Artikel über Reden von Göring, Goebbels und von Papen, in „der er besonders auf die Auferstehung des h e i l i g e n D e u t s c h e n R e i c h e s hinwies.“ Hitlers Lebensweg wurde ganzseitig mit Fotos nachgezeichnet. Hitler selbst hatte seine Biographie in „Mein Kampf“ teilweise gefälscht.64 Über diverse Weiheveranstaltungen wurde berichtet, abschließend über die in Braunschweig auf dem Schlossplatz. Eingeleitet wurde diese Stunde mit einem Prolog „An Adolf Hitler“, „den das Mitglied des Landestheaters Herr Reusch mit klarer und belebender Stimme sprach. 'Du hast den Pflug hineingesenkt tief in die deutsche Erde, hast ihn mit starker Hand gelenkt, damit sie fruchtbar werde.'“ 65 Aus der ausführlich wiedergegeben Huldigungsrede Dietrich Klagges mag diese Passage genügen: „Als Adolf Hitler sich zum ersten Male dem Reichsrat vorstellte, wies er selbst darauf hin, daß er dadurch, daß er süddeutscher Abstammung, aber zugleich Bürger eines norddeutschen Staates sei, in seiner Person gewissermaßen Nord und Süd vereinige. Wir Braunschweiger sind stolz darauf, daß es unserem kleinen Lande vergönnt war, Adolf Hitler das deutsche Staatsbürgerrecht haben geben zu können 63 BNN vom 07.04.1933, S. 3. 64 Näheres hierzu: GREINER, Josef: Das Ende des Hitler-Mythos, Zürich, Leipzig, Wien 1947. HAMANN, Brigitte: Hitlers Wien. Lehrjahre eines Diktators, München 1998; WLADIKA, Michael: Hitlers Vätergeneration. Die Ursprünge des Nationalsozialismus in der k. u. k. Monarchie. Wien u. a. 2005. 65 Vgl. Die Festrede des Innenministers Dietrich KLAGGES, BNN vom 22.04.1933, Viertes Blatt. 20 (Bravorufe)“66. Das SPD-Verbot kommentierte die Braunschweiger Neueste Nachrichten am 24.06.1933 auf Seite 1 getreu ihrer Haltung seit ihrem Bestehen so: „SPD endgültig erledigt. Betätigungsverbot wegen der staatsfeindlichen Umtriebe. Die Akten über die SPD sind nunmehr für immer geschlossen. Im neuen Deutschland ist für den Marxismus kein Raum, und ebensowenig wird es der Staat dulden, daß getarnte Volksfeinde und Staatsfeinde den Wirtschaftsaufbau zu stören versuchen. Deswegen muss die SPD endgültig verschwinden, denn das Verhalten der deutschen Parteileitung gegenüber der Hetze der ins Ausland gegangenen SPD-Abgeordneten bewies, daß die Loyalitätserklärungen der SPD nichts anderes waren als ein Täuschungsmanöver. Die SPD ist tot; was bleibt, ist die ungeheure Schuld, die sie dem deutschen Volke gegenüber vor der Geschichte auf sich geladen hat.“ Als letztes Beispiel für die noch freiwillige „Gleichschaltung“ von Verleger, Verlagsleitung und Redaktion der BNN mit der „Hitlerbewegung“ soll der Aufruf zur Volksabstimmung und der Reichstagswahl am 12. November 1933 dienen. Die Titelseite begann in Handschrift: „Parole für die Abstimmung und die Reichstagswahl am 12. Nov.: Ja ! Zwei Ja-Kreuze auf den abgebildeten Stimmzetteln. Auf dem Stimmzettel zur Reichstagswahl „Wahlkreis: Südhannover-Braunschweig“ kandidierte nur die Nationalsozialistische Arbeiterpartei (Hitlerbewegung). Es kandidierten die Spitzenkandidaten Adolf Hitler Rudolf Hess, Dr. Wilhelm Frick, Hermann Göring, Dr. Josef Goebbels, Ernst Röhm, R. Walther Darré, Franz Seldte, Franz von Papen, Alfred Hugenberg. „So gekreuzt mußt du deine zwei Stimmzettel abgeben“ Der Kommentar auf der zweiten Seite lautete: „Ja! Ja! und nichts als Ja!“ In äußerst manipulativer Weise argumentierte der Schriftleiter Dietrich Friede: […] „Dir fällt es leicht, Ja! zu sagen. Denn Du bist mit der Reichsregierung einer Meinung, wenn sie kundtut, eine P o l i t i k d e s F r i e d e n s , d e r V e r s ö h-n u n g u n d d e r V e r s t ä n d i g u n g betreiben zu wollen. […] Du kannst gar nicht anders, denn Dein Gewissen schreibt es Dir vor. Du mußt Ja! sagen, Ja! und nichts als Ja! Dein Gewissen schreibt Dir dieses Ja! vor, Deine Liebe zu Volk und Reich, Dein Pflichtbewußtsein und Deine Einsicht in den Stand der Dinge. Durch ein Nein würdest Du Dich von Deinem Volk trennen, Du würdest unzuverlässig sein in der 66 Die Festrede , Viertes Blatt. 21 Schicksalsstunde Deiner Nation und hättest gegen die Zukunft Deiner Kinder und Kindeskinder gehandelt. Das kannst Du niemals verantworten und willst Du nicht verantworten. Aus Deinem Nein entspringt Unglück. Ein Volk, das eine Zukunft haben will, muss hart und standhaft sein können. Darum wird von Dir das Ja! gefordert. […]“ Das Wahlergebnis stellte die Redaktion am 14.11.1933 auf der Titelseite so dar: „Der Führer rief, und alle, alle kamen!“ „Noch nie dagewesenes Bekenntnis zu Deutschland und Adolf Hitler – Der tiefe Eindruck auf das Ausland.“ Unten ein kleiner Zweispalter „Versailles ist tot“. Daneben: „88 % des Volkes Nationalsozialisten“. Gemeint war: „Während bei der Märzwahl sich 38,7 Prozent aller Wahlberechtigten zum Nationalsozialismus bekannten […], ist in der Novemberwahl die Zahl der nationalsozialistischen Stimmen auf 88 Prozent aller wahlberechtigten Deutschen gestiegen“67. Dazu gehörten auch 88 % oder mehr der Betriebsgemeinschaft der Braunschweiger Neuesten Nachrichten, wenn man die hier auszugsweise dargestellten Veröffentlichungen aus der Zeit, die Hans Eckensberger von 1924 bis Ende 1933 verantwortlich mit beeinflusst hatte, mit heranzieht. Die Verantwortlichen der BNN hatten sich als Wegbereiter für die Diktatur Adolf Hitlers verdient gemacht. Am 15.12.1927 heiratete Hans Eckensberger eine Schauspielerin am Landestheater Braunschweig, Margarete Friedmann. Wann er sich von seiner ersten Ehefrau scheiden ließ, ist noch zu ermitteln. Sie wurde am 27.05.1899 in Berlin geboren und wie ihre Mutter Hedwig, geb. Föhrenbacher, evangelisch-lutherisch getauft.Ihr Vater, Kaufmann Paul Friedmann, war wahrscheinlich auch getauft, was für den christlichen Vornamen spricht. Sein Vater war der Berliner Philanthrop Paul Friedmann. Sie war also nach jüdischen Gesetzen keine Jüdin, sondern nach jüdischem Sprachgebrauch eine Schickse. Nach den Nürnberger Gesetzen war sie Deutsche, wenn nur ein Großelternteil Jude war. Am 19.08. „1918 kam Margarete E. als Absolventin der Schauspielschule des Dt. Theaters in Berlin und Schülerin von Max Reinhardt an das Brsg. Landestheater und gestaltete bis 1932 die später als 'Geniezeit' des Theaters empfundene Entwicklung unter M. Czerwinkas wesentlich mit. Sie spielte die bunte Skala der Sentimentalen von der Emilia Galotti bis zu den Mondänen der Konversationsstücke und ebenso die originellen Figuren der Schattenseite.“68 Weiter erwähnenswert sind die folgenden Stücke, die im April 1925 oder im November 1926 in Anzeigen des Landestheaters in der NNB/BNN angekündigt wurden: Der eingebildete Kranke, Till Lausebums, Die heilige Johanna, Der Garten Eden und Dorothea Angermann. Hans Eckensberger gab an, dass seine Frau dem Landestheater Braunschweig zwölf Jahre angehörte. „Meine Frau wurde im Juli 1932 von Minister Klagges entlassen, 67 Vgl. BNN vom 12.11.1933, S. 1. 68 JARCK, R.: Eckensberger, Margarete, in: Braunschweigisches Bibliographisches Lexikon, S. 153, sowie Nachruf: Margarete Friedmann-Eckensberger, BZ vom 15.05.1951, S. 5. 22 und zwar ihrer Rasse wegen“.69 Das wären aber seit 1918 vierzehn Jahre gewesen. Zum 01.10.1930 nahm die Regierung Küchenthal/Franzen (DNVP – NSDAP) ihre Geschäfte auf. Das wären nach ihrer Entlassung 12 Jahre seit Aufnahme ihres ersten Engagements gewesen und kann nicht mit ihrer „jüdischen Abstammung“ in Zusammenhang gestanden haben. Am 11.12.1930 entließ die neue Landesregierung sozialdemokratische Beamte. Dass dann 1932 auch schon gegen jüdische Bürger vorgegangen sein soll, ist nicht bekannt. Gegen die angeblich ungerechtfertigte Kündigung des Theaters hatten sich die Eckensberger nicht gewehrt.70 Im Juli 1932 gab es allerdings fast 6 Millionen Arbeitslose. Auch der Öffentliche Dienst hatte sich verstärkt von Beschäftigten getrennt und am Theater bestand ja schon im April Engagementnot. Am 30.06.1931 hatte die Braunschweigische Staatszeitung in einem Artikel „Darf die verheiratete Frau berufstätig sein?“ das Doppelverdienertum thematisiert:“Der zum großen Teil berechtigte Feldzug, der sich gegen das Doppelverdienertum richtet, will einen sehr wesentlichen Teil dieser verheirateten Frauen, vielleicht sogar alle, aus dem Erwerbsleben ausschließen.“ Hans Eckensberger zog später als Erbe seiner 2. Ehefrau den gestellten Entschädigungsantrag wegen Behinderung im beruflichen Fortkommen zurück, da er sich als aussichtslos erwies. Margarete Eckensberger starb am 09.05.1951 an Herzversagen. „Die Kritik bestätigte im Nachruf als ihre hervorragenden Merkmale den Blick für das Soziale und das klare Wort für die Wahrheit.“71 Nicht wahr ist, dass sie „wegen ihrer jüdischen Abstammung [...] mit ihrem Mann, dem Verleger Hans E., vor der Gestapo fliehen [mußte] und […] sich in Leipzig verbergen [konnte]“72. Ihre Eltern überlebten in Berlin die Hitler-Diktatur und ihre Tochter. Als „die Eckensbergers 1936 nach Leipzig zogen“73, war er nach seinen Angaben in den Fragebögen seit 19.09.1935 kein Mitglied mehr in der Fachschaft der Verlagsangestellten in der Reichspressekammer gewesen. 74 In Leipzig mussten sich die beiden häufig in ihrem Garten vor Bombenangriffen verbergen, aber nicht vor der Gestapo. Hans Eckensbergers „Wühlmaus“-Prozess 1934 „1934 verlor Hans Eckensberger seinen BNN-Posten. Laut NS-Gesetz durfte niemand eine Zeitung leiten, der mit einer nichtarischen Frau verheiratet war. 69 BArch (ehem. BDC), RKK, Eckensberger, Hans, geb. 16.03.1897, Antrag auf Lizenzerteilung Verlag A. Limbach sowie Entschädigungsakte Hans Eckensberger, 4 Nds Nr. 500 Zg 41/1992, Bl. 36. 70 Vgl. Entschädigungsakte Margarete Eckensberger, NdsStA WF, 4 Nds Nr. 501 41/1992. 71 JARCK, R.: Eckensberger, Margarete, geb. Friedmann: in Braunschweigisches Biographisches Lexikon, S. 153 72 JARCK, R. Eckensberger, M.; S. 153); ebenso in: Brunsvicensia Judaica, Braunschweiger Werkstücke, Band 35, S. 161. 73 Vgl. SCHIMPF, E., Exellente Journalisten. Kultur ist wichtig-.., BZ vom 02.04.2011, W1. 74 BArch (ehem.BDA) Fragebogen Hans Eckensberger *1897, Blatt 22. 23 Margarete Eckensberger, geborene Friedmann, war Jüdin. Außerdem musste Eckensberger wegen 'Verleumdung des Führers' ins Gefängnis. Er hatte in der Raabe-Stube in Braunschweig Hitler als 'Witzfigur' und 'Schande für Deutschland' bezeichnet“75. Diese Sätze des Zeitzeugen Eckhard Schimpf bedürfen ebenso wie die Veröffentlichungen von Rüdiger Jarck (s. o.) und anderer Autoren einer überfälligen Richtigstellung, weil sie zur Legendenbildung („zählebige Mär“) um Hans Eckensberger beitragen. Er hatte nach Aktenlage keinen Posten als „Chefredakteur“ seit Mitte der 1920er Jahre bis zu seiner Verhaftung innegehabt, 76 sondern war, nach seinen Angaben von 1925 bis 1927 Hauptschriftleiter und von 1927 bis 1933 Verlagsdirektor (Prokurist), also kaufmännisch-leitender Angestellter gewesen,77 zu dessen Aufgaben es auch gehörte, nach Absprache mit den Verlagseigentümern Chefredakteure einzustellen oder zu entlassen. So schied z. B. Hauptschriftleiter Hans von Schierbrandt mit dem 01.10.1930 aus, gefolgt von Dr. Gerhard Weise. 78 Weise wurde von Dietrich Friede abgelöst. Am 15.12.1933 wurde Hans Eckensberger verhaftet „wegen Beleidigung des Führers und anderer führender Persönlichkeiten und der Partei Dritten gegenüber“ 79 So lautete die Anklage. Die Prozessakten sowohl vom Amtsgericht als auch vom Landgericht sind nach Auskunft der Staatsanwaltschaft Braunschweig durch Feindeinwirkung vernichtet worden.80 Über den Ausgang des Prozesses berichteten die Braunschweiger Tageszeitung (NSDAP), die Braunschweigische Landeszeitung und der Braunschweiger Allgemeiner Anzeiger (beide Albert Limbach Verlag). Die Braunschweiger Tageszeitung stellte den Fall am 21.06.1934 so dar: „Ein Jahr Gefängnis für eine Wühlmaus 'Abwehr heimtückischer Angriffe auf die nationale Regierung' Gegen den 37jährigen Verleger [?!] der Braunschweiger Neueste Nachrichten, Hans E c k e n s b e r g e r , wurde gestern vor dem Braunschweiger Schöffengericht in einer nichtöffentlichen Sitzung verhandelt. [Sondergericht] Der Anklage lag etwa folgender Tatbestand zugrunde. Der Angeklagte hat im Dezember vorigen Jahres seit dieser Zeit befindet er sich 75 SCHIMPF, E.: „Kultur ist wichtig – Sie domestiziert das Schwein im Menschen...“ Eine Erinnerung an Hans Eckensberger, den Gründer und ersten Chefredakteur der „Braunschweiger Zeitung“, in: BZ Wochenend-Extra vom 02.04.2011, S. W1. Richtigstellung: Fritz Sänger war der erste Chefredakteur der BZ. 76 SCHIMPF, E.. Exellente Jounalisten, W 1. 77 BArch (ehem. BDA) RKK Eckensberger, Hans * 1897, Personalfragebogen ,Blatt 24. 78 Vgl. Impressum der BNN vom 01. u. 02.10. 1930, S. 3. 79 BArch (ehem. BDC), RKK, Eckensberger, Hans, *1897, Antrag auf Lizenzerteilung Verlag Limbach, Angabe zu: Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses und Anhang zu I. Politische Mitgliedschaft. 80 Vgl. Entschädigungsakten Eckensberger, Hans, Nds StA WF, 4 Nds Nr. 500 41/1992, Blatt 15. Ergänzend hierzu: LUDEWIG, HANS-ULLRICH: Das Sondergericht. „Panzertruppe der Rechtspflege“, in: BZ vom 10.06.2011, S. 19. 24 wegen Fluchtverdacht in Untersuchungshaft in einem bekannten Braunschweiger Lokal in einem größeren Kreis ein politisches Biertischgespräch abgehalten, in dessen Verlauf er 's e i n e M e i n u n g' offenbar unter Einfluß des Alkohols so laut von sich gab, daß der Tischnachbar ihn voller Entrüstung zur Anzeige brachte. In der Verhandlung konnten die Einzelheiten des Gespräches natürlich nicht einwandfrei festgestellt werden, so daß über die Beleidigung führender Parteigenossen ein klares Bild nicht geschaffen werden konnte, zumal der Angeklagte sich mit Trunkenheit entschuldigte und auf Einzelheiten nicht mehr entsinnen zu können angab. Festgestellt wurde jedoch, daß neben ziemlich massiven Beleidigungen von Privatpersonen (Parteigenossen) d i e P a r t e i s e l b s t a u f d a s ü b e l s t e h e r a b g s e t z t war, daß der Angeklagte, abgesehen von all den Dingen, die nicht geklärt werden konnten, auf jeden Fall ausgeführt hat, daß die NSDAP käuflich sei. Staatsanwalt Dr. S e e l e m e y e r beantragte eine Gefängnisstrafe von zwei Jahren, da die Äußerung nicht nach den allgemeinen Bestimmungen des Strafgesetzbuches, sondern nach der Verordnung zur Abwehr heimtückischer Angriffe auf die nationale Regierung geahndet werden müsse. Nach längerer Beratung wurde dann auf Grund dieser Verordnung eine Gefängnisstrafe von einem Jahr unter Anrechnung der Untersuchungshaft verhängt. Der Angeklagte blieb in Haft, da Fluchtgefahr immer noch vorliegt“ 81. Hans Eckensberger wurde vom Braunschweiger Sondergericht verurteilt 82, dessen Einrichtung (je eines im Oberlandesgerichtsbezirk) der Braunschweiger Justizminister Ende März 1933 aufgrund der Verordnung der Reichsregierung über die Bildung von Sondergerichten vom 21. März 1933, unterzeichnet vom Reichskanzler und seinem Vertreter und Justizminister von Papen, verfügt hatte . Als Vertreter der Anklagebehörde wurde der Oberstaatsanwalt bestellt, dem die Staatsanwälte Rasche und Dr. Seelemeyer als Vertreter beigestellt wurden. 83 Diese Sondergerichte waren neben der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat vom 28.02.33 zuständig für die in der nachfolgend bezeichneten Verordnung normierten Verbrechen und Vergehen. Er wurde nach der Verordnung des Reichspräsidenten zur Abwehr heimtückischer Angriffe gegen die Regierung der nationalen Erhebung vom 21. März 1933 nach § 3 Abs. 1 verurteilt, der da lautete: „Wer vorsätzlich eine unwahre oder gröblich entstellte Behauptung tatsächlicher Art aufstellt oder verbreitet, die geeignet ist, das Wohl des Reiches oder eines Landes oder das Ansehen der Reichsregierung oder einer Landesregierung oder der hinter diesen Regierungen stehenden Parteien oder Verbänden schwer zu schädigen, wird, […] mit Gefängnis bis zu zwei Jahren […] bestraft.“ Es muss ihn geschmerzt haben, dass er nach einer Verordnung Hindenburgs verurteilt 81 Ein Jahr Gefängnis für eine Wühlmaus, in: BNN vom 21.06.1933, S. 4. 82 Im Zitierten war von einer nichtöffentlichen Sitzung die Rede. Verhandlungen vor dem Schöffengericht waren wie auch heute öffentlich gewesen, nicht aber Sondergerichtssitzungen.. 83 Vgl. Die Bildung eines Sondergerichts, in: BNN vom 29.03.1933, S. 6. 25 worden war, für den er sich und die BNN so vehement in der Stichwahl gegen Wilhelm Marx 1925 eingesetzt und ihn gegen Anfeindungen verteidigt hatte. Am 11.05.1934, Hans Eckensberger saß noch in Untersuchungshaft, sprach Josef Göbbels im Sportpalast zur Eröffnung des „Feldzuges gegen Miesmacher und Kritikaster.“84 Es könnte möglich gewesen sein, dass auch der prominente Fall Eckensberger Kampagnen ausgelöst hatte. Schon am 13.05.1934 titelte die Braunschweiger Tageszeitung (BTZ) „Die berufsmäßigen Nörgler an den Pranger“ und am 11.06.1934 berichtete die BTZ über einen Aufmarsch der HJ auf dem Schlossplatz „Gegen Miesmacher und Nörgler“. Der Braunschweiger Allgemeiner Anzeiger vom 21.06.1934 berichtete auf Seite 6 über den Fall Eckensberger so:„Politisches Vergehen. […] Aus der Verhandlung ging im Wesentlichen folgendes hervor: Der Angeklagte war mit Freunden und Bekannten in ein Bierlokal gegangen. Im Laufe des Gesprächs war dieses auch auf die Zugehörigkeit zur NSDAP und ihren Unterorganisationen gekommen. Nach seiner Darstellung glaubte Eckensberger, daß die Tendenz des Gespräches sich gegen seine Frau richtete. Er sagte darauf, daß er jederzeit zur Hergabe von Geld in die Partei aufgenommen werden würde. In diesem Punkte der Anklage stimmten auch die Aussagen der Zeugen überein, während sich wegen der Beleidigung der Mitglieder der Partei kein klares Bild ergab.. Die herabsetzende Aeußerung gegenüber einem Schauspieler des Landestheaters wurde durch die Verhandlung nachgewiesen. Eckensberger gab an, sich an Einzelheiten nicht mehr entsinnen zu können. Im übrigen entschuldigte er sein Verhalten mit einer Erregung und Trunkenheit. […] Amtsgerichtsrat Schömers verkündet folgendes Urteil: 'Der Angeklagte wird wegen Vergehens gegen § 3 der VO des Reichspräsidenten zur Abwehr heimtückischer Angriffe auf die nationale Regierung und einer Beleidigung zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr unter Anrechnung der Untersuchungshaft verurteilt.' In der Begründung wurde ausgeführt, daß die Äußerung, der Eintritt in die NSDAP sei käuflich, ein schweres Vergehen darstelle. Die Beleidigung führender Persönlichkeiten wurde als nicht erwiesen angesehen, wohl aber die Beleidigung eines Mitgliedes des Landestheaters.“. Zwar hatte Hans Eckensberger ein Gutachten des Strafrechtlers Prof. Robert v. Hippel aus Göttingen für 3000 RM erstellen lassen, das als Beweismittel für seine Unschuld dienen sollte, 85 doch es reichte erstinstanzlich nicht für einen Freispruch. Die Braunschweigische Landeszeitung (BLZ) zitierte ebenfalls am 21.06.1934 auf Seite 11 aus dem Gerichtsprotoll die entscheidende Aussage eines Zeugen, die zur Verurteilung des Angeklagten Eckensberger führte: „Eckensberger hatte nunmehr gesagt, daß er jederzeit durch Hergabe von Geld in die Partei aufgenommen werden würde.“ Bald nach der Machtübernahme hatte die Reichsparteileitung reagiert: “Aus Angst vor 'Konjunkturrittern' wurde 1933 eine allgemeine Mitgliederaufnahmesperre verhängt, welche 1937 mit der Einführung des Parteianwärters gemäß 84 Vgl. HAGEMANN, Walter. Publizistik im Dritten Reich, Hamburg 1948, S. 493. 85 Entschädigungsakte Hans Eckensberger, Nds StA WF, 4 Nds Nr. 500 Zg 41/1992. 26 Anordnung 18/37 des Reichsschatzmeisters der NSDAP vom 20.04.1937 gelockert wurde. Während der Aufnahmesperre gab es jedoch Sonderregelungen, z. B. die Aufnahme von Mitgliedern des Stahlhelm-Bund der Frontsoldaten zum 01.08.1935. [...]“86 Hans Eckensberger hatte im Antrag auf Lizenzerteilung angegeben, dass er 1933 der DAF und NSV, zwei Unterorganisationen der NSDAP, freiwillig beigetreten war, obwohl er auch Mitglied des Deutschen Handlungsgehilfen-Verbandes (DHV) war. „Ja. Kleine Beträge im Namen der Zeitung und im Rahmen des unumgänglich Notwendigen, solange ich 1933 noch als Leiter einer Zeitung war,“87 hatte er geleistet. Allerdings war er ab 1935 wieder Mitglied der DAF bis 1943 und der NSV bis 1944 gewesen.88 Dass der Zeitungsverlag Lauer & Co., Vater Hugo oder er persönlich 1933 oder früher auch schon Sach- oder Geldspenden an die NSDAP und/oder andere bürgerliche Parteien geleistet hatten, ist nach der in der Gerichtsverhandlung festgestellten Aussage naheliegend und bei Reichstagswahlen und bei der Reichspräsidentenwahl 1932 deutlich geworden. Es sind keine NSDAPMitgliedskarteikarten von Hans und Hugo Eckensberger sowie von Gottlieb P. Leonhardt im Bundesarchiv vorhanden.89 Als Eckensberger 1956 einen Antrag auf Vermögensentschädigung stellte, war die Frage zu beantworten: „Haben Sie jemals irgendwelche Beziehungen zur NSDAP oder einer ihrer Gliederungen oder angeschlossenen Verbände gehabt? Antwort: nein“.90 In den fünf Fragebögen zu den Lizenz- und Entschädigungsanträgen, die man ihm vorlegte, machte er mehrmals sich widersprechende Angaben, was die Glaubwürdigkeit seiner Angaben und späteren Erzählungen erheblich erschüttert. Die BNN hatte auf eine Berichterstattung zum Fall Hans Eckensberger verzichtet. Am 22.06.1934, zwei Tage nach der Urteilsverkündung, schrieb sie ausführlich über die Rede des IHK-Präsidenten Fritz Schuberth anlässlich eines Betriebsausflugs seiner Belegschaften der National-Jürgens-Brauerei und der Schuberth-Werke in die Asse. Die BNN wollte demonstrieren, dass an ihrer nationalsozialistischen Gesinnung nicht zu zweifeln sei. Hier ein Auszug des Berichts von der Veranstaltung. Der Führer des Betriebes, Fritz Schuberth sprach u. a. [...]„Es sei der gewaltige Irrtum der marxistischen Lehre gewesen,, daß man geglaubt habe, 'U n t e r n e h m e r' und 'A r b e i t n e h m e r' spalten und eine tiefe Kluft aufrichten zu können. Für beide Seiten habe das zu einem Unsegen geführt. Es sei ganz gleich, wo man im Leben stehe, Pflichterfüllung sei immer die höchste Aufgabe, und neben der Pflichterfüllung stehe die Treue. Präsident Schuberth richtete dann an seine gesamte Gefolgschaft aus dem Herzen eines väterlichen Freundes kommende Dankesworte und erklärte mit erhobener Stimme und unter Beifall seiner Gefolgschaft, daß er nie und nimmer einen von 86 87 88 89 Das Bundesarchiv, Öffentlichkeitsarbeit. PG – Zum Mitgliedswesen der NSDAP. S. 6. BArch (BDC), Eckensberger, Fragebogen, Blatt 23. Vgl. Lizenzantrag, Hans Eckensberger. Anfragen beim Bundesarchiv waren negativ. Allerdings sind nicht alle Karteien geborgen worden. 90 Entschädigungsakte Hans Eckensberger, Nds StA WF , 4 Nds Nr. 500 Zg 41/1992. 27 seinen Mitarbeitern, die sich um den Betrieb verdient gemacht haben, entlassen werde. Darauf könne jeder felsenfest bauen. Auch diese Pflichterfüllung gegenüber unseren Arbeitern habe uns der Führer gelehrt. Präsident Schuberth teilte im Zusammenhang mit einigen wirtschaftspolitischen Hinweisen dann mit, daß er in der vergangenen Woche Gelegenheit gehabt habe, beim Führer und Volkskanzler Adolf Hitler zu weilen. Präsident Schuberth sagte u. a. folgendes: Ich habe die hohe Auszeichnung genossen, in der vorigen Woche vor dem Führer zu stehen und mit ihm über 40 Minuten unter vier Augen zu verhandeln. Ich kann meinen Eindruck, den ich gewonnen habe, in Worten nicht wiedergeben. Man steht vor diesem Mann und weiß, so einer kommt nur alle paar Jahrhunderte einmal, und es war immer so gewesen, daß solcher Mann dann geboren wurde, wenn ein Volk am Boden lag, wie es uns gegangen ist. Blickt man in die Geschichte, so sieht man, daß solche Männer meistens aus dem Volk hervor gestiegen sind zu den höchsten Stellen. Wir alle können es ja nicht fassen, was der Führer leistet. Ich hatte verschiedenes in der Reichskanzlei zu tun und habe darum beobachtet, wie stark angespannt der Führer ist. Von 8 Uhr morgens geht es ununterbrochen bis zum Nachmittag und Abend. Alle 10 Minuten kommen da Diplomaten, hohe Würdenträger, Wirtschaftsträger, Parteileute, SA.- und SS.- Führer, Männer aus allen Kreisen des Volkes, und am Schlusse ist der Führer noch ebenso frisch wie am Anfang. Ich bin, so erklärte Präsident Schuberth, am Schluss an die Reihe gekommen und darauf ist es zurückzuführen gewesen, daß der Führer für mich etwas mehr Zeit hatte. Präsident Schuberth wies im weiteren Verlauf seiner Ausführungen auf die nationalsozialistischen Großtaten hin und betonte, dem großen Werke, das Adolf Hitler geschaffen habe, werde auch die Hetze der Juden nichts anhaben können. Wenn man an alles denke, was der Führer geschaffen habe, wenn man sehe, wie es weiter vorwärts und hoffnungsvoll in die Zukunft gehe, müsse man seine Herzen höher schlagen lassen. Präsident Schuberth wandte sich in seinen weiteren Ausführungen mit der Bitte an seine Gefolgschaft, im Kampf gegen Miesmacher und Nörgler mitzuhelfen. Durch Beifall gab die Gefolgschaft ihren Willen zu dieser Mitarbeit zu erkennen. Präsident Schubert sprach dann wie ein Freund zum Freunde von seinem Werdegang, von seinen Kämpfen und Arbeiten in der Jugendzeit und betonte, daß an den Widerwärtigkeiten des Lebens, an den Schwierigkeiten der Mensch wachse. Alle seine lieben Mitarbeiter hätten ihm mit diesem Tag einer seiner schönsten Tage im Leben bereitet. Allen sei herzlicher Dank zu sagen, an alle gehe auch die Bitte, weiterhin so treu die Pflicht zu erfüllen, wie er es als Führer des Betriebs es tue. Immer wolle man miteinander verbunden bleiben. Für die Belegschaften der National-Jürgens-Brauerei und der Schuberth-Werke sicherten die Herren Jäger und Voß dem Betriebsführer die Gefolgschaftstreue zu. Mit diesen Ansprachen wurde zum zweiten Teil des Abends hinüber geleitet, der zwangloser Unterhaltung, der Fröhlichkeit und dem Tanze gewidmet war, zu dem die 28 SS-Kapelle aufspielte“.91 Der Verlagsdirektor Hans Eckensberger war vom 15.12.1933 bis zum 03.08.1934 in Untersuchungshaft, 19 Stunden in Schutzhaft aber nicht in Strafhaft gewesen. 92 Er gab später im Fragebogen an, dass sein Fall vor dem Sondergericht, Amtsgericht und Landgericht anhängig war. Tatsächlich wurde er „durch Urteil der 1. Strafkammer des Landgerichts Braunschweig (II. Instanz) vom 3.8.34 von der Anklage des Vergehens gegen § 3 der Verordnung des Reichspräsidenten […] vom 21.3.33 und der öffentlichen Beleidigung, §§ 185, 200, 74 StGB freigesprochen.“93 Auf Haftentschädigung hatte er verzichtet, aber in den 50-ziger Jahren für diese Untersuchungshaftzeit einen Entschädigungsantrag gestellt. Am 02.08.1934 starb Paul von Hindenburg. Seine letzte ungeheuerliche Aktion war, Hitler nach der „deutschen Bartholomäusnacht“ des 30.06.1934, in der fast tausend SA-Männer und Zivilpersonen liquidiert wurden, am 2. Juli zu danken. Goebbels begründete die Aktion im Radio so: „Wir wünschen die Mitarbeit des ganzen Volkes, von arm und reich, von hoch und niedrig; wer aber den Führer und die Nation in der Arbeit für Deutschlands Zukunft zu stören versucht, der wird zu Boden geschlagen. Oft haben wir gesagt, wir sähen die Wühlmäuse zwar, aber wir wollten sie erst einmal aus ihren Löchern und Schlupfwinkeln herauskommen lassen. Sie haben uns nicht verstanden und sind herausgekommen, und nun verdienten sie ihr verdientes Schicksal.“94 Hitler wurde noch am 02.08.1934 blitzschnell durch ein Reichsgesetz 95 zum Staatsoberhaupt erklärt. Die Reichsregierung wurde auf Hitler vereidigt und Hitler befahl eine Volksabstimmung, die ihn am 19.08.34 als Staatsoberhaupt bestätigte. Zur Feier des Tages amnestierte er alle als politisch geltenden Häftlinge. Es ist eher unwahrscheinlich, dass Hans Eckensberger amnestiert wurde, nach dem zeitgleichen Freispruch des Landgerichts. Nach Eckensbergers Inhaftierung war sein Posten im Verlag sehr bald von Erwin Hünecke besetzt worden. Er gab an, seit seiner Inhaftierung trotz Unschuldsvermutung kein Gehalt mehr bezogen zu haben, obwohl er bis 1936 Chefredakteur gewesen war. Da sich in der kleinen Landeshauptstadt herumgesprochen hatte, dass der stadtbekannte Hans Eckensberger im Rennelberg auf seinen Prozess wartete,96 ließ der Betriebsführer Hugo Eckensberger am 1. Mai 1934 einen „Tag der offenen Tür“ 91 92 93 94 Präs. Schuberth besuchte den Führer. Was SCHUBERTH berichtet, in: BNN vom 22.06.1934 S. 11. Vgl. Entlassungsschein vom 03.08.1934. Anlage zum Antrag auf Lizenzerteilung. Entschädigungsakten Eckensberger, Hans, Blatt 15. Zit. nach HAGEMANN,Walter: Publizistik im Dritten Reich, S. 332. Ausführlicher zum RöhmPutsch dort, S. 328 – 340. 95 Aufgrund des Ermächtigungsgesetzes konnte die Reichsregierung im „D-Zugtempo“ Gesetze beschließen. 96 Am 03.02. 1934 schreibt ihm der DHV ohne Anrede: „Wir haben erfahren, daß Ihre Ehefrau nichtarischer Abstammung ist. Wir haben Sie deshalb mit sofortiger Wirkung aus dem Verbande ausgeschlossen. Ihre Anrechte an den Verband sind erloschen.“ (s. Entschädigungsakte) Dieser Deutsche Handlungsgehilfen-Verband hatte schon im Kaiserreich keine jüdischen Männer aufgenommen. Er war frauen-, juden- und ausländerfeindlich. 29 veranstalten, der in einer Sonderbeilage dargestellt wurde und in der die Bedeutung des 1. Mai in der neuen Zeit hervorgehoben wurde. „Das deutsche Volk marschiert wieder in den 1. Mai! Vergessen ist die Maifeier der Internationale, verklungen sind die giftigen Hassreden und klassenkämpferischen Tiraden. Erwacht ist das deutsche Volk zur sozialen Volksgemeinschaft. Alle Stände, Stämme und Berufe marschieren in Reih und Glied, Betriebsführer und Gefolgschaft, Mann und Frau, alt und jung, arm und reich. Sie marschieren in eine bessere Zukunft einmütig im Kampf um Freiheit und Brot. 'Ehret die Arbeit und achtet den Arbeiter!' lautete die Parole für den vorjährigen 1. Mai.“ Der Zulauf in den Räumen der Ausstellung „Wie entsteht eine Zeitung“ war groß und wurde auf einer Sonderseite abgebildet. Die BNN wollte weiterhin überall gern gelesen werden und „ein guter Führer [...] in der fortschreitenden Entwicklung auf kulturellen und politischem Gebiet sein“.97 Hans Eckensberger behauptete, dass er sich gegenüber der Gestapo verpflichten musste, aus Braunschweig fortzuziehen.98 Er gab an, seit seiner Entlassung aus dem Gefängnis arbeitslos gewesen zu sein.99 Hans Eckensbergers Zeit in Leipzig - 1936 bis 1945 Eckhard Schimpf will wissen und ließ es drucken, „1936 zogen die Eckensbergers nach Leipzig.“100. Möglich ist, dass Hans Eckensberger Schimpf, der ihn von 1958 bis zu seinem Tod erlebte, offenbart hatte, dass er nicht gleich nach seinem Freispruch Anfang August 1934 nach Leipzig ging, sondern als Chefredakteur beim Verlag Lauer & Co. tätig war.101 Im September 1935 wurde er in Leipzig aktenkundig. 102 Er wurde Mitinhaber (Kommanditist) und Prokurist in dem Papiergroßvertrieb Hoppe & Co., so die Eintragung im Handelsregister vom 07.09.1935.103 Allerdings war er in Leipzig nicht gemeldet, so dass davon ausgegangen werden kann, dass er die Tätigkeit erst 1936 aufnahm. Für die Jahre 1934 und 1935 hatte er keine Einkommensquellen angegeben, was darauf hindeutet, dass er sein Gehalt als Chefredakteur verschwiegen hatte. Sein jährliches Einkommen gab er für Ende 1935 mit „./.“ an, obwohl er seit September 1935 dort Teilhaber und als Prokurist beschäftigt war, 1936 mit ca. 8000 RM; 1937 mit ca. 7000 RM; 1938 mit ca. 7000 RM; 1939 mit ca. 3500 RM; 1940 mit ca. 7000 RM; 1941 mit ca. 7100 RM; 1942 mit ca. 4600 RM; 1943 mit ca. 5800 RM und 1944 mit ca. 2300 RM.104 Eckhard Schimpf erzählt, dass „Eckensberger […] in der Papierhandlung Klippgen 97 Vgl. Sonderblatt der Sonderbeilage zum 01.05.1934, in: BNN Nr. 100. 98 Vgl. Barch (BDC), Eckensberger, *1897, Anhang zum Fragebogen, Blatt 9 99 Vgl. Peronalfragebogen der Nachrichtenkontrolle, Blatt 24. 100 SCHIMPF, E.: Exzellente Journalisten, …, BZ vom 02.04.2011, W1. 101 Vgl. Abschied von Hans Eckensberger, in: BZ vom 13./14.01.1966, S. 1. 102 Vgl. BArch Personalfragebogen Hans Eckensberger, Blatt 24. 103 Vgl. Grundbuchauszug des Handelsregisters Leipzig vom 30.06.1939, HR A Nr. 27573. 104 Vgl. BArch, Eckensberger * 1897 Personalfragebogen, Blatt 5, F. Einkommen. 30 arbeitete, die ebenfalls zum Leonhardt-Imperium gehörte.“105 Dies weicht von den Angaben im Handelsregister ab, wonach die Gründer, der Komplementär Curt Richard Oswald Hoppe und der Kommanditist Kaufmann Ernst Kopp, seit 1933 dort tätig waren. Wahrscheinlich wurde die Fa. Hoppe & Co. von Leonhardts Papierfabrik in Cossen beliefert, spätestens als der clevere Kaufmann (E. Schimpf) Hans Eckensberger in die Papierhandlung eintrat, zu dann wohl günstigeren Konditionen. Die sächsische „Großfamilie“ Leonhardt-Voigt-Klippgen-Eckensberger waren durch gemeinsame Firmenbeteiligungen und Kundenbeziehungen weit vernetzt. Betriebsführer Eckensberger schrieb: „Im Dezember 1944 musste ich die Firma schließen. Mein Teilhaber befand sich beim Militär“106 und am 27.12.1944 wurde „ich wiederum wegen der Rasse meiner Frau auf Anordnung der Gestapo in ein O. T. [Organisation Todt]-Lager zu schwerer körperlicher Arbeit dienstverpflichtet. Meine Frau musste täglich 11 Stunden in einer Spinnerei arbeiten“.107 Erst am 02.10.1946 schied er bei Hoppe & Co. als Kommanditist mit einem Anteil von 10.000 RM aus, und seine Prokura war erloschen.108 Am 15.07.1936 erschien ein Artikel im „Arbeitertum, Amtliches Organ der Deutschen Arbeitsfront einschl. NS.-Gemeinschaft 'Kraft durch Freude'“ mit dem Titel „Flammen lodern der Arbeit zur Ehre!“ von Eckensberger. Dieses 14-täglich erschienene Magazin kostete 10 Pf und erreichte bis 1940 eine Auflage von fünf Millionen. Hans Biallas war Hauptschriftleiter, Gerhard Starcke sein Stellvertreter. Es folgten weitere Artikel: am 01.08. 1936 von Eckensberger „Lachender Betrieb“, am 01.09.1936 „Über eine Million fünfhunderttausend besuchten die KdF-Stadt“ [Berlin], am 15.11.1936 von H. A. Eckensberger „Lehrlingsausbildung“, am 01.12.1936 von Hans Eckensberger „Werkscharen im Kampf um die Betriebsgestaltung“, am 15.12.1936 von H. Eckensberger „Kochtopf-Philosophie?“, am 01.01.1937 von H. A. Eckensberger „Künstler mit KdF auf Fahrt“, am 15.01.1937 von Eckensberger „Winter-Urlaub bietet doppelte Erholung“, am 01.02.1937 von Hans Eckensberger „Schi-Heil! Die Zunft wird immer größer“, am 15.02.1937 von Hans Eckensberger „Werkkapelle“, am 01.03.1937 von Hans Eckensberger/Eckensberger drei signierte Karikaturen im Artikel „Was hat sich in Deutschland seit 1933 geändert?“, am 15.03.1937 von Hans Eckensberger „4 ½ Millionen Schaffende wandten sich an die Unterstützungsabteilung der DAF“, am 01.04.1937 von Hans Eckensberger „Was tut die Deutsche Arbeitsfront zur Hebung des Lebensstandards?“, am 15.05.1937 von Hans Eckensberger „Mit 'Kraft durch Freude' im Berliner Zoo“, am 15.06.1937 von Hans Eckensberger „Edelstes Handwerk“, am 01.07.1937 von Hans Eckensberger „Mit eisernem Besen“, 105 SCHIMPF, E. : Exellente Jounalisten. „Kultur ist wichtig – Sie domestiziert das Schwein im Menschen...“, in: BZ vom 02.04.2011, W1. 106 Vgl. BArch, Eckensberger * 1897 Personalfragebogen vom 15.10.1945, Anlage Blatt 2. 107 Vgl. Personalfragebogen vom 15.10.1945, Blatt 5, E. Dienstverhältnis, BArch (BDC), Eckensberger, Hans * 1897. 108 Vgl. Grundbuchauszug HR Leipzig 31 Leitartikel dieser Ausgabe (Alfred Rosenberg, „Deutschlands Zukunft: Die nationalsozialistische Bewegung“), am 15.07.1937 von Hans Eckensberger „Sie stehen ihren Mann“, am 01.08.1937 von Hans Eckensberger „Um Recht und Ehre“, am 15.08.1937 von Hans Eckensberger „Die große Front – Schlesiens Werkscharen marschieren“, am 01.09.1937 von Hans Eckensberger „Die Reichsschule für Lehringenieure der DAF“, am 01.11.1937 von Hans Eckensberger „Flachs , einer der verwendungsfähigsten Rohstoffe“, am 01.12.1937 von Hans Eckensberger „Volkskunst nach Feierabend“, am 15.12.1937 von Hans Eckensberger „Der Schacht ohne Wetter“, am 01.01.1938 von Hans Eckensberger „Rüstkammer der Sozialpolitik“, am 15.01.1938 von Hans Eckensberger „Autobahner beim Führer Zweitausend waren Gast der Reichsregierung – Der 2000. Kilometer Autobahn ist fertig“ Der Beginn dieses Artikels lautete: „Die Reichsautobahnen waren die erste wirksame Maßnahme zur Bekämpfung und Überwindung der Arbeitslosigkeit“109 Ab 1. Februar 1938 erschien eine Folge von 10 Artikeln mit dem Titel „Männer die Arbeit schufen“, in denen Hans Eckensberger vorbildliche Betriebsführer vorstellte. Der erste war „Johann Esche, der Begründer der sächsischen Strumpfindustrie.“ Am 15.09.1938 folgte von Hans Eckensberger der Artikel „Nur die Fassade“, am 15.11.1938 von Hans Eckensberger „Die ewige Grenze gegen Frankreich“, am 15.01.1939 von Hans Eckensberger „Europas größte Natursteinbrücke“. In der 2. Dezember-Ausgabe 1940 erschien „Die DAF.-Presse als geistiges Führungsinstrument“, in der ersten Februar-Ausgabe 1941 zwei Artikel von Hans Eckensberger „Gesicherte Arbeitskraft durch Gemeinschaftsverpflegung“ und „Lebendige Liebe zur Kunst“. Seit Kriegsbeginn entfiel das Inhaltsverzeichnis, so dass bei der Durchsicht der Jahrgänge 10 und 11 möglicherweise nicht alle Artikel entdeckt wurden. Es sprechen einige Gründe dafür, dass diese kulturellen und politischen Artikel bzw. Reportagen von Hans Eckensberger, Jahrgang 1897, abgefasst worden sind. Nach Beendigung seiner Chefredaktionstätigkeit 1936 in Braunschweig, bot sich ihm eine nebenberufliche Schriftleitertätigkeit beim Arbeitertum in Berlin an. In Berlin war er zu Schule gegangen, seine Ehefrau und Schwiegereltern waren Berliner. Der Verleger des Albert Limbach Verlages und stellvertretende Auslandspressechef Harald Voigt war in Berlin tätig und könnte für ihn vermittelnd tätig geworden sein oder er hatte selbst Kontakte zu Schriftleitern, wie z. B. Gerhard Starcke. Hans Eckensberger war 1935 wieder DAF-Mitglied geworden. Schriftleiter mussten nach § 5 Nr. 3 des Schriftleitergesetzes arischer Abstammung und nicht mit einem „halbarischen“ Ehepartner verheiratet sein. Auf Antrag konnte davon eine Ausnahme gemacht werden, die das DAF-Presseamt wohl für ihn bekam oder gemachte. Im Übrigen war eine Berufsausübung ohne Eintrag in den Berufslisten nach § 9 in besonderen Ausnahmefällen gestattet. Seine Tätigkeit als Schriftleiter beim Arbeitertum hatte es ihm ermöglicht, eine Seereise nach England, Holland, Belgien, Portugal, Spanien und Italien mit einem 109 Arbeitertum vom 15.01.1938, S. 6. 32 KdF. - Passagierschiff im Mai und Juni 1939 noch zu genießen. 110 Die „Robert Ley“ wurde nach einer Jungfernfahrt im April unter Teilnahme von Adolf Hitler in den Dienst gestellt worden. Wenn die Reise ein Geschenk war, wäre er wegen dieses persönlichen Vorteils Nutznießer des Systems gewesen. Angeblich wollte er bei dieser Fahrt eine Auswanderungsmöglichkeit erkunden.111 Dies erscheint wenig glaubhaft, da er kein ausreichendes Startkapital dafür hatte und eine minderjährige Tochter und vielleicht auch noch seine geschiedene Ehefrau112 zu versorgen hatte. In der sächsischen Großfamilie Eckensberger gab es einen Hans Eckensberger, der 1913 geboren wurde. Sein Großvater Richard Eckensberger, in dessen Antiquitätengeschäft er von 1933 bis 1935 in Berlin volontierte, war mit Hugo Eckensberger verwandt. Ihre beiden Urgroßväter Johann Georg und Carl Gottlieb waren Brüder gewesen. Beide wohnten in Leipzig als ihre Kinder Anna J. Helene bzw. Helene Elli und Carl Hugo Hans geboren wurden. Dieser Hans Eckensberger (1913) war von 1935 bis 1939 „im Freien Beruf tätig als Druckfachmann und Seitengestalter sowie Grafiker“.113 Am 15. März 1939 hatte er die Prüfung zum Vollschriftleiter bestanden und war ab 01.09.1939 bis 1944 in der Wehrmacht beschäftigt.114 Im Sommer 1941 besetzen deutsche Truppen Lettland. Die Wohnung der Familie Kahn in Riga wurde von der „Feldzeitung Die Front“ besetzt. „Der kommandierende Offizier war der Leutnant Hans Eckensberger...“ ,so der Zeitzeuge Ernst Kahn. 1943 erschien im Riga Verlag eine Broschur „Südlich des Ladogasees/Winter 1943“, herausgegeben von der Armee vor Leningrad. Drucklegung und Umbruch bearbeiteten Feldwebel Eckensberger und Obergefreiter von Sichowsky. Seit 06.07.1944 erkennbar war Hans A. Eckensberger als Sonderführer (Z) und zuletzt auch als Hauptschriftleiter in der Propagandakompanie 621 im Raum Riga tätig, die die Feldzeitung einer Armee Die Front herausgab.115 Er kommt als Verfasser der Artikel im Arbeitertum wegen seines Alters, seiner beruflichen Ausrichtung und Abwesenheit wegen Kriegsdienstes nicht in Frage. Allerdings waren zwei Artikel, die ihm zugerechnet werden können, mit seinem zweiten Vornamen, Hans A. Eckensberger, gekennzeichnet (s.o.). Weitere drei Artikel enthielten Karikaturen, die mit Eckensberger signiert waren und „die nach der Beurteilung der noch lebenden Kinder eindeutig von ihrem Vater stammen.“ Sie sind der Meinung, dass alle Artikel von ihrem Vater abgefasst wurden, obwohl der Vater 110 Vgl. Fragebogen, BArch (ehem. BDC), RKK, Eckensberger, Hans, geb. 16.03.1897, „H.Auslandsreisen. Verzeichnen Sie hier alle Auslandsreisen, die Sie außerhalb Deutschlands nach 1933 unternommen haben.“ 111 Vgl. Barch, Eckensberger 1897, Personalfragebogen . 112 Der Zeitpunkt der Scheidung war bisher nicht zu ermitteln, da Hans Eckensbergers Tochter und sein Enkel Auskünfte nicht erteilen wollten. 113 Fragebogen der Military Government of Germany, BArch (ehem. BDC), RKK, Eckensberger, Hans, geb. 19.04.1913, „D. Nennung aller Beschäftigungen“..., S. 4. 114 Vgl. ebenda.. 115 Vgl. Die Front, Hsg. Prop Einsatzführer 621. Feldpost-Nr. 44912. S.2. 33 seinen Kindern nie über seine Tätigkeit beim Verlag der DAF etwas erzählt hatte. 116 Eine Zugehörigkeit zur DAF hatte er im Fragebogen vereint. Jedenfalls hatten beide es unterlassen, ihre Schriftleitertätigkeit im Arbeitertum in ihren Fragebögen anzugeben, was strafbar war. Eine wahrheitsgemäße Angabe hätte auf den beruflichen Werdegang beider Einfluss gehabt. Der eine hätte wohl keine Zeitungslizenz für die Braunschweiger Zeitung und der andere keine Stelle beim Vorwärts und später keinen stellvertretenden Chefredakteursposten bei der Saarbrücker Zeitung bekommen. Was die Beschäftigung der Eheleute Eckensberger von Ende 1944 bis zum Eintreffen der amerikanischen Truppen in Leipzig am 18.04.1945 angeht, muss noch einmal auf seine Aussage, „ich wurde wiederum wegen der Rasse meiner Frau auf Anordnung der Gestapo in ein O.T.-Lager zu schwerer körperlicher Arbeit dienstverpflichtet. Meine Frau musste täglich 11 Stunden in einer Spinnerei arbeiten,“ eingegangen werden. Seine unsensible Formulierung, wegen der Rasse meiner Frau, lässt vermuten, dass er die NS.-Rassenideologie verinnerlicht hatte. Nach den die Juden betreffenden über 100 Rechtsvorschriften, Richtlinien und Anweisungen von Hitler war Margarete Eckensberger deutsche Reichsbürgerin nach dem Reichsbürgergesetz Nach der 1. VO vom 14.11.1935. dieses Gesetzes galt sie nicht als Jüdin, da nicht von zwei volljüdischen Großeltern abstammte und beim Erlass des Gesetzes keiner jüdischen Religionsgemeinschaft angehörte. Dennoch wurden ihre Rechte vermehrt eingeschränkt. Da sie nach den Rassegesetzen „jüdischer Mischling“ (Vierteljüdin) und ihr Ehemann „deutschblütig“ war, lebten beide in einer „privilegierten Mischehe“. Sie mussten sich nicht scheiden lassen und nicht in ein „Judenhaus“ umziehen, sie musste keinen „Judenstern“ tragen und kam nicht in ein Konzentrationslager. Sie musste, während ihr Ehemann im Arbeitslager Miltitz bei Meissen unter konzentrationslagerähnlichen Verhältnissen 12 Stunden täglich körperlich schwer arbeitete, wie alle Volksgenossinnen an der Arbeitsfront über 60 Stunden in der Woche hart für den Endsieg arbeiten. Selbst Jugendliche ab 16 Jahren mussten in der Braunschweiger Flachs-und Juteindustrie AG (Spinnerei) täglich 10 Stunden an 6 Tagen arbeiten. Ab Mitte Februar 1945 hätte es dann auch für Margarete Eckensberger gefährlich werden können. Reichsweit geplant, wurden 2600 „halbjüdische“ Ehepartner selektiert und ins KZ Theresienstadt deportiert. Diese Aktion wurde aber im März 1945 abgebrochen und fast alle Insassen kehrten zurück. 117 Hans Eckensberger ließ sich seine Dienstverpflichtung am 12.05.1945 vom Arbeitsamt Leipzig bescheinigen. „Das Arbeitsamt bestätigt Ihnen auf Ansuchen, dass Sie ab 27. Dez. 1944 zur Organisation Todt als Hilfsarbeiter dienstverpflichtet 116 Mitgeteilt von bzw. Zitat des Lutz Eckensbergers, Sohn des Hans A. Eckensberger, per E-mail vom 8. Okt. 2012 an den Verfasser. 117 Vgl. MEYER, Beate: 'Jüdische Mischlinge' – Rassenpolitik und Verfolgungserfahrung 1933 – 1945, Hamburg 2002. 34 waren und seitdem dort im Einsatz standen. Der Einsatz erfolgte bei Baufirmen, die im Rahmen der OT arbeiteten, d. h. bei schweren körperlichen Arbeiten. Die Unterbringung erfolgte in Lagern. Die Dienstverpflichtung wurde seinerzeit auf Grund von Unterlagen des Sicherheitshauptamtes der Geheimen Staatspolizei wegen der jüdischen Abstammung (Mischling 1. Grades) Ihrer Frau vorgenommen.“118 Dr. Fritz Todt, NSDAP-Mitglied seit 1922, war Hitlers Baumeister für den Westwall und die Autobahnen sowie Reichsminister für Waffen und Munition, bis er Februar 1942 mit dem Flugzeug abstürzte. Albert Speer wurde zunächst sein Nachfolger und war dann bis zum Kriegsende zuständig für die gesamte Kriegswirtschaft. „Ab Oktober 1944 wurden auch die 'deutschblütigen' Ehemänner als 'jüdisch Versippte' in Arbeitslager der Organisation Todt einberufen“.119 Zur gleichen Zeit wurde am 18.10.1944 der Volkssturm gebildet, zu dem Männer von 16 bis 60 Jahren mit der Waffe dienstverpflichtet werden konnten. Den Leutnant der Reserve Eckensberger zog man dort als „jüdisch Versippten“ nicht ein, da diese als „Wehrunwürdige“ galten. Dies war ein Vorteil für Hans Eckensberger, der sich so nicht den gefährlicheren Frontkämpfen mit der Panzerfaust aussetzen musste. Hans Eckensberger sah sich veranlasst, einen Kurzbericht abzufassen, da die Entschädigungsbehörde diese Hilfsarbeitertätigkeit mit Lagerunterbringung zunächst nicht als Haftzeit wegen Verfolgung anerkennen wollte: „Die Einweisung erfolgte durch die Gestapo. […] Die Sammlung erfolgte in einem Ausländer-Auffanglager. Von dort wurde geschlossen unter Bewachung der Gestapo nach dem Bahnhof marschiert. Das Ziel wurde nicht bekannt gegeben, so dass unsere Angehörigen zunächst gar nicht wussten, wohin wir gebracht waren. Die Unterbringung erfolgte in einem geschlossenen, abgesperrten Barackenlager. Die Baracken bestanden aus dünnen Brettern und enthielten lediglich dreifach übereinander angeordnete Holzpritschen, auf die Holzwolle gestreut war. Strohsäcke usw. waren in der ganzen Zeit nicht vorhanden. Ebenso besaß das Lager keine Latrine. Wir waren gezwungen, unsere Notdurft innerhalb des Lagers im [F]freien irgendwo zu verrichten. Der Lagerkommandant war ein OT-Mann. Sanitäre Einrichtungen waren nicht vorhanden. Zuerst kam wöchentlich einmal ein Ortsarzt, der überhaupt keine Untersuchung vornahm. Später wurde ein zufällig im Lager mit befindlicher halbjüdischer Arzt als Lagerarzt eingesetzt. Dieser erhielt die strikte Anweisung, dass nur ein ganz geringer Prozentsatz krank sein durfte. Wir wurden mit schwerster körperlichen Arbeit beschäftigt, und zwar von Privatfirmen unter Aufsicht der OT. Die Arbeitszeit betrug 12 Stunden. Dazu kam noch eine Stunde für den Hin- sowie eine Stunde für den Hermarsch. Das Lager in Miltitz hatte keinerlei Wasserleitung, so dass wir uns kaum waschen konnten. Die Verpflegung war völlig unzureichend und entsprach dem, was die Zuchthäusler und Gefangenen bekamen. Erst mit dem Herannahen der Amerikanern besserte sich die Behandlung etwas. Körperliche Misshandlungen sind allerdings nicht vorgekommen. 118 Anlage zum Fragebogen, BArch (ehem. BDC), RKK, Hans Eckensberger, geb. 16.3.1897. 119 BÜTTNER, Ursula: Die Not der Juden teilen. Christlich-jüdische Familien im Dritten Reich, Hamburg 1988, S. 66. 35 Lediglich die Zuchthäusler wurden von den Gefangenen-Aufsehern schwer misshandelt.“ 120[...] Ergänzt wurde sein Bericht durch einen Bericht eines Lagerkameraden aus Leipzig vom 20.02.1951, der als Zeuge angegeben wurde: „[…] Wir wurden für Schacht- und Untertagearbeit in einem alten Kalkbergwerk verwendet. […] Den eigend [t] lichen Tag seiner Entlassung kann ich nicht nennen, da ich ja nicht mehr mit Kamerad Eckensberger zu sammen war. Ich kann nur mit bestimmtheit angeben, daß Kam. Eckensberger noch lange nach meiner Entlassung im Zwangsarbeitslager war. Da meine Frau Halbjüdin ist wurde ich eher entlassen. Kam. Eckensberger seine Frau ist Volljüdin. Aus diesem Grunde kam Kam. Eckensberger viel später in Freiheit. […]“121 Hans Eckensberger muss seinen Kameraden Gustav Meyer also angelogen haben. Dass der Anstoß für eine Dienstverpflichtung von der Gestapo ausging, die auch Sonderdienststellen in Arbeitsämtern hatten, zeigt, dass er als „Versippter“ wohl ständig unter deren Beobachtung stand. Hans Eckensberger gab an, bis zum 18.04.1945 im Lager gewesen zu sein. „Nach Einmarsch der Amerikaner wog ich noch 130 Pfund. Ich hatte fast 90 Pfund abgenommen.“122 Der Durchmarsch zum Lizenzverleger - 1945 bis 1950 Es gab zwei Hauptgründe, warum die hoch verschuldeten 123 Eckensbergers nach der Befreiung Sachsens nach Braunschweig ziehen wollten. Zum einen wohnten Hans Eckensbergers Mutter und Schwester in Braunschweig, zum anderen waren die beruflichen Chancen in Braunschweig höher als in Leipzig, zumal Sachsen ab Juli Bestandteil der sowjetischen Besatzungszone sein sollte. Vielleicht hatten sie auch erfahren, dass in Braunschweig beim Verlags-und Druckhaus Albert Limbach, Hutfiltern 8 in Braunschweig, bereits Zeitungen gedruckt wurden. Dort hatte eine militärische Propagandaeinheit der 12. Army Group unter Leitung des 24-jährigen Amerikaners Hans Habe am 04.05.1945 die erste Ausgabe des Braunschweiger Boten Nachrichtenblatt der 12. Amerikanischen Heeresgruppe – Amtlich herausgegeben, der bis zum 8. Juni einmal wöchentlich gedruckt wurde. 124 Hans Habe gab bis November 1945 mit seinem überwiegend aus Emigranten bestehenden Redaktionsteam 18 Zeitungen in der amerikanischen Besatzungszone heraus. Am 09.05.1945 ließ sich Hans Eckensberger von Dr. Melzer eine Bescheinigung folgenden Inhalts ausstellen: „Auf Wunsch bestätige ich dem Schriftleiter Hans E c k e n s b e r g e r […] dass 120 Entschädigungsakte Hans Eckensberger, 4 Nds Nr. 500 Zg 41/1992, Bl. 22 u. 23. 121 Entschädigungsakte Hans Eckensberger, 4 Nds Nr. 500 Zg 41/1992, Bl. 31 u. 22. 122 Entschädigungsakte, Hans Eckensberger, 4 Nds Nr. 500 Zg 41/1992, Bl. 36. 123 „Darlehen meiner Mutter RM 18.000“ (ca. 3 Durchschnittsjahresgehälter), Lizenzantrag Thalacker/Eckensberger, Bl. 120. 124 Vgl. STROPPE-EULERICH, A.: Lizenz, Geld, Meinung, S. 31ff. 36 er sich Ende 1942 oder Anfang 1943 bereiterklärt hat den [ehemaligen] Oberbürgermeister Dr. Karl Goerdeler und mich zu bergen, sobald wir von Verhaftungen oder sonstigen Verfolgungen bedroht würden. Für die Zusammenkunft und Unterbringung Dr. Goerdelers und meiner Person war zunächst ein Abstellraum im damaligen Geschäft der Firma Hoppe & Co. Papiergroßhandlung Leipzig C. 1, Berliner Str. 30 vorgesehen. Als dieses Haus am 4.12.1943 niederbrannte, erklärte sich Eckensberger sogar bereit, Dr. Goedeler und mich in seiner Wohnung in Leipzig, König Johannstr. 24 Eg. Lks. zu bergen. Über die Schwere der Gefahr, der er sich durch die Begünstigung politischer Straftäter aussetzen würde, war Eckensberger voll unterrichtet. Er hat sich nicht nur selbstlos, sondern opferfreudig für das Unternehmen Dr. Goerdeler eingesetzt. Leipzig, den 9. Mai 1945. Melzer.“ Diese Erklärung ist wenig glaubhaft, was die Unterbringung angeht. Die DAFBlockwarte kannten jeden DAF-Volksgenossen in ihren zu kontrollierenden Straßen. Nach dem Attentat auf Hitler am 20.Juli 1944 wurde das Überwachungssystem verstärkt. Durch die bedrohlichen Nachrichten über Stalingrad und anderen Fronten ging der Glaube an den Endsieg nicht nur bei Wehrmachtsoffizieren und vielen Hitlergläubigen verloren. Der alte Kämpfer, Fritz Todt, soll Hitler 1942 scharf kritisiert haben, der Krieg sei nicht mehr zu gewinnen, was ihm dann angeblich das Leben gekostet hatte. Goerdelers Ansichten, er war seit 1920 Mitglied der DNVP und mit den Stimmen der NSDAP 1930 zum Oberbürgermeister von Leipzig gewählt worden, deckten sich wohl mit denen von Hans Eckensberger. Auch „Goerdeler bewertete die Machtergreifung zunächst positiv“125 und der Westpreuße setzte sich vehement für die Grenzen Deutschlands von 1914 ein. Goerdeler war in den Widerstandsgruppen umstritten. „Verächtlich sprach etwa Helmut James Graf von Moltke, der Kopf des aus Militärs, Kirchenleuten und Sozialdemokraten bestehenden 'Kreisauer Kreises', vom 'Goerdeler-Mist“ und riet Regimegegnern davon ab, sich mit solchen 'reaktionären Exzellenzen' einzulassen.“126 Dass Dr. Gustav Melzer ein Widerständler um Goerdeler war, „konnte nicht nachgewiesen werden.“127 Goerdeler wurde erst am 02.02. 1945 in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Die Gestapo hatte nach Denunziationen auch seine Anhänger ausfindig gemacht. Goerdeler wurde monatelang von der Gestapo verhört. Eckensbergers späterer stellvertretende Chefredakteur, Albert Neumann, hatte in einem Kommentar 1947 anlässlich eines Rückblicks zum 20.07.1932 und 20. Juli 1944 Folgendes ausgeführt: „Unter den Attentätern des 20. Juli 1944 befanden sich (rings um Goerdeler) viele Männer, die auch beim Staatsstreich 1932 ihre Hand im Spiel hatten. Die selbstverständliche Ehrerbietung, mit der wir vor ihren Gräbern stehen, bezieht sich auf die qualvollen Umstände, unter denen sie gemordet wurden, 125 Kurzbiographie beim Deutschen Historischen Museums. 126 PLÖTZL, Norbert F.: Absolutes Schweigen, in: Spiegel spezial, 2/2005 vom 30.05.2005, S. 60. 127 STROPPE-EULERICH, A. : Lizenz, Geld, Meinung, Braunschweig 1995, S. 113, FN 5. Auch der Verfasser konnte bei der Durchsicht der Literatur Melzer als Zeitzeugen nicht ausfindig machen. 37 und bedeutet keine Anerkennung ihrer politischen Richtung. Sie wollten Hitler nicht beseitigen, um die Tyrannei zu stürzen, sondern sie dachten, lieber ein Badogliogeneral mit einer Achtzimmerwohnung als eines Tages im Internierungslager. Sie wollten einen Frieden schließen, der sie wie 1918 ungeschoren lassen sollte. Das Schicksal hat es damals anders bestimmt. Bis die Waffen ruhten, mußten noch viele Menschen sterben.“128 Zwischen dem 18. April und 8. Mai 1945 musste Hans Eckensberger G. P. Leonhardt in Dresden oder Thurm getroffen haben. Eckensberger schloss mit ihm einen Arbeitsvertrag als Verlagsdirektor mit umfangreichen Vollmachten und erhielt 80.000 RM in bar. Im Antrag auf Lizenzerteilung gab er an: Type of Business: „1st of June 45 - up to date managing director RM 1250,-- manager of the edition. Address of Employer: Albert Limbach, Braunschweig“.129 Auf die Frage: „Wann hat der Verfolgte seine frühere Tätigkeit im vollen Umfange wieder aufgenommen?“ „Im April 1945.“ 130 Dass er bei Hoppe & Co. wieder mit Papier gehandelt hatte, ist nicht wahrscheinlich.. In den diversen von Hans Eckensberger ausgefüllten Fragebögen und Entschädigungsanträgen kamen häufiger sich widersprechende Angaben wie diese oder unterlassene oder wissentlich unrichtige Angaben vor. Das Ehepaar Eckensberger fuhr mit Fahrrädern nach dem 12.05.1945 von Leipzig nach Braunschweig, da Züge noch nicht verkehrten.131 Genau „achtzig TausendmarkScheine“132 hatten sie in die vier Fahrradreifen gestopft.133 Seit dem 4. Juni 1945 waren sie mit 2. Wohnsitz im Ritterbrunnen 6 in Braunschweig gemeldet, wo Hans Eckensbergers Mutter und Schwester wohnten. Das Gebäude war im Eigentum der Firma Lauer & Co.. Diese Gesellschaft gehörte den Eheleuten Leonhardt allein, nachdem Hugo Eckensberger durch Tod ausgeschieden war.134 In Braunschweig konnte er in der Ausgabe vom 1. Juni des Braunschweiger Boten die Befehle der Alliierten nachlesen: „Eisenhauwer über die neue Erziehung. 1. Die restlose Ausmerzung des Nationalismus und des deutschen Militarismus in allen Erscheinungsformen aus dem deutschen Erziehungswesen ist die Politik des Obersten Alliierten Befehlshabers.[...] 5. Jeder Lehrer wird Anweisung erhalten, aus dem Lehrstoff auszumerzen: A) Jede Glorifizierung des Militarismus. B) Die Verbreitung, Wiederbelebung oder Rechtfertigung der Lehren des Nationalismus sowie die Glorifizierung nationalsozialistischer Führer. C) Alles, was auf ungleicher Behandlung aus rassischen oder religiösen Gründen abzielt. D) Jede Feindseligkeit gegenüber einer Nation der Vereinten Nationen […] zieht unmittelbare Entlassung und Bestrafung nach sich.“135 Diese Vorgaben waren nicht nur an Lehrer adressiert, 128 NEUMANN, Albert: Der Todesstoß gegen die Republik, BZ vom 25.07.1947, S. 2. 129 Fragebogen, Aktenbl. 25. 130 Vgl. Entschädigungsakte H. Eckensberger, Nds StA WF 4 Nds Nr. 500 Zg 41/1992, Aktbl. 18. 131 Vgl. STROPPE-EULERICH, A. Lizenz, Geld, Meinung, S. 50. 132 SCHIMPF, Eckhard: Verleger Hans Eckensberger Ein Porträt, in: BZ vom 05.12.2009, S. W 5. 133 Vgl. SCHIMPF, E. Ebenda.. 134 Vgl. Entschädigungsakte Eckensberger, Hans, Blatt 6. 135 Vgl. Braunschweiger Bote vom 1. Juni 1945, S. 5. 38 sondern an Erzieher im weitesten Sinne. Dazu zählten selbstverständlich auch deutsche Journalisten, die sich an der Umerziehung der Deutschen beteiligen mussten.136 Hans Eckensberger, seit 01.06.1945 Verlagsdirektor beim Verlag A. Limbach, hatte sich Hans Habe vor dessen Abzug aus Braunschweig noch vorstellen können. Am 5. Juni löste der britische den amerikanischen Town-Major ab. Die Briten ließen sich mit der Herausgabe einer lokalen bzw. regionalen Zeitung mit deutscher Beteiligung wegen fehlender geeigneter Kandidaten etwas mehr Zeit. Offensichtlich war Hans Eckensberger zunächst nicht bereit gewesen, diesen Posten unter Aufsicht und Vorgaben von britischen Presseoffizieren anzunehmen. Er hatte am 21.08.1945 einen Fragebogen für Opfer des Faschismus ausgefüllt, der über die Stadtverwaltung zu Behörden der Landesregierung gelangte. Damit hatte er auch seine „Bescheinigungen“, die Wirkung zeigten, abgegeben. Denn kurz zuvor hatte die Militärregierung–Deutschland, Britisches Hoheitsgebiet eine Durchführungsbestimmung zur Nachrichtenkontrollvorschrift Nr. 1 beschlossen, die die Konzessionierung von Druckschriften und darstellerischen Vorführungen betraf. Deutsche als Verleger konnten Gesuche abgeben für die Erteilung einer Konzession zur Herausgabe von Zeitungen, Magazinen, periodischen Zeitschriften, Büchern, Plakaten, Broschüren u. a. „Die Zulassung zu solchen Unternehmungen ist gebunden an besondere Genehmigungen, die nach genauer Prüfung von Fall zu Fall erteilt werden.“ Vorsorglich wurde gewarnt, dass jeder angeklagt wird, der ohne Konzessionsurkunde Veröffentlichungen plant oder durchführt, die Bedingungen der Konzession nicht genau beachtet und im „Gedruckten eine Feindseligkeit gegenüber den Streitkräften der Alliierten oder gegenüber einer der Vereinten Nationen oder eine Mißachtung dieser zum Ausdruck kommen lassen“ werde.137 Wie Hans Sänger erzählte, hatten die Briten erfahren, dass er, Sänger, gerade in Gifhorn wohnhaft geworden war und ihn nach Braunschweig zum Vorstellungsgespräch abgeholt, um sich ein Bild zu machen, ob er als Chefredakteur für ein Presseorgan der Britischen Militärregierung in Frage käme. Er hatte sich als verfolgter Sozialdemokrat dargestellt. Sie entschieden sich für ihn und „der feinsinnige Werner Schumann übernahm das Feuilleton, Dr. [Walter] Pabst die Wirtschaft. Etwas später kam der Berliner Kollege und Freund Peter Raunau als politischer Redakteur zu uns, einst von den Nazis relegiert und im Bayrischen Wald im „Wartestand“ geblieben. [Hinzu kamen die] Kollegen der einstigen [Braunschweiger] Landeszeitung, die sich gegenüber dem Nationalsozialismus nichts vergeben hatten. [...] Die Zeitung bekam den Titel 'Braunschweiger Neue Presse'. [Nachrichtenblatt der Alliierten Militärregierung] […] Die erste Ausgabe […] 136 Siehe Artikel: Neue deutsche Zeitungen. Wichtige Erziehungsmittel für das deutsche Volk, in: Neuer Hannoverscher Kurier vom 17.07.1945, S. 2. Ausführlich: KIM, Kyong-Kun: Die Neue Zeitung im Dienste der Reeducation für die deutsche Bevölkerung 1945-1946. München 1974. HABE, Hans: Im Jahre Null. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Presse, München 1966. 137 Lizenzen, Wieder ein Schritt vorwärts in: Neuer Hannoverscher Kurier, Nachrichtenblatt der Alliierten Militärregierung, Nr. 21, vom 28.08.1945. S. 1. 39 erschien am 12. Oktober 1945 mit vier Seiten Text ohne Anzeigen.“138 Was die britischen Presseoffiziere nicht wussten: Werner Schumann war bis zum bitteren Ende als Verleger und Hauptschriftleiter der Lychener Zeitung ausgewiesener Goebbels-Propagandist gewesen; Peter Raunau war Berliner Schriftleiter für die Kasseler Neuesten Nachrichten, für das Heilbronner Tageblatt und für Der neue Tag, Organ des Reichsprotektors in Böhmen und Mähren gewesen.139 Auch Fritz Sänger war nachweisbar noch bis 03.02.1945 Schreibmaschinentäter für Durchhalteparolen beim Neuen Wiener Tageblatt gewesen. Der vorbildhafte Journalist Fritz Sänger schrieb 1944 auch solches: „Roosevelts immer wieder in die Welt posaunte Phrasen vom Kampf für einen dauernden und 'ewigen' Frieden, mit denen er die Völker nach jüdischer Art beschwindeln und einzufangen versuchte, führt dieser waschechte Imperialist nun von selbst vor aller Welt ad absurdum.“ 140 Davon dass „das neue Redaktionsteam […] dem Nationalismus widerstanden hatte,“ kann keine Rede sein.141 Bevor die erste Ausgabe der Braunschweiger Neue Presse am 12. Oktober 1945 erschien, waren die Niedersachsen seit dem 30.05.1945 durch den von den Briten in Hannover herausgegebenen Neuer Hannoverscher Kurier zweimal wöchentlich auf vier Seiten informiert worden. Die Zeitung kostete 20 Pf. Über Braunschweig wurde selten mehr als eine halbe Seite berichtet. Die „alten deutschen Hasen“ und die jungen britischen Presseoffiziere „übten“ ein Vierteljahr lang in der Redaktion am Hutfiltern 8, Bericht und Kommentar sauber zu trennen. Kritik an der zurückliegenden Nazi-Zeit, insbesondere über die Aufklärung von Verbrechen des „großen“ und der „kleinen“ Hitler war Pflichtprogramm. Ebenso sollte sich die Redaktion an der Umerziehung des deutschen Volkes beteiligen. So wurde berichtet, dass bis Ende November 1945 in der Britischen Besatzungszone bereits 11.457 Lehrer im Rahmen der Säuberung des deutschen Erziehungswesens wegen politischer Unzuverlässigkeit aus den Ämtern entfernt worden waren. 142 Es „galt das Recht oder der Wille der Besatzer, die nach einem von uns verlorenen Krieg die Macht hatten.“143 Mit „uns“ meinte Fritz Sänger 1978 auch die vielen „kleinen Hitlers“. Die „Säuberung“ hatte die deutschen Zeitungsredaktionen aber nie richtig erreicht. Hans Eckensberger hatte, solange die Braunschweiger Neue Presse bis zum 06.01.1946 erschien, deren Verlagsgeschäfte im Hutfiltern 8 geführt.144 Am 1.10.1945 gründete Hans Eckensberger den Verlag Eckensberger & Co. zum 138 SÄNGER, Fritz: Verborgene Fäden. Erinnerungen und Bemerkungen eines Journalisten. Bonn 1978, S. 106f. 139 Vgl. Reichshandbuch der deutschen Tagespresse, Berlin 1944, s. Personenregister mit Seitenangabe 140 KÖHLER, Otto: Wir Schreibmaschinentäter. Journalisten unter Hitler – und danach, zit. Wolfgang MOSER, der den Fritz-SÄNGER-Preis ablehnte, Köln 1989, S. 256. 141 STROPPE-EULERICH, A.: Lizenz,.S. 47. 142 Vgl. Säuberung des Lehrkörpers, in: Braunschweiger Neue Presse vom 30.11.1945 , S. 4. 143 SÄNGER, Fritz: Verborgene Fäden, S. 107. 144 Vgl. Sänger, Fritz: Verborgene Fäden, S. 109. 40 Zweck der Herausgabe einer Tageszeitung, den er am 6.11.1945 beim Handelsregister des Amtsgerichts Braunschweig anmeldete. Er bestimmte sich als persönlich haftenden Gesellschafter und seine verwitwete Schwester Helene Elli Hofmann als Kommanditistin mit einer Einlage von 80.000 RM.145 Die Geschäftsräume befanden sich im Hutfiltern 8. Der von G. P. Leonhardt überlassene Betrag von 80.000 RM war kein Geschenk, kein Darlehen oder keine Wiedergutmachung, sondern war als Beteiligung gedacht, und Elli Hofmann diente als „Strohmann“ wie sich noch zeigen wird. Dass dieses Vorgehen einvernehmlich mit der „Großfamilie Leonhardt“ vonstatten ging, zeigt der Vorgang im Handelsregister vom 31.01.1946, als Harald Voigt, der noch in Umerziehungs-Gefangenschaft war, als persönlich haftender Gesellschafter aus dem Thalacker Verlag ausschied und Verlagsdirektor Eckensberger seine Stelle einnahm, weil er auch eine Lizenz für die Herstellung von Zeitschriften und Büchern beantragt und diese am 12.12.1945 erhalten hatte. 146 Ebenfalls lag eine Vollmacht dafür vor, dass Hans Eckensberger als Einzelprokurist des Verlages Lauer & Co. am 28.11.1945 ins Handelsregister eingetragen wurde. Der Verlag war noch Eigentümer der Grundstücke Ritterbrunnen 5 bis 8 und Steinweg 40, deren Gebäude bis auf das Gebäude Ritterbrunnen 6 zerstört waren und für die ein Verfügungsberechtigter erreichbar sein musste. Bis Hans Eckensberger seine Zulassungsurkunde am 08.01.1946 in den Händen hielt, wurden unterschiedliche Konzepte zwischen dem britischen Zonenhauptquartier in Bünde und dem nachgeordneten 30. Corps in Hannover ausgetauscht, Gespräche zwischen der SPD in Hannover und Braunschweig und den Briten sowie mit Kurt Schumacher und Fritz Sänger wurden geführt.147 Es ging darum, wie die lizenzierte Zeitung politisch ausgerichtet sein sollte. Am 03.10.1945 nahm die 4. Press Sub Section der britischen Militärregierung ihre Tätigkeit in Braunschweig auf, um das Erscheinen einer konzessionierten Zeitung in die Wege zu leiten. 148 Vorläufer war die Braunschweiger Neue Presse als Nachrichtenblatt der Alliierten Militärbehörden mit Fritz Sänger als Chefredakteur. Ursprünglich hatte das Headquarter in Bünde für Gruppenzeitungen aus praktischen Gründen plädiert „shortage of servisable printing presses, shortage of newsprint and shortage of facilities for distribution.“ 149 Auf Intervention insbesondere der SPD, die sich am schnellsten wieder unter Kurt Schumacher politisch in Stellung zu bringen im Begriff war, und mit Unterstützung der Labour Party sollten auch parteipolitisch ausgerichtete Zeitungen zugelassen werden. In der Anweisung Bishops liest sich das so: “It has, therefore, been decided not to attempt any uniformity of practice regarding licensing. Each area has its own problems and conditions, which may, on the one hand, make the licensing of several party papers possible and desirable, or, on the other, make group licensing 145 Vgl. Braunschweiger Zeitungsverlag – Druckhaus Albert Limbach GmbH & Co. KG; HG Braunschweig Nr. 6991. 146 Vgl. Handelsregister Braunschweig, HR A 2659, Bernhard Thalacker Verlag. 147 Ausführlich hierzu STROPPE-EULERICH, Angela M.: Lizenz, Geld, Meinung, S. 37 ff. 148 Vgl. PRO, WO 171/8265, zit. nach A. STROPPE-EULERICH, S. 37 u. FN 94, S.115. 149 Brief vom 3. Nov. 1945 von W. H. A. Bishop, Headquarter Bünde, Privatarchiv: Dr. Hans Edgar Jahn, zit. nach A. STROPPE-EULERICH u.FN 147. 41 inevitable“.150 Das 30. Corps in Hannover unter Lt.-Col. Wuholan weigerte sich, die bereits im Zulassungsverfahren befindlichen Zeitungen in Oldenburg, Braunschweig und Lüneburg parteipolitisch zuzuordnen. Es wurde ein Kompromiss mit Bünde ausgehandelt:“gemäß Vorschrift muß der Lizenzträger sich verpflichten, mit seiner Zeitung einem bestimmten Partei-Trend zu folgen. 151...[…] We tried to satisfy ourselves as to the past political records of the applicants during the Nazi period and as to their ability to produce a competent, solvent newspaper. We did not consider it our business to make sure that they were approved by the party authorities.“152 Das Profil war auf Hans Eckensberger zugeschnitten, der schon am 15.10.1945 einen Antrag auf eine Zeitungslizenz abgegeben hatte. Sein Fragebogen enthielt auf der ersten Seite den Vermerk: „NO OBJECTION 29/11/45“. Die SPD brachte drei Kandidaten ins Spiel. Fritz Sänger lehnte eine Bewerbung ab, weil er keine zusätzliche Verantwortung für Finanzielles übernehmen wollte. Der aus dem schwedischen Exil zurückgekehrte Hans J. Reinowski hatte vor 1933 für den Volksfreund politisches Feuilleton geschrieben und war „competitor for the licence“, die Bewerbung war aber wohl von der „Subsection“ in Braunschweig abschlägig entschieden worden.153 Im Laufe des Jahres 1946, als die Querelen zwischen Hans Eckensberger und Fritz Sänger eskalierten, versuchte Fritz Sänger auf Anraten von Fritz Heine bei den Briten zu intervenieren, Hans Eckensberger durch Gottlieb Cartal als Verleger zu ersetzen. Dieser war aus seiner Emigration aus Frankreich zurückgekehrt und war vor 1933 Geschäftsführer der Firma Rieke & Co. gewesen.154 „Alle Bemühungen um die Einsetzung eines zweiten oder anderen Lizenzträgers“155 für eine oder zwei Tageszeitungen hatten keinen Erfolg. Zu Weihnachten 1945 erhielt Hans Eckensberger ein unbezahlbares, nicht käufliches Geschenk und ein existenzielles, um über den Winter zu kommen. Die Lizenzbewilligung fiel auf ihn: „Braunschweig - einer sozialdemokratischen Zeitung wurde am 19. Dezember 1945 eine Lizenz zugewiesen“. 156 Aus der Stadtkasse erhielt er als Opfer des Faschismus ein Paar Schuhe.157 Die Übergabe der Zulassungsurkunde an Hans Eckensberger fand in einer schlichten Feier am 07.01.1946 in Braunschweig statt, worüber die BRAUNSCHEIGER ZEITUNG VERÖFFENTLICHT UNTER ZULASSUNG NR. 2 DER MILITÄRREGIERUNG in ihrer Ausgabe Nr. 1 Dienstag, 8. Januar 1946 berichtete: „Gründungsakt der 'Braunschweiger Zeitung' bz. Braunschweig, 7. Jan. Die 'Braunschweiger Zeitung' erhielt heute als erste Zeitung in der britischen Zone die offizielle Zulassung der Militärregierung, als deutsche Zeitung, die in deutschem 150 STROPPE-EULERICH: FN 152, S. 117. 151 STROPPE-EULERICH, A.: S. 58 in V. mit FN 166. 152 PRO, FO 371/55517, zit. nach: STROPPE-EULERICH, A., S. 58 und FN 167, S. 118. 153 Vgl. STROPPE-EULERICH, A., S. 62. 154 Vgl. STROPPE-EULERICH, A., S. 63. 155 Vgl. ebenda, S. 63. 156 STROPPE-EULERICH, A., 1995, hier FN 187. S. 119. 157 Entschädigungsakte Hans Eckensberger, 4 Nds Nr. 500, Zg 41/1992. 42 Besitz ist und unter der verantwortlichen Leitung einer deutschen Redaktion steht, zu erscheinen. In einer schlichten Feier überreichte der Direktor der Nachrichtenkontrolle der Militärregierung, Brigadier W. L. Gibson, dem Träger der Lizenz, Hans Eckensberger, als Verleger der Zeitung die Urkunde. In Anwesenheit des Militärgouverneurs des Landes Braunschweig, Group Capt. Hicks, des Ministerpräsidenten Schlebusch, des Oberbürgermeister Dr. Böhme und von Vertretern politischer Parteien und der Gewerkschaften und Angehörigen der Militärregierungen in Braunschweig und Hannover richtete Brigadier Gibson folgende Ansprache an den Lizenzträger: 'Die „Braunschweiger Zeitung“ ist die erste Zeitung, die von der britischen Militärregierung zugelassen wird. Sie ist damit in der Lage, als Vorbild für alle zukünftig zugelassenen Zeitungen zu dienen. Der Einfluß, den die Presse ausübt, ist wohlbekannt. Richtig angewandt, dient sie als Mittel der Erziehung und der Aufklärung, wird sie mißbraucht, kann sie entstellen und irreleiten! In den gegenwärtigen schwierigen Zeiten ist die wahrheitsgetreue und sachliche Wiedergabe von Nachrichten und die Vermeidung von tendenziösen und voreingenommenen Kommentaren wichtiger denn je. Das ist die vornehmste Aufgabe einer Zeitung! Gleichzeitig soll sie als Forum dienen für eine Aussprache zwischen allen Schattierungen der demokratischen Meinung, denn nur durch überlegten Gedankenaustausch wird der Leser in die Lage versetzt, seine geistigen Fähigkeiten zu entwickeln und sich eine eigene Meinung zu bilden. In der Hoffnung, daß die 'Braunschweiger Zeitung' den besten Zeitungstraditionen folgen wird, übergebe ich diese Zulassung zur Herausgabe der Zeitung an Herrn Hans Eckensberger '. Der Verleger der neuen Zeitung dankte dem Beauftragten der britischen Nachrichtenkontrolle für das Vertrauen, das ihm mit dieser Zulassung der Zeitung als ein Organ der deutschen Meinungsbildung bekundet werde. Die Erziehung zur Demokratie sei die wichtigste Aufgabe, die in der nächsten Zukunft zu erfüllen sei. Im Dienste dieser Aufgabe sehe er seine vornehmste Pflicht“. Am 11.01.1946 kommt der Vorsitzende Otto Arnold des vorbereitenden Bezirksausschusses der SPD Braunschweig zu Wort: „Nach Monaten ungeduldigen Wartens erreicht uns die freudige Nachricht, daß von den britischen Militärbehörden die Lizenz für die 'Braunschweiger Zeitung' erteilt sei. [...]“158 Offensichtlich war die SPD mit dieser Lösung zufrieden, obwohl ihren Funktionären bekannt war, dass für die Braunschweiger Neuesten Nachrichten die Sozialdemokraten bis zu ihrem Parteiverbot 1933 der politische Hauptgegner gewesen und publizistisch auch während der Verlagsleitung unter Hans Eckensberger auf das Heftigste bekämpft worden waren. In den Akten des Bundesarchivs liegen drei Lizenzanträge von Hans Eckensberger vor. Vorhanden sind zwei Anträge für den Albert Limbach Verlag und den Bernhard Thalacker Verlag sowie ein Fragebogen der Military Government of Germany über Hans Eckensberger in Verbindung mit einem Antrag für eine Zeitungslizenz, die am 158 ARNOLD, Otto: Zur Gründung der Braunschweiger Zeitung, in: BZ vom 11.01.1945, S. 3. 43 15./16. Oktober 1945 von ihm gestellt bzw. ausgefüllt wurden. Außerdem füllte er jeweils persönliche und Geschäfts-Fragebögen aus und ließ von den leitenden Mitarbeitern Karl Fasterling, Hans Suerholt und Anna E. Klein deren Fragebögen ausfüllen. Die Genehmigung für den Druck von Büchern und Zeitschriften durch den Albert Limbach Verlag zog sich fast ein halbes Jahr bis zum 19.03.1946 hin. Zunächst waren die Stellungnahmen in Bünde und insbesondere aus Hannover positiv: „Strongly recommended: applicant is already licencee of the BRAUNSCHWEIGER ZEITUNG ,Wuholan, Lt.-Ca., 15.Jan.46“.159 Eine vom 26.01.1946 handschriftliche Zusammenfassung der 30 I.C.U. über die Person Hans Eckensberger und Verlag kam zu dem Schluss: „A first-class business. applicant v. suitable, except that he is also licensee of the Braunsch. Zeitung. Anna Klein should be eliminated?“160 Die Prokuristin Anna Klein war BDM-Gruppenführerin und von 1938 bis 1942 Parteigenossin gewesen. Fritz Sänger erinnerte sich 1978 zu diesem Fall weitgehend falsch: „Eine frühere Angestellte [gemeint war A.-E. Klein] hatte auf ihn [H. E.] hingewiesen und erinnerte sich, daß seine Gattin jüdischen Glaubens und er mithin „unbelastet“ sei. (Kaum war Eckensberger dann im Hause, da wurde die junge Frau entlassen: Sie war in der Hitler-Organisation des Bundes deutscher Mädchen tätig gewesen!)“161 Richtig ist, dass A.-E. Klein schon bei Ankunft der Amerikaner in Braunschweig im Mai im Verlag war, Hans Eckensberger zum 1. Juni als Verlagsdirektor dazu kam und er kein Interesse hatte, diese Mitarbeiterin zu entlassen. Ihr korrekt ausgefüllter Fragebogen hatte sie belastet. Im Übrigen war Margarete Eckensberger gläubige Christin und nicht jüdischen Glaubens gewesen. Dass der Verlag für die NSDAP Druckaufträge ausgeführt hatte und dass der Altverleger Harald Voigt und seine Ehefrau Isolde Voigt noch Eigentümer des Verlages waren, war hauptsächlich der Grund, dass die Druckerei Limbach durch das Alliertengesetz Nr. 51 beschagnahmt worden war. Eckenberger wurde wegen politischer Unbescholtenheit auch Treuhänder der Druckerei,“162 Das hatte zur Folge, dass Hans Eckensberger wie beim Bernhard Thalacker Verlag auch Harald Voigt als persönlich haftenden Gesellschafter am 14. 02.1946 ersetzte.163 Der Druck von diversen Büchern, insbesondere von Schulbüchern, war anfangs einträglicher als der Druck der Zeitung, die nur zweimal wöchentlich, vierseitig, mit einer halben Seite Fließtext-Kleinanzeigen erschien. Ab 04.11.1947 erschien sie dienststags, donnerstags und sonnabends, zu bestimmten Anlässen auch 6- oder 8seitig mit Ausgaben für Braunschweig, Helmstedt, Wolfenbüttel, Goslar, Bad Gandersheim und Watenstedt-Salzgitter. Nach der Währungsreform erschienen am 24.06.1948 die ersten einspaltigen Geschäftsanzeigen. 159 Antrag auf Lizenzerteilung Albert Limbach, BArch (ehem. BDC), Eckensberger, H., Blatt 16. 160 ARNOLD, Otto: BZ vom 11.01.1945, Bl.14. 161 SÄNGER, F.: Verborgene Fäden, S.107. 162 125 Jahre Limbach Verlag S. 10 163 Vgl. Handelsregister des Amtsgerichts Braunschweig Nr. 2658. 44 Warum dem Albert Limbach Verlag und damit Hans Eckensberger die Lizenz vorübergehend wieder entzogen wurde, geht aus der Akte nicht hervor. Nur eine Mitteilung des I. S. C. B. aus Bünde an PRISC Regional Staff, Hannover Region vom 30.11.1946 weist auf ein Schreiben hin, in dem Tatsachen für einen Entzug aufgeführt waren: „In view of the facts stated in the above letter, it has been decided by this H. Q. that the temporary withdrawal of Herr Hans ECKENSBERGER's licence be terminated forthwith, and that the licence be restored to him.“164 Möglicherweise hatte der Verlag einzelne Auflagen, die in der Lizenzurkunde aufgelistet waren, nicht beachtet, z. B. Bücher mit (zuviel) nationalsozialistischen Inhalt nachgedruckt oder es fehlte der Hinweis: „hergestellt unter Zulassung Nr. 1065“ oder er hatte eine Person bei der Antragsstellung nicht angegeben, die am Gewinn des Verlages beteiligt wurde, wofür aber eine ausdrückliche schriftliche Erlaubnis fehlte. Nicht erklärbar ist, dass Hans Eckensberger drei Lizenzen von der britischen Militärregierung erhielt, ohne dass bei seiner Überprüfung, wie von Montgomery angekündigt, die gleichen Maßstäbe angelegt wurden wie für Lehrer: „Ich werde keinen Lehrer in der Schule dulden, dessen Vergangenheit nicht den eingehendsten Nachforschungen standhält“.165 Diese fanden im Fall Hans Eckensberger nicht statt. Den prüfenden Presseoffizieren war aus dem Fragebogen bekannt, dass Hans Eckensberger als Verlagsleiter von angeblich 1927 bis Ende 1933 verantwortlich für die BNN war. In dieser Zeit hatte sich die BNN zur Wegbereiterin und Förderin Hitlers und seiner Partei gemacht. Ein Blick in die noch vorhandenen Ausgaben hätte die Beurteilung anders ausfallen lassen. Von der 139-köpfigen Belegschaft, die bis 1944 im nationalsozialistischen Musterbetrieb Albert Limbach u. a. mit Unterstützung des ständigen wichtigen Schriftleiters (MO) Prof. Ernst August Roloff am Erscheinungsort166 die BLZ produzierte, war das Arbeitertum der DAF eine viel gelesene Zeitschrift gewesen. Ihnen wird nicht entgangen sein, dass ein Hans Eckensberger dort Artikel geschrieben hatte. Ein Hinweis an die Kontrolleure hätte gereicht. Diese Belastungen hätten schwerer gewogen als seine 3-monatige Verschickung in ein Arbeitslager wegen der jüdischen Rasse seiner Frau167. Er wurde, wie vorstehend erwähnt, nach sieben Monaten Untersuchungshaft in der 2. Instanz freigesprochen, weil die Anklagepunkte nicht erwiesen waren oder nicht strafbar oder Bagatellen geworden waren. „Die höchsten Anforderungen an die politische Sauberkeit der Lizenzträger stellten die amerikanischen Presseoffiziere, die bereits mit einer Liste geeigneter anti-nationalsozialistischer Personen nach Deutschland gekommen waren und alle Bewerber sorgfältigen Prüfungen und anfangs sogar psychologischen Tests unterwarfen“.168 Mit der Vergabe der Zeitungslizenz Nr. 2 an Hans Eckensberger war den Briten wohl eine Panne unterlaufen. 164 Antrag auf Verlagslizenz Hans Eckensberger/Albert Limbach, BArch (ehem. BDC). 165 MONTGOMERY, B. L.: Botschaft des Oberbefehlshabers an die Bevölkerung der britischen Zone, in. Neuer Hannoverscher Kurier vom 28.08.1945, S. 1. 166 Siehe Handbuch der deutschen Tageszeitungen, Berlin 1944, S. 226 und BLZ. 167 Antrag auf Lizenzerteilung für den Thalacker Verlag, Fragebogen Hans Eckensberger, Frage 11. 168 FREI, N./SCHMITZ, J: Journalismus im Dritten Reich, München 1989, S. 183. 45 Am 29.03.1946 erhielt der Lizenzträger der Braunschweiger Zeitung Hans Eckensberger eine Abmahnung der britischen Militärregierung, vertreten durch Major Hartog, übersetzt, folgenden Inhalts: „1. Wir erheben schärfsten Einwand gegen die kürzliche Einmischung in die Außenpolitik plus der anti-russischen Einstellung einiger Redakteure der 'Braunschweiger Zeitung'. Überschriften wie 'Das Duell' in einem Artikel der BZ vom 19. März 1946 und ein Satz in dem Artikel 'Die Hintergründe' in der Ausgabe vom 26. März (,... der im politischen Spiel...') werden nicht geduldet. Der Probedruck von 'Dresden heute' ist in Zeiten, wie wir sie jetzt haben, unbegreiflich. 2. Die Verantwortung liegt auf dem Lizenzinhaber, Hans Eckensberger, und jedes Wort, das in dieser Zeitung erscheint, steht unter seiner Verantwortung und könnte den Verlust der Lizenz kosten. Die Redakteure schreiben nur, was er von ihnen will, und wenn sie anti-russische Fraktionen bilden, werden sie entfernt werden. 3. Deutschland ist heute in der einzigartigen Lage keine Regierung zu haben. Die einzige Behörde ist der Kontrollrat; Kommentare zur Außenpolitik der Vereinten Nationen scheinen schlecht geraten. 4. Es wird nur zu gern zugegeben, daß die Deutschen über Ereignisse draußen in der Welt unterrichtet werden müssen; wir schlagen vor, daß dies durch Benutzung des DPD oder DANA getan werden soll, ohne Kommentar. 5. Wir müssen Ihre Aufmerksamkeit ziemlich scharf auf diese Sache lenken und darauf hinweisen, daß Herr Eckensberger und nicht Herr Sänger dafür verantwortlich ist, was in die BZ kommt und was nicht und daß sie völlige Freiheit darüber haben, Schriftleiter zu engagieren und zu entlassen. Dies bezieht sich auf Herrn Sänger ebenso wie auf jeden, der 'deutschnational' ist oder Sachen gegen die Russen schreiben will. 6. Wir sind sicher, daß Sie diese Tatsachen zur Kenntnis nehmen werden und daß eine Wiederholung von deutschen redaktionellen Kommentaren über die Vereinten Nationen nicht vorkommen wird“.169 Die Auffassung Fritz Sängers über Pressefreiheit für deutsche Journalisten und deren Kommentare über die Außenpolitik der Vereinten Nationen und der Alliierten gingen diesem britischen Presseoffizier zu weit. Am 3. April rechtfertigte sich Fritz Sänger auch im Namen der Redaktion gegenüber der Militärregierung. Dieser Vorfall zog Kreise bis zur Londoner Tribune, die sich am 10.05.1945 damit befasste.170 Fritz Sänger hatte auch SPD-Funktionäre eingeschaltet, wie z. B. Otto Bennemann vom Bezirk Braunschweig, der sich an den Parteivorstand in Hannover wandte, indem er sich darüber beschwerte, dass der Lizenzträger Druck auf die Redaktion ausübte. „Der Genosse Sänger machte bei dieser Gelegenheit nochmals auf den für uns unhaltbaren Zustand aufmerksam, dass der sozialdemokratische Redakteur einer sozialdemokratischen Richtungszeitung völlig abhängig ist von einem nicht 169 Zit. nach SÄNGER, F.: Verborgene Fäden, S. 122f. Ausführlicher hierzu auch: STOPPE-EULERICH, A. S. 68–76. 170 Vgl. SÄNGER, F.: Verborgene Fäden, S. 122-24. 46 sozialdemokratischen Lizenzträger“.171Schon vorher hatte die SPD erstmalig zur Person Hans Eckensberger Stellung bezogen: „Herr Eckensberger hat nicht [mehr] das Vertrauen der Sozialdemokraten“172 Ein Antrag der SPD-Bezirksleitung an die Militärregierung in Hannover, einen zweiten Lizenzträger für die Braunschweiger Zeitung zuzulassen, wurde abgelehnt.173 Es gab zwischen der Redaktion und Hans Eckensberger so gut wie nie ein Gespräch über Grundsätzliches. „Eckensberger erschien uns als ein liberaler, politisch nicht festgelegter, auch wenig unterrichteter Mann ohne auffallende Prägung. Seine einzige und häufig wiederholte 'Richtlinie' war: 'Machen Sie mir keinen Ärger!' Alles andere war der Redaktion überlassen. Erst allmählich erkannten wir, wann 'Ärger' entstand, wann der Verleger also Anlaß sah, sich mit der von ihm herausgegebenen Zeitung und ihrer Redaktionsarbeit zu befassen. Das war immer dann der Fall, wenn ein Bekannter, ein Politiker, ein Geschäftsmann, ein Sportverein, ein Geistlicher oder wenn die Militärregierung an einer Nachricht oder einer Meinungsäußerung Anstoß genommen hatten.“174 Ende September 1946 schieden die drei wieder Sozialdemokraten gewordenen Fritz Sänger, Peter Raunau und Werner Schumann „auf unseren Wunsch aus der Redaktion aus“ 175 Eckhard Schimpf behauptete dagegen, dass Hans Eckensberger üble NaziPropagandisten wie Fritz Sänger schnell abserviert hätte.176 Dieser später hochgeehrte Journalist und die beiden Kollegen betrieben zunächst in Hannover den Sozialdemokratischen Pressedienst.177 Auch dafür war eine Lizenz der Militärregierung erforderlich, die mit Unterstützung von Kurt Schumacher erteilt wurde.178 Dass Hans Wörner als Chef vom Dienst schon ab 01.10.1946 tätig wurde, muss von dem zu dieser Zeit als Chefredakteur im Impressum der Zeitung ausgewiesenen Hans Eckensberger länger vorbereitet worden sein. Wörner war bis 19.02.1948 faktisch Chefredakteur, denn kein Artikel erschien unter Hans Eckensbergers Namen. Er „war kein grandioser Schreiber. 'Ich lasse schreiben', sagte er gern“.179 Hans Wörner trat später durch Serien für „Quick“ und „Stern“ wieder in Erscheinung.180 Ab 21.02.1948 stand Hans Eckensberger als Chefredakteur ohne Angabe weiterer Namen von Redakteuren im Impressum. Vom 12.10.1948 bis zur Ausgabe vom 171 SPD-Bezirksgruppe Braunschweig Otto Bennemann an Parteivorstand in Hannover vom 21.05.1946, Archiv der sozialen Demokratie; Bestand.: SPD Presse seit 1945, zit. nach STROPPEEULERICH, A. S. 74. 172 Privatarchiv Fritz SÄNGER: Brief vom Parteivorstand, Fritz Heine an die Bezirksgruppe Braunschweig vom 16.05.1946, zit. nach STROPPE-EULERICH, A. S. 73 u. FN 223, S. 120. 173 Vgl. STROPPE-EULERICH, A., S. 73. 174 SÄNGER, F., Verborgene Fäden, S.109f.. 175 Ebenda: S. 111. 176 Vgl. SCHIMPF, E.: Verleger Hans Eckensberger Ein Portrait, BZ vom 05.12.2009, S. W4. 177 Vgl. Sänger, (wie Anm. 167), S. 129ff.. 178 Vgl. SÄNGER, Fritz, Verborgene Fäden, S. 129. 179 SCHIMPF, E.: Verleger Hans Eckensberger EIN PORTRAIT, BZ VOM 05.12.2009, S. W4. 180 Vgl. SCHIMPF, E.: Verleger Hans Eckensberger Ein Portrait, BZ vom 05.12.2009, S. W4. 47 12./13.08.1950 erschien Albert Neumann als stellvertretender Chefredakteur im Impressum. Am 15. 08.1950 schied er wegen Meinungsverschiedenheiten mit Hans Eckensberger und gesundheitlichen Gründen aus. Er war auf Empfehlung von Hans Habe am 1. Mai 1947 als Redakteur eingestellt worden. Sein erster signierter Kurzkommentar erschien bereits am 22.04.1947.181 Albert Neumann war 1922 in Braunschweig geboren und machte sein Abitur 1940 dort am Wilhelm-Gymnasium. Im November 1942 wurde er wegen nichtarischer Abstammung von der Gestapo in Berlin verhaftet und war bis Mai 1944 im Konzentrationslager Großbeeren bei Berlin inhaftiert, wo er von seiner Mutter für 25.000 RM beim Lagerkommandanten freigekauft wurde. Im Herbst 1944 flüchtete er durch die Kampflinien nach Frankreich, wo er als Presseoffizier in der amerikanischen Armee aufgenommen wurde. Bis März 1947 war er im Nachrichtenkontrollwesen für die Vergabe von Lizenzen im kulturellen Bereich zuständig.182 Nach dem Weggang von Hans Wörner wurde er auch „heimlicher“ Chefredakteur. „Politische Weitsicht und ein stark empfundenes soziales Gewissen prägten seine Arbeiten.“183 Damit deckte er das linke Leserspektrum ab. Mit Albert Neumann waren sämtliche Mitglieder der Redaktion ab 12.10.1948 im Impressum ersichtlich: Thomas Flesche und Wolfgang Becker waren für Politik verantwortlich, Otto Galley für das Feuilleton, Karl Heinz Schlange für Wirtschaft, Albert Schwibbe für Provinz, Hans Otto Schmidt für Lokales und Gottfried Leonhardt für Sport und ab 6.11.1948 Käthe Schultze für die LeserBeratungsstelle. Bis 1944 und teilweise bis Kriegsende hatten sich folgende Redakteure als weltanschaulich zuverlässige Goebbels-Propagandisten bewährt: Karl Heinz Schlange war als stellvertretender Hauptschriftleiter für Lokales beim Limbacher Tageblatt tätig gewesen. Albert Schwibbe deckte das Ressort Provinz bei der Magdeburgischen Zeitung ab. „Während des Krieges war Schwibbe auch Autor der in Belgrad erscheinenden Donau-Zeitung.“184 Hans Otto Schmidt war Schriftleiter für Lokales in Lebenstedt bei der Braunschweiger Tageszeitung, Schloßstr. 8, Ausgabe Kreis Reichswerke H. Göring; Gottfried Leonhardt Schriftleiter für Politik bei der Leipziger Neuesten Nachrichten. Walter Göbel war seit 01.05.1943 Schriftleiter beim Harzer Tageblatt , entstanden durch Zusammenlegung der Neueste Nachrichten Goslar, der Harzburger Zeitung und der Braunschweiger Tageszeitung, Ausgabe Bad Harzburg, Käthe Schultze betreute den Briefkasten und beantwortete Frauenfragen bei der Braunschweigische Landeszeitung, deren Herausgeber Harald Voigt war.185 Nach dem Entnazifizierungsgesetz für Deutschland, Anordnung Nr. 38 vom 12. 10. 1946, waren Mitglieder der Reichskulturkammer und ihrer Einzelkammern der Gruppe „Mutmaßlich schuldig“ zugeordnet. Diese alten Hasen sollten das rechte 181 A.[lbert] N.[EUMANN]: Traum ohne Ende, BZ vom 22.04.1947, S. 2. 182 Vgl. NEUMANN, Irma: Brief an Eckhard Schimpf vom 15.01.1995 183 Ebenda. 184 KÖPF, Peter: Schreiben nach jeder Richtung, Goebbels-Propagandisten in der westdeutschen Nachkriegspresse, Berlin 1995, S. 147. 185 Vgl. Handbuch der deutschen Tagespresse, 7. Auflage, Leipzig 01.10.1944, s. Personenregister und Seitenverweise. 48 Leserspektrum im Braunschweiger Raum mit ihren Beiträgen „zur Demokratie erziehen“. „Wir sind der festen Überzeugung, daß die sachliche Nachrichtengebung und die Erziehung des Publikums, seinen gesunden Menschenverstand zu benutzen, um sich über diese Nachrichten ein Urteil zu bilden, nicht von Journalisten betrieben werden kann, die die letzten 12 Jahre damit zugebracht haben und auch die Gegenwart damit zubringen werden, die Tatsachen nicht ehrlich zu geben, sondern sie zu verdrehen und sie zu unterdrücken“.186 Ab 01.09.1949 durften Tageszeitungen täglich erscheinen, was die BZ sofort nutzte. Die Herausgabe einer Zeitung ohne Lizenz war auch nach Gründung der Bundesrepublik 1949 immer noch illegal.187 Anfang September waren die Lizenzverleger von bekannt gewordenen Plänen mehrerer Altverleger alarmiert worden: „Die westdeutschen Zeitungsverleger werden […] Mittel und Wege erörtern, um den Versuch ehemaliger Nationalsozialisten in die deutsche Presse einzudringen, zu vereiteln.“ Der Vorsitzende des Zeitungsverlegerverbandes, Emil Groß, sagte, „im Gebiet von Lüneburg [werden] sechs nationalsozialistische Zeitungen erscheinen.[...] Wenn nichts unternommen wird, [...] fehlt nur noch das Hakenkreuz im Kopf der Zeitung.[...] Das käme einer möglichen ersten Niederlage der deutschen Demokratie“188 gleich. Am 06.09.1949 wurde auf die Rechtslage hingewiesen: „Die Militärregierung [...] macht darauf aufmerksam, daß die Bestimmungen bezüglich Veröffentlichungen noch immer in Kraft sind und es auch weiter bleiben, bis gegenteilige Bekanntmachungen hierüber erfolgen.“189 Der ausgewiesene Nationalsozialist und Altverleger Harald Voigt war durch die Beteiligung seiner Ehefrau Isolde Voigt mit Duldung der Militärregierung schon in die deutsche Presse eingedrungen, als das Druckhaus Albert Limbach für den Eckensberger Verlag im Lohndruck die BZ seit Januar 1946 herstellte. „Am 21. Sept. 1949 trat im Rahmen des Besatzungsstatuts für die Bundesrepublik das Gesetz Nr. 5 der Alliierten Hohen Kommission über Presse, den Rundfunk, die Berichterstattung und die Unterhaltungsstätten in Kraft. Damit waren alle Lizenzverordnungen in Gefolge der Gesetze Nr. 191 und 195 [in dem der Lizenzzwang festgelegt war] aufgehoben“190 Durch diese „Generallizenz“ war es jedem gestattet, Zeitungen und Zeitschriften zu drucken. Das Grundgesetz war in Kraft und fast alle Bundesorgane waren gewählt worden. Nur die Bundeshauptstadt stand noch nicht fest. Die Presse-und Meinungsfreiheit war weitgehend gewährleistet. Die alliierten Vorbehaltsrechte bestanden dennoch gemäß Gesetz Nr. 5 weiter191. Noch bis zum 12.10.1949 erschien im Impressum der BZ der Zusatz „Zulassung Nr. 2 der Militärregierung, Lizenzträger und Chefredakteur Hans 186 General BISHOP: Wir wollen die Gesinnungspresse, zit. nach DPA, in: BZ vom 04.11.1947, S. 4. 187 Vgl. Warnung an illegale Presse, in: BZ vom 06.09.1949, S. 1. 188 Verleger wehren sich, in: BZ vom 01.09.1949, S. 1. 189 Warnung an illegale Presse, in: BZ vom 06.09.1949, S. 1. 190 HÜFFER, Jürgen Benedikt: Vom Lizenzpressesystem zur Wettbewerbspresse, in: Dortmunder Beiträge zur Zeitungsforschung, Bd. 54, Hg. Bohrmann, Hans, Toepser-Ziegert, Gabriele, München 1995, S. 246. 191 Ebenda. S. 246. 49 Eckensberger“. Der Verleger Hans Eckensberger war jetzt aus der Verpflichtung der britischen Militärregierung entlassen, eine sozialdemokratische Zeitung herauszugeben, die maßgeblich von Albert Neumann geprägt wurde, und er konnte nicht mehr für jedes Wort, was gedruckt wurde, verantwortlich gemacht werden. Dennoch enthielt der Zeitungskopf schon seit der Ausgabe Nr. 104 vom 16.12.1947 den Zusatz: „Die unabhängige politische Zeitung“ Erst ab dem 28.06.1949 betrachtete sich der Verleger Hans Eckensberger als „nicht [mehr] parteigebunden“192 Folgende Worte, die auf eine Äußerung Eckensbergers zwischen 1946 und 1966 gegenüber seinen Redakteuren zurückgehen müssen, wurden in seinem Nachruf gedruckt. „Seine Funktion als Chefredakteur der früheren 'Braunschweiger Neuesten Nachrichten' […] hatte er 1936 aufgeben müssen [...].“193 Demnach wäre er auch bei der BNN nicht nur bis 1933, sondern bis 1936 und beim Arbeitertum bis 1941 wie seine Kollegen Sänger und Schwibbe ein nationalsozialistischer Aktivist gewesen, die als „Anhänger und Förderer des Nationalsozialismus hätten zur Rechenschaft gezogen werden müssen. [...] Aktivist ist insbesondere, sofern er nicht gar hauptschuldig ist, wer durch Wort und Tat, wie Reden, Veröffentlichungen, Spenden wesentlich zur Errichtung, Festigung oder Aufrechterhaltung der 194 nationalsozialistischen Gewaltherrschaft beitrug.“ Die Zeit ab August 1934 ist nicht geklärt, da Hans Eckensberger in Leipzig nicht gemeldet war. „Wir [konnten] zu den von Ihnen angefragten Sachverhalten keine Unterlagen ermitteln. Wir können Ihnen lediglich mitteilen, dass ein "Hans Eckensberger, Kaufmann" in den Leipziger Adressbüchern der Jahre 1937 bis 1943 als Bewohner in der König-Johann-Straße 24 nachgewiesen ist, 1936 noch nicht und 1947/48 nicht mehr. Für die Jahre 1944 1946 liegen uns keine Adressbücher vor.“ 195 War Hans Eckensberger von der Altverlegerfamilie in deren Verlagen Limbach und Thalacker als Gesellschafter 1945/46 aufgenommen worden, um zu retten, was zu retten war, wurde Isolde Voigt als Gesellschafterin in den Verlag Eckensberger & Co. am 27.04.1950 mit einer Einlage von 20.000 DM aufgenommen. Gleichzeitig reduzierte sich die Einlage seiner Schwester Elli Hoffmann auf 20.000 DM. Die Familie Voigt war jetzt am Filetstück Braunschweiger Zeitung beteiligt, die eine Monopolstellung in der Region erreicht hatte, und es Neugründungen später unmöglich machten, hier länger zu existieren.196 Diese schon seit 1945 bestehende „von monetären Zielsetzungen“ 197 geprägte Kooperation von Alt- und Lizenzverleger war in dieser Konstellation in der Bundesrepublik einmalig gewesen. Der Einfluss des Altverlegers Harald Voigt machte sich dann sehr bald bemerkbar. 192 Das gedruckte Wort: in BZ vom 07./08.01.1956, S. 3. 193 Abschied von Hans Eckensberger, in: BZ vom 13./14.01.1966, S. 1. 194 Aus Entnazifizierungsgesetz für Deutschland, zit. nach BZ vom 18.10.1946, S. 4. 195 Mitteilung des Sächsischen Staatsarchiv Staatsarchiv Leipzig vom 27.07.2011, Az 337512.20/11/2044. 196 Die Braunschweiger Nachrichten erschien vom 15.05.1953 bis 03.11.56; auch die Braunschweiger Presse gab bald auf. 197 LUDWIG, Johannes: Lizenzverleger zwischen Monopol und Wettbewerb, in: Publizistik, Jg. 47, 2002, Heft 2, S. 156. 50 Mit Zustimmung des Altverlegers Hans Eckensberger wurde am 07.07.1950 der Kopf des Impressums, politische Zäsuren ignorierend, neu gestaltet: „BRAUNSCHWEIGER ZEITUNG Braunschweiger Landeszeitung, gegr. 1880 / Braunschweiger Allgemeiner Anzeiger, gegr. 1896 / Braunschweiger Neueste Nachrichten gegr. 1897 / Braunschweiger Bote später Braunschweiger Neue Presse, gegr. 1945.“198 Was diese Zeitungen verband und was damit signalisiert werden sollte: Entweder waren wir Verleger - Eckensberger, Hugo,Voigt, Harald - oder ich, Hans Eckensberger, war Schriftleiter in der Weimarer Republik, im „Dritten Reich“, während der Militärregierungszeit und nun in der Bundesrepublik (Ich kann „schreiben (lassen) in jede Richtung“) oder diese Zeitungen wurden bei uns – Eckensberger/Leonhardt/Voigt - auch immer gedruckt. Tradition, so verstanden, ist resistent, aus Fehlern zu lernen, ist reaktionär und belastend.199 Trotz der jüdischen Wurzeln seiner Frau hatte er Gelegenheit, in der BNN bis 1936 und im Arbeitertum bis 1941 weltanschauliche Artikel zu veröffentlichen.200 1958 erstritt er „wegen der Rasse meiner Frau“ 20.000 DM Vermögensentschädigung wegen entgangener Verlegertätigkeit für die Zeit von 1934 bis 1945. 201 Dank der Herkunft seiner Frau änderte sich sein Vermögen von minus 18.000 RM auf plus 18.000.000 DM oder mehr.202 Trotz der „Rasse“ seiner Frau blieb er ihr 25 Jahre ein treuer Kamerad und sie ihm „die treueste Kameradin“203 bis der Tod sie schied.204 Friedrich Walz [email protected] Abbildung Seite 1 : Braunschweiger Zeitung Nr. 1 vom 8.Januar 1946, S. 1. Abbildung Seite 2: 125 Jahre Druckhaus Limbach, 1990, S. 10. 198 Braunschweiger Zeitung vom 07.07.1950. S. 2. 199 Vgl. auch BRENNECKE, R., TYLACK, G.: 125 Jahre Druckhaus Limbach, 1990. Hier insbesondere Henning VOIGT: Tradition und Zukunft, S. 3. 200 „Als Leiter des Reichsverbandes der Deutschen Presse oblag ihm [Wilhelm Weiß] die Durchführung des Schriftleitergesetzes. Bei der Anwendung der Bestimmungen des Gesetzes, nach dem niemand Schriftleiter sein konnte, der nicht in die Berufsliste eingetragen war, übte er in manchen Fällen, selbst bei jüdischen Journalisten, Toleranz, was für seine Menschlichkeit spricht.“ HALE, O. J.: Presse in der Zwangsjacke 1933 – 1945., Düsseldorf 1965, S. 45f. 201 Vgl. Entschädigungsakte Hans Eckensberger, 4 Nds Nr. 500 Zg 41/1992. 202 SCHIMPF, E. : Verleger Hans Eckensberger Ein Porträt, BZ vom Nov. 2009, S. W4. 203 Todesanzeige der Margarete Eckensberger, in: BZ vom 15.05.1951, S. 5. 204 Auch heute noch meinen viele, es gäbe eine jüdische Rasse. Das wurde zuletzt aufgegriffen von: SAND, Shlomo: Die Erfindung des jüdischen Volkes, Berlin 2010. 51 52