„Beethoven dem MENSCHEN gewidmet“ Der Beethoven-Biograph Alexander Wheelock Thayer Sonderausstellung im Beethoven-Haus Bonn 19. Mai bis 5. September 2010 Alexander Wheelock Thayer (1817-1897) hat Jahrzehnte seines Lebens damit verbracht, auf der Grundlage von authentischen Quellen eine umfassende Biographie Beethovens zu erstellen. Dem ersten Band gab Thayer 1866 statt eines Vorworts zwei Briefe – Verfasser an Übersetzer und vice versa – vorweg. In diesem Schreiben legt er deutlich seine Prämissen fest: „Beethoven der COMPONIST scheint mir durch seine Werke hinlänglich bekannt zu sein; in dieser Voraussetzung wurde von mir die lange und ermüdende Arbeit so mancher Jahre Beethoven dem MENSCHEN gewidmet“. Und dieses Zitat wiederum lässt sich nicht nur auf seine Beethoven-Biographie, sondern auch auf sein eigenes Leben beziehen. Und so ist es mehr als verdient, seine vielfältigen und äußerst fruchtbaren Aktivitäten im Rahmen dieser Ausstellung einem größeren Personenkreis bekannt zu machen. Raum 7 (1. Stock): Die ersten beiden Vitrinen dokumentieren Thayers vielseitige Ausbildung, geben einen Überblick über seinen beruflichen Werdegang und zeigen sein wachsendes Interesse an Beethoven. Er wurde im Oktober 1817 in South Natick, Massachusetts als ältestes Kind des Arztes Alexander Thayer und seiner Frau Susanna Biglow geboren. Nachdem er sich in der Phillips Academy in Andover auf die Aufnahmeexamen für die Harvard University vorbereitet hatte, begann er dort 1839 das Studium der Fächer Philosophie, Volkswirtschaftslehre, Physik und Jura. 1843 machte er mit seiner Arbeit „The Tendencies of Modern Philosophy“ den Baccalaureus Artium, 1846 folgte der Magistertitel und zwei Jahre später erlangte er schließlich noch den Bachelor of Law an der ältesten noch existierenden juristischen Ausbildungsstätte der USA. Während des Studiums verdiente er sich seinen Lebensunterhalt als Proctor (Supervisor) und als Assistent an der Harvard Library. Der glühende Musikliebhaber besuchte in Boston – Musikzentrum der amerikanischen Ostküste – viele Konzerte und verfasste zahlreiche Rezensionen. Hin und wieder betätigte er sich auch selbst kompositorisch, z.B. verfasste er den ausgestellten Psalm C zur Unterstützung des Ankaufs eines der raren Exemplare der ersten 1663 in Amerika gedruckten Bibel für das Stadtarchiv in Natick. Der britische Missionar John Eliot hatte dort 1660 die erste Indianerkirche gegründet und den Bibeltext in eine der indianischen Sprachen übersetzt. Vitrine 2: Beeindruckt von Beethovens Musik las Thayer auf der Suche nach weiteren Informationen die BeethovenBiographie von Anton Schindler (1841) und die Biographischen Notizen von Franz Gerhard Wegeler und Ferdinand Ries (1838). Durch Diskrepanzen zwischen beiden aufmerksam geworden, reifte sein Plan, eine ausschließlich auf authentische Quellen und Fakten gestützte Lebensbeschreibung Beethovens zu veröffentlichen. Hierfür unternahm er mehrere Reisen nach Europa, die erste führte ihn 1849 zu Beethovens Geburtsort, wo er auch die deutsche Sprache erlernte. 1858 erschien in der Zeitschrift „The Atlantic Monthly“ seine erste Publikation über Beethoven, die die Kindheit und Jugend des Komponisten thematisiert. Nach gründlicher Recherche spricht Thayer sich für das Haus in der Bonngasse als Beethovens Geburtshaus aus. Seinen Lebensunterhalt verdiente sich Thayer als Publizist. Er schrieb für den Boston Courier, die New York Tribune, das Dwight’s Journal of Music und verfasste verschiedene KomponistenArtikel für amerikanische Lexika. Ein Londoner Melderegister von 1861 nennt als Berufsbezeichnung „Literary occupation“. Ein Jahr später konnte er dann eine feste Anstellung als Assistent des amerikanischen Botschafters in Wien antreten. 1864 wurde er zum amerikanischen Konsul in Triest ernannt; die von Abraham Lincoln unterzeichnete Ernennungsurkunde und Fotos seines Wohnhauses sind an der Wand zu sehen, sein repräsentatives Dienstsiegel liegt in Vitrine 2. Triest war damals österreichisches Protektorat und der einzige Hafen der Monarchie. Die 1866 vorgesehene Berufung zum Konsul in Wien hätte durch den Standortwechsel eine nahezu perfekte Möglichkeit geboten, den Spagat zwischen seinen beruflichen Verpflichtungen und seinen BeethovenForschungen zu erleichtern, aber leider versagte der Senat die Bestätigung. Thayers erste Publikation in Buchform „Signor Masoni and other papers of the late I. Brown“ enthält 10 musikalische Novellen, die zuvor bereits einzeln in Dwight’s Journal of Music erschienen waren. Das Buch ist Auguste Grimm gewidmet, der Tochter von Wilhelm Grimm, dessen Familie Thayer 1855 bei seinem Aufenthalt in Berlin kennen gelernt hatte. Vitrine 3: Nachdem sie einige Jahre in brieflichem Kontakt gestanden hatten, schenkte Thayer Auguste Grimm eine fragmentarische Beethoven-Handschrift, die im Faksimile gezeigte Partiturskizze zum Schottischen Lied „Sunset“ op. 108 Nr. 2, von ihm mit Echtheitsbestätigung und Widmung versehen. Im Original zu sehen ist die vom Komponisten überprüfte Stichvorlage der Schottischen Lieder für die deutsche Originalausgabe, die bei Schlesinger in Berlin erschien. Thayers Beethoven-Forschungen mündeten 1865 in die Publikation des ersten „Chronologischen Verzeichnisses der Werke Ludwig van Beethovens“, in dem die Werke im Gegensatz zum 1851 erschienenen Werkverzeichnis nicht nach Opus-Zahlen, sondern nach der Reihenfolge ihrer Entstehung geordnet sind. Statt der bislang gelisteten 138 Werke enthält das Verzeichnis nun 298 Werke – einige Kanons wurden hier zum ersten Mal überhaupt veröffentlicht. Außerdem fügte Thayer auch ein Verzeichnis von Beethovens musikalischem Nachlass samt gerichtlicher Inventur und Schätzung hinzu, das er allerdings nach einer anderen als der hier gezeigten Abschrift des Auktionsprotokolls erstellte. Bei dem ausgestellten Buch handelt es sich um Thayers eigenes Exemplar, versehen mit eigenhändigen Ergänzungen und interessanten Einlagen. Wie mehrere selbstkritische Äußerungen in Briefen an den Übersetzer seiner Biographie, Hermann Deiters, belegen, war der Autor sich der unvermeidlichen Fehler in einem solchen Verzeichnis durchaus bewusst und hoffte auf deren Korrekturen in einer möglichen zweiten Auflage. Deiters (Fotografie an der Wand) hatte er 1860 bei einem Besuch in Bonn kennen gelernt. Einen Eindruck des Umfangs des ausgiebigen Briefwechsels zwischen Thayer und seinem Übersetzer und Zuarbeiter Deiters vermag die Mappe mit 125 Briefen und Karten an Deiters in Vitrine 4 zu vermitteln. Der Philologe, Jurist und Musikforscher hatte schon an der berühmten MozartBiographie seines Lehrers Otto Jahn intensiv mitgewirkt. 1866 erschien der erste Band der Beethoven-Biographie, der Beethovens Leben in Bonn und seine ersten Wiener Jahre bis 1795 beschreibt. In dem statt Vorwort abgedruckten Brief an den Übersetzer findet sich nicht nur das Titelzitat dieser Ausstellung, sondern auch eine ausdrückliche Bekräftigung der Absicht des Autors, die „einzig und allein die Ermittlung und Mittheilung der genauen Wahrheit“ war. Thayer widmete das Buch seiner Tante Mrs. Mehetabel Adams und dem Komponisten und Gründer der Bostoner Musikakademie Lowell Mason, dessen Musikalienbestände er katalogisiert hatte. Beide hatten Thayers Forschungen großzügig finanziell unterstützt. In Vitrine 5 wird beispielhaft gezeigt, wie Thayer bei seiner Arbeit methodisch vorging. So befragte er systematisch Zeitgenossen Beethovens wie den Sänger Joseph August Röckel, der bei der Uraufführung der 2. Fassung des Fidelio den Florestan sang und die Schauspielerin Antonie von Arneth, die Beethoven anlässlich der Komposition zu Goethes Drama „Egmont“ kennen gelernt hatte, in dem sie bei der Wiener Erstaufführung die Rolle des Klärchens spielte. Auch begab er sich immer wieder an einstige Aufenthaltsorte Beethovens, um dort nach Zeitzeugen zu suchen, Dokumente zu sichten und weitere Erkundigungen einzuziehen. Der zweite Band der Biographie erschien durch eine längere Krankheit Thayers und Überlastung durch seine konsularischen Verpflichtungen verzögert im Jahr 1872. Er behandelt die Jahre 1796 bis 1806. Band III über die Jahre 1807-1816 folgte erst Ende 1879, da Deiters als Direktor eines Gymnasiums nur wenig Zeit für die aufwändige Nebentätigkeit finden konnte. Thayer setzte sich auch weiterhin kritisch mit der vorhandenen Beethoven-Literatur auseinander und publizierte seine Erkenntnisse über Dichtung und Wahrheit in einem „Kritischen Beitrag zur Beethoven Literatur“. Grundlage waren zwei Vorträge, die er im Schiller-Verein hielt, der sich der Pflege von deutscher Literatur und Musik in Triest widmete. Drei Jahre vor seinem Tod wurde Thayer zum Ehrenmitglied ernannt, 1896 war er Präsident des Sing-Vereins dieser Gesellschaft. Durch seine Beethoven-Biographie wurde Thayer ein europaweit geachteter Autor. Der in der dritten Person formulierte biographische Abriss ist möglicherweise für einen selbstverfassten Lexikoneintrag gedacht gewesen. Der Brief an Hermann Deiters in Vitrine 6 enthält einen weiteren Lebenslauf, der als Grundlage für den Thayer-Artikel in „Meyers Konversations-Lexikon“ (1893-1897) gedacht war. Der als Autorität in Sachen Beethoven längst anerkannte Thayer steuerte zum ehrgeizigsten Musiklexikon der damaligen Zeit, „Grove’s Dictionary of Music and Musicians“ (18791889), um die 20 Artikel bei, die alle in Beziehung zu Beethoven standen. Thayer, dessen Gesundheit schon seit vielen Jahren schwach war, litt in Folge der Arbeitsüberlastung – seine Forschungen mussten ja stets neben seiner beruflichen Tätigkeit erfolgen – zunehmend unter gesundheitlichen Beschwerden und klagte über starke Kopfschmerzen. Sein Arzt empfahl, Beethoven beiseite zu legen und sich mit einer leichteren Arbeit zu beschäftigen. Er stellte Forschungen zum Auszug der Israeliten aus Ägypten an und veröffentlichte mehrere Artikel und zwei Bücher zu diesem Thema. Außerdem verfasste er ein Märchen für Kinder, welches selbst getextete und vertonte Lieder enthält, aber nie veröffentlicht wurde. Obwohl Thayer 1882 sein Amt als amerikanischer Konsul niedergelegt hatte, um sich ganz der Beethoven-Biographie widmen zu können, schleppte sich die Fortführung voran. Durch seine gesundheitlichen Probleme in seiner Leistungsfähigkeit stark eingeschränkt, bereitete ihm nun auch die Finanzierung seiner Forschungen zunehmend Sorge. An Deiters schrieb er, dass seine Schwierigkeiten mit der Fortsetzung der Biographie auch inhaltlicher Natur seien, da es ihm zunehmend schwerer falle, die Handlungsweisen vor allem des späten Beethoven zu verstehen und seine nicht immer gerade positiven Charaktereigenschaften wahrheitsgemäß darzustellen. Als äußerst anstrengend, aber inhaltlich notwendig, empfand er auch die Lektüre von Beethovens Konversationsheften, deren Originale ihm die Königliche Bibliothek in Berlin nach Triest schickte, einmal mehr ein Beweis seines ausgezeichneten Rufs als Beethoven-Forscher. Das Ausmaß seiner Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung kommt in seinem letzten erhaltenen Brief an Deiters (verfasst Weihnachten 1891) zum Ausdruck. Der Verein Beethoven-Haus hatte sich im Februar 1889 mit der Zielsetzung gegründet, das Geburtshaus zu erwerben, zu restaurieren, als Gedenkstätte einzurichten und zu erhalten. Thayer unterstützte den Verein mit einem großen Benefizkonzert in Triest und schrieb zahlreiche Briefe an amerikanische Freunde mit der Bitte um finanzielle Beiträge für das Bonner Projekt. Für den Verein war es eine Selbstverständlichkeit, mit Thayer jene Persönlichkeit mit den größten Verdiensten um die Kenntnis von Beethovens Biographie durch die Verleihung der Ehrenmitgliedschaft zu würdigen. Seine Forschungen über Beethovens Bonner Jahre hatten grundlegend dazu beigetragen, dass das Geburtshaus identifiziert und in seinem symbolischen Wert erkannt wurde. Thayers dankbares und bewegendes Antwortschreiben ist in Vitrine 7 zu sehen. Im Frühjahr 1890 wurde die Eröffnung der Gedenkstätte mit dem hervorragend besetzten ersten Kammermusikfest gefeiert, das der berühmte Violinist Joseph Joachim als Ehrenpräsident des Vereins leitete. Im Saal der Lese- und Erholungsgesellschaft zeigte man die bis heute umfangreichste Beethoven-Ausstellung mit Leihgaben aus ganz Europa, zu der auch Thayer beitrug. Er freute sich immer, wenn Leute nach Triest kamen, um seine umfangreiche Beethoven-Sammlung zu besichtigen, weshalb er seine Leihgaben beschränkte: Neben fünf Briefen von Beethoven an seinen Freund Nikolaus Zmeskall – von denen einer hier, ein weiterer im unteren Ausstellungsraum im Original zu sehen ist – stellte er zwei Skizzenblätter, einen Beethoven-Stich (ein Exemplar ist an der Wand zu sehen) sowie seine Kopie des berühmten Gemäldes von Mähler, das Beethoven 1804 in einer idyllischen Landschaft zeigt, zur Verfügung. Die ausgestellten Fotografien fertigte der damals beste Bonner Photograph, Emil Koch, an. Drei Jahre später schenkte Thayer dem Beethoven-Haus einen Abguss seiner von Francesco Pezzicar angefertigten Portraitbüste. Die Witwe Deiters bot dem Verein Beethoven-Haus die Thayer-Briefe aus dem Nachlass an. Sie stellte auch eine Fotografie ihres verstorbenen Mannes zur Verfügung, die sie sich neben die von Thayer wünschte. Diesem Wunsch kommen wir heute in der Ehrenmitgliedergalerie im Erdgeschoss gerne nach. Vitrine 8: In seinem 80. Lebensjahr verstarb Alexander Wheelock Thayer am 15. Juli 1897 in seinem Haus in Triest. In seinem Testament setzte er als Haupterbin seine Nichte Susan Thayer Fox, Tochter seines Bruders Henry, ein; weitere Erben waren seine drei Neffen. Thayer hinterließ eine respektable Bibliothek mit tausenden von Büchern, mehr als 100 davon über Beethoven. Die Sammlung wurde am 8. und 9. Februar 1898 beim Autkionshaus C.F. Libbie & Co. in Boston versteigert. Seine Beethoveniana lieferte Susan Fox bei Sotheby’s in London ein, wo sie am 18. Februar 1899 unter den Hammer kamen. Zahlreiche Zeitungen und Zeitschriften vermeldeten Thayers Tod, im Bonner GeneralAnzeiger verfasste Erich Prieger einen ausführlichen Nachruf. Im Gegensatz zu Thayers Werk fiel sein Grab der Vergessenheit anheim und wurde erst 1964 von John Sabec, dem Assistenten des amerikanischen Konsuls, wieder aufgefunden. Thayer konnte den als letzten Band geplanten Band IV seiner Beethoven-Biographie also nicht mehr vollenden. Im Sommer 1898 erhielt Hermann Deiters von Susan Fox sämtliche Materialien. Thayer selbst hatte mehrfach eine Revision der schon erschienenen Bände gefordert, weshalb Deiters 1901 eine Neuausgabe von Band I herausgab. Er entschied sich aber dann, vor der Neubearbeitung der anderen Bände erst die Gesamtbiographie abzuschließen. Er bemerkte bald, dass ein Band für die Beschreibung von Beethovens letzten Lebensjahren und eine Bewertung seiner Hauptwerke nicht ausreichen würde und erweiterte die Biographie auf fünf Bände. Als Deiters 1907 verstarb, hatte er gerade noch die Korrekturbögen zu Band IV einsehen können. Die Verlagsrechte waren in der Zwischenzeit von Breitkopf & Härtel erworben worden. Der Verlag übertrug die letzte Überarbeitung von Band IV (erschien noch 1907) sowie die Herausgabe des dann im folgenden Jahr vorgelegten letzten Bandes dem anerkannten Musikhistoriker, -theoretiker und Lexikographen Hugo Riemann. Dieser gab 1910/11 dann auch die revidierten Ausgaben von Band II und III heraus und unterzog schließlich 1917 Band I einer weiteren Überarbeitung. Raum 12 (Erdgeschoss), Vitrine 1: Schon Thayer selbst hatte sich mehrfach bemüht, auch eine englisch-amerikanische Ausgabe seiner Biographie herauszubringen. Nach seinem Tod verfolgte Susan Fox seinen Willen, indem sie Thayers Manuskripte und seine Übertragungen der Konversationshefte dem Musikforscher Henry Edward Krehbiel übergab, mit dem Thayer bereits kooperiert hatte. Die dreibändige Ausgabe erschien nach einigen Finanzierungsproblemen schließlich 1921 in New York. Die Urheberrechtsbescheinigung ist neben Krehbiels Portrait an der Wand zu sehen. In der Vitrine ausgestellt sind Krehbiels eigene Bände, die eine herausragende Besonderheit aufweisen: Krehbiel hatte von Thayers Nichte auch 30 Briefe von Zeitgenossen Beethovens an Thayer erhalten, die unschätzbare Informationsquellen darstellen. Diese Briefe ließ er in seine Ausgabe einbinden. Aufgeschlagen ist der Brief von Anselm Hüttenbrenner, der anwesend war, als Beethoven starb und über seinen Tod Bericht erstattet. Die letzten drei Vitrinen zeigen Beethoveniana aus Thayers Besitz. Mehrere seiner Manuskripte befinden sich dank glücklicher Fügungen heute im Beethoven-Haus. So hatte Hans Conrad Bodmer, der seine gesamte Beethoven-Sammlung 1956 dem Beethoven-Haus vermachte, einige der Schätze erworben. Vitrine 2: Der Nachdruck der Lithographie von Johann Peter Lyser aus Thayers Nachlass befand sich bis vor kurzem noch im Eigentum seiner Nachfahren, wohingegen der beiliegende Brief Lysers Bestandteil der Sammlung Bodmer ist. Das Skizzenblatt zum Goethe-Lied „Mignon“ war bereits bei der Ausstellung 1890 in Bonn zu sehen. Edward Speyer, der mit Thayer gut bekannt gewesen war, hatte es bei der Londoner Auktion erworben und zuletzt befand es sich ebenfalls in Bodmers Besitz. Zu den Erinnerungsstücken gehörte auch ein weißes Leinenhemd, das ein Jahr vor Beethovens Tod für ihn angefertigt wurde und das Thayer 1864 von Joseph Hüttenbrenner, dem Bruder von Anselm Hüttenbrenner, erhielt. Die Beethoven-Locken bekam Thayer getrennt vom Wiener Musikverleger Jeremias Bermann und vom Komponisten Anton Halm, der die Locke 1826 auf dringendes Bitten seiner Frau vom Komponisten selbst erhalten hatte. Hemd und Locken befinden sich heute in amerikanischem Privatbesitz. Die Partiturskizze zum 1. Satz des Streichquartetts B-Dur op. 130 in Vitrine 3 gehörte ursprünglich zu einem umfangreicheren Bündel von Skizzenblättern. Der Vorbesitzer Alexander W. Thayer bestätigte unten rechts die Echtheit der Handschrift. Der Beethoven-Brief an Nikolaus Zmeskall vom November 1802 (Sammlung H.C. Bodmer) wurde vermutlich auch 1890 schon in Bonn ausgestellt. Beethovens Bücherschrank steht heute in der Musikbibliothek der University of Pennsylvania, Thayer hat ihn laut beiliegender Notiz um 1860 vom Musikverleger Franz Glöggl gekauft, der ihn wiederum von Ferdinand Piringer erworben hatte. Der Direktor der Wiener Concert spirituel hatte den Schrank bei der Auktion von Beethovens Hausrat ersteigert. Noch weitaus interessanter ist jedoch das Innenleben des Schranks, befand sich doch auf der Innenseite eine von Thayer angefertigte und von Gerhard von Breuning ausführlich kommentierte genaue Lageskizze zu Beethovens letzter Wohnung im Schwarzspanierhaus. Wahrscheinlich entstand sie bei einem gemeinsamen Besuch der Wohnung im Gedenken an den Jahrestag von Beethovens Bestattung am 29. März 1860. Im Shop kann eine digitale Rekonstruktion von Beethovens letzter Wohnung auf CD-Rom erworben werden. Vitrine 4: Beethovens Brief an den Librettisten seiner Oper „Fidelio“ Friedrich Treitschke befand sich ebenfalls in Thayers Eigentum. Er fertigte ein Gutachten und eine Textübertragung an. Beethovens die Posaunenstimmen im 2. und 4. Satz seiner 9. Symphonie ergänzende Handschrift gehörte einst Franz Schubert. Thayer bot 1862 für die Witwe von Schuberts Bruder Ferdinand Musikalien aus dem Nachlass ihres Schwagers der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien an. Damals dürfte er in den Besitz der vorliegenden Handschrift gekommen sein. Die Ausstellung schließt mit einem Rückverweis auf Thayer und seine Beziehung zum Beethoven-Haus. Edward Hennell, ein Freund des Cellisten des Joachim-Quartetts und Mitglied des Vereins Beethoven-Haus erstellte ein aufwändig gestaltetes und inhaltsreiches Erinnerungsalbum über seinen Aufenthalt in Bonn anlässlich des Kammermusikfestes 1890. Er berichtet, dass Thayer beim abschließenden Festessen „naturally the heroe of the occasion“ gewesen sei. Auf dem Vorsatzblatt signierte Thayer ein Portraitfoto und fügte hinzu: „And now, is it at the Bonn or Bayreuth festival that the heart is he more touched, and the noblest emotions of the soul the more awakened and stirred to their very depths?” Hennell wurde auch dem Ehrenpräsidenten Joseph Joachim vorgestellt, der einstmals dafür gesorgt hatte, dass Thayer – in heutiger Zeit undenkbar – das so genannte LeonorenSkizzenbuch im Original nach Triest geschickt bekam, um es in Ruhe studieren zu können. Aufgeschlagen ist ein Albumblatt mit Notenincipits der späten Streichquartette Beethovens, geschrieben und signiert von den Mitgliedern des Joachim-Quartetts. Am 4. Tag des Kammermusikfestes konzertierten sie mit drei Beethoven-Quartetten. Die Radierung nach einer eigenen Zeichnung von Ferdinand Schmutzer an der Wand zeigt das Joachim-Quartett beim Spiel des Streichquartettes op. 59, Nr. 3. Außerdem ist eine Reproduktion des einzigen erhaltenen Ölportraits von Thayer zu sehen, das die Malerin Margarete Auguste Fritze 1886 in Berlin anfertigte. Es befindet sich heute in der umfangreichen Privatsammlung des ThayerForschers Luigi Bellofatto. Wie Thayer sein Leben Beethoven, so hat er gewissermaßen sein Leben nun Thayer gewidmet. Ohne seine umfangreichen Forschungen – veröffentlicht in drei Artikeln in den Bonner Beethoven-Studien Bd. 5, 6 und 8 (2006, 07, 09) – seine ausgiebigen Beratungen und die Bereitschaft, wichtige Objekte und Dokumente als Leihgaben zur Verfügung zu stellen, hätte diese Ausstellung nicht zustande kommen können. Für die unkomplizierte Kooperation sprechen wir Herrn Bellofatto unseren herzlichen Dank aus! N.K. / M.L. Beethoven-Haus Bonn Bonngasse 20 D-53111 Bonn www.beethoven-haus-bonn.de Alexander Wheelock Thayer beim 1. Kammermusikfest im Mai 1890