Kurz Beethoven_Hindmith_d.qxd - Beethoven-Haus

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„Beethoven dem MENSCHEN gewidmet“
Der Beethoven-Biograph
Alexander Wheelock Thayer
Sonderausstellung im Beethoven-Haus Bonn
19. Mai bis 5. September 2010
Alexander Wheelock Thayer (1817-1897) hat Jahrzehnte
seines Lebens damit verbracht, auf der Grundlage von
authentischen Quellen eine umfassende Biographie
Beethovens zu erstellen. Dem ersten Band gab Thayer 1866
statt eines Vorworts zwei Briefe – Verfasser an Übersetzer
und vice versa – vorweg. In diesem Schreiben legt er deutlich
seine Prämissen fest: „Beethoven der COMPONIST scheint
mir durch seine Werke hinlänglich bekannt zu sein; in dieser
Voraussetzung wurde von mir die lange und ermüdende
Arbeit so mancher Jahre Beethoven dem MENSCHEN gewidmet“. Und dieses Zitat wiederum lässt sich nicht nur auf seine
Beethoven-Biographie, sondern auch auf sein eigenes Leben
beziehen. Und so ist es mehr als verdient, seine vielfältigen
und äußerst fruchtbaren Aktivitäten im Rahmen dieser
Ausstellung einem größeren Personenkreis bekannt zu
machen.
Raum 7 (1. Stock):
Die ersten beiden Vitrinen dokumentieren Thayers vielseitige
Ausbildung, geben einen Überblick über seinen beruflichen
Werdegang und zeigen sein wachsendes Interesse an
Beethoven. Er wurde im Oktober 1817 in South Natick,
Massachusetts als ältestes Kind des Arztes Alexander Thayer
und seiner Frau Susanna Biglow geboren. Nachdem er sich in
der Phillips Academy in Andover auf die Aufnahmeexamen für
die Harvard University vorbereitet hatte, begann er dort 1839
das Studium der Fächer Philosophie, Volkswirtschaftslehre,
Physik und Jura. 1843 machte er mit seiner Arbeit „The
Tendencies of Modern Philosophy“ den Baccalaureus Artium,
1846 folgte der Magistertitel und zwei Jahre später erlangte er
schließlich noch den Bachelor of Law an der ältesten noch
existierenden juristischen Ausbildungsstätte der USA.
Während des Studiums verdiente er sich seinen Lebensunterhalt als Proctor (Supervisor) und als Assistent an der
Harvard Library. Der glühende Musikliebhaber besuchte in
Boston – Musikzentrum der amerikanischen Ostküste – viele
Konzerte und verfasste zahlreiche Rezensionen. Hin und
wieder betätigte er sich auch selbst kompositorisch, z.B. verfasste er den ausgestellten Psalm C zur Unterstützung des
Ankaufs eines der raren Exemplare der ersten 1663 in
Amerika gedruckten Bibel für das Stadtarchiv in Natick. Der
britische Missionar John Eliot hatte dort 1660 die erste
Indianerkirche gegründet und den Bibeltext in eine der indianischen Sprachen übersetzt.
Vitrine 2: Beeindruckt von Beethovens Musik las Thayer auf
der Suche nach weiteren Informationen die BeethovenBiographie von Anton Schindler (1841) und die
Biographischen Notizen von Franz Gerhard Wegeler und
Ferdinand Ries (1838). Durch Diskrepanzen zwischen beiden
aufmerksam geworden, reifte sein Plan, eine ausschließlich
auf authentische Quellen und Fakten gestützte
Lebensbeschreibung Beethovens zu veröffentlichen. Hierfür
unternahm er mehrere Reisen nach Europa, die erste führte
ihn 1849 zu Beethovens Geburtsort, wo er auch die deutsche
Sprache erlernte. 1858 erschien in der Zeitschrift „The
Atlantic Monthly“ seine erste Publikation über Beethoven, die
die Kindheit und Jugend des Komponisten thematisiert. Nach
gründlicher Recherche spricht Thayer sich für das Haus in der
Bonngasse als Beethovens Geburtshaus aus. Seinen
Lebensunterhalt verdiente sich Thayer als Publizist. Er schrieb
für den Boston Courier, die New York Tribune, das Dwight’s
Journal of Music und verfasste verschiedene KomponistenArtikel für amerikanische Lexika. Ein Londoner Melderegister
von 1861 nennt als Berufsbezeichnung „Literary occupation“.
Ein Jahr später konnte er dann eine feste Anstellung als
Assistent des amerikanischen Botschafters in Wien antreten.
1864 wurde er zum amerikanischen Konsul in Triest ernannt;
die von Abraham Lincoln unterzeichnete Ernennungsurkunde
und Fotos seines Wohnhauses sind an der Wand zu sehen,
sein repräsentatives Dienstsiegel liegt in Vitrine 2. Triest war
damals österreichisches Protektorat und der einzige Hafen
der Monarchie. Die 1866 vorgesehene Berufung zum Konsul
in Wien hätte durch den Standortwechsel eine nahezu
perfekte Möglichkeit geboten, den Spagat zwischen seinen
beruflichen Verpflichtungen und seinen BeethovenForschungen zu erleichtern, aber leider versagte der Senat
die Bestätigung.
Thayers erste Publikation in Buchform „Signor Masoni and
other papers of the late I. Brown“ enthält 10 musikalische
Novellen, die zuvor bereits einzeln in Dwight’s Journal of
Music erschienen waren. Das Buch ist Auguste Grimm gewidmet, der Tochter von Wilhelm Grimm, dessen Familie Thayer
1855 bei seinem Aufenthalt in Berlin kennen gelernt hatte.
Vitrine 3: Nachdem sie einige Jahre in brieflichem Kontakt
gestanden hatten, schenkte Thayer Auguste Grimm eine
fragmentarische Beethoven-Handschrift, die im Faksimile
gezeigte Partiturskizze zum Schottischen Lied „Sunset“
op. 108 Nr. 2, von ihm mit Echtheitsbestätigung und Widmung
versehen. Im Original zu sehen ist die vom Komponisten überprüfte Stichvorlage der Schottischen Lieder für die deutsche
Originalausgabe, die bei Schlesinger in Berlin erschien.
Thayers Beethoven-Forschungen mündeten 1865 in die
Publikation des ersten „Chronologischen Verzeichnisses der
Werke Ludwig van Beethovens“, in dem die Werke im
Gegensatz zum 1851 erschienenen Werkverzeichnis nicht
nach Opus-Zahlen, sondern nach der Reihenfolge ihrer
Entstehung geordnet sind. Statt der bislang gelisteten 138
Werke enthält das Verzeichnis nun 298 Werke – einige
Kanons wurden hier zum ersten Mal überhaupt veröffentlicht.
Außerdem fügte Thayer auch ein Verzeichnis von Beethovens
musikalischem Nachlass samt gerichtlicher Inventur und
Schätzung hinzu, das er allerdings nach einer anderen als der
hier gezeigten Abschrift des Auktionsprotokolls erstellte. Bei
dem ausgestellten Buch handelt es sich um Thayers eigenes
Exemplar, versehen mit eigenhändigen Ergänzungen und
interessanten Einlagen. Wie mehrere selbstkritische Äußerungen in Briefen an den Übersetzer seiner Biographie, Hermann
Deiters, belegen, war der Autor sich der unvermeidlichen
Fehler in einem solchen Verzeichnis durchaus bewusst und
hoffte auf deren Korrekturen in einer möglichen zweiten
Auflage. Deiters (Fotografie an der Wand) hatte er 1860 bei
einem Besuch in Bonn kennen gelernt.
Einen Eindruck des Umfangs des ausgiebigen Briefwechsels
zwischen Thayer und seinem Übersetzer und Zuarbeiter
Deiters vermag die Mappe mit 125 Briefen und Karten an
Deiters in Vitrine 4 zu vermitteln. Der Philologe, Jurist und
Musikforscher hatte schon an der berühmten MozartBiographie seines Lehrers Otto Jahn intensiv mitgewirkt. 1866
erschien der erste Band der Beethoven-Biographie, der
Beethovens Leben in Bonn und seine ersten Wiener Jahre bis
1795 beschreibt. In dem statt Vorwort abgedruckten Brief an
den Übersetzer findet sich nicht nur das Titelzitat dieser
Ausstellung, sondern auch eine ausdrückliche Bekräftigung
der Absicht des Autors, die „einzig und allein die Ermittlung
und Mittheilung der genauen Wahrheit“ war. Thayer widmete
das Buch seiner Tante Mrs. Mehetabel Adams und dem
Komponisten und Gründer der Bostoner Musikakademie
Lowell Mason, dessen Musikalienbestände er katalogisiert
hatte. Beide hatten Thayers Forschungen großzügig finanziell
unterstützt.
In Vitrine 5 wird beispielhaft gezeigt, wie Thayer bei seiner
Arbeit methodisch vorging. So befragte er systematisch
Zeitgenossen Beethovens wie den Sänger Joseph August
Röckel, der bei der Uraufführung der 2. Fassung des Fidelio
den Florestan sang und die Schauspielerin Antonie von Arneth,
die Beethoven anlässlich der Komposition zu Goethes Drama
„Egmont“ kennen gelernt hatte, in dem sie bei der Wiener
Erstaufführung die Rolle des Klärchens spielte. Auch begab er
sich immer wieder an einstige Aufenthaltsorte Beethovens,
um dort nach Zeitzeugen zu suchen, Dokumente zu sichten
und weitere Erkundigungen einzuziehen.
Der zweite Band der Biographie erschien durch eine längere
Krankheit Thayers und Überlastung durch seine konsularischen
Verpflichtungen verzögert im Jahr 1872. Er behandelt die
Jahre 1796 bis 1806. Band III über die Jahre 1807-1816 folgte
erst Ende 1879, da Deiters als Direktor eines Gymnasiums
nur wenig Zeit für die aufwändige Nebentätigkeit finden konnte.
Thayer setzte sich auch weiterhin kritisch mit der vorhandenen
Beethoven-Literatur auseinander und publizierte seine
Erkenntnisse über Dichtung und Wahrheit in einem
„Kritischen Beitrag zur Beethoven Literatur“. Grundlage waren
zwei Vorträge, die er im Schiller-Verein hielt, der sich der
Pflege von deutscher Literatur und Musik in Triest widmete.
Drei Jahre vor seinem Tod wurde Thayer zum Ehrenmitglied
ernannt, 1896 war er Präsident des Sing-Vereins dieser
Gesellschaft.
Durch seine Beethoven-Biographie wurde Thayer ein europaweit geachteter Autor. Der in der dritten Person formulierte
biographische Abriss ist möglicherweise für einen selbstverfassten Lexikoneintrag gedacht gewesen.
Der Brief an Hermann Deiters in Vitrine 6 enthält einen
weiteren Lebenslauf, der als Grundlage für den Thayer-Artikel
in „Meyers Konversations-Lexikon“ (1893-1897) gedacht war.
Der als Autorität in Sachen Beethoven längst anerkannte
Thayer steuerte zum ehrgeizigsten Musiklexikon der damaligen
Zeit, „Grove’s Dictionary of Music and Musicians“ (18791889), um die 20 Artikel bei, die alle in Beziehung zu
Beethoven standen.
Thayer, dessen Gesundheit schon seit vielen Jahren schwach
war, litt in Folge der Arbeitsüberlastung – seine Forschungen
mussten ja stets neben seiner beruflichen Tätigkeit erfolgen –
zunehmend unter gesundheitlichen Beschwerden und klagte
über starke Kopfschmerzen. Sein Arzt empfahl, Beethoven
beiseite zu legen und sich mit einer leichteren Arbeit zu
beschäftigen. Er stellte Forschungen zum Auszug der
Israeliten aus Ägypten an und veröffentlichte mehrere Artikel
und zwei Bücher zu diesem Thema. Außerdem verfasste er ein
Märchen für Kinder, welches selbst getextete und vertonte
Lieder enthält, aber nie veröffentlicht wurde.
Obwohl Thayer 1882 sein Amt als amerikanischer Konsul niedergelegt hatte, um sich ganz der Beethoven-Biographie widmen
zu können, schleppte sich die Fortführung voran. Durch seine
gesundheitlichen Probleme in seiner Leistungsfähigkeit stark
eingeschränkt, bereitete ihm nun auch die Finanzierung
seiner Forschungen zunehmend Sorge. An Deiters schrieb er,
dass seine Schwierigkeiten mit der Fortsetzung der
Biographie auch inhaltlicher Natur seien, da es ihm zunehmend schwerer falle, die Handlungsweisen vor allem des
späten Beethoven zu verstehen und seine nicht immer gerade
positiven Charaktereigenschaften wahrheitsgemäß darzustellen. Als äußerst anstrengend, aber inhaltlich notwendig,
empfand er auch die Lektüre von Beethovens Konversationsheften, deren Originale ihm die Königliche Bibliothek in Berlin
nach Triest schickte, einmal mehr ein Beweis seines ausgezeichneten Rufs als Beethoven-Forscher. Das Ausmaß seiner
Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung kommt in seinem letzten
erhaltenen Brief an Deiters (verfasst Weihnachten 1891) zum
Ausdruck.
Der Verein Beethoven-Haus hatte sich im Februar 1889 mit
der Zielsetzung gegründet, das Geburtshaus zu erwerben, zu
restaurieren, als Gedenkstätte einzurichten und zu erhalten.
Thayer unterstützte den Verein mit einem großen
Benefizkonzert in Triest und schrieb zahlreiche Briefe an amerikanische Freunde mit der Bitte um finanzielle Beiträge für
das Bonner Projekt. Für den Verein war es eine
Selbstverständlichkeit, mit Thayer jene Persönlichkeit mit den
größten Verdiensten um die Kenntnis von Beethovens
Biographie durch die Verleihung der Ehrenmitgliedschaft zu
würdigen. Seine Forschungen über Beethovens Bonner Jahre
hatten grundlegend dazu beigetragen, dass das Geburtshaus
identifiziert und in seinem symbolischen Wert erkannt wurde.
Thayers dankbares und bewegendes Antwortschreiben ist in
Vitrine 7 zu sehen. Im Frühjahr 1890 wurde die Eröffnung der
Gedenkstätte mit dem hervorragend besetzten ersten
Kammermusikfest gefeiert, das der berühmte Violinist Joseph
Joachim als Ehrenpräsident des Vereins leitete. Im Saal der
Lese- und Erholungsgesellschaft zeigte man die bis heute
umfangreichste Beethoven-Ausstellung mit Leihgaben aus
ganz Europa, zu der auch Thayer beitrug. Er freute sich immer,
wenn Leute nach Triest kamen, um seine umfangreiche
Beethoven-Sammlung zu besichtigen, weshalb er seine
Leihgaben beschränkte: Neben fünf Briefen von Beethoven an
seinen Freund Nikolaus Zmeskall – von denen einer hier, ein
weiterer im unteren Ausstellungsraum im Original zu sehen ist –
stellte er zwei Skizzenblätter, einen Beethoven-Stich (ein
Exemplar ist an der Wand zu sehen) sowie seine Kopie des
berühmten Gemäldes von Mähler, das Beethoven 1804 in
einer idyllischen Landschaft zeigt, zur Verfügung. Die ausgestellten Fotografien fertigte der damals beste Bonner
Photograph, Emil Koch, an. Drei Jahre später schenkte Thayer
dem Beethoven-Haus einen Abguss seiner von Francesco
Pezzicar angefertigten Portraitbüste.
Die Witwe Deiters bot dem Verein Beethoven-Haus die
Thayer-Briefe aus dem Nachlass an. Sie stellte auch eine
Fotografie ihres verstorbenen Mannes zur Verfügung, die sie
sich neben die von Thayer wünschte. Diesem Wunsch kommen
wir heute in der Ehrenmitgliedergalerie im Erdgeschoss gerne
nach.
Vitrine 8: In seinem 80. Lebensjahr verstarb Alexander
Wheelock Thayer am 15. Juli 1897 in seinem Haus in Triest. In
seinem Testament setzte er als Haupterbin seine Nichte
Susan Thayer Fox, Tochter seines Bruders Henry, ein; weitere
Erben waren seine drei Neffen. Thayer hinterließ eine respektable Bibliothek mit tausenden von Büchern, mehr als
100 davon über Beethoven. Die Sammlung wurde am 8. und
9. Februar 1898 beim Autkionshaus C.F. Libbie & Co. in
Boston versteigert. Seine Beethoveniana lieferte Susan Fox
bei Sotheby’s in London ein, wo sie am 18. Februar 1899
unter den Hammer kamen. Zahlreiche Zeitungen und
Zeitschriften vermeldeten Thayers Tod, im Bonner GeneralAnzeiger verfasste Erich Prieger einen ausführlichen Nachruf.
Im Gegensatz zu Thayers Werk fiel sein Grab der
Vergessenheit anheim und wurde erst 1964 von John Sabec,
dem Assistenten des amerikanischen Konsuls, wieder aufgefunden.
Thayer konnte den als letzten Band geplanten Band IV seiner
Beethoven-Biographie also nicht mehr vollenden. Im Sommer
1898 erhielt Hermann Deiters von Susan Fox sämtliche
Materialien. Thayer selbst hatte mehrfach eine Revision der
schon erschienenen Bände gefordert, weshalb Deiters 1901
eine Neuausgabe von Band I herausgab. Er entschied sich
aber dann, vor der Neubearbeitung der anderen Bände erst
die Gesamtbiographie abzuschließen. Er bemerkte bald, dass
ein Band für die Beschreibung von Beethovens letzten
Lebensjahren und eine Bewertung seiner Hauptwerke nicht
ausreichen würde und erweiterte die Biographie auf fünf
Bände. Als Deiters 1907 verstarb, hatte er gerade noch die
Korrekturbögen zu Band IV einsehen können. Die Verlagsrechte waren in der Zwischenzeit von Breitkopf & Härtel
erworben worden. Der Verlag übertrug die letzte Überarbeitung von Band IV (erschien noch 1907) sowie die
Herausgabe des dann im folgenden Jahr vorgelegten letzten
Bandes dem anerkannten Musikhistoriker, -theoretiker und
Lexikographen Hugo Riemann. Dieser gab 1910/11 dann auch
die revidierten Ausgaben von Band II und III heraus und unterzog schließlich 1917 Band I einer weiteren Überarbeitung.
Raum 12 (Erdgeschoss), Vitrine 1:
Schon Thayer selbst hatte sich mehrfach bemüht, auch eine
englisch-amerikanische Ausgabe seiner Biographie herauszubringen. Nach seinem Tod verfolgte Susan Fox seinen Willen,
indem sie Thayers Manuskripte und seine Übertragungen der
Konversationshefte dem Musikforscher Henry Edward Krehbiel
übergab, mit dem Thayer bereits kooperiert hatte. Die
dreibändige Ausgabe erschien nach einigen Finanzierungsproblemen schließlich 1921 in New York. Die Urheberrechtsbescheinigung ist neben Krehbiels Portrait an der Wand zu
sehen. In der Vitrine ausgestellt sind Krehbiels eigene Bände,
die eine herausragende Besonderheit aufweisen: Krehbiel
hatte von Thayers Nichte auch 30 Briefe von Zeitgenossen
Beethovens an Thayer erhalten, die unschätzbare Informationsquellen darstellen. Diese Briefe ließ er in seine Ausgabe einbinden. Aufgeschlagen ist der Brief von Anselm Hüttenbrenner, der anwesend war, als Beethoven starb und über
seinen Tod Bericht erstattet.
Die letzten drei Vitrinen zeigen Beethoveniana aus Thayers
Besitz. Mehrere seiner Manuskripte befinden sich dank glücklicher Fügungen heute im Beethoven-Haus. So hatte Hans
Conrad Bodmer, der seine gesamte Beethoven-Sammlung
1956 dem Beethoven-Haus vermachte, einige der Schätze
erworben.
Vitrine 2: Der Nachdruck der Lithographie von Johann Peter
Lyser aus Thayers Nachlass befand sich bis vor kurzem noch
im Eigentum seiner Nachfahren, wohingegen der beiliegende
Brief Lysers Bestandteil der Sammlung Bodmer ist. Das
Skizzenblatt zum Goethe-Lied „Mignon“ war bereits bei der
Ausstellung 1890 in Bonn zu sehen. Edward Speyer, der mit
Thayer gut bekannt gewesen war, hatte es bei der Londoner
Auktion erworben und zuletzt befand es sich ebenfalls in
Bodmers Besitz. Zu den Erinnerungsstücken gehörte auch ein
weißes Leinenhemd, das ein Jahr vor Beethovens Tod für ihn
angefertigt wurde und das Thayer 1864 von Joseph
Hüttenbrenner, dem Bruder von Anselm Hüttenbrenner,
erhielt. Die Beethoven-Locken bekam Thayer getrennt vom
Wiener Musikverleger Jeremias Bermann und vom
Komponisten Anton Halm, der die Locke 1826 auf dringendes
Bitten seiner Frau vom Komponisten selbst erhalten hatte.
Hemd und Locken befinden sich heute in amerikanischem
Privatbesitz.
Die Partiturskizze zum 1. Satz des Streichquartetts B-Dur
op. 130 in Vitrine 3 gehörte ursprünglich zu einem umfangreicheren Bündel von Skizzenblättern. Der Vorbesitzer
Alexander W. Thayer bestätigte unten rechts die Echtheit der
Handschrift. Der Beethoven-Brief an Nikolaus Zmeskall vom
November 1802 (Sammlung H.C. Bodmer) wurde vermutlich
auch 1890 schon in Bonn ausgestellt. Beethovens Bücherschrank steht heute in der Musikbibliothek der University of
Pennsylvania, Thayer hat ihn laut beiliegender Notiz um 1860
vom Musikverleger Franz Glöggl gekauft, der ihn wiederum
von Ferdinand Piringer erworben hatte. Der Direktor der
Wiener Concert spirituel hatte den Schrank bei der Auktion
von Beethovens Hausrat ersteigert. Noch weitaus interessanter
ist jedoch das Innenleben des Schranks, befand sich doch auf
der Innenseite eine von Thayer angefertigte und von Gerhard
von Breuning ausführlich kommentierte genaue Lageskizze zu
Beethovens letzter Wohnung im Schwarzspanierhaus.
Wahrscheinlich entstand sie bei einem gemeinsamen Besuch
der Wohnung im Gedenken an den Jahrestag von Beethovens
Bestattung am 29. März 1860. Im Shop kann eine digitale
Rekonstruktion von Beethovens letzter Wohnung auf CD-Rom
erworben werden.
Vitrine 4: Beethovens Brief an den Librettisten seiner Oper
„Fidelio“ Friedrich Treitschke befand sich ebenfalls in Thayers
Eigentum. Er fertigte ein Gutachten und eine Textübertragung
an. Beethovens die Posaunenstimmen im 2. und 4. Satz
seiner 9. Symphonie ergänzende Handschrift gehörte einst
Franz Schubert. Thayer bot 1862 für die Witwe von Schuberts
Bruder Ferdinand Musikalien aus dem Nachlass ihres
Schwagers der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien an.
Damals dürfte er in den Besitz der vorliegenden Handschrift
gekommen sein.
Die Ausstellung schließt mit einem Rückverweis auf Thayer
und seine Beziehung zum Beethoven-Haus. Edward Hennell,
ein Freund des Cellisten des Joachim-Quartetts und Mitglied
des Vereins Beethoven-Haus erstellte ein aufwändig gestaltetes und inhaltsreiches Erinnerungsalbum über seinen
Aufenthalt in Bonn anlässlich des Kammermusikfestes 1890.
Er berichtet, dass Thayer beim abschließenden Festessen
„naturally the heroe of the occasion“ gewesen sei. Auf dem
Vorsatzblatt signierte Thayer ein Portraitfoto und fügte hinzu:
„And now, is it at the Bonn or Bayreuth festival that the heart
is he more touched, and the noblest emotions of the soul the
more awakened and stirred to their very depths?” Hennell
wurde auch dem Ehrenpräsidenten Joseph Joachim vorgestellt, der einstmals dafür gesorgt hatte, dass Thayer – in
heutiger Zeit undenkbar – das so genannte LeonorenSkizzenbuch im Original nach Triest geschickt bekam, um es
in Ruhe studieren zu können. Aufgeschlagen ist ein
Albumblatt mit Notenincipits der späten Streichquartette
Beethovens, geschrieben und signiert von den Mitgliedern
des Joachim-Quartetts. Am 4. Tag des Kammermusikfestes
konzertierten sie mit drei Beethoven-Quartetten. Die
Radierung nach einer eigenen Zeichnung von Ferdinand
Schmutzer an der Wand zeigt das Joachim-Quartett beim
Spiel des Streichquartettes op. 59, Nr. 3.
Außerdem ist eine Reproduktion des einzigen erhaltenen
Ölportraits von Thayer zu sehen, das die Malerin Margarete
Auguste Fritze 1886 in Berlin anfertigte. Es befindet sich
heute in der umfangreichen Privatsammlung des ThayerForschers Luigi Bellofatto. Wie Thayer sein Leben Beethoven,
so hat er gewissermaßen sein Leben nun Thayer gewidmet.
Ohne seine umfangreichen Forschungen – veröffentlicht in
drei Artikeln in den Bonner Beethoven-Studien Bd. 5, 6 und 8
(2006, 07, 09) – seine ausgiebigen Beratungen und die
Bereitschaft, wichtige Objekte und Dokumente als Leihgaben
zur Verfügung zu stellen, hätte diese Ausstellung nicht zustande kommen können. Für die unkomplizierte Kooperation
sprechen wir Herrn Bellofatto unseren herzlichen Dank aus!
N.K. / M.L.
Beethoven-Haus Bonn
Bonngasse 20
D-53111 Bonn
www.beethoven-haus-bonn.de
Alexander Wheelock Thayer beim 1. Kammermusikfest im Mai 1890
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