Die grüne Revolution - hi

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VERBRAUCHER
Hildesheimer Allgemeine Zeitung
Die grüne Revolution
Diätmittel
hält nicht, was
es verspricht
Hannover. „Die Magenverkleinerung zum Trinken“ – so der Slogan des Diät-Systems Slimsticks.
Es soll helfen, schnell und einfach abzunehmen. Ganz einfach,
ohne Hunger und ohne Sport.
Die Verbraucherzentrale warnt
Verbraucher davor, sich von den
Werbeversprechen blenden zu
lassen: Slimsticks ist kein Medikament, sondern lediglich ein
Nahrungsergänzungsmittel, das
bei einer Diät unterstützend wirken kann. Wird es überdosiert
oder mit zu wenig Wasser eingenommen, können Verstopfungen
mit starken Schmerzen oder eine
Unterversorgung mit Vitaminen
die Folge sein.
Bereits im vergangenen Jahr
war das Diät-Mittel Slimsticks in
der Kritik: Werbeanzeigen im
Internet lockten Verbraucher mit
vermeintlich kostenlosen Probepaketen in Abofallen. Pünktlich
zum Frühjahr sind nun wieder
zahlreiche Internetseiten online,
die mit zweifelhaften Versprechen werben, darunter etwa
www.slimsticks-gratis.de sowie
www.slimsticks-apotheke.de.
„Die Aufmachung und der
Adresszusatz ,Apotheke’ können
den Eindruck erwecken, es handele sich um ein zugelassenes
Medikament“, sagt Brigitte Ahrens, Ernährungsexpertin der
Verbraucherzentrale
Niedersachsen. Auch bei den positiven
Rezensionen des Mittels auf der
Herstellerseite handelt es sich
großenteils um Fälschungen.
„Hier dürfen sich Verbraucher
nicht täuschen lassen. „Slimsticks“ ist lediglich ein Nahrungsergänzungsmittel, das zwar zum
Gewichtsverlust beitragen, bei
falscher Anwendung jedoch
auch zu Problemen führen
kann.“
Montag, 13. Februar 2017
Längst sind Algen auch jenseits der asiatischen Küche auf den Speisezetteln zu finden. Denn
Spirulina, Kombu und Co. werden Wunderdinge nachgesagt – zu Recht?
Von Bettina Levecke
S
eit einigen Jahren wächst in
Deutschland das Interesse an
Algen in der Küche. Nicht nur
der Sushi-Boom hat dafür gesorgt, dass die meisten Menschen
bei Algen nicht nur an glitschige
Teppiche in der Ostsee, sondern
auch an leckeres Seafood auf dem
Teller denken. Hinzu kommen zahlreiche
Gesundheitsversprechen
vom Markt der Nahrungsergänzungsmittel, die Spirulina oder
Chlorella in Tabletten- und Pulverform anpreisen. Für Veganer und
Vegetarier sollen Algen zum Beispiel ein wertvoller Lieferant für Vitamin B12 sein. Zudem seien die
Meeresfrüchte reich an Mineralien
und Vitaminen. Klingt gut, aber:
Stimmt das auch?
Alge ist nicht gleich Alge
Wer von Algen spricht, bezieht sich
auf eine große Bandbreite. Denn das
Wort Alge ist nur ein Überbegriff,
ähnlich wie Obst oder Gemüse. „Es
gibt vermutlich weit mehr als
500 000 verschiedene Algenarten“,
sagt Prof. Dr. Sascha Rohn, Leiter
des Instituts für Lebensmittelchemie der Universität Hamburg. Nur
500 seien bisher näher bekannt,
weil der Mensch sie nutzt. Etwa als
Biotreibstoff.
„Für die Ernährung zugelassen
ist in Europa davon nur ein Bruchteil“, so Rohn. Algen sind eine der
artenreichsten Pflanzengruppen.
Die Ein- oder Mehrzeller leben im
Salzwasser, im Süßwasser, auf Böden, Pilzen oder Flechten. Unterschieden wird dabei zwischen Mikro- und Makroalgen. Mikroalgen
sind mikroskopisch klein und mit
dem Auge nicht erkennbar. Makroalgen können bis zu 60 Meter lang
Nahrungsergänzungsmittel auf Algenbasis liegen im Trend.
FOTOS: ISTOCK, FOTOLIA
werden. Makroalgen sind mit Vorsicht zu genießen. Sie kommen als
Lebensmittel, beispielsweise als Salat, Suppenzutat oder gedünstetes
Gemüse, zum Einsatz. In Asien werden frische Algen verwendet, in
Deutschland bekommen Verbraucher das Seegemüse fast ausschließlich getrocknet. Bekannte Sorten
sind unter anderem Nori, Wakame,
Kombu oder Dulse.
Die Algen, die aus dem freien
Meer oder speziellen Züchtungen in
Off-Shore-Anlagen stammen, können für die Gesundheit eine ganze
Menge Vorteile mitbringen, sagt Dr.
Karlis Briviba, Bio-Mediziner am
Max-Rubner-Institut (MRI) in Karlsruhe: „Algen sind kalorienarm und
Eine Jod-Überdosis
kann gesundheitliche
Folgen haben.
Antje Gahl,
Deutsche Gesellschaft
für Ernährung
liefern Proteine, Mineralstoffe, Vitamine und Omega-3-Fettsäuren.“
Allerdings sei ein exakter Nährstoffgehalt kaum zu bestimmen. Denn
nicht nur die einzelnen Algenarten
variieren stark, auch die Umweltbedingungen, der Erntezeitpunkt oder
die Herstellung zum Trockenprodukt haben erheblichen Einfluss auf
die Qualität eines Produkts. Eine
Garantie für die erforderliche Tagesdosis Eisen, Jod oder Omega-3Fettsäuren könnten Algen damit
nicht mitbringen. „Für Verbraucher
ist es nahezu unmöglich, ihre Nährstoffaufnahme mit Algen exakt zu
ermitteln.“
Ein regelmäßiger und hoher Verzehr von Meeresalgen ist zudem
durchaus mit Risiken verbunden,
denn: Algen filtern nicht nur die guten Stoffe aus dem Wasser. Das Bundesinstitut für Risikobewertung
(BfR) hat darum während seines umfangreichen Lebensmittel-Monitorings 2013 getrocknete Algen auf
Schwermetalle untersucht und in allen Proben Blei gefunden. Auch
Quecksilber, Cadmium oder Arsen
können sich in den Wasserpflanzen
anreichern. Eine Belastung für den
Verbraucher sei nicht auszuschließen, sagt Briviba.
Problemfall Jodzufuhr
Hinzu kommt der Risikofaktor Jod.
Getrocknete Meeresalgen können
einen sehr hohen Jodgehalt aufweisen: „Es gibt Algen, die haben über
5000 Milligramm pro Kilogramm“,
sagt Briviba. Bei dieser Konzentration
können schon kleine Verzehrmengen von 10 Gramm zu einer riskanten
Jodaufnahme führen. Algen, die
mehr als 20 Milligramm Jod pro Kilogramm enthalten, müssen in
Deutschland gekennzeichnet sein.
Antje Gahl von der Deutschen Ge-
sellschaft für Ernährung rät Verbrauchern dazu, nur Produkte mit genauen Jodangaben zu verzehren – und
die maximale Verzehrmenge einzuhalten. Das gelte ganz besonders für
Menschen mit bestehenden Schilddrüsenerkrankungen. „Hier kann
eine Überdosierung mit Jod schwere
gesundheitliche Folgen haben.“
Mikroalgen sind jodarm und in der
Regel nicht von Schwermetallen belastet, da sie durch Trinkwasser gespeist werden. Je nachdem, mit welchen Mineralien und Zusätzen das
Wasser angereichert wird, entwickelt
sich der Nährstoffgehalt der Pflanzen. Das hat Vorteile: „Durch diesen
industriellen Anbau kann man sehr
genau planen, welche Algenqualität
erreicht werden soll“, erläutert Briviba vom MRI. Allerdings setze der Anbau eine exakte Prüfung voraus: „In
den Becken sammeln sich sehr
schnell auch andere Algenarten oder
Bakterien an und es kommt zu Verunreinigungen“, sagt der Experte und
warnt besonders vor Algenpulvern
und -extrakten, die nicht aus europäischer Herstellung stammen.
Antje Gahl rät von Nahrungsergänzungsmitteln ab: „Bei einer
ausgewogenen Ernährung sind solche Produkte nicht erforderlich.“
Auch auf Superfood-Produkte, wie
Smoothies mit Algen, könnten Verbraucher verzichten: „Die enthaltenen Algenmengen sind viel zu gering, um damit einen gesundheitlichen Vorteil zu erzielen.“ Eine Ausnahme kann Omega-3-reiches Algenöl sein, das als Novel Food zugelassen ist und nicht nur in Nahrungsergänzungsmitteln zum Einsatz
kommt. „Wenn wir mit gezüchteten
Algen den Omega-3-Fettsäuren-Bedarf der Bevölkerung decken, können wir aufhören, die Meere leerzufischen“, meint Professor Rohn.
Sind Algen
Alleskönner?
▶ Und was ist mit B12?
Die Studienlage zur Vitamin-B12-Versorgung durch Algen ist noch dünn
und betrifft nur wenige Sorten. Ein regelmäßiger Verzehr von Chlorellaund Nori-Algen kann – laut einer finnischen Rohkost-Studie – den B-12Spiegel im Blut bei Veganern etwas
verbessern. Ob die Zufuhr langfristig
ausreicht, ist damit nicht belegt. Viele
Algen enthalten zudem einen Großteil
inaktives B12, das für den Körper nicht
verwertbar ist. „Algen sind daher als
alleinige Vitamin-B12-Quelle ungeeignet“, sagt Antje Gahl. „Spirulina und
andere Produkte mit Cyanobakterien,
die als natürliche Quelle für Vitamin
B12 ausgelobt werden, enthalten sogar gar kein für den Menschen bioverfügbares Vitamin B12.“
▶ Was sagt die Forschung?
Glaubt man den Versprechen mancher Hersteller, können Algen nicht
nur den Nährstoffbedarf decken, sondern gleichzeitig auch noch Krankheiten heilen. Wissenschaftliche Studien
konnten das bisher jedoch nicht belegen. Am Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie in Halle wurden Algenwirkstoffe identifiziert, die auf Proteine
wirken, die bei Alzheimer eine Rolle
zu spielen scheinen. „Wir stehen in
der Erforschung der komplexen Algenwelt aber noch ganz am Anfang“,
sagt Prof. Dr. Sascha Rohn. Er sieht
eine wachsende Rolle von Algen vor
allem in der Ernährung. Bereits heute
stecken in vielen Lebensmitteln Algenzusätze als Stabilisator, Bindeund Geliermittel. Süßwassermikroalgen, die in industriell produziert werden können, sind – da ist Rohn überzeugt – ein Rohstoff der Zukunft.
MIN KÜRZEM
Vitaminmangel
trocknet Lippen aus
Baierbrunn. Immer wieder fährt
die Zunge über die winzigen Einrisse am Mundwinkel – und macht
es nur noch schlimmer. Sogenannte Rhagaden, wie die Risse in der
Fachsprache heißen, werden besser mit Lippenpflegestiften mit
Dexpanthenol oder Melissenextrakt behandelt, empfiehlt die
„Apotheken Umschau“. Speichel
trocknet die Lippen nur noch weiter aus. Bleiben die Risse über längere Zeit oder kommen sie immer
wieder, kann ein Mangel an Vitamin B12 oder Eisen dahinterstecken. Patienten sollten in diesem
Fall einen Bluttest machen lassen.
Manchmal genügt schon eine Umstellung der Ernährung, um den
Mangel zu beheben.
E-Perso bald auch in
den Niederlanden
Bonn. Besitzer eines elektronischen Personalausweises können
die Online-Ausweisfunktion (E-ID)
künftig auch in den Niederlanden
nutzen. Die deutsche Infrastruktur
zur Identifizierung sei dazu in die
entsprechende niederländische integriert worden, wie das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) mitteilt. Niederländische Verwaltungsdienste sollen nun nach und nach an das System angeschlossen werden. Hierzulande kann man mit dem E-Perso bereits bei Behörden oder Krankenkassen Anträge stellen. Es ist
aber auch möglich, Bankkonten zu
eröffnen oder bei Versicherungen
Policen abzuschließen – vorausgesetzt, eine freigeschaltete E-ID und
ein Lesegerät sind vorhanden.
MZAHLEN, BITTE!M
Welches biometrische
Zahlungs-AutorisierungsVerfahren würden Sie nutzen?
Iris-Scan
22 %
Stimmprofil
6%
Herzschlagrate
81 %
36 %
RND-Grafik;
Quelle: Bitkom
Fingerabdruck
Die reinste Normalität
Vom Kriegsgebiet in die Kosmetikwelt: Aleppo-Seife ist gefragt, ihre Herkunft weniger
Bassam Al Machout zeigt auf seiner
Internetseite zhenobya.de Bilder
von der Schönheit Palmyras aus der
Zeit, bevor das Weltkulturerbe
durch die IS-Truppen zerstört wurde. Seine Firma hat er nach Zhenobya, der berühmtesten Herrscherin
dieser antiken Stadt, benannt. Das
frische Grün der Oase und das Gelbbraun der Ruinen sind auch die Farben, die das Produkt ausmachen,
das Al Machout gemeinsam mit seinem Bruder Nawras von Stuttgart
aus in ganz Europa vertreibt: Seife
aus Aleppo.
Vor Ausbruch des Bürgerkriegs
war Aleppo vielen Menschen
außerhalb Syriens kein Begriff.
Heute ist die Stadt weltweit Sinnbild
für Terror, Tod, Hunger, Angst und
Verzweiflung. Geradezu zynisch
klingt es da, wenn in Beautyforen
Frauen, deren größtes Problem darin besteht, unreine Haut in den
Griff zu kriegen, Kommentare wie
„Aleppo-Seife ist mein Retter“
schreiben. Bio-Kosmetik aus der
Giftgashölle – wie passt das zusammen?
Nicht jedes Produkt, auf dem
Aleppo-Seife draufsteht, stammt
tatsächlich auch aus der umkämpften Stadt. Die aus Oliven- und Lorbeeröl bestehende Seife, die vor
rund 2000 Jahren in Syrien erfunden wurde, wird seit 2011 vermehrt
in Frankreich, Italien, dem Libanon,
Jordanien, Ägypten oder der Türkei
hergestellt – oft von syrischen Seifensiedern, die
aus ihrer Heimat
geflüchtet sind.
Vor
Ausbruch
des Krieges gab
es rund 200 Produzenten
in
Edle Seifen aus Syrien werden derzeit stark nachgefragt. FOTO: ZHENOBYA
Aleppo. Jetzt, sagt Bassam Al Machout, seien es noch vier. Mit zwei
Familien arbeitet er zusammen. Er
kann den Einwand, dass es doch
makaber sei, sich ein Pflegeprodukt
zu gönnen, das aus einer Gegend
stammt, in der Menschen täglich
ums Überleben kämpfen, nachvollziehen. Doch er sagt auch, dass die
Arbeit der Seifensieder eben auch
zum Überleben beitrage: „Jedes
Stück Seife, das sie herstellen, ist
auch gleichzeitig ein Stück Normalität und ein
Stück Hoffnung für sie.“
Al
Machout ist stolz
darauf, dass
seine Seife aus
Aleppo
stammt. Es reiche nicht, die
Rezeptur anzuwenden, das
Sieden sei eine
Kunst für sich, und auch die Zutaten
müssten eine bestimmte Qualität haben. Für die Seife und ihre antiseptische Wirkung sei daher das syrische
Olivenöl das beste. Das Lorbeeröl
stammt indes aus der Türkei. Die Öle
werden in Kesseln mit in Wasser gelöster Sodaasche vermischt und auf
200 Grad erhitzt. Übrig bleibt eine
hellgrüne Paste, die, auf dem Fußboden ausgebreitet, aushärtet. Nach
dem Stempeln und Schneiden lagert
die Seife mindestens sechs Monate in
besonders belüfteten Gewölben
unter dem Wüstensand. Äußerlich
nimmt sie eine gelbbraune Färbung
an. Erst nach acht Jahren verwandle
sich auch der grüne Kern vollständig
in einen braunen, so Al Machout.
Dann sei die Seife besonders geschmeidig.
Der Händler ließ eine Fabrikhalle nahe Aleppo sanieren. Seit Anfang des Jahres ist sie in Betrieb. Zuvor hatten die Arbeiter in kleinen
Kesseln in Privaträumen gesiedet.
In der Fabrik kann die Produktion,
die nur in den kalten Monaten von
November bis März möglich ist, nun
gesteigert werden. Mehr als 60 Tonnen sollen es werden. Ungewiss ist,
wann die Ware in Deutschland ankommt. Zunächst muss sie von
Aleppo in die Hafenstadt Latakia
gebracht werden, von dort aus wird
sie nach Hamburg verschifft. Die
Autoroute sei oftmals schwer passierbar und auch im Hafen komme
es zu Verzögerungen, sagt Al Machout.
Der Händler stammt aus Damaskus und lebt nun seit mittlerweile
dreißig Jahren in Deutschland.
2002 stieg er zusammen mit seiner
Frau und seinem Bruder ins Geschäft mit Aleppo-Seife ein. Seit
dem Krieg sei die Nachfrage deutlich gestiegen. Aleppo sei in aller
Munde, und damit habe auch die
Seife an Bekanntheit gewonnen.
„Das ist doch mal was Positives“,
sagt er.
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