DIE DAME MIT DER MASKE

Werbung
Wiederentdeckt
Eine Veranstaltungsreihe von CineGraph Babelsberg, Berlin-Brandenburgisches
Centrum für Filmforschung und dem Zeughauskino, in Zusammenarbeit mit dem
Bundesarchiv-Filmarchiv und der Deutschen Kinemathek
Nr. 214
6. Juni 2014
Einführung: Jürgen Kasten
DIE DAME MIT DER MASKE
Deutschland 1928
Regie: Wilhelm Thiele
Heinrich George und Arlette Marchal
Quelle: Murnau-Stiftung, Wiesbaden / DIF, Frankfurt
DIE DAME MIT DER MASKE (D 1928)
Regie: Wilhelm Thiele
Drehbuch: Henrik Galeen (Idee), Alexander E. Esway
Vorspannfilm INFLATION: Hans Richter
Kamera: Carl Drews / Ausstattung: Erich Czerwonsky
Produktionsleitung: Hans von Wolzogen / Alexander E. Esway
Produktionsfirma / Verleih: Universum-Film AG (Ufa), Berlin
Zensur: Nr. B 19061 v. 18.5. 1928m, Länge: 6 Akte, 2543 m, Verbot / Oberprüfstelle Nr. 0476 v. 24.5. 1928,
Jugendverbot, Ausschnitte von 23,20 m = Länge 2519,80 m
Uraufführung: 26.9.1928, Kammerlichtspiele, Berlin, Köthener Str. 1-4
Kopie: Bundesarchiv-Filmarchiv Berlin, Länge: 6 Akte, 2520 m
Darsteller (Rollen): Arlette Marchal (Doris von Seefeld), Max Gülstorff (Freiherr von Seefeld, ihr Vater) Heinrich George (Holzhändler Otto Hanke), Wladimir Gaidarow (Alexander von Illagin), Paul Hörbiger (Michael,
sein Knecht), Dita Parlo (Kitty, Tänzerin), Julius von Szöreghy (Direktor des Apollo-Theater), Henry LambertsPaulsen (Theater-Regisseur), Fritz Kampers (Inspizient), Gertrud Eysoldt (Garderobenfrau), Hilde Eisner (Revuegirl), William Huch, Miss Sergewa u.a.
Zensurentscheidungen
In der Berufungsverhandlung vor der Oberprüfstelle Berlin wurde das Verbot aufgehoben. Allerdings mussten
7 Einstellungen von insgesamt 23,20 m, in denen zumeist ein nackter weiblicher Oberkörper zu sehen war,
herausgeschnitten werden. Die Oberprüfstelle stellte fest, es sei nicht zutreffend, dass „der Ausgezogenheit der
weiblichen Darsteller eine innere dramaturgische Notwendigkeit fehlt. (…) Da es sich um eine durch Ort (Varietétheater) und Inhalt der Handlung motivierte Bekleidungsform handelt“ kann von „einer entsittlichenden
Wirkung“ nicht ausgegangen werden. Dies umso weniger, da die leicht bekleidete Dame mit der Maske „nur
aus Vaterliebe handelt und dann der Vater seiner Tochter, die rein und unberührt geblieben ist, verzeiht“.
Entscheidung der Oberprüfstelle v. 24.5. 1928, www.filmportal.de/material/zensurentscheidung-die-dame-mit-der-maske-0
Zeitgenössische Kritiken
Inflationszeit. Schiebermilieu. Verarmte Barone. Revueglitzer. Gespensterhaftes Wachsen der Papiergeldhaufen.
Elend in Kleinbürgerstuben. Krasse Schicksale werden herausgegriffen. Exponierte Menschen werden gezeigt.
Was wollen wir heute noch von den Inflationsjahren wissen? Sie sind im Tempo der Tage längst versunken
und vergessen. Gibt es keine Stoffe, die näher liegen und brennender nach Verfilmung rufen? Ist das heute so
arm? Und wenn Henrik Galeens auf Suche gesandte Gedanken dennoch ihr Ziel bei dem Thema Inflationselend finden mußten, warum nur müssen es wieder Barone und Freiherren sein, die ein ausgetüftelt armseliges Leben führen? Und Phrasen von der Vorurteilslosigkeit des 20. Jhs. dreschen. Ein paar Straßenecken weiter
noch, Herr Galeen, und Sie wären dem wahren Gesicht dieses Jammers begegnet. Meinten Sie, es lohnte des
weiteren Spaziergangs nicht, so man einmal auf ein hochgeborenes Freifräulein gestoßen ist, das mit gut gespielter Schamhaftigkeit Hüftgürtel und Büstenhalter bekleidet eine gewiss formvollendete Figur auf einer
Revuebühne vor 500 Operngläsern zeigt?
So gab es sich aber, daß Alexander E. Esway, an die Idee gefesselt, irgendwie dichten mußte, und es ist aus
dem Sauerteig filmgeschulter Vorstellungen ein Pseudonym entstanden, darinnen der Geliebte eben noch zur
rechten Zeit erfährt, daß damals im linken Schuhabsatz vor der Flucht aus Rußland von vorsorglicher Hand
Geschmeide verborgen wurde. Eben noch zur rechten Zeit kann dieser Schatz verscherbelt werden, auf daß
die Geliebte alter Tage eingedenk wie früher in Saus und Braus mit ihm leben kann. Freiers Glück, daß bei
seiner Werbung gewissermaßen Kapital hinter ihm steht. So kann ja noch alles gut werden. Der brutale Holzhändler, der ein Freifräulein mit Geld und Drohungen zu erringen glaubte, mag zu seiner Geliebten zurückfinden. So findet jeder Hans seine Grete und das Spiel ist aus, weil alle in jeder Hinsicht versorgt sind.
Dies inszenierte Wilhelm Thiele sehr geschickt. Er fragte sich, was wohl bei seinem Film das Wesentliche wäre,
und fand die Antwort in der Erfahrungslehre, daß die Bilder eben dem großen Publikum gefallen müssen. Er
handelte entsprechend und brachte Schwung und Bewegung und Kontrastwirkung in die Handlung, verweilte
bei kleinen, feinen Nebensächlichkeiten, schmückte aus und feilte und sparte auch mit glanzvollen Szenen
nicht. Der Endeffekt mußte sich einstellen: es ist ein Unterhaltungsfilm geworden, der keinen besonderen
Ehrgeiz zu Tiefe oder Gründlichkeit zeigt, aber für Beschauers Kurzweil trefflich sorgt. Hier nennen wir das
ausgezeichnet montierte Inflationsbild Hans Richters. Erich Czerwonskys Bauten waren gut und Carl Drews‘
Kamera ließ klare und warme Bilder entstehen.
In der Hauptrolle Arlette Marchal als Freifräulein. Ein neues Gesicht in Deutschland. Man begreift, daß sie
nach Hollywood engagiert wurde. Sie gefiel ausgezeichnet und wirkte äußerst sympathisch. Gülstorffs Freiherr
war eine beachtliche Leistung. Gaidarow ist der geborene Filmliebhaber, das ist bekannt. Heinrich George
zeigte mit seinem reichen Holzhändler wiederum seine überragende Gestaltungsgabe. Paul Hörbigers Bauernknecht war eine gut gelungene Charakterstudie und Dita Parlo war lieblich anzuschauen. (…) Das Publikum
ging freudig mit und klatsche am Schluß Beifall. Die geschäftlichen Aussichten sind unbedingt günstig. Der
Film ist zweifellos publikumswirksam und verspricht gute Kassenerfolge.
Haßreiter (d.i. Hans-Walther Betz) in: Der Film v. 2.10. 1928.
Es war ein guter Schachzug der Ufa-Theaterabt., den Film von der „Dame mit der Maske“ in den Kammerlichtspielen einzusetzen, dem neugeformten führenden Theater der Berliner City. Damit sind für die Einschätzung des Films die richtigen Maße gegeben: Gangbare Ware für die Masse der Kinobesucher. Aus den Jugenderinnerungen steigt ein Roman auf, der frappierende Ähnlichkeiten mit den Erlebnissen der maskierten, deklassierten Adligen hat. „Fürstliches Blut“ (von Hedwig Schobert, Berlin 1888, JK) hieß er, und bereits unsere
Mütter liebten ihn um seiner romantischen Geschehnisse wollen. Hier wie da wird ein junges Mädchen gezwungen, sich ins lockere Künstlermilieu zu begeben, um Geld zu verdienen. (…) Man hat die Story in die
Gegenwart transponiert. D.h., die Katastrophe, denen die Buchheldinnen der Generationen vor uns ihren maskierten Kampf mit dem Dasein verdankten, Börsenkrach und Bankschulden des Papas, sind durch das Zauberwort „Inflation“ ersetzt.
Hans Richter, betraut mit der Komposition eines einführenden Inflationsbildes, macht einen Vorstoß. Was im
Film Einzelfall bleibt, wird bei ihm zusammengefaßt, allgemeingültig. Scheine flattern, Zahlen rasen nach vorn.
Ein Durcheinander, die aus jener Zeit her bekannten Raffgesichter der Provisionshyänen zucken auf. Für Meter-Minuten wird der Unterhaltungsfilm zum Lebensschilderer; das erzwingt Richter. Er bringt dabei gleichzeitig den Beweis, daß absolute Künste sich im Rahmen der Industrie durchaus verwenden lassen.
Die Hauptwirkungen des Films werden aus der immer wieder interessierenden Welt der Kulissen bezogen.
Eine Revue im Entstehen, prachterfüllte Starauftritte. (…) Bemerkenswert ist die technische Sauberkeit, mit der
bewußt ein Geschäftsfilm produziert worden ist.. Der großzügig angelegte Rahmen ermöglicht es dem Kameramann Carl Drews, in Großaufnahme und Totale gleich ausgewogene Arbeit zu leisten. (…) Vom Regisseur
wird nicht mehr verlangt, als das Umsetzen des Drehbuchs in Auftritte und Einzelszenen, Wilhelm Thiele
entspricht dem durchaus. Er verfügt über eine Reihe guter Darsteller. Die reizvolle Arlette Marchal, ein schönes Gnadenbild, spielt die Titelrolle. Max Gülstorff gibt einen verarmten Aristokraten mit vornehmer Distinktion, ohne outriert zu wirken. Für Augenblicke erscheint der geschmeidige Körper von Dita Parlo; für Augenblicke auch das nun lange schon erstarrte Lächeln des armen Harry Lambertz-Paulsen. (…) Heinrich George,
sichtlich irritiert durch den Mangel einer die Spieler führenden Autoritätsregie, tappt herum, ohne sich zurecht zu finden. Ohne sich vorzudrängen, erzielt Paul Hörbiger mühelos einen Sondererfolg, so konzentriert,
so wahrhaft komisch, so menschlich echt, spielt er die Wurzenrolle des Bauernknechts.
Hans Feld in: Film-Kurier v. 27.9. 1928.
Über den Regisseur WILHELM THIELE (10.5. 1890, Wien, - 7.9. 1975 Beverly Hills)
Schauspiel-Studium in Wien, ab 1909 Engagements in Karlsbad, Stuttgart, Innsbruck und am Volkstheater
München. Dort erste Regie. Ab 1922 Drehbuchautor und Regisseur österreichischer Stummfilme, u.a FIAT LUX
(1923). 1926 Wechsel nach Berlin, zunächst als Filmautor, dann als Regisseur u.a. von ORIENTEXPRESS (1927),
DIE SELIGE EXZELLENZ (1927), HURRAH! ICH LEBE! (1928), ADIEU MASCOTTE (1929) u.a. Führender UfaRegisseur des aufkommenden Tonfilms, insb. der Filmoperette, wie LIEBESWALZER (1929), DIE DREI VON
DER TANKSTELLE (1930), DIE PRIVATSEKRETÄRIN (1930), MADAME HAT AUSGANG (1931) u.a. 1933 Emigration in die USA, dort nach dem Misserfolg mit THE LOTTERY LOVER (1934) vor allem B-Picture-Regisseur,
etwa TARZAN UND DIE NAZIS (1942), später TV-Serien (LONE RANGER, 1952f.) sowie DER LETZTE FUSSGÄNGER (BRD 1960).
Impressum: Hg.: CineGraph Babelsberg. Berlin-Brandenburgisches Centrum für Filmforschung e.V.,
2014 | Redaktion: Jürgen Kasten | Informationen zu Wiederentdeckt, CineGraph Babelsberg und
Filmblatt unter: www.filmblatt.de und www.cinegraph-babelsberg.de | Kontakt: [email protected]
Herunterladen