Deklaration zum Beitritt der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken zum Vertrag über den Kriegsverzicht, der am 27. August 1928 in Paris abgeschlossen wurde [Beitritt der UdSSR zum Briand-Kellogg-Pakt], 6. September 1928 Zusammenfassung Der Briand-Kellogg-Pakt, der auch der Kriegsächtungspakt oder der Pakt von Paris genannt wird, gilt als ein Höhepunkt der Friedens- und Verständigungsbewegung der 1920er Jahre. An den Verhandlungen, die zum Abschluss dieses Paktes am 27. August 1928 führten, war die Sowjetunion nicht beteiligt und ihre Vertreter übten scharfe Kritik an dieser Ausgrenzungspolitik. Da dem Vertrag aber die universalistische Idee zugrunde lag, den Weltfrieden zu begründen, waren nach Paragraph 3 alle Staaten zum Beitritt aufgefordert. Unverzüglich änderte die sowjetische Führung ihre Haltung zum Briand-Kellogg-Pakt, trat ihm nach wenigen Tagen bei und ratifizierte ihn als erster Staat. Am 9. Februar 1929 unterzeichneten die UdSSR und einige ihrer Nachbarstaaten das so genannte „Litvinov-Protokoll“, das den Briand-Kellogg-Pakt vorzeitig in Kraft setzte. Die sowjetische Führung brachte sich mit dieser geschickten Initiative als Anwalt der kollektiven Sicherheit in die Weltöffentlichkeit ein. Sie nahm einerseits mit Hilfe der Kommunistischen Internationale auf die internationale Arbeiter- und die Friedensbewegung Einfluss, andererseits ging sie zu der diplomatischen Strategie über, den Sowjetstaat in das internationale Sicherheitssystem zu integrieren. Einleitung Der Briand-Kellogg-Pakt, der auch der Kriegsächtungspakt oder der Pakt von Paris genannt wird, gilt als ein Höhepunkt der Friedens- und Verständigungsbewegung der 1920er Jahre. Ihm lag die Auffassung zugrunde, dass der Völkerbund allein die Aufgabe einer universellen Friedenssicherung nicht erfüllen könne. Nach dem Ersten Weltkrieg war der Völkerbund die wichtigste institutionelle Neuschöpfung gewesen, die internationale Sicherheit durch einen neuartigen, übernationalen Zusammenschluss verbürgen sollte. Der Völkerbund entwickelte Prinzipien und Verfahren zur friedlichen Schlichtung von Konflikten, bindende Vereinbarungen bis hin zu gemeinsamen Verteidigungsmaßnahmen gegen Aggressoren und verfolgte das Ziel einer allgemeinen Abrüstung. Eine innovative Rechtsauffassung, den Krieg nicht wie bisher als Sache der souveränen Staaten zu betrachten, sondern ihn völkerrechtlich bindend einzuschränken, fand in der Satzung des Völkerbunds von 1919 ihren juristischen Niederschlag. Doch traten Staaten wie die USA und die UdSSR dem Völkerbund in den zwanziger Jahren nicht bei, so dass sein Ziel der Universalität nicht erreicht wurde. Die Hintergründe des Vertragsabschlusses von Paris am 27. August 1928 waren vielschichtig. Zum einen spielte die amerikanische Kriegsächtungsbewegung der zwanziger Jahre eine wichtige Rolle, die die Spaltung der amerikanischen Gesellschaft in der Frage der internationalen Friedenssicherung zum Ausdruck brachte. Engagierte Kriegsgegner wie der Industrielle Samuel Levinson hatten schon 1918 ein völkerrechtliches Verbot des Krieges gefordert, die Propagierung des Gedankens der Kriegsächtung („outlawry of war“) fand immer breiteren Widerhall und ergriff verschiedenartigste gesellschaftliche, neben politischen auch gerade religiöse Gruppen und Organisationen der Frauenbewegung. Die Abrüstungsinitiativen des Völkerbunds in den zwanziger Jahren hatten keinen Erfolg, weil sich die großen Seemächte USA, Großbritannien, Japan, Frankreich und Italien im Rüstungswettlauf befanden. So vertrat die französische Regierung die Auffassung, dass nur ein hoher Rüstungsstand eine nationale Sicherheit gewährleiste. Diese Position wurde in der amerikanischen Öffentlichkeit weithin als militaristische Außenpolitik rezipiert. Hinzu kamen Differenzen zwischen der französischen und der amerikanischen Regierung in der Frage der Rückzahlung von Kriegskrediten. In dieser Situation entschloss sich der französische Außenminister Aristide Briand nach einem Besuch des führenden Kopfes der amerikanischen Carnegie Friedensstiftung James Thomson Shotwell in Paris zu einer Initiative, die auch innenpolitisch motiviert war und den Einfluss der großmachtpolitisch orientierten Politik des Ministerpräsidenten Poincaré zurückdrängen sollte. In einer „Botschaft an das amerikanische Volk“ vom 6. April 1927, dem 10. Jahrestag des amerikanischen Eintritts in den Ersten Weltkrieg, griff er Shotwells Progamm eines „Welt-Locarno“ in Fortsetzung der Locarno-Verträge von 1926 auf, um eine gemeinsame französisch-amerikanische Weltfriedenspolitik einzuleiten, die den Verzicht auf den Krieg als Mittel nationaler Politik vorsehen sollte. Unter dem Druck der amerikanischen Öffentlichkeit ließ sich die US-Regierung über ihren Außenminister Frank B. Kellogg auf diplomatische Gespräche über einen „ewigen Freundschaftsvertrag“ ein, dessen Kern die Ächtung des Krieges und die Lösung von Konflikten mit friedlichen Mittel bildete. Im selben Jahr fand die Jahresversammlung des Völkerbundes statt, auf der Polen die Resolution vom 24. September 1927 anstieß und dabei die kleineren Staaten hinter sich wusste, die den Stillstand der Abrüstungspolitik scharf kritisierten. Diese Resolution, die den Weg zu einem Vertrag ebnete, glich bereits ihrem Inhalt nach dem späteren Briand-Kellogg-Pakt. Am 6. Februar 1928 erneuerten Frankreich und die USA ihren bilateralen Schiedsvertrag von 1908. Nun ergriff der amerikanische Außenminister die Initiative: Er schlug in Erweiterung der zweiseitigen Kriegsverzichtserklärung einen weltweiten Vertrag vor. Bedeutsam war für dessen Zustandekommen, dass ihn nun eine „neue Diplomatie“ vorantrieb, d. h. die systematische Beteiligung der Öffentlichkeit am Prozess der politischen Willensbildung in bewusster Abkehr von der Geheimdiplomatie der Vorkriegszeit. Kellogg überging bei den Verhandlungen bewusst den Völkerbund, weil die USA ihm ja nicht beigetreten waren, stützte sich aber auf die Völkerbundsresolution von 1927, panamerikanische Kriegsächtungsvorstellungen sowie Kontakte zu den Großmächten mit Ausnahme der Sowjetunion, mit der die USA keine diplomatischen Beziehungen unterhielten. Nach schwierigen Verhandlungen kamen am 27. August 1928 im Pariser Außenministerium bei symbolischer, feierlicher Inszenierung die Vertreter von 15 Staaten zusammen, d. h. die Großmächte unter Einschluss der britischen Dominions, Irlands und Indiens sowie der „Locarnomächte“ Belgien, Polen und die Tschechoslowakei. Für die Signatarstaaten war es eine wesentliche Vorbedingung für ihre Bereitschaft zur Vertragsunterzeichnung gewesen, dass bestehende Sicherheitssysteme mit dem „Pakt von Paris“ nicht in Frage gestellt wurden. Mit dem „Pakt von Paris“ verurteilten sie den Krieg als Mittel zur Lösung internationaler Streitfälle und verzichteten auf den Krieg als Werkzeug der nationalen Politik in ihren gegenseitigen Beziehungen. Alle Streitigkeiten und Konflikte zwischen den Signatarstaaten sollten künftig ausschließlich mit friedlichen Mitteln beigelegt werden. Damit wurde zum ersten Mal im modernen Völkerrecht prinzipiell eine Ächtung des Krieges als Werkzeug der nationalen Politik ausgesprochen. Die Formulierungen des Vertrags ließen allerdings weiterhin Verteidigungskriege zu, wie es schon in den vorbereitenden Notenwechseln niedergelegt worden war. Auch fehlten Definitionen des rechtwidrigen Angriffs, der Selbstverteidigung oder der friedlichen Mittel, Verfahren zur Feststellung von Vertragsbrüchen und zur Regelung von Streitbeilegung, Sanktionsregelungen und Garantien. Das verbindende Element unter den Signatarstaaten war vor allem ein ideelles, wie es auch die Präambel festhielt. In Artikel 3 wurde der Vertrag für den Beitritt aller anderen Staaten der Welt geöffnet. Die amerikanische Regierung übermittelte den Vertragstext mit einer Beitrittsaufforderung an die 48 von ihr als souverän anerkannten Staaten, die alle bis 1938 dem Vertrag beitraten. Hierzu zählte auch die Sowjetunion, die als sozialistischer Staat auf der Grundlage der marxistisch-leninistischen Klassenanalyse eine eigene Auffassung von der internationalen Sicherheitspolitik entwickelte, die die USA und die im Völkerbund zusammengeschlossenen Staaten verfolgten. Wie Stalin in seinem Rechenschaftsbericht auf den XV. Parteitag der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (Bol’ševiki) im Dezember 1927 ausführte, steigerten sich die Widersprüche in der imperialistischen Welt in einer Weise, die auf einen neuen Krieg hinausliefe. Hauptfeind sei die Sowjetunion als sozialistischer Staat, und ihre Isolierung würde mit dem Ziel betrieben, sie zum künftigen Interventionsziel der führenden kapitalistischen Mächte zu machen. Der Völkerbund spiele dabei die Rolle einer Tarnorganisation zur Vorbereitung neuer Kriege. Diese Interpretation war ein typisches Beispiel für Stalins bipolares, simplifizierendes Denken im Geist von Verschwörungsvorstellungen. Aber diese Interpretation hatte auch eine sehr gezielte innenpolitische Funktion, die Konstruktion einer akuten Kriegsgefahr zur Mobilisierung der sowjetischen Gesellschaft für die Ziele der Parteiführung zu nutzen und das Feindszenario auf die innerparteiliche Opposition zu übertragen, um sie auszuschalten. Stalins Ausführungen bauten allerdings auch eine Brücke zur außenpolitischen Verständigung, die der sowjetischen außenpolitischen Konzeption des „friedlichen Zusammenlebens“ mit der „kapitalistischen Welt“ in ihren zeitweiligen Stabilisierungsphasen entsprach: Durch politische und ökonomische Zusammenarbeit sollten die äußere Sicherheit der Sowjetunion gesteigert und die innere Entwicklung gefördert, zugleich auch kapitalistische Staaten an die UdSSR gebunden werden, wie dies paradigmatisch durch den deutsch-sowjetischen Vertrag von Rapallo 1922 geschehen war. Trotz der Rückschläge, die die sowjetische Außenpolitik gegenüber China und Großbritannien 1927 erfuhr, befand sich die Sowjetunion faktisch auf dem Weg der Integration in das internationale System, die von einzelnen außenpolitischen Niederlagen nicht aufgehalten werden konnte. In diesem Kontext ist die Unterzeichnung des Briand-Kellogg-Paktes durch die UdSSR zu sehen. Auf Seiten der Intitiatoren des Vertrages war lange umstritten, welche Rolle man der Sowjetunion zugestehen solle. Da die USA sich weigerten, die UdSSR in die Reihe der Staaten aufzunehmen, die den Vertrag am 27. August 1928 schlossen, fiel nach der Unterzeichnung die Rolle an Frankreich, das diplomatische Beziehungen zur Sowjetunion unterhielt, die sowjetische Regierung zum Beitritt aufzufordern. Schon Anfang August wurde in der sowjetischen Presse scharf kritisiert, dass die UdSSR von der Vertragsvorbereitung ausgeschlossen werde, und dies als imperialistische Feindseligkeit interpretiert. Nachdem die sowjetische Regierung die Vertragsunterlagen erhalten hatte, faßte das Präsidium des Zentralen Exekutivkomitees der UdSSR schon am 29. August 1928 den Beschluss, dem Pakt beizutreten. Litvinov unterzeichnete ihn stellvertretend für #i#erin, den Volkskommissar für Auswärtige Anglegenheiten. Die sowjetische Interpretation dieses Vorgehens lautete seither, dass die Sowjetführung den Vertrag nicht zur Waffe einer antisowjetischen Politik hatte werden lassen wollen. Diese Sicht lag auf der Linie der Argumentation gegenüber der „kapitalistischen Welt“, die schon Stalins Rechenschaftsbericht 1927 gekennzeichnet hatte. Am 31. August 1928 teilte Litvinov in einer Note an den französischen Botschafter die Auffassung der sowjetischen Regierung über den Pakt mit. Dabei sparte er nicht an harscher Kritik im Umgang der Erstunterzeichner mit der Sowjetunion. Auch kritisierte er den Paktinhalt und forderte nachdrücklich Präzisierungen, um alle Formen zwischenstaatlicher bewaffneter Konflikte zu ächten. Vor allem brachte Litvinov auch das sowjetische Engagement für eine weltweite Abrüstung ein, die er als grundlegende Voraussetzung für eine Vermeidung von Kriegen betrachtete. Er erklärte, dass die Sowjetunion den Pakt als Forum nutzen wolle, um für eine allgemeine Abrüstung einzutreten. Damit blieb die sowjetische Regierung bei ihrer kritischen, nunmehr aber konstruktiven Haltung gegenüber dem Pakt. Trotz aller Kritik, die gerade auch von der Kommunistischen Internationale geübt wurde, beeilte sich die Sowjetunion, bereits am 6. September 1928 als erster Staat die Ratifizierungsurkunde zu übermitteln. Sodann verhandelte sie seit Dezember 1928 mit mehreren Nachbarstaaten, mit denen sie zum Teil Nichtangriffsverträge abgeschlossen hatte, über ein vorzeitiges Inkrafttreten des Briand-Kellogg-Paktes. In Moskau wurde diesbezüglich am 9. Februar 1929 ein Protokoll zwischen der UdSSR, Polen, Estland, Lettland und Rumänien unterzeichnet, dessen Ratifizierung im März erfolgte. Litauen, Danzig, die Türkei und Persien schlossen sich kurz darauf diesem Protokoll an. Es ist als „Litvinov-Protokoll“, benannt nach dem Stellvertretenden Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten, in die Geschichte eingegangen. Der Briand-Kellogg-Pakt trat am 24. Juli 1929 in Kraft, wodurch das Protokoll hinfällig wurde. Die Sowjetunion hatte sich mit der geschickten Initiative des „Litvinov-Protokolls“ als Anwalt der kollektiven Sicherheit in die Weltöffentlichkeit eingebracht. Der Kriegsächtungs-Pakt bot ihr die propagandistische Gelegenheit, sich international als die führende Friedensmacht darzustellen. Mit dieser Politik nahm sie auf die internationale Arbeiter- und die Friedensbewegung im Sinn der marxistischen Theorie Einfluss, dass nur ein Staat der Werktätigen, der seinem Wesen nach prinzipiell friedlich sei, weil er alle Ausbeutungsverhältnisse überwunden hätte, eine wahre Friedenspolitik verfolgen könne. Diese Argumentation diente der Kommunistischen Internationale als dem einen Instrument der sowjetischen Außenpolitik zur Förderung revolutionärer Bewegungen weltweit und zur Propaganda für den Sowjetstaat und seine Politik. Für das zweite Instrument der sowjetischen Außenpolitik, die Diplomatie, bedeutete der Briand-Kellogg-Pakt einen wichtigen Schritt auf dem künftigen Weg, für die Sowjetunion eine Strategie zu verwirklichen, die ihre Grenzen schützte und sie in das internationale Sicherheitssystem integrierte. Die sowjetische Historiographie war stark von der offiziellen zeitgenössischen Deutung beeinflusst, die von einer Verschwörung kapitalistischer Staaten und einer akuten Kriegsgefahr für den Sowjetstaat ausging und den Beitritt der UdSSR zum Briand-Kellogg-Pakt als Maßnahme interpretierte, diese Politik zu unterminieren. In der postsowjetischen Geschichtsforschung wird demgegenüber betont, dass die Sowjetunion Ende der 1920er Jahre in der Diplomatie zur Realpolitik fand und eine Integration in das internationale System vollzog, indem sie bereit war, im Rahmen des Briand-Kellogg-Paktes Verantwortung zu übernehmen. Zugleich wird gezeigt, dass Außenkommissar #i#erin aus einer antiamerikanischen Haltung heraus einen Beitritt der UdSSR nicht befürwortete. Das Politbüro folgte jedoch dem Votum seines Stellvertreters Litvinov, sich für eine am Völkerbund orientierte Sicherheitspolitik zu engagieren. Bianka Pietrow-Ennker Quellen- und Literaturhinweise Buchheit, E., Der Briand-Kellogg-Pakt. 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