Physik 1 für Chemiker und Biologen 3. Vorlesung – 07.11.2015 Heute: - Fortsetzung: Bewegungen in 1, 2 und 3 D - Freier Fall und Flugbahnen - Kräfte und Bewegung - Newtonschen Axiome Prof. Dr. Jan Lipfert [email protected] https://xkcd.com/482/ 07.11.18 Prof. Dr. Jan Lipfert 1 Wiederholung: Einheiten und Messfehler • Das International Einheitensystem (SI) kennt sieben Grundgrößen: Meter, Kilogramm, Sekunde, Ampere, Kelvin, Mol, Candela https://en.wikipedia.org/wiki/ File:US_National_Length_Meter.JPG Kontrolle der Einheiten ist eine sehr nützliche Strategie zur Überprüfung von Ergebnissen und Lösungswegen! • Messungen haben immer einen Messfehler. o Mittelwert: beste Schätzung des „wahren“ Wertes o o 07.11.18 Standardabweichung: Fehler der Einzelmessung Stichprobenfehler: Wie genau ist „wahrer“ Mittelwert nach N Messungen bestimmt? Prof. Dr. Jan Lipfert Kopie des Urmeters (Platin-Iridium Legierung) N X 1 hxi = x̄ = xi N i=1 v u u =t 1 N SEM 1 N X (xi x̄)2 i=1 =p N 2 Wiederholung: Fehlerfortpflanzung • Gaußsche Fehlerfortpflanzung: Für den Fall, dass eine Größe y von den Messgrößen xi abhängt und die Größen xi unkorreliert sind y v uN ✓ uX @f =t @xi i=1 xi ◆2 • Fehlerfortpflanzung für Addition und Subtraktion: (Absolute) Fehler addieren sich quadratisch • Fehlerfortpflanzung für Multiplikation und Division: s Relative Fehler addieren sich quadratisch Ges y 07.11.18 Prof. Dr. Jan Lipfert = X✓ i xi ◆2 3 Wiederholung: Bewegungen in 1, 2 und 3D Kinematik: Fragt nach dem „Wie“, dem Ablauf der Bewegung, ohne nach dem „Warum“ zu fragen. Dynamik: Fragt nach den Ursachen von Bewegung, bzw. eigentlich nach den Ursachen einer Änderung des Bewegungszustandes Kinematik: Beschreibung von Bewegung in 1, 2 und 3D • Ortsangabe, über einen Ortsvektor • Geschwindigkeit ist die Ableitung des Ortes nach der Zeit • Beschleunigung ist die Ableitung der Geschwindigkeit nach der Zeit (und die zweite Ableitung des Ortes nach der Zeit) 07.11.18 Prof. Dr. Jan Lipfert 4 Wiederholung: Ort, Geschwindigkeit, Beschleunigung Ort: Mittlere Geschwindigkeit: (Momentan-) Geschwindigkeit: (Latein: „velocitas“ Englisch: „velocity“ ) Mittlere Beschleunigung: (Momentan-) Beschleunigung: (Latein: „acceleratio“ Englisch: „acceleration“) 07.11.18 Prof. Dr. Jan Lipfert 5 Sonderfall: Gleichmäßig beschleunigte Bewegung 31.10.16 Prof. Dr. Jan Lipfert 6 Beispiel: Murphy‘s law und Raketenschlitten Erinnere: Gleichmäßig beschleunigte Bewegung Anwendung: Raketenschlitten Dr. Stapp beschleunigt seinen Raketenschlitten aus dem Stand mit 300 m/s2. Wie lange dauert es, bis er 1000 km/h erreicht hat? Wie lang ist die Beschleunigungsstrecke? https://de.wikipedia.org/ wiki/John_Paul_Stapp 07.11.18 Prof. Dr. Jan Lipfert https://de.wikipedia.org/wiki/John_Paul_Stapp 7 Nebenbemerkung: Höhere Ableitungen des Ortes nach der Zeit Es gibt auch noch höhere Ableitungen des Ortes nach der Zeit: Geschwindigkeit (Englisch: velocity) Beschleunigung (Englisch: acceleration) 3 ... d ~ x ~j = = ~x 3 dt d4 ~x .... ~s = 4 = ~x dt d5 ~x ~c = 5 dt d6 ~x p~ = 6 dt 07.11.18 Ruck (Englisch: jerk) ? (Englisch: snap) ? (Englisch: crackle) ? (Englisch: pop) Prof. Dr. Jan Lipfert 8 Sonderfall der gleichmäßig beschleunigten Bewegung: Freier Fall Für den freien Fall in Nähe der Erdoberfläche gilt: a = g = 9.81 m/s2 http://www.leifiphysik.de/themenbereiche/freier-fall-senkrechter-wurf Experiment: Überlagerte Bewegungen mit Kugel - senkrecht und waagerecht Welche Kugel erreicht den Boden zuerst? Abstimmen unter pingo.upb.de! A) Die seitwärts beschleunigte Kugel B) Die direkt nach unten fallende Kugel C) Beide Kugeln erreichen den Boden gleichzeitig 31.10.16 Prof. Dr. Jan Lipfert 9 Freier Fall und Flugbahnen Zwei Grundideen: 1) Freier Fall (ohne Luftwiderstand) ist ein Sonderfall der konstant beschleunigten Bewegung. a = g = 9.81 m/s2 http://www.leifiphysik.de/themenbereiche/freier-fall-senkrechter-wurf 2) Die einzelnen Komponenten (x,y,z) der Bewegung beeinflussen sich nicht. 02.11.15 Prof. Dr. Jan Lipfert 10 Überlagerte Bewegung in 2D Experiment: Kanonenwagen Experiment: Schiefer Wurf / Schuss mit Kugeln Unter welchen Winkel fliegt die Kugel am weitesten? Abstimmen unter pingo.upb.de! A) 30º B) 45º C) 60º 07.11.18 Prof. Dr. Jan Lipfert 11 Schiefer Wurf – Ballistik Experiment: Affenschussvideo 07.11.18 Prof. Dr. Jan Lipfert 12 Kräfte und Bewegung Kinematik: Fragt nach dem „Wie“, dem Ablauf der Bewegung, ohne nach dem „Warum“ zu fragen Dynamik: Fragt nach den Ursachen von Bewegung, bzw. eigentlich nach den Ursachen einer Änderung des Bewegungszustandes Bewegung Umwelt Körper (Masse) Kraft Beschleunigung Wechselwirkungen https://de.wikipedia.org/wiki/Dragster http://www.leifiphysik.de/themenbereiche/freier-fall-senkrechter-wurf 07.11.18 Prof. Dr. Jan Lipfert 13 1. Newtonsches Axiom Ein sich selbst überlassener Körper (d.h. ohne auf ihn wirkende Kraft) bewegt sich gradlinig gleichförmig - er ändert seine Geschwindigkeit nicht. (Galileisches Trägheitsprinzip) Ruhe ist nur ein Spezialfall einer gradlinig gleichförmigen Bewegung mit Geschwindigkeit v = 0. https://de.wikipedia.org/wiki/Isaac_Newton Isaac Newton (1642-1727) Video: „Human Momenta“ https://www.youtube.com/ watch?v=txBOmVpcx8wier Experiment: Luftschiene als Inertialsystem https://en.wikipedia.org/wiki/Astronaut 07.11.18 Prof. Dr. Jan Lipfert https://de.wikipedia.org/wiki/Galileo_Galilei Galileo Galilei (1564-1642) 14 Aristoteles vs. Newton 1. Newtonsches Axiom: Ein Körper ändert ohne eine auf ihn wirkende Kraft seine Geschwindigkeit (Betrag und Richtung) nicht. https://de.wikipedia.org/wiki/Isaac_Newton Isaac Newton (1642-1727) Unsere Erfahrung bestätigt das nicht immer! 07.11.18 https://commons.wikimedia.org/wiki/ File:Fotothek_df_roeneg_0000540_003_Pferdepflug_im_Johannapark.jpg https://de.wikipedia.org/wiki/Startblock_%28Laufsport%29 Prof. Dr. Jan Lipfert 15 Aristoteles vs. Newton 1. Newtonsches Axiom: Ein Körper ändert ohne eine auf ihn wirkende Kraft seine Geschwindigkeit (Betrag und Richtung) nicht. https://de.wikipedia.org/wiki/Isaac_Newton Ohne Kraft keine Bewegung! Isaac Newton (1642-1727) Wer hat Recht? https://de.wikipedia.org/wiki/Aristoteles Aristoteles (384-322 v. Chr.) 07.11.18 Newton hat Recht! Entscheidend ist dabei, dass man alle Kräfte berücksichtigt. Das beinhaltet auch Reibungskräfte, Luftwiderstand, etc. Prof. Dr. Jan Lipfert 16 Inertialsysteme Bewegte Bezugssysteme: In Bezugssystemen, die sich zueinander mit konstanter Geschwindigkeit bewegen, wird die gleiche Beschleunigung gemessen. Inertialsysteme sind Systeme in denen das 1. Newtonsche Axiom gilt. 07.11.18 Prof. Dr. Jan Lipfert 17 2. Newtonsches Axiom „Die Änderung der Bewegung ist der Einwirkung der bewegenden Kraft proportional und geschieht nach der Richtung derjenigen geraden Linie, nach welcher jene Kraft wirkt.“ F~ = m~a F~ = m~a F~ ~a = m F~ m= ~a 07.11.18 Ein paar wichtige Punkte: • Einheiten: [a] = m / s2 und [F] = kg·m / s2 = 1 N (Newton) • F ist die Gesamtkraft, d.h. die Summe aller auf den Körper wirkenden Kräfte. • Die Gleichungen beinhalten nur die Kräfte, die auf den Körper wirken, für den die Beschleunigung untersucht wird. • Die Gleichungen gelten komponentenweise! • 1. Axiom ist ein Spezialfall des 2. Axioms (für F = 0). Bestimmungsgleichung für die träge Masse m Prof. Dr. Jan Lipfert 18 Verschiedene Kräfte Federkraft F~ = Muskelkraft k · ~x https://de.wikipedia.org/wiki/Federpendel https://de.wikipedia.org/wiki/Muskulatur Gewichtskraft Motorkraft http://www.leifiphysik.de/themenbereiche/freier-fall-senkrechter-wurf https://de.wikipedia.org/wiki/Motorrad 07.11.18 Prof. Dr. Jan Lipfert 19 Gewichtskraft • Für uns in der Regel: Gravitationskraft der Erde (dazu später mehr) • Zeigt immer zum Erdmittelpunkt, d.h. „direkt / senkrecht nach unten“ Experiment: Tischtennisbälle (leicht & schwer) im freien Fall Welcher Ball kommt zuerst an? • Normalkraft: Kraft des Bodens / der Abstimmen unter pingo.upb.de! Auflage auf einen Körper, der der Gewichtskraft entgegengesetzt ist A) Der leichte Ball • Gewicht: Der Betrag der Gravitationskraft, die auf einen B) Der schwere Ball Körper wirkt • Masse ≠ Gewicht! C) Beide gleichzeitig 07.11.18 Prof. Dr. Jan Lipfert 20 2. Newtonsches Axiom - Anwendung F~ = m · ~a Experiment: Luftschiene F = m·a 07.11.18 Prof. Dr. Jan Lipfert 21 Hooksches Gesetz Lineares, elastisches Verhalten einer Feder: F = k·x Experiment: Hookesches Gesetz an Magnettafel https://en.wikipedia.org/wiki/Hooke%27s_law#/media/ File:Hookes-law-springs.png • Viele Festkörper verhalten sich für kleine Auslenkungen (d.h. Dehnung oder Kompression) wie eine Hookesche Feder. • ABER: Für große Auslenkungen treten nicht-lineare Effekte auf! 07.11.18 Prof. Dr. Jan Lipfert 22 Hooksches Gesetz Lineares, elastisches Verhalten einer Feder: F = k·x https://en.wikipedia.org/wiki/Hooke%27s_law#/media/File:Hookes-law-springs.png Robert Hooke (1678): „Ut tensio, sic vis“ („Wie die Auslenkung, so die Kraft“) 07.11.18 Prof. Dr. Jan Lipfert 23 Kräftediagramme Experiment: Kräfteparallelogramm 07.11.18 Prof. Dr. Jan Lipfert 24 3. Newtonsches Axiom „Kräfte treten immer paarweise auf. Übt ein Körper A auf einen anderen Körper B eine Kraft aus (actio), so wirkt eine gleich große, aber entgegen gerichtete Kraft von Körper B auf Körper A (reactio).“ „Actio est reactio“ F~AB = F~BA WICHTIG: Es geht hier um die Kräfte, die auf zwei verschiedene Körper wirken! Experiment: Skateboards Actio=Reactio 07.11.18 Prof. Dr. Jan Lipfert 25 Newtons Axiome 1. Axiom Trägheitsprinzip Ein Körper ändert ohne effektive Kraft seine Geschwindigkeit nicht. 2. Axiom Aktionsprinzip Beschleunigung ist proportional zur Kraft und umgekehrt proportional zur Masse. https://de.wikipedia.org/wiki/ Newtonsche_Gesetze 3. Axiom Kräfte treten immer paarweise auf. Reaktionsprinzip Principia Mathematica (1687) Newtons Axiome sind ein Spezialfall/Grenzfall der Quantenmechanik (sehr kleine Objekte verhalten sich anders) und der speziellen Relativitätstheorie (sehr schnelle Objekte verhalten sich anders). 07.11.18 Prof. Dr. Jan Lipfert 26