David Safier: Mieses Karma. Roman. Reinbek b. Hamburg: Rowohlt, rororo TB 24455, [2007], 2008, 10. Aufl., 285 S. --- ISBN 978-3-499-24455-1 Der Diskussionsbedarf zur Motivation im Blick auf Jenseitsvorstellungen in den Weltreligionen ist neu in Bewegung gekommen. Nicht zuletzt sind Romane wie Mieses Karma oder Jesus liebt mich von David Safier ein Zeichen für den Aktualitätsgrad solcher Fragen. Schließlich ist ein mögliches Leben nach dem Tod ein komplexes Thema, das nicht ausschließlich für Religionswissenschaftler von Interesse ist, sondern ebenso die junge Generation anspricht. Daher bietet es sich an, im Zusammenhang mit dieser Art von Gegenwartsliteratur im Religionsunterricht ab Sekundarstufe 1 die entsprechenden Themenbereiche wie z.B. die Reinkarnation, aufzugreifen und zu bearbeiten. Safier verbindet interessanterweise in seinem Buch Fiktion mit realitätsbezogenen Glaubensgrundsätzen des Buddhismus und Hinduismus auf humorvolle Art und Weise, so dass auch Kinder und Jugendliche sich darauf einlassen werden. Ob der Autor ein religionswissenschaftliches genaueres Interesse für seine Erzählung mitbrachte, mag erst einmal offen bleiben. Zur Biografie David Safier wurde 1966 geboren und lebt heute mit seiner Frau und zwei Kindern in Bremen. Er absolvierte in jungen Jahren eine Ausbildung zum Journalisten und sammelte in Hörfunk (z.B. Radio Bremen) und Fernsehen redaktionelle Erfahrungen, die er seit 1996 in eigene Drehbucharbeiten manifestiert umsetzt. Bekannt geworden ist er durch die Konzeption der erfolgreichen Fernsehserien wie u.a. Nikola (1997-1999, RTL), Mein Leben und Ich (2000-2001, RTL), Die Camper (1998-1999, RTL) und Berlin, Berlin (2002-2005, ARD). Für Letzteres ist er mit dem Adolf-Grimme-Preis und dem Emmy, den amerikanischen Fernseh-Oscar, ausgezeichnet 1 worden. Der 2008 erschienene Roman Mieses Karma war sein erster Roman und stand wochenlang auf den Bestsellerlisten. Er hat inzwischen eine Auflage von 1.626.000 Exemplaren erreicht (April 2011). Mieses Karma 2 Sein folgendes Werk Jesus liebt mich (ebenfalls 2008) gehört mit 776.000 Exemplaren auch schon zu den Spitzentiteln (Stand ebenfalls April 2011). Somit zählt David Safier zu den erfolgreichsten deutschsprachigen Autoren der letzten Jahre. Seine aktuelle Erscheinung trägt den Namen Plötzlich Shakespeare, indem ähnlich wie in den Vorgänger3 Veröffentlichungen Fiktion und Realität humorvoll miteinander vereint werden. Zum Inhalt von Mieses Karma Die erfolgreiche und selbstbewusste Fernsehmoderatorin Kim Lange führt ein nach außen scheinendes sehr erfülltes Leben. Sie ist jung, hübsch, erfolgreich in ihrem Job und hat ihre Jugendliebe Alex geheiratet, mit dem sie eine kleine Tochter hat. Doch der Verlauf der Geschichte zeigt das Gegenteil: Kim kämpft sich zum Teil rücksichtslos und mit Hilfe von Intrigen und Gemeinheiten gegenüber ihren Arbeitskollegen auf der Karriereleiter ganz nach oben, um ihr lang ersehntes Ziel zu erreichen: Den Erhalt des deutschen Fernsehpreises. Durch die hohe Priorität ihres Jobs vernachlässigt sie ihren Mann und ihre Tochter Lilly, deren Geburtstag sie letztlich sogar vergisst. Am Abend der Preisverleihung betrügt Kim ihren Mann mit Daniel Kohn, der für sie auf eine unerklärliche Art und Weise schon immer interessant war. Nach der Preisverleihung wird Kim von den Überresten einer russischen Raumstation erschlagen und stirbt. Zu ihrem Erstaunen wird sie als Ameise wiedergeboren. Buddha, der ihr erstmalig in Gestalt einer dicken Ameise erscheint, erklärt ihr die Situation: Durch ihr rücksichtsloses Verhalten im Job und ihrem zunehmenden Egoismus gegenüber ihrer Familie hat Kim im Laufe ihres Lebens zu viel mieses Karma angesammelt, so dass sie auf der Reinkarnationsleiter ganz nach unten gerutscht ist. Als Ameise wird ihr schnell klar, dass sie ihre Familie sehr vermisst. Sie wird mit der Trauer ihres Mannes und ihrer Tochter konfrontiert und befürchtet außerdem, dass sich ihre Ex-Beste-Freundin Nina nun in ihre Familie drängt. Mit ihrem neu gewonnenen Verbündeten Casanova (der die Widergeburt des venezianischen Schriftstellers Giacomo Girolamo Casanova darstellt) versucht sie, das Einheiraten von Nina in ihre Familie zu verhindern, indem sie genug gutes Karma sammelt, um in ihren weiteren Leben wieder an der Seite ihrer Familie zu sein. Im Laufe des Buches wird eine charakterliche Veränderung von Kim deutlich: Hat sie doch in ihren menschlichen Leben zuvor ihre eigenen Begierden in den Mittelpunkt gestellt und weniger auf ihre soziales Umfeld geachtet, so lernt sie nun, auch die Bedürfnisse ihrer Mitmenschen zu erkennen. Der Leser erlebt mit, wie Kim die Fehler ihres menschlichen Lebens nach und nach einsieht und ihr rücksichtsloses Verhalten bereut. Das Überwinden dieser schwierigen Lektion verhilft Kim in der Erzählung zum Schluss als Mensch widergeboren zu werden und das Herz ihrer Familie zurückzugewinnen. 1 Vgl. http://www.bookreporter.de/autoren/494-david-safier [Download: 29.03.2011]. http://www.buecher.de/autor/david-safier/vnode/2/autor_id/108/ [Download: 29.03.2011] --Jesus liebt mich. Roman. Reinbek b. Hamburg: Rowohlt 2008, als rororo TB 24811, 2009 3 http://www.berlinerliteraturkritik.de/detailseite/artikel/rosa-ist-ploetzlich-shakespeare.html [Download 29.04.11]. 2 1 Buddhistische und hinduistische Jenseitsmotive in Mieses Karma Safier vertritt in seinem Roman die Auffassung, dass der Wesenskern des Menschen über den Tod hinaus andauert und in den folgenden Leben weiterbesteht. Kim hält an ihrem menschlichen Leben, ihrer Denkweise und ihren Vorsätzen auch in ihren Folgeleben als Ameise, Kuh, Kartoffelkäfer etc. fest und weicht von ihrem Ziel, ihre Familie zurückzugewinnen, nicht ab. Es wird allerdings nicht erklärt, wieso Kim sich in ihrem menschlichen Leben als Fernsehmoderatorin Kim Lange nicht an vorhergegangene Leben erinnert. Es ist nicht nachvollziehbar, wieso der Wesenskern ihres menschlichen Daseins über alle tierischen Leben andauert und in ihrem Leben als Mensch nichts dergleichen zu erfahren ist. Nach buddhistischer und hinduistischer Auffassung ist das Leben ein ewiger Kreislauf aus Tod und Wiedergeburt, der nur durch Meditation, Rituale, bestimmte Verhaltensweisen, speziell durch den achtfachen Pfad die Erlösung bewirkt und das Eingehen in das Nirvana (= dort, wo nichts mehr weht) ermöglicht. Insofern gehört das menschliche Leben der Kim Lange ebenso zu diesem Kreislauf. Das Nirvana wird von Buddha selbst im Roman als „frei von Schmerz“ (vgl. S. 193) und „Verspüren von ewig währendem Glück“ (vgl. S. 192) gekennzeichnet und geht damit durchaus mit buddhistischen Auffassungen parallel. Der Buddhismus erklärt das Nirvana als nicht beschreibbar und nur individuell erfahrbar und zugänglich: Für Kim ist das Nirvana interessanterweise jedoch das Leben bei ihrer Familie, für jenes Zusammenleben sie fast die gesamte Erzählung gekämpft hat. Fazit und mögliche Perspektiven Mieses Karma ist Safiers erstes Buch und meiner Ansicht nach eine gelungene Arbeit, die innerhalb weniger Lesestunden großes Vergnügen bereitet und immer wieder zum Schmunzeln anregt. Die originellen Ideen zu buddhistischen und hinduistischen Ansätzen der Wiedergeburt und Erlösung, gepaart mit dem humorvollen Umgang im Spiegel der Moderne, lassen das Buch nicht langweilig werden. Safier hat das Thema Reinkarnation von einer interessanten und etwas verrückten Seite aufgezogen, die auch die Jugend anspricht und sich somit gut auch für den Religionsunterricht (z.B. als Einstieg einer Unterrichtsreihe zum Thema „Interreligiösität“, „Das Leben nach dem Tod“ etc.) eignet. Religionswissenschaftlich geht Safier mit hinduistischen und buddhistischen Jenseitsvorstellungen allerdings recht freizügig um; und es ist schade, dass dadurch entstehende Unklarheiten sich aus dem Inhalt des Romans selbst nicht beseitigen lassen. Im Schulgebrauch ist es wichtig, diese Unklarheiten zu thematisieren und genauer auf den Kreislauf des Lebens, die Wiedergeburten und das Nirvana einzugehen. So ist es auch möglich, ggf. zusammen mit den SchülerInnen eigenständige Erklärungsansätze zu erarbeiten. Die intensive Auseinandersetzung mit buddhistischen und hinduistischen Inhalten wird hier die Diskussionslage in den „zuständigen“ Orientwissenschaften berücksichtigen müssen. Im Schulunterricht ist auf diese Komplexität in elementarisierter Form hinzuweisen, um z.B. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zum Christentum herauszustellen und zu diskutieren (z.B. Gnade, Barmherzigkeit Gottes und Erlösung). Die moderne Verarbeitungsweise von Inhalten aus verschiedenen Religionen und entscheidenden Existenzfragen (Sinn des Lebens, Sterben, Jenseits, Wiedergeburt) in unterhaltsamer Form ist meines Erachtens der Grund, warum der Roman in die Bestsellerlisten geschafft hat. Auszug aus einer Hausarbeit und Bearbeitung im Kontext eines Seminars „Jenseitsvorstellungen in den Religionen, bearbeitet als Buchbesprechung zum Thema „Buddhistische und hinduistische Jenseitsvorstellungen am Beispiel von David Safiers Roman Mieses Karma“. Jeannine Flach, TU Dortmund, April 2011, Rz-Safier-Karma, 29.04.11 2