Mechanische Baustoffkennwerte ( Versuch Nr.1 )

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Mechanische Baustoffkennwerte ( Versuch Nr.1 )
1. Grundlagen
Infolge der zwangsläufigen Bewegung der Lastangriffspunkte der äußeren Kräfte wird am Körper eine mechanische Arbeit verrichtet. Diese wird dem Körper als Energie zugeführt und gespeichert, falls bei langsamer Lasteintragung nicht sofort wieder ein Energieverlust auftritt. Ein Körper ist dann ideal elastisch, wenn bei langsamer
Entlastung die durch die Belastung zugeführte Energie vollständig wiedergewonnen wird. Eine solche Elastizität
haben die Baustoffe meistens nur unvollkommen. Nach der Entlastung sind infolge nichtelastischer oder plastischer Materialeigenschaften bleibende oder erst nach längerer Zeit verschwindende Verformungen festzustellen.
Bei sehr kleinen Verformungen, wie sie im Bauwesen meistens zu fordern sind, kann man vielfach Elastizität
des Baustoffes annehmen, ohne damit einen wesentlichen Fehler zu verursachen. Es zeigt sich, dass bei den
meisten realen Werkstoffen unterhalb einer bestimmten Spannung bzw. Dehnung folgender linearer Zusammenhang (Hookesches Gesetz) zwischen Spannung σ und Dehnung ε besteht:
σ = Eε .
(1)
Die Proportionalitätskonstante E bezeichnet man als Elastizitätsmodul. Das Hookesche Gesetz gilt nur bis zu
einer Proportionalitätsgrenze. Oberhalb dieser Grenze ist
dσ
≠ const,
dε
d.h. eine Funktion von ε. Für einen nichtlinearen Spannungs-Dehnungs-Bereich lässt sich das Hookesche Gesetz
z.B. mit einem Potenz-Ansatz wie folgt erweitern:
E=
n
 σ 


 σ  σ 0 = E ⋅ ε,
 0
σ 0 = Konstante;
n = 1 z.B. Stahl für nicht zu große Dehnungen;
n > 1 z.B. Gusseisen;
n < 1 z.B. Leder, Hanf .
Die Dehnung ε wird mit Hilfe der elektrischen DMS – Technik gemessen. Für einen in Längsrichtung beanspruchten Stab kann man nach ( 1 ) die Dehnung ε = σ / E berechnen. Die Kraft F soll eine über den Stabquerschnitt gleichmäßig verteilte Spannung σ erzeugen, und die Querschnittsfläche A sei innerhalb der Stablänge
konstant. Mit σ = F / A erhält man mit ( 1 )
F
E=
.
(2)
Aε
Untersuchungen haben ergeben, dass eine Längsdehnung εl zugleich eine senkrecht dazu gerichtete Querstauchung εq erzeugt. Zwischen der Längsdehnung und Querstauchung besteht unter Voraussetzung idealelastischen
Materials die Beziehung
εq
µ=−
.
(3)
εl
Die Konstante µ wird als Poissonsche Querkontraktionszahl oder kurz Querdehnzahl bezeichnet. Zur Bestimmung der mechanischen Baustoffkennwerte werden verschiedene Verfahren angewendet :
- Ermittlung des E–Moduls durch Dehnungsmessung
Ein gerader Balken wird nach Abb.1 durch Kräfte F senkrecht zur Längsrichtung ( x-Richtung ) des Balkens
belastet.
1
x
b
y
h
wm
F
F
DMS
x
εy
εx
Biegelinie
w
e
l
e
Abb. 1
Die verformte Balkenachse nennt man die „Biegelinie“ oder „elastische Linie“. Für den Fall der geraden Biegung erhält man die größte Spannung σ an der Unterseite des Balkens ( Druck ) und an der Oberseite des Balkens ( Zug ). Die Biegespannung ergibt sich zu
M
σ=
.
(4)
W
Die Größe W wird das Widerstandsmoment des Querschnittes genannt. Für einen Balken erhält man
1
W = bh 2 .
6
(5)
In Gleichung ( 4 ) stellt M das Biegemoment dar. Für den in Abb.1 belasteten Balken berechnet sich das Biegemoment M bei der auf der Unterseite angenommenen Zugzone im Bereich 0 ≤ x ≤ 1 zu
M = − Fe.
(6)
Da mit Hilfe der DMS – Messtechnik die Längsdehnung εl = εx gemessen werden kann, ist der E-Modul durch
Einsetzen der Beziehungen ( 1 ) , ( 5 ) und ( 6 ) in (4 ) nach
E =6
Fe
bh 2ε l
(7)
berechenbar. Wird auch εy gemessen, dann kann die Querdehnzahl nach (3 ) bestimmt werden.
- Ermittlung des E-Moduls aus der Durchbiegung
Zur Bestimmung der Gleichung w = w(x) der Biegelinie ( Abb.1 ) verwendet man unter der Voraussetzung
kleiner Verformungen (w´² << 1) die linearisierte Differentialgleichung
w′ = −
M
.
EI y
(8)
Der Nenner EIy stellt die Biegesteifigkeit des Balkens dar. Setzt man voraus, dass EIy und M = -Fe konstant
sind, ergibt sich durch zweimalige Integration von ( 8 )
w(x ) = −
Mx 2
+ c1 x + c 2 .
2EI y
2
(9)
Aus den Randbedingungen w(0) = 0 und w(l) = 0 oder w´(l/2) = 0 ergeben sich die Integrationskonstanten
c2 = 0 und c1 =Ml / 2EIy und somit
M
( 10 )
w (x ) =
x (1 − x ).
2EI y
Der größte Wert der Durchbiegung ist an der Stelle x = l / 2 und man erhält
l
Ml 2

w x =  = w m =
.
2
8EI y

( 11 )
Setzt man ( 6 ) und Iy = bh3 / 12 in ( 11 ) ein, so kann man nach
E =3
Fel 2
2bh 3 w m
( 12 )
den E-Modul ermitteln.
Die Mittendurchbiegung wm ist experimentell z.B. mit Hilfe von induktiven Messgrößenaufnehmern oder
Messuhren zu bestimmen.
- Ermittlung des E-Moduls und der Querdehnzahl durch Krümmungsmessung
Durch Krümmungsmessung besteht eine weitere Möglichkeit den E-Modul und die Querdehnzahl µ zu ermitteln.
Die Krümmung wird über eine Messbasislänge lb sowohl in x-Richtung ( Durchbiegungsstich fx ) als auch in
y-Richtung ( Durchbiegungsstich fy ) gemessen ( Abb.2 ).
Abb. 2
Abb. 3
Die Funktion w(x) nach ( 10 ) stellt eine Parabel dar. Transformiert man das w-x-Koordinatensystem in Abb.1
in den Scheitelpunkt der Parabel ( Abb.3 ) , so erhält man für w(x)
M
w(x) = − 2EI
x 2.
y
3
( 13 )
Der Durchbiegungsstich fx ergibt sich aus w(x) nach Gle ichung (13) zu
f x = w(
lb
).
2
( 14 )
Daraus folgt
f x = −M
lb2
8EI y
( 15 )
und mit (6)
E=
Fel b 2
8f x I y
.
( 16 )
Eine Längskrümmung ist bei ausreichend breitem Stab mit einer Querkrümmung verbunden, d.h. es tritt auch ein
Durchbiegungsstich fy auf. Die Querdehnzahl wird aus den Durchbiegungsstichen fx und fy nach
µ=−
fy
fx
( 17 )
berechnet. Die experimentelle Bestimmung von fx, fy erfolgt durch Messuhren oder induktive Messgrößenaufnehmer.
4
2. Aufgaben
2.1. Prüfkörper aus Piacryl
Beachten Sie, dass der Werkstoff Piacryl eine zeitabhängige Nachverformung aufweist. Deshalb sind die
Messungen jeweils 30s nach der Be- bzw. Entlastung durchzuführen.
2.1.1. Ermitteln Sie die Größen b, h, e, l und lb .
2.1.2. Ermitteln Sie den E-Modul nach ( 12 ).
2.1.3. Ermitteln Sie den E-Modul nach ( 7 ) und die Querdehnzahl µ nach ( 3 ).
2.1.4. Ermitteln Sie den E-Modul nach ( 16 ) und die Querdehnzahl µ nach ( 17 ).
2.2. Prüfkörper aus Beton
Der planparallele Prüfkörper wird in einer Zug-/ Druck- Prüfmaschine mittig belastet ( Abb.4 ).
Abb. 4
2.2.1. Ermitteln Sie den E-Modul nach ( 2 ) gemäß DIN 1048. Um eine eventuell auftretende Abweichung von
der Planparallelität auszuschalten, ist die Längsdehnung εl nach
el =
1
(e 1 + e 3 )
2
(18)
auszurechnen ( Abb.5 ).
ε3
Abb. 5
2.2.2. Ermitteln Sie die Querdehnzahl µ nach ( 3 ). Die vorhandene ungewollte Abweichung von der Planparallelität kann nach
eq =
ausgeschaltet werden.
1
(e2 + e4 )
2
5
(19)
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