PDF, 11 MB, Datei ist nicht barrierefrei

Werbung
Welt-AIDS Tag 2016
Poster Ausstellung
2016 findet der Welt-AIDS-Tag zum 29. Mal statt. Der Welt-AIDS-Tag
soll auch daran erinnern, dass HIV noch längst nicht besiegt ist.
In Deutschland leben etwa 85.000 Menschen mit einer HIV-Infektion.
Etwa 3.200 Menschen haben sich in Deutschland 2015 neu mit HIVinfiziert, die Zahl ist gegenüber den Vorjahren unverändert.
Dieser PosterWalk stellt die Vielfältigkeit der Tätigkeitsfelder rund um
das Thema HIV/AIDS im RKI vor. Hier können sich Interessierte
selbstständig über allgemeine und zeitgeschichtliche Aspekte sowie
über aktuelle Forschungsprojekte informieren.
Dankeschön
Einen herzlichen Dank an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus
FG 18 und FG 34, die täglich ihren Beitrag zur Erforschung von HIV und
AIDS leisten.
Nr.
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
Thema
Rückblick: HIV und AIDS in den 80er und 90er Jahren
Kuriositäten im RKI-Alltag
Ursprung und Evolution von HIV
Der „HIV-Test“: Nachweis einer HIV-Infektion
Welche Infektionsrisiken bestehen wirklich?
HIV-Surveillance – Meldedaten und Meldequalität
Blutspende-Surveillance
Schätzung der Anzahl von HIV-Neuinfektionen im Verlauf
HIV Second Generation Surveillance in Deutschland
Das 90 – 90 – 90 Ziel von UNAIDS
Kürzlich erworbene HIV-Infektionen in Deutschland
Die HIV-1 Serokonverterstudie
Molekulare Surveillance von HIV-1 Neuinfektionen
HIV, Hepatitis B und C bei injizierenden Drogengebrauchenden
MiSSA – Studie zu sexueller Gesundheit mit Migrant/innen aus
15
Subsahara-Afrika
16 Eradikation von HIV
Quelle: de.wikipedia.org
1
Rückblick: HIV und AIDS in den 80er und 90er Jahren
Zusammengestellt von S. Beermann
2
Kuriositäten im RKI-Alltag
Seit den späten 80iger Jahren erreichen das RKI immer wieder
Briefe, die zum Thema „HIV“ Stellung nehmen. Das Poster
zeigt einige Auszüge aus der Kuriositätensammlung.
Zusammengestellt von S. Beermann und M. Jung
3
Ursprung und Evolution von HIV
Herkunft von HIV
 In Altweltaffen sind mehr als 40 unterschiedliche Simiane Immundefizienzviren (SIV) bekannt.
 Einige SIVs wurden auf Menschenaffen oder auf den Menschen übertragen und entwickelten durch die Überwindung der „SpeciesBarriere“ neue pathogene Virusvarianten („cross-species transmission“).
 Auf der Grundlage von Stammbaumanalysen wird geschätzt, dass die Übertragung von SIV von unterschiedlichen nicht-menschlichen
Primaten in die menschliche Population (zoonotische Transmission) um 1920 in West-und Zentralafrika stattfand.
 Mehrfache unabhängige zoonotische Transmissionen von SIV führten zu unterschiedlichen Abstammungslinien von HIV im Menschen.
Auf Grundlage genetischer und biologischer Unterschiede wird HIV daher in zwei Typen eingeteilt: HIV-1 und HIV-2.
Abb. 1: Transmission
HIV-1 entstand durch
Übertragung von SIV aus
Schimpansen.
HIV-2 entstand durch
Übertragung von SIV aus
Rauchmangaben.
 HIV-1 und HIV-2 sind phänotypisch (morphologisch) nicht zu unterscheiden, der genotypische Unterschied (Nukleotidsequenz) liegt
jedoch bei ca. 50%.
 Beide HIV-Typen verursachen beim Menschen eine ähnliche Symptomatik, das als AIDS (Acquired Immunodeficiency Syndrome)
bezeichnete Krankheitsbild.
 HIV-1 besitzt eine höhere Infektiösität und Pathogenität als HIV-2 und ist Verursacher der weltweiten HIV-Pandemie.
Evolution von HIV
 Unterschiedliche Gruppen von HIV-1 (M, N, O und P)
entstanden durch die Übertragung von SIV unterschiedlicher
Menschenaffen in die menschliche Population.
 Die Übertragung innerhalb der menschlichen Population führte
zur Evolution von HIV-1 Subtypen und Mosaikviren. Derzeit
sind 9 Subtypen (A-D, F, G, H, J, K) und 72 zirkulierende
rekombinante Formen (CRFs) bekannt.
Abb. 2: Bekannte Beispiele von “cross-species transmissions” von
SIV verschiedener Affenarten auf den Menschen und die daraus
neu entstandenen Viren (HIV-1 und HIV-2) in der menschlichen
Population.
Abb. 3: Der phylogenetische Stammbaum zeigt die Entstehung
der vier Gruppen von HIV-1 (M, N, O und P) durch jeweils eine
„cross-species“ – Transmission von SIV aus Menschenaffen in die
menschliche Population.
Zusammengestellt von S. Somogyi
Quelle: Origins of HIV and the AIDS pandemic. Sharp PM, Hahn BH. 2011
4
Der „HIV-Test“:
Nachweis einer HIV-Infektion
Wo kann man sich testen lassen?
Wie wird getestet?
 In Arztpraxen (ca. 25-50 Euro)
 In Gesundheitsämtern (kostenlos und anonym)
 Bei Aidshilfen oder in Check points für schwule Männer und
intravenöse Drogengebrauchende
(siehe auch https://www.aidshilfe.de/adressen)
 Zu Hause mit sog. „Heimtests“ aus dem Internet.
Vorsicht: Diese sind in Deutschland nicht zugelassen. Sie sind
störanfällig und führen unter Umständen zu falschen
Resultaten.
Der HIV-Suchtest (Screeningtest)
Die gesicherte Diagnose einer HIV-Infektion basiert auf einer
Stufendiagnostik bestehend aus
1. einem HIV-Suchtest (Screeningtest, Abb.1) gefolgt von
2. einem Antikörper-basierten Bestätigungstest (Abb.2) und/oder
alternativ einem Nukleinsäure-Amplifikations-Test (NAT).
Die Stufendiagnostik ist die Grundlage zur Mitteilung an die
betroffene Person und zur Meldung im Rahmen der nichtnamentlichen Meldepflicht (IfSG § 7, Absatz 3) an das Robert KochInstitut.
Die Bestätigungsteste
Im HIV-Screeningtest der „3. Generation“ werden HIV-Antikörper
im Blutserum oder -plasma mit ELISAs (Enzyme-linked
Immunosorbent Assay) oder verwandten Testformaten detektiert.
Diese sind die in der Regel 3 Monate nach einer Infektion
nachweisbar. Mit Screeningtests der „4. Generation“ kann
zusätzlich das HIV- Antigen detektiert werden. Dies lässt den
Nachweis der HIV- Infektion schon vor der Serokonversion und
bereits ca. 6 Wochen nach Infektion zu.
Ist das Testergebnis eines HIV-Screeningtests reaktiv (Nachweis
von HIV-Antikörper und/oder Antigen) oder grenzwertig (unklares
Ergebnis) wird im Rahmen der Stufendiagnostik entweder
 ein Antikörper-basierter Test (z. B. Immunoblot mit nativen
und/oder rekombinanten HIV-spezifischen Proteinen) oder
 ein direkter Nachweis viraler Nukleinsäure mittels sensitiver
NAT (Nachweisgrenze < 50 RNA-Kopien/mL) zur Verifikation
der HIV-Infektion durchgeführt.
Abb. 1: Versuchsaufbau eines ELISAs zum Nachweis von HIV-Antikörpern
(3. Generationstest)
Abb. 2: Versuchsaufbau eines Westernblots zum Nachweis von spezifischen
HIV-Antikörpern
Das HIV-Testergebnis
Abb. 3: Algorithmus zum virusdiagnostischen Erstnachweis einer HIV-1
oder HIV-2 Infektion
»HIV-negativ«
 Der HIV-Screeningtest ist negativ oder
 Der HIV Screeningtest ist reaktiv oder grenzwertig, beide
Bestätigungsteste (serologisch und NAT) sind jedoch negativ.
 eine Verlaufskontrolle nach 1-3 Wochen wird empfohlen
»HIV-positiv«
 HIV-Screeningtest und einer der beiden oder beide
Bestätigungsteste sind positiv
 Es wurde eine HIV-1 oder eine HIV-2 Infektion nachgewiesen.
Vorsicht: Zum Ausschluss einer Probenverwechslung wird die
Einsendung einer weiteren, unabhängig entnommenen Probe
empfohlen.
Entsprechend der neuen HIV-1 Therapierichtlinien wird der
sofortige Beginn einer Antiretroviralen Kombinationstherapie
empfohlen, um das Übertragungsrisiko auf andere Personen zu
verringern sowie der „übermäßigen“ Ausbreitung des HIVReservoirs im Körper entgegenzuwirken.
Zusammengestellt von A. Hauser
Quelle: Bundesgesundheitsbl 2015 · 58:877–886
5
Welche Infektionsrisiken bestehen wirklich?
Bestehendes Infektionsrisiko
Kein Infektionsrisiko
Gemeinsame Benutzung von Spritzen
Küsse, Zungenküsse
Die Verwendung derselben Nadel und Spritze
Kein Risiko bei Küssen. Bei Zungenküssen ist ein
durch mehrere Personen birgt eine sehr große
Risiko theoretisch nicht auszuschließen, aber
Gefahr.
weltweit in keinem Fall als Übertragungsweg
Ungeschützter Analverkehr
nachgewiesen.
Bei ungeschütztem Analverkehr besteht für beide
Körperkontakte, Hautkontakte
Partner ein Risiko. Für den passiven Partner ist es
Kein Risiko bei Haut- und Körperkontakten wie
besonders hoch, gleich ob Mann oder Frau, da es
Händeschütteln, Streicheln, Schmusen.
häufig zu einer Verletzung beim Geschlechtsverkehr kommt. Ein Risiko besteht auch ohne
Familienleben, Gemeinschaftsleben
Samenerguss.
Kein Risiko. Niemand kann sich anstecken, auch
Ungeschützter Vaginalverkehr
wenn er mit einem Infizierten in einer Familie oder
Bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr mit
Wohngemeinschaft eng zusammenlebt.
Infizierten ist die Ansteckungsgefahr gegeben. Ein
Risiko besteht auch ohne Samenerguss.
Oralverkehr
Risiko besteht. Durch Aufnahme von HIV-haltiger
Samenflüssigkeit in den Mund ist eine Infektion
Übertragung durch die Luft
Kein Risiko. Auch durch Anhusten oder
Niesen kann man nicht mit HIV infiziert
werden.
möglich. Auch Scheidenflüssigkeit kann HIV
Schwimmbad, Sauna, Toiletten, Waschräume
enthalten.
Kein Risiko. HIV kann bei der gemeinsamen
Mutter-Kind-Übertragung
Benutzung von Gemeinschaftseinrichtungen nicht
Risiko für das Kind groß. Die infizierte werdende
übertragen werden.
Mutter kann das Kind vor, während und nach der
Geburt (beim Stillen) anstecken. Eine umfassende
medizinische Betreuung kann das Risiko für das
Kind jedoch sehr stark senken. Deshalb wird im
Insektenstiche
Kein Risiko. Ein Insektenstich kann HIV nicht
übertragen.
Rahmen der Schwangerschaftsvorsorge ein HIVTest angeboten, den jede werdende Mutter (auch)
annehmen/machen lassen sollte.
Blut-Übertragung im Krankenhaus
Bei Gabe von Blut und Blutplasma besteht trotz
sehr effektiver Sicherungsverfahren in Deutschland
Geschirr, Kleidung, Wäsche
Kein Risiko. Die gemeinsame Benutzung von
Essgeschirr birgt keine Gefahr. Auch Kleidung
oder Wäsche von Infizierten muss nicht
gesondert gewaschen werden.
ein äußerst niedriges Restrisiko. In anderen
Ländern bei denen die Sicherungsverfahren nicht
so hoch sind, besteht ein hohes Risiko sich bei
einer Bluttransfusion mit HIV zu infizieren.
Eine gut wirksame HIV-Therapie schützt die Partner von HIVpositiven Menschen sehr wirkungsvoll vor der Übertragung von
HIV. Demnach wird die Übertragungswahrscheinlichkeit durch
Zusammengestellt von S. Beermann
die antiretroviralen Medikamente um 96% reduziert. Die
Therapie schützt in etwa genauso effektiv wie Kondome, welche
die Übertragungswahrscheinlichkeit um etwa 95% verringern.
Quelle: www.Bzga.de
6
HIV-Surveillance –
Meldedaten und Meldequalität
Einleitung und Meldewege
 Infektionsschutzgesetz (IfSG): Gesetzliche
Grundlage der HIV-Meldepflicht
 §7 Abs. 3 IfSG: Meldepflicht des direkten oder
indirekten Nachweis von HIV-Krankheitserregern
 §10 Abs. 4 IfSG: nicht-namentliche Meldung vom
Meldepflichtigen (Labor) innerhalb von zwei
Wochen direkt an das Robert Koch-Institut
 Einsendende Ärzteschaft hat die meldepflichtige
Einrichtung gemäß §10 Abs. 1 IfSG bei den Angaben
der Meldungen zu unterstützen (Abb. 1)
Abb. 1: HIV-Meldewege gemäß Infektionsschutzgesetz §7 Abs.3
Labordiagnostische
Einrichtung
direkte Meldung
innerhalb von zwei
Wochen gemäß
§ 10 Abs. 4 IfSG
Einsendende
Ärzteschaft
RKI
Cave: ohne
Zeitvorgabe im
IfSG
Meldedaten
 ~6.000 Meldeberichte/Jahr aus Laboren
 Ca. zwei Drittel der Meldebögen durch behandelnde
Ärzteschaft ergänzt
 Datenqualität sehr unterschiedlich
 Insbesondere fehlende Angaben, ob es um
Erstdiagnose oder Doppel-/ Mehrfachmeldung
handelt (Tab. 1)
 Nahezu jeder dritte übersandte Arztmeldebogen
muss recherchiert werden
 Zunächst Erfragen der Kontaktdaten des Einsenders
(Abb. 2)
 Recherchen sind personal- und zeitintensiv
 Verzögerte Übermittlung führt ebenfalls zu
statistischen Verzerrungen (Abb. 3)
Abb. 2: Darstellung der Recherchegründe 04/2012 – 10/2014
Tab. 1: Ab 1993 im RKI eingegangene Meldungen über bestätigte
HIV-Antikörpertests nach Meldestatus (ohne Mehrfachmeldungen)
Gemeldete HIV-Antikörperteste
Diagnosejahr Erstdiagnosen Meldestatus unbekannt Gesamt
<2006
25.998
34.583
60.581
2006
2.638
1.744
4.382
2007
2.765
1.620
4.385
2008
2.823
1.639
4.462
2009
2.857
1.482
4.339
2010
2.696
1.334
4.030
2011
2.664
1.355
4.019
2012
2.957
1.045
4.002
2013
3.238
1.095
4.333
2014
3.500
799
4.299
2015
3.674
939
4.613
Gesamt
55.810
47.635
103.445
Abb. 3: Beispiel einer verzögerten Arztmeldung
Zusammenfassung
Von zentraler Bedeutung für die Bewertung der HIVEpidemie in Deutschland sind vollständige und
zeitgerecht übermittelte Meldedaten, denn diese stellen
das wichtigste Instrument zur Beurteilung dar. Daher
Zusammengestellt von K. Schönerstedt-Zastrau und L. Voß
ist es wichtig, die Datenqualität der HIV-Meldungen zu
verbessern und für die Bedeutung dieser ergänzenden,
aber unverzichtbaren Daten sowie die zeitnahe
Übermittlung zu werben.
7
Blutspende-Surveillance
Hintergrund
Blut- und Plasmaspender werden sorgfältig mit Hilfe eines
Fragebogens und einer ärztliche Befragung und Untersuchung
ausgewählt. Werden dabei Risiken für die Spender selbst oder
potentielle Empfänger identifiziert, erfolgt keine Spendenentnahme.
Alle Blut- und Plasmaspenden werden vor der Verwendung auf
• HIV (Antikörpertest und Genomnachweis)
• Hepatitis C (HCV) (Antikörpertest und Genomnachweis),
• Hepatitis B (HBV) (Hepatitis-B-Oberflächenantigen (HBsAg) und
Antikörpertest (anti-HBc) und
• Syphilis (Antikörpertest)
untersucht.
Blutspendersurveillance
Nach Transfusionsgesetz (TFG) sind alle Blut- und
Plasmaspendeeinrichtungen in Deutschland gesetzlich verpflichtet,
folgende Meldungen an das RKI zu machen:
• Gesamtzahl der getesteten Spenden und Spender
• positive Testergebnisse
aufgeschlüsselt nach verschiedenen Kriterien wie z.B. Altersgruppe,
Geschlecht und Spendenart
Ziele der Surveillance
• Beurteilung der Sicherheit des Spenderkollektivs
• Aufrechterhaltung des hohen Sicherheitsstandards bei
Transfusionen in Deutschland
Meldedaten
Bei insgesamt über 7 Millionen Spenden im Jahr 2014 wurden nur
wenige Infektionen festgestellt.
HIV-Serokonversionen bei Mehrfachspendern fanden sich
häufiger als neue Hepatitis-B- und -C-Infektionen.
Tab. 1: HIV‐, HCV‐, HBV‐ und Syphilisinfektionen
bei Blut‐ und Plasmaspendern 2014
HIV-Infektionen unter Blut- und Plasmaspendern werden
hauptsächlich bei männlichen Spendern diagnostiziert. Unter
Neuspendern zeigte sich nach anfänglichen Schwankungen kein
eindeutiger Trend beim Anteil der HIV-Infektionen. Bei männlichen
Mehrfachspendern nahm der Anteil der HIV-positiven Spender bis
2013 zu und war 2014 erstmals deutlich rückläufig.
Abb. 1 und 2: HIV-Infektionen bei Neu- und Mehrfachspendern
2000-2014 getrennt nach Geschlecht
Neuspender (470.344)
HIV
HCV
HBV
Syphilis
Infektionen
26
245
426
235
Infektionen/100.000
5,5
52,1
90,6
50,0
Mehrfachspenden (6.804.574)
Mehrfachspender (2.218.729)
HIV
HCV
HBV
Syphilis
Infektionen
48
37
35
152
Infektionen/100.000
0,7
0,5
0,5
2,2
Infektionen/100.000
2,2
1,7
1,6
6,9
Angaben zum wahrscheinlichen Übertragungsweg bei HIV-positiven
Blutspendern lagen zu 39% der Infektionen vor
(309/789 zwischen 2006 und 2013).
Am häufigsten wurden genannt:
• Heterosexuelle Exposition (55,3%)
• Sexualkontakte unter Männern (41,3%)
Ein Restrisiko, sich durch eine Transfusion mit HIV zu infizieren, besteht,
wenn die verwendeten Tests bei sehr frischen Infektionen noch nicht
reaktiv sind (so genannte „diagnostische Fensterphase“). Dieses
Übertragungsrisiko ist sehr gering.
Es wird aktuell auf kleiner als 1 : 2 Millionen geschätzt.
Zusammenfassung
• Blutprodukte in Deutschland sind durch Testung aller Spenden und sorgfältige Spenderauswahl sehr sicher.
• Eine verbesserte Compliance der Spender mit den Spenderauswahlkriterien, z.B. hinsichtlich sexueller Expositionen, könnte die
Sicherheit weiter erhöhen.
• Hierzu trägt eine verbesserte Aufklärung der Spendewilligen und eine verständliche Erhebung von Infektionsrisiken im
Spenderfragebogen bei. Das RKI ist an entsprechenden Projekten beteiligt.
Zusammengestellt von C. Houareau, K. Preußel und R. Offergeld
8
Schätzung der Anzahl von HIV-Neuinfektionen
im Verlauf
Daten-Grundlage und Voraussetzungen der Schätzung
Grundlage der HIV-Schätzung sind die bestätigten Neudiagnosen von
 inländischen HIV-Infektionen: In Deutschland oder von Personen
deutscher Herkunft im Ausland erworbene HIV-Infektionen, stratifiziert
nach Transmissionsgruppe (MSM, IVD, Hetero).
 importierten HIV-Infektionen: von Menschen nicht–deutscher Herkunft
im Ausland erworbene HIV-Infektionen, stratifiziert nach Herkunftsregion
(Europa, Asien, Afrika, Amerika/Australien).
Abb. 1: Geschätzter Verlauf der HIV-Diagnosen (Median) nach multipler Imputation von
fehlenden Werten und Berücksichtigung der unklaren Meldungen zwischen 2001 und 2015
nach Transmissionsgruppen (inländische Infektionen) und Herkunftsregion (importierte
Infektionen).
Aus Kohorten-Studien ist die Verteilung der Dauer zwischen HIV-Infektion
und HIV-Diagnose in einem bestimmten CD4-Stratum bekannt.
Mit Hilfe dieser Progressionsverteilung kann durch Rückprojektion des
Verlaufs der Diagnosen, der Verlauf der HIV-Neuinfektionen geschätzt
werden. Dabei werden zusätzlich die Geschlechter- und Alters-Verteilung,
sowie das Bundesland des Wohnortes berücksichtigt.
Abb. 2: Geschätzte Verteilung der Dauer zwischen HIV-Infektion und Diagnose nach
gemessener CD4-Zellzahl bei Diagnose in der Altersgruppe 25 bis 29 Jahre (mit 95%Konfidenzintervall)
MSM: Männer, die Sex mit Männern haben IVD: i.v. Drogengebraucher
Geschätzter Verlauf der HIV-Infektionen in Deutschland
 Geschätzte Zahl der HIV-Neuinfektionen nach Spitzenwerten Mitte der
1980er Jahre bis Ende der 1990er Jahre deutlich reduziert
 Erneuter Anstieg von 2000 bis ca. 2006
 Plateaubildung ab 2006
 2015 etwa 3.200 (95 % KI: 3.000 – 3.400) HIV-Infektionen
Verlauf nach Transmissionsgruppen zeigt:
 Gipfel in den 80er Jahren bei MSM und IVD
 Anstieg nach 2000 primär bei MSM
 Seit 2006 leichter Rückgang bei MSM, dagegen leichte Anstiege bei IVD
und Hetero
Abb. 3: Geschätzte Anzahl von HIV-Infektionen in Deutschland seit Beginn der HIV-Epidemie nach
Infektionsjahr (1975-2015)
Abb. 4: Geschätzte Anzahl von HIV-Infektionen in Deutschland seit Beginn der HIV-Epidemie nach
Infektionsjahr und Transmissionsgruppe (1975-2015)
Geschätzte Anzahl von Menschen mit HIV in Deutschland Ende 2015
Tabelle 1: Geschätzte Anzahl der Menschen mit HIV in Deutschland mit und ohne HIV-Diagnose nach
Geschlecht, Transmissionsgruppe und Herkunft, 2015
Gruppe
Menschen
mit HIV
in
Deutschland
Gesamt
Männer
Frauen
MSM
Inländische
HIVInfektionen
Hetero
IVD
BlutProdukte
Europa
Importierte
HIVInfektionen
Asien
Afrika
Amerika/
Australien
Gesamtzahl
Diagnostiziert
> 84.700
72.000
(78.300 – 91.100)
> 69.500
(64.500 – 74.600)
> 15.200
(13.900 – 16.800)
54.100
(50.600 – 57.800)
10.700
(67.000 – 77.900)
58.800
(54.800 – 63.500)
13.200
(12.000 – 14.500)
45.000
(42.000 – 48.500)
7.900
Undiagnostiziert
> 12.600
(11.300 – 14.100)
> 10.500
(9.400 – 11.900)
> 2.100
(1.700 – 2.400)
(8.100 – 10.100)
2.800
(7.100 – 8.800)
(2.300 – 3.200)
7.700
6.800
820
(6.800 – 8.500)
(6.100 – 7.700)
(620 – 1.100)
~ 450
~ 450
<5
(2.400 – 3.000)
> 1.900
(1.700 – 2.200)
> 5.900
(5.200 – 6.800)
Abb. 5: Geschätzte Anzahl der Menschen mit HIV in Deutschland mit und ohne HIV-Diagnose
(2006- 2015)
9.000
(9.700 – 11.700)
> 2.700
Durch Aufsummieren der Neuinfektionen ergibt sich abzüglich der
Todesfälle die Anzahl von Menschen mit HIV in Deutschland
• Kontinuierlicher Anstieg seit 1999 um ca. 3000 pro Jahr
• Über 30.000 Menschen mit HIV sind 50 Jahre und älter
• 84% aller Diagnostizierten werden therapiert
• Zahl der Undiagnostizierten seit 2006 leicht steigend
> 2.700
(2.400 – 3.000)
> 1.900
(1.700 – 2.200)
> 5.900
(5.200 – 6.800)
> 750
> 750
(670 – 840)
(670 – 840)
Zusammengestellt von M. an der Heiden
Modellierung
nicht anwendbar
Quelle: Epidemiologisches Bulletin 45/2016





•
•
•



→


HIV/STI-Strategie
BMG
Integrierte HIV/STISurveillance
RKI
BZgA/DAH
Aufklärungskampagnen






10
Das 90 – 90 – 90 Ziel von UNAIDS
Welche Quellen der HIV Übertragung gibt es?
Globale Behandlungskaskade
UNAIDS hat das Ziel bis 2020 hinsichtlich HIV-Infektionen in
der Behandlungskaskade 90-90-90 zu erreichen.
Die globale Behandlungskaskade für HIV in 2014 zeigt:
 Weltweit leben geschätzt ca. 37 Mio. Menschen mit HIV/AIDS
 Knapp 20 Mio. Menschen sind mit HIV diagnostiziert
 Nur 15 Mio. der diagnostizierten Menschen werden therapiert
 Nur 12 Mio. der antiretroviral behandelten Menschen sind
erfolgreich behandelt
Abb. 1: Weltweite HIV Behandlungskaskade und Differenz zum Erreichen des UN
AIDS Ziels 90-90-90
Limitationen:
 Große Unkenntnis hinsichtlich HIV-Serostatus
 Fehlender Zugang zu antiretroviraler Therapie
 Therapieversagen durch HIV Resistenz oder mangelnde
Adhärenz
Zu allen Zeitpunkten besteht die Möglichkeit für die Übertragung
von HIV.
HIV Behandlungskaskade Deutschland 2014: 84 – 82 - 93
Abb. 2: HIV Behandlungskaskade für Deutschland für das Jahr 2014
70.100
(64.200 - 77.400)
57.600
(54.200 - 61.000)
54.100
(51.400 - 56.800)
83.400
(77.100 - 91.200)
 In Deutschland wird ein sehr hoher Anteil der mit HIV infizierten
und diagnostizierten Personen antiretroviral behandelt. In 2014
liegt dieser bei 82% aller mit HIV diagnostizierten Personen.
 Einen Therapieerfolg von <50 Viruskopien/ml Plasma weisen
93% aller dauerhaft therapierten Personen auf.
 Seit 2015 kann entsprechend der Deutsch-Österreichischen
Therapieleitlinien unabhängig der Höhe der CD4 Zellzahl schon
bei Diagnosestellung eine antiretrovirale Therapie begonnen
werden.
Antiretroviral therapiert – mit Virämie – Beobachtungen aus der ClinSurv Kohorte
Die klinische Surveillance von HIV, ClinSurv Kohorte
 Studienpopulation N=24.231 in 2014
 19.273 Männer (79,5 %), 4.958 Frauen (20,5 %)
 Alter zu Beginn der Erstlinien-ART 39 Jahre (SD 10,8)
 Risiko: 49,5 % MSM, 13,7 % Hetero, 12,8 % HPL, 9,0% IDU
 93% der Regime enthalten die Markersubstanzen Emtricitabin (FTC)
oder Lamiviudin (3TC)
Abb. 3: Viruslast (log-Stufen) von Patienten in der ClinSurv HIV Kohorte (1999–
2014); Anteil erfolgreich Behandelter in grün
Therapieerfolg in der ClinSurv Kohorte 2014 in allen Therapielinien
 Therapiert: N=20484; 84.5%; Dauer 7,3 Jahre (SD 5,72)
 Therapienaiv: N=3747; 15.5%
 Persistierende Virämie: 1999: 43% vs. 2014: 7.4%
 Therapieerfolg Viruslast <50 Kopien/ml: 93%
 Anteil nicht dokumentierte Viruslast: 20% (im Verhältnis zu 37,3% in
1999)
Schlussfolgerungen
Der Anteil von HIV-positiven Personen mit persistierender Virämie
ist in der ClinSurv Kohorte mit ca. 7% in 2014 sehr gering. Es
werden Therapieerfolge von 93% unter der Nachweisgrenze erzielt.
Jedoch bleibt der Anteil der Beobachtungszeit mit nicht
dokumentierter Viruslast konstant bei über 20%, bezogen auf den
gesamten Beobachtungszeitraum. Personen in diesem Zeitfenster
könnten virämisch sein und somit HIV übertragen.
Zusammengestellt von B. Gunsenheimer-Bartmeyer, D. Schmidt und C. Kollan
11
Kürzlich erworbene HIV-Infektionen in Deutschland
Hintergrund
Methoden
 HIV-Infektion verläuft lange asymptomatisch
 Rückschluss von der Meldung einer HIV-Infektion auf den
Infektionszeitpunkt und die Dauer der Infektion nicht möglich
 Serologische Testverfahren wie der BED-IgG capture ELISA (BEDCEIA) können über den relativen Anteil HIV-spezifischer unter
den Gesamt-(IgG-) Antikörpern zwischen kürzlich erworbener
(rezent; ≤ 5 Monate) und länger bestehender (>5 Monate) HIVInfektion unterscheiden.
Ziel der Studie: Bestimmung des Anteils kürzlich erworbener HIVInfektionen unter HIV-Neudiagnosen
 Rekrutierung von Laboren, die HIV diagnostizieren und nach
Infektionsschutzgesetz (IfSG) melden
 Labore senden Filter-getrocknete Serumproben von bestätigten
HIV-Diagnosen an das RKI
 Bestimmung rezenter HIV-Infektionen durch den BED-CEIA
 Anonymisierte Verknüpfung der Testergebnisse des BED-CEIA
mit Angaben des IfSG-HIV-Meldebogens
 Beschreibung des Anteils rezenter HIV-Infektionen bei HIVNeudiagnosen nach Transmissionsgruppe, Alter, Geschlecht,
Herkunft und Zeit (2011-2015)
Ergebnisse
Abb. 1: Anteil kürzlich erworbener HIV-Infektionen bei HIV-Neudiagnosen mit Filterproben nach Transmissionsgruppen und Jahr
Anteil rezenter HIV-Infektionen
Männer die Sex mit Männern haben (MSM)
Personen mit heterosexuellen Kontakten (HET)
Intravenöse Drogengebraucher (IVD)
Gesamt
50%
40%
30%
20%
10%
0%
2011
2012
2013
2014
2015
Diagnosejahr
Tab. 1: Verteilung kürzlich erworbener HIV-Infektionen nach
Transmissionsgruppe und Geschlecht bei HIV-Neudiagnosen mit
Filterpapierproben (2011-2015)
Abb. 2: Anteil kürzlich erworbener HIV-Infektionen je Altersgruppe bei HIVNeudiagnosen mit Filterpapierproben (2011-2015)
Rezent
(n=3.174)
Länger
bestehend
(n=6.484)
Gesamt
(n= 9.658)
Männer
2.735
(35%)
5.179
(65%)
7.914
(82%)
Frauen
437
(25%)
1.297
(75%)
1.734
(18%)
Männer, die Sex mit Männern
hatten (MSM)
2.052
(38%)
3.351
(62%)
5.403
(56%)
Intravenöse Drogengebrauchende (IVD)
103
(37%)
173
(63%)
276
(3%)
Personen mit heterosexuellen
Kontakten (HET)
489
(24%)
1.545
(76%)
2.034
(21%)
Gruppe
% Anteil rezenter HIV-Infektionen
45%
40%
35%
30%
25%
20%
15%
10%
5%
0%
0-17 Jahre 18-25 Jahre
25-34
Jahre
35-44
Jahre
45-54
Jahre
>=55 Jahre
Altersgruppen
Schlussfolgerungen
 Insgesamt leichter Anstieg der rezenten HIV-Infektionen
(von 29% in 2011 auf 34% in 2015)
 Höchster Anstieg (von 17% in 2011 auf 27% in 2015) bei
Personen mit heterosexuellen Kontakten
 Höchsten Anteil rezenter HIV-Infektionen bei MSM und
Personen <25 Jahren
Zusammengestellt von A. Hofmann
 Mögliche Ursachen für den Anstieg: Stärkeres HIVInfektionsgeschehen oder erhöhtes Risikobewusstsein oder
vermehrte Testung
 Ergänzenden Studien in diesen Gruppen zum Verhalten und zu
Testhäufigkeit notwendig um Präventionsstrategien anpassen
zu können
12
Die HIV-1 Serokonverterstudie
Hintergrund und Ziele
Methoden
Seit Juli 1997 wird am RKI in einer Zusammenarbeit von FG34 und
FG18 die HIV-1 Serokonverterstudie durchgeführt. Im Rahmen
dieser Studie werden Daten zum Krankheitsverlauf HIV-infizierter
Menschen mit bekanntem Infektionszeitpunkt (HIV-Serokonverter)
erhoben und analysiert.
Studientyp: Deutschlandweite, offene, multizentrische LangzeitKohortenstudie
Population: HIV-positive Personen mit bekanntem/eingrenzbarem
Zeitpunkt der HIV-1 Serokonversion
Voraussetzungen: Einverständniserklärung der teilnehmenden
Person, aktuelles Votum der Ethikkommission (2013)
Einschlusskriterien:
(1) akute Serokonversion (labordiagnostisch bestätigt) oder
(2) dokumentierte Serokonversion (Zeitraum zwischen letztem
negativen und erstem positiven HIV-Test ≤ 3 Jahre)
Proben- und Datensammlung:
 Jährliche Zusendung von Blutproben und Fragebogen mit
klinischen und epidemiologischen Daten
 Untersuchung der HIV-1 pol-Sequenz zur Bestimmung von
Resistenzmutationen und des Subtyps
Ziele der HIV-1 Serokonverterstudie sind unter anderem die
Untersuchung von:
 Medikamentenresistenz: Ausbreitung, Persistenz und
Übertragung resistenter HIV
 Antiretrovirale Therapie: Zusammensetzung der
Therapieregime, Therapiewechsel, Therapieerfolg u.a. im Hinblick
auf Medikamentenresistenz
 Ko-Infektionen: v. a. mit Hepatitis B und Hepatitis C
 Subtypen: Ausbreitung verschiedener HIV-Subtypen,
insbesondere von neuen rekombinanten Formen
Ergebnisse
Abb. 1: Einrichtungen mit aktiver
Teilnahme in den letzten 3 Jahren
Ko-Infektionen
 Untersuchung zu Ko-Infektionen von
5.445 Proben bei 1.843 MSM
 HBV: 1,7% aktive HBV, 27,1% Z.n. HBV,
0,2% okkulte HBV, 47,5% Z.n. Impfung
 HCV: 4,0% aktive HCV, 4,2% Z.n. HCV
Syphilis: 12,5% aktive Syphilis, 27,1%
Z.n. Syphilis
Abb. 2: Anteil übertragener, resistenter HIV (Transmitted Drug
Resistance, TDR)
40
TDR (%)
Anteil TDR (%)
35
linear trend
30
25
20
15
10
5
0
1996
1998
2000
2002
2004
2006
2008
2010
2012
2014
Jahr der Serokonversion
Studienzentren
 Ca. 50 Einrichtungen
 Gute Abdeckung vor allem
in Großstädten und
Ballungsgebieten
HIV-Resistenz
 Anteil übertragener resistenter HIV in aktueller
Auswertung (1996-2015) rückläufig
 insgesamt 10,9% (268/2451; ptrend=0,009) resistente
HIV
Abb. 3: Ko-Infektionen mit HBV, HCV und Syphilis
Studienpopulation
 3.266 Teilnehmende
 1.201 akut und 2.065 dokumentierte Serokonverter
 3.066 männliche Patienten
 2.791 Männer, die Sex mit Männern haben
Zusammenfassung
Die HIV-1 Serokonverterkohorte leistet einen unverzichtbaren
Beitrag zur HIV-Surveillance in Deutschland. Die Erkenntnisse aus
der HIV-1 Serokonverterstudie hinsichtlich Vorkommen und
Verbreitung von resistenten HIV haben maßgeblich dazu
beigetragen die HIV-Resistenztestung seit 2005 laut GBA-Beschluss
als Standard in der HIV-Versorgung zu etablieren und die Qualität
der antiretroviralen Therapie damit zu verbessern. Erstmalig ist in
Zusammengestellt von D. Schmidt und K. Meixenberger
2015 ein Rückgang der übertragenen, resistenten HIV in der
Studienpopulation zu verzeichnen. Die weitere Überwachung der
Resistenzlage ist angesichts der Einführung neuerer
Medikamentenklassen (Integrase-Inhibitoren) und des
zunehmenden Einsatzes von PrEP (Präexpositionsprophylaxe)
jedoch unverzichtbar. Die HIV-1 Serokonverterstudie bietet die
Möglichkeit diese Entwicklungen eingehender zu untersuchen.
DRUCK-Studie
14
Drogen und chronische Infektionskrankheiten in Deutschland
HIV, Hepatitis B und C bei injizierenden Drogengebrauchenden
Hintergrund, Ziele und Methoden
Hintergrund
 Injizierende Drogengebrauchende (IVD)
gehören zu den von HIV, Hepatitis B
(HBV) und C (HCV) besonders
gefährdeten Gruppen
 Datenlage für Deutschland veraltet,
unvollständig und nicht repräsentativ
Abb: 1: Studienstädte
Ziele
 Prävalenz von HIV, HBV, HCV bei IVD
 Charakteristika, Wissen, Risiko- und
Präventionsverhalten
 Präventionsempfehlungen zum Schutz
vor HIV und Hepatitiden in Deutschland
Abb. 2: Serologische und molekulare Testungen
Methoden
 Multizentrische Querschnittsstudie
(2011-2015)
 Sero- und Verhaltenssurvey
 i.v.-Konsum in letzten 12 Monaten
 Modifiziertes Schneeballverfahren:
Respondent driven sampling
Abb. 3: Erhebung der Verhaltensdaten und des Wissens
 Kapillarblut auf Filterpapier (Whatman #903)
 Pilotstudie: NRZ Hepatitis C, UK Essen
 Hauptstudie: FG15 und FG18 des RKI
 Anti HIV-1 und -2
 HBsAg, HBV-DNA, Anti HBc, Anti HBs
 Anti HCV, HCV-RNA, Genotypisierung
 Geschulte Interviewer
 strukturierter Fragebogen
Fragebogen der DRUCK-Studie
 Soziodemographische Merkmale
 Konsumierte Substanzen
 Konsumpartner und -orte
 Unsafe use
 Zugang zu Harm reduction
 Sexualverhalten und -kontakte
 Inhaftierung
 Wissen
 Gesundheitsstatus
 Test- und Infektionsstatus
Ergebnisse
Soziodemographie
Konsumassoziertes Verhalten
[Spannweite der Prävalenzen in den Studienstädten je Variable]
[Spannweite der Prävalenzen in den Studienstädten je Variable]






2.077 Personen eingeschlossen
18-35% Frauen
Alter [Median]: 29-41 Jahre
9-31% nicht in Deutschland geboren
53-77% jemals obdachlos
73-86% jemals inhaftiert
Dauer des i.v. Konsums [Median]: 10-18 Jahre
76-88% haben in den letzten 30 Tagen Drogen injiziert
17-39% haben in den letzten 30 Tagen täglich injiziert
5-22% haben in den letzten 30 Tagen Spritzen /Nadeln mit
anderen geteilt
 37-49% haben in den letzten 30 Tagen unsafe use praktiziert




Abb. 4: HIV-, HCV- und HBV-Seroprävalenz
Gesamtstudienpopulation; N=2.077
Tab. 1: Wissensbedarfe zu Infektionskrankheiten (Auswahl)
100%
90%
Geimpft
32,3%
Negativ
34,5%
80%
70%
60%
50%
Negativ
95,2%
Ausgeheilt
22,0%
Negativ
42,9%
40%
30%
Virämisch
43,5%
20%
Virämisch;
1,1%
10%
0%
Positiv; 4,8%
HIV
HCV
Ausgeheilt
23,8%
HBV
Schlussfolgerungen und Empfehlungen
Schlussfolgerungen
 Neben unterschiedlichen HIV-und
HBV-Prävalenzen in den Studienstädten wurde eine hohe bis sehr
hohe HCV-Prävalenz festgestellt.
Der Anteil gegen HBV geimpfter
Personen schwankte je nach
Studienstadt.
 Verschiedene Verhaltensfaktoren
und strukturelle Faktoren wurden
als Handlungsfelder identifiziert:
Abb. 6: Identifizierte Handlungsfelder in Hinblick auf die hohe
Prävalenz von HIV, HBV und HCV bei IVD
Zusammengestellt von M. Gassowski und R. Zimmermann
Empfehlungen
 Steigerung der HBV-Impfquoten bei IVD
 Wissensvermittlung spezifischer
Übertragungswege und Schutzmaßnahmen
vor Hepatitiden
 Niedrigschwelliger und bedarfsorientierter
Zugang zu sterilen Konsumutensilien
 Verbesserung der Test- und Behandlungsquoten von HIV- und HCV-Infizierten
 Gewährleistung des Zugangs zu allen
genannten Maßnahmen auch in Haft
Quellen: Abschlussbericht DRUCK-Studie, RKI 2016, www.rki.de/druck-studie
Nielsen et al, BMC HMAP 2016; Wenz et al, BMC PH 2016
Hintergrund
 Ca.10-15% der HIV-Erstdiagnosen entfallen auf
Migrantinnen und Migranten aus Subsahara-Afrika (MiSSA)
 etwa ¼ der Infektionen vermutlich in Deutschland erworben
 Diagnose erfolgt häufig spät
 bisher keine deutschlandweite Erhebung zu Wissen,
Verhalten, Einstellungen und Praktiken (KABP) in Bezug
auf HIV, Hepatitiden und STI
 Stigmatisierung des Themas HIV als Herausforderung
Methoden
 Partizipative Studienkonzeption mit afrikanischen
Community-Mitgliedern, HIV-Präventionspraxis und ÖGD
 Zusammenarbeit mit Partnerorganisation und ÖGD in sechs
Studienstädten (Abb. 1)  Verweis an lokales Testangebot
 Erhebung von KABP-Daten durch Peer Researcher
 geschulte und gut vernetzte Personen aus der
afrikanischen Community (Convenience Sampling)
 Fragebogen: deutsch, englisch, französisch; Interview oder
selbst auszufüllen; Erhebung des Wissens an Hand wahrer
Aussagen (Interventionsaspekt)
 gemeinsame Interpretation der Befragungsergebnisse und
Generierung von Präventionsempfehlungen
Abb. 1: Studienstädte und Stichprobengrößen
Hamburg
(Pilotstudie)
n=350
n=612
Hannover
n=350
n=497
Essen
n=650
n=657
Berlin
n=500
n=536
Köln
n=350
n=414
Frankfurt
n=350
n=445
München
n=350
n=491
Ergebnisse
Soziodemographie, HIV-Testverhalten und Stigmatisierung
 N=3.178, Ausschluss von 138 Fragebögen (n=3.040)
n=angestrebte Stichprobengröße
n=erreichte Stichprobengröße
Tab. 1: Soziodemographie, HIV-Testverhalten und Stigmatisierung
Männer
Frauen
Soziodemographische Merkmale der Studienpopulation
Geschlecht
Altersmedian (Range)
Bildung
- Grund-/Hauptschule
- Mittlere Reife/Abitur
- Studium
- kein Abschluss
Aufenthaltszeit in Deutschland
Median (Range)
Deutschkenntnisse
(Muttersprache, sehr gut, gut)
Krankenversicherungsstatus
- Versicherungskarte
- Behandlungsschein
- keine Krankenversicherung
54%
32 (18-77)
46%
31 (18-78)
22%
34%
35%
7%
58 Monate
(1-540)
28%
36%
26%
9%
72 Monate
(1-504)
54%
54%
79%
10%
9%
85%
9%
5%
HIV-Testverhalten (selbstberichtet)
Jemals auf HIV getestet
Im letzten Jahr auf HIV getestet
(unter jemals Getesteten)
Letzter Test in Deutschland
(unter jemals Getesteten)
58%
48%
27%
33%
64%
77%
Umgang mit HIV-Positiven
Ich verhalte mich genauso, wie
jeder anderen Person gegenüber
Ich kenne jemanden mit HIV
persönlich
79%
79%
34%
42%
Wissen zu HIV
 Guter Wissensstand zu HIV, z.B. zu Übertragungswegen
 spezifisches Wissen weniger gut verbreitet
Abb. 2: Spezifisches Wissen zu HIV
Afrikaner/innen werden NICHT aus
Deutschland ausgewiesen, nur weil sie
HIV haben. (n=2.995)
57%
15%
25%
In [STADT] kann man anonym und
kostenlos einen HIV-Test machen,
z.B. im Gesundheitsamt. (n=2.995)
57%
15%
25%
Menschen mit HIV haben ein erhöhtes
Risiko, an Tuberkulose zu erkranken.
(n=3.001)
56%
Menschen, die eine STI haben, haben
ein erhöhtes Risiko, sich mit HIV
anzustecken. (n=2.992)
52%
Das wusste ich schon vorher.
0%
Ich war mir nicht sicher, ob das stimmt.
Das wusste ich nicht.
Ich verstehe diese Aussage nicht.
25%
12%
14%
50%
29%
31%
75%
100%
Schlussfolgerungen
 Peer Researcher konnten eine sehr heterogene Gruppe von
MiSSA erreichen
 Allgemeines Wissen zu HIV ist gut, es bestehen jedoch
Informationsbedarfe in Bezug auf Koinfektionen und zur
Situation in Deutschland
 Testangebote des ÖGD sollten besser bekannt gemacht
werden, um Testraten zu erhöhen
 Das partizipative Vorgehen ermöglicht das Erreichen einer
als „schwer erreichbar“ geltenden Zielgruppe
16
Eradikation von HIV
Das Problem
Durch die Entwicklung der hocheffizienten antiretroviralen
Wirkstoffe kann heutzutage die HIV-Infektion bis hin zu nicht mehr
detektierbaren Viruslasten unterdrückt werden. Dies ermöglicht den
HIV-infizierten Personen bei ständiger antiretroviraler Therapie
(ART) eine normale Lebenserwartung. Jedoch ist bis jetzt nur in
einem Fall eine bestätigte Heilung von HIV möglich gewesen – der
„Berliner Patient“. Die Schwierigkeit einer Heilung ist dadurch
bedingt, dass in HIV-infizierten Personen das Virus sein Genom in
die Chromosome der Wirtszelle als sogenanntes „Provirus“
integriert; in dieser Form kann das Provirus auch inaktiv in Personen
unter Therapie persistieren. Die ruhenden Proviren sind
„unsichtbar“ für das Immunsystem und auch nicht angreifbar durch
die antiretroviralen Medikamente, da sie keine Viruspartikel oder
auch nur Teile davon produzieren. Diese Zellen werden als
„Reservoire“ bezeichnet und fungieren als Quelle für eine erneute
Verbreitung von HIV innerhalb des Körpers sobald die Patienten die
antiretrovirale Therapie unterbrechen. Aus diesen Gründen sind
nach heutigen Wissen HIV-infizierte Personen gezwungen die
antiretroviralen Medikamente lebenslang einzunehmen.
Abb. 1: Unterdrückung der Replikation von HIV durch antiretrovirale
Wirkstoffe mit zurückkehrender Verbreitung nach Aussetzen der Therapie.
Die Lösung: 'KICK and KILL'
Dieser Ansatz zur Eradikation von HIV beinhaltet zwei
Herausforderungen. Die Erste ist die Identifizierung der Zelltypen,
die das HIV-Reservoir darstellen, um dann gezielt inaktive Proviren
zu aktiveren („KICK“), damit wieder virale Proteine produziert
werden. Durch diese Reaktivierung werden die Proviren in den
Zellen wieder „sichtbar“ für das Immunsystem. Die zweite
Herausforderung ist dann die Eliminierung („KILL“) der Provirus-
tragenden Zellen sowie auch aller neuen Viruspartikel, die durch die
Aktivierung produziert werden. Das kann durch eine Re-Stimulation
der antiviralen Immunreaktion erfolgen, welche durch Virusspezifische Antikörper und Killer-T-Zellen die jetzt wieder Virusproduzierenden Zellen bzw. frei gesetzte Viren erkennt und
eliminiert.
Abb. 2: Darstellung des Lösungsansatzes 'KICK and KILL'
Killerzelle
KICK
KILL
Viruspartikel
Zelle mit ruhenden HIV-Provirus,
nicht angreifbar für Virus-spezifische
Killerzellen oder behandelbar durch
antiretroviraler Therapie
Aktivierung des Provirus
erzeugt neue Viren und
macht die Zelle sichtbar für
Killerzellen
Die Reservoir-Zelle wird durch
Killer-T-Zellen zerstört und die neu
produzierten Viren durch ART an
der Verbreitung gehindert.
Identifizierung des HIV-Reservoirs
Der Ansatz, der hier am RKI verfolgt wird, ist zunächst die
speziellen Zelltypen zu identifizieren, in denen das HIV Provirus
„versteckt“ vorliegt und diese Viren dann anhand ihrer DNA
Sequenz zu charakterisieren. Dahingehend wurden Methoden
entwickelt, um die Lymphozyten von unter Therapie stehenden
Langezeit-Infizierten in die diversen Untergruppen zu sortieren und
die Proviren durch hoch-sensitive PCR Techniken zu detektieren.
Zusammengestellt von S. Norley und O. Hohn
Wenn die Anwesenheit von HIV Proviren bestätigt ist, kann anhand
der dann auslesbaren Sequenz der Proviren eine spezifische,
möglichst optimale Behandlung zur Eradikation entwickelt werden.
Es wäre möglich, aufgrund der Sequenz der Proviren dann maximal
wirksame antivirale Medikamente auszuwählen sowie eine an die
Provirus-Sequenz angepasste Vakzine zu entwickeln, welche die
Killer-T-Zellen stimuliert für die Eliminierung der Reservoir-Zellen.
Herunterladen