Welt-AIDS Tag 2016 Poster Ausstellung 2016 findet der Welt-AIDS-Tag zum 29. Mal statt. Der Welt-AIDS-Tag soll auch daran erinnern, dass HIV noch längst nicht besiegt ist. In Deutschland leben etwa 85.000 Menschen mit einer HIV-Infektion. Etwa 3.200 Menschen haben sich in Deutschland 2015 neu mit HIVinfiziert, die Zahl ist gegenüber den Vorjahren unverändert. Dieser PosterWalk stellt die Vielfältigkeit der Tätigkeitsfelder rund um das Thema HIV/AIDS im RKI vor. Hier können sich Interessierte selbstständig über allgemeine und zeitgeschichtliche Aspekte sowie über aktuelle Forschungsprojekte informieren. Dankeschön Einen herzlichen Dank an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus FG 18 und FG 34, die täglich ihren Beitrag zur Erforschung von HIV und AIDS leisten. Nr. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 Thema Rückblick: HIV und AIDS in den 80er und 90er Jahren Kuriositäten im RKI-Alltag Ursprung und Evolution von HIV Der „HIV-Test“: Nachweis einer HIV-Infektion Welche Infektionsrisiken bestehen wirklich? HIV-Surveillance – Meldedaten und Meldequalität Blutspende-Surveillance Schätzung der Anzahl von HIV-Neuinfektionen im Verlauf HIV Second Generation Surveillance in Deutschland Das 90 – 90 – 90 Ziel von UNAIDS Kürzlich erworbene HIV-Infektionen in Deutschland Die HIV-1 Serokonverterstudie Molekulare Surveillance von HIV-1 Neuinfektionen HIV, Hepatitis B und C bei injizierenden Drogengebrauchenden MiSSA – Studie zu sexueller Gesundheit mit Migrant/innen aus 15 Subsahara-Afrika 16 Eradikation von HIV Quelle: de.wikipedia.org 1 Rückblick: HIV und AIDS in den 80er und 90er Jahren Zusammengestellt von S. Beermann 2 Kuriositäten im RKI-Alltag Seit den späten 80iger Jahren erreichen das RKI immer wieder Briefe, die zum Thema „HIV“ Stellung nehmen. Das Poster zeigt einige Auszüge aus der Kuriositätensammlung. Zusammengestellt von S. Beermann und M. Jung 3 Ursprung und Evolution von HIV Herkunft von HIV In Altweltaffen sind mehr als 40 unterschiedliche Simiane Immundefizienzviren (SIV) bekannt. Einige SIVs wurden auf Menschenaffen oder auf den Menschen übertragen und entwickelten durch die Überwindung der „SpeciesBarriere“ neue pathogene Virusvarianten („cross-species transmission“). Auf der Grundlage von Stammbaumanalysen wird geschätzt, dass die Übertragung von SIV von unterschiedlichen nicht-menschlichen Primaten in die menschliche Population (zoonotische Transmission) um 1920 in West-und Zentralafrika stattfand. Mehrfache unabhängige zoonotische Transmissionen von SIV führten zu unterschiedlichen Abstammungslinien von HIV im Menschen. Auf Grundlage genetischer und biologischer Unterschiede wird HIV daher in zwei Typen eingeteilt: HIV-1 und HIV-2. Abb. 1: Transmission HIV-1 entstand durch Übertragung von SIV aus Schimpansen. HIV-2 entstand durch Übertragung von SIV aus Rauchmangaben. HIV-1 und HIV-2 sind phänotypisch (morphologisch) nicht zu unterscheiden, der genotypische Unterschied (Nukleotidsequenz) liegt jedoch bei ca. 50%. Beide HIV-Typen verursachen beim Menschen eine ähnliche Symptomatik, das als AIDS (Acquired Immunodeficiency Syndrome) bezeichnete Krankheitsbild. HIV-1 besitzt eine höhere Infektiösität und Pathogenität als HIV-2 und ist Verursacher der weltweiten HIV-Pandemie. Evolution von HIV Unterschiedliche Gruppen von HIV-1 (M, N, O und P) entstanden durch die Übertragung von SIV unterschiedlicher Menschenaffen in die menschliche Population. Die Übertragung innerhalb der menschlichen Population führte zur Evolution von HIV-1 Subtypen und Mosaikviren. Derzeit sind 9 Subtypen (A-D, F, G, H, J, K) und 72 zirkulierende rekombinante Formen (CRFs) bekannt. Abb. 2: Bekannte Beispiele von “cross-species transmissions” von SIV verschiedener Affenarten auf den Menschen und die daraus neu entstandenen Viren (HIV-1 und HIV-2) in der menschlichen Population. Abb. 3: Der phylogenetische Stammbaum zeigt die Entstehung der vier Gruppen von HIV-1 (M, N, O und P) durch jeweils eine „cross-species“ – Transmission von SIV aus Menschenaffen in die menschliche Population. Zusammengestellt von S. Somogyi Quelle: Origins of HIV and the AIDS pandemic. Sharp PM, Hahn BH. 2011 4 Der „HIV-Test“: Nachweis einer HIV-Infektion Wo kann man sich testen lassen? Wie wird getestet? In Arztpraxen (ca. 25-50 Euro) In Gesundheitsämtern (kostenlos und anonym) Bei Aidshilfen oder in Check points für schwule Männer und intravenöse Drogengebrauchende (siehe auch https://www.aidshilfe.de/adressen) Zu Hause mit sog. „Heimtests“ aus dem Internet. Vorsicht: Diese sind in Deutschland nicht zugelassen. Sie sind störanfällig und führen unter Umständen zu falschen Resultaten. Der HIV-Suchtest (Screeningtest) Die gesicherte Diagnose einer HIV-Infektion basiert auf einer Stufendiagnostik bestehend aus 1. einem HIV-Suchtest (Screeningtest, Abb.1) gefolgt von 2. einem Antikörper-basierten Bestätigungstest (Abb.2) und/oder alternativ einem Nukleinsäure-Amplifikations-Test (NAT). Die Stufendiagnostik ist die Grundlage zur Mitteilung an die betroffene Person und zur Meldung im Rahmen der nichtnamentlichen Meldepflicht (IfSG § 7, Absatz 3) an das Robert KochInstitut. Die Bestätigungsteste Im HIV-Screeningtest der „3. Generation“ werden HIV-Antikörper im Blutserum oder -plasma mit ELISAs (Enzyme-linked Immunosorbent Assay) oder verwandten Testformaten detektiert. Diese sind die in der Regel 3 Monate nach einer Infektion nachweisbar. Mit Screeningtests der „4. Generation“ kann zusätzlich das HIV- Antigen detektiert werden. Dies lässt den Nachweis der HIV- Infektion schon vor der Serokonversion und bereits ca. 6 Wochen nach Infektion zu. Ist das Testergebnis eines HIV-Screeningtests reaktiv (Nachweis von HIV-Antikörper und/oder Antigen) oder grenzwertig (unklares Ergebnis) wird im Rahmen der Stufendiagnostik entweder ein Antikörper-basierter Test (z. B. Immunoblot mit nativen und/oder rekombinanten HIV-spezifischen Proteinen) oder ein direkter Nachweis viraler Nukleinsäure mittels sensitiver NAT (Nachweisgrenze < 50 RNA-Kopien/mL) zur Verifikation der HIV-Infektion durchgeführt. Abb. 1: Versuchsaufbau eines ELISAs zum Nachweis von HIV-Antikörpern (3. Generationstest) Abb. 2: Versuchsaufbau eines Westernblots zum Nachweis von spezifischen HIV-Antikörpern Das HIV-Testergebnis Abb. 3: Algorithmus zum virusdiagnostischen Erstnachweis einer HIV-1 oder HIV-2 Infektion »HIV-negativ« Der HIV-Screeningtest ist negativ oder Der HIV Screeningtest ist reaktiv oder grenzwertig, beide Bestätigungsteste (serologisch und NAT) sind jedoch negativ. eine Verlaufskontrolle nach 1-3 Wochen wird empfohlen »HIV-positiv« HIV-Screeningtest und einer der beiden oder beide Bestätigungsteste sind positiv Es wurde eine HIV-1 oder eine HIV-2 Infektion nachgewiesen. Vorsicht: Zum Ausschluss einer Probenverwechslung wird die Einsendung einer weiteren, unabhängig entnommenen Probe empfohlen. Entsprechend der neuen HIV-1 Therapierichtlinien wird der sofortige Beginn einer Antiretroviralen Kombinationstherapie empfohlen, um das Übertragungsrisiko auf andere Personen zu verringern sowie der „übermäßigen“ Ausbreitung des HIVReservoirs im Körper entgegenzuwirken. Zusammengestellt von A. Hauser Quelle: Bundesgesundheitsbl 2015 · 58:877–886 5 Welche Infektionsrisiken bestehen wirklich? Bestehendes Infektionsrisiko Kein Infektionsrisiko Gemeinsame Benutzung von Spritzen Küsse, Zungenküsse Die Verwendung derselben Nadel und Spritze Kein Risiko bei Küssen. Bei Zungenküssen ist ein durch mehrere Personen birgt eine sehr große Risiko theoretisch nicht auszuschließen, aber Gefahr. weltweit in keinem Fall als Übertragungsweg Ungeschützter Analverkehr nachgewiesen. Bei ungeschütztem Analverkehr besteht für beide Körperkontakte, Hautkontakte Partner ein Risiko. Für den passiven Partner ist es Kein Risiko bei Haut- und Körperkontakten wie besonders hoch, gleich ob Mann oder Frau, da es Händeschütteln, Streicheln, Schmusen. häufig zu einer Verletzung beim Geschlechtsverkehr kommt. Ein Risiko besteht auch ohne Familienleben, Gemeinschaftsleben Samenerguss. Kein Risiko. Niemand kann sich anstecken, auch Ungeschützter Vaginalverkehr wenn er mit einem Infizierten in einer Familie oder Bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr mit Wohngemeinschaft eng zusammenlebt. Infizierten ist die Ansteckungsgefahr gegeben. Ein Risiko besteht auch ohne Samenerguss. Oralverkehr Risiko besteht. Durch Aufnahme von HIV-haltiger Samenflüssigkeit in den Mund ist eine Infektion Übertragung durch die Luft Kein Risiko. Auch durch Anhusten oder Niesen kann man nicht mit HIV infiziert werden. möglich. Auch Scheidenflüssigkeit kann HIV Schwimmbad, Sauna, Toiletten, Waschräume enthalten. Kein Risiko. HIV kann bei der gemeinsamen Mutter-Kind-Übertragung Benutzung von Gemeinschaftseinrichtungen nicht Risiko für das Kind groß. Die infizierte werdende übertragen werden. Mutter kann das Kind vor, während und nach der Geburt (beim Stillen) anstecken. Eine umfassende medizinische Betreuung kann das Risiko für das Kind jedoch sehr stark senken. Deshalb wird im Insektenstiche Kein Risiko. Ein Insektenstich kann HIV nicht übertragen. Rahmen der Schwangerschaftsvorsorge ein HIVTest angeboten, den jede werdende Mutter (auch) annehmen/machen lassen sollte. Blut-Übertragung im Krankenhaus Bei Gabe von Blut und Blutplasma besteht trotz sehr effektiver Sicherungsverfahren in Deutschland Geschirr, Kleidung, Wäsche Kein Risiko. Die gemeinsame Benutzung von Essgeschirr birgt keine Gefahr. Auch Kleidung oder Wäsche von Infizierten muss nicht gesondert gewaschen werden. ein äußerst niedriges Restrisiko. In anderen Ländern bei denen die Sicherungsverfahren nicht so hoch sind, besteht ein hohes Risiko sich bei einer Bluttransfusion mit HIV zu infizieren. Eine gut wirksame HIV-Therapie schützt die Partner von HIVpositiven Menschen sehr wirkungsvoll vor der Übertragung von HIV. Demnach wird die Übertragungswahrscheinlichkeit durch Zusammengestellt von S. Beermann die antiretroviralen Medikamente um 96% reduziert. Die Therapie schützt in etwa genauso effektiv wie Kondome, welche die Übertragungswahrscheinlichkeit um etwa 95% verringern. Quelle: www.Bzga.de 6 HIV-Surveillance – Meldedaten und Meldequalität Einleitung und Meldewege Infektionsschutzgesetz (IfSG): Gesetzliche Grundlage der HIV-Meldepflicht §7 Abs. 3 IfSG: Meldepflicht des direkten oder indirekten Nachweis von HIV-Krankheitserregern §10 Abs. 4 IfSG: nicht-namentliche Meldung vom Meldepflichtigen (Labor) innerhalb von zwei Wochen direkt an das Robert Koch-Institut Einsendende Ärzteschaft hat die meldepflichtige Einrichtung gemäß §10 Abs. 1 IfSG bei den Angaben der Meldungen zu unterstützen (Abb. 1) Abb. 1: HIV-Meldewege gemäß Infektionsschutzgesetz §7 Abs.3 Labordiagnostische Einrichtung direkte Meldung innerhalb von zwei Wochen gemäß § 10 Abs. 4 IfSG Einsendende Ärzteschaft RKI Cave: ohne Zeitvorgabe im IfSG Meldedaten ~6.000 Meldeberichte/Jahr aus Laboren Ca. zwei Drittel der Meldebögen durch behandelnde Ärzteschaft ergänzt Datenqualität sehr unterschiedlich Insbesondere fehlende Angaben, ob es um Erstdiagnose oder Doppel-/ Mehrfachmeldung handelt (Tab. 1) Nahezu jeder dritte übersandte Arztmeldebogen muss recherchiert werden Zunächst Erfragen der Kontaktdaten des Einsenders (Abb. 2) Recherchen sind personal- und zeitintensiv Verzögerte Übermittlung führt ebenfalls zu statistischen Verzerrungen (Abb. 3) Abb. 2: Darstellung der Recherchegründe 04/2012 – 10/2014 Tab. 1: Ab 1993 im RKI eingegangene Meldungen über bestätigte HIV-Antikörpertests nach Meldestatus (ohne Mehrfachmeldungen) Gemeldete HIV-Antikörperteste Diagnosejahr Erstdiagnosen Meldestatus unbekannt Gesamt <2006 25.998 34.583 60.581 2006 2.638 1.744 4.382 2007 2.765 1.620 4.385 2008 2.823 1.639 4.462 2009 2.857 1.482 4.339 2010 2.696 1.334 4.030 2011 2.664 1.355 4.019 2012 2.957 1.045 4.002 2013 3.238 1.095 4.333 2014 3.500 799 4.299 2015 3.674 939 4.613 Gesamt 55.810 47.635 103.445 Abb. 3: Beispiel einer verzögerten Arztmeldung Zusammenfassung Von zentraler Bedeutung für die Bewertung der HIVEpidemie in Deutschland sind vollständige und zeitgerecht übermittelte Meldedaten, denn diese stellen das wichtigste Instrument zur Beurteilung dar. Daher Zusammengestellt von K. Schönerstedt-Zastrau und L. Voß ist es wichtig, die Datenqualität der HIV-Meldungen zu verbessern und für die Bedeutung dieser ergänzenden, aber unverzichtbaren Daten sowie die zeitnahe Übermittlung zu werben. 7 Blutspende-Surveillance Hintergrund Blut- und Plasmaspender werden sorgfältig mit Hilfe eines Fragebogens und einer ärztliche Befragung und Untersuchung ausgewählt. Werden dabei Risiken für die Spender selbst oder potentielle Empfänger identifiziert, erfolgt keine Spendenentnahme. Alle Blut- und Plasmaspenden werden vor der Verwendung auf • HIV (Antikörpertest und Genomnachweis) • Hepatitis C (HCV) (Antikörpertest und Genomnachweis), • Hepatitis B (HBV) (Hepatitis-B-Oberflächenantigen (HBsAg) und Antikörpertest (anti-HBc) und • Syphilis (Antikörpertest) untersucht. Blutspendersurveillance Nach Transfusionsgesetz (TFG) sind alle Blut- und Plasmaspendeeinrichtungen in Deutschland gesetzlich verpflichtet, folgende Meldungen an das RKI zu machen: • Gesamtzahl der getesteten Spenden und Spender • positive Testergebnisse aufgeschlüsselt nach verschiedenen Kriterien wie z.B. Altersgruppe, Geschlecht und Spendenart Ziele der Surveillance • Beurteilung der Sicherheit des Spenderkollektivs • Aufrechterhaltung des hohen Sicherheitsstandards bei Transfusionen in Deutschland Meldedaten Bei insgesamt über 7 Millionen Spenden im Jahr 2014 wurden nur wenige Infektionen festgestellt. HIV-Serokonversionen bei Mehrfachspendern fanden sich häufiger als neue Hepatitis-B- und -C-Infektionen. Tab. 1: HIV‐, HCV‐, HBV‐ und Syphilisinfektionen bei Blut‐ und Plasmaspendern 2014 HIV-Infektionen unter Blut- und Plasmaspendern werden hauptsächlich bei männlichen Spendern diagnostiziert. Unter Neuspendern zeigte sich nach anfänglichen Schwankungen kein eindeutiger Trend beim Anteil der HIV-Infektionen. Bei männlichen Mehrfachspendern nahm der Anteil der HIV-positiven Spender bis 2013 zu und war 2014 erstmals deutlich rückläufig. Abb. 1 und 2: HIV-Infektionen bei Neu- und Mehrfachspendern 2000-2014 getrennt nach Geschlecht Neuspender (470.344) HIV HCV HBV Syphilis Infektionen 26 245 426 235 Infektionen/100.000 5,5 52,1 90,6 50,0 Mehrfachspenden (6.804.574) Mehrfachspender (2.218.729) HIV HCV HBV Syphilis Infektionen 48 37 35 152 Infektionen/100.000 0,7 0,5 0,5 2,2 Infektionen/100.000 2,2 1,7 1,6 6,9 Angaben zum wahrscheinlichen Übertragungsweg bei HIV-positiven Blutspendern lagen zu 39% der Infektionen vor (309/789 zwischen 2006 und 2013). Am häufigsten wurden genannt: • Heterosexuelle Exposition (55,3%) • Sexualkontakte unter Männern (41,3%) Ein Restrisiko, sich durch eine Transfusion mit HIV zu infizieren, besteht, wenn die verwendeten Tests bei sehr frischen Infektionen noch nicht reaktiv sind (so genannte „diagnostische Fensterphase“). Dieses Übertragungsrisiko ist sehr gering. Es wird aktuell auf kleiner als 1 : 2 Millionen geschätzt. Zusammenfassung • Blutprodukte in Deutschland sind durch Testung aller Spenden und sorgfältige Spenderauswahl sehr sicher. • Eine verbesserte Compliance der Spender mit den Spenderauswahlkriterien, z.B. hinsichtlich sexueller Expositionen, könnte die Sicherheit weiter erhöhen. • Hierzu trägt eine verbesserte Aufklärung der Spendewilligen und eine verständliche Erhebung von Infektionsrisiken im Spenderfragebogen bei. Das RKI ist an entsprechenden Projekten beteiligt. Zusammengestellt von C. Houareau, K. Preußel und R. Offergeld 8 Schätzung der Anzahl von HIV-Neuinfektionen im Verlauf Daten-Grundlage und Voraussetzungen der Schätzung Grundlage der HIV-Schätzung sind die bestätigten Neudiagnosen von inländischen HIV-Infektionen: In Deutschland oder von Personen deutscher Herkunft im Ausland erworbene HIV-Infektionen, stratifiziert nach Transmissionsgruppe (MSM, IVD, Hetero). importierten HIV-Infektionen: von Menschen nicht–deutscher Herkunft im Ausland erworbene HIV-Infektionen, stratifiziert nach Herkunftsregion (Europa, Asien, Afrika, Amerika/Australien). Abb. 1: Geschätzter Verlauf der HIV-Diagnosen (Median) nach multipler Imputation von fehlenden Werten und Berücksichtigung der unklaren Meldungen zwischen 2001 und 2015 nach Transmissionsgruppen (inländische Infektionen) und Herkunftsregion (importierte Infektionen). Aus Kohorten-Studien ist die Verteilung der Dauer zwischen HIV-Infektion und HIV-Diagnose in einem bestimmten CD4-Stratum bekannt. Mit Hilfe dieser Progressionsverteilung kann durch Rückprojektion des Verlaufs der Diagnosen, der Verlauf der HIV-Neuinfektionen geschätzt werden. Dabei werden zusätzlich die Geschlechter- und Alters-Verteilung, sowie das Bundesland des Wohnortes berücksichtigt. Abb. 2: Geschätzte Verteilung der Dauer zwischen HIV-Infektion und Diagnose nach gemessener CD4-Zellzahl bei Diagnose in der Altersgruppe 25 bis 29 Jahre (mit 95%Konfidenzintervall) MSM: Männer, die Sex mit Männern haben IVD: i.v. Drogengebraucher Geschätzter Verlauf der HIV-Infektionen in Deutschland Geschätzte Zahl der HIV-Neuinfektionen nach Spitzenwerten Mitte der 1980er Jahre bis Ende der 1990er Jahre deutlich reduziert Erneuter Anstieg von 2000 bis ca. 2006 Plateaubildung ab 2006 2015 etwa 3.200 (95 % KI: 3.000 – 3.400) HIV-Infektionen Verlauf nach Transmissionsgruppen zeigt: Gipfel in den 80er Jahren bei MSM und IVD Anstieg nach 2000 primär bei MSM Seit 2006 leichter Rückgang bei MSM, dagegen leichte Anstiege bei IVD und Hetero Abb. 3: Geschätzte Anzahl von HIV-Infektionen in Deutschland seit Beginn der HIV-Epidemie nach Infektionsjahr (1975-2015) Abb. 4: Geschätzte Anzahl von HIV-Infektionen in Deutschland seit Beginn der HIV-Epidemie nach Infektionsjahr und Transmissionsgruppe (1975-2015) Geschätzte Anzahl von Menschen mit HIV in Deutschland Ende 2015 Tabelle 1: Geschätzte Anzahl der Menschen mit HIV in Deutschland mit und ohne HIV-Diagnose nach Geschlecht, Transmissionsgruppe und Herkunft, 2015 Gruppe Menschen mit HIV in Deutschland Gesamt Männer Frauen MSM Inländische HIVInfektionen Hetero IVD BlutProdukte Europa Importierte HIVInfektionen Asien Afrika Amerika/ Australien Gesamtzahl Diagnostiziert > 84.700 72.000 (78.300 – 91.100) > 69.500 (64.500 – 74.600) > 15.200 (13.900 – 16.800) 54.100 (50.600 – 57.800) 10.700 (67.000 – 77.900) 58.800 (54.800 – 63.500) 13.200 (12.000 – 14.500) 45.000 (42.000 – 48.500) 7.900 Undiagnostiziert > 12.600 (11.300 – 14.100) > 10.500 (9.400 – 11.900) > 2.100 (1.700 – 2.400) (8.100 – 10.100) 2.800 (7.100 – 8.800) (2.300 – 3.200) 7.700 6.800 820 (6.800 – 8.500) (6.100 – 7.700) (620 – 1.100) ~ 450 ~ 450 <5 (2.400 – 3.000) > 1.900 (1.700 – 2.200) > 5.900 (5.200 – 6.800) Abb. 5: Geschätzte Anzahl der Menschen mit HIV in Deutschland mit und ohne HIV-Diagnose (2006- 2015) 9.000 (9.700 – 11.700) > 2.700 Durch Aufsummieren der Neuinfektionen ergibt sich abzüglich der Todesfälle die Anzahl von Menschen mit HIV in Deutschland • Kontinuierlicher Anstieg seit 1999 um ca. 3000 pro Jahr • Über 30.000 Menschen mit HIV sind 50 Jahre und älter • 84% aller Diagnostizierten werden therapiert • Zahl der Undiagnostizierten seit 2006 leicht steigend > 2.700 (2.400 – 3.000) > 1.900 (1.700 – 2.200) > 5.900 (5.200 – 6.800) > 750 > 750 (670 – 840) (670 – 840) Zusammengestellt von M. an der Heiden Modellierung nicht anwendbar Quelle: Epidemiologisches Bulletin 45/2016 • • • → HIV/STI-Strategie BMG Integrierte HIV/STISurveillance RKI BZgA/DAH Aufklärungskampagnen 10 Das 90 – 90 – 90 Ziel von UNAIDS Welche Quellen der HIV Übertragung gibt es? Globale Behandlungskaskade UNAIDS hat das Ziel bis 2020 hinsichtlich HIV-Infektionen in der Behandlungskaskade 90-90-90 zu erreichen. Die globale Behandlungskaskade für HIV in 2014 zeigt: Weltweit leben geschätzt ca. 37 Mio. Menschen mit HIV/AIDS Knapp 20 Mio. Menschen sind mit HIV diagnostiziert Nur 15 Mio. der diagnostizierten Menschen werden therapiert Nur 12 Mio. der antiretroviral behandelten Menschen sind erfolgreich behandelt Abb. 1: Weltweite HIV Behandlungskaskade und Differenz zum Erreichen des UN AIDS Ziels 90-90-90 Limitationen: Große Unkenntnis hinsichtlich HIV-Serostatus Fehlender Zugang zu antiretroviraler Therapie Therapieversagen durch HIV Resistenz oder mangelnde Adhärenz Zu allen Zeitpunkten besteht die Möglichkeit für die Übertragung von HIV. HIV Behandlungskaskade Deutschland 2014: 84 – 82 - 93 Abb. 2: HIV Behandlungskaskade für Deutschland für das Jahr 2014 70.100 (64.200 - 77.400) 57.600 (54.200 - 61.000) 54.100 (51.400 - 56.800) 83.400 (77.100 - 91.200) In Deutschland wird ein sehr hoher Anteil der mit HIV infizierten und diagnostizierten Personen antiretroviral behandelt. In 2014 liegt dieser bei 82% aller mit HIV diagnostizierten Personen. Einen Therapieerfolg von <50 Viruskopien/ml Plasma weisen 93% aller dauerhaft therapierten Personen auf. Seit 2015 kann entsprechend der Deutsch-Österreichischen Therapieleitlinien unabhängig der Höhe der CD4 Zellzahl schon bei Diagnosestellung eine antiretrovirale Therapie begonnen werden. Antiretroviral therapiert – mit Virämie – Beobachtungen aus der ClinSurv Kohorte Die klinische Surveillance von HIV, ClinSurv Kohorte Studienpopulation N=24.231 in 2014 19.273 Männer (79,5 %), 4.958 Frauen (20,5 %) Alter zu Beginn der Erstlinien-ART 39 Jahre (SD 10,8) Risiko: 49,5 % MSM, 13,7 % Hetero, 12,8 % HPL, 9,0% IDU 93% der Regime enthalten die Markersubstanzen Emtricitabin (FTC) oder Lamiviudin (3TC) Abb. 3: Viruslast (log-Stufen) von Patienten in der ClinSurv HIV Kohorte (1999– 2014); Anteil erfolgreich Behandelter in grün Therapieerfolg in der ClinSurv Kohorte 2014 in allen Therapielinien Therapiert: N=20484; 84.5%; Dauer 7,3 Jahre (SD 5,72) Therapienaiv: N=3747; 15.5% Persistierende Virämie: 1999: 43% vs. 2014: 7.4% Therapieerfolg Viruslast <50 Kopien/ml: 93% Anteil nicht dokumentierte Viruslast: 20% (im Verhältnis zu 37,3% in 1999) Schlussfolgerungen Der Anteil von HIV-positiven Personen mit persistierender Virämie ist in der ClinSurv Kohorte mit ca. 7% in 2014 sehr gering. Es werden Therapieerfolge von 93% unter der Nachweisgrenze erzielt. Jedoch bleibt der Anteil der Beobachtungszeit mit nicht dokumentierter Viruslast konstant bei über 20%, bezogen auf den gesamten Beobachtungszeitraum. Personen in diesem Zeitfenster könnten virämisch sein und somit HIV übertragen. Zusammengestellt von B. Gunsenheimer-Bartmeyer, D. Schmidt und C. Kollan 11 Kürzlich erworbene HIV-Infektionen in Deutschland Hintergrund Methoden HIV-Infektion verläuft lange asymptomatisch Rückschluss von der Meldung einer HIV-Infektion auf den Infektionszeitpunkt und die Dauer der Infektion nicht möglich Serologische Testverfahren wie der BED-IgG capture ELISA (BEDCEIA) können über den relativen Anteil HIV-spezifischer unter den Gesamt-(IgG-) Antikörpern zwischen kürzlich erworbener (rezent; ≤ 5 Monate) und länger bestehender (>5 Monate) HIVInfektion unterscheiden. Ziel der Studie: Bestimmung des Anteils kürzlich erworbener HIVInfektionen unter HIV-Neudiagnosen Rekrutierung von Laboren, die HIV diagnostizieren und nach Infektionsschutzgesetz (IfSG) melden Labore senden Filter-getrocknete Serumproben von bestätigten HIV-Diagnosen an das RKI Bestimmung rezenter HIV-Infektionen durch den BED-CEIA Anonymisierte Verknüpfung der Testergebnisse des BED-CEIA mit Angaben des IfSG-HIV-Meldebogens Beschreibung des Anteils rezenter HIV-Infektionen bei HIVNeudiagnosen nach Transmissionsgruppe, Alter, Geschlecht, Herkunft und Zeit (2011-2015) Ergebnisse Abb. 1: Anteil kürzlich erworbener HIV-Infektionen bei HIV-Neudiagnosen mit Filterproben nach Transmissionsgruppen und Jahr Anteil rezenter HIV-Infektionen Männer die Sex mit Männern haben (MSM) Personen mit heterosexuellen Kontakten (HET) Intravenöse Drogengebraucher (IVD) Gesamt 50% 40% 30% 20% 10% 0% 2011 2012 2013 2014 2015 Diagnosejahr Tab. 1: Verteilung kürzlich erworbener HIV-Infektionen nach Transmissionsgruppe und Geschlecht bei HIV-Neudiagnosen mit Filterpapierproben (2011-2015) Abb. 2: Anteil kürzlich erworbener HIV-Infektionen je Altersgruppe bei HIVNeudiagnosen mit Filterpapierproben (2011-2015) Rezent (n=3.174) Länger bestehend (n=6.484) Gesamt (n= 9.658) Männer 2.735 (35%) 5.179 (65%) 7.914 (82%) Frauen 437 (25%) 1.297 (75%) 1.734 (18%) Männer, die Sex mit Männern hatten (MSM) 2.052 (38%) 3.351 (62%) 5.403 (56%) Intravenöse Drogengebrauchende (IVD) 103 (37%) 173 (63%) 276 (3%) Personen mit heterosexuellen Kontakten (HET) 489 (24%) 1.545 (76%) 2.034 (21%) Gruppe % Anteil rezenter HIV-Infektionen 45% 40% 35% 30% 25% 20% 15% 10% 5% 0% 0-17 Jahre 18-25 Jahre 25-34 Jahre 35-44 Jahre 45-54 Jahre >=55 Jahre Altersgruppen Schlussfolgerungen Insgesamt leichter Anstieg der rezenten HIV-Infektionen (von 29% in 2011 auf 34% in 2015) Höchster Anstieg (von 17% in 2011 auf 27% in 2015) bei Personen mit heterosexuellen Kontakten Höchsten Anteil rezenter HIV-Infektionen bei MSM und Personen <25 Jahren Zusammengestellt von A. Hofmann Mögliche Ursachen für den Anstieg: Stärkeres HIVInfektionsgeschehen oder erhöhtes Risikobewusstsein oder vermehrte Testung Ergänzenden Studien in diesen Gruppen zum Verhalten und zu Testhäufigkeit notwendig um Präventionsstrategien anpassen zu können 12 Die HIV-1 Serokonverterstudie Hintergrund und Ziele Methoden Seit Juli 1997 wird am RKI in einer Zusammenarbeit von FG34 und FG18 die HIV-1 Serokonverterstudie durchgeführt. Im Rahmen dieser Studie werden Daten zum Krankheitsverlauf HIV-infizierter Menschen mit bekanntem Infektionszeitpunkt (HIV-Serokonverter) erhoben und analysiert. Studientyp: Deutschlandweite, offene, multizentrische LangzeitKohortenstudie Population: HIV-positive Personen mit bekanntem/eingrenzbarem Zeitpunkt der HIV-1 Serokonversion Voraussetzungen: Einverständniserklärung der teilnehmenden Person, aktuelles Votum der Ethikkommission (2013) Einschlusskriterien: (1) akute Serokonversion (labordiagnostisch bestätigt) oder (2) dokumentierte Serokonversion (Zeitraum zwischen letztem negativen und erstem positiven HIV-Test ≤ 3 Jahre) Proben- und Datensammlung: Jährliche Zusendung von Blutproben und Fragebogen mit klinischen und epidemiologischen Daten Untersuchung der HIV-1 pol-Sequenz zur Bestimmung von Resistenzmutationen und des Subtyps Ziele der HIV-1 Serokonverterstudie sind unter anderem die Untersuchung von: Medikamentenresistenz: Ausbreitung, Persistenz und Übertragung resistenter HIV Antiretrovirale Therapie: Zusammensetzung der Therapieregime, Therapiewechsel, Therapieerfolg u.a. im Hinblick auf Medikamentenresistenz Ko-Infektionen: v. a. mit Hepatitis B und Hepatitis C Subtypen: Ausbreitung verschiedener HIV-Subtypen, insbesondere von neuen rekombinanten Formen Ergebnisse Abb. 1: Einrichtungen mit aktiver Teilnahme in den letzten 3 Jahren Ko-Infektionen Untersuchung zu Ko-Infektionen von 5.445 Proben bei 1.843 MSM HBV: 1,7% aktive HBV, 27,1% Z.n. HBV, 0,2% okkulte HBV, 47,5% Z.n. Impfung HCV: 4,0% aktive HCV, 4,2% Z.n. HCV Syphilis: 12,5% aktive Syphilis, 27,1% Z.n. Syphilis Abb. 2: Anteil übertragener, resistenter HIV (Transmitted Drug Resistance, TDR) 40 TDR (%) Anteil TDR (%) 35 linear trend 30 25 20 15 10 5 0 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 Jahr der Serokonversion Studienzentren Ca. 50 Einrichtungen Gute Abdeckung vor allem in Großstädten und Ballungsgebieten HIV-Resistenz Anteil übertragener resistenter HIV in aktueller Auswertung (1996-2015) rückläufig insgesamt 10,9% (268/2451; ptrend=0,009) resistente HIV Abb. 3: Ko-Infektionen mit HBV, HCV und Syphilis Studienpopulation 3.266 Teilnehmende 1.201 akut und 2.065 dokumentierte Serokonverter 3.066 männliche Patienten 2.791 Männer, die Sex mit Männern haben Zusammenfassung Die HIV-1 Serokonverterkohorte leistet einen unverzichtbaren Beitrag zur HIV-Surveillance in Deutschland. Die Erkenntnisse aus der HIV-1 Serokonverterstudie hinsichtlich Vorkommen und Verbreitung von resistenten HIV haben maßgeblich dazu beigetragen die HIV-Resistenztestung seit 2005 laut GBA-Beschluss als Standard in der HIV-Versorgung zu etablieren und die Qualität der antiretroviralen Therapie damit zu verbessern. Erstmalig ist in Zusammengestellt von D. Schmidt und K. Meixenberger 2015 ein Rückgang der übertragenen, resistenten HIV in der Studienpopulation zu verzeichnen. Die weitere Überwachung der Resistenzlage ist angesichts der Einführung neuerer Medikamentenklassen (Integrase-Inhibitoren) und des zunehmenden Einsatzes von PrEP (Präexpositionsprophylaxe) jedoch unverzichtbar. Die HIV-1 Serokonverterstudie bietet die Möglichkeit diese Entwicklungen eingehender zu untersuchen. DRUCK-Studie 14 Drogen und chronische Infektionskrankheiten in Deutschland HIV, Hepatitis B und C bei injizierenden Drogengebrauchenden Hintergrund, Ziele und Methoden Hintergrund Injizierende Drogengebrauchende (IVD) gehören zu den von HIV, Hepatitis B (HBV) und C (HCV) besonders gefährdeten Gruppen Datenlage für Deutschland veraltet, unvollständig und nicht repräsentativ Abb: 1: Studienstädte Ziele Prävalenz von HIV, HBV, HCV bei IVD Charakteristika, Wissen, Risiko- und Präventionsverhalten Präventionsempfehlungen zum Schutz vor HIV und Hepatitiden in Deutschland Abb. 2: Serologische und molekulare Testungen Methoden Multizentrische Querschnittsstudie (2011-2015) Sero- und Verhaltenssurvey i.v.-Konsum in letzten 12 Monaten Modifiziertes Schneeballverfahren: Respondent driven sampling Abb. 3: Erhebung der Verhaltensdaten und des Wissens Kapillarblut auf Filterpapier (Whatman #903) Pilotstudie: NRZ Hepatitis C, UK Essen Hauptstudie: FG15 und FG18 des RKI Anti HIV-1 und -2 HBsAg, HBV-DNA, Anti HBc, Anti HBs Anti HCV, HCV-RNA, Genotypisierung Geschulte Interviewer strukturierter Fragebogen Fragebogen der DRUCK-Studie Soziodemographische Merkmale Konsumierte Substanzen Konsumpartner und -orte Unsafe use Zugang zu Harm reduction Sexualverhalten und -kontakte Inhaftierung Wissen Gesundheitsstatus Test- und Infektionsstatus Ergebnisse Soziodemographie Konsumassoziertes Verhalten [Spannweite der Prävalenzen in den Studienstädten je Variable] [Spannweite der Prävalenzen in den Studienstädten je Variable] 2.077 Personen eingeschlossen 18-35% Frauen Alter [Median]: 29-41 Jahre 9-31% nicht in Deutschland geboren 53-77% jemals obdachlos 73-86% jemals inhaftiert Dauer des i.v. Konsums [Median]: 10-18 Jahre 76-88% haben in den letzten 30 Tagen Drogen injiziert 17-39% haben in den letzten 30 Tagen täglich injiziert 5-22% haben in den letzten 30 Tagen Spritzen /Nadeln mit anderen geteilt 37-49% haben in den letzten 30 Tagen unsafe use praktiziert Abb. 4: HIV-, HCV- und HBV-Seroprävalenz Gesamtstudienpopulation; N=2.077 Tab. 1: Wissensbedarfe zu Infektionskrankheiten (Auswahl) 100% 90% Geimpft 32,3% Negativ 34,5% 80% 70% 60% 50% Negativ 95,2% Ausgeheilt 22,0% Negativ 42,9% 40% 30% Virämisch 43,5% 20% Virämisch; 1,1% 10% 0% Positiv; 4,8% HIV HCV Ausgeheilt 23,8% HBV Schlussfolgerungen und Empfehlungen Schlussfolgerungen Neben unterschiedlichen HIV-und HBV-Prävalenzen in den Studienstädten wurde eine hohe bis sehr hohe HCV-Prävalenz festgestellt. Der Anteil gegen HBV geimpfter Personen schwankte je nach Studienstadt. Verschiedene Verhaltensfaktoren und strukturelle Faktoren wurden als Handlungsfelder identifiziert: Abb. 6: Identifizierte Handlungsfelder in Hinblick auf die hohe Prävalenz von HIV, HBV und HCV bei IVD Zusammengestellt von M. Gassowski und R. Zimmermann Empfehlungen Steigerung der HBV-Impfquoten bei IVD Wissensvermittlung spezifischer Übertragungswege und Schutzmaßnahmen vor Hepatitiden Niedrigschwelliger und bedarfsorientierter Zugang zu sterilen Konsumutensilien Verbesserung der Test- und Behandlungsquoten von HIV- und HCV-Infizierten Gewährleistung des Zugangs zu allen genannten Maßnahmen auch in Haft Quellen: Abschlussbericht DRUCK-Studie, RKI 2016, www.rki.de/druck-studie Nielsen et al, BMC HMAP 2016; Wenz et al, BMC PH 2016 Hintergrund Ca.10-15% der HIV-Erstdiagnosen entfallen auf Migrantinnen und Migranten aus Subsahara-Afrika (MiSSA) etwa ¼ der Infektionen vermutlich in Deutschland erworben Diagnose erfolgt häufig spät bisher keine deutschlandweite Erhebung zu Wissen, Verhalten, Einstellungen und Praktiken (KABP) in Bezug auf HIV, Hepatitiden und STI Stigmatisierung des Themas HIV als Herausforderung Methoden Partizipative Studienkonzeption mit afrikanischen Community-Mitgliedern, HIV-Präventionspraxis und ÖGD Zusammenarbeit mit Partnerorganisation und ÖGD in sechs Studienstädten (Abb. 1) Verweis an lokales Testangebot Erhebung von KABP-Daten durch Peer Researcher geschulte und gut vernetzte Personen aus der afrikanischen Community (Convenience Sampling) Fragebogen: deutsch, englisch, französisch; Interview oder selbst auszufüllen; Erhebung des Wissens an Hand wahrer Aussagen (Interventionsaspekt) gemeinsame Interpretation der Befragungsergebnisse und Generierung von Präventionsempfehlungen Abb. 1: Studienstädte und Stichprobengrößen Hamburg (Pilotstudie) n=350 n=612 Hannover n=350 n=497 Essen n=650 n=657 Berlin n=500 n=536 Köln n=350 n=414 Frankfurt n=350 n=445 München n=350 n=491 Ergebnisse Soziodemographie, HIV-Testverhalten und Stigmatisierung N=3.178, Ausschluss von 138 Fragebögen (n=3.040) n=angestrebte Stichprobengröße n=erreichte Stichprobengröße Tab. 1: Soziodemographie, HIV-Testverhalten und Stigmatisierung Männer Frauen Soziodemographische Merkmale der Studienpopulation Geschlecht Altersmedian (Range) Bildung - Grund-/Hauptschule - Mittlere Reife/Abitur - Studium - kein Abschluss Aufenthaltszeit in Deutschland Median (Range) Deutschkenntnisse (Muttersprache, sehr gut, gut) Krankenversicherungsstatus - Versicherungskarte - Behandlungsschein - keine Krankenversicherung 54% 32 (18-77) 46% 31 (18-78) 22% 34% 35% 7% 58 Monate (1-540) 28% 36% 26% 9% 72 Monate (1-504) 54% 54% 79% 10% 9% 85% 9% 5% HIV-Testverhalten (selbstberichtet) Jemals auf HIV getestet Im letzten Jahr auf HIV getestet (unter jemals Getesteten) Letzter Test in Deutschland (unter jemals Getesteten) 58% 48% 27% 33% 64% 77% Umgang mit HIV-Positiven Ich verhalte mich genauso, wie jeder anderen Person gegenüber Ich kenne jemanden mit HIV persönlich 79% 79% 34% 42% Wissen zu HIV Guter Wissensstand zu HIV, z.B. zu Übertragungswegen spezifisches Wissen weniger gut verbreitet Abb. 2: Spezifisches Wissen zu HIV Afrikaner/innen werden NICHT aus Deutschland ausgewiesen, nur weil sie HIV haben. (n=2.995) 57% 15% 25% In [STADT] kann man anonym und kostenlos einen HIV-Test machen, z.B. im Gesundheitsamt. (n=2.995) 57% 15% 25% Menschen mit HIV haben ein erhöhtes Risiko, an Tuberkulose zu erkranken. (n=3.001) 56% Menschen, die eine STI haben, haben ein erhöhtes Risiko, sich mit HIV anzustecken. (n=2.992) 52% Das wusste ich schon vorher. 0% Ich war mir nicht sicher, ob das stimmt. Das wusste ich nicht. Ich verstehe diese Aussage nicht. 25% 12% 14% 50% 29% 31% 75% 100% Schlussfolgerungen Peer Researcher konnten eine sehr heterogene Gruppe von MiSSA erreichen Allgemeines Wissen zu HIV ist gut, es bestehen jedoch Informationsbedarfe in Bezug auf Koinfektionen und zur Situation in Deutschland Testangebote des ÖGD sollten besser bekannt gemacht werden, um Testraten zu erhöhen Das partizipative Vorgehen ermöglicht das Erreichen einer als „schwer erreichbar“ geltenden Zielgruppe 16 Eradikation von HIV Das Problem Durch die Entwicklung der hocheffizienten antiretroviralen Wirkstoffe kann heutzutage die HIV-Infektion bis hin zu nicht mehr detektierbaren Viruslasten unterdrückt werden. Dies ermöglicht den HIV-infizierten Personen bei ständiger antiretroviraler Therapie (ART) eine normale Lebenserwartung. Jedoch ist bis jetzt nur in einem Fall eine bestätigte Heilung von HIV möglich gewesen – der „Berliner Patient“. Die Schwierigkeit einer Heilung ist dadurch bedingt, dass in HIV-infizierten Personen das Virus sein Genom in die Chromosome der Wirtszelle als sogenanntes „Provirus“ integriert; in dieser Form kann das Provirus auch inaktiv in Personen unter Therapie persistieren. Die ruhenden Proviren sind „unsichtbar“ für das Immunsystem und auch nicht angreifbar durch die antiretroviralen Medikamente, da sie keine Viruspartikel oder auch nur Teile davon produzieren. Diese Zellen werden als „Reservoire“ bezeichnet und fungieren als Quelle für eine erneute Verbreitung von HIV innerhalb des Körpers sobald die Patienten die antiretrovirale Therapie unterbrechen. Aus diesen Gründen sind nach heutigen Wissen HIV-infizierte Personen gezwungen die antiretroviralen Medikamente lebenslang einzunehmen. Abb. 1: Unterdrückung der Replikation von HIV durch antiretrovirale Wirkstoffe mit zurückkehrender Verbreitung nach Aussetzen der Therapie. Die Lösung: 'KICK and KILL' Dieser Ansatz zur Eradikation von HIV beinhaltet zwei Herausforderungen. Die Erste ist die Identifizierung der Zelltypen, die das HIV-Reservoir darstellen, um dann gezielt inaktive Proviren zu aktiveren („KICK“), damit wieder virale Proteine produziert werden. Durch diese Reaktivierung werden die Proviren in den Zellen wieder „sichtbar“ für das Immunsystem. Die zweite Herausforderung ist dann die Eliminierung („KILL“) der Provirus- tragenden Zellen sowie auch aller neuen Viruspartikel, die durch die Aktivierung produziert werden. Das kann durch eine Re-Stimulation der antiviralen Immunreaktion erfolgen, welche durch Virusspezifische Antikörper und Killer-T-Zellen die jetzt wieder Virusproduzierenden Zellen bzw. frei gesetzte Viren erkennt und eliminiert. Abb. 2: Darstellung des Lösungsansatzes 'KICK and KILL' Killerzelle KICK KILL Viruspartikel Zelle mit ruhenden HIV-Provirus, nicht angreifbar für Virus-spezifische Killerzellen oder behandelbar durch antiretroviraler Therapie Aktivierung des Provirus erzeugt neue Viren und macht die Zelle sichtbar für Killerzellen Die Reservoir-Zelle wird durch Killer-T-Zellen zerstört und die neu produzierten Viren durch ART an der Verbreitung gehindert. Identifizierung des HIV-Reservoirs Der Ansatz, der hier am RKI verfolgt wird, ist zunächst die speziellen Zelltypen zu identifizieren, in denen das HIV Provirus „versteckt“ vorliegt und diese Viren dann anhand ihrer DNA Sequenz zu charakterisieren. Dahingehend wurden Methoden entwickelt, um die Lymphozyten von unter Therapie stehenden Langezeit-Infizierten in die diversen Untergruppen zu sortieren und die Proviren durch hoch-sensitive PCR Techniken zu detektieren. Zusammengestellt von S. Norley und O. Hohn Wenn die Anwesenheit von HIV Proviren bestätigt ist, kann anhand der dann auslesbaren Sequenz der Proviren eine spezifische, möglichst optimale Behandlung zur Eradikation entwickelt werden. Es wäre möglich, aufgrund der Sequenz der Proviren dann maximal wirksame antivirale Medikamente auszuwählen sowie eine an die Provirus-Sequenz angepasste Vakzine zu entwickeln, welche die Killer-T-Zellen stimuliert für die Eliminierung der Reservoir-Zellen.