Staubiges Weltall - Max-Planck

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ASTRONOMIE UND KERNPHYSIK
Staubiges Weltall
Geplagte Hausfrauen und Hausmänner fragen sich immer wieder, warum das Wohnzimmerregal schon wieder voller Staub ist, obwohl sie es erst eine Woche zuvor
sorgfältig geputzt haben. Astrophysiker fragen sich, wie der Staub überhaupt ins Universum kam und welchem Zweck er hier dient. Über diese Themen diskutierten im Herbst
mehr als 300 Wissenschaftler aus aller Welt in Heidelberg auf der Tagung „Kosmischer
Staub nah und fern“. Organisiert hatten dieses interdisziplinäre Treffen die dort
ansässigen MAX-PLANCK-INSTITUTE
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ORSCHUNG
3/2008
FÜR
ASTRONOMIE
und
FÜR
KERNPHYSIK.
F OTO : NASA/JPL-C ALTECH /K. S U (U NIVERSITY
OF
A RIZONA )
I
Einer kosmischen Blüte
gleicht der Helixnebel.
Erzeugt hat diese Wolke
ein Stern, der sich am
Ende seines Lebens zum
Riesen aufblähte. Im
Infrarotlicht erscheint der
Staub (grün eingefärbt)
besonders deutlich.
m lockeren Turnus von vier Jahren
treffen sich die Staubforscher zu
einer solchen Tagung, auf der es um
alle Aspekte dieses eminent wichtigen Ingrediens im Universum geht.
Woher kommt der Staub im All? Wie
verteilt er sich in den Galaxien? Was
verrät Kometenstaub über die Entstehung unseres Sonnensystems?
Das sind einige der Fragen, denen
die Wissenschaftler nachspüren.
In diesem Jahr fand die Tagung
erstmals in Deutschland statt. Die
Veranstalter hätten hierfür keinen
geeigneteren Ort als Heidelberg finden können. Das Max-Planck-Institut für Astronomie hat sich seit jeher
der astronomischen Beobachtung im
infraroten Spektralbereich verschrieben. Hier studiert man insbesondere
Staub in Sternentstehungsgebieten.
Das Max-Planck-Institut für Kernphysik wiederum genießt weltweit
einen hervorragenden Ruf in der
Analyse von Meteoriten und Mondgestein; seit Langem baut es Staubdetektoren für Raumsonden wie
Giotto (Komet Halley), Galileo (Jupiter) und Cassini (Saturn).
Wenn Staub durch nahe Sterne erwärmt wird, gibt er Infrarotstrahlung
ab. Aus deren Intensität lässt sich die
Gesamtmasse ableiten. Doch je weiter eine Galaxie entfernt ist, desto
schwieriger wird der Nachweis. Es
galt deswegen als großer Durchbruch, als es vor wenigen Jahren gelang, Staub in den entferntesten bekannten Quasaren zu messen – den
extrem hellen Zentralgebieten von
Galaxien, in denen ein schwarzes
Loch umgebendes Gas erhitzt und
zum Leuchten anregt. Aus einem Gebiet, das etwa so groß wie unser Sonnensystem ist, kommt Strahlung, die
mehrere tausend Mal heller sein kann
als die von allen Sternen in unserer
Milchstraße zusammengenommen.
Deswegen lassen sich diese Himmelskörper bis in viele Milliarden Lichtjahre Entfernung beobachten.
Der bislang entfernteste Quasar mit
der Bezeichnung SDSS J1148+5251
sandte das heute von ihm empfangene Licht aus, als das Universum
870 Millionen Jahre alt war. Astrophysiker schauen hier gewissermaßen
in die Kinderstube des Universums,
dessen Alter heute mit 13,7 Milliarden Jahren angenommen wird. Wie
Fabian Walter vom Max-Planck-Institut für Astronomie berichtete, ließen sich in diesem Quasar gewaltige
Staubmengen von mehreren hundert
Millionen Sonnenmassen nachweisen. Das ist etwa so viel wie in der
gesamten Milchstraße.
Der Staub wird nicht nur von dem
heißen Quasar zum Leuchten angeregt, sondern auch von vielen jungen
Sternen, die in dem Staub entstehen.
Abschätzungen kommen auf eine
Geburtenrate von jährlich 3000 Sternen mit der Masse unserer Sonne. In
der Milchstraße entstehen heute gerade einmal Sterne mit insgesamt
etwa fünf Sonnenmassen.
DER URKNALL PRODUZIERTE
NUR LEICHTE STOFFE
Auch bei mehreren anderen Quasaren im jungen Universum fand
sich zum Erstaunen der Astrophysiker Staub in dieser Größenordnung.
Nach heutiger Kenntnis sind im Urknall nämlich fast ausschließlich die
leichtesten Elemente Wasserstoff und
Helium entstanden. Diese flüchtigen
Stoffe können aber keine Staubteilchen bilden. Dafür sind schwerere
Substanzen nötig, wie Kohlenstoff,
Sauerstoff oder Silizium. Diese müssen also vor dem Aufflammen der
Quasare in enormen Mengen produziert worden sein. Hierfür kommen
im Grunde nur Supernovae, also explodierende Sterne, in Frage.
Modellrechnungen zufolge müsste
jede Supernova durchschnittlich etwa
eine Sonnenmasse an Staub liefern,
um die beobachteten Mengen in den
Quasaren erklären zu können. Auf
der Tagung sahen mehrere Astrophysiker darin ein Problem, wie zum Beispiel Isabelle Cherchneff von der ETH
®
Zürich demonstrierte.
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F OTO
RECHTS :
J. M ORSE (U.C O )/K. D AVIDSON (U.MN)
AND
NASA
F OTO
F OTO :
LINKS :
AKG
- I MAGES
F OTO
LINKS :
NASA/JPL-C ALTECH /J. R HO (C ALTECH -SSC)
NASA/ESA/STS C I
KONGRESSBERICHT
Die ersten Sterne können nur aus
Wasserstoff und Helium bestanden
haben. Modelle sagen voraus, dass
sie deswegen wesentlich schwerer
waren als die heutigen Sterne und
bis zu 300 Sonnenmassen beinhalteten. Sie erbrüteten im Innern durch
Kernfusion schwere Elemente und
gaben diese an die Umgebung ab, als
sie explodierten. Da die Lebensdauer
der Sterne mit zunehmender Masse
stark abnimmt, wurden die Giganten
der ersten Generation nur wenige
Millionen Jahre alt.
„Nach zwei Jahren war die Temperatur in der Explosionswolke so weit
gesunken, dass sich die ersten Moleküle bilden konnten“, sagt Cherchneff.
Bis zu einem Drittel der gesamten
Sternmasse sammelt sich in einfachen
Verbindungen wie Kohlenmonoxid
(CO), molekularem Sauerstoff (O2)
oder Siliziumoxid (SiO). Bei Zusammenstößen bleiben diese Moleküle
dann aneinander haften und wachsen
langsam zu Staubteilchen heran.
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Die großen Schwaden
im Adlernebel (links) sind
der Rohstoff für neue
Sterne. In den mittleren
vier Bildern des Supernova-Überrests Cassiopeia A
kennzeichnen die Farben
unterschiedliche Bestandteile (blau: Siliziumgas,
grün: Argongas, rot:
Staub). Rechts umgibt der
Sanduhrnebel den Riesenstern Eta Carinae, der in
ferner Zukunft als Supernova explodieren wird.
Wie effektiv dieser Vorgang ablief, war Gegenstand heftiger Diskussionen. Modellrechnungen
mehrerer Theoretiker sagen voraus, dass zwischen einem und 20 Prozent der Sternmasse zu
Staub werden – ausreichend, um die großen
Mengen in den ersten
Quasaren zu erklären.
Allerdings wird der größte Teil der
Partikel später zerstört. Denn bei der
Explosion eines Sterns rast eine Stoßwelle ins All hinaus, die das umgebende Gas aufheizt und komprimiert.
Dies führt dazu, dass dieses Gas selbst
eine Stoßfront aussendet, die zu dem
explodierten Stern zurückläuft. Vereinfacht gesagt wird die Stoßfront der
Supernova am umgebenden Gas reflektiert und durchquert mehrere
zehntausend Jahre nach der Explosion die Staubwolken. Die darin enthaltenen Teilchen werden stark erhitzt
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und von schnellen Atomkernen, welche die Stoßfront mit sich reißt, bombardiert.
Wie viele der Staubpartikel dieses Inferno überstehen, ist Gegenstand der
Forschung. Nach Modellrechnungen von Takashi
Kozasa von der Universität Hokkaido werden alle
Teilchen mit Durchmessern bis zu 0,05 Mikrometern (tausendstel Millimetern) vollständig zerstört. Nur die größeren überleben. Das
Ausmaß der Zerstörung wächst mit
dem Bombardement der Atomkerne
und damit der Dichte des Gases, in
dem sich der Staub befindet.
Da weder die Größenverteilung der
Staubteilchen noch die Gasdichten
bekannt sind, liefern die Modellsimulationen eine entsprechend breite
Lösungsvielfalt. Simone Bianchi vom
Astrophysikalischen Institut in Florenz kommt zu dem Schluss, „dass
nicht einmal zehn Prozent des entstandenen Staubs die RückwärtsStoßwelle übersteht“. Supernovae
sind also sehr effektive Staubfabriken, aber der größte Teil ihres Produkts hat eine für kosmische Maßstäbe kurze Haltbarkeitsdauer. Nur
wenn die Mehrzahl der ersten Sterne
wirklich sehr viel schwerer waren als
ihre heutigen Nachfahren, könnten
sie das junge Universum mit dem
nötigen Staub angereichert haben.
In absehbarer Zukunft wird es
nicht möglich sein, den von der ersten Sterngeneration produzierten
Staub direkt zu beobachten. Dafür
sind diese Himmelskörper viel zu
lichtschwach. Es ist bereits außerordentlich schwierig, Staub in nahen
Supernova-Wolken aufzuspüren. Das
gelang erstmals 1987 in der rund
163 000 Lichtjahre entfernten Großen Magellan'schen Wolke.
Die Astronomen verfolgten, wie
ein Jahr nach der Supernova 1987A
in der Gaswolke der erste Staub ent-
stand. Doch schon ein weiteres Jahr
später endete diese Phase. „Für die
Staubentstehung steht nur ein sehr
enges Zeitfenster zur Verfügung“,
sagt Chechneff. Der Grund erscheint
einleuchtend: In der sich ausdehnenden Explosionswolke muss die Temperatur auf etwa 1200 Grad Celsius
gesunken sein, damit sich feste Teilchen bilden können. Doch im weiteren Verlauf der Expansion verdünnt sich die Materie immer mehr,
sodass die Partikel schließlich kaum
noch zusammenstoßen und weiter
anwachsen können.
Seit der Supernova 1987A ist es
nur in sehr wenigen Fällen gelungen,
Staub in anderen Explosionswolken
nachzuweisen. Der jüngste Erfolg
glückte einem Astronomenteam um
Jeonghee Rho vom California Institute of Technology in Pasadena. Es
fand Ende 2007 Jahres mit dem Weltraumteleskop Spitzer Staubwolken in
dem etwa 11 000 Lichtjahre entfernten Supernova-Überrest Cassio-
peia A sowie bei zwei weiteren Objekten. Wie Rho berichtete, beträgt
die gesamte Staubmasse in den drei
Objekten jeweils einige hundertstel
Sonnenmassen. Das ist mehr als eine
Zehnerpotenz weniger, als die Theoretiker von der ersten Sterngeneration erwarten.
Entweder waren die ersten Supernovae die ergiebigeren Staubfabriken, was in ihrer mutmaßlich höheren Masse begründet sein könnte,
oder es gab im jungen Universum
doch noch andere Staubquellen.
„Vielleicht spielten die schwarzen
Löcher in den Zentren der Quasare
hierbei eine noch unbekannte Rolle“,
spekuliert Isabelle Cherchneff.
Im heutigen Universum gibt es
noch eine zweite bedeutende Staubquelle: Sternwinde. Massereiche
Sterne blähen sich am Ende ihres Lebens zu Riesen auf und stoßen Teile
ihrer äußeren Hülle ins All ab.
„Schon in geringer Entfernung vom
Stern bilden sich Staubteilchen, die
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KONGRESSBERICHT
ASTRONOMIE UND KERNPHYSIK
F OTOS : P ETER H OPPE
Links: Isotopendiagramm von präsolaren SiC-Teilchen.
Schwarz und grün markiert sind Riesensterne mit 1,5 bis 3
Sonnenmassen und unterschiedlicher chemischer Zusammensetzung, hellblau entspricht Supernovae und eventuell
Novae, rot kohlenstoffreichen Sternen.
Silicate
Al2O3
G RAFIK : P ETER H OPPE
SiC
1 m
dann vom Druck des Sternlichts ins
All hinausgetrieben werden“, erklärte Susanne Hoefner von der Universität Uppsala. Ein berühmtes Beispiel
hierfür ist der 7700 Lichtjahre entfernte Eta Carinae, der möglicherweise massereichste und leuchtkräftigste Stern in der Milchstraße.
Wenn ein solcher Stern später als
Supernova explodiert, was die Forscher bei Eta Carinae erwarten, dann
wird die Stoßwelle einen großen Teil
des vorher produzierten Staubs wieder vernichten. Doch masseärmere
Sterne wie unsere Sonne blähen sich
im Endstadium als Rote Riesen auf,
produzieren Staub und verglühen am
Schluss einfach als Weißer Zwerg.
Ihre Staubwolken können sich ungestört ausbreiten und gelangen so ins
interstellare Medium. „Im heutigen
Universum spielen die masseärmeren
Sterne mit zwei bis fünf Sonnenmassen die dominierende Rolle in der
Staubproduktion“, fasste Eli Dwek
vom Goddard Space Flight Center
der NASA den heutigen Wissensstand zusammen.
Die ersten Sterne konnten das jedoch nicht, weil ihre äußere Hülle nur
aus Wasserstoff und Helium bestand.
Sie mussten zunächst die schweren
Elemente herstellen und ins All abgeben, wo sie als Rohstoff für die nachfolgenden Generationen dienten.
Hat sich der Staub aus dem Schwerefeld seines Sterns gelöst, dann bewegt er sich frei durch den interstellaren Raum. Gerät er in einen der
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Spiralarme der Milchstraße, so sammelt er sich dort an. Diese Arme sind
nämlich Störungen im allgemeinen
Schwerefeld der Galaxis, in denen
die Materie abgebremst wird. Spiralarme kann man sich wie einen interstellaren Stau vorstellen, in dem sich
Staub ansammelt und zu großen
Wolken verdichtet.
BEGEHRTES MATERIAL
AUS DER GEBURTSPHASE
Überschreitet eine solche Wolke eine
bestimmte Größe, so zieht sie sich unter dem Einfluss der eigenen Schwerkraft zusammen. Mit abnehmender
Größe rotiert sie immer schneller;
schließlich zieht sie die Fliehkraft zu
einer flachen Scheibe auseinander. Im
Zentrum entsteht ein Stern, und in der
umgebenden Scheibe verdichten sich
große Planeten sowie kleinere Asteroiden und Kometenkörper.
In Kometen und Meteoriten ist die
Materie aus der Entstehungsphase des
Sonnensystems zum Teil unverändert
erhalten geblieben – ein faszinierender Aspekt. Das Gestein der Planeten hingegen, insbesondere auf der
Erde, wurde von Wind und Wetter
und Plattentektonik stark verändert.
Doch wie kommen die Forscher an
das begehrte Urmaterial heran? Hierfür gibt es mehrere Möglichkeiten.
Zum einen finden sich auf der Erde
zahlreiche Meteorite. Sie sind Bruchstücke von Asteroiden, die von ihren
ursprünglichen Bahnen, die überwiegend zwischen Mars und Jupiter ver-
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F OTOS : P ETER H OPPE
Unten: Rasterelektronenmikroskop-Aufnahmen von präsolaren
Staubteilchen, die in Meteoriten gefunden wurden.
1 m
laufen, abgekommen und mit der
Erde zusammengestoßen sind. Auch
Kometenstaub befindet sich schon
seit Jahrzehnten in irdischen Laboratorien. Partikel der Schweifsterne geraten in die Hochatmosphäre, werden
dort abgebremst und schweben langsam zu Boden. Die jährliche Gesamtmasse schätzen die Forscher auf
30 000 Tonnen. Mit speziell entwickelten Fanggeräten lassen sich
solche Partikel mit Höhenflugzeugen
einsammeln. In diesen Fällen weiß
man jedoch nicht, von welchem Kometen die Teilchen stammen.
Diese Situation änderte sich grundlegend, als im Jahr 2006 die Raumsonde Stardust zur Erde zurückkehrte.
Sie hatte zuvor im Schweif des Kometen Wild 2 Staub eingesammelt. Insgesamt gelangten auf diese Weise
rund 10 000 Teilchen mit Größen zwischen einem und 300 Mikrometern
und einer Gesamtmasse von einem
tausendstel Gramm zur Erde.
In Heidelberg präsentierte der Stardust-Projektleiter Don Brownlee von
der Universität Seattle Fotos und
Messergebnisse dieser kostbaren
Staubkörnchen. Obwohl deren Untersuchung noch am Anfang steht, gab
es bereits einige sehr überraschende
Ergebnisse. Ein Großteil des Materials
besteht aus silikatischen Mineralen
wie Olivin und Pyroxen. Sie besitzen
in etwa jene Element- und Isotopenhäufigkeit, wie sie in der Sonne vorliegt. In einigen Körnchen fanden sich
aber deutlich abgegrenzte Minerale
Falschfarbenaufnahme
eines 9 mal 9 Mikrometer
kleinen Bereichs in dem
Meteoriten Acfer 094.
Das präsolare Körnchen
tritt deutlich durch ein
ungewöhnliches Verhältnis der Sauerstoff-Isotope
17O und 16O hervor.
wie Forsterit (Mg2SiO4)
und Enstatit (MgSiO3) sowie kalzium- und aluminiumreiche Einschlüsse.
Diese Stoffe entstehen
aber bei Temperaturen
von 1100 Grad Celsius
und mehr. Das war absolut überraschend, weil man bis dahin annahm,
die Kometen wären weit von der Sonne entfernt bei Temperaturen deutlich
unter dem Gefrierpunkt entstanden.
Wie also kamen diese Hochtemperaturphasen in den Kometen?
Eine eindeutige Antwort hierauf
haben die Forscher noch nicht.
Brownlee zitierte die Arbeit seines
Kollegen Frank Shu von der Universität Berkeley: Nach dessen Theorie
verursachte intensive Röntgenstrahlung der jungen Sonne in der umgebenden Scheibe einen Teilchenwind,
der Material in die Außenbereiche
wehte. Demzufolge bildeten sich die
Hochtemperaturmineralien sehr nahe
an der Sonne, wurden dann bis hinter
die Bahn des Mars transportiert und
dort in die entstehenden Kometenkörper eingebaut. Von der weiteren
Analyse der Stardust-Teilchen erhoffen sich die Forscher weitere Aufschlüsse über die erstaunliche Zusammensetzung der Kometenmaterie.
In einem beeindruckenden Vortrag
schilderte schließlich Peter Hoppe
vom Max-Planck-Institut für Chemie
in Mainz, wie sich die Entstehungsgeschichte von Meteoriten und den in
der Hochatmosphäre eingefangenen
interplanetaren Staubteilchen rekonstruieren lässt.
Diese enthalten kleine
Mengen an Staub, der bereits vor der Bildung unseres Sonnensystems in
der Umgebung längst
verstorbener Sterne entstanden ist.
Die unterschiedlichen Staubquellen,
vor allem Supernovae und Riesensterne, hinterlassen ganz charakteristische Fingerabdrücke, sogenannte Isotopenverhältnisse.
Isotope sind unterschiedliche Varianten eines Elements. Das Element
Sauerstoff etwa ist durch acht Protonen im Kern gekennzeichnet. Es gibt
jedoch drei Sauerstoff-Isotope mit jeweils acht, neun oder zehn Neutronen
im Kern. Chemisch verhalten sich Isotope gleich, physikalisch jedoch nicht.
GRAPHITKÖRNCHEN
VERRATEN IHRE HERKUNFT
Im solaren Urnebel lagen diese Isotope
in bestimmten Häufigkeitsverhältnissen vor, die sich in der Materie der
Sonne und im größten Teil der Meteorite widerspiegeln. Man findet aber im
Meteoritengestein kleine Kristalle, in
denen diese Isotopenverhältnisse ganz
erheblich vom solaren Wert abweichen. Ursache sind die unterschiedlichen Herkunftsquellen, die Isotope
in unterschiedlichen Verhältnissen
produzieren. Die von Theoretikern in
aufwändigen Computersimulationen
berechneten Isotopenverhältnisse finden sich in den Staubteilchen wieder.
Am besten untersucht sind Siliziumkarbidteilchen, die neben dem
Hauptbestandteil SiC auch viele andere Elemente und deren Isotope
enthalten. Mittlerweile unterscheiden
die Forscher mehrere Typen von SiCTeilchen, deren Herkunft sich anhand
der Isotopenverhältnisse bestimmen
lässt, wie Hoppe demonstrierte. So
lassen sich anhand der Stickstoff(14N/15N) und Kohlenstoff-Isotopenverhältnisse (12C/13C) sowie der Isotopenverhältnisse weiterer Elemente
eindeutig Riesensterne mit ein bis
drei Sonnenmassen sowie Supernovae und Novae als Quellen identifizieren. Auch Graphitkörnchen
verraten durch spezielle KohlenstoffIsotopenverhältnisse ihre Herkunft.
Trägt man die gemessenen Isotopenverhältnisse in einem Diagramm
auf, so treten die Fingerabdrücke
der Quellen deutlich zu Tage. Auf
diese Weise hinterlassen längst vergangene Sterne ihre Spuren in dem
Staub, aus dem dann unser Sonnensystem und mit ihm die Erde entstanden ist.
Die Heidelberger Tagung hat gezeigt, wie spannend Forschung an
kosmischem Staub ist. Sie ist auch
deswegen interessant, weil hier Astrophysiker, Chemiker, Geologen und
Mineralogen ihre Ergebnisse beitragen. Eine Zusammenarbeit zwischen
diesen Disziplinen ist keineswegs
selbstverständlich. Diese zu fördern
war auch eine der Aufgaben dieser
THOMAS BÜHRKE
Tagung.
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