Anforderungen an den Kalkulationsnachweis bei

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MEDIEN „BUERO
ROBERT MAECHTEL
Anforderungen an den Kalkulationsnachweis bei Mehrkostenansprüchen im Bauwesen
11
Anforderungen an den Kalkulationsnachweis bei
Mehrkostenansprüchen im Bauwesen
Marc Aßmann
11.1
Einführung
Die Bildung der Baupreise ist in Deutschland nicht reglementiert. Einem Anbieter steht es daher frei,
wie er seine Preisbildung vornimmt. Er kann sich dabei an marktüblichen Preisen orientieren, um
einen Auftrag zu generieren. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht sind fundierte, eigene Kalkulationsansätze den vorgenannten Schätzungen vorzuziehen. Andernfalls kalkuliert der Bieter, ohne seine
wirklichen Kosten zu kennen. Wer dieses Risiko eingeht, der braucht sich über schlechte Ergebnisse
nicht zu wundern. Ziel muss es daher sein, eine transparente, schlüssige und nachvollziehbare Kalkulationsbasis zu schaffen, die höchstrichterlichen Anforderungen bei der Durchsetzung von Mehrkostenansprüchen gerecht wird. Was heißt also konkret „Kalkulation"? Darunter versteht der Duden
die „Vorausberechnung entstellender Kosten; Kosten Voranschlag"1.
11.2
Aufbau der Kalkulation im Bauwesen
Im Bauwesen findet üblicherweise die Zuschlagskalkulation Anwendung, bei der nach vordefinierten
Zuschlägen oder über die Angebotsendsumme unterschieden wird. Die Zuschlagskalkulation setzt
sich aus den Kostenarten Lohn, Stoffe, Geräte, Sonstiges und Fremdleistungen zusammen, die in der
Summe die Einzelkosten der Teilleistungen (EkT) ergeben.
Bei der Preisbildung der Kostenart Lohn sollte eine detaillierte Aufschlüsselung der Vorgabewerte
vorgenommen werden. Dies gilt selbstverständlich auch für die anderen Kostenarten.
Nach Ermittlung der EkT erfolgt die Erfassung der projektbezogenen Baustellengemeinkostcn
(BGK). Diese werden in zeitabhängige (z. B. Vorhaltung Personalcontainer) und zeitunabhängige (z.
B. Auf- und Abbau Personalcontainer) Kosten unterschieden. Ein eigenes BaustellengemeinkostenLeistungsverzeichnis (BGK-LV) hilft dabei, alle Kostenansätze einzuschließen.
Die Summe der EkT und der BGK wird als Herstellkosten (HK) bezeichnet. Die HK werden mit den
Allgemeinen Geschäftskosten (z. B. Verwaltungskosten), dem Wagnis (z. B. Gewährleistung) und
dem Gewinn beaufschlagt. Hieraus ergibt sich die Angebotssumme (AGS) zuzüglich Umsatzsteuer.
Durch die oben beschriebene Verfahrensweise ergibt sich eine durchsichtige, klare und aussagekräftige Preisermittlungsgrundlage (Urkalkulation).
Ziel muss es sein, dass die kalkulierten Ansätze für Dritte nachvollzogen werden können. Ansonsten
geht der Bieter das Risiko ein, dass keine sachliche Preisgrundlage vorliegt, die im Falle von
Mehrkostenberechnungen und daraus resultierenden Nachtragsverhandlungen zwingend notwendig
ist. Eine Abhängigkeit vom Wohlwollen des Vertragspartners kann bei Unstimmigkeiten mit stichhaltigen Kalkulationsansätzen vermieden werden.
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Duden - Das Bedeutungswörterbuch. 3. Aufl. Mannheim 2002
221
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Anforderungen an den Kalkulationsnachweis bei Mehrkostenansprüchen im Bauwesen
Ein Bieter bei einer öffentlichen Ausschreibung muss davon ausgehen, dass die Anfrageunterlagen
Treu und Glauben (§ 242 BOB) sowie den Vorgaben des § 7 VOB/A entsprechen. Dabei muss der
Bieter seinen Prüflings- und Hinweisobliegenheiten nachkommen. Bei erkennbaren Widersprüchen
muss er eine technische Anfrage zur eindeutigen Klärung an den Ausschreibenden stellen.
11.3
Preisermittlungsgrundlage für die Preisblätter
Im Vergabehandbuch des Bundes (VHB), neueste Fassung Mai 2010, werden verschiedene
Preisblätter zur Angebotsabgabe eines Bieters einer öffentlichen Ausschreibung gefordert:
•
•
•
221 Preisermittlung bei Zuschlagskalkulation
222 Preisermittlung bei Kalkulation über die Endsumme
223 Aufgliederung der Einheitspreise
Die vorgenannten Preisblätter ersetzen seit 2008 die Einheitlichen Formblätter (EFB) l a, Ib und 2
und wurden inhaltlich geändert und erweitert. Sie dienen dem Ausschreibenden bei der Wertung und
dem Vergleich der Angebotspreise der Anbieter. Sie werden nicht Vertragsbestandteil. Einzig und
allein gilt die Preisermittlungsgrundlage (Urkalkulation) des Bieters. Sollte diese nicht schlüssig sein,
so kann der Ausschreibende die für ihn schlüssigere Variante (Preisblätter oder Urkalkulation) wählen.2
Die Deutsche Bahn hat gemeinsam mit Herrn Prof. Dr.-Ing. Ralf Schottke von 2002 bis 2005 das
ANKE-System entwickelt. ANKE steht für „Einheitliche Auftrags- und Nachtragskalkulation", das
seit 2005 eingesetzt wird. Nachfolgende Formblätter für die Kalkulation sind verbindlich:
•
•
•
•
•
202.030.2V95
202.030.2V100
202.030.2V110
202.030.2V115
202.030.2V120
Kalkulationsschlussblatt
Aufgliederung der Einheitspreise (ggf. gleichwertiger Ersatz)
Kalkulationsmittellohn
Geräteliste (Leistungsgeräte)
Geräteliste (Bereitstellungsgeräte)
Entgegen den oben aufgeführten Preisblättern des VHB erfolgen in den Vordrucken der Deutschen
Bahn detaillierte Abfragen über die Kostenverteilung der Baustellengemeinkosten:
•
•
•
•
Einmalige Kosten
Mengenabhängige Kosten
Zeitabhängige Kosten
Umsatzabhängige Kosten
Weiterhin werden Angaben über die Kostenansätze für Leistungs- und Bereitstellungsgeräte gefordert.
Für private Auftraggeber gilt grundsätzlich das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), das keine Vorgaben
über die Zusammensetzung und Darstellung einer Angebotssumme enthält.
Die Preisermittlungsgrundlage ist Spiegelbild der auszufüllenden Preisblätter. Je nach potentiellem
Auftraggeber hat der Bieter zur Wertung seines Angebotes ggf. geforderte Preisvordrucke vor
Auftragserteilung abzugeben.
" Vgl. Aßmann, Marc: EFB-Preisangaben-Behördliche Grundlage zur Bestimmung von Nachtragspreisen?, DENAK. Naturwcrkstcin-Forum 20
Medicnbüro Robert Mächte!, Uttenreuth 2008
222
Anforderungen an den Kalkulationsnachweis bei Mehrkostenansprüchen im Bauwesen
11.4
Mehrkostenansprüche im Bauvertrag
Der Auftragnehmer ist in der Bieterphase von mangelfreien Anfrageunterlagen ausgegangen. Seine
Kalkulation stellt sein vertragliches Leistungssoll dar. Er schuldet ein funktionstaugliches Werk. Um
dies zu erreichen, muss er seine vertraglichen Leistungsvorgaben seines Auftraggebers sorgfältig
prüfen. Bei Unklarheiten vom Leistungssoll soll er zur Aufklärung beitragen. Nachfolgend werden
die üblichen Einflüsse aufgezeigt, die zu Mehrkostenforderungen im VOB-Vertrag berechtigen
können und die auf der Preisermittlungsgrundlage aufzubauen sind. Die spezifischen Anforderungen
und die Umsetzung der VOB/B Paragrafen werden vorausgesetzt.
Mengenmehrungen und Mengenminderungen
Im VOB-Vertrag werden Mengenänderungen gemäß § 2 Abs. 3 VOB/B behandelt. Dabei ist zu
prüfen, ob es sich tatsächlich um Mengenänderungen vom Leistungssoll oder um zusätzliche
Leistungen handelt. Der Auftragnehmer darf in der Angebotspreisbildung spekulative Annahmen
treffen. Der daraus erwachsende Verlust oder Gewinn fällt in die Risikosphäre des Auftragnehmers.
Es gilt hier immer noch der Grundsatz für die ausgeschriebenen Mengenvordersätze „Guter Preis
bleibt guter Preis und schlechter Preis bleibt schlechter Preis". Bietet der Auftragnehmer einen
Wucherpreis an, so steht dem Auftraggeber eine Preisanpassung auf einen marktüblichen Preis zu.
Bei Mengenabweichungen +/- 10 % ist eine Preisanpassung einer einzelnen Ordnungszahl nicht zu
empfehlen. Besser ist es hier, eine Ausgleichsberechnung mit den auszuführenden Mengen vorzunehmen. Diese berücksichtigt Mengenmehrungen und Mengenminderungen sowie entfallende und
zusätzliche Leistungen in allen Ordnungszahlen zur Sicherung des Deckungsbeitrages.
Geänderte Leistungen
Im VOB-Vertrag werden geänderte Leistungen gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B behandelt. Der Grat
zwischen geänderten und zusätzlichen Leistungen ist schmal. Eine Vertragsanalyse des Leistungssolls
empfiehlt sich daher regelmäßig, um eine eindeutige Zuordnung vornehmen zu können.
Bei geänderten Leistungen bleiben die Kostenelemente, die keiner Änderung bedürfen, unverändert.
Es müssen die tatsächlichen Kostenanteile in einer Ordnungszahl, die geändert werden sollen,
ersichtlich sein. Die Darlegung der Kostenverteilung einer Ordnungszahl ist damit schlüssig und
erfüllt die Anforderungen an die Vergleichsrechnung. Der neue Preis muss unter Berücksichtigung
sämtlicher Mehr- und Minderkosten ermittelt werden, um den höchstrichterlichen Ansprüchen
gerecht zu werden.
Zusätzliche Leistungen
Im VOB-Vertrag werden zusätzliche Leistungen gemäß § 2 Abs. 6 VOB/B behandelt. Mit der
Beauftragung der VOB/B wird die VOB/C ebenfalls Vertragsbestandteil. Das Leistungssoll beinhaltet
daher alle Nebenleistungen. Besondere Leistungen stellen zusätzliche Leistungen dar, für die dem
Auftragnehmer ein monetärer Ausgleich zusteht.
Zusätzliche Leistungen müssen denklogisch zwingend eine Mehrleistung gegenüber dem
vertraglichen Leistungssoll darstellen.
223
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Anforderungen an den Kalkulationsnachweis bei Mehrkostenansprüchen im Bauwesen
Störungseinflüsse im Projektablauf
Im VOB-Vertrag werden Behinderungen und Unterbrechungen gemäß § 6 VOB[SA1]/B behandelt.
Störungen werden grundsätzlich in Eigenstörungen und Fremdstörungen unterschieden. Eigenstörungen müssen bei der Berechnung von Mehrkostenansprüchen vom Auftragnehmer angesetzt
werden. Bei komplexen Bauzeit-Sachverhalten empfiehlt Herr RA Prof. Dr. Ralf Leinemann3,
folgende chronologische Reihenfolge einzuhalten:
bei der Vereinbarung von Nachträgen stets bauzeitliche Folgen und Kosten vorzubehalten
•
Plausibilitätskontrolle anhand des Ist-Ablaufes vorzunehmen
•
Störungssachverhalte so einfach wie möglich darzustellen
•
immer ausnahmslos Behinderungsanzeigen an den Auftraggeber zu senden
•
Mehrkostenangebot
Treffen die vorgenannten Punkte zu, so erstellt der Auftragnehmer in der Praxis ein entsprechendes
Mehrkostenangebot (Nachtrag) gemäß § 2[SA2][SA3] VOB/B an seinen Vertragspartner. Bei geänderten und zusätzlichen Leistungen sollten die Ausschreibungsunterlagen vom Auftragnehmer von
seinem Auftraggeber zur Kalkulation abgefordert werden. Die Bereitstellung der Ausschreibungsunterlagen für das ergänzende Leistungssoll fällt grundsätzlich in die Obliegenheitspflicht und
Planiingsverantwortung des Auftraggebers, außer er beauftragt seinen Auftragnehmer mit der Ausarbeitung der Vergütungspflichtigen Ausschreibung.
Im baubetrieblichen Alltag kommt es zu zwei Sachverhalten. Entweder die Nachtragsvereinbarung
erfolgt vor Beginn der Leistungserbringung (ex-ante-Nachtrag) oder aber während bzw. nach der
Ausführung der Leistung (ex-post-Nachtrag). Die zweite Variante ist nicht im Sinne der VOB. Eine
Nachweisführung von Ist-Kosten ist nicht zulässig. Es gilt die zwischen den Vertragsparteien
vereinbarte Preisermittlungsgmndlage, die fortzuschreiben ist.
Das Mehrkostenangebot sollte die Anspruchsvoraussetzung, Anspruchsgrundlage und
Anspruchsbeschreibung je Sachvcrhalt begründen sowie das ursprüngliche Leistungssoll mit dem
modifizierten Leistungssoll vergleichbar aufzeigen.
11.5
Fazit
Der Auftraggeber erstellt seine Ausschreibungsunterlagen entweder als funktionale Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm nach § 9 Nr. 15ff. VOB/A oder als detaillierte Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis gemäß § 9 Nr. 11 ff. VOB/A.
Vergleicht man die geplanten Planungs- und Ausführungsprozesse mit der Realität, so verändert sich
häufig das vertragliche Leistungsgefüge gegenüber dem vertraglichen Leistungssoll mit Einfluss auf
die Vertragspreise.
Der Auftraggeber kann grundsätzlich nach § l Abs. 3 oder 4 VOB/B das Leistungssoll anpassen. Der
Auftragnehmer ist immer vorleistungspflichtig für sein Leistungssoll. Beauftragt der Auftraggeber
Mehrkosten nur dem Grunde nach, so bleibt die Vergütungshöhe erst einmal ungeklärt. Dem
Auftragnehmer steht in diesem Falle ein monetärer Anspruch zu.
Vgl. Lcincmann, NZBau 2009, 563; NZBau 2009, 624
224
Anforderungen an den Kalkulationsnachweis bei Mehrkostenansprüchen im Bauwesen
:
Die Planungsverantwortung für die Leistutigsänderung liegt grundsätzlich beim Auftraggeber, da die
ursprüngliche Planung aus seiner Sphäre kommt. Er hat seinem Auftragnehmer daher die
geänderte/zusätzliche Leistungsbeschreibung zur Angebotsunterbreitung auszuarbeiten und zuzustellen.
Mit der Kooperationspflicht beider Vertragspartner wird ein erforderliches Vertrauensverhältnis
gewahrt. Die Vertragsgestaltung und Vertragsabwicklung steht im beiderseitigen Interesse - beide
vertrauen auf Kooperation und Transparenz.
Mehrkostenforderungen müssen immer dezidiert aufgeschlüsselt und auf Grundlage der Preisermittlungsgrundlage aufgestellt werden.
Der Auftragnehmer hat nur in besonderen Fällen ein Leistungsverweigerungsrecht. Für die dem
Grunde nach beauftragten Leistungen steht ihm dieses jedoch nicht zu. Eine Einstellung seiner
Arbeiten, um eine Mehrkostenforderung durchzusetzen, entspricht regelmäßig einer Verletzung der
vereinbarten Koopcrationspflicht. Will der Auftragnehmer eine Leistungsverweigerung vornehmen,
so empfiehlt sich vorher ausnahmslos die Einschaltung eines Fachanwaltes für Bau- und
Architektenrecht.
Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass die Preisermittlungsgrundlage das A und O in der Durchsetzung
von berechtigten Mehrkostenforderungen ist. Ist diese plausibel und nachvollziehbar für beide
Vertragsparteien vorhanden, können Unstimmigkeiten und lange Diskussionen im Keim erstickt
werden.
Literatur
[1]
Duden - Das Bedeutungswörterbuch, Dudenredaktion/Bibliographisches Institut & F. A.
Brockhaus AG (Hrsg.), 3., neu bearbeitete und erweiterte Aufl., Mannheim: Duden, 2002
[2]
Naturwerkstein-Forum 2008, Deutsche Naturstein Akademie, DENAK (Hrsg.), Uttenreuth:
Medienbüro Robert Mächtel, 2008
[3]
NZBau - Neue Zeitschrift für Baurecht und Vergaberccht, München: C.H. Beck oHG; 2009
[4]
VOB, DIN Deutsches Institut für Normung e. V. (Hrsg.), Vergabe- und Vertragsordnung für
Bauleistungen, Ausgabe 2009, Berlin: Beuth, 2010
[5]
BGB, Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002
(BGB1. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), das zuletzt durch Artikel l des Gesetzes vom 29. Juni
2011 (BGB1. I S. 1306) geändert worden ist
[6]
VHB, Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Vergabe- und
Vertragshandbuch für die Baumaßnahmen des Bundes, Ausgabe 2008, Stand Mai 2010,
<http://www.bmvbs.de/SharedDocs/DE/Artikel/B/vergabe-und-vertragshandbuch-fuer-diebaumassnahmen-des-bundes-vhb-2008.html>, Abruf vom 09.02.2012
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