Artikel runterladen - transfer Zeitschrift

Werbung
04/2011 |
transferWerbeforschung & Praxis
SERVICE
65
forschung aus aller welt | forschung aus aller welt | forschung aus aller welt | forschung aus aller welt | forschung
Ich, Du, Er, Sie, Wir – Konsumentenverhalten
zwischen Ego, Freundschaft und sozialer
Erwünschtheit
PD Dr. Andreas Strebinger
Associate Professor an der
School of Administrative
Studies der York University in
Toronto
✉ [email protected]
Immer mehr Marken entdecken das Ich der Konsumenten als zentrale Möglichkeit der Differenzierung – und das nicht erst seit „i“ – Phones, Pods, Pads
& Co. Auch die akademische Forschung hat sich in den letzten Jahren verstärkt mit dem Käufer-Ego beschäftigt. Aber was bedeutet „Ich-Orientierung“
eigentlich und was passiert, wenn alle Marken nur mehr ich-orientiert positioniert werden? Und wo bleiben das Du und das Wir? Welche Rolle spielt dabei
das Geschlecht des Konsumenten? Ein lose zusammenhängender Streifzug
durch einige jüngere akademische Befunde ...
Das Ich des Konsumenten – eine unerschöpfliche
Quelle für Markendifferenzierung?
Ein Forscherteam um Alexander Chernev (Northwestern
University) machte jüngst im Journal of Marketing (MaiAusgabe) auf die Gefahren aufmerksam, die entstehen können, wenn nun alle Marken versuchen, sich rund um
Lifestyle und Identität des Konsumenten zu positionieren. In
fünf klug gestalteteten Laborexperimenten weisen sie nach,
dass das Bedürfnis des Konsumenten, sich selbst über
Marken auszudrücken, endlich ist und nicht nur durch
Marken befriedigt wird. Zunächst einmal zeigen sie auf kreative Weise, dass Lifestyle-Marken tatsächlich das Bedürfnis,
sich selbst auszudrücken, stillen. Gibt man einer Gruppe von
Testpersonen Gelegenheit, ihre Identität durch Beurteilung
der Ich-Nähe einer Vielzahl von Marken auszudrücken, und
bittet sie anschließend, sich selbst als Strichmännchen zu
zeichnen, zeichnen sich die Probanden dieser Gruppe nicht
etwa größer, sondern signifikant kleiner als eine Kontrollgruppe mit anderer vorangehender Aufgabe. Mit anderen
Worten: Ihr Ego ist befriedigt!
Dies führt dazu, wie die Forscher zeigen, dass eine vorangehende Wahl zwischen Lifestyle-Marken in einer Produktkategorie die Ich-Nähe der Marken in einer nachfolgenden
Markenwahl einer anderen Produktkategorie weniger wichtig macht. Lifestyle-Marken werden auch dann weniger
attraktiv, wenn man zuvor die eigene Persönlichkeit über
Lieblingssportteams, -musik, -popstars, -filme etc. oder
auch durch das individuelle Designen eines T-Shirts zum
Ausdruck bringen konnte. Das drückt sich – zumindest in
Laborexperimenten – auch in Preisbereitschaften aus.
ProbandInnen, welche zuvor ihren Wunsch nach Selbstausdruck sättigen konnten, gaben beispielsweise danach im
transfer Werbeforschung & Praxis, 57 (4), 65-68
Durchschnitt eine 20 Prozent geringere Preisbereitschaft für
ihre Lieblingssonnenbrillen-Marke an als ProbandInnen,
welche das nicht konnten. Umgekehrt steigt das Bedürfnis
nach Lifestyle-Marken, wenn das Ego zuvor durch ein
negatives Feedback eine Delle erhalten hat.
Die Forscher mahnen daher, dass eine emotionale
Markendifferenzierung über Ich-Nähe zwar die Austauschbarkeit mit Produkten der eigenen Produktkategorie reduziert, man sich aber gleichzeitig in Konkurrenz zu einem
weitem Feld an Lifestyle-Marken und sogar Marken der
Unterhaltungsindustrie begibt.
Dagegen jedoch die gute Nachricht: Das Ich des Konsumenten hat mehr auschöpfbare Facetten als bloß den
„Lifestyle“, wie die folgende Studie zeigt.
„Mein Wille geschehe ...“ als generalisierte „IchOrientierung“
Bei vielen der „i“´s der heutigen Markenwelt könnte man
fast zu der Ansicht gelangen, dass es den KonsumentInnen
ausschliesslich um eine Apotheose des eigenen Egos per
Götzendienst („Apple Unser, ...“) geht (siehe dazu auch
„Gott, Mammon, Marke: Marken als Opium für die nichtreligiösen Massen?“ aus meiner Kolumne "Forschung aus
aller Welt" in der vorangegangenen Ausgabe von transfer).
Dem ist aber nicht so, wie eine Reihe von Experimenten
von Michal Maimaran (Northwestern University, Chicago)
und Itamar Simonson (Stanford University, Kalifornien) im
Journal of Marketing Research (August) zeigt. Denn: In
Wahrheit ist die Differenzierung des Ichs von anderen, welche für die Mehrheit in der westlichen Welt ein bedeutendes
Ziel ist, Teil einer allgemeineren, auch Ratio und
transferWerbeforschung & Praxis
66
SERVICE | 04/2011
forschung aus aller welt | forschung aus aller welt | forschung aus aller welt | forschung aus aller welt | forschung a
Sinneseindrücke umfassenden Individualität. Und so zeigen
sie, dass eine Aktivierung des Ichs vor Kaufentscheidungen
allgemein die Risikobereitschaft von Konsumenten
erhöht,
die Tendenz verringert, sich für Kompromisslösungen anstelle von Produkten mit klaren funktionalen
Vor- und Nachteilen zu entscheiden,
die Wahrscheinlichkeit von Käufen, welche die fünf
Sinne ansprechen, erhöht und
Marken mit hoher Qualität und hohem Preis gegenüber günstigeren Marken mit geringerer Qualität
begünstigt.
Gemeinsame Wurzel ist der eigene Wille, welcher in der
Kaufentscheidung verwirklicht wird – auch oder gerade mit
dem Effekt, das man von den durchschnittlichen Präferenzen
der breiten Masse abweicht. „Mein Wille geschehe ...“ als
Substrat eines generalisierten Dienstes am Ich. Daher, so zeigt
eines der Experimente, verschwinden alle oben genannten
Effekte stärkerer Individualität gleichermaßen wieder, wenn
man Konsumenten informiert, dass ihre (fiktiven) Kaufentscheidungen von der Allgemeinheit der Probanden einer anderen Studie kritisch unter die Lupe genommen würden.
Und natürlich ist es nicht immer der eigene Wille, der im
Produkt geschehen soll, wie einem bei der Geschenksuche
vor Weihnachten nachdrücklich bewusst wird.
Ich & Du: Was KonsumentInnen wichtig ist, wenn sie
für Freunde ein Geschenk designen
Dass es beim Geschenkeaussuchen nicht um den eigenen
Willen geht, ist einer der Faktoren, der Schenken so schwierig macht. Denn schließlich kennt man die eigenen Wünsche
und den eigenen Geschmack viel besser als selbst jene naher
Verwandter oder guter Freunde – von entfernten Verwandten
oder Freunden ganz zu schweigen. Ein anderer Unterschied
ist, dass es beim Schenken nicht nur der Wille ist, der für das
Werk zählt, sondern auch Aufwand und Mühe, welche im
Geschenk stecken. Frühere Forschung hat gezeigt, dass ein
Geschenk beim Beschenkten besser ankommt, wenn es sehr
mühevoll oder aufwändig war, es zu besorgen. Denn Mühe
und Aufwand stehen für das Ausmaß an Wertschätzung, welches der Schenker dem Beschenkten entgegenbringt.
Vielleicht ist das mit ein Grund, warum viele Unternehmen,
welche ihren Kunden online die Möglichkeit geben, etwas
(z. B. Schuhe, eine Handtasche) selbst zu designen, einen
großen Anteil ihres Jahresumsatzes in den Geschenkesaisonen machen. Denn beim Selbstdesignen steht hinter
dem persönlichen Geschenk auch erkennbare Mühe des
Schenkers. Und der ist beim Schenken positiv – während
viele Menschen, wenn es um Produkte für den Eigengebrauch geht, die Mühen des Selbstdesignens doch scheuen.
Die andere Besonderheit des Schenkens – man kennt die
Wünsche und den Geschmack des Beschenkten nicht so gut
– macht hingegen das Selbstdesignen eines Geschenks noch
schwieriger, als es für den Eigenbedarf ohnehin schon ist.
Denn – auch das kennen viele Unternehmen, welche ihren
Kunden die Möglichkeit zum Selbstdesignen geben: So
sehr das Selbstdesignen manchen Konsumenten Spaß
macht, so sehr sind viele von ihnen dann unangenehm überrascht, wenn die eigene Kreation per Post ins Haus kommt.
C. Page Moreau (University of Colorado) und KollegInnen
haben nun im Journal of Marketing (September 2011) in
zwei Studien untersucht, wie man die Schenker beim
Designen bestmöglich unterstützen kann. In einer der beiden Studien baten sie junge Frauen, auf einer Website eine
Handtasche entweder (a) als Geschenk für eine Freundin
oder (b) für sich selbst zu designen. Des Weiteren boten sie
einer zufällig ausgewählten Hälfte der Studienteilnehmerinnen extensiven Designsupport an, mit Online-Informationen bei jedem Schritt wie Schnitt der Tasche, Farben,
Muster etc. und sogar der Möglichkeit, nach Fertigstellung
der eigenen Kreation, aber vor Produktion, ein Feedback
von einem Designspezialisten der Marke zu erhalten. Die
andere Hälfte der Teilnehmerinnen erhielt keinen Designsupport. Umittelbar nach der Online-Kreation gaben die
Testpersonen an, wie hoch sie ihre eigenen Designkünste
einschätzten, wie unsicher sie beim Designen waren und
wie sehr sie erwarteten, dass sie (bzw. die Beschenkte) mit
der Tasche glücklich sein würden. Einige Wochen später
erhielten die Studienteilnehmerinnen dann tatsächlich (kostenlos) per Post die selbstdesignte Tasche und mussten
Fragen zur tatsächlichen Zufriedenheit sowie ihrer Preisbereitschaft (wenn sie die Tasche erwerben müssten) beantworten. In der zweiten Studie variierten die AutorInnen
experimentell die Marke des Unternehmens, welche für
eine Hälfte der Teilnehmerinnen eine sehr bekannte, prestigeträchtige Marke war, für die andere Hälfte eine unbekannte Marke. Des Weiteren maßen sie die Zeit, welche die
Teilnehmerinnen in das Designen der Tasche investierten.
Das Ergebnis: Wenn die Tasche für eine Freundin designt
wurde, senkte das Angebot von Design-Unterstützung die
Unsicherheit beim Designen signifikant, vor allem bei
jenen Konsumentinnen, welche ihre eigenen Designerfähigkeiten als niedrig einstuften. Gleichzeitig erhöhte sich
dadurch auch die Erwartung, dass das Produkt der
Beschenkten gefallen würde. Wurde die Tasche hingegen
für den Eigengebrauch gestaltet, hatte Design-Support keinen solchen Effekt. Die AutorInnen interpretieren das
dahingehend, dass Design-Support hauptsächlich über den
Geschmack von durchschnittlichen Käuferinnen Auskunft
gibt. Das wird beim Schenken als hilfreich erlebt, für den
Eigengebrauch jedoch nicht unbedingt. Und auch beim
Schenken war der Design-Support letztendlich nicht unbedingt erfolgreich. Denn als die Taschen dann tatsächlich bei
04/2011 |
transferWerbeforschung & Praxis
SERVICE
67
aus aller welt | forschung aus aller welt | forschung aus aller welt | forschung aus aller welt | forschung aus aller we
Abb. 1: Selbstdesignen eines Geschenks - Hilfe erwünscht!
geliefert werden, in welchem durch die Angabe des Namens
auf die besondere Hingabe hingewiesen wird, mit welcher
der Schenker das Produkt für den Beschenkten gestaltet hat.
Das gilt auch und gerade für individualisierte Produkte starker Marken. Dann zeigen sowohl Geld und Mühe dem
Beschenkten an, wie teuer und vor allem lieb er dem
Schenker ist.
In der nächsten Studie geht es mehr darum, wie teuer
Freunde sein können – diesmal vor allem für männliche
Konsumenten.
Ich, Du, Er, Sie, Wir? Wann “Mit-FreundenEinkaufen-Gehen” teuer wird …
Quelle: www.berlinbag.com; Abruf am 23.10.2011
ihren Schöpferinnen ankamen, erwiesen sich die durch den
Design-Support erhöhten Erwartungen als überhöht. Die enttäuschten Erwartungen schlugen sich in geringerer Zufriedenheit und auch geringerer (fiktiver) Preisbereitschaft für
ein mit Design-Support geschaffenes Geschenk nieder.
Ein etwas überraschendes Ergebnis erbrachte auch die
zweite Studie. Denn auch eine bekannte Marke ist beim
Schenken eines selbstdesignten Artikels nicht nur positiv.
Auf der einen Seite ist das Schenken einer bekannten, prestigeträchtigen Marke ein gutes Zeichen für die Wertschätzung für den Beschenkten. Anderseits führt es beim
Schenker auch zu der Befürchtung, dass ein gelungenes
Design vom Schenker nicht der Mühe des Schenkers, sondern der bekannten Marke zugerechnet wird. Und so hatte
die investierte Mühe nur bei jener Gruppe von Testpersonen, welche die Tasche von einer unbekannten Marke und
als Geschenk gestaltete, einen positiven Effekt auf die (fiktive) Zahlungsbereitschaft. Im Endeffekt äußerten die Testpersonen für ein selbstdesigntes Geschenk sogar eine höhere Zahlungsbereitschaft, wenn es sich um eine unbekannte
Marke handelte, als wenn es von einer bekannten Marke
kam. Bei einer Tasche für den Eigengebrauch bevorzugten
sie hingegen die bekannte Marke.
Als praktische Tipps empfehlen die Autorinnen den Unternehmen, welche individualisierte Produkte anbieten, gleich
zu Beginn des Designvorgangs zu erfassen, ob das Produkt
für den Eigengebrauch oder als Geschenk gestaltet wird,
und den Designvorgang dann unterschiedlich zu unterstützen. Zum Abbau kognitiver Dissonanzen und von Erwartungsenttäuschungen empfehlen sie, dem Schenker, der den
Designsupport in Anspruch genommen hat, durch eine zwischenzeitliche Email während des Produktionsprozesses zur
Kreation zu gratulieren. Ein Geschenk sollte schließlich
auch mit zusätzlichem Infomaterial (z. B. einem Sticker)
Shopping mit Freunden macht vielen mehr Spaß – aber ist
das ein teurer Spaß? Didem Kurt (University of Pittsburgh)
und Kollegen untersuchten in der August-Ausgabe des
Journal of Marketing Research, ob Menschen, die mit
einem Freund einkaufen gehen, mehr ausgeben, als wenn
sie alleine einkaufen. In zwei Studien befragten sie
KonsumentInnen in Shopping Malls in den USA und der
Türkei vor und nach dem Einkaufen nach ihren geplanten
und tatsächlichen Ausgaben und hielten auch fest, ob und
von wem der Konsument begleitet wurde. Des Weitereren
führten sie eine Reihe von Experimente mit U.S.
StudentInnen durch. In einem davon schufen sie beispielsweise einen “neuen Freund” (in Wahrheit ein Mitglied des
Forscherteams), der bei einer ersten Studio-Befragung
anwesend war. Die Befragung wurde unter einem Vorwand
unterbrochen, um den beiden genügend Zeit zu geben, sich
anzufreunden. Ein paar Tage später wurden dieselben
Probanden gebeten, in einem bestimmten Geschäft einen
Einkauf durchzuführen, für welchen ihnen die Untersuchungsleiter Geld zur Verfügung stellten. Einen nicht verwendeten Rest durften die Probanden behalten. Im Geschäft
trafen sie dann „zufällig“ auf jenen Mitstudenten, mit dem
sie sich bei der ersten Untersuchung angefreundet hatten
und welcher angeblich gerade die gleiche Aufgabe zu erledigen hatte. Ein weiterer, unauffälliger Beobachter hielt
fest, wieviel die Testperson ausgab und wie viel sie vom zur
Verfügung gestellten Budget sparte. Alle Untersuchungen
verwendeten nur Fälle, in denen entweder kein oder genau
ein (alter oder neuer) Freund anwesend war, nicht aber
Shopping im Rudel oder mit Partner/in.
Unabhängig von der Untersuchungsweise und -ort zeigten
die Ergebnisse, dass Einkaufen mit Freunden vor allem für
Männer teurer wird:
Sie geben, wenn ein Freund dabei ist, signifikant
mehr Geld aus. Für Frauen gilt das nicht.
Das liegt, wie spezielle Untersuchungs- und
Auswertungsmethoden zeigen, daran, dass Männer
im Durchschnitt eine stärkere „Ich“-Orientierung
transferWerbeforschung & Praxis
68
SERVICE | 04/2011
forschung aus aller welt | forschung aus aller welt | forschung aus aller welt | forschung aus aller welt | forschung
(„Agency Orientation“) haben, während Ich & Du
(d. h. Einkauf mit einem Freund) bei Frauen eher
eine „Wir“-Orientierung aktiviert. Er neigt dann im
Durchschnitt eher zu teureren Käufen, während sie
im Sinne von Harmonie und Kooperation von
Prestigekäufen im Durchschnitt eher Abstand nimmt.
Ausnahmen bestätigen die Regel.
Dieser Effekt ist unabhängig davon, ob der begleitende Freund vom selben oder anderen Geschlecht ist –
das männliche Ego kommt also nicht nur zum Vorschein, wenn es darum geht, eine weibliche Begleitung zu beeindrucken.
Wer jetzt allerdings meint, dass nur Männer bei
Anwesenheit eines Freundes ihrem Ego fröhnen, liegt wohl
falsch. Auch bei ihr kann die Anpassung der Ausgaben
einen „strategischen Charakter“ haben, wie Wissenschafter
beschönigend für Selbstdarstellung sagen. Das zeigt sich
am Einfluss eines weiteren Faktors, den die Experimente
nachweisen: der Tendenz zu Selbstüberwachung („SelfMonitoring“). Menschen haben eine mehr oder weniger
stark ausgeprägte Tendenz, ihr Verhalten an ihre soziale
Umgebung anzupassen. Manche tun, was in der augenblicklichen Ungebung gerade opportun ist, um den besten
Eindruck zu hinterlassen („starke Selbstüberwacher“), während andere recht unbeeindruckt vom sozialen Rundherum
entsprechend ihrer wahren Persönlichkeit und Werthaltungen handeln („schwache Selbstüberwacher“). Starke Selbstüberwacher gibt es gleichermaßen bei Frauen wie Männern.
Allerdings verstärkt sich der Einfluss durch die Anwesenheit eines Freundes bei ihnen noch, d. h., starke Selbstüberwacher unter den Männern geben bei Anwesenheit eines
Freundes noch mehr aus, während starke Selbstüberwacherinnen bei Anwesenheit eines Freundes sogar weniger ausgeben als wenn sie alleine shoppen gehen.
Dieser Befund deutet bereits darauf hin, dass das Wir, welches die Anwesenheit eines Freundes bei Frauen bewirkt,
nicht nur als Gefühl, sondern auch als sozial erwünscht
erlebt wird. Und auch durch ostentative Einkaufszurückhaltung unterstrichen werden kann. Noch deutlicher zeigt
sich der strategische Charakter der weiblichen Anpassung
an die Anwesenheit eines Freundes, wenn es um wohltätige
Spenden geht. Die ForscherInnnen baten dazu StudentInnen
in ein Teststudio. Die Hälfte nahm an der Befragung alleine
teil, die andere Hälfte wurde gebeten, einen Freund mitzubringen und führte die Befragung in Anwesenheit des
Freundes durch. Als Dankeschön für die Teilnahme an der
Befragung erhielten die Probanden 50 Dollar, welche sie
Abb. 2: Männer geben beim Einkaufen mit Freunden
mehr aus als beim Einkauf alleine.
Quelle: © Peter Atkins - Fotolia.com
nach Belieben ganz oder teilweise behalten oder aber auch
an ausgewählte karitative Organisationen spenden durften.
Resultat: Eine hohe Wir-Orientierung bewirkt, dass bei
Anwesenheit eines Freundes signifikant mehr gespendet
wird, jedoch nur bei starker Selbstüberwachungstendenz.
Ist hingegen niemand anwesend, den man kennt, reduziert
eine Kombination aus hoher Wir-Orientierung und starker
Selbstüberwachungstendenz den Spendenbetrag – und zwar
sogar noch unter den Betrag von „Ich“-Orientierten. Und so
erscheint das schöne, auf Harmonie und Gleichheit ausgerichtete „Wir“-Verhalten, das Freunde im Durchschnitt bei
Frauen auslösen, bei manchen Frauen dann doch wieder als
strategische Selbstdarstellung, welche kompensiert wird,
sobald man alleine ist.
Männer, welche mit Freunden einkaufen gehen, sind nach
Ansicht der Autoren eine von Einkaufszentren noch zu wenig
erschlossene Einnahmequelle. Sie schlagen daher beispielsweise Einkaufszentren oder Bekleidungsketten vor, „Freundschaftsdeals“ anzubieten, gezielt mit Fokus auf männliche
Kunden. Die dabei gewährten Rabatte könnten durch die
Mehrausgaben, zu denen sich Männer in Anwesenheit von
Freunden hinreißen lassen, wieder wettgemacht werden. Wie
realistisch das ist, wäre wohl lohnendes Untersuchungsziel für
weitere Studien (Journal of Marketing, 75, May und September 2011; Journal of Marketing Research, 48, August 2011).
Herunterladen