Manuskript

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SWR2 Musikstunde mit Antonie von Schönfeld
"Be welcome then, great Sir" (4)
Henry Purcell zum 350. Geburtstag
Sendung:
5. November 2009, 9.05 – 10.00 Uhr
Redaktion:
Ulla Zierau
Manuskript
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Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt.
Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung
des Urhebers bzw. des SWR.
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Telefonnummer 07221 / 929-6030
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Musikstunde mit Antonie v. Schönfeld
SWR2
Donnerstag, 5. November 2009, 9.05-10.00
„Be welcome then, great Sir“ - Henry Purcell zum 350. Geburtstag
IV. Music for a while - zwischen Königshof und freiem Markt
Ein Purcell-Tag lässt sich auf unterschiedlichste Weise gestalten:
Man könnte ihn mit einem Anthem beginnen,
-am Vormittag eine Ode auf die heilige Cäcilie, die Schutzpatronin der Musik
- Hail, bright Cecilia! - (auf ihn muß sie besonders geachtet haben!),
zum Lunch ein bisschen Instrumentalmusik, -vielleicht aus den Theater-Suiten,
der Indian Queen, King Arthur…
- am Nachmittag eine Auswahl an Liedern (Music for a while), gesungen unbedingt
von einer klaren Stimme, (am liebsten englisch..), - dann vielleicht noch von zwei,
drei aus den vierstimmigen Sonatas,
- und abends in die Oper! - The Fairy Queen? Oder Dido and Aeneas? –
Und danach, als Betthupferl noch eine Preziose:
-Vielleicht... noch einmal ein Altsolo mit anschließendem Ritornell,
Be welcome then, great sir.
Oder nein!: Etwas Leichtes und doch Wärmendes, das nahegeht und mit unter die
Decke schlüpft... Now that the Sun hath veil´d his light, eine Abend-Hymne:
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Musik 1
Henry Purcell
4´15 <15>
Now that the Sun hath veil´d his light
An Evening Hymn
Hannah Morrison, Sopran
Les Arts Florissants
Ltg. William Christie
Virgin 0946 3 95144 2 7, LC 7873
Now that the Sun hath veil´d his light - eine Abend-Hymne,
gesungen am Musikstunden-Morgen von Hannah Morrison,
begleitet von William Christie.
Henry Purcell wurde nur 36 Jahre alt, im London des ausgehenden 17. Jahrhunderts
führte er ein Leben, das von Musik geprägt war:
Von den ersten Proben des Chorknaben über seine Jahre als Hoforganist und
Hofkomponist bis hin zu den großen Bühnenerfolgen: Musik war sein Job!
-Und so wie sie sich anhört war sie vermutlich auch seine Leidenschaft.
-Wenn man überschlägt, wie viele Werke Purcell in den etwa 17, 18 Jahren, während
deren er komponierte, schrieb, dann kommt man auf rund 1000 Kompositionen, ein
beeindruckend großes Oeuvre, dazu breitgefächert und vielseitig: Instrumentalmusik,
Vokalmusik, geistliche Werke - weltliche Werke, Kirche, Kammer, Theater, ja, sogar
für die Männerrunde in der Kneipe hat er geschrieben.
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Es ist einfach so: Auch eine 5-stündige Musikstunden-Woche kann da nur ein
Streiflicht sein:
Der große englische Musikhistoriker Charles Burney beschreibt das eleganter:
„He was superior to all his predecessors,
that his compositions seemed to speak a new language;
yet, however different...it was universally understood.“
Er war allen seinen Vorgängern überlegen,
seine Musik schien eine neue Sprache zu sprechen,
die allerdings - wie anders sie auch sein mochte
- von jedem verstanden wurde.
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Musik 2
Henry Purcell
2´37 <48>
Staircase Overture B-dur
The Parley of Instruments Renaissance Violin Band
Ltg. Peter Holman
CDA 66667, LC 7533
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The Staircase Overture von Henry Purcell,
gespielt von The Parley of Instruments Renaissance Violin Band
unter der Leitung von Peter Holman.
(Ihren Namen übrigens - Treppen-Ouvertüre - erhielt diese Musik vermutlich wegen
des stufenweise ansteigenden Motivs zu Beginn des Stücks.)
Es läßt sich gut durch Purcells Zeitgeschichte gehen, ihn biographisch begleiten
(auch wenn wir nur sehr wenig über sein Privatleben wissen) und parallel dazu seine
Musik vorstellen, denn hier gibt es durchaus kausale Zusammenhänge:
Wer aus dem Hause Stuart gerade dass Szepter in der Hand hält, bestimmt, was
musikalisch bei Hofe in Mode ist und welchem Genre sich entsprechend der
Hofkomponist gerade hauptsächlich zuwendet. - Und ob es überhaupt einen
Schwerpunkt` Hofmusik´ gibt oder ob sich der Musiker - mangels Arbeit - anderweitig
orientieren muß.
Henry Purcell bleibt dem englischen Königshof Zeit seines Lebens verbunden und
schreibt für ihn Musik, mal mehr, mal weniger:
Die drei Könige - mitsamt der einen mitregierenden Königin -, zeigen
unterschiedliche Neigung zu dieser Muse und jeder hatte einen anderen Geschmack:
Charles II., der König der Restauration, liebte die französische Musik und hörte ihren
Gestus gerne auch in den neuen, englischen Kompositionen. Unter ihm lernte Henry
Purcell sein Handwerk, für ihn schrieb der junge Musiker einen Großteil seiner
geistlichen Musik, vor allem Anthems für die Chapel Royal, und seine ersten
höfischen Festoden.
James II. war der Musik nicht so zugetan wie sein Bruder Charles, doch in kleinerem
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Maßstab führte er die Chapel weiter, James konnte sich vor allem für die
italienischen Tonmeister erwärmen, die seine Frau, eine gebürtige Italienerin, an die
katholische Kapelle holte.
Jetzt, mit der Glorious Revolution von 1688/1689, mit der gemeinsamen
Regentschaft von William von Oranien und Queen Mary, sollte sich die Situation bei
Hofe noch einmal verändern, politisch wie auch für den Bereich der Hofmusik.
Um das wichtigste vorwegzunehmen: Purcells Bande an den Hof, unter James schon
merklich gelockert, werden noch loser.
Die Krönung von König und Königin fand im April 1689 statt; über die Musik bei den
Feierlichkeiten heißt es lapidar:
„...die Krönung ihrer Majestäten wurde in Westminster zelebriert,
und das sehr in der Manier wie das vorige Mal.“
Das vorige Mal aber - die Krönung James II. nur vier Jahre zuvor -das vorige Mal war
es ein überaus prunkvolles Fest gewesen. Und auch jetzt findet sich in den
Chroniken der Hinweis, dass zu diesem Anlaß für die gesamte Hofmusik - 37
Gentlemen der Chapel Royal waren für die Musik bei der Krönung zuständig scharlachrote Mäntel angefertigt werden sollten und scharlachrote Umhänge für die
Chorknaben.
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Musik 3
Henry Purcell
5´52 <17-19>
Symphony
(1´37)
Celebrate this festival
(1´31)
Britain now thy cares beguile
(2´35)
aus: Celebrate this festival
Ode for the Birthday of Queen Mary Z321 (1693)
Gillian Fisher, Tessa Bonner, Sopran
Choir of the King´s Consort
The King´s Consort
Ltg. Robert King
CDA 66412, LC 7533
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Celebrate this festival das war der Beginn einer Geburtstagsode auf Queen Mary,
komponiert von Henry Purcell.
Sie hörten die Soprane Gillian Fisher und Tessa Bonner
zusammen mit Chor und Ensemble The King´s Consort.
Geburtstagoden auf Queen Mary, -das wird eine der wenigen Konstanten, die Purcell
in den nächsten Jahren weiterhin für den Königshof komponiert:
Von 1689, dem Krönungsjahr des Königspaares, bis 1695 entstehen sechs große
Oden in Folge, jeweils musikalische Geburtstagsgaben für die Königin, die dem
Komponisten zusätzliches Einkommen beschert.
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- Bei der Krönung hatte Purcell sich ein kleines Zubrot anderer Art verdienen wollen:
Zu diesem Zweck hatte er - zusammen mit dem befreundeten Dekan von
Westminster - die Plätze auf der Orgelempore der Abbey auf eigene Rechnung
vermietet. Diese Einnahmen aber wollte das Königshaus im Staatssäckel sehen, das Geld musste also auf Heller und Pfennig zurückgezahlt werden und Purcell
konnte froh sein, dass es ihn nicht seinen Posten kostete. Zusätzliche Honorare konnte der Komponist jetzt brauchen, konnte eigentlich jeder
Musiker bei Hofe jetzt brauchen, denn die Situation veränderte sich: William läßt die
Hofmusik auf 24 Ausführende und den Aufseher über die königlichen Instrumente
verringern. Ihm sind vor allem die Trompeter, Trommler und Pfeifer wichtig, die
behält er in voller Besetzung, denn als Kriegsherr wollte der Monarch nach seinen
Feldzügen auf dem Kontinent bei seiner Heimkehr mit Militärmusik empfangen
werden.
So verdiente der neu eingeführte „Sergeant-Trumpeter“ denn auch mehr als doppelt
soviel wie die übrigen Musiker, und auch wenn Purcell sich weiter auf der offiziellen
Gehaltsliste fand - zusammen mit Größen wie John Bannister und John Blow, so gab
es doch deutlich weniger zu tun.
Anthems beispielsweise, die Gattung geistlicher Musik, mit der Purcell musikalisch
groß geworden war - in doppeltem Sinn: als Chorknabe und ausführender Musiker
wie als Komponist - Anthems für die Chapel Royal orderte der neue König so gut wie
gar nicht mehr.
Für Purcell ist es Zeit für eine Verlagerung seines Hauptarbeitsfeldes und es ist nur
von Vorteil, dass er seit bereits ein paar Jahren in der lebendigen Musikszene
Londons auch andere Projekte verfolgt und beispielsweise
kleine Szenen und Lieder veröffentlicht:
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Musik 4
Henry Purcell
2´52 <26>
See how the fading glories of the year Z 470
Barbara Bonney, Sopran
Michael George, Bass
The King´s Consort
Ltg. Robert King
CDA 66710, LC 7533
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See how the fading glories of the year put on a youthful smile...
Barbara Bonney und Michael George sangen ein Lied von Henry Purcell.
Purcell hatte diesen Song 1689 im dritten Buch der Sammlung Comes amoris
veröffentlicht und das Lied kam so gut an, dass es im Jahr darauf
wiederaufgenommen wurde im vierten Buch einer anderen Sammlung:
The Banquet of Musick.
- Und schließlich wurde es noch einmal gedruckt im berühmten Orpheus Britannicus,
der Sammlung mit Werken nur von Purcell, den Zeitgenossen nach dem Tod des
Komponisten herausgaben.
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-Zu Purcells Lebzeiten war das Verlagswesen erst im Entstehen begriffen:
Im Allgemeinen wurden nur solche Stücke gedruckt, die sich zum häuslichen
Musizieren anboten - und damit auch verkauften! -, also Lieder, Kanons, TrioSonaten und Musik für Tasteninstrumente und gerne mischten sich in einer Ausgabe
unterschiedliche Genres der verschiedenen Komponisten.
Diese Musik-Sammlungen tragen farbige Titel, sie heißen beispielsweise:
The Theatre of Music,
Apollo´s Banquet
The Book of the Pleasant Musical Companion,
The Banquet of Musick,
The Gentlemans Journal
und so weiter, und von vielen gibt es gleich mehrere Bände.
Purcell war hier gut vertreten und es finden sich darunter Kleinodien wie das
folgende Lied:
Let each gallant heart
Untouch´d with love´s dart,
Prepare for his secret alarms.
Laß jedes galante Herz,
Unberührt von der Liebe Pfeil,
Sich rüsten für heimlich´Alarm.
Die Botschaft des Gedichtes ist simpel genug: All jene, die noch nie eine unerwiderte
Liebe erlebt haben, sollen besser achtgeben: Denn wenn es geschieht, wird „warfare
of love“, die Kriegskunst der Liebe, sogar in Liebespein tausendmal mehr Zuckerl
und Wonnen verspüren lassen als „your dull peace before“, jener dumpfe Friede
davor.
Das Lied trällert zunächst sanft dahin, doch genau bei diesem Stichwort - „dull
peace“ - unterbricht Purcell den Wohlklang und verschiebt die Melodie mit Hilfe eines
Halbtonschritts in den blue-note-Bereich, den er den Sänger geradezu auskosten
läßt:
For the warfare of love
Yields a thousend times more
Sweets and delights than your dull peace before.
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Musik 5
Henry Purcell
1´48 <13>
Let each gallant heart Z 390 (1683)
James Bowman, Countertenor
The King´s Consort
Ltg. Robert King
CDA 66710, LC 7533
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- Da möchte man sich geradezu unglücklich verlieben, wenn das solche
Gefühle hervorbringt, solche Lieder...
Let each gallant heart - Henry Purcell gesungen von James Bowman.
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Purcell übrigens hatte Spaß auch an einfachen Kanons, an Catches - wenn eine
Stimme die andere fängt - und an Glees... beides englische Vokalmusik-Genres, die
im 17. Jahrhundert sehr beliebt waren und in geselliger Runde gesungen wurden:
Henry Purcell war schließlich auch ein immer noch junger Mann, der im lärmenden
London mit seinen Kollegen auch gerne auf ein Pint of beer in ein Kaffeehaus oder
den Pub gegangen sein wird. Und da war es dann durchaus üblich - wenn es etwas
beschwingter wurde - Lieder auch mit anzüglichen Themen anzustimmen,
beispielsweise einen Catch (also Kanon) wie
Sir Walter enjoying his damsel:
Wer sich hier an seiner Jungfer erfreut, dass ist Sir Walter Raleigh, der ein
notorischer Schürzenjäger gewesen sein muß, was wiederum gerne - in Spottversen
und Liedchen - thematisiert wurde.
Und die erwähnte Jungfer, das ist deutlich zu hören, - die erfreut sich auch:
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Musik 6
Henry Purcell
1´46 <10>
Sir Walter enjoying his damsel
The Hilliard Ensemble
Ltg. Paul Hillier
HMA 1951153, LC 7045
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Sir Walter enjoying his damsel - oder sollte es vielleicht andersherum heißen:
Sir Walter enjoyed by his damsel? Das Hilliard-Ensemble machte sich jedenfalls einen Spaß daraus!
Übrigens sollte man solche Catches nicht unterschätzen:
In der Musikwissenschaft ging man häufig davon aus, dass Catches und Glees für
Amateure gedacht waren, doch viele - gerade von Purcell - erfordern mit ihren
schnellen Wendungen und den Gesangslinien, die häufig durch zwei Oktaven laufen,
durchaus sängerische Erfahrung.
Peter Holman vermutet, dass solche Lieder für
„professionelle Musiker nach Dienstschluß“ geschrieben wurden,
vielleicht war manchmal das Notieren einer Idee, das Singen und anschließende
Leeren eines Pint-of-beer eins!
Und noch ein Lied, diesmal wieder in der seriösen Besetzung Stimme mit
instrumentaler Begleitung, - vom Thema her gleichwohl noch im Bereich jenes leicht
schlüpfrigen Genres, das - allegorisch gehandhabt - allerdings durchaus salonfähig
war:
When first Amintas sued for a kiss.
(Im übrigen dürfen wir uns nicht vertun: Wir befinden uns nicht im viktorianischen
England der Prüderie, sondern im ausgehenden 17. Jahrhundert, in dem es
durchaus offener zuging.)
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Der Hirte Amintas möchte seine Angebetete küssen - sie schickt ihn in die Wüste, doch ihre Augen haben sie verraten: my heart was won“.
Jetzt ist es zu spät - auch wenn sie noch die Kühle spielt:
Mein Herz war wie ein Schiff auf See,
schwankt´, wenn Amintas nah mir war.
Doch ein solch schlauer Lotse er war,
Durch Zweifel und Furcht - er segelt hindurch.
Und er schafft es dorthin, wo vor ihm keiner je gewesen:
Well might he boast his pain not lost,
For soon he found the golden coast.
Enjoyed the ore, and touched the shore
Where never merchant went before.
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Musik 7
Henry Purcell
2´01 <3>
When first Amintas sued for a kiss Z430
published: The Theatre of Music (1687)
Carolyn Sampson, Sopran
Laurence Cummings, Cembalo
Elizabeth Kenny, Erzlaute
Anne-Marie Lasla, Bass-Gambe
BIS-SACD1536, LC
Es klingt, als ob das Schreiben, das Vertonen solcher Zeilen schon Spaß gemacht
habe: -When first Amintas sued for a kiss
(und der Hirte bekommt seinen Kuss!) von Henry Purcell.
Carolyn Sampson interpretierte das Geschehen zusammen mit einem InstrumentalEnsemble.
Mit diesen Liedern sind wir in gewisser Weise längst im Theater, da, wo Purcell in
seinen letzten Jahren - wohlgemerkt: er ist zwischen Anfang und Mitte dreißig - den
Schwerpunkt seiner Arbeit legte.
Hier spielt der Komponist seinen ganzen Text-ausdeutenden Charme aus,
aus Liedern werden kleine Szenen, die den Hörer mit hinein nehmen in eine
Stimmung, eine Begegnung, ein Geschehen,
- Purcell ist ein Meister im Zaubern von Atmosphäre.
Auf die leichten, auf kokettes Liebesgetändel, versteht er sich genauso wie auf die
melancholischen, wehmütigen Gefühle, die er für das Theater in Musik setzt - Dido
und Aeneas ist hier wohl das prominenteste Beispiel - wie auch bei wirklichen
Traueranlässen, beispielsweise seine Trauermusik auf Queen Mary, die 1695 stirbt,
nur ein Jahr vor ihm selbst.
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Ein Hauch von Wehmut schwingt in vielen von Purcells Werken mit, in der
Tonsprache seiner Anthems genauso wie in den Oden, in den Liedern und
Instrumentalstücken, und gibt seiner Musik jene besondere Intensität,
das Berührende...., - vielleicht eben das „Orphische“, das Purcells Zeitgenossen
dazu bewegte, ihn den Orpheus Britannicus zu nennen.
Vermutlich im Jahr 1692 schreibt Purcell Musik zu einer Ko-Produktion der beiden
Autoren John Dryden and Nathaniel Nee, einer neuen Version der Oedipus-Tragödie
für die Londoner Bühne. -Von dieser Musik kennen wir heute vor allem ein Lied, das
immer noch bei Liederabenden zu hören ist:
Music for a while, ein Gesang, mit dem der Geist des toten König Laius
heraufbeschworen werden soll.
Purcell komponiert das Lied auf einen Ground, eine Bassformel, die durch das ganze
Stück hindurch wiederholt wird. Hier wählt Purcell eine einfache Bassfigur als
Ground, die arpeggien-artig aufsteigt und sich immerfort mit dem Tenor verzahnt:
Beide Melodiestränge bewegen sich in einer unvorhersehbaren Mischung aus
chromatischen und diatonischen Tonschritten allmählich immer höher und stehen so
für das Bild des toten Königs, wie er sich unaufhaltsam und gespenstisch erhebt,
während ihn gleichzeitig die Melodielinie mit einer Folge von sanft absteigenden
Phrasen beruhigt.
Music for a while
Shall all your cares beguile...
Musik soll für eine Weile all´ deine Kümmernisse vertreiben...
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Musik 8
Henry Purcell
4´32 <8>
Music for a while Z 583/2
Paul Agnew, Tenor
Anne-Marie Lasla, Bass-Viole
Elizabeth, Kenny Theorbe
Blandine Rannou, Cembalo
naive AM 185, LC ?
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Music for a while - aus Oedipus von 1692,
von Paul Agnew in einer neuen Aufnahme interpretiert zusammen mit
Anne-Marie Lasla, Bass-Viole, Elizabeth Kenny, Theorbe
und Blandine Rannou, Cembalo.
Im Jahr 1692 ist Henry Purcell seit gut zehn Jahren ein verheirateter Mann und
zusammen mit seiner Frau Frances lebt er das Leben einer jungen Familie
seiner Zeit:
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Der Druck des Auskommens, bessere und unsichere Zeiten, Kinder, die auf die Welt
kommen und manchmal nach nur wenigen Tagen sterben, immerhin aber auch das
Glück, drei Kinder aufwachsen zu sehen, Umzüge, Extraschichten, wenn eine Arbeit
zu einem festgelegten Termin fertig werden muß, usw.
-Manches davon ist uns auch heutzutage durchaus vertraut. Viel wissen wir nicht über Purcells Privatleben, seine Figur bleibt seltsam
schattenhaft, die wenigen Geschichten und Anekdoten, die überliefert sind, lassen
ihn sympathisch erscheinen und manchmal meint man, seine Musik lüfte hier und da
den Schleier um seine Persönlichkeit, - doch vielleicht war er einfach nur ein
brillianter Tonsetzer, dieser Genius von der Insel?, ein Tonsetzer, der feinfühlig und
gemütvoll schreiben konnte, raffiniert und durchdacht, witzig und warmherzig
- ohne es zu sein?
Doch glauben mögen wir das eigentlich nicht...
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Musik 9
Henry Purcell
4´19 <4>
The pale and the purple rose
aus: The Yorkshire Feast Song Z 333
James Bowman
The King´s Consort
Ltg. Robert King
CDA 66587, LC 7533
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Eine Begleitung, die sogar ohne Melodie noch funktioniert Henry Purcell - The pale and the purple rose aus dem Yorkshire Feast Song von
1690, gesungen von James Bowman.
Die Londoner Musikszene dieser Zeit ist im Umbruch begriffen, vor allem die
Hofmusiker müssen sich entscheiden, wie sie weiterhin ihr Geld verdienen wollen:
Die Sicherheit der königlichen Gehaltsliste - verglichen mit den 1670er, 1680er
Jahren - ist keine mehr. Das Orchester, die einst so berühmten Four-and- TwentyFiddlers, spielt noch die Geburtstags-Oden auf Queen Mary, wird unter King William
aber kaum mehr in seiner vollen Stärke eingesetzt, die Chapel Royal trocknet
geradezu aus und in dieser Zeit lohnt sich am Königshof eher das Erlernen von
Pfeife und Trommel als das Spielen der Violine.
Dafür aber entwickelt sich das öffentliche Musikleben und wird immer bunter:
Theatermanager wie William Davenant und Thomas Betterton eröffnen Bühnen für
jedermann, - vorausgesetzt, die Regierung hat dafür ihre Zustimmung gegeben, - sie
leiten Schauspieltruppen und sie brauchen dazu Musiker, denn der Engländer liebt
seit jeher seine ganz besondere Form des Sprechtheaters, zu der Musik einfach
dazu gehört!
Purcell wird in den folgenden Jahren ein geradezu atemloses Bühnenleben führen
mit dem Komponieren von King Arthur, der Fairy Queen, der Indian Queen (und all
der weniger bekannten Stücke) bis hin zu seinem fulminanten Meisterstück Dido and
Aeneas. -Doch die Bühnenmusik wird morgen in der Musikstunde Thema sein.
Heute reicht die Zeit gerade noch, um einen großen Bereich in Purcells
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freiberuflichem Leben wenigstens noch zu streifen, und zwar die Cäcilien-Oden, die
er im Auftrag der Londoner Musical Society schreibt, Aufträge, die der Komponist
vermutlich nicht nur wegen des Honorars annahm, sondern auch, weil sie ihm
Gelegenheit zur ganz großen Besetzung boten:
Die ambitionierte Musical Society musste nicht sparen und ließ sich das Lob auf die
Schutzpatronin der Musik etwas kosten:
Die Gentlemen Lovers of Music kündigen an:
„...eine prächtige Unterhaltung, die wie immer beginnt mit einer
musikalischen Aufführung mit den besten Sängern und Musikern
der Stadt!“
Hail, bright Cecilia!
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Musik 10
Henry Purcell
4´11 <13>
Hail, bright Cecilia
aus: Hail, bright Cecilia (1692)
The Choir of New College
The King´s Consort
Ltg. Robert King
CDA 66349, LC 7533
(Achtung, falls einblenden: bei 1´58-2´00 Zäsur)
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Alternative Musik 9 (falls bisschen kurz):
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Musik 9
Henry Purcell
4´40 <13>
Here the deities approve
aus: Welcome to all the pleasures Z 339
James Bowman
The King´s Consort
Ltg. Robert King
CDA 66314, LC 7533
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