Geisteswissenschaft Adrian Baumgartner Theologie und Gottwerdung bei Platon Studienarbeit Universität Freiburg, Platons Timaios, Vorlesung bei Filip Karfik, Arbeit von Adrian Baumgartner Die Theologie und Apotheose bei Platon im Timaios und anderen Dialogen Die vorliegende Arbeit hat zum Ziel, Platons Lehre von Gott genauer zu erfassen und ein Zusammenstellung seiner Theologie zu geben. Zudem untersuche ich Platons Verwirklichung der Gottähnlichkeit vertiefter. Thesen 1. Platons Theologie vertritt ein frommes, gutes, unveränderliches, unbestechliches, fürsorgliches, kosmisches, ideenähnliches Gottesbild. 2. Platon vertritt eine metaphysisch–mystische Religion. Als Grundlage ziehe ich hauptsächlich den „Dialog“ von Timaios, den Schöpfungsmythos von Platon, heran, lasse aber auch andere Werke von Platons theologischen Konzepten einfliessen, sofern diese meines Erachtens von Belang sind. Dabei werde ich zum besseren Verständnis die schwierige Stelle bei 41a7 (θεοι θεων) kurz erläutern. Der νους bezeichnet die menschliche Fähigkeit, etwas geistig zu erfassen, und ist die Instanz im Menschen, die für das Erkennen und Denken zuständig ist. Die Stellung des göttlichen νους zwischen den Seelen und dem intelligiblen Paradeigma (Urbild, Muster), nach dessen Modell der Demiurg (übersetzt Handwerker) das Weltall erschafft, steht im Fokus vorliegender Arbeit. Platon entwickelt in seinem Timaios eine erste umfassende Theorie des Kosmos. In der dazugehörenden teleologischen Theorie verknüpft er die Ideenlehre mit der Kosmologie und sucht eine transzendente Ursache, den Demiurgen für die Entstehung des Kosmos. Im ersten Teil der Arbeit lasse ich die Geschichte der griechischen Religion zu Wort kommen. Im zweiten Teil widme ich mich dem Timaios, im dritten Teil der Aptheose der Menschen und im vierten den Eigenschaften Gottes. I. Religionsgeschichtliches Umfeld Griechenlands zur Zeit der Entstehung des Timaios Vor Platons Schriften war die Theologie vor allem eine Sache der Dichter wie Homer und Hesiod. Sie hatten Gestalten umrissen; andere Dichter konnten nur noch Schattierungen weiterentwickeln. Zudem äusserten sich die Weisen wie Solon ausschliesslich in Form der Dichtkunst. Zu dieser Zeit wurden die Spielregeln der Kunst von allen Dichtern eingehalten. Doch dann kommt Platon und schreibt in Prosa ohne Schnörkel und Schönheit. In dieser Zeit schreitet der allgemeine Individualismus voran. 1 Universität Freiburg, Platons Timaios, Vorlesung bei Filip Karfik, Arbeit von Adrian Baumgartner Griechisches wird zum Vorbild. Erst mit dem Buch von Anaximander wird die Philosophie, wie wir sie heute kennen, geboren. Babylonier und Assyrer fokussierten sich mehr auf den Kosmos als der Anthropomorphismus Homers. Bei anderen Kulturen wird der Naturbezug der Griechen als absolut gesetzt. Homers Dichtung ist eher ein Kunststück, als eine sachliche Religion, wie sie Platon zu formulieren sucht. Die griechische Philosophie versucht die Dinge korrekt und in schlichter Form darzulegen. Die Aussagen haben der Logik zu entsprechen und überprüfbar zu sein. Allerdings übernehmen die griechischen Philosophen unreflektiert der poetischen Tradition, dass der Kosmos eine Ordnung ist sowie die Gesetzlichkeit der Physis wie die Form des Mythos für die Erzählung der Entstehung der Welt. Dies finden wir auch bei Platon. Auch homerische Eigenschaften der Göttlichkeit werden unreflektiert übernommen, so die Unendlichkeit, die Unsterblichkeit und die Allmacht. Demnach steht jenseits des Werdens das Göttliche, diesem unendlich überlegen. Alles Geschehen, auch das Übelste, lässt sich als gesetzlich verordnet begreifen und akzeptieren. Diese Haltung stellt die „Frömmigkeit“ bei Homer dar und ist von den souveränen, entrückten, menschenfernen Göttern gar nicht so fern. Homers Götter kümmern sich nicht um das Sterbliche. Das Vergehende bleibt im All aufgehoben. Platon stört diese gleichgültige Art der Götter und er versucht sie zu widerlegen. Xenophanes von Kolophon verbreitet seine philosophischen Thesen immer noch in dichterischer Form. “Einer ist Gott, unter Göttern und Menschen der Grösste”. „Der Grösste ist nicht allein“ (Burkert S. 456). Diese Aussage stellt noch keinen eindeutigen Monotheismus dar. Der Gott Xenophanes‘ ist weder an die Gestalt noch an den Ort gebunden, also unveränderlich und allgegenwärtig. Es ziemt dem Gott nicht, mal da oder dort zu sein. Was dem Gott bleibt, ist denkendes Erfassen, fern aller Mühe. Das entspricht eigentlich de Bwgriff νους Platons. Denken und Wirken wird zur Identität vereint, “kaum gedacht - schon getan”. Der Begriff des Geistes wird somit durch Xenophanes in die Religionsgeschichte eingeführt. Xenophanes und Heraklit kritisieren die Götterlehre und die Rituale mannigfach. Heraklit schafft durch seine feierliche Prosa die Grundlage, über Gott auch in Prosa sprechen zu dürfen. Alle menschlichen Gesetze nähren sich von dem Einen. Feuer gilt als höchste Kraft. Diese wird von Zeus gelenkt und kommt in Blitzform auf die Erde. So bleibt die Tradition der alten Götter erhalten. Als Gegner Heraklits entwickelt Parmenides mit einer neuartigen, konsequenten Denkart die Lehre vom reinen Sein; dies mit der sensationellen Folgerung, dass es Werden und Vergehen nicht geben kann. Dies kann die Götterlehre nicht ignorieren. Nun steht die Frage im Raum, ob Gott oder die Götter so fern sind, dass sie sich nicht um den Menschen kümmern. Oder kümmern sie sich doch? Nach diesen Zweifeln und Kritiken der Sophisten und Atheisten 2 Universität Freiburg, Platons Timaios, Vorlesung bei Filip Karfik, Arbeit von Adrian Baumgartner fällt die Götterlehre in eine Krise. Anstelle der gymnastischen Wettspiele wird dabei durch die Redekunst und das Streitgespräch eine neue Darlegung der Meinungen entwickelt. Auf der Strecke bleibt jedoch der Mythos. Jede Rede lässt sich nun widerlegen. Was zu einer allgemeinen Verunsicherung durch die “Aufklärung” führt. Dabei wird der Begriff des nomos (νόμος ist der griechische Terminus für Gesetz, aber auch für Brauch, Übereinkunft. Gemeint ist etwas, das bei allen Lebewesen Gültigkeit besitzt.) zunehmend wichtiger. Gesetze werden neu von Menschen erlassen, nicht mehr von Göttern. Gerechtigkeit ist eine Frage der willkürlichen Konvention und nicht der natürlichen Ordnung (Physis). Damit wird der Religion als Begründerin des nomos der Boden entzogen. Die Kritik an der Religion oder an Kulten wächst in dieser Zeit stark. Aus Hilflosigkeit nehmen Asebieprozesse (bedeutet „Gottlosigkeit", „Frevel gegen die Götter" oder „Unfrömmigkeit“) immer mehr zu. a. Die Rettung: Kosmosreligon und Metaphysik Der Zusammenbruch der Mythologie und der Autorität der Dichter bringt nicht das Ende der Religion. Der Begriff des “Gottgeziemenden” von Xenophanes ermöglicht mit der Frage nach Gott eine neue Art des Suchens und Experimentierens. Grossen Erfolg dabei hat die Idee der Pronoia (Vorsorge) und Providentia (Vorsehung). Demnach muss die Weltordnung von einer Vernunft gelenkt werden, die alles von Vornherein geplant hat. Zu dieser Ansicht führen einerseits die Naturbeobachtungen und andererseits die Überzeugung, dass sich Gott um die Menschen kümmern muss, da er so viele Pläne hat, wie das Universum verfolgt. Die neuen Spekulationen über Geist und Seele sowie die Verwandtschaft des Menschen mit den Tieren werden zukunftsweisend. Dadurch kommen sich Natürliches und Göttliches wieder näher. Durch die Allegorie bekommt auch die Mythologie eine neue Rolle. Bereits vor Platon bestehen Umrisse von Theologien (Xenophanes, Empedokles, Parmenides, Pythagoras, Orphiker), die respektiert werden müssen und die göttliche Allmacht, Vollkommenheit und Geistigkeit Gottes vertreten. b. Platon: Das Gute und die Seele In Platons Philosophie ist die Seele (ψυχή psychḗ) als immaterielles Prinzip des Lebens individuell unsterblich. Ihr Dasein ist von dem des Körpers gänzlich unabhängig. Sie existiert vor seiner Entstehung und besteht nach seiner Zerstörung unversehrt fort (Prä- und Postexistenz). Daraus ergibt sich die Rangordnung der beiden: Der Leib, der mancherlei Beeinträchtigungen und letztlich der Vernichtung unterliegt, ist der unsterblichen, unzerstörbaren Seele untergeordnet. Es steht ihr zu, über ihn zu herrschen. Der Körper ist das „Gefäss“, die „Wohnstatt“ der Seele, aber auch negativ ausgedrückt ihr „Grab“ oder „Gefängnis“. (Wikipedia Artikel Platon 28.04.2014) 3