Geisteswissenschaft Markus Uehleke Kosmogonie und Naturphilosophie in Platons Dialog „Timaios“ Studienarbeit OTTO-FRIEDRICH-UNIVERSITÄT BAMBERG LEHRSTUHL FÜR PHILOSOPHIE II Seminararbeit: Kosmogonie und Naturphilosophie in Platons Dialog „Timaios“ in der Lehrveranstaltung: „Weltseele und Demiurg - organismische Naturphilosophie“ (WS 2012/2013) Vorgelegt von: Markus Bernhard Uehleke Magister Artium (HF: Philosophie, NF: Alte Geschichte, Psychologie) Fachsemester: 11 1 1. Einleitung: Der Dialog „Timaios“ des griechischen Philosophen Platon ist ein thematisch stark verdichteter Text. Auf etwa 80 Buchseiten behandelt er mythologische, kosmologische, naturphilosophische, aber auch mathematische, sowie anatomische und pathologische Fragen. Ebenso beinhaltet er die „in der Wahrheit begründete Sage“ (20e) über den Ursprung und Untergang der Insel Atlantis. Der Dialog wird zum Spätwerk Platons gezählt. Bei aller abschweifenden Thematik beschäftigt sich die vorliegende Arbeit jedoch ausschließlich mit den Ausführungen über die Kosmogonie, also die im Dialog beschriebene Entstehung des Alls, sowie den naturphilosophischen Explikationen, die sich daraus ergeben. Es wird durchgängig nach der Übersetzung von Friedrich Schleiermacher und Hieronymus Müller zitiert. Zu Beginn des Dialoges fassen Timaios und Sokrates in aller Kürze einige Gesichtspunkte aus dem Gespräch über den Staat zusammen. Anschließend soll sich Timaios zur Entstehung des Alls bis hin zum Menschen äußern, da dieser als eine Autorität auf diesem Gebiet gilt (27a). Man findet also, wie in vielen anderen Dialogen Platons, keine mäeutische Methode vor; viel mehr expliziert Timaios seine Gedanken in einem langen Monolog, der auch durch Sokrates nicht unterbrochen wird. Timaios räumt dabei ein, dass seine Beschreibungen von hypothetischem Gehalt sind und von daher auch ein Bezug zum Mythischen besteht. 2. Die Weltzeitalter: Die Rede des Timaios ist zunächst antithetisch zu der vorhergehenden des Kritias aufgebaut. Dieser berichtet, dass Solon einst in Ägypten von einem Priester darin eingeweiht worden war, wie es sich mit dem Entstehen der Völker und Kulturen verhält. Solon, der etwa 200 Jahre vor Platon lebte und als einer der Sieben Weisen gilt, wird dabei als Autoritätsargument herangezogen, ebenso wie die Umstände seines Aufenthalts in Ägypten und die Überlieferung der Gespräche höchst abenteuerlich erscheinen. Eine mündliche Tradierung über mehrere Generationen betont dabei noch einmal den mythischen Gehalt des Gesagten, wobei der Mythos bei Platon kein Einwand zu sein scheint, sondern als Argument geltend gemacht werden darf. Zudem ist die Autorität des Solon wie gesagt nicht anzuzweifeln. Es wird also erläutert, dass sich die Geschichte in Weltzeitalter (Äonen) einteilen lasse, die jeweils von großflächigen und verheerenden Zerstörungen abgetrennt werden. Diese sind konkret bezeichnet als Überschwemmungen, wie im Falle des Atlantis-Mythos oder als Weltenfeuer, welche die Oberfläche der Erde verbrannt haben sollen, so wie dies im Mythos des Phaeton überliefert wird. Dieser soll den Sonnenwagen seines Vaters Helios entwendet haben, dessen 2 Kontrolle er allerdings nicht beherrschte, worauf er abstürzte und auf der Erde einen Weltenbrand entfachte. Die Hypothese dieser postulierten Weltzeitalter bedeutet ferner, dass sich die Historie nicht linear, sondern zyklisch auffassen lässt, weshalb die Hellenen auch als ewige Kinder bezeichnet werden, die es nicht zum Greise schaffen (22b). Dies erinnert unmittelbar an die Vorstellung des heraklitischen Weltenkindes, das ebenfalls Aion heißt, und die Bausteine der Welt spielend immer wieder neu arrangiert1. Ebenso mag dies als metaphysische Abstraktion der beobachtbaren zyklischen Welt (Tag – Nacht; die Jahreszeiten) gelten. 3. Die ontologische Dichotomie: Die Rede des Timaios soll nun Aufklärung darüber geben, wie es sich mit der Entstehung des Alls verhält. Die Ausführungen begeben sich also im Vergleich zu denen des Kritias auf eine noch abstraktere Ebene. Hierfür führt Timaios zunächst eine ontologische Dichotomie ein, indem er die Welt des Werdens streng von der Welt des Seienden trennen möchte (28a). Auch dies hat einen Bezug zur vorsokratischen Philosophie und steht somit bereits in einer Tradition, nämlich dem „Streit“ des Heraklit und des Parmenides, die jeweils eine dieser „Welten“ den Vorzug geben. Dies ist im vorliegenden Fall von Bedeutung, da Timaios zu der Frage gelangen muss, ob das All (als „der ganze Himmel“, 28b 2) einen Anfang hat und damit entstand, bzw. im Entstehen begriffen ist oder von je her existierte, sprich ein Seiendes darstellt. Hintergründig fungiert dabei Platons Ideenlehre, die den irdisch-erscheinenden Dingen ein ideales Urbild im Sinne einer Form entgegenstellt. Dabei verhält sich das Werdende zum Seienden wie das Abbild zum Urbild. Gleichzeitig, so Timaios, ist die Welt des Seienden nur mittels des Verstandes einsehbar, während der Zugang zur Welt des Werdens über die Sinne vollzogen wird. Das All ist nun „sichtbar und betastbar und hat einen Körper“ (28b), weshalb es also aus der Welt des Werdens stammt und folglich entstanden sein muss. Ebenfalls muss dieses auch eine Ursache haben, was im Folgenden näher bestimmt wird. 4. Der Demiurg: Diese Ursache des Alls wird metaphorisch beschrieben als Vater oder Werkmeister (29a), dem gleichsam das Attribut der Vollkommenheit zugeschrieben wird, da dieser auch als bester aller Urheber gedacht wird. Dieser Demiurg hat Teil an der Welt des Seienden, die für den Menschen nur mittels seiner Verstandeskategorien und auch nur teilweise intelligibel ist. Aus dieser Sicht auf das Seiende konnte der Demiurg in seiner Funktion als Baumeister des Alls die Welt des Werdenden konzipieren: das Seiende galt 1 Diels/Kranz B 52. 3