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Interviews & Artikel
NOFX
Being Fat Is Being Punk
Mit ihrem neuen Album „The War
On Errorism“ haben NOFX sich
stärker als zuvor als Band
positioniert, die politisch klar
Stellung bezieht und vor allem
auch aktiv wird - siehe
punkvoter.com. Eine
verblüffende Entwicklung für eine Band, die, so sehr ich sie
bis heute schätze, in den Neunzigern eher für Fans stand,
denen der NOFX-Kapuzenpulli mehr Statussymbol unter 18Jährigen war, als dass Punk und der Humor von Fat Mike
wirklich verstanden worden wäre.
Das Ganze sieht 2003 anders aus: Der Fun ist immer noch da,
doch die Statements etwa zur gegenwärtigen US-Regierung
lassen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Fat Mike
beantwortete mir per E-Mail ein paar Fragen.
Auf eurer Website findet sich das Statement „We keep our
opinions private“, doch eure letzten Releases sprechen da
eine ganz andere Sprache.
Nun, desperate times call for desperate measures.
Ihr verweist auf Website und neuer CD auf Michael Moores
„Stupid White Men“ und „Bowling For Columbine“ – ist es
wirklich so schlimm in den USA wie dort dargestellt?
Also der Film beschreibt die Situation schon recht genau. Die USA
sind in einem beklagenswerten Zustand. Ich kann mir kaum
vorstellen, dass es noch schlimmer wird als es jetzt schon ist –
außer natürlich Bush gewinnt die nächsten Wahlen auch wieder ...
Hast du eigentlich direkten Kontakt zu Michael Moore?
Ich habe mal bei einer Signierstunde mit ihm gesprochen, aber
auf meine E-Mails antwortet er nicht. Ich habe ihm auch ein paar
NOFX-CDs gegeben, doch schätzungsweise ist er eher ein ME
FRST & THE GIMME GIMMES-Fan.
Mit der Website www.punkvoter.com wollt ihr Punks
motivieren zu wählen – wer steckt dahinter?
Ich und ein paar Leute von Fat Wreck. Aber es machen jetzt
immer mehr Leute von außerhalb mit, und je mehr Leute von
anderen Bands sich hier engagieren, umso besser, denn es lenkt
Aufmerksamkeit auf die ganze Sache. Und wir haben seit kurzem
auch einen richtigen Kampagnenmanager.
Nun gibt es da draußen auch eine Menge Leute, die eher dem
Slogan anhängen „Wenn Wahlen etwas ändern würden,
wären sie verboten“, und die nicht wenigen Anarchisten
unter den Punks werden auch kaum Verständnis aufbringen
für euer Engagement.
Ich bin Realist. Wenn man etwas verändern kann, dann nur durch
das System. Und keiner kann mir erzählen, dass unser Planet
nicht besser dran wäre, wenn Bush sich nicht die letzten Wahlen
‚geklaut‘ hätte. Die Demokratische Partei, zu deren Unterstützung
und Wahl wir aufrufen, ist eigentlich auch für’n Arsch, aber nicht
so für’n Arsch wie die Republikaner, und jede Stimme für eine der
anderen Parteien ist im US-Wahlsystem leider eine verlorene
Stimme.
Anfangs waren NOFX eher eine klassische Funpunk-Band
nicht besonders politisch. Heute habt ihr den Fun nicht
vergessen, seid aber sehr politisch und wütend. Wie kam’s?
An dem Tag, an dem Bush den Wahlsieg geklaut hat, fühlte ich
als jemand, der im Licht der Öffentlichkeit steht, die Verpflichtung,
alles in meiner Macht stehende zu tun, um dafür zu sorgen, dass
er aus dem Weißen Haus wieder rausfliegt: Bush is the most
dangerous man alive and now is the time to unite against him.
Du fühlst also Verantwortung – andere sehen Punk eher als
Spaß- und Sauf-Ding.
Punk ist für mich beides, Verantwortung und Scheiß drauf- Spaß
haben-Attitüde. Das eine ohne das andere geht nicht.
Hast du mal dran gedacht, aktiv Politik zu machen? Seit Jello
Biafras Kandidatur für das Amt des Bürgermeisters von San
Francisco ist ja schon einige Zeit vergangen.
Ich habe derzeit keine Pläne in dieser Richtung, man weiß ja nie.
Ich habe mich mit Jello schon mehrfach über punkvoter.com
unterhalten, aber er will das nicht unterstützen, er ist einfach zu
sehr Liberaler. Ich bin ja auch ein Liberaler, aber ich denke,
derzeit ist das wichtigste Ziel überhaupt, Bush aus dem Amt zu
kicken.
Die Rede- und Meinungsfreiheit ist gerade in den USA ein
sehr wichtiges Grundrecht – siehst du das durch die ganzen
Anti-Terror-Gesetze gefährdet?
Die meisten dieser Gesetze wurden nie verabschiedet, da stellte
sich dann doch der Kongress quer. Die Gesetze zum Schutz der
Privatsphäre sind noch intakt, und es mag ja sein, dass die
Regierung Telefone und Computer anzapfen kann, aber das habe
sie doch schon seit Jahren gemacht, auch illegal. Das ist halt so,
da kann man nichts machen.
Habt ihr denn auch erfahren müssen, dass Leute nicht eurer
Meinung sind, was George W. Bush anbelangt? Leider gibt es
auch in der Punk- und Hardcore-Szene solche Menschen.
Klar, wir mussten uns schon ganz schön viel Scheiße anhören
aus dieser Richtung, aber das hat auch immer was mit der
Gegend zu tun: Wenn du im Süden der USA spielst und über den
Präsidenten Scheiße erzählst, bekommst du eben die typischen
Reaktionen. Amerikaner sind dumm, ganz besonders die im
Süden. So einen Scheiß hätte es in den Achtzigern allerdings
nicht gegeben, damals waren alle Punks gegen Reagan.
„Politische Statements helfen Platten zu verkaufen“
Also den DIXIE CHICKS hat es nicht geholfen. Wir haben mit dem
neuen Album vielleicht auch neue Fans gewonnen, aber sicher
auch viele alte verloren, aber drauf geschissen, wen kümmert’s?
Deine Meinung zu jungen Hunden?
Konnte ich nie leiden bevor ich selber einen hatte. Jetzt liebe ich
sie.
Was ist mit dem Spielen? Ich erinnere mich an eine
Backstage-Szene vor ein paar Jahren, als du und Dave
Pollack und noch ein paar Leute auf dem Boden knieten,
Karten in der Hand und einen fetten Stapel Geldscheine vor
euch.
Ich spiele fast jeden Tag um Geld, und ich habe da sicher auch
ein Problem, das aber, solange ich genug Platten verkaufe, kein
ganz so großes Problem ist.
Wann bist du so alt, dass es keinen Spaß mehr macht „Fetter
Michel“ genannt zu werden? Irgendwann erwischt die Midlife
Crisis doch auch Punker, und dann dreht sich die
Frau/Freundin nach den schlanken, jungen Skatern um, und
plötzlich findet man sich im Fitness-Studio wieder.
Ich bin gerne fett. Being fat is being punk. Und ich werde niemals
ins Fitness-Studio gehen! Wenn ich mich mal bewegen will, dann
gehe ich Bowlen, das reicht. Und außerdem hat mich meine Frau
fett am liebsten, und das beruht auf Gegenseitigkeit.
Joachim Hiller
Webseite
© by Ox-Fanzine / Ausgabe #52 (September/Oktober/November
2003)
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