Wie der Immobilienmarkt auf Schocks reagiert

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Strategie | Volkswirtschaft
Wie der Immobilienmarkt
auf Schocks reagiert
In seiner jüngeren Geschichte war Deutschland mit vielen tiefgreifenden ökonomischen
Krisen konfrontiert. Sie wirkten sich unterschiedlich auf den Wohnungsmarkt aus, ebenso
wie die wirtschafts- und geldpolitischen Maßnahmen.
Foto [M]: © Gina Sanders/Fotolia.com
Norbert Hiller, Sören Gröbel
Der Markt für Wohnimmobilien ist eng mit der aktuellen
Geldpolitik verknüpft. Dies belegen empirische Studien. So
zeigen Wissenschaftler beispielsweise, dass eine lockere Geld­
politik mit einem Anstieg der Immobilienpreise und einer
Zunahme des Hypothekenkreditvolumens einhergeht.1 Doch
ein Blick in die Vergangenheit verdeutlicht auch, dass der
deutsche Wohnimmobilienmarkt unterschiedlich und in­
homogen auf Krisen und wirtschaftspolitische Maßnahmen
reagiert. Um daraus Handlungsempfehlungen abzuleiten,
werden in diesem Beitrag ökonomische Krisen und politische
Eingriffe bezogen auf den deutschen Wohnungsmarkt disku­
tiert. Zur historische Einordnung wurden der reale Wohn­
immobilienpreisindex den Leitzinsen sowie der Inflationsra­
te gegenübergestellt (siehe Grafik Seite 23 oben). Werden die
Schwankungen der Leitzinsen als Reaktion der Zentralbank
auf ökonomische Schocks interpretiert, so lassen sich seit 1975
folgende Krisen identifizieren: der Ölpreisschock, die Wieder­
vereinigung, die Dotcomkrise, die Finanzkrise, die Eurokri­
se sowie die derzeitige Flüchtlingskrise.
22 BANKMAGAZIN 10 | 2016 Infolge des ersten Ölpreisschocks kam es zu Beginn der
70er Jahre zu einem inflationsgetriebenen Wohnimmobili­
enpreisanstieg in Westdeutschland, der zu hoher Neubau­
tätigkeit und schließlich zu einem Überangebot an Immo­
bilien führte (siehe Grafik Seite 23 unten). Folglich lag 1975
eine hohe Arbeitslosenquote in der mit Überkapazitäten be­
hafteten Bauwirtschaft vor. Statt der strukturellen Arbeits­
losigkeit mit Qualifizierungsmaßnahmen entgegenzuwirken,
beschloss die damalige Bundesregierung das so genannte
Programm zur Stärkung von Bau- und anderen Investitio­
nen.2 Damit folgte sie der damals herrschenden Lehrmei­
nung, dass eine Stagnation der Ökonomie durch staatliche
Nachfrageimpulse überwunden werden könne. In den Fol­
gejahren wurden weitere institutionelle Maßnahmen zur
Stützung des Immobilienmarkts ergriffen, zum Beispiel eine
Befreiung von Grunderwerbsteuern für Ein- und Zweifami­
lienhäuser. Insgesamt trugen die wohnungspolitischen Maß­
nahmen zu einer starken Belebung der Konjunktur und da­
mit des Wohn­immobilienmarkts bei.
Aufgrund der steigenden Ölpreise in der zweiten Ölpreis­
krise Ende der 70er beziehungsweise Anfang der 80er Jahre
Wirtschaftsdienst
wird vom ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirt­
schaft herausgegeben. Die Zeitschrift, die seit 1916 er­
scheint, schlägt eine Brücke zwischen Wissenschaft
und Praxis. Dieser Beitrag ist eine verkürzte Fassung
des Artikels „Am Puls des deutschen Wohnimmobili­
enmarktes – Vom Ölpreisschock bis zur Flüchtlings­
krise“ aus Wirtschaftsdienst 5/2016. Den vollständigen
Beitrag finden Sie unter www.springerprofessional.de/
link/10130274.
www.springerprofessional.de
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Subventionen zum Aufbau Ost sorgten
für Fehlallokation von Kapital
Der zweite Wohnimmobilienpreisanstieg im Betrachtungs­
zeitraum erfolgte aufgrund der Wiedervereinigung. Um ei­
nen ökonomischen Zusammenbruch der neuen Bundeslän­
der zu vermeiden und sie dem Westen anzugleichen, wurden
staatliche Subventionen im Rahmen des so genannten Auf­
bau Ost initiiert, nicht nur für Wirtschaft und Infrastruktur,
sondern auch für den Wohnungsmarkt. Freilich verursach­
te die staatliche Investitionslenkung eine Fehlallokation von
Kapital, was insbesondere in Ostdeutschland ab Mitte der
90er Jahre zu einem Überangebot und damit zu einem Preis­
verfall von Wohnimmobilien führte.7 Aufgrund der Lang­
lebigkeit von Immobilien werden derartige Ungleichgewich­
te erst über einen vergleichsweise langen Zeitraum abgebaut.
So lag die Leerstandsquote bei Wohnimmobilien 2010 in
Ostdeutschland noch bei rund 11,5 Prozent, in Westdeutsch­
land dagegen nur bei 7,8 Prozent.8
Der Bauboom im Zuge der Wiedervereinigung hatte zu­
nächst in Westdeutschland infolge der Zuwanderung aus
Ostdeutschland beziehungsweise -europa begonnen und ver­
lagerte sich aufgrund der staatlichen Subventionen mit zeit­
licher Verzögerung auf Ostdeutschland.9 Die Renditeerwar­
tungen der Immobilieninvestitionen wurden jedoch über­
wiegend nicht erfüllt. Insbesondere im Osten war aufgrund
der Mietausfälle der zugewiesene Steuervorteil schnell auf­
gezehrt. Ein konjunktureller Abschwung erfasste die Bun­
desrepublik, und vor dem Hintergrund steigender Arbeits­
losenzahlen sank der Anteil der Beschäftigten im Baugewer­
www.springerprofessional.de Krisen und der deutsche Wohnimmobilienmarkt
Index (Basis 1990 = 100)
120
„Ölpreisschock“
100
„Wiedervereinigung“
80
„Eurokrise“
?
„Dotcomkrise“
„Finanzkrise“
60
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7
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78
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Wohnimmobilienpreisindex (real, linke Skala)
Inflation (rechte Skala)
Leitzinsen (rechte Skala)
Quellen: Bulwien Gesa, Deutsche Bundesbank, Statistisches Bundesamt
be am gesamten Erwerbspersonenpotenzial von 2,6 Prozent
im Jahr 1994 bis 1998 auf 2,1 Prozent.
Um die Jahrtausendwende schürten neue technologische
Innovationen hohe Renditeerwartungen bei IT-Unterneh­
men. Diese erfüllten sich am Ende nicht, die Dotcomkrise
setzte ein. Die USA reagierten mit einer langanhaltenden
Zinssenkung, die durch die Anschläge vom 11. September
2001 noch verstärkt wurde. Bemerkenswerterweise hatte die­
se Krise kaum Auswirkungen auf den deutschen Wohnim­
mobilienmarkt. Einer von mehreren Gründen dafür ist, dass
sich die Krise überwiegend auf dem Finanzmarkt und in der
IT-Branche ereignete. Betroffen waren somit Unternehmen
und Arbeitnehmer, die unmittelbar mit dem Wirtschafts­
zweig verbunden waren. An den regionalen Wohnimmobi­
lienmärkten lassen sich aber lokal begrenzte Auswirkungen
der Dotcomkrise auf die Immobilienpreise beobachten (sie­
he Grafik Seite 24 oben). München zählte zur Jahrtausend­
wende zu den bedeutendsten IT-Standorten in Deutschland.
Ein Aufschwung der Branche brachte ab 1999 Lohnsteige­
Fertiggestellte Wohnungen in Wohn- und Nichtwohngebäuden
in 1.000
700
%
3,5
600
3,0
500
2,5
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300
1,5
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14
und der damit rasant wachsenden Inflation betrieben die
Notenbanken weltweit eine Hochzinspolitik und schafften
damit kaum Anreize für Investitionen. Erstmals traf eine
stagnierende Wirtschaft auf eine hohe Inflationsrate. Diese
Stagflation konnte nicht mit der üblichen expansiven und
nachfrageorientierten Fiskalpolitik bekämpft werden.
Deutschland stürzte in eine Rezession.3 Steigende Hypothe­
kenzinsen, hohe Baukosten und das Auslaufen der Konjunk­
turprogramme kühlten den deutschen Wohnimmobilien­
markt merklich ab. So sanken zum Beispiel die Baufertigstel­
lungen zwischen 1980 und 1983 um 12,3 Prozent, und die
Zahl der Beschäftigten im Baugewerbe reduzierte sich um
12,6 Prozent.4 Dank seiner stabilen Währung überstand
Deutschland die Ölpreiskrise im internationalen Vergleich re­
lativ gut.5 Der deutsche Wohnimmobilienmarkt wurde also
durch einen exogenen Schock, die Ölpreisinflation, getrieben,
der zins­politische Veränderungen induzierte. Über eine welt­
weite Rezession dämpfte das Ereignis die Entwicklung am
Wohnungsmarkt.6
Westdeutschland (linke Skala)
Ostdeutschland (linke Skala)
Anteil Baugewerbe am Erwerbspersonenpotenzial (rechte Skala)
Quelle: Statistisches Bundesamt
10 | 2016 BANKMAGAZIN 23
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Realer Wiederverkaufspreis für Eigentumswohnungen
5.000
4.500
4.000
3.500
München
3.000
2.500
2.000
Hamburg
Halle (Saale)
1.500
1.000
Münster
Mönchengladbach
500
Chemnitz
19
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9
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9
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1
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1
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in Euro/m2 (Basis 2010 = 100)
Quelle: Bulwien Gesa (2016)
rungen mit sich, was sich wiederum in steigenden lokalen
Immobilienpreisen niederschlug. Nach dem Platzen der Dot­
com-Blase 2001/2002 sanken die Preise auf dem Münchener
Wohnungsmarkt wieder relativ stark. In Hamburg beispiels­
weise hatte die Krise hingegen kaum Folgen für den Immo­
bilienmarkt. Daran ist erkennbar, dass ökonomische Krisen
nicht nur regionale Arbeitsmärkte10 beeinflussen, sondern
auch auf regionale Wohnimmobilienmärkte unterschiedlich
abstrahlen. Je höher dabei die Spezialisierung der regionalen
Wirtschaftsstruktur, umso größer sind die Auswirkungen
bei spezifischen ökonomischen Schocks.
Die jüngste Finanzkrise wurde 2007 durch die US-Hypo­
thekenkrise ausgelöst. Die Kreditausfälle brachten Banken
in den USA in Schieflage und ließen die Konsumnachfrage
einbrechen.11 Über verbriefte Hypotheken erreichte die Mi­
sere andere Staaten und ausländische Banken. Auch einige
deutsche Geldinstitute gerieten in Schwierigkeiten und
mussten durch staatliche Eingriffe stabilisiert werden. Insge­
Vergleich nationaler realer Immobilienpreise
Index (Basis 2006 = 100)
140
130
120
Deutschland
110
100
90
80
70 USA
60
Großbritannien
50
Dänemark
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9
19 5
9
19 6
9
19 7
9
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Quelle: Federal Reserve Bank of Dallas, 2016
24 BANKMAGAZIN 10 | 2016 samt hatte die Finanzkrise jedoch keine gravierenden Aus­
wirkungen auf den deutschen Wohnungsmarkt. Im Gegen­
satz zu den USA war die Bundesrepublik nicht mit starken
Preisrückgängen auf dem Immobilienmarkt konfrontiert.
Dies lag unter anderem an den konservativen Finanzierungs­
bedingungen hierzulande und am großen und stabilen Miet­
markt mit sozialer Wohnungsförderung, beides fördert die
Robustheit.12 Während der deutsche Wohnungsmarkt unbe­
schadet blieb, kam es in vielen europäischen Ländern, wie
etwa in Spanien und in Irland, zu drastischen Einbrüchen
der Immobilienpreise.13 Diese wirkten sich zunächst auf die
nationalen Finanzmärkte und auf die dortige Realwirtschaft
aus, übertrugen sich jedoch auf andere europäische Länder.
Letztlich wurde auch Deutschland in die Finanzkrise hin­
eingezogen, die sich zunehmend auf die Realwirtschaft aus­
dehnte.
Deutsche Immobilienpreise vollziehen
angelsächsische Entwicklung nach
Aufgrund der Finanzkrise initiierten 2009 viele Länder enor­
me Rettungs- und Konjunkturpakete, um einen Zusammen­
bruch des Finanzsystems und der Realwirtschaft zu vermeiden.
Auf diese Weise kam es zur Eurokrise. Die hohen Belastungen
schränkten zweifellos den Handlungsspielraum der nationalen
Fiskalpolitik ein. Geldpolitisch reagierte die Europäische Zen­
tralbank (EZB) mit der Senkung der Leitzinsen, so wie dies zu­
vor auch schon die Federal Reserve (Fed) in den USA getan hat­
te. In der Folge kam es in Deutschland zu einer Niedrig­
zinsphase. Somit wurde konventionelles Sparen über
Geldeinlagen und Anleihen unattraktiv, Immobilien und Ak­
tien gewannen dagegen als Investitionsgut an Bedeutung. Über­
dies machten die niedrigen Hypothekenzinsen die Finanzie­
rung von Wohneigentum attraktiver.14 Verstärkt wurde die
Nachfrage nach Immobilien zusätzlich durch Preissteigerun­
gen, die auf strukturelle Veränderungen am Arbeitsmarkt und
die sich daraus ergebenden Re­urbanisierungstendenzen zu­
rückzuführen sind. Der aus mehreren Gründen insgesamt at­
traktive Wohnungsmarkt hierzulande zog in den vergangenen
Jahren außerdem verstärkt ausländisches Kapital an.15 Dement­
sprechend wird in Deutschland die Wohnimmobilie zuneh­
mend als Investitions- und nicht als Konsumgut angesehen.
Wie ein Vergleich der Fed in Dallas verdeutlicht, passt sich die
Immobilienpreisentwicklung in Deutschland seit 2011 zuneh­
mend der europäischen und US-amerikanischen an, die beide
schon vorher relativ gleichförmig verliefen (siehe Grafik links
unten).
Mit dem Aufkommen der aktuellen Flüchtlingskrise steht
der deutsche Wohnimmobilienmarkt vor weiteren großen
Herausforderungen. Nach ersten Schätzungen müssen bis
www.springerprofessional.de
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Mietindex für Wohnimmobilien in Städten und Vororten
Index (Basis 1990 = 100)
120
110
in Städten (real)
100
90
80
70
60
50
in Vororten (real)
19
7
19 6
7
19 8
80
19
8
19 2
8
19 4
86
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Quelle: Bulwien Gesa, 2016
2020 jährlich rund 430.000 neue Wohneinheiten geschaffen
werden, wovon rund 100.000 auf Flüchtlingsunterkünfte ent­
fallen.16 Die Politik reagiert auf die Krise unter anderem mit
der Wiederbelebung des sozialen Wohnungsbaus, was aus
ökonomischer Sicht mit großen allokativen, distributiven,
aber auch sozioökonomischen Problemen behaftet ist.17 Die
vor allem in Großstädten bestehende Knappheit an preiswer­
tem Wohnraum wird durch die Flüchtlingskrise verstärkt:
Zwischen 1995 und 2013 wanderten rund 51 Prozent der Net­
tomigrationsströme aus dem Ausland in die kreisfreien Städ­
te ein und verteilten sich somit nicht gleichmäßig über das
Bundesgebiet.18 Unter anderem die sozioökonomischen
Netzwerke und der größere Arbeitsmarkt ziehen Flüchtlin­
ge in die Städte. Die Nachfrage nach Wohnraum in Ballungs­
gebieten wird also stark steigen, es sei denn, die Zuwande­
rung wird durch eine entsprechende Abwanderung kompen­
siert oder die Flüchtlinge werden im Rahmen eines Wohn­
ortzuweisungsgesetzes einem bestimmten Wohnort zugeteilt.
Seit Mitte der 90er Jahre koppeln sich die Immobilienprei­
se in den Städten zunehmend von den Preisen in den Vor­
orten ab (siehe Grafik oben). Als Ursache für dieses Ausein­
anderdriften kann die Segregation auf dem Arbeitsmarkt he­
rangezogen werden.19 Forschern zufolge führen der techno­
logische Wa ndel, der sinkende gewerk scha ft liche
Organisationsgrad sowie die fehlenden Voraussetzungen,
höhere Löhne durchzusetzen, zu mehr Ungleichheit bei den
Löhnen zwischen Hoch- und Geringqualifizierten. So nahm
der Anteil der Arbeitnehmer, die nach Branchentarifen be­
zahlt werden, zwischen 1995 und 2004 um zwölf Prozent­
punkte ab. Dies betraf vor allem niedrige Einkommensgrup­
pen, deren Löhne relativ zu den hohen Einkommensgruppen
stagnierten. Ist in den 90er Jahren die Lohnprämie der Mit­
tel- und Hochqualifizierten gegenüber den Niedrigqualifi­
zierten angestiegen, so hob sich schließlich um das Jahr 2000
auch die Lohnprämie der Hochqualifizierten von den Mit­
telqualifizierten ab, wodurch die Segregation zwischen allen
www.springerprofessional.de Lohngruppen zunahm. Als Folge der geringen Entlohnung
im unteren Segment nahm die Beschäftigung darin jedoch
nicht ab. Ursächlich hierfür ist die Zuwanderung von Nied­
rigqualifizierten, insbesondere aus Osteuropa.20 Aufgrund
der überwiegend geringen Qualifikation der aktuellen
Flüchtlinge21 wird sich die Segregation auf dem Immobilien­
markt über den Arbeitsmarkt weiter verstärken und die ge­
sellschaftlichen Probleme verschärfen. Die Folgen dieser Ent­
wicklung stellen auf lange Sicht die größte Herausforderung
der aktuellen Wohnungspolitik dar. Gleichwohl zeigt der his­
torische Vergleich, dass die zur Verfügung stehenden Inst­
rumente mit Bedacht eingesetzt werden sollten.
■
Autoren: Dr. Norbert Hiller ist bei der WL Bank in Münster im
Bereich Immobilien-Research beschäftigt. Sören Gröbel, Master of
Science, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Siedlungsund Wohnungswesen der Universität Münster.
Quellenhinweise
1 Vgl. Ò. Jordà, M. Schularick, A. Taylor: Betting the house, in: Journal of Inter­
national Economics, 96. Jg. (2015), Nr. 1, S. S4; K. Adam, M. Woodford: Housing
Prices and Robustly Optimal Monetary Policy, 2013, Preliminary Draft; C. Goodhart, B. Hofmann: House Prices, Money, Credit, and the Macroeconomy, in:
Oxford Review of Economic Policy, 24. Jg. (2008), Nr. 1, S. 180-205.
2 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen
Entwicklung: Jahresgutachten 1975/1976, S. 95-96.
3 Vgl. A. Cologni, M. Manera: Oil prices, inflation and interest rates in a structural
cointegrated VAR model for the G-7 countries, in: Energy Economics, 30. Jg.
(2008), Nr. 3, S. 856-888.
4 Vgl. Statistisches Bundesamt (2015).
5 Vgl. G. Pehl: Die weltweite Wirtschaftskrise dauert an, in: Deutsche Wirtschaft,
Nr. 12, 1982, S. 758-769.
6 Über die Rolle der Zinspolitik bei Konjunkturschwankungen vgl. N. Hiller: Zinspolitik ade! Wie man Immobilienpreisblasen dennoch überstehen kann, in:
Wirtschaftsdienst, 94. Jg. (2014), Nr. 10, S. 748-755.
7 Vgl. J. Eekhoff: Wohnungspolitik, Tübingen 2002, S. 211.
8 Vgl. Statistisches Bundesamt, a.a.O.
9 Vgl. Statistisches Bundesamt, a.a.O.
10Vgl. J. Möller: The German labor market response in the world recession –
de-mystifying a miracle, in: Zeitschrift für Arbeitsmarkt Forschung, 42. Jg.
(2010), Nr. 4, S. 325-336.
11 A. Mian, A. Sufi: House prices, home equity-based borrowing, and the US
household leverage crisis, in: American Economic Review, 101. Jg. (2011), Nr. 5,
S. 2.132-2.156.
12 N. Hiller, a.a.O.
13 S. Kofner: The German housing system: fundamentally resilient?, in: Journal of
Housing and the Built Environment, 29. Jg. (2014), Nr. 2, S. 255-275.
14 Vgl. J. M. Poterba: Tax Subsidies to Owner-Occupied Housing: An Asset-Market
Approach, in: The Quarterly Journal of Economics, 99. Jg. (1984), Nr. 4, S. 729752.
15 Vgl. CBRE: Anteil ausländischer Investoren am deutschen Gewerbeimmobilienmarkt wächst stark, in: Pressemitteilung, 2014; Ausländische Investoren treiben
Immobilienpreise, in: Immobilien-Zeitung vom 17.08.2015.
16 Vgl. P. Deschermeier, B. Seipelt, M. Voigtländer: Auswirkungen der erhöhten
Zuwanderung auf demographische Prognosen und die Folgen für den Wohnraumbedarf in Deutschland, Gutachten des Instituts der deutschen Wirtschaft,
2015, S. 15.
17 Vgl. J. Eekhoff, a.a.O., S. 168-184.
18 Eigene Berechnungen anhand der Daten in der Regionalstatistik des Statistischen Bundesamts.
19 Vgl. S. Gröbel, N. Hiller: Regionale Divergenz – die Mietpreisbremse und die
Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse, in: Wirtschaftsdienst, 95. Jg. (2015),
Nr. 11, S. 773-781.
20C. Dustmann, J. Ludsteck, U. Schönberg: Revisiting the German Wage Structure, in: The Quarterly Journal of Economics, 124. Jg. (2009), Nr. 2, S. 843-881.
21 Vgl. Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung: Flüchtlinge und andere
Migranten im deutschen Arbeitsmarkt, in: Aktuelle Berichte, Nr. 14, 2015, S. 5.
10 | 2016 BANKMAGAZIN 25
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