<[email protected]>Kriege Türknkriege Polzinger Bernhard Türkenkriege Türkenkriege: Kriege der europäischen christlichen Staaten gegen das muslimische Osmanische Reich. Die Osmanen waren ab der Mitte des 14.Jahrhunderts in Südosteuropa eingedrungen und stießen kontinuierlich nach Westen vor; zudem bedrohten sie meist von Nordafrika aus die Mittelmeerküsten Spaniens und Italiens. In ihrer Anfangsphase hatten die Kriege gegen die Osmanen noch Kreuzzugscharakter – das christliche Abendland suchte die Angriffe der „ungläubigen“ Muslime abzuwehren –, wurden aber bald zu rein machtpolitisch motivierten Verteidigungs- und Eroberungskriegen. Die Hauptlast der Kriege gegen die Osmanen trugen ab dem 16.Jahrhundert die spanischen und die österreichischen Habsburger; seit dem 15.Jahrhundert war Venedig primär aus Handelsinteressen im östlichen Mittelmeer in Auseinandersetzungen mit dem Osmanischen Reich verwickelt (Venezianisch-Türkische Kriege); im 17.Jahrhundert führte Polen, zum Teil zusammen mit Österreich, Krieg gegen die Osmanen, die nun auch in polnisches Territorium eindrangen (siehe Polnisch-Türkische Kriege); und ab dem späten 17. bis ins 19.Jahrhundert bekriegten sich Russland und das Osmanische Reich um die Vorherrschaft am Schwarzen Meer, über die Meerengen und über den Balkan (siehe Russisch-Türkische Kriege). 1. Die Kriege zwischen den Osmanen und den spanischen Habsburgern Als 1516 Karl I., der spätere Kaiser Karl V., nach dem Tod seines Großvaters Ferdinand II. von Aragonien dessen Nachfolge in Spanien und im Königreich Neapel antrat, sah er Neapel und die Mittelmeerküste Spaniens schon bald Angriffen seitens der Osmanen, die sich 1517 in Ägypten festgesetzt hatten, und ihrer Verbündeten, den nordafrikanischen Korsaren, ausgesetzt. Mit der Wahl Karls I. zum römischen König bzw. Kaiser 1519 nahm der Konflikt eine andere Dimension an; Karl sah sich in Wiederaufnahme der mittelalterlichen Kaiseridee verpflichtet, die abendländische Christenheit im Kampf gegen die „Ungläubigen“ zu vereinen und den Kreuzzug gegen sie anzuführen. Die Christenheit war jedoch nicht mehr zu einen: Der katholische König Franz I. von Frankreich, der sich durch die habsburgische Umklammerung seines Landes bedroht fühlte, verbündete sich Mitte der dreißiger Jahre des 16.Jahrhunderts mit den Türken und unterstützte zudem Karls Gegner im Reich, die protestantischen Fürsten. Die Kriege im Mittelmeerraum zwischen Karl bzw. dessen Thronfolger in den spanischen Erblanden, Philipp II., und den Türken dauerten bis Ende der siebziger Jahre des 16.Jahrhunderts an. Die Habsburger konnten zahlreiche Siege davontragen: Bereits 1511 hatte Ferdinand II. Tripolis eingenommen, 1532 eroberte der kaiserliche Admiral Andrea Doria mehrere südgriechische Städte von den Osmanen zurück, und 1535 nahm er zusammen mit Karl Tunis ein. Philipp II. gelang es 1565, die Belagerung Maltas durch die Osmanen aufzuheben, und 1571 bereitete er mit päpstlicher und venezianischer Unterstützung den Osmanen in der Seeschlacht bei Lepanto eine vernichtende Niederlage und leitete damit den Niedergang der osmanischen Vorherrschaft im Mittelmeer ein. Diese Siege waren jedoch kaum mehr als erfolgreiche Einzeloperationen. Die Türken mit ihren hoch entwickelten Werften in Konstantinopel und dem nahezu unbegrenzten Holznachschub von der Schwarzmeerküste waren mehr als ebenbürtige Gegner für die Spanier. Spanien selbst war nicht nur in den Türkenkriegen engagiert, sondern auch in seinen Kolonien in der Neuen Welt sowie in Konflikten mit Frankreich, später auch mit den Niederlanden und mit England. Vom Reich und aus den österreichischen Erblanden, die selbst vom Balkan aus von den Osmanen bedroht wurden, erhielt Karl für seine spanischen Kriege im Mittelmeerraum keine Unterstützung; umgekehrt ließ Spanien Karl für die Türkenkriege in den österreichischen Erblanden ebenfalls keine Hilfe zukommen. Für die meisten der Zeitgenossen Karls hatte die Kreuzzugsidee – der Kampf der vereinten Christenheit unter der Führung des Kaisers – keine Gültigkeit mehr. Die Siege der spanischen Habsburger blieben aufgrund erfolgreicher osmanischer Gegenschläge ohne größere Bedeutung. 1541 scheiterte Karl vor Algier, und 1551 ging Tripolis wieder verloren. Um die Jahrhundertmitte führten Osmanen und Franzosen gemeinsam einige Angriffe auf Korsika und den spanischen Besitz in Italien. Trotz ihrer Niederlage in der Seeschlacht von Lepanto blieben die Osmanen auf Zypern, das sie 1569 Venedig abgenommen hatten. 1574 eroberten die Osmanen Tunis zurück, und 1578 kam es zu einem spanisch-türkischen Waffenstillstand. In der Folge zogen sich die spanischen Habsburger aus dem Türkenkrieg im Mittelmeerraum zurück zugunsten eines verstärkten Engagements im Niederländischen Unabhängigkeitskrieg und in Mitteleuropa. 2. Die Kriege zwischen den Osmanen und den österreichischen Habsburgern 2.1. Osmanische Herausforderung und habsburgerische Reaktion Auf seinem Vorstoß über den Balkan Richtung Westen eroberte der osmanische Sultan Süleiman II. 1521 Belgrad, und 1526 schlug er in der Schlacht von Mohács die Ungarn unter Ludwig II. von Böhmen und Ungarn vernichtend. Ferdinand I., der Bruder Karls V. und seit 1522 Regent in den österreichischen Erblanden, übernahm in Böhmen und Ungarn die Nachfolge des in der Schlacht gefallenen Königs Ludwig II.; der habsburgische und der osmanische Herrschaftsbereich grenzten nun unmittelbar aneinander. In Ungarn konnte Ferdinand seine Herrschaft allerdings nur im äußersten Westen durchsetzen; der ungarische Adel wählte den mit Süleiman verbündeten Siebenbürger Fürsten Johann I .Zápolya zum Gegenkönig. 1527/28 drang Ferdinand, um seinen Anspruch auf das ungarische Erbe durchzusetzen, in Mittelungarn ein; er wurde jedoch geschlagen und von Süleiman bis nach Wien zurückgedrängt. Ihre erste Belagerung von Wien (29.September bis 14.Oktober 1529) mussten die Osmanen wegen Schwierigkeiten mit dem Nachschub und schlechter Witterung abbrechen, und 1532 wurden sie von Ferdinand geschlagen. Am 22.Juni 1533 schlossen Ferdinand und Süleiman auf der Basis des territorialen Status quo Frieden. Karl Seite 1 <[email protected]>Kriege Türknkriege Polzinger Bernhard zeigte kaum Interesse, seinen Bruder bei der Durchsetzung seines Anspruches in Ungarn zu unterstützen, zumal da Hilfe aus dem Reich gegen die Osmanen in der Regel mit Konzessionen an die protestantischen Fürsten verbunden war. 1540, nach dem Tod JohannsI. Zapolya, nahm Ferdinand den Krieg wieder auf und besetzte Siebenbürgen; 1541 eroberten die Türken im Gegenzug Buda und 1543 Gran; und Siebenbürgen kam nun endgültig unter osmanische Herrschaft. 1547 wurde ein Waffenstillstand geschlossen, der den Habsburgern hohe Tributzahlungen an den Sultan abverlangte. 1552 unterlagen die Kaiserlichen erneut den Osmanen, und 1555 einigten sich beide Seiten auf einen auf acht Jahre befristeten Frieden. Der folgende Krieg (1566-1568) entstand aus einem von den Habsburgern unterstützten Aufstand Johanns II. Zápolya gegen den Sultan; er endete ohne eine eindeutige militärische Entscheidung 1568 mit dem Waffenstillstand von Adrianopel. Im nächsten Türkenkrieg (1598-1615) siegte Kaiser Rudolf II. 1593 mit österreichischen, spanischen und Reichstruppen bei Stuhlweißenburg; drei Jahre später schlugen die Osmanen die Kaiserlichen bei Erlau. Am 11.November 1606 schlossen die Osmanen, die im Osten von den persischen Safawiden bedrängt wurden, den Frieden von Zsitvatorok, der die Habsburger von der Tributpflicht befreite und der nach dem Wiederausbruch des Krieges 1615 bestätigt wurde. Erst 1663 rückten die Osmanen, die unterdessen einen ersten Krieg gegen Polen geführt hatten und außerdem im Osten, in Persien und im Irak, engagiert waren, erneut gegen das Habsburgerreich vor, wurden aber am 1.August 1664 bei Sankt Gotthard an der Raab geschlagen. Die Habsburger, noch geschwächt vom Dreißigjährigen Krieg, schlossen am 10.August 1664, um gegenüber Frankreich freie Hand zu haben und ohne ihren Vorteil auszunutzen, den Frieden von Vasvár, der den Osmanen die Oberhoheit über Siebenbürgen beließ und der es ihnen erlaubte, ihren Krieg gegen Venedig um Kreta (1645-1669) erfolgreich zu Ende zu führen. 2.2. Osmanische Herausforderung und österreichischer Vorstoß 1678 hatten sich die Ungarn gegen die Rekatholisierungsmaßnahmen Kaiser Leopolds I. erhoben und die Osmanen zu Hilfe gerufen. Ohne auf große Gegenwehr zu stoßen, zogen die Türken 1683 unter dem Großwesir Kara Mustafa bis vor Wien und belagerten die Stadt ein zweites Mal (14.Juli bis 12.September 1683). Ein deutsch-polnisches Entsatzheer unter König Johann III. Sobieski von Polen und Herzog Karl V. Leopold von Lothringen besiegte die Osmanen in der Schlacht am Kahlenberg, befreite die Stadt und drängte die Osmanen in die Defensive. Die Niederlage der Osmanen am Kahlenberg markierte den Beginn ihres Rückzuges vom Balkan. 1684 schloss Leopold mit Frankreich einen Waffenstillstand, um sich für den Großen Türkenkrieg den Rücken freizuhalten, und ging ein Bündnis mit dem Papst und mit Polen ein, die 4.Heilige Liga, dem sich dann auch Venedig anschloss und dem ab 1686 auch Russland lose angehörte. Die Truppen unter den kaiserlichen Feldherren Karl V. Leopold, Herzog Maximilian II. Emanuel, Markgraf Ludwig Wilhelm I. von Baden und Prinz Eugen stießen rasch vor: 1685 nahmen sie Neuhäusel, 1686 Buda, und am 12.August 1687 siegten sie in der zweiten Schlacht bei Mohács. Ebenfalls 1687 übertrugen die ungarischen Stände auf einem Reichstag zu Preßburg die ungarische Krone dem Haus Habsburg; Ungarn wurde zur Erbmonarchie, und es entstand die österreichisch-ungarische Doppelmonarchie. In der Folge unterwarfen die Kaiserlichen Slawonien und Siebenbürgen und eroberten 1688 Belgrad. 1690 nutzten die Osmanen die Tatsache, dass der Kaiser im Westen im Pfälzischen Erbfolgekrieg gegen den mit den Osmanen verbündeten Ludwig XIV. von Frankreich gebunden war, und eroberten Belgrad, Serbien, Siebenbürgen und Bulgarien zurück. Am 19. August 1691 wurden sie jedoch bei Novi Slankamen von Ludwig Wilhelm von Baden vernichtend geschlagen, und am 11.September 1697 fügte ihnen Prinz Eugen bei Senta die entscheidende Niederlage zu. Im Frieden von Karlowitz vom 26.Januar 1699 verloren die Osmanen Siebenbürgen, Ungarn ohne das Banat sowie den größten Teil Slawoniens und Kroatiens. 2.3. Zu einem österreichisch-türkischen Modus vivendi 1716 trat Österreich an der Seite Venedigs erneut in den Krieg gegen die Türken ein. Prinz Eugen besiegte am 5.August 1716 die Osmanen bei Peterwardein, und im Frieden von Passarowitz vom 21.Juli 1718 erhielt Österreich auch das Banat, die Kleine Walachei und Nordserbien. 1736 verbündete sich Österreich, das durch den Polnischen Thronfolgekrieg geschwächt war, mit Russland gegen die Osmanen. Österreich, nun ohne Prinz Eugen und mit einer vollkommen unzureichenden Strategie, musste im Frieden von Belgrad vom 18.September 1739 Nordserbien und die Kleine Walachei wieder an die Osmanen abtreten. Mitte des 18.Jahrhunderts waren sowohl Österreich als auch Russland durch die Kriege im Reich, den Österreichischen Erbfolgekrieg und den Siebenjährigen Krieg, in Anspruch genommen. Als Katharina die Große 1768 den Krieg gegen die Osmanen wieder aufnahm, galt den Habsburgern nicht mehr der osmanische Sultan, sondern der preußische König Friedrich der Große als Hauptgegner. Die Habsburger schlossen 1771 sogar ein Bündnis mit den Osmanen, um einen russisch-türkischen Frieden zu vermitteln und so einen russischen Vorstoß auf den Balkan zu verhindern. Dann aber schreckte Maria Theresia doch vor einem Bündnis mit den Ungläubigen gegen eine christliche Macht zurück, so dass Russland 1774 im Frieden von Kütschük Kainardschi bedeutenden Gebietszuwachs erringen konnte. Nach dem Tod Maria Theresias näherte sich Joseph II. Russland wieder an, sowohl um das russisch-preußische Bündnis zu brechen, als auch um die Aufteilung des Osmanischen Reiches zwischen Österreich und Russland in die Wege zu leiten. Parallel zum Russisch-Türkischen von 1787 bis 1792 unternahm Joseph II. ab 1787 einen Vorstoß gegen die Osmanen; 1789 fiel Belgrad wieder an die Österreicher, und 1791 siegten sie bei Kalafat. Der Frieden von Sistowa, den Josephs Bruder und Nachfolger Leopold II. 1791 mit den Osmanen schloss, brachte Österreich nur minimalen Gebietszuwachs und bestätigte mehr oder weniger den territorialen Status quo. Die Grenze zwischen dem Habsburgerreich und dem Osmanischen Reich blieb bis zur territorialen Neuordnung des Balkans auf dem Berliner Kongress von 1878 weitgehend stabil; Österreich konzentrierte sich nach 1791 vor allem auf die Konsolidierung seines Besitzes auf dem Balkan und hielt sich in der Folge aus den Russisch-Türkischen Kriegen, die schließlich in der Orientalischen Frage mündeten, heraus. Im Zuge der Türkenkriege dehnten die österreichischen Habsburger ihr Reich nach Südosten aus und stiegen zur europäischen Großmacht auf. Seite 2