KLIMAREPORT INTERNATIONAL K L I M A R E P O RT I N T E R N AT I O N A L www.kas.de ISBN 978-3-939826-67-5 3 | V O R W O RT IMPRESSUM 5 | EINLEITUNG Herausgeber Konrad-Adenauer-Stiftung 9 | EUROPA UND NORDAMERIKA Internationale Zusammenarbeit Klingelhöferstraße 23 43 | L AT E I N A M E R I K A 10907 Berlin 57 | A S I E N Verantwortlich Dr. Gerhard Wahlers 85 | N A H E R O S T E N U N D N O R D A F R I K A Redaktion 93 | A F R I K A S Ü D L I C H D E R S A H A R A Dr. Nino Galetti, Dr. Hartmut Grewe 109 | R E S Ü M E E Texte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Konrad-Adenauer-Stiftung Gestaltung und Realisierung SWITSCH KommunikationsDesign, Köln workstation gmbh | produktionsservice für analoge und digitale medien, Bonn Fotos KAS, gmp-architekten, dpa Picture-Alliance, fotolia gedruckt auf Planoart, FSC-Zertifiziert © 2007 Konrad-Adenauer-Stiftung 3 V O R W O RT Extreme Wetterphänomene in der ganzen Welt, die Berichte des Weltklimarats der Vereinten Nationen (IPCC) und der Report von Sir Nicolas Stern sowie der Dokumentarfilm „Eine unbequeme Wahrheit” des ehemaligen US-Vizepräsidenten und Friedensnobelpreisträgers Al Gore haben den globalen Klimawandel in den Fokus des öffentlichen Interesses gerückt. Die Intensität von Überflutungen, Orkanen und Dürren sowie das rasante Abschmelzen von Gletschern zeigen, dass der Klimawandel im Gange ist. Die deutsche Bundesregierung hat den Klimaschutz zu einem Schwerpunkt ihrer Arbeit erklärt. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Bemühungen um den Klimaschutz in den Mittelpunkt der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 und des deutschen Vorsitzes im Kreis der G8-Staaten gestellt. Auf ihr Betreiben hin beschlossen die 27 Staats- und Regierungschefs beim EU-Gipfel im März 2007 in Brüssel, bis 2020 den Ausstoß der Treibhausgasemissionen um 20 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Beim Gipfeltreffen der G8-Staaten im vergangenen Juni in Heiligendamm einigten sich die Staats- und Regierungschefs auf das Ziel, die globalen CO2-Emissionen bis 2050 um die Hälfte zu verringern. Dies waren wichtige Signale im Vorfeld der Weltklimakonferenz im Dezember 2007 in Bali, wo die Zukunft der im KyotoProtokoll festgelegten Regelungen im Mittelpunkt der Verhandlungen stehen wird. Die Gefahren, die vom Klimawandel ausgehen, sind erkannt. Auch wenn es unter Wissenschaftlern noch vereinzelt Zweifel an den Ursachen der globalen Erderwärmung gibt, gelten die weltweiten Klimaveränderungen selbst inzwischen als eine Tatsache, der Politik, Wirtschaft und Gesellschaft auf der ganzen Welt rasch durch wirkungsvolle Maßnahmen begegnen müssen. Es gilt als sicher, daß die durch den Klimawandel provozierten Veränderungen weitreichende Auswirkungen auf Stabilität und Sicherheit in vielen Regionen der Welt haben werden. Für Bundeskanzlerin Angela Merkel ist die Reduktion von Treibhausgasen im Rahmen einer aktiven Klimaschutzpolitik daher eine „moralische und wirtschaftliche Notwendigkeit”. Deutschland und die EU können und müssen eine Vorreiterrolle und eine Vorbildfunktion in der Welt einnehmen. Zwar gehört die Klimaschutzpolitik nicht zu dem Kernaufgaben der Internationalen Arbeit Politischer Stiftungen. Da Klimaschutz und Energieversorgung jedoch zu den großen politischen Herausforderungen unserer Zeit zählen und in Zukunft erhebliche Auswirkungen auf das friedliche Zusammenleben der Menschen haben können, befasst sich die Konrad-Adenauer-Stiftung auch mit diesem Thema. Die Stiftung kann einen Beitrag dazu leisten, die politischen Eliten in den Einsatzländern für das Thema zu sensibilisieren und im Rahmen des politischen Dialogs Wege aufzuzeigen, wie nachhaltiger Umwelt- und Klimaschutz praktiziert werden können. Beim vorliegenden „Klimareport International” hat die Konrad-Adenauer-Stiftung eine Bestandsaufnahme gemacht. Wir haben unsere Auslandsmitarbeiter in über 50 Ländern gefragt, wie der Klimawandel vor Ort wahrgenommen wird. Unser Ziel war es, einen Überblick über die Auswirkungen des Klimawandels und den Umgang mit dem Klimaschutz zu erstellen. An fünf Leitfragen konnten sich die Auslandsmitarbeiter der KAS dabei orientieren: Wie verläuft der Diskurs zum Klimawandel im Einsatzland? Welche folgen des Klimawandels werden als akute Probleme gesehen? Welche Reaktionen gab es auf den Bericht von Sir Nicolas Stern und auf den Bericht des IPCC? Wie geht die Politik mit der Problematik um? Wer sind die Akteure? 4 Keiner der Auslandsmitarbeiter der Konrad-Adenauer-Stiftung ist ausgewiesener Klimaexperte. Insofern sind die in diesem Report versammelten Beiträge keine klimatologisch fundierten Artikel über Ursachen und Auswirkungen des Klimawandels. Aber alle Auslandsmitarbeiter sind versierte Kenner des politischen Umfelds in ihren Einsatzländern. Jeder kann eine genaue Einschätzung darüber abgeben, welchen Stellenwert die Maßnahmen zum Klimaschutz jenseits der feierlichen Deklarationen im Rahmen internationaler Konferenzen im politischen Tagesgeschäft wirklich haben. Insofern dienen die einzelnen Länderberichte zur Information über die Wahrnehmung und die nationalen Befindlichkeiten in der Frage von Klimawandel und Klimaschutz. Das Ergebnis ist mitunter ernüchternd. Während der Klimawandel in Deutschland in den vergangenen Monaten die öffentliche Debatte beherrscht hat, stehen in zahlreichen Ländern im Bereich der Umweltpolitik die Lösung ganz konkreter Probleme wie der Versorgung mit sauberem Trinkwasser, der Gesundheitsrisiken durch Smog und Abgase sowie der geregelten Müllentsorgung auf der Tagesordnung. Gegenüber solchen drängenden, das alltägliche Leben und Überleben betreffenden Fragen erscheint die Minderung von Treibhausgasemissionen nachrangig. Für zahlreiche Staaten scheint die eigene wirtschaftliche Entwicklung wichtiger zu sein als der Schutz des Weltklimas. Der wirtschaftliche Aufbau, die Verbreitung von Wohlstand und die Abfederung sozialer Verwerfungen überragen die Sorge um Klima- und Umweltschutz in der öffentlichen Wahrnehmung und letztlich im politischen Stellenwert. Im Grunde genommen sind es nur die west- und nordeuropäischen Nachbarn Deutschlands, die die klare Haltung der Bundesregierung im Bereich der Klimaschutzpolitik teilen. Selbst ein Land wie Spanien gehört zu den weltweit großen Klimasündern und überschreitet die im Kyoto-Protokoll zugestandenen Emissionswerte um über 35 Prozent. Konsequenz für die internationale Arbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung ist, daß wir stärker als bisher die Aspekte des Umwelt- und Klimaschutzes in unseren Maßnahmen thematisieren und damit die internationale Klimaschutzpolitik der Bundesregierung flankierend unterstützen werden. Die Konrad-Adenauer-Stiftung lädt den Leser ein, die Klimaschutzpolitik einzelner Ländern besser kennenzulernen. Nach einem kurzen Einstieg in die Historie der internationalen Bemühungen um den Klimaschutz folgen – aufgeteilt nach Kontinenten und Regionen – die Berichte der Auslandsmitarbeiter. In einem ausführlichen Resümee werden die Erkenntnisse zusammengefaßt und Schlußfolgerungen gezogen. Für die redaktionelle Betreuung dieser Studie danke ich besonders unseren Mitarbeitern Dr. Nino Galetti aus der Grundsatzabteilung der Internationalen Zusammenarbeit und Dr. Hartmut Grewe, Koordinator für Energie- und Umweltpolitik in der Hauptabteilung Politik und Beratung. Ich wünsche Ihnen eine interessante und aufschlußreiche Lektüre. Dr. Gerhard Wahlers Stv. Generalsekretär der Konrad-Adenauer-Stiftung EINLEITUNG 6 Z U R E N T W I C K L U N G D E R I N T E R N AT I O N A L E N KLIMAPOLITIK Nino Galetti Die UNEP initiierte in den folgenden Jahren zahlreiche Verträge zu spezifischen Umweltbereichen, etwa die Die Diskussion über die Erwärmung der Erdatmos- Konvention über den Handel mit bedrohten Tierarten phäre ist nicht neu. Seit über 35 Jahren wird vor einem (1973) oder ein Abkommen zum Schutz des Mittel- möglichen Klimawandel gewarnt. Der politische Pro- meers (1975). Gleichzeitig entstanden einer Reihe völ- zess zum Klimaschutz nahm seinen Beginn mit der kerrechtlich nicht bindender Erklärungen wie etwa die Umweltkonferenz der UNO in Stockholm 1972. Seit 1982 von der UN-Generalversammlung verabschiedete den 1960er Jahren führten zunehmende Industriali- Weltnaturcharta. Im Verlauf der 1980er Jahre zeigte sierung, steigende Bevölkerung und wachsender Pro- sich aber, daß die Umsetzung dieser Erklärungen und Kopf-Verbauch zu erheblichen Belastungen der Um- Abkommen häufig defizitär blieb, da es keine Sanktio- welt. Schweden hatte aufgrund des „sauren Regens”, nierungsmechanismen bei Verfehlungen gab. der in Skandinavien als Resultat weiträumiger Luftverschmutzung für gravierende Schäden an Wäldern, 1982, zehn Jahre nach Stockholm, kamen zahlreiche Böden und Seen sorgte, die Einberufung einer UN- Mitgliedsstaaten der UNEP zu einem ernüchternden Konferenz gefordert. Ergebnis. Unter diesem Eindruck berief die UN-Generalversammlung 1983 eine Kommission unter Leitung Da die Verschmutzung von Erdreich, Luft und Gewäs- der norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem sern zunehmend grenzüberschreitende Dimensionen Brundtland ein, deren Ziel es war, der internationalen annahm, schien politisches Handeln nicht mehr nur Umweltpolitik neue Impulse zu verleihen. Der als auf staatlicher oder regionaler Ebene sondern zuneh- „Brundtland-Bericht” bekannt gewordene Abschlußbe- mend auch auf globaler Ebene erforderlich. Zwar hatte richt trug den Titel „Unsere gemeinsame Zukunft” und es Regelungen zum Umgang mit der Umwelt schon wurde auf der UN-Generalversammlung 1987 vorge- zuvor gegeben, doch waren diese bis in die 1960er legt. Der Bericht griff erneut den Gegensatz zwischen Jahre hinein auf die Nutzung der Umwelt ausgerichtet. Umwelt und Entwicklung auf und prägte den Begriff Durch wachsende ökologische Missstände trat zuneh- der „nachhaltigen Entwicklung”. Wirtschaftliches Wachs- mend der Schutz der Umwelt in den Vordergrund. tum wurde positiv betrachtet, solange dieses umweltgerecht und nachhaltig war. Im Dezember 1968 beschloß die UN-Generalversammlung, eine internationale Umweltkonferenz im Jahr Zur Umsetzung des Berichts beschloss die UN-General- 1972 in Stockholm einzuberufen. Ergebnis dieser Kon- versammlung 1989, im Juni 1992 eine Weltkonferenz ferenz, an der die Ostblockstaaten nicht teilnahmen, über Umwelt und Entwicklung (United Nations Confe- war der Abschluß eines Grundsatz-Katalogs zum rence on Environment and Development – UNCED) Umgang mit der Umwelt. Bereits damals stand der in Rio de Janeiro einzuberufen. Die Konferenz sollte Grundwiderspruch zwischen Umweltschutz und wirt- Strategien und Maßnahmen entwickeln, mit denen die schaftlicher Entwicklung zur Debatte. Die Länder der Auswirkungen der Umweltzerstörung gebremst und Dritten Welt äußerten die Befürchtung, die von den eine nachhaltige Entwicklung gefördert werden. Die Industriestaaten geforderten Umweltschutzmaßnah- zunehmend von der Wissenschaft wahrgenommene men könnten sie an der eigenen wirtschaftlichen Ent- und nachgewiesene Erderwärmung und Zerstörung wicklung hindern. der Ozonschicht verlieh den Umweltfragen eine noch größere und weltumspannende Dimension, die eine Um diesen Widerspruch zu überbrücken, formulierten globale Handlungsweise notwendig machte. Gleichzei- die Konferenzteilnehmer den Grundsatz, daß Umwelt- tig hatten zahlreiche Unfälle und Havarien zu Lasten schutz nicht zu einer Behinderung der wirtschaftlichen der Umwelt und nicht zuletzt der verheerende Super- Entwicklung führen dürfe. Ein weiteres Ergebnis der GAU im Atomkraftwerk Tschernobyl den Glauben an die Umweltkonferenz von Stockholm war die Gründung des technische Beherrschbarkeit der Natur erschüttert und Umweltprogramms der Vereinten Nationen – UNEP, das zu einer Sensibilisierung für Umweltbelange geführt. fortan den institutionellen Rahmen für die Koordination der Umweltaktivitäten der UNO bildete. Das Sekre- Bei den rund zweieinhalb Jahre andauernden Vorberei- tariat der UNEP nahm 1973 seine Arbeit in Nairobi auf. tungen zur Konferenz von Rio wurden in Vertreter der Zivilgesellschaft – NROs aus dem Umwelt- und Entwicklungsbereich – einbezogen. Mit rund 5000 Teilnehmern war Rio die bis dahin größte völkerrechtliche Kon- 7 ferenz aller Zeiten. Entsprechend groß waren die Inte- Risiken des Klimawandels zu beurteilen und Strategien ressengegensätze. Wieder brach der Grundkonflikt auf: zur Bekämpfung des Klimawandels zu entwickeln. Die während die Industriestaaten an der Lösung globaler wissenschaftlichen Erkenntnisse des IPCC sind seither Umweltprobleme interessiert waren, befürchteten die eine entscheidende Grundlage für die internationale Entwicklungsländer durch verbindliche Regelungen Klimaschutzpolitik. zum Umweltschutz in ihren Entwicklungsmöglichkeiten eingeschränkt zu werden. Ein Kompromiß wurde im Die Klimarahmenkonvention war der Startpunkt für Leitbild der nachhaltigen Entwicklung gefunden, das einen kontinuierlichen internationalen Verhandlungs- im Rahmen der „Rio-Deklaration” in 27 – rechtlich prozess zum Schutz des globalen Klimas. Es war von nicht verbindlichen – Prinzipien konkretisiert wurde. Anfang an vorgesehen, daß nach dem Erdgipfel von An erster Stelle steht darin das „Recht auf Entwicklung”. Rio jährlich eine Konferenz aller Vertragsstaaten stattfindet, auf der das weitere Vorgehen beim internatio- Ein wichtiges Ergebnis der später als „Erdgipfel von Rio” nalen Klimaschutz behandelt wird. Die erste Folgekon- bezeichneten Konferenz war die Klima-Rahmenkon- ferenz fand im Februar 1995 in Berlin statt. Ihr Ziel vention, die die völkerrechtliche Vertragsgrundlage war es, die Verpflichtungen aus der Klimarahmenkon- für den internationalen Klimaschutz bildet und von vention umzusetzen. Ergebnis dieser Konferenz, auf 189 Staaten unterzeichnet worden ist. Sie verfolgt das dem die kurz zuvor ins Amt gekommene Bundesum- Ziel, die globale Erwärmung zu verlangsamen und auf weltministerin Angela Merkel den Vorsitz innehatte, einem Niveau zu halten, auf dem der Klimawandel war die Einigung, im Rahmen eines Zusatzprotokolls noch keine extremen Störungen verursachen. Alle Un- bis 1997 verbindliche Reduktionsziele und -fristen für terzeichner des Klimarahmenschutzabkommens haben die Industrienationen festzulegen. Dank des Verhand- sich verpflichtet, die geeigneten Maßnahmen zum lungsgeschicks der späteren Bundeskanzlerin verlieh Schutz des Klimas einzuleiten. Da die Industriestaaten diese als „Berliner Mandat” bekannte Regelung dem zu den Hauptverursachern der Treibhausgase zählen, internationalen Klimaschutzengagement einen neuen obliegt ihnen auch die Hauptverantwortung für die Impuls. Die Bundesrepublik Deutschland versprach Maßnahmen gegen den Klimawandel. Zwar lässt die bereits damals, den größten Beitrag zur Reduktion der Klimarahmenkonvention offen, ab wieviel Grad Erwär- Treibhausgase in den Industriestaaten leisten zu wollen. mung ernsthafte Störungen verursacht werden, doch geht die Wissenschaft davon aus, daß schon bei einer In dem 1997 auf der Weltklimakonferenz von Kyoto Erwärmung des Weltklimas von etwa 2 Grad ernsthafte beschlossenen Protokoll wurden schließlich erstmals Konsequenzen nicht mehr auszuschließen sind. rechtlich verbindliche Emissionshöchstmengen für dieIndustrieländer festgelegt. Die Industriestaaten Zu Beginn der 1990er Jahre waren die wissenschaft- verpflichteten sich, bis 2012 ihre Emissionen von Treib- lichen Erkenntnisse über den Klimawandel und die hausgasen um 5,2 Prozent gegenüber 1990 zu verrin- Methoden, ihm zu begegnen, noch wenig gesichert. gern. Dabei galten für die einzelnen Industriestaaten Aus diesem Grunde und wegen politischer Differenzen ganz unterschiedliche Reduktionsziele: Während sich wurde die UN-Klimakonvention als Rahmenabkommen Deutschland verpflichtete, insgesamt 21 Prozent weni- ausgestaltet. Diese Form erlaubte es den Verhand- ger Treibhausgase zu produzieren als 1990, verspra- lungspartnern, mit zunehmendem Wissen über den chen die USA eine Verminderung um 7 Prozent, Japan Klimawandel und mit wachsendem politischem Pro- und Kanada jeweils um 6 Prozent. Diese Reduktions- blembewußtsein das Instrumentarium für einen globa- ziele gelten bis zum Auslaufen des Kyoto-Protokolls im len Klimaschutz anzupassen. Jahr 2012. Um die weltweiten Erkenntnisse der Wissenschaft über Zur Erreichung dieser Ziele sieht das Kyoto-Protokoll den Klimawandel zu bündeln und ein einheitliches Bild flexible Instrumente vor: Neben Emissionshandel und über die drohenden Gefahren zu erhalten, hatten die Clean Development Mechanism (CDM) sind dies Joint Vereinten Nationen bereits 1988 gemeinsam mit der Implementation und die Anrechnung von Kohlenstoff- Weltorganisation für Meteorologie (WMO) einen aus Senken. Diese flexiblen Instrumente ermöglichen es rund 450 Wissenschaftlern aus 35 Staaten zusammen- allen Staaten, die zu einer Verminderung der Treibhaus- gesetzten Internationalen Sachverständigenrat für gasemissionen verpflichtet sind, zusätzliche Emissions- Klimawandel, das „Intergovernmental Panel on Climate rechte durch die Realisierung von Klimaschutzprojekten Change” (IPCC) ins Leben gerufen. Ziel des IPCC ist es, in anderen Ländern zu erlangen. Der Emissionshandel das Phänomen des Klimawandels zu erforschen, die nutzt ökonomische Instrumente zur Erreichung ökologischer Ziele und bindet auf diese Weise die Wirtschaftsunternehmen, die Emissionen verursachen, in die Maßnahmen zum Klimaschutz ein. 8 Damit das Kyoto-Protokoll in Kraft treten konnte, cierten Verbrauch fossiler Brennstoffe sowie durch mußten mindestens 55 Staaten, auf die mindestens eine veränderte Landnutzung und die Landwirtschaft 55 Prozent der weltweiten Emissionen entfallen, das verursacht ist. Regionale Klimamuster verändern sich, Abkommen ratifizieren. Nach der Ratifikation Rußlands extreme Wetterphänomene häufen sich. Die Intensität im Jahr 2005 war die 55er-Schwelle in beiderlei Hin- von Stürmen, Überschwemmungen oder Dürren hat sicht überschritten und damit der Weg für einen global zugenommen. Die weltweite Schneebedeckung ver- organisierten Klimaschutz frei. Deutschland ratifizierte ringert sich immer mehr. Gerade die Schnelligkeit der das Protokoll 2002. Insgesamt haben über 150 Staaten Klimaveränderungen erscheint dem IPCC als unge- das Kyoto-Protokoll unterzeichnet. wöhnlich. Nach Kyoto folgten Konferenzen in Buenos Aires (1998), Die Bundesregierung hat den Klimaschutz zu einem Bonn (1999), Den Haag (2000), Marrakesch (2001), Schwerpunkt ihrer Arbeit erklärt und in den Mittel- Neu Delhi (2002), Mailand (2003), Buenos Aires (2004), punkt der deutschen EU-Ratspräsidentschaft und des Montreal (2005) und Nairobi (2006). Diese Konferen- deutschen G8-Vorsitzes im Jahr 2007 gestellt. Auf Be- zen werden im Fachjargon auch als COP 1–12 (Con- treiben von Bundeskanzlerin Angela Merkel beschlos- ference of the Parties) bezeichnet. Sie beschäftigten sen die 27 Staats- und Regierungschefs beim EU- sich mit der konkreten Ausgestaltung der nicht unum- Gipfel im März 2007 in Brüssel, bis 2020 den Ausstoß strittenen flexiblen Mechanismen für den Klimaschutz. der CO2-Emissionen um 20 Prozent gegenüber 1990 Die Auswahl der Städte zeigt, daß der Klimaschutz als zu senken. Beim Gipfeltreffen der G8-Staaten im ver- globales Problem wahrgenommen wird. gangenen Juni in Heiligendamm einigten sich die führenden Staats- und Regierungschefs auf das Ziel, die Einen wichtigen Impuls erhielt die internationale Klima- globalen CO2-Emissionen bis 2050 um die Hälfte zu schutzpolitik durch den am 30. Oktober 2006 veröffent- verringern. Dies waren wichtige Signale im Vorfeld lichten Report des früheren Chefökonomen der Welt- der Weltklimakonferenz im Dezember 2007 in Bali. Die bank und derzeitigen Wirtschaftsberaters der britischen wichtigste Aufgabe der Klimakonferenz von Bali wird Regierung, Sir Nicolas Stern. Der von der britischen es sein, die Verhandlungen über ein Klimaschutzab- Regierung in Auftrag gegebene Bericht untersucht die kommen für die Zeit nach 2012 einzuleiten. Bis 2009 wirtschaftlichen Auswirkungen des Klimawandels. soll ein neues Abkommen ausgehandelt werden, das Dabei stützt sich Stern auf bestehende klimatologische nahtlos an die Regelungen des Kyoto-Protokolls an- Modelle, die eine durchschnittliche Erwärmung der schließt. Auf Bali müssen sich die Staaten über ein Erdatmosphäre um 2–5 Grad bis zum Jahr 2100 prog- Verhandlungsziel klar werden. Vor der UN-Klimaschutz- nostizieren. konferenz im September 2007 erklärte Bundeskanzlerin Merkel: „Der Klimawandel wird zu dramatischen Stern kommt zu dem Ergebnis, daß der Klimawandel Schäden führen, wenn wir nicht entschlossen handeln”. eine Bedrohung für die Grundelemente des menschlichen Lebens – etwa den Zugang zu Trinkwasser, die Dessen sind sich auch Staaten wie die USA bewusst. Lebensmittelproduktion, oder die Gesundheit – darstellt. Präsident George Bush und seine Administration lehnen Die Gefahr von Hungersnöten, massenhafter Migration, jedoch das Kyoto-Protokoll und die damit verbundenen Dürren, Überschwemmungen und Seuchen ist hoch. Verpflichtungen zur Reduktion von Treibhausgasen ab. Diese Auswirkungen des Klimawandels sind mit hohen Noch im September 2007 erklärte US-Außenministerin Kosten verbunden. Stern ist überzeugt: Wenn die Condoleeza Rice, dass die USA freiwillige, individuelle Menschheit rasch reagiert, können die schlimmsten und völkerrechtlich nicht bindende Vereinbarungen Auswirkungen vermieden werden. im Kampf gegen den Klimawandel favorisieren. Lange Zeit schien es, daß es das Ziel der US-Politik sei, die Auch die im Februar, April und Mai 2007 vorgestellten aufstrebenden Schwellenländer für dieses Modell zu ge- Berichte des IPCC sorgten in der öffentlichen Wahrneh- winnen und damit ein Gegenmodell zum Kyoto-Prozess mung für Aufmerksamkeit. Die Berichte geben Auf- zu etablieren. Inzwischen sichern die USA jedoch ihre schluß über den aktuellen wissenschaftlichen Kenntnis- Unterstützung für eine internationale Klimaschutzpoli- stand, über die sektorale und regionale Verwundbarkeit tik unter dem Dach der Vereinten Nationen zu. Klar sowie über politische und wirtschaftliche Handlungs- ist, dass sich ohne die Einbindung von China, Indien optionen. Danach lassen die jüngsten wissenschaft- und Brasilien kaum etwas in der Frage des globalen lichen Beobachtungen und Messungen keinen Zweifel Klimaschutzes bewegen wird. Ob sich andere aufstre- daran, dass der Klimawandel im Gange ist. Eine Erwär- bende Schwellenländer wie Südkorea, Saudi-Arabien mung der Erde um durchschnittlich 0,2 Grad pro De- oder Mexiko in das von den Europäern angestrebte kade ist wahrscheinlich. Bis 2050 prognostiziert der System des Kyoto-Protokolls einordnen oder sich für IPCC-Bericht eine durchschnittliche Erderwärmung von das Konzept der USA gewinnen lassen, ist derzeit aber rund 0,7 Grad. Es gilt als gesicherte Erkenntnis, daß noch eine offene Frage. der Klimawandel durch den seit rund 200 Jahren for- EUROPA UND NORDAMERIKA 10 G R O S S B R I TA N N I E N : D A S M U TT E R L A N D D E S K L I M A S C H U T Z E S ? Thomas Bernd Stehling Regenfälle, insbesondere im Herbst und Winter. Die direkten Folgen sind eine zu erwartende Knappheit WIE VERLÄUFT DER DISKURS ZUM von Trinkwasser während der Sommermonate, Verän- K L I M A W A N D E L I N I H R E M E I N S AT Z L A N D ? derungen bei Arten und Anbau von Agrarprodukten, eine hohe Zahl von Toten bei Hitzewellen, Stürmen Mit der Vorlage des Reports des britischen Regierungs- oder Überschwemmungen. Darüber hinaus wird vor beraters Sir Nicholas Stern im Oktober 2006 ist der dem Ausbrechen neuer Krankheiten oder der „Zufuhr” Klimawandel eines der zentralen Themen der öffentli- von in Europa bislang nicht auftretenden Krankheiten chen Debatte in Großbritannien geworden. Premiermi- gewarnt. Unstreitig ist auch, dass insbesondere die nister Blair nannte die Analysen und Bewertungen von ärmeren Teile der Bevölkerung betroffen sein werden. Sir Nicholas Stern „das wichtigste Dokument”, das in seiner Amtszeit auf seinen Schreibtisch gekommen sei. WELCHE REAKTIONEN GAB ES AUF DIE Stern hatte in seinem Papier gewarnt, der Klimawandel BEREITS VERÖFFENTLICHTEN TEILE DES könne die Welt in eine Wirtschaftskrise bringen, wie sie IPCC-BERICHTS? nur mit den zwei Weltkriegen vergleichbar sei. Nach dem Vorlauf in der öffentlichen Debatte durch den Kritiker nannten den nahezu 700 Seiten umfassenden Stern-Report ist der IPCC-Bericht weitgehend nüchtern Bericht „alarmistisch und inkompetent”. Zu den Ein- aufgenommen und diskutiert worden. Mehrheitlich wird wänden zählt, dass die Computersimulationen, mit in ihm die Bestätigung von bekannten Grundannahmen denen der CO2-Ausstoß der nächsten Jahrzehnte und gesehen, die es jetzt zu akzeptieren gelte. Die Bericht- seine Folgen für die Erderwärmung berechnet wurden, erstattung und Kommentierung behandelt dabei in die Komplexität der Entwicklungen nicht berücksichtig- erster Linie die globalen Folgen des Klimawandels und ten würden und lediglich von einer begrenzten Zahl befasst sich nur wenig mit den konkreten Konsequen- von Grundannahmen ausgingen. Stern selbst hat die zen für Großbritannien. Unstreitig ist dabei allerdings, Einwände mit dem Hinweis zurückgewiesen, sein dass das Land seinen Beitrag zur Eindämmung der Bericht sei lediglich ein Beitrag zur Klima-Diskussion, Folgen leisten will und muss. Dazu zähle auch eine andere könnten ihren leisten. Sein Team und er hätten Informationskampagne, die die Kenntnisse zum Klima- wahrscheinliche Entwicklungen beschrieben und die wandel verbreite. Umweltminister Miliband will dafür Probleme, die daraus folgen könnten, nicht notwendi- den Film von Al Gore „An Inconvenient Truth” an allen gerweise müßten. Schulen des Landes vorführen lassen. Spätestens mit der Vorlage des IPCC-Reports sind Weitgehende Übereinstimmung besteht unter den Par- wesentliche Grunddaten und Annahmen heute über- teien. Eine deutliche Mehrheit erkennt die Ergebnisse einstimmende Auffassung einer Mehrzahl von Wissen- des IPCC-Berichtes an. „Grüne Themen” sind in der schaftlern. Mit der Beschreibung der Probleme, ihrer Spitzengruppe der politischen Agenda, und die Tories Ursachen und Konsequenzen, steigen zugleich Hoff- führen ihren Kommunalwahlkampf 2007 unter dem nungen und Chancen auf eine sachgerechte Lösung. Motto „Vote blue, go Green 07”. Dies ist heute die mehrheitlich angesehene Grundlage, von der aus Entscheidungen für die Zukunft getroffen W I E G E H T D I E P O L I T I K M I T D E R P R O B L E M AT I K werden müssen. Bei aller bekannten Zurückhaltung UM? WER SIND DIE AKTEURE? der Briten gegenüber der Idee eines geeinten Europas: In dieser Frage besteht Konsens, dass nur länderüber- Die Konservativen unter David Cameron haben den greifend wirksame Instrumente zum Klimaschutz ge- Umweltschutz zu einem wichtigen Bestandteil ihres funden werden können. Versuches gemacht, der Partei ein neues Image zu verschaffen und sie für neue Wählerschichten zu öff- WELCHE FOLGEN DES KLIMAWANDELS WERDEN nen. Mit Bob Geldof für Themen der internationalen ALS AKUTE PROBLEME GESEHEN? Armutsbekämpfung und Zac Goldsmith für Umwelttheen hat sich Cameron externe Berater geholt, die Für Großbritannien wird übereinstimmend eine Erwär- Bestandteil dieses Bemühens sind. Inhaltlich sind mung von 2–3,5 Grad bis 2080 vorausgesagt, ein die Forderungen der Tories von der Absicht geprägt, Anwachsen des Meeresspiegels um 10–70 cm sowie mehr und heftigere Stürme, Hitzewellen und starke 11 die Regierung als entscheidungsschwach, reaktiv und zögerlich erscheinen zu lassen. Die Tories verlangten unmittelbar nach Vorlage des Stern-Reports ein Gesetz zur Bekämpfung des Klimawandels. Den von Umweltminister Miliband vorgelegten Entwurf bewerteten sie als verwässert und unzureichend. Die britische Regierung hat ihren Gesetzentwurf im März 2007 vorgelegt. Er ist seither Gegenstand von Anhörungen, Stellungnahmen und Diskussionen, die am 12. Juni abgeschlossen wurden. Ziel des Gesetzes ist die Verpflichtung, die Kohlendioxidemissionen „durch nationale und internationale Maßnahmen” gegenüber 1990 bis 2020 um 26–32 Prozent und bis 2050 um 60 Prozent zu reduzieren. Ein unabhängiges Komitee soll eingerichtet werden, das die Regierung bei der England erlebte im Sommer 2007 Überschwemmungen in bisher unbekannten Ausmaß. Umsetzung ihrer Ziele zum Klimawandel beraten soll und dabei die Entwicklungen der Umwelttechnologie, der Wirtschaft, der Finanzen sowie sozialer und inter- pflichtet der Gesetzentwurf die Regierung, dem Parla- nationaler Faktoren und die Energiepolitik im Auge ment regelmäßig zum Stand der Umsetzung der haben soll. Das Gesetz soll der Regierung ferner die Klimaziele zu berichten. Möglichkeit geben, neue Systeme beim Handel mit Emissionen einzuführen, die es ihr erlauben, die Rah- Die Regierung hat ferner umfangreiche Maßnahmen in menvorgaben des Haushalts und der Emissionsziele ihrem „UK Climate Change Programme” zusammenge- zu beachten. Das Komitee soll dem Parlament einmal fasst. Es enthält die einzelnen Schritte zur Reduzierung jährlich einen Bericht vorlegen, der mit einer Stellung- der Treibhausgas-Emissionen und beschreibt die Pläne nahme der Regierung zu versehen ist. Daneben ver- der britischen Regierung national wie international. DÄNEMARK: IN VORBEREITUNG AUF DIE W E LT K L I M A K O N F E R E N Z 2 0 0 9 I N K O P E N H A G E N Thomas Bernd Stehling auch im Rest der Welt” einzutreten. Dänemark zeige, dass „Wirtschaftswachstum ohne Erhöhung von Treib- WIE VERLÄUFT DER DISKURS ZUM hausemissionen” möglich sei. KLIMAWANDEL IN DÄNEMARK? Und in der Tat hat Dänemark eine unaufgeregte und Die Dänen erfreuen sich an der internationalen Aner- zugleich entschlossene Veränderung seiner Energie- kennung, die ihre Umwelt- und Klimapolitik erfährt. politik auf den Weg gebracht, die Früchte trägt. Die So haben die Vereinten Nationen entschieden, die Welt- Nutzung erneuerbarer Energien, insbesondere der klimakonferenz 2009 mit rund 10.000 Delegierten und Windkraft und Biomasse, nimmt bereits seit geraumer Beobachtern aus 170 Ländern in Kopenhagen durch- Zeit einen festen Platz in der Diskussion über die Alter- zuführen. Er ist Teil der UN „Framework Convention nativen zu Gas und Öl ein. Im Mai wurde in Nakskov on Climate Change (FCCC)” und soll die Debatte über auf Lolland das erste Wasserstoff-Kraftwerk eingeweiht. eine Anschluss-Vereinbarung zum Kyoto-Protokoll für Die Anlage soll nicht genutzte Produktionen der Wind- die Zeit nach 2012 aufnehmen. kraftwerke nutzen, die sonst verloren gingen. Der frühere US-Präsident Bill Clinton hat in einer Rede Umweltbewusstsein und die Sorgen um die Folgen im dänischen Arhus das Land für seinen „Kampf gegen des Klimawandels sind grundsätzlich in Dänemark bei die globale Erwärmung” gelobt und Bevölkerung und Bevölkerung und den Verantwortlichen in Politik und Regierung aufgefordert, für „eine CO2-Reduzierung 12 Wirtschaft seit langem verankert. Gleichwohl hat Umweltministerin Connie Hedegaard ihre Landsleute noch einmal daran erinnert, dass es in den 70iger und 80iger Jahren möglich war, durch Energiesparkampagnen den Energieverbrauch auf dem Stand von 1970 zu halten, während sich das Bruttosozialprodukt in der selben Zeit verdoppelt habe. Dies sei weitgehend durch energiebewusstes Verhalten im privaten Bereich möglich geworden. Gleiches müsse heute geschehen, wenn die CO2Emissionen deutlich gesenkt werden sollen. Eine aktuel- Dänemark möchte 30 Prozent seines Energiebedarfs mit erneuerbaren Energien decken. le Umfrage hatte zuvor gezeigt, dass die Dänen ihren persönlichen CO2-Verbrauch um rund ein Drittel unterschätzen. Inhalte an Schulen und Hochschulen als Teil einer breiteren Unterrichtung zu Themen des Umweltschutzes WELCHE FOLGEN DES KLIMAWANDELS WERDEN und der Energieversorgung diskutiert. ALS AKUTE PROBLEME GESEHEN? W I E G E H T D I E P O L I T I K M I T D E R P R O B L E M AT I K Die dänische Regierung hat in ihrem Bericht UM? WER SIND DIE AKTEURE? „Denmark’s Fourth National Communication on Climate Change” folgendes festgestellt: ■ Die Regierung hat bereits mit ■ der „Nationalen Klima Strategie” für Dänemark (2003), Nach den vorliegenden Analysen wird der generelle ■ der Abfall Strategie (2003), Trend für Dänemark im Zeitraum 2071–2100 im ■ der Energie Strategie bis 2025 (2005), Vergleich zum Zeitraum 1961–1990 einen Tempe- ■ dem Aktionsplan für energiesparende Maßnahmen raturanstieg von 3–5 Grad ergeben. Die stärkste (2005) Erwärmung nachts, keine wesentlichen Unter- ■ ■ schiede zwischen den Entwicklungen im Sommer wesentliche Grundlagen für eigene Schritte zum Klima- oder Winter, allerdings mit weniger Frost und und Umweltschutz getan. Die Einführung einer CO2- Schnee. Quote dient darüber hinaus der Umsetzung der Verein- 10–40 Prozent mehr Niederschläge im Winter und barungen in der EU. Teil des Energie-Plans bis 2025 ein Rückgang von Niederschlägen im Sommer von ist die Steuerbefreiung von Wasserstoff-betriebenen 10–25 Prozent. Längere Trockenzeiten im Sommer, Autos, die Erhöhung von Forschungsmitteln von 64 Mil- dafür heftiger Regen, insbesondere im Herbst. lionen auf 127 Millionen Euro pro Jahr, die Festlegung, Trend zu mehr regulärem westlichen Wind und den Anteil der erneuerbaren Energien auf 30 Prozent leichter Anstieg von Stürmen über Dänemark, zu erhöhen und den Energieverbrauch um durch- verbunden mit einem Anstieg des Meeresspiegels schnittlich 1,25 Prozent pro Jahr zu senken. Bis 2020 in extremen Wetterbedingungen um 5–10 Prozent sollen 10 Prozent des Treibstoffes aus Biomasse ge- (0,3 m an der Westküste) zusätzlich zu dem vom wonnen werden. IPCC erwarteten generellen Anstieg von 0,1–0,9 m über heutigem Meeresspiegel. Die Regierung hat zur Kontrolle und kostensparenden Umsetzung ihrer Beschlüsse ein „Klima-Komitee” Nur wenige Unterlagen gibt es bislang zu Nebenfolgen eingerichtet, dem Vertreter des Finanzministers, des des Klimawandels für Dänemark, also z.B. den Auswir- Wirtschaftsministers, des Landwirtschaftsministers, des kungen für den Tourismus, „Umweltflüchtlinge”, die Außenministers, des Verkehrs- und Energieministers Preise bzw. den Subventionsbedarf für Agrarprodukte und des Umweltministers angehören. Hinzu kommen oder die Kosten für die Sicherung der 7400 km Kü- die dänische Energiebehörde und die Umweltschutz- stenlinie. agentur (EPA), die auch den Vorsitz führt. Das Komitee überwacht mögliche Abweichungen von den Zielen zum W E LC H E R E A K T I O N E N G A B E S A U F D I E B E R E I T S Abbau von Treibhausgasen und koordiniert die natio- V E R Ö F F E N T L I C H T E N T E I L E D E S I P C C- B E R I C H T S ? nalen Politiken sowie die Einhaltung der internationalen Verpflichtungen Dänemarks. Die dänische Regierung trägt den IPCC-Bericht mit und fühlt sich seinen Vereinbarungen und Zielen verpflichtet. Die Reaktionen darauf waren im Lande selbst positiv und unterstützend. Neben der politischen Debatte nimmt die bürgerschaftliche Beteiligung breiten Raum ein. Darüber hinaus werden die wesentlichen 13 FINNLAND: FA L L E N D E H E I Z K O S T E N D U R C H D E N K L I M A W A N D E L ? Thomas Bernd Stehling WELCHE REAKTIONEN GAB ES AUF DIE BEREITS VERÖFFENTLICHTEN TEILE DES WIE VERLÄUFT DER DISKURS ZUM IPCC-BERICHT ? K L I M A W A N D E L I N I H R E M E I N S AT Z L A N D ? Die Reaktionen in Finnland enthalten nach Angaben Die erste umfangreiche finnische Studie zum Klima- der öffentlichen finnischen Rundfunkgesellschaft YLE wandel zeigt, dass eine deutliche Mehrheit der Fin- eine nachdrückliche Warnung vor Überschwemmungen nen, unabhängig von Alter, Geschlecht oder Herkunft, und starken Regenfällen. Der dafür im Ministerium davon ausgeht, dass der Klimawandel ein vom Men- für Land- und Forstwirtschaft eingesetzte Koordinator schen verursachtes Problem ist. Kaum ein anderes kündigte bereits 2006 sofortige „Anpassungsmaßnah- Thema findet vergleichbaren Konsens. Die besondere men” an, um Überschwemmungen und starkem Re- Verbundenheit der Finnen zu ihrem natürlichen Um- genfall gewachsen zu sein. Der kürzlich veröffentlichte feld sowie der durch die langen, kalten Wintermonate Bericht wurde bei einem Seminar an der Universität und durch die Überwindung der Distanzen bedingte Helsinki vorgestellt, die mit einem auf fünf Jahre an- hohe Bedarf an Brenn- und Treibstoff haben ein star- gelegten Forschungsprojekt die finnischen Reaktionen kes Bewusstsein für die Probleme von Klimawandel auf den Klimawandel begleitet (Climate Change Adap- und Energieversorgung geschaffen. Allein die 1300 tation Research Programme, ISTO). Kilometer lange Grenze mit Russland fördert dabei die Einsicht, dass nationale Alleingänge keine Antwort W I E G E H T D I E P O L I T I K M I T D E R P R O B L E M AT I K geben können. UM? WER SIND DIE AKTEURE? In diesem Zusammenhang richten sich große Erwar- In Finnland ist das Umweltministerium für Strategien, tungen an die Handlungsfähigkeit der Europäischen Maßnahmen und Kontrolle der Maßnahmen im Um- Union. Gäbe es die EU noch nicht, müsste sie eigens weltbereich zuständig. 13 regionale Umweltzentren für diesen Zweck gegründet werden. Die Studie zeigt, unterstützen das Ministerium dabei vor Ort, ergänzt dass sich die Finnen einig sind: Wird nichts unternom- um die zuständigen kommunalen Stellen. men, sieht die Zukunft düster aus. Ministerien wie auch private und unversitäre EinrichtunWELCHE FOLGEN DES KLIMAWANDELS WERDEN gen sind nicht erst seit Veröffentlichung der jüngsten ALS AKUTE PROBLEME GESEHEN? Berichte mit den Problemen des Klimawandels und seinen Folgen für Finnland beschäftigt. So haben bereits Es besteht die Sorge, dass insbesondere Lapplands unter der Koordinierung durch das Finnische Umwelt natürliche Umgebung von einer Klimaerwärmung Institut (SYKE) elf Forschungsinstitute und mehr als schwerwiegend betroffen sein könnte. Obwohl eine 60 Wissenschaftler an dem Projekt FINADAPT gearbei- kontinuierliche Klimaerwärmung auch zu einer vorerst tet, der ersten umfassenden Studie zu den Auswirkun- längeren Vegetationszeit und zu fallenden Heizkosten gen des Klimawandels und den notwendigen Reaktionen führen würde, werden jedoch langfristig regelmäßige in Finnland darauf. Der im März dazu vorgelegte Bericht Überschwemmungen vorausgesagt. Sie werden be- gibt den Entscheidungsträgern des Landes, aber auch dingt durch starke Niederschläge sowie das Schmelzen der Bevölkerung selbst, umfangreiche Bewertungen und von Eis und Schnee. Nach den Prognosen werden Empfehlungen. die Temperaturen zwischen 1990 und 2100 zwischen 1,4 und 5,8 Grad ansteigen. Dies wird erheblichen Ein- Das vom finnischen Landwirtschaftsministerium, dem fluss auf viele Tier- und Pflanzenarten haben. Umweltministerium und dem Ministerium für Verkehr und Kommunikation geförderte „Climate Change Auch für die urbanen Teile des Landes gelten Vorbe- Adaption Research Programme” hat weitere 15 For- reitungsmaßnahmen. Architekten und Städteplaner schungsprojekte gestartet. Sie befassen sich u.a. mit arbeiten an Konzepten zum besseren Umgang mit der Zukunft von Landwirtschaft, Forsten, Trinkwas- starken Niederschlägen und Überflutungen. serversorgung, Bau, Stadt- und Regionalplanung sowie der biologischen Vielfalt. Ziel ist dabei, präzise Auskünfte zu erhalten, die den politisch Verantwortlichen wie auch jedem finnischen Bürger beim Umgang mit dem Klimawandel weiterhelfen. 14 NORWEGEN: DAS DILEMMA EINES U M W E LT B E W U S S T E N E R D Ö L F Ö R D E R E R S Thomas Bernd Stehling und im Meer feststellen können. Zugvögel kehren früher aus ihren Winterquartieren zurück, Tiere sind WIE VERLÄUFT DER DISKURS ZUM früher geschlechtsreif, Produktions- sowie die Repro- KLIMAWANDEL IN NORWEGEN? duktionsraten sind höher, Bäume blühen früher. Norwegen hat vom 3.–5. Juni 2007 in Tromso den Besonders auffällig sind die Temperatursteigerungen „World Environment Day” der Vereinten Nationen aus- in den arktischen Gegenden von Norwegen. Während gerichtet. Besondere Aufmerksamkeit fanden dabei die die Temperaturen im Lande insgesamt 2003 1,3 Grad auch für Norwegen relevanten Themen wie die Folgen über dem Durchschnitt lagen, waren es auf Spitz- des Abschmelzens von Eis und Schnee sowie die Zu- bergen 2,3 Grad, 2004 1,4 zu 2,3 Grad, 2005 1,5 zu kunft der Polarbären. Wie auch die anderen Nordischen 3,6 Grad. 2006 lag die Temperatur in Norwegen ins- Länder ist Norwegen in besonderer Weise engagiert, gesamt um 1,8 Grad über dem Durchschnitt, auf wenn es um den Schutz der natürlichen Umwelt geht. Spitzbergen waren es beachtliche 5 Grad über der Anders verläuft indes die Debatte über einige der Maß- Durchschnittstemperatur, der höchste Wert, der seit nahmen zur Bekämpfung des Klimawandels. 1934 gemessen wurde. Bevorzugt durch das Nordsee-Erdöl ist Norwegen zur Die Anhebung des Meeresspiegels wird auch in Norwe- Zeit weniger als andere Länder bei der Entwicklung gen zu erhöhtem Risiko für Überschwemmungen führen und Nutzung alternativer Energien beteiligt. Darüber und wertvolle Ökosysteme am Meer beeinflussen und hinaus ist die Regierung in Oslo ein entschiedener gefährden. Gegner der Atomkraft und hat jüngst zusammen mit Irland, Island und Österreich die britische Regierung WELCHE REAKTIONEN GAB ES AUF DIE nachdrücklich aufgefordert, ihre Pläne zur Nutzung BEREITS VERÖFFENTLICHTEN TEILE DES der Atomenergie als Alternative zu fossilen Brennstof- IPCC-BERICHTS? fen zu überdenken. Nach Auffassung der Umweltministerin Helen Bjørnøy Norwegen, das zu den Unterzeichnerstaaten des stellt der IPCC-Bericht eine wichtige Dokumentation Kyoto-Protokolls gehört und zugesagt hat, die CO2- für den Bedarf an politischem Handeln dar. Der Bericht Emissionen bei 1 Prozent über dem Stand von 1990 bestätige, dass der Klimawandel vom Menschen verur- zu stabilisieren, muss einräumen, dass die Emissionen sacht wird und die Folgen gravierender sein werden, zwischen 1990 und 2004 um 10 Prozent gestiegen sind als bisher erwartet. Die IPCC-Untersuchung werde und ohne einschneidende Maßnahmen bei 22 Prozent großen Einfluss auf internationale Verhandlungen zur über den Kyoto-Vereinbarungen für den Zeitraum von Verringerungen von Emissionen haben. Die Umweltmi- 1990–2010 liegen werden. Eine Steigerung um 34 Pro- nisterin bestätigt, dass Norwegen und die EU ein Ziel zent ist sogar denkbar, wenn die gasbetriebenen Heiz- zur Begrenzung des Anwachsens der Temperaturen kraftwerke in ihrer bisherigen Form weitergenutzt von maximal 2 Grad vereinbart haben. Die norwegische werden. Regierung ist der Auffassung, dass die bestehenden Vereinbarungen unter dem Kyoto Protokoll als Antwort WELCHE FOLGEN DES KLIMAWANDELS WERDEN auf die Herausforderung bei weitem nicht ausreichend ALS AKUTE PROBLEME GESEHEN? ist. Sie fordert „ambitioniertere Vereinbarungen”, die bedeutendere und nachhaltigere Verringerungen von Die Effekte des Klimawandels auf die norwegische Emissionen sicherstellen. Norwegen werde seinen Teil Umwelt sind bereits zu beobachten und bedeutende der Verantwortung übernehmen. Veränderungen der Lebensräume und Spezies’ sind zu erwarten. Traditionelle Freizeitaktivitäten werden W I E G E H T D I E P O L I T I K M I T D E R P R O B L E M AT I K ebenfalls von den klimatischen Veränderungen beein- UM? WER SIND DIE AKTEURE? flusst. Wie auch andere Länder will Norwegen den eingeDurchschnittstemperaturen in Norwegen werden wei- tretenen und für die nähere Zukunft zu erwartenden terhin ansteigen, das gleiche gilt für Treibhausgas- Folgen des Klimawandels begegnen und begrenzen. emissionen. In Norwegen hat man bereits die Auswir- Dahinter steht die Einsicht, dass sich der Klimawandel kungen von steigenden Temperaturen sowohl an Land fortsetzen wird, selbst wenn es gelänge, vom Men- 15 schen verursachte Treibhausgase sofort zu stoppen. Wegen ihrer langen Lebenszeit werden die bereits in der Atmosphäre befindlichen Gase weiterhin Einfluss auf unsere Umwelt haben. Die Norweger verfügen mit einem im zweiten Halbjahr 2005 von der „Norwegischen Kommission für geringe Emissionen” vorgelegten Bericht über eigenes Datenmaterial zu den Folgen des Klimawandels. In Ergänzung dazu ist es Aufgabe der „State of the Environment Norway”-Agentur, regelmäßig aktuelle Informationen und Erkenntnisse zur Entwicklung der Umwelt in Norwegen vorzulegen. Sie sind Grundlage für Entscheidungen und Strategien der Regierung und der ihr nachgeordneten Behörden. Der Klimawandel ist auch eine Bedrohung für die Tierwelt am Nordpol. SCHWEDEN: BIS 2020 ERDÖLFREI? Thomas Bernd Stehling WELCHE FOLGEN DES KLIMAWANDELS WERDEN ALS AKUTE PROBLEME GESEHEN? WIE VERLÄUFT DER DISKURS ZUM K L I M A W A N D E L I N I H R E M E I N S AT Z L A N D ? Zwischen 1990 und 2005 hat es im Vergleich zum Zeitraum 1961–1990 eine Erwärmung um ca. 1 Grad gege- Aktuelle Studien zeigen, dass die Debatte über den ben. Ein bedeutenderer Anstieg ist im Winter mit rund Klimawandel zu einem zentralen Bestandteil der politi- 2 Grad in den zentralen und nördlichen Teilen des Landes schen und gesellschaftlichen Agenda in Schweden zu verzeichnen. Der Niederschlag hat in den meisten geworden ist. So äußern laut Sifo-Forschungsinstitut Landesteilen zugenommen, in einigen Teilen des Landes mehr als 60 Prozent der Schweden ihre Besorgnis zwischen 15 Prozent und 20 Prozent. 2003 und 2004 über die Klimaveränderungen, darunter mehr Frauen wurde Südschweden im Sommer von schweren Regen- als Männer und mehr Jüngere als Ältere. Eine Mehr- fällen heimgesucht. Die Zunahme der Regenfälle über- zahl von ihnen, so die Demoskopischen Institute, wäre steigt die errechneten Erwartungen. zur Senkung des eigenen Lebensstandards bereit, um die globale Erderwärmung zu senken. Szenarios zu den Folgen eines globalen Temperaturanstieg für Schweden sind vom Rossby Centre des „Swedish Die schwedische Regierung hat den Umweltschutz und Meteorological and Hydrological Institute (SMHI)” erarbei- den Kampf gegen den Klimawandel zu einem zentra- tet worden. Diese Szenarios zeigen, wie sich die Tempera- len Bestandteil ihrer Politik gemacht. So hält sie auch tur, der Niederschlag, die Schneedecke und Vegetation an der Absicht fest, die Kohlendioxidemissionen bis verändern wird, sollte die Kohlendioxidkonzentration in zum Jahr 2020 um mindestens 30 Prozent zu verrin- der Atmosphäre weiter zunehmen. Für Schweden lägen gern. Die EU-Umweltminister hatten sich für den glei- die Konsequenzen über dem weltweiten Durchschnitt. chen Zeitraum auf eine Reduzierung um 20 Prozent So würde eine globale Temperaturzunahme von 2,6 Grad geeinigt. zu einem durchschnittlichen Temperaturanstieg von ca. 3,5 Grad in Schweden führen. Voraussichtlich wird bis Kontrovers verläuft auch in Schweden die Diskussion 2100 die Durchschnittstemperatur in Schweden zwischen über den künftigen Energieformen. Die Tageszeitung 2,5 und 4,5 Grad zunehmen. Die Temperaturzunahme ist Dagens Nyheter berichtete am 11. Mai 2007, dass im Winter bedeutender als in den Sommermonaten. gemäß einer Studie des WWF 16 der „schmutzigsten” Kraftwerke Europas vom schwedischen Unternehmen Es werden folgende Auswirkungen erwartet: Überflutun- Vattenfall betrieben werden. Diese Kraftwerke befin- gen werden an den Küsten als auch in Seegebieten und den sich zwar in Deutschland, das Unternehmen geriet Flusslandschaften ernsthafte Gefahren verursachen. In jedoch auch in Schweden unter heftige Kritik. Nordschweden sind zunehmende Regenfälle zu erwarten, 16 in Südschweden dagegen Dürre und Wassermangel. zurückgegangen. Nach Angaben der schwedischen Re- Die Temperaturzonen werden sich in Richtung Norden gierung liegt der Anteil an erneuerbaren Energien bei verlagern und die Vegetationsperiode wird sich um heute 28 Prozent. Dahinter verbergen sich überwie- 2 bis 3 Monate verlängern. gend Biomasse und Windkraft. WELCHE REAKTIONEN GAB ES AUF DIE BEREITS Bereits die Vorgänger-Regierung hatte Erfolge mit V E R Ö F F E N T L I C H T E N T E I L E D E S I P C C- B E R I C H T S ? ihrer Energie-, Transport-, Umwelt- und Steuerpolitik, die 2005 als „Sweden’s demonstrable progress report” Die schwedische Regierung sieht den IPCC-Bericht als als Teil der „Convention on Climate Change” veröf- eine Bestätigung des von der Koalition beschlossenen fentlicht wurden. Neue Entscheidungen sind seither umweltpolitischen Kurses. Zugleich weist sie auf die hinzugetreten, etwa die Besteuerung von Kraftfahr- internationale Verknüpfung des Problems hin. Da nicht zeugen gemessen an ihren CO2-Emissionen, die alle Länder die Möglichkeit oder den politischen Willen Steuerbefreiung von biologischen Kraftstoffen oder hätten, bis zum Jahr 2050 auf erneuerbare Energien die Verlängerung von Zuschüssen für „Climate zu wechseln, werde bei einem Verzicht auf Kohle und Investment Programmes (KLIMP)”. Öl die Atomkraft eine wichtige Rolle spielen. Der IPCCBericht enthalte die positive Botschaft, dass bei ent- Die schwedische Regierungskommission für die Unab- sprechendem politischem Willen die Mittel gegeben hängigkeit von Öl hat 2006 Maßnahmen und Richt- seien, mit dem Problem fertig zu werden. ziele vorgeschlagen, um Schweden in den Bereichen Transport und Heizung unabhängig vom Öl zu machen. Ebenso zuversichtlich äußern sich schwedische Wis- Mitglieder der Kommission sind neben dem Premier- senschaftler. Sie erwarten einen Preisanstieg bei fossi- minister Vertreter aus Wissenschaft und Wirtschaft. len Brennstoffen, sehen zugleich aber einen positiven Ziel ist, bis 2020 das erste „ölfreie” Land zu sein. Trend zu einem höheren Lebensstandard durch neue Technologien, z.B. für energieeffizientere Häuser und Die Treibhaus-Emissionen sollen bis 2050 um bis zu nicht zuletzt veränderte Lebensgewohnheiten. 50 Prozent verringert werden. Die schwedische Umweltschutz-Agentur arbeitet an einem Bericht, der W I E G E H T D I E P O L I T I K M I T D E R P R O B L E M AT I K die vorhandenen Daten aktualisiert. Dazu gehört eine UM? WER SIND DIE AKTEURE? Vorausschau zu den Emissionen im den Jahren 2010, 2015 und 2020, eine Bewertung der bisherigen Instru- Bereits heute ist die Elektrizitätsgewinnung in Schwe- mente und Maßnahmen zur Reduzierung der Treib- den nahezu vollständig frei von fossilen Brennstoffen. hausgase, die Darstellung des aktuellen Wissensstan- Die Nutzung von Öl am Gesamtenergieverbrauch ist des zum Klimawandel und der Zielsetzung, den globa- von ca. 70 Prozent im Jahre 1970 auf ca. 30 Prozent len Temperaturanstieg auf 2 Grad zu beschränken. D I E B E N E L U X- S TA AT E N : A M B I T I O N I E RT E Z I E L E I M K L I M A S C H U T Z Melanie Frank Einsatz erneuerbarer Energie und zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes. So sollen bis 2020 der Ausstoß In den drei Benelux-Staaten steht der Klimawandel von Treibhausgasen im Rahmen einer Selbstverpflich- aufgrund des Berichts von Sir Nicholas Stern und der tung um 20 Prozent sinken und 20 Prozent der benö- Berichte des IPCC auf der politischen Tagesordnung. tigten Energie aus regenerativen Quellen stammen. Auf dem Gipfeltreffen des Europäischen Rates im März Die Europäische Kommission wurde dazu aufgefor- 2007 haben Belgien, die Niederlande und Luxemburg dert, bis zum dritten Quartal gemeinsam mit den den dort beschlossenen ehrgeizigen Aktionsplan für Mitgliedsstaaten nationale Energiebilanzanalysen zu Klimaschutz und Energie (EPE) von Anfang an unter- erstellen, mit deren Hilfe eine gerechte Lastenvertei- stützt. Der Plan setzt ambitionierte Ziele zur Energie- lung zwischen den Mitgliedsstaaten anhand vergleich- einsparung und -effizienz für die Mitgliedsstaaten barer sozioökonomischer Indikatoren ermöglicht der Europäischen Union, bindende Vorgaben für den werden soll. 17 BELGIEN Energie bezieht. Die ältesten Kernkraftwerke müssten Belgien unterstützte bereits in einem frühen Stadium investiert werden. Gleichzeitig möchte Verhofstadt eine die Ziele der Europäischen Kommission im Bereich „vierte Atom-Generation” schaffen und greift damit der Klima- und Energiepolitik, welche dann durch Empfehlungen einer Expertenkommission vom Novem- den Europäischen Rat im März 2007 bestätigt wurden. ber 2006 auf. Unterstützung erhielt der Premierminis- Bei den nun anstehenden Verhandlungen zwischen ter in dieser Frage aus der Opposition: Die christdemo- der Kommission und den Mitgliedstaaten zur Errei- kratische CD&V möchte ebenfalls die Diskussion um chung der o.g. Ziele, vertritt Belgien – gemeinsam mit den geplanten Atomausstieg neu eröffnen. geschlossen und mehr in erneuerbare Energieträger den Niederlanden und Luxemburg – einen kosteneffizienten Ansatz, der die belgischen Interessen ausrei- NIEDERLANDE chend vertritt. In Bezug auf den für den Herbst 2007 vorgesehenen Die im Februar 2007 neugebildete Regierung unter Vorschlag der Kommission zur Aufteilung (burden- Ministerpräsident Balkenende aus einer Koalition von sharing) der CO2-Emissionen, besteht zur Zeit die CDA, ChristenUnie und sozialdemokratischer PvdA größte belgische Priorität darin, diesen Plänen der sieht in ihrer Koalitionsvereinbarung vor, den Energie- Kommission „gewappnet” gegenüber zu stehen. Dies verbrauch in den Niederlanden um 2 Prozent pro Jahr bedeutet, dass entsprechende Argumente zu verschie- zu verringern, den Anteil von erneuerbaren Energien denen Szenarien zu entwickeln sind, um die wichtig- insgesamt auf 20 Prozent bis 2020 zu erhöhen und sten Punkte herauszufiltern. Weiterhin sieht die belgi- den Ausstoß von CO2-Emissionen um 30 Prozent bis sche Politik in dieser Hinsicht vor, auch weiterhin eng 2020 zu verringern. Somit hatte die neue niederländi- mit den Niederlanden und Luxemburg zu kooperieren. sche Regierung bereits vor dem europäischen Gipfel im März 2007 Richtlinien für den Klimaschutz fest- In diesem Zusammenhang wurde bereits im März in gelegt, die damit weiter gehen als die einen Monat den belgischen Regionen beschlossen, die durchge- später beschlossenen europäischen Rahmenbestim- hende Beleuchtung der Autobahnen in Belgien, das mungen. traditionelle gelb-orange Laternenlicht, bei Nacht abzuschaffen. Damit soll auch der CO2-Ausstoß ver- Die Regierung ist auch Teil der sogenannten „Koalition ringert werden. Im nördlichen Landesteil Flandern für den Energiewechsel”, bestehend aus Nichtregie- wurde die Stromsparmaßnahme schon eingeführt, rungsorganisationen, Vertretern des Industriesektors, in der Wallonie allerdings sind derzeit noch rund Oppositionsparteien, wissenschaftlichen Instituten 750 Autobahn-Kilometer großzügig beleuchtet. In sowie Umweltorganisationen und Entwicklungshilfeor- Flandern wurde zudem wegen zu hoher Feinstaub- ganisationen, die für die Weiterführung der Klima- werte zum ersten Mal Tempo 90 verordnet. Diese schutzdebatte von zentraler Bedeutung ist. Die aktu- Geschwindigkeitsbegrenzung wird jedoch weitgehend elle Debatte ist vor allem dadurch charakterisiert, wie ignoriert. diese angestrebten Ziele realisiert werden können. So etwa, welche Instrumente für die anvisierten Ener- Im Wahlkampf für die belgischen Parlamentswahlen gieeinsparungen notwendig sind oder welches der im Juni 2007 spielte der Klimawandel eine eher unter- effektivste Weg zur Erhöhung des Anteils von nach- geordnete Rolle, innenpolitische Themen wie die Um- haltigen Energien (on-shore Wind oder off-shore Wind, strukturierung der Steuerabgaben und die Reform der Solarenergie etc.) sei. Arbeitsmarktpolitik bestimmen die Diskussion. Allein das Thema Atomstrom findet in den Medien regelmäßig In der öffentlichen Diskussion steht zwar vornehmlich einen Platz, wobei der im Jahre 2003 beschlossene die Frage im Vordergrund, wie man die globale Erwär- Ausstieg aus der Atomenergie zur Diskussion steht. mung reduzieren kann, es geht aber auch immer mehr Wahrscheinlich ist, dass der Ausstieg nicht zu dem darum, wie man sich der neuen (bzw. zukünftigen) geplanten Zeitpunkt kommen wird. Eigentlich sollten Situation anpassen kann. Der Klimawandel wird auch die belgischen Kernkraftwerke ab 2015 schrittweise in den Niederlanden nicht mehr nur als Umweltproblem vom Netz gehen. Inzwischen plädiert Premierminister gesehen wird, sondern auch als Herausforderung für Guy Verhofstadt für neue Kernkraftwerke und hat sich andere Politikbereiche. Als eine wichtige Folge des dafür ausgesprochen, den Atomausstieg rückgängig Klimawandels wird der Einfluss der globalen Erwärmung zu machen, während die Sozialisten und die Grünen auf Entwicklungsländer gesehen. Denn gerade die am Atomausstieg festhalten. Das vor vier Jahren ver- Niederlande, in denen etwa 25 Prozent des Landes abschiedete Gesetz zur Schließung der sieben Atom- unter dem Meeresspiegel liegen, sehen die Gefahr für meiler zwischen 2015 und 2025 sei nicht zu halten, ähnlich tiefliegende Gebiete wie z.B. Bangladesh umso so der Premierminister. Es mangele an Alternativen für deutlicher. Der Schutz dieser Länder vor Naturkatas- die Kraftwerke, aus denen Belgien 60 Prozent seiner trophen hat somit höchste Priorität auf der klimapoliti- 18 schen Agenda. Daneben konzentrieren sich Bedenken LUXEMBURG auf den Rückgang der Biodiversität in den Niederlanden. Da eine Folge des Klimawandels die Migration vor Der luxemburgische Staatsminister Jean-Claude Juncker allem aus Afrika nach Europa sein könnte, beschäftigt räumte bereits Anfang 2006 der Verantwortung für den sich die niederländische Diskussion auch mit Fragen Erhalt des Weltklimas einen herausragenden Stellenwert der Immigrationspolitik. ein. Anfang Mai 2006 stellte Umweltminister Lucien Lux den ersten Aktionsplan zur CO2-Reduktion vor. Darauf Der Bericht von Sir Nicholas Stern hat – wie auch in folgte der „Nationale Allokationsplan für 2008-2012” vielen anderen europäischen Staaten – zur verstärk- zur Reduktion der Treibhausgasemissionen. Die beiden ten Diskussion um die notwendige Verringerung des Pläne enthalten unter anderem eine steuerliche Verteue- Klimawandels beigetragen, indem er herausstellte, rung des Individualverkehrs. Dieser Schritt war im Zu- dass die Kosten des durch den Klimawandel entstan- sammenhang mit dem ansteigenden Tanktourismus im denen Schadens so hoch sein werden, dass es nicht Transportsektor wichtig. nur effektiver, sondern auch ökonomisch sinnvoller ist, so schnell wie möglich in die Reduzierung des Neue Strategien zur Energienutzung sehen eine – ver- Klimawandels zu investieren. Folgend auf die letzte stärkte Einbindung erneuerbarer Energien vor und ste- Veröffentlichung des IPCC-Berichts stehen die Nieder- hen in engem Zusammenhang mit dem CO2-Minderungs- lande mit dem Rest Europas vor der Herausforderung plan „Changement climatique: Agir pour un défi majeur” die richtigen Instrumente zur Verminderung des Kli- sowie den auf europäi-scher Ebene vorgegeben Rahmen. mawandels zu finden. In den Niederlanden stimmt Mit dem Forum „Klimaschutz schafft Chancen” von An- man mit der Ansicht des IPCC-Berichts überein, dass fang Mai 2007, verdeutlicht Umweltminister Lucien Lux, das Potential zur Reduzierung des Klimawandels zwar dass auch auf Regierungsebene schnellstmöglich auf den vorhanden ist, dass nun aber die Politik gefragt ist, neuesten Teil des IPCC-Berichts reagiert wurde. um die richtigen Impulse in den verschiedenen Politikbereichen zu setzen. F R A N K R E I C H : U M W E LT P R O B L E M E H A B E N N I C H T DIE OBERSTE PRIORITÄT Beatrice Gorawantschy | Katharina Leuthner verwendet und die Klimasysteme verbessert. Diese Maßnahmen werden noch ergänzt durch eine Informations- 1. WIE VERLÄUF T DER DISKURS ZUM KLIMA- kampagne des ADEME („Agence de l’Environnement et WANDEL IN FRANKREICH? de la Maîtrise de l’Energie”) – ein Büro, das sich eigens mit Umwelt- und Energiefragen beschäftigt- zum Klima- Zur Erfüllung der Vorgaben des Kyoto-Protokolls hat wandel und zu den Beiträgen, die jeder Einzelne leisten Frankreich einen Klima-Plan („Plan climat”) aufgestellt. kann. Dieser hat das Ziel, die Emissionen in verschiedenen Bereichen bis 2012 zu verringern. Er bereitet Frank- Frankreich gibt bereits 300 Millionen Euro pro Jahr für reich auf fundamentale Veränderungen vor, die auf den Kampf gegen den Klimawandel aus und plädiert lange Sicht getroffen werden müssen, um die Folgen außerdem für eine Zusammenlegung der Kooperati- des drohenden Klimawandels einzudämmen. Zum ers- ons- und Entwicklungspolitik mit dem Kampf gegen ten Mal gibt es hiermit einen speziellen Leitfaden, der den Klimawandel. Im Jahr 2000 wurde ein nationales Frankreich dabei helfen soll, Maßnahmen zu ergreifen. Programm zum Kampf gegen den Klimawandel („Plan national de lutte contre le changement climatique”, In seiner Rede vom 11. Mai 2006 sprach der delegierte PNLCC) ausgearbeitet, das vorsah, die Ziele des Kyoto- Botschafter für Umwelt im französischen Außenminis- Protokolls ohne Verzögerung zu erfüllen. Dieses terium („ambassadeur délégué à l’environnement”), wurde 2001 ergänzt durch ein nationales Programm Denys Gauer, vom Ziel Frankreichs seine Treibhaus- zur Verbesserung der Energie-Effizienz („Programme gasemissionen bis zum Jahr 2050 um das vierfache National d’Amélioration de l’Efficacité Energétique”, zu reduzieren, indem es beispielsweise Biokohlenstoffe PNAEE). 19 Insgesamt muss bemerkt werden, dass die Umwelt- Bedrohung der einheimischen Arten durch die Lufterwär- problematik für die französische Bevölkerung nicht an mung und die Ausbreitung schädlicher Insekten. Ein erster Stelle der Prioritäten steht. Dies zeigt sich nach wichtiger Faktor der Debatte zum Klimawandel in Frank- einem Artikel von Le Monde vom 24. Mai 2007 sehr reich sind die französischen Überseegebiete, die auch deutlich am Recycling-Verhalten der Bevölkerung. stark vom Klimawandel betroffen sein werden: Der WWF Nur eine sehr geringe Menge an Haushaltsabfällen berichtet vor allem von der drohenden Gefahr für die wird recycelt. Eine Mitarbeiterin des „Centre national Korallenriffe aufgrund der Erwärmung des Meeres. Es d’information indépendante sur les déchets” beziffert wird weiterhin von der Gefahr für die Meeresschildkröte die Menge der recycelten Abfälle in Frankreich auf gesprochen und von Zyklonen, die dem gesamten Öko- 13 Prozent und die der kompostierten auf 6 Prozent. system schaden könnten. Ebenso wird der Klimawandel Im Vergleich dazu wird Österreich mit 59 Prozent und starke Auswirkungen auf den Menschen haben. Viele Belgien mit fast 70 Prozent genannt. Beispielsweise lebenswichtige Faktoren sind von den klimatischen Be- wird im Gegensatz zu Deutschland in Frankreich keine dingungen abhängig, wie beispielsweise die Landwirt- Mülltrennung bei Plastikerzeugnissen durchgeführt. schaft, die Wasserversorgung und die Energiegewinnung. Am wenigsten motiviert seien junge Erwachsene und Stadtbewohner. Verantwortlich sei unter anderem das In einem Artikel in Le Figaro vom 9. April 2007 wird fehlende Interesse der Politik. Die Prioritäten der fran- explizit über die Folgen für den Champignon gesprochen. zösischen Bevölkerung bezüglich politischer Themen Durch die Erwärmung des Klimas kann bereits seit eini- lassen sich anhand einiger ausgewählter Umfragen von gen Jahren eine Veränderung im Wachstum der Pilzart Meinungsforschungsinstituten zeigen. Vor der Präsi- festgestellt werden. Die Champignons wachsen viel dentschaftswahl befragte „Ifop” Bürger zu den Themen, schneller als normal aufgrund der CO2- Erhöhung und über die während der Wahlkampagne vorzugsweise des Temperaturanstiegs. Dies sei die bisher schlimmste gesprochen werden soll. An erster und zweiter Stelle Beobachtung in der Tier- und Pflanzenwelt. Auch hat ergaben sich die Themen „Beschäftigung” und „Kauf- sich bereits eine Champignonart, die normalerweise in kraft und Gehälter”, wohingegen sich das Thema den Mittelmeerregionen angesiedelt ist, in mehreren „Umwelt” nur an siebter Stelle (16 Prozent) befand, Regionen Frankreichs ausgebreitet. noch hinter „Schule und Ausbildung” oder „Renten”. Bei einer Umfrage unter Jugendlichen durch „Ipsos” In seiner Rede vom 29. Januar 2007 anlässlich des bezüglich der Prioritäten des künftigen Präsidenten, Treffens der Experten für den IPCC-Bericht in Paris, steht die Aussage „Bewahrung der Umwelt” auf Platz betonte der im französischen Umweltministerium ange- drei (31 Prozent), hinter „Kampf gegen die Arbeitslosig- siedelte interministerielle Beauftragte für Ökologie und keit” (45 Prozent) und „Steigerung des Lebensstan- nachhaltige Entwicklung, Christian Brodhag, die Gefahr dards” (36 Prozent). Einer Umfrage von „TNS-Sofres” für Frankreich bestünde unter anderem in den Folgen im April 2007 zufolge, steht das Thema „Arbeitslosig- des Klimawandels für die französischen Skigebiete, was keit” mit 71 Prozent an oberster Stelle des Interesses gravierende Auswirkungen für die Tourismusindustrie der Bürger, gefolgt von „Finanzierung der Renten” habe. Außerdem erwähnte Brodhag die Gefahr für die (46 Prozent), „Gesundheit” (45 Prozent) und „Schule” Korallenriffe, vor allem in Polynesien. Darüber hinaus (43 Prozent). „Umwelt und Umweltverschmutzung” mache sich Frankreich große Sorgen um die Nachbar- befindet sich mit 41 Prozent an fünfter Stelle. staaten der Überseegebiete, oft kleinere Inselstaaten, die über geringe Ressourcen für den Kampf gegen den 2. WELCHE FOLGEN DES KLIMAWANDELS Klimawandel verfügen. WERDEN ALS AKUTE PROBLEME GESEHEN? 3. WELCHE REAKTIONEN GAB ES IN Auf der Internetseite des Ministeriums für Umwelt und FRANKREICH AUF DEN STERN-BERICHT UND nachhaltige Entwicklung werden als Folgen des Klima- AUF DIE IPCC-BERICHTE? wandels genannt: Anstieg des Meeresspiegels, Veränderung des natürlichen Kreislaufs, Rückgang der Glet- Als Reaktion auf den Bericht von Nicholas Stern im scher, Schäden an Korallenbänken. Der WWF („World Oktober 2006, verkündete die ehemalige französische Wide Fund For Nature”) berichtet auf seiner französi- Ministerin für Umwelt und nachhaltige Entwicklung, schen Seite von Tierarten – vor allem Vögel –, die ihren Nelly Olin, am 31. Oktober, dass auch Frankreich dem Lebensraum aufgrund der Temperaturerhöhung in Rich- Bericht voll und ganz zustimme. Sie sei der gleichen tung Norden und in die Höhenlagen verlassen müssen. Meinung wie ihr britischer Kollege und sie würde dieses Des Weiteren wird von der Temperaturerhöhung des Thema auf der nächsten Klimakonferenz in Nairobi am Mittelmeeres und dem Anstieg des Meeresspiegels be- 15. November 2006 zur Sprache bringen. richtet. Auch auf die Folgen für die Pflanzenwelt – vor allem die Wälder – wird eingegangen, wie beispiels- Am 13. November 2006 machte der ehemalige Premier- weise die Ausbreitung mediterraner Pflanzenarten, die minister Dominique de Villepin vor dem Ausschuss für 20 nachhaltige Entwicklung zur Aktualisierung des Klima- aktuelle ökologische Situation zum Ziel. Es nahmen plans 2004–2012 den Vorschlag einer CO2-Abgabe für mehr als 200 Teilnehmer aus über 60 Ländern teil. Produkte aus Ländern, die sich der Umsetzung des Jacques Chirac sprach von den Zielen, die gemeinsam Kyoto-Protokolls verweigern. Es sollte somit eine Kon- erreicht werden sollen. Es soll eine nationenübergrei- kurrenzsituation vermieden werden. In seiner Botschaft fende Organisation für die Umwelt (UNEO) gegründet an die Teilnehmer der Klimakonferenz in Nairobi im werden, deren Machtbefugnisse über die der bereits November 2006 rief der damalige Präsident Jacques bestehenden UNEP hinausgehen sollen. Chirac dazu auf, dass unverzügliches Handeln dringend geboten sei. Frankreich habe Verantwortung übernom- 5. WIE GEHT DIE POLITIK MIT DER men und ist darauf bedacht die Verpflichtungen ernst P R O B L E M AT I K U M ? zu nehmen. Bis zum Jahre 2050 strebt Frankreich an, die Emissionen um 75 Prozent senken. Weiterhin schlägt In seiner Rede anlässlich seiner Wahl zum Präsidenten Frankreich zusammen mit der Europäischen Union ein Frankreichs am 6. Mai 2007 wandte sich Nicolas Sarkozy wirksames, verstärktes multilaterales System vor. an die US-amerikanische Nation, um ihr die Unterstüt- Chirac kündigte weiterhin an, dass er im Februar 2007 zung Frankreichs zu versichern. Er wies die USA aber in Paris all diejenigen zusammenbringen werde, die darauf hin, dass der Kampf gegen den Klimawandel, zur Avantgarde eines internationalen Engagements gerade in einer so großen Nation wie den Vereinigten gehören wollen. Staaten, oberste Priorität haben müsse. Sarkozy forderte die USA auf, eine Vorreiterrolle im Kampf gegen 4. MASSNAHMEN IN FRANKREICH die Erderwärmung zu übernehmen. Bereits am nächsten Tag reagierte Washington auf die Aufforderung Als Antwort auf die Bedrohungen durch den Klima- des neuen französischen Präsidenten, indem es Frank- wandel hat Frankreich 2002 das „Observatorium der reich versicherte, den Kampf gegen den Klimawandel Auswirkungen der Klimaerwärmung” („Observatoire gemeinsam aufzunehmen und voranzutreiben. Mit der des effets du réchauffement climatique”, ONERC) ge- Erwähnung der Problematik des Klimawandels in seiner gründet, das die Auswirkungen des Klimawandels be- ersten Rede als Präsident wollte Sarkozy ein deutliches obachtet und den Auftrag hat, Informationen, Studien Zeichen setzen. und Forschungen über die Risiken des Klimawandels und dessen Phänomene zu sammeln und der Öffent- In seinem Wahlprogramm anlässlich der Präsident- lichkeit zugänglich zu machen. Dieses Observatorium schaftswahlen widmete Nicolas Sarkozy dem Themen- hat Empfehlungen für Maßnahmen gegen die Risiken bereich Umwelt und nachhaltige Entwicklung einen des Klimawandels formuliert, die aufgegriffen wurden, eigenen Punkt. Er kündigte an, ein großes Ministerium um die „Französische Strategie zur Anpassung an den für nachhaltige Entwicklung gründen zu wollen, um Klimawandel” („Stratégie française d’adaptation au der Thematik Umwelt gerecht zu werden. Dieses Mini- changement climatique”) zu formulieren. sterium soll die Bereiche Umwelt, Energie und Verkehrswesen in sich vereinen. Der Energiepolitik räumt Im Juni 2003 wurden in der nationalen Strategie für er einen hohen Stellenwert ein. Frankreich werde unter nachhaltige Entwicklung sowie im Gesetz des 13. Juli seiner Regierung erneuerbare Energien fördern, aber 2005 über die Energie das Ziel festgelegt, die Treib- auch weiterhin an der Atomenergie festhalten. Diejeni- hausgasemissionen bis 2050 um das Vierfache zu gen, die zur Umweltverschmutzung beitragen, sollen reduzieren. Ein weiteres Zeichen für das Engagement zur Verantwortung gezogen werden. Sarkozy will bei- Frankreichs im Bereich der Umweltpolitik ist die soge- spielsweise den Mehrwertsteuersatz auf französische nannte Umweltcharta („Charte de l’environnement”), umweltfreundliche Produkte reduzieren und schlägt die am 1. März 2005 von Präsident Chirac erlassen vor, dass Produkte aus Ländern, welche sich nicht für wurde. Es handelt sich hierbei um einen Text, der in den Erhalt der Umwelt einsetzen, besteuert werden. der Verfassung verankert ist. Außerdem schlägt Sarkozy die Gründung einer weltweiten Umweltorganisation vor und unterstützt damit Im Januar 2006 wies Frankreich in einem Memorandum den Vorschlag von Chirac, eine UNEO zu gründen. zur europäischen Energiepolitik auf die Notwendigkeit gemischter Energien, einschließlich erneuerbarer Ener- Im Programm der UMP wird die Notwendigkeit des gien hin. Gleichzeitig unterstützt Frankreich auch die Kampfes gegen den Klimawandel hervorgehoben. Erfassung und Lagerung von CO2 in Wärmekraftwerken. Nach dem Beispiel Schwedens soll ein nationaler Plan ausgearbeitet werden, der alle Franzosen und alle Vom 2. bis 3. Februar 2007 fand in Paris eine Konfe- Wirtschaftssektoren dazu aufruft, auf dieses Ziel hin- renz mit dem Titel „Citoyens de la Terre” auf Einladung zuarbeiten. An jährlichen Indikatoren soll der Zieler- des damaligen Präsidenten statt. Diese Konferenz hat- reichungsgrad festgestellt werden. Die Entscheidungen te die internationale Mobilisierung in Hinblick auf die werden anhand öffentlicher Debatten mit allen Betei- 21 ligten, Bürgern, Unternehmen, Vereinigungen und na- Die UMP zeigt ihre Entschlossenheit auf internationalem türlich den Überseegebieten getroffen. Die Strukturen Niveau zu agieren, mehr Schutzgebiete zu gründen müssen neu organisiert werden, beispielsweise in der und vor allem die Artenvielfalt in den Überseegebieten Gründung eines strategischen Rates der nachhaltigen zu bewahren. In jedem der Überseegebiete soll ein lo- Entwicklung und des Kampfes gegen den Klimawandel kaler Plan zur nachhaltigen Entwicklung auf Basis einer an der Seite des Präsidenten. Zudem ist die Gründung Gebietsanalyse ausgearbeitet werden. Zudem sollen eines Umweltethik-Komitees zur Aufklärung der Bürger denjenigen Gebieten, die zur Erhaltung der Artenvielfalt und die Verbesserung der Umweltbildung in Schulen beitragen, die Schulden erlassen werden. Insgesamt und höheren Bildungsstätten geplant. fordert die UMP eine „ökologische Revolution”. Die wichtigste Maßnahme des Programms von Sarkozy ist Um eine Reduktion der Treibhausgasemissionen zu die Verdoppelung der Umweltsteuern. erreichen, sollen alte Gebäude besser isoliert und das öffentliche Verkehrswesen ausgebaut werden: die Bür- DIE NEUE REGIERUNG ger sollen ermutigt werden zusätzliche Fahrgemeinschaften zu bilden, die öffentlichen Verkehrsmittel oder Als Präsident Nicolas Sarkozy seine neue Regierung Fahrrad zu benutzen. Es sollen Gebühren für Wasser, vorstellte, stand auch der Minister für Umwelt, nach- Elektrizität und Müll eingeführt werden und überdies haltige Entwicklung und Raumplanung fest. Es han- soll in die Forschung investiert werden, vor allem auf delte sich um den ehemaligen Premierminister Alain europäischer Ebene, beispielsweise zur Entwicklung Juppé. Das zuständige Superministerium trägt den von Biokohlenstoff. Um diese Ziele zu erreichen soll Namen „Ministerium für Ökologie, nachhaltige Ent- das Steuersystem zugunsten der Ökologie verschoben wicklung und Raumplanung”. Minister Juppé trat von und eine Umweltsteuerrückerstattung eingeführt wer- diesem Posten jedoch genau einen Monat später zu- den. Außerdem soll auf bestimmte Energien, wie Bio- rück, da er bei den Parlamentswahlen kein Mandat kohlenstoffe, eine Steuersenkung zukommen und die erringen konnte. Das Ziel von Präsident Sarkozy, mit Preise von Bioprodukten sollen gesenkt werden. Juppé der Umweltpolitik ein prominentes Gesicht zu verleihen, war damit gescheitert. Neuer Umweltminis- Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Bewahrung der ter wurde Jean-Louis Borloo. Artenvielfalt, die durch den Klimawandel bedroht ist. I TA L I E N : W A S S E R K N A P P H E I T W I R D Z U M P R O B L E M Stefan von Kempis Der Pegel des Flusses Po, der durch das wirtschaftlich wichtige Norditalien fließt und von vielen Fabriken und 1. DER DISKURS ZUM KLIMAWANDEL Wasserkraftwerken gesäumt ist, ist in mehreren, aufeinander folgenden Jahren der Dürre immer niedriger Die italienische Debatte über den Klimawandel geht vor geworden; im April dieses Jahres lag er nun wegen aus- allem von den Wetterextremen aus, die das Land in bleibendem Schmelzwasser und frühem Einsetzen des den letzten Jahren ganz unmittelbar gespürt hat: Spit- Frühlings stellenweise sechseinhalb Meter unter dem zentemperaturen im Sommer, Dürre, austrocknende Normalwert. Damit gelangt – und die Medien berichten Flüsse, Wasserknappheit und abrupte Wetterwechsel. ausführlich darüber – bei Flut Meerwasser ins Landesin- Vor allem der heiße Sommer 2003 wird immer wieder nere, und das Kraftwerk von Porto Tolle, eines der als Beleg für einen Wandel des Klimas zum Schlechten größten von Norditalien, muss über Tanklastzüge mit hin genannt. Die Medien berichten auch dieses Jahr Süßwasser versorgt werden. Die durchschnittliche Tem- wieder ausführlich über tropische Vögel, die in römi- peratur im April lag übrigens landesweit bei 17,2 Grad – schen Parkbäumen nisten, eine verfrühte Mandelblüte im Vergleich zum Mittelwert 12,9 der Jahre 1970–2000. auf Sizilien und die wachsenden Schwierigkeiten, die der Wassermangel (nach Italiens wärmstem Winter seit Auch Arno und Tiber in Mittelitalien führen viel weniger etwa zwei Jahrhunderten) für Landwirte und Unter- Wasser als für diese Jahreszeit üblich. Die Regierung nehmer bedeutet. hat darum Anfang Mai den Wassernotstand für Nordund Mittelitalien ausgerufen; damit können ohne administrative Verzögerungen Wasser sparende Maßnahmen 22 lich schon an Temperaturen zwischen -10 und +40 Grad gewöhnt und an Lebensräume, die von den Polen bis zu den trockensten Wüsten reichen.” 3 . F U R C H T V O R K ATA S T R O P H A L E N F O L G E N F Ü R I TA L I E N Vor allem interessieren sich die Italiener dafür, was die jüngsten großen Klima-Berichte für ihr eigenes Land vorhersagen – dass nämlich Teile Italiens versteppen könnten, dass die Zahl der Hitzetoten im Sommer wohl zunehmen wird, dass es zu häufigeren Wechseln von Dürre und Überschwemmungen kommt und dass vor allem der Nordosten des Landes von einem Anstieg des Meeresspiegels betroffen wäre. BeDer Pegelstand des Po lag im April 2007 6,5 m unter dem Normalwert. sonders alarmiert reagieren viele auf die Vermutung, dass angesichts des Klimawandels die Touristen in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts in nördlichere Regionen abwandern werden. Allerdings hat sich bisher bzw. Rationierungen verhängt werden und Geldhilfen noch keine direkte Auswirkung des Klimawandels auf etwa an Landwirte schneller ausgezahlt werden. Von den Tourismus gezeigt. Intensiv wird auch über die Palazzo Chigi aus, dem römischen Amtssitz von Minis- Frage diskutiert, ob der Klimawandel zu einem Anstieg terpräsident Romano Prodi, soll ein Komitee („cabina di der Zahl von Flüchtlingen aus Afrika führen wird – ein regia”) das Thema im Auge behalten. Für den kommen- Phänomen, mit dem Italien heute schon konfrontiert den Sommer befürchten die Behörden Stromausfälle ist und dessen Ausweitung viele fürchten. und Missernten, Produktionsschwierigkeiten bei Unternehmen, und dass Wasserkraftwerke nur noch mit hal- Der Nationale Forschungsrat sagt für Italien einen An- ber Kraft arbeiten können. Sie rechnen auch mit Streit stieg der Sommertemperaturen um drei bis fünf Grad um das Wasser zwischen Unternehmern und Landwir- sowie häufigere, abrupte Wechsel im Klima voraus; ten; die Schäden, die der Landwirtschaft durch den die Forschungs-Behörde für Neue Technologien, Ener- heißen Sommer 2006 entstanden sind, sollen bis zu gie und Umwelt sieht ein Drittel des Landes „von Aus- einer Milliarde Euro betragen haben. Norditalien ist an- trocknung und Bodenverarmung bedroht”. Energie- fälliger für Wassermangel als der Süden („Mezzogiorno”), spar-Vorsätze scheitern in Italien jedoch nicht selten weil seine intensive Landwirtschaft stärker auf ein aus- an mangelnder Infrastruktur: Schlechte Wärmedäm- differenziertes Bewässerungssystem angewiesen ist. mung der Häuser, Zentralheizungen in großen Wohnhäusern, viel Wasserverlust durch veraltete Wasserlei- 2. REAKTIONEN AUF DEN STERN-BERICHT tungen. SOWIE AUF DIE BEREITS VERÖFFENTLICHTEN TEILE DES IPCC-BERICHTS 4. WIE GEHT DIE POLITIK MIT DER P R O B L E M AT I K U M ? W E R S I N D D I E A K T E U R E ? Die neuesten Klima-Berichte sind bei Politikern und Medien auf großes Interesse gestoßen. In der Bericht- Das Wirtschaftsministerium hat kürzlich eine Kommis- erstattung dominieren alarmierende Töne, und in Um- sion eingerichtet, die ermitteln soll, welche Kosten fragen taucht der „cambio climatico” auf einmal in der sich aus dem Klimawandel für Italien ergeben und wie Liste der Probleme auf, die dem italienischen Bürger geeignete Gegenmaßnahmen aussehen könnten; au- am meisten am Herzen liegen. ßerdem plant die Regierung unter Ministerpräsident Prodi noch für 2007 einen nationalen Klima-Gipfel. Allerdings gibt es auch in Italien vereinzelt kritische Ministerpräsident Prodi hat im März 2007 die deutsche Stimmen, die den Szenarien der Klimawandel-Berichte EU-Ratspräsidentschaft deutlich im Einsatz für ver- keinen Glauben schenken wollen. So meint z.B. der bindliche Klimaziele der Gemeinschaft und für eine Florentinische Politiker und Demographie-Professor Einbindung der USA unterstützt. Umweltminister Massimo Livi Bacci in einem Interview in der Zeitung Alfonso Pecoraro Scanio will die von ihm geführte Par- „La Repubblica”, man solle die Fähigkeit des Men- tei der Grünen bis Ende 2008 zu einer „Klima-Partei” schen, sich auch extremen Umweltbedingungen anzu- ausbauen, die über eine (künftige) 5-Prozent-Hürde passen, nicht unterschätzen: „Wir haben uns schließ- kommen soll. Häufig genannte Namen in der italienischen Klima-Debatte sind der Generaldirektor des Umweltministeriums, Corrado Clini, und der Klimaex- 23 perte Filippo Giorgi aus Triest, einer der wenigen ita- ber 2006 einen Kyoto-Aktionsplan 2008–2012 vorge- lienischen Wissenschaftler, die zum IPCC gehören. stellt, der den jährlichen CO2-Ausstoß auf 209 Millionen Weitere wichtige Stimmen in der öffentlichen Debatte Tonnen begrenzt; die EU will dem Land hingegen nur sind außerdem der nationale Umweltverband Legam- eine Obergrenze von 195,8 Millionen Tonnen zugeste- biente sowie Greenpeace und WWF. Auch der Papst hen, das bedeutet eine Reduktion der italienischen hat sich kürzlich zum Klimawandel geäußert und Ende CO2-Emissionen um 6,3 Prozent. Der Wirtschafts- April im Vatikan (unter Federführung seines Friedens- Staatssekretär Paolo Cento (Grüne) beziffert die finan- rates) eine Konferenz mit 80 Experten aus 20 Ländern zielle Last, die italienischen Unternehmen dadurch zum Thema Klimawandel ausgerichtet. entsteht, auf ca. 600 Millionen Euro pro Jahr, und sollte es Italien nicht gelingen, seinen Verpflichtun- Einen umfassenden Energieplan für die Zukunft hat gen nachzukommen, könnte die Summe wegen der Italien noch nicht; so genannte „saubere” Energien dann fälligen Strafzahlungen an die EU sogar auf kommen in Italien derzeit nur auf einen Anteil von ca. ca. 3,5 Milliarden Euro steigen. 2,5 Prozent. Der frühere Strommonopolist „ENEL” investiert aber bis 2011 vier Milliarden Euro in Forschung Von den Plänen sind etwa 1.200 Unternehmen in und Entwicklung auf dem Gebiet der erneuerbaren Italien betroffen, vor allem die Mineralöl-, Gas- und Energien – eine Summe, die in etwa den Investitionen Kohle-Industrie. Der Industrieverband „Confindustria” von „General Electric” (USA) auf diesem Gebiet ent- reagiert empört auf die Äußerungen der Grünen und spricht. Ein erstes ENEL-Projekt sieht auf den Äolischen auf das „Brüsseler Diktat”: „So schadet man der Inseln vor Sizilien Biodiesel-, Photovoltaik- und klei- Wirtschaft und legt dem Wirtschaftswachstum Fesseln nere Wind-Anlagen vor, um dort den CO2-Ausstoß um an.” Und auch Bersani widerspricht seinem Kabinetts- 70 Prozent zu reduzieren. kollegen aus dem Umweltressort: „Wir wollen den Kohle-Sektor nicht bestrafen, er ist auch mit den EU- 5. NEUESTE ENTWICKLUNG: Änderungswünschen am italienischen Anti-Emissions- D E B ATT E Ü B E R K Y O T O plan vereinbar.” Italien könne durchaus einen rund 10 Prozent hohen Kohle-Anteil am Energiemix behalten, Eine eingehende Diskussion hat sich im Frühjahr 2007 wenn man in Rechnung stelle, dass der Mittelwert für um die Verpflichtungen entwickelt, die sich aus dem den Kohle-Anteil in Europa (die östlichen EU-Staaten Kyoto-Protokoll für Italien ergeben; dem Land drohen mitgerechnet) bei ca. 30 Prozent liege. Überhaupt Strafzahlungen, wenn es den Ausstoß von Treibhaus- findet Bersani es „ungerecht, dass ein italienisches gasen nicht im versprochenen Maß reduziert. Die Minis- Unternehmen, das weniger die Luft verschmutzt als ter Pierluigi Bersani (Wirtschaftliche Entwicklung) und das Unternehmen in einem anderen EU-Land, dennoch Alfonso Pecoraro Scanio (Umwelt) hatten im Dezem- vergleichsweise mehr bezahlen muss.” SPANIEN: ERNTEAUSFÄLLE DURCH KLIMAWANDEL Michael Däumer | Adriaan Kühn Nach Ratifizierung des Kyoto-Protokolls und der Veröffentlichung des Berichts von Sir Nicholas Stern sowie 1. DISKURS IN SPANIEN ZUM KLIMAWANDEL des dritten Teils des IPCC-Reports stellten verschiedene staatliche Stellen Maßnahmenkataloge mit dem Das Thema Klimawandel, wie Umweltpolitik im Allge- Ziel vor, die spanischen Treibhausgasemissionen zu meinen, stellt eine neuere Erscheinung in der spani- verringern. Mehrere im Umweltbereich tätige NROs schen Politik dar. Das spanische Umweltministerium lancierten zu dieser Zeit zudem Kampagnen, um die räumt ein, in den 1990er Jahren „zu wenig” im Bereich Thematik in der Bevölkerung präsent zu machen. Klimawandel unternommen zu haben. Ökologische Themen spielten auf der politischen Agenda der Regie- Einer breiteren Öffentlichkeit wurde das Thema aber rung und der Parteien lange Zeit eine untergeordnete erst mit dem Besuch des ehemaligen amerikanischen Rolle. Eine auf ökologische Themen konzentrierte Partei Vizepräsidenten Al Gore im Februar 2007 in Madrid gibt es in Spanien nicht. Bei den „Grünen” handelt es und der Premiere seines Films „Eine unbequeme sich überwiegend um Postkommunisten. Wahrheit”, der die Folgen der globalen Erderwärmung beschreibt, zugänglich. In diesem Monat gingen auch 24 erstmals mehrere tausend Menschen in verschiedenen 2. FOLGEN DES KLIMAWANDELS ALS AKUTE spanischen Städten gegen den Klimawandel auf die PROBLEME IN SPANIEN Straße. Auf diesen Demonstrationen wurden eine weitergehende Reduzierung der Treibhausgasemis- Die iberische Halbinsel ist auf Grund ihrer exponierten sionen sowie eine stärkere Förderung regenerativer geografischen Lage und soziökonomischen Vorausset- Energien gefordert. zungen eine der am stärksten durch den Klimawandel betroffenen Regionen Europas. In Studien zu den Aus- Nach seinem Treffen mit Al Gore betonte Spaniens wirkungen des Klimawandels auf Spanien wird das Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero (PSOE), Land als durch den Klimawandel besonders „verwund- der Klimawandel stelle die „größte Herausforderung der bar” bezeichnet. Das Umweltministerium hat dazu im Menschheit” dar. Im November 2006, auf dem Ibero- Jahr 2005 eine 840-Seiten-starke Studie veröffentlicht. amerikanischen Gipfel in Montevideo (Uruguay), sprach Zapatero davon, dass der Klimawandel bereits mehr Der Studie zufolge ergeben sich die dringlichsten Pro- Opfer als der internationale Terrorismus gefordert hätte. bleme des Landes durch den Anstieg des Temperaturniveaus. Während global die Temperatur laut Stern- Die Auseinandersetzung mit dem Klimawandel (spa- Report im Durchschnitt um 2 bis 3 Grad ansteigen soll, nisch: „cambio climático”) wurde daraufhin zur Chef- trifft es Spanien laut Umweltministerin Cristina Narbona sache erklärt und ein Maßnahmenkatalog der Regie- mit Temperaturanstiegen von 5 bis 8 Grad bis zum rung verabschiedet. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Ende des 21. Jahrhunderts besonders hart. Als sich kurzfristig auf fossile Energieträger verzichtet werden daraus ergebende zentrale Problemfelder werden soll. So sprach der Ministerpräsident Ende Februar genannt: Wasserknappheit, Landverlust an Küsten- 2007, also unmittelbar nach dem Besuch Gores und gebieten, Verlust von Biodiversität, verstärkte Boden- der Vorstellung der Regierungsmaßnahmen gegen erosion. Dies hat erhebliche Implikationen auf die den Klimawandel, vor Bergarbeitern von einer „stra- beiden wichtigsten spanischen Wirtschaftsbereiche: tegischen Rolle” des spanischen Steinkohleabbaus. Landwirtschaft und Tourismus. Es handle sich um einen „unentbehrlichen” Bestandteil des spanischen Energiemixes, der die Importabhän- Im Hitzerekord-Sommer 2006 fiel in einigen Regionen gigkeit Spaniens im Energiesektor verringern würde. im Süden des Landes die Ernte komplett aus. Somit konnten nicht nur die „klassischen” Exportgüter Wein Eine ähnlich ambivalente Haltung nimmt die oppositio- und Oliven nicht ins Ausland geliefert werden, die nelle Volkspartei (PP) ein. Obwohl deren Chef Mariano spanischen Bauern waren noch nicht einmal in der Rajoy betont, dass es sich beim Klimawandel um ein Lage, die Binnennachfrage zu decken. Studien sagen Problem handle, „das der PP sehr ernst nimmt”, ist bei einer weiteren Erhöhung der Treibhausgase in der man sich über die Mittel keineswegs einig. Gerade aus Atmosphäre voraus, dass die Erträge des landwirt- der PP werden immer wieder Befürchtungen geäußert, schaftlichen Sektors in Spanien nicht nur zurückgehen die gute spanische Konjunkturentwicklung durch eine werden, sondern in einigen Regionen Zentralspaniens allzu restriktive Umweltgesetzgebung abzuwürgen. ganz ausbleiben werden. Die Unvereinbarkeit zwischen weiterem Wirtschaftswachstum und Senkung der CO2-Emissionen ist dabei Der prognostizierte Anstieg des Meeresspiegels wird an ein Argument, das in der spanischen Debatte über den den spanischen Küsten zu erheblichen Problemen füh- Klimawandel immer wieder auftaucht. ren. Vor allem die in Strandnähe errichteten Hotel- und Wohnanlagen werden davon betroffen sein. Beliebten Es bleibt festzuhalten, dass sich durch die starke me- Tourismuszielen wie den Regionen Murcia, Valencia und diale Präsenz des Klimawandels in den letzten Monaten den Kanarischen Inseln droht durch Bodenerosion die die spanische Öffentlichkeit für die Thematik zuneh- Verwüstung. Doch auch schon jetzt sind die Auswir- mend sensibilisiert zeigt. Neben den „klassischen”, die kungen des Klimawandels erkennbar. Die hohen Tem- öffentliche Diskussion dominierenden Themenfeldern peraturen und die damit verbundene Trockenheit im Antiterror- und Wirtschaftspolitik hat sich die Debatte Sommer führen zu einer noch stärkeren Waldbrandge- um den Klimawandel zumindest kurzfristig auf der fahr als bisher. Durch das erwärmte Wasser kam es politischen und medialen Agenda etabliert. Inwieweit in den vergangenen Jahren an den Mittelmeerstränden dies auch mittel- bzw. langfristig der Fall sein könnte, des Festlands und auf den Balearen zu einer Nessel- wird in entscheidendem Maße von den Maßnahmen quallenplage, die das Baden am Strand vielerorts un- der Regierung auf diesem Gebiet abhängig sein. möglich machte. Die Bild-Zeitung warnte im Sommer 2007 die Urlauber vor der „Malle-Qualle”. 25 Die ohnehin schon angespannte Situation der Wasser- die IPCC Berichte und spezifische Länderinformationen versorgung in Spanien wird sich in Zukunft noch zu- zu Spanien über die Internetseite des Umweltministe- spitzen. Schon jetzt sind jedes Jahr Verteilungskämpfe riums verfügbar. um Wasser zwischen den spanischen Regionen zu beobachten. Die Stauseen füllen sich durch geringere Der Stern-Report vom Oktober 2006, der vor allem Niederschläge und weniger werdenden Zufluss aus den die volkswirtschaftlichen Kosten der globalen Erwär- Bergen jedes Jahr weniger; der Verteilungsspielraum mung behandelt, gab Klimaschützern die Möglichkeit, wird somit immer kleiner. Die Region Murcia kann ihren den Vorwurf des wirtschaftlichen Schadens einer Um- Wasserbedarf seit einigen Jahren nicht mehr aus eige- weltgesetzgebung, die auf drastische Verringerung nen Ressourcen decken. des CO2-Ausstoßes setzt, anzugehen. So wird in den Maßnahmenkatalogen der Regierung seit dem Stern- Die extreme Hitze fordert im Sommer darüber hinaus Report darauf hingewiesen, dass die Bekämpfung des auch Menschenleben. Letztes Jahr starben im Schnitt Klimawandels auch eine Strategie für mehr Wachstum 6.000 Spanier mehr als in einem Sommer mit „norma- sein kann. So werden beispielsweise Märkte für Tech- len” Temperaturen. In Cordoba und Sevilla wurden bis nologien zur CO2-neutralen Energieerzeugung und für zu 55 Grad gemessen. Unvorstellbar, dass diese Maxi- CO2-effizientere Waren und Dienstleistungen geschaf- maltemperaturen in Zukunft noch weiter ansteigen fen, von denen spanische Firmen durch Bereitstellung werden, ohne das Leben dort massiv zu beeinflussen. dieser Technologien oder durch Wettbewerbsvorteile bei Verwendung neuer Technik profitieren können. 3. REAKTIONEN AUF DEN STERN-BERICHT UND AUF DIE IPCC-BERICHTE 4. MASSNAHMEN GEGEN DEN KLIMAWANDEL Von einer breiten gesellschaftliche Resonanz in Spanien Maßnahmen zur Reduktion des spanischen CO2-Aus- auf die ersten beiden Teile des IPCC-Berichts, die 1990 stoßes sind laut Umweltministerium dringend erfor- bzw. 1995 veröffentlicht wurden, kann nicht gespro- derlich. Dies ist auch deshalb notwendig, um das im chen werden. Die Ergebnisse dieser Berichte wurden Kyoto-Protokoll festgelegte Ziel der EU-Staaten, die zwar in den Tageszeitungen behandelt; neben Zweifeln Emissionen im Vergleich zum Referenzjahr 1990 um über die Richtigkeit der Modelle konnte sich die Thema- 8 Prozent zu senken, nicht zu gefährden. Spaniens tik wegen der Dominanz anderer Politikfelder in der Emissionen dürfen laut Kyoto-Protokoll im Stichjahr spanischen Diskussion jedoch nicht behaupten. Rezipiert 2012 15 Prozent über denen des Jahres 1990 liegen, wurden die Ergebnisse vornehmlich in Fachkreisen, in 2004 waren es aber 49 Prozent. Dies ist nach der Umweltorganisationen sowie im Umweltministerium. Türkei der höchste Wert innerhalb der Annex-I-Staaten. Die Gründung des „Nationalen Klimarates” (CNC) in- Laut IPCC-Studie gehört Spanien damit zu den Staa- nerhalb des Umweltministeriums ist u.a. auch auf den ten, die für „weitere substanzielle Reduktionen sorgen ergänzenden IPCC-Report 1992 zurückzuführen. müssen oder ergänzend auf die flexiblen Mechanismen des Kyoto-Protokolls zurückgreifen sollen.” Der weltweit kontrovers diskutierte und viel zitierte dritte IPCC-Report aus dem Jahr 2001 sorgte dann Eine Studie der Universidad Politécnica de Madrid geht für eine zunehmend verstärkte Auseinandersetzung davon aus, dass die Emissionen sich 2008 bis 2012 auf mit dem Klimawandel auf spanischer Seite. Als Multi- einen Wert von 50 Prozent über denen von 1990 einpen- plikatoren fungierten zunächst wieder Umwelt-NROs, deln werden, wenn sich am jetzigen Kurs nichts verän- die durch unterschiedliche Kampagnen auf die Folgen dern wird. Die spanische Wirtschaft befindet sich zurzeit des Klimawandels national wie auch international hin- in einer Boom-Phase, die sich vor allem in Investitionen wiesen. Institutionell wurde mit der Schaffung des im Infrastruktur- und Wohnungsbausektor bemerkbar „Spanischen Büros für den Klimawandel” (OECC) auf macht. Diese Bereiche sorgen zum einen für einen hohen die Ergebnisse des Reports reagiert. Hierbei handelt Anteil an CO2; auf der anderen Seite werden Befürchtun- es sich zum einen um eine Koordinierungsstelle spani- gen geäußert, das Wirtschaftswachstum durch Einschrän- scher Institutionen, die sich gegen den Klimawandel kungen auf Grund von Umweltbedenken zu belasten. engagieren, zum anderen fungierte es aber auch als Unter Federführung des Umweltministeriums wurden „Aushängeschild” für das Engagement der damals am- seit der Ratifikation des Kyoto-Protokolls Maßnahmen- tierenden konservativen Regierung unter José María kataloge erstellt, um den spanischen CO2-Ausstoß zu Aznar im Bereich Klimapolitik. verringern. Diese wurden nach Veröffentlichung der ersten Teile des IPCC-Berichts aktualisiert und erwei- Die Ergebnisse des dritten IPCC-Reports stellen zudem tert. Hier ist zuerst die „Spanische Strategie für Klima- die wissenschaftliche Grundlage dar, auf dessen Basis wandel und saubere Energie” (EECCEL) vom 09. Feb- die Regierung die spanische Klimapolitik koordiniert. Entsprechend wird hieraus umfassend zitiert. So sind 26 ruar 2007 zu nennen. Sie stellt die Fortführung der nach der Ratifikation des Kyoto-Protokolls verabschiedeten „Spanische Strategie zur Erfüllung des KyotoProtokolls” dar. In diesem Dokument werden zwei Ziele definiert: Zum einen sollen öffentliche und private Initiativen vernetzt werden, um die im Kyoto-Protokoll eingegangenen Verpflichtungen zu erfüllen, zum anderen ein „nachhaltiges Wachstum” der spanischen Wirtschaft ermöglicht werden. Im Sommer 2006 fiel in einigen Regionen Spaniens die Ernte aufgrund der anhaltenden Hitze komplett aus. Als konkretes Mittel ist hier der innerhalb der flexiblen Mechanismen des Kyoto-Protokolls der Emissionshandel zu nennen. Dieser läuft seit dem Inkraft- Spanien macht weiterhin vom „Mechanismus für um- treten eines entsprechenden Gesetzes seit März 2005. weltverträgliche Entwicklung” als Teil der flexiblen Der „Nationale Anpassungsplan” (PNA) sieht für den Mechanismen des Kyoto-Protokolls Gebrauch. So nutzt Zeitraum 2008 bis 2012 vor, Emissionsrechte in weiter das Land seine historisch gewachsenen Beziehungen limitierten Umfang zu vergeben, so dass der spani- zu Lateinamerika, um dort Projekte zur Treibhausgas- sche Ausstoß nicht über 37 Prozent gegenüber dem reduktion zu unterstützen. Entsprechend dem „Clean Basisjahr 1990 steigt (das wären 16 Prozent weniger Development Mechanism” werden Emissionseinspa- als im PNA 2005–2007). Da allerdings verschiedene rungen dann Spanien gutgeschrieben. Seit 2004 exis- Boomsektoren wie Transport, Wohnungen und Infra- tiert das „Iberoamerikanische Netz der Klimabüros”, struktur von diesem Handel ausgenommen sind und das spanisch finanzierte Projekte in 21 lateinamerika- diese Sektoren im Vergleich zum Industriesektor nischen Ländern koordiniert und überwacht. seit 1990 doppelt so schnell wachsen, droht dies das Instrument insgesamt erheblich zu schwächen. Es ist anzumerken, dass, mit Ausnahme des Emissionshandels und der Entwicklungszusammenarbeit, bis jetzt Für diese Bereiche, in denen es keinen Handel mit keine dieser Maßnahmen legislativ verankert ist. In vie- Emissionszertifikaten gibt, sind weitere Maßnahmen len Bereichen wird auf die Notwendigkeit hingewiesen, im Rahmen der flexiblen Mechanismen vorgesehen: So zuerst Evaluierungen und Forschungsarbeiten vorzu- sieht der „Aktionsplan Energiesparen und effizientere nehmen, bevor konkrete Maßnahmen zu ergreifen sind. Verwendung von Energie in Spanien” verschiedene Maß- In diesem Sinne handelt es sich bei den Maßnahmenka- nahmen zu Energieeinsparung und Effizienzsteigerung talogen, insbesondere der Regierungsveröffentlichung im Energiesektor sowie in den privaten Haushalten vor. EECCEL, um Versuche, das Thema dauerhaft auf der Vor allem soll hier Forschung im Bereich neuer Tech- politischen Agenda zu etablieren. Spanien wird deswe- nologien von Seiten des Staates unterstützt werden. gen vorerst wohl nicht umhinkommen, Emissionszertifikate von sparsameren Ländern zu kaufen. Das Ziel der spanischen Regierung ist es außerdem, den Anteil erneuerbarer Energien bis 2010 auf 12,1 Prozent 5. SCHLUSSBEMERKUNG der Primärenergien zu steigern (zum Vergleich: 2004 waren dies 6 Prozent) und 12,1 Prozent des Elektrizi- Absichtserklärungen, den Klimawandel entschlossen tätsverbrauches durch regenerative Energiearten zu entgegentreten zu wollen, lassen sich parteiübergrei- decken (2004: 6,9 Prozent). Zudem sollen zu diesem fend in der spanischen Politik finden. Nichtsdestotrotz, Zeitpunkt 5,8 Prozent der verwendeten Kraftstoffe Bio- und dabei handelt es sich um ein Phänomen, das sich kraftstoffe sein (2004: 0,74 Prozent). Instrumente, um nicht nur im Hinblick auf Umweltpolitik beobachten diese ehrgeizigen Ziele zu erreichen, sind dabei laut lässt, mangelt es an der Umsetzung. Wenig konkrete Regierung weniger direkte Subventionen, als vielmehr Gesetzesvorhaben, weitgehende Befreiung von wichti- die Gewährung von Steuervorteilen bei der Errichtung gen Wirtschaftssektoren beim Emissionsregime und von Anlagen zur Produktion von regenerativen Energien. vor allem kein greifbarer Finanzierungsplan bei Zukunftsprojekten zur erneuerbaren Energie bzw. der Weitere Möglichkeiten, den spanischen CO2-Ausstoß Entwicklung effizienter Technologien kennzeichnen im im Vergleich zum Jahr 1990 zu senken, sieht die spa- Moment den Status quo in der spanischen Klimapoli- nische Regierung in der Lagerung von CO2 in der Erde. tik. In Anbetracht des anlaufenden Vorwahlkampfes Im Hinblick auf diese Technik sei aber noch Forschungs- für die Parlamentswahlen, die spätestens im März arbeit zu leisten. Ein zusätzliches Einsparpotential 2008 stattfinden werden, wird sich in dieser Hinsicht von 2 Prozent gegenüber dem Wert von 1990 wird in bis zum Wahltag wohl nicht mehr viel tun. der Absorptionskraft von Wäldern und entsprechender Fauna gesehen. 27 P O L E N : W I RT S C H A F T L I C H E R A U F H O L P R O Z E S S A U F K O S T E N V O N K L I M A U N D U M W E LT Stephan Raabe | Janina Härtel kungen auf die Wirtschaft befürchtet. Denn die Kür- Der Klimawandel wird in Polen in Politik und Medien Berechtigungen führen, so dass eventuell die Produk- nur selten diskutiert und nicht als akute Gefahr wahr- tion in einigen polnischen Anlagen, insbesondere in genommen. Die Entwicklung der Wirtschaft und die der Energiewirtschaft und der Zementindustrie, ge- Frage der Energieversorgung stehen im Vordergrund. drosselt werden muss. Polen, so die Regierung, würde Dementsprechend gering ist das Interesse in der in seiner wirtschaftlichen Aufholjagd behindert, dage- Gesellschaft an der Thematik. gen gewönnen Länder außerhalb der Europäischen zungen werden zu Preissteigerung bei den CO2- Union Vorteile. Zu den veröffentlichten drei Teilen des IPCC-Berichts wie auch zum Bericht des britischen Ökonomen und Für Polen hat die wirtschaftliche Entwicklung derzeit Regierungsberaters Sir Nicholas Stern gab es kaum einen wesentlich höheren Stellenwert als der Umwelt- Reaktionen in Polen. Die Ergebnisse der Studien und und Klimaschutz. Ein aktuelles Beispiel für den Um- einzelne Passagen wurden zwar in einigen Zeitungsbe- gang mit der Umwelt bietet der Streit um den Ausbau richten erwähnt und auch auf den polnischen Inter- einer Teilstrecke der „Via Baltica” zur Autobahn quer netseiten von Greenpeace, vom WWF und den Befür- durch das Rospuda-Tal bei Augustów sowie durch den wortern der Windenergie veröffentlicht, jedoch hat Biebrza-Nationalpark im Nordosten Polens. Das ein- die polnische Regierung dazu keine offizielle Stellung malige Ökosystem des Sumpfgebietes im Rospuda- bezogen. Tal, mit einem in Europa einzigartigen unberührten Niedermoor, droht durch den Straßenbau zerstört zu Diese distanzierte Haltung zeigt sich auch in der aktu- werden. 20.000 Bäume sollen gefällt, massive Stahl- ellen Umfrage des Eurobarometers „Einstellungen zu betonpfeiler aufgestellt werden. Der Lebensraum Fragen der europäischen Energiepolitik” vom Februar bedrohter Pflanzen, Tiere und zahlreicher seltener 2007. Auf die Frage, ob der Klimawandel und die glo- Vogelarten wird damit vernichtet. Das Straßenprojekt bale Erwärmung sie beunruhigen würde, verneinten wurde trotz heftigster Proteste von polnischen und 27 Prozent der polnischen Bevölkerung. Damit weist ausländischen Naturschützverbänden durch den polni- Polen den höchsten Prozentwert auf im Vergleich zu schen Umweltminister Jan Szyszko abgesegnet. Einer den anderen EU-Mitgliedsstaaten, wo im Durchschnitt der führenden Köpfe der Protestaktionen in Polen 12 Prozent mit „nein” antworten. Nur 32 Prozent der ist der Journalist der liberalen großen Tageszeitung polnischen Gesellschaft finden den Klimawandel be- Gazeta Wyborcza, Adam Wajrak. Der Vorschlag einer sorgniserregend; in der EU insgesamt sind es 50 Pro- alternativen Autobahnstrecke über Łomża, die stre- zent. 52 Prozent der polnischen Befragten sehen für ckenweise fast deckungsgleich mit der schon vorhan- die Zukunft keine Notwendigkeit, ihr bisheriges Ver- denen Schnellstraße Nr. 61 ist, kein Naturschutzgebiet halten beim Verbrauch von Energie zu ändern. Ander- durchschneidet sowie ca. 40 km kürzer wäre als die seits würden ebenfalls 52 Prozent Geld für Energie- kontroverse Variante, wurde von offizieller Seite abge- spargeräte ausgegeben und immerhin 38 Prozent lehnt. wünschen sich mehr Informationen und eine bessere Aufklärung durch die polnische Regierung über die Nachdem die polnische Regierung das ihr gestellte Folgen des Klimawandels. Mit diesem Wunsch ist Polen Ultimatum der Europäischen Kommission ignorierte, führend unter den EU-Mitgliedsstaaten. die Genehmigung für den Bau der Umgehungsstrecke um die Stadt Augustów binnen einer Woche zurück- Politisch wird befürchtet, dass sich die Klimaschutz- zuziehen, reichte die Kommission am 20. März Klage politik zum Nachteil von Polens Entwicklung auswirkt, gegen Polen beim Gerichtshof der Europäischen Ge- wie zum Beispiel im Fall der Entscheidung über die meinschaften in Brüssel ein mit der Begründung, dass jährliche Zuteilungsmenge der Emissionsberechtigun- die Entscheidung der polnischen Regierung nicht kon- gen. Polen als drittgrößter CO2-Emittent in der Euro- form mit den EU-Regelungen sei und Umweltschäden päischen Union forderte ursprünglich Zertifikate für solchen Ausmaßes nicht kompensiert werden könnten. 284,6 Millionen Tonnen, diese wurden jedoch auf dem Im Falle einer Niederlage vor dem Gerichtshof drohen EU-Frühjahrsgipfel im März 2007 auf 208,5 Millionen Polen Bußgelder in Millionenhöhe sowie der Verlust Tonnen festgesetzt, was die polnische Regierung der versprochenen Zuschüsse für den Bau der Auto- heftig kritisierte, weil man dadurch negative Auswir- bahn. 28 Am 20. Mai fand zeitgleich mit außerordentlichen kehrsanbindung für die wirtschaftliche Zukunft Polens Kommunalwahlen in der Wojewodschaft Podlasie ein unterstrich. Im Auslandsdienst des polnischen Rund- Referendum statt, in dem die Bevölkerung über den funks sagte er: „Es gibt keine Gründe, hier nicht zu Verlauf der geplanten Umgehungsstraße abstimmen bauen. Die Einwände sind alle konstruiert, aber wenn konnte. Das Referendum hatte die Regierungspartei wir uns ihnen anschließen, dann erklären wir uns ein- Recht und Gerechtigkeit PiS auf den Weg gebracht, verstanden damit, unsere Chancen nicht zu nutzen.” die die dafür notwendigen 50.000 Unterschriften in der Region sammelte. 90 Prozent der Teilnehmer an Da allerdings nur 20 anstatt der benötigten 30 Prozent dem Referendum stimmten dem geplanten Bau der der Wahlberechtigten an dem Referendum teilnah- „Via Baltica” durch das Rospuda-Tal zu, vor allem um men, hat das Referendum keine Gültigkeit. Auch bei eine schnellstmögliche Entlastung des innerstädti- Erreichen des Quorums hätte es jedoch keine bin- schen Straßenverkehrs zu erreichen, der eine große dende Wirkung gehabt. Die endgültige Entscheidung Belastung und Gefahrenquelle für die Bevölkerung durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs über darstellt. Sie unterstützten damit Premierminister den Bau der Teilstrecke steht noch aus. Jarosław Kaczyński (PiS), der die Bedeutung der Ver- D I E B A LT I S C H E N L Ä N D E R : E S T L A N D, L E TT L A N D U N D L I TA U E N – D I E E N E R G I E A B H Ä N G I G K E I T V O N RUSSLAND STEHT IM VORDERGRUND Andreas von Below langfristige Auswirkungen auf Wasserqualität und Ökosysteme abzuschätzen. Ebenso sollen Anpassungs- KLIMAWANDEL WIRD NICHT ALS strategien und Maßnahmen zum Erhalt des Ökogleich- VORDRINGLICHES PROBLEM GESEHEN gewichts entwickelt werden. Im Interview mit einer Expertin des lettischen Umweltministeriums sind die Das Thema des Klimawandels und dessen Folgen ge- Hauptgesichtspunkte zusammengefasst: Der Klima- winnt in den Baltischen Ländern Estland, Lettland und wandel wird wahrscheinlich marine hydrodynamische Litauen erst nach und nach mehr Aufmerksamkeit. Es und littorale Faktoren beeinflussen (z.B. Wellenforma- steht aber eindeutig nicht an der vorderster Stelle der tion, Meeresspiegel, Schlickbewegungen). Dies ist politischen Agenda. Vielmehr hat die Verbesserung der von besonderer Wichtigkeit, da mehr als die Hälfte der ökonomischen Situation durch kräftiges Wirtschafts- Bevölkerung Lettlands in Küstennähe lebt. Der Klima- wachstum bei den meisten Bürgern und bei den politi- wandel würde außerdem den Salzhaushalt der Ostsee schen Akteuren eindeutige Priorität. Es wird eine An- beeinflussen. Abwasser- und Regenwasserkanalisatio- gleichung der Lebensverhältnisse an das hohe Niveau nen könnten durch heftige Regenfälle, Hochwässer Westeuropas angestrebt. Darüber hinaus spielt die und erhöhte Grundwasserspiegel sehr viel regelmäßi- Frage der Energiesicherheit vor dem Hintergrund der ger überlaufen. Diese Probleme wiederum könnten sehr starken Anhängigkeit der Energielieferungen von dazu führen, dass Abwasser unbehandelt in Flüsse und Russland eine weit größere Rolle als die Frage des Seen abläuft. Außerdem könnten Wohnhäuser und Klimaschutzes. Verkehrswege gefährdet sein. Die Wasserversorgung durch Oberflächengewässer und oberflächennahes K L I M A W A N D E L I S T E I N T H E M A F Ü R E X P E RT E N Grundwasser könnte vom Klimawandel aufgrund möglicher Überflutungen bzw. Trockenperioden besonders Die Problematik des Klimawandels wird überwiegend betroffen sein. Dies würde insbesondere die dicht be- von Experten, einigen aktiven Nichtregierungsorgani- siedelte Hauptstadt Riga betreffen, die zum Teil durch sationen und einen kleinem Kreis von engagierten Oberflächenwasser versorgt wird. Die Trinkwasser- Politikern diskutiert. Beispielhaft sei eine Zusammen- versorgung aus tiefem Grundwasser, der häufigsten fassung von lettischen Experten erwähnt, die sich aus Trinkwasserquelle in Lettland, wird hingegen weniger einem staatlichen Forschungsprogramm zur Abschät- vom Klimawandel beeinflußt werden. zung der Klimawandels für Lettland ergeben: Man bemüht sich dabei, kurzfristige, mittefristige sowie 29 experten stimmen der Ansicht der UN-Experten zu, dass es nicht genug sei, nur 1 Prozent des globalen BIP in den Klimaschutz zu investieren. Nötig seien vielmehr Investitionen in Höhe von 5 Prozent des globalen BIP. Die litauischen Klimaforscher und Finanzexperten schließen sich der Ansicht Sir Nicholas Sterns an, dass der Prozess des Klimawandels in einer rasanten Geschwindigkeit verlaufe, gefährlich sei und die nötigen Maßnahmen möglichst schnell eingeleitet werden müssten. Allerdings gibt es bisher nur wenige Projekte und Gesetzesinitiativen zur Schadstoffreduzierung der Luft, die über die von der EU geforderten Standards hinausgehen. Die starke Abhängigkeit von Energielieferungen aus Russland spielt in der öffentlichen Wahrnehmung eine größere Rolle als der Klimawandel. Immerhin wurde Mitte Mai 2007 mit Unterstützung der EU in Riga unter Anwesenheit des EU-Kommissars für Energie, des Letten Andris Piebalgs, die erste lettische Energieagentur eingerichtet, mit deren Hilfe eine Verbesserung der Energieeffizienz bei öffentlichen und privaten Im Mai 2007 hat das litauische Institut für Ökologie Energieverbrauchern erzielt werden soll. die erste Studie zu den potentiellen Folgen des Klimawandels für Litauen vorgelegt. Eine Veränderung der U M W E LT B E W U S S T S E I N W Ä C H S T E R S T L A N G S A M Temperatur lässt sich vor allem im Winter feststellen. Die mittlere Jahrestemperatur ist im Rahmen der zwei Für das Bewusstsein der breiten Bevölkerungsschich- letzten Jahrzehnten um 0,6 Grad angestiegen, und ten ist eine Umfrage von Interesse, die in diesem Jahr die Temperatur während der kalten Jahreszeit – um in Litauen durchgeführt wurde. Aus ihr geht hervor, 1,0 Grad. Darüber hinaus gibt es im Winter mehr dass sich die überwiegende Mehrheit kaum für Um- Niederschläge, hingegen sind die Niederschläge im weltprobleme und den Klimawandel interessiert. Weni- Sommer geringer geworden. Die reale Gefahr einer ger als 6 Prozent der litauischen Bevölkerung zeigen Erhöhung des Wasserstandes und damit einhergehend nach dieser Umfrage Interesse an Unweltschutzthe- die Gefahr einer Küstenerosion steht auch in dieser men. Die Eltern veranlassen etwa ihre Kinder in der Studie im Vordergrund. Regel nicht dazu, sich für Umwelt- und Klimaschutz zu interessieren. Nicht nur der älteren Generation Einige estnische Wissenschaftler können der Erwär- sondern auch der Jugend fehlt das Grundwissen zum mung aber durchaus auch positive Seiten abgewinnen. Unweltschutz, zu umweltfreundlichen Industrie etc. So erhofft man sich in diesem nördlichen Land Einspa- Aus diesem Grund wurden erstmals in Litauen Initiati- rungen bei den Heizkosten und bessere Ernten durch ven zur Umweltbildung von Kindern und Jugendlichen eine Verlängerung der Vegetationszeiten. gestartet. Ende Mai 2007 wurde in den litauischen Schulen erstmalig ein Umweltprojekt durchgeführt, mit dem REAKTIONEN AUF DEN STERN-BERICHT Ziel, die Grundsätze der nachhaltigen Entwicklung vorzustellen sowie die Schüler zu veranlassen, die Umwelt Was den Bericht der britischen Regierungsberaters zu schützen und einen Beitrag zur Verbesserung von Sir Nicholas Stern und die veröffentlichten Teile des Umweltwissen zu leisten. Die Träger dieses Projektes IPCC-Berichts anbetrifft, so werden die Ergebnisse waren das Umweltministerium, das Ministerium für unterschiedlich gewertet. Bezüglich des Stern-Reports Bildung und Wissenschaft sowie die litauische Indus- heben die Wirtschaftsexperten des litauischen „Insti- trieinitiative „die Grüne Generation”. tuts des Freien Marktes” hervor, dass es sich hier um eine quantitative Analyse handelt, bei der aber nur Ein ähnliches Bild ergibt sich auch in den Ländern die ungefähren Angaben, Zahlen etc. vorgelegt werden. Estland und Lettland, auch wenn hier in den Schulen Kritisiert wird besonders, dass trotz der Ungenauigkeit schon mehr Umweltbildung etabliert ist. Die Folgen der Analyse exakte Zahlen bei den Ausgaben für den des Klimawandels werden von der breiten Bevölkerung Klimaschutz genannt werden. Die Wirtschaftsexperten noch nicht als bedrohlich wahrgenommen. Allerdings des „Instituts des Freien Marktes” kritisieren den Vor- wird gerade in jüngster Zeit das Thema in den Medien schlag von Stern, 1 Prozent des globalen BIP heute verstärkt aufgegriffen und auf die akuten und langfris- in den Klimaschutz zu investieren, um in der Zukunft tigen Gefahren hingewiesen. die Aufzehrung von 20 Prozent des globalen BIP durch die Klimaerwärmung zu vermeiden. Die Wirtschafts- 30 TSCHECHISCHE REPUBLIK: PRÄSIDENT KLAUS STREITET KLIMAWANDEL AB Dr. Stefan Gehrold | Anne Klemm Die tschechischen Grünen äußerten sich als bisher einzige Regierungspartei konkret zum Thema. Der Partei- Der öffentliche Diskurs um den Klimawandel kommt in vorsitzende der Grünen, Umweltminister Martin Bursik, Tschechien nur langsam ins Rollen. Zwar kommt das vertritt dabei eine andere Meinung als Staatspräsident Thema nicht erst jetzt auf die Tagesordnung, die Öffent- Klaus: Während dieser die IPCC-Bericht vom Februar lichkeit hat sich mit der Klimadebatte bisher eher nur am und April 2007 für unglaubwürdig hält, sieht Bursik ihn Rande beschäftigt. Laut Eurobarometer sind Umweltthe- als längst überfällige Bestätigung seines Kampfes ge- men für 85 Prozent der EU-Bürger genauso wichtig wie gen den Klimawandel. Er sieht darin auch die Chance ökonomische oder soziale Themen. Anders die Gewich- für Tschechien, sich aktiver in der EU einzubringen und tung in Tschechien: Eine aktuelle Umfrage der Tsche- dort für gemeinsame ökologische Interessen einzuste- chischen Akademie der Wissenschaften zum Thema kam hen. In den letzten zwei Jahren steigt seiner Meinung zu folgenden Ergebnissen: Auf die Frage „Wovor haben nach auch in Tschechien wieder das Interesse an Um- Sie Angst?” führten 27 Prozent der Befragten Arbeits- weltthemen. Das ist nicht unwichtig. Denn auch Bursik losigkeit und Krankheit auf. Vor einer Verschlechterung weiß: Zur Umsetzung seiner Politik benötigt er die der Umweltbedingungen fürchten sich hingegen nur zwei Unterstützung der breiten Öffentlichkeit. Prozent. Die gute wirtschaftliche Entwicklung und die Modernisierung sind die vorherrschenden Themen. Welche Rahmenbedingungen bestimmen die tschechische Diskussion? Die Wirtschaftstransformation hält Z U M I N N E RT S C H E C H I S C H E N D I S K U R S : nach wie vor an. Daher ändert sich die Struktur der KLAUS GEGEN BURSIK Energieversorgung fortwährend, die Laufzeit der Kraftwerke in Nordböhmen geht zu Ende, die Industrie wird Den bisher am meisten beachteten Beitrag zur Klima- modernisiert. Die Chance, im Zuge der Modernisierung debatte lieferte niemand anders als Staatspräsident gleichzeitig auch die Umweltbedingungen zu verbes- Vaclav Klaus. In seinem Buch „Der blaue und nicht der sern, muß nach Ansicht von Umweltminister Bursik grüne Planet” streitet der Präsident die fortschreitende jetzt ergriffen werden. Themen, die bisher stark ver- Erderwärmung als Problem rundweg ab und bewirbt nachlässigt wurden – wie etwa erneuerbare Energie- auf Großflächenplakaten die Publikation vielmehr mit quellen oder alternative Treibstoffe – seien ernsthaft der Frage: „Was ist bedroht? Unsere Freiheit oder die zu diskutieren. Bereiche, die nicht nur aus Sicht des Umwelt?”. Dafür wird er von Umweltschützern und den Umweltschutzes wichtig sind, sondern auch Zukunfts- den tschechischen Grünen kritisiert. Laut Klaus miss- märkte für die Wirtschaft erschließen können, böten brauchten Politiker und „Öko-Extremisten” die Klima- die Möglichkeit, Tschechien zunehmend von Energie- debatte nur zur Eigenprofilierung. „Global Warming” sei importen unabhängig machen. ein Mythos und ein ihn beunruhigendes „Modethema”, keinesfalls aber ein akutes Problem. Er beruft sich auf Den wirklich großen Wurf wollen die Grünen aber im gegenteilige Darstellungen von Wissenschaftlern, die Bereich der Steuerpolitik erzielen. „Unser Flaggschiff den Klimawandel abstreiten, etwa auf den Autor des ist und bleibt die ökologische Steuerreform. Wir wollen Buches „The skeptical Environmentalist”, Björn Llom- Mindeststeuersätze für die Verwertung fossiler Ener- borg. Erderwärmung, so die gemeinsame These, gab gieträger einführen”, so Bursik. Gleichzeitig soll eine es schon immer. Wenn sich seit Mitte des 19. Jahrhun- neue CO2-Steuer eingeführt werden. Tschechische Um- derts die Erde um 0,6 Grad erwärmt habe, dann sei das weltschützer betrachten die grünen Pläne jedoch mit recht wenig. Und es sei längst nicht wissenschaftlich einer gehörigen Portion Skepsis. Die politischen Ver- erwiesen, daß der Mensch daran schuld sei. Das Klima hältnisse (nur zwei Stimmen Mehrheit für die Regie- ändere sich immer. Es sei daher nicht sinnvoll, dagegen rung im Parlament) würden die Umsetzung der Pläne anzukämpfen und dafür Milliarden auszugeben. zusätzlich erschweren. Es ist nicht leicht zu beantworten, ob dies lediglich die U M W E LTT H E M A B E S TA N D T E I L D E R „ S A M T E N E N Haltung politischer Einzelgänger ist oder ein geringes REVOLUTION” Umweltbewusstsein der Bevölkerung widerspiegelt. Auch zum bereits im Oktober 2006 veröffentlichten Die Prager Sektion von Greenpeace ist ebenfalls der Stern-Bericht gab es kaum Reaktionen. Er wurde Meinung, dass im Land das Ökologiebewusstsein in lediglich in diversen Zeitungsberichten erwähnt. den letzten Jahren stark zugenommen hat. Allerdings rangierten 1989, als das kommunistische Regime gestürzt wurde, Umweltthemen von der Wertigkeit her noch im Spitzenfeld, so Karel Dolejsi, Sprecher von Greenpeace Prag. Mehr noch: Der desolate Zustand ganzer Landstriche sei damals sogar eines der wichtigsten Argumente gegen die Politik der kommunistischen Machthaber gewesen. Seither wendete sich Vieles zum Besseren. Augenfällig etwa die Situation in Nordböhmen, wo die Umwelt durch Braunkohlekraftwerke und die chemische Industrie viel stärker belastet war als heute. Die Schwefeldi- In den mittel- und osteuropäischen Staaten hat der wirtschaftliche Aufholprozess Vorrang gegenüber Klima- und Umweltschutz. oxid-Emissionen von Kraftwerken sind weit geringer, aus den Fabriken gelangen erheblich weniger Chemikalien in die Umwelt als noch vor 1990. Dennoch zahlt lichkeit und – so wörtlich – das Geld stehen müssten. die Umwelt nach wie vor den Preis des Fortschritts: Einwürfe des Direktors der tschechischen Energieagen- Dass etwa die Landschaft durch den intensiven Ausbau tur Jan Bubenik, dass Umweltschutz durchaus auch von Autobahnen zerstört würde, gälte heute kaum wirtschaftlich sein könnte, riefen den Spott der Klima- mehr als Problem, so Dolejsi. schutzgegner hervor. Unverständlich angesichts dieser Kontroverse das Schweigen des früheren Umweltminis- DENKWÜRDIGES BEIM ENERGIE- UND ters und derzeitigen Vorsitzenden des Umweltausschus- U M W E LT F O R U M D E R A D E N A U E R- S T I F T U N G ses im tschechischen Parlament, Libor Ambrozek von den Christdemokraten (KDU-CSL). So war es bezeich- Die „Krusovicer Gespräche”, das Jahreswirtschaftsforum nenderweise zum Schluss der Vertreter des deutschen der KAS Prag, widmete sich im April 2007 der Energie- Energieversorgers E.on, Magnus Brandau, der die Be- und Umweltproblematik. Die Diskussion verlief aus der deutung des Themas Umweltschutz als Teil der Firmen- Sicht eines externen Beobachters teilweise abstrus: Der strategie unterstrich. Staatssekretär im Präsidialamt, Ladislav Jakl, bestritt in einem denkwürdigen Beitrag, dass die gesamte Termi- Der Umwelt- und Klimaschutz hat es schwer in Tsche- nologie (z.B. „alternative Energien”) sachgerecht wäre. chien. Das Thema hat die Tschechen noch lange nicht Die irreführende Terminologie würde mit Absicht ge- erreicht, abgesehen von einer kleinen, städtischen wählt, um zu verschleiern, dass es beim Thema Klima- Elite. Als Reaktion auf das Buch von Staatspräsident schutz in Wirklichkeit um reine Ideologie ging. Andere Klaus kündigte Greenpeace einen fiktiven Fortsetzungs- Beiträge, wie der des Energieexperten der Prager Wirt- band des präsidialen Werkes an: „Der flache, und nicht schaftsuniversität Zajicek, wiederholten gebetsmühlen- der runde Planet”, so der Titel. artig, dass im Zentrum aller Überlegungen Wirtschaft- BOSNIEN UND HERZEGOWINA: KOMPLEXER S TA AT S A U F B A U E R S C H W E RT K L I M A S C H U T Z Christina Catherine Krause | Alma Subasic wird auch die Klimapolitik des Landes durch unklare Zuständigkeiten erschwert. So wurde das Kyoto-Protokoll Auch wenn das Thema Klimawandel die breite Öffent- erst am 15. Mai 2007 unterzeichnet; die Ratifizierung lichkeit in Bosnien und Herzegowina noch nicht erreicht durch das Parlament steht noch aus. hat, haben Experten eine signifikante Veränderung des Wetters auch hier festgestellt. Weitgehend unbekannt 1. WIE VERLÄUF T DER DISKURS ZUM KLIMA- für die Bevölkerung ist, dass sich die zuständigen Mi- WANDEL IN BOSNIEN UND HERZEGOWINA? nisterien mit Aktionsplänen an Vorhaben für eine Stabilisierung des Klimas einsetzen. Doch aufgrund des Der Diskurs um den Klimawandel wird kaum in der komplexen Staatsaufbaus, der sich in zwei Entitäten, breiten Öffentlichkeit geführt. Zwar wurde allgemein zehn Kantonen und einem Sonderdistrikt untergliedert, bemerkt, dass das letzte Jahr zu heiß war und zu we- 32 nig Schnee brachte, doch Berichte in Tageszeitungen, 3. WELCHE REAKTIONEN GAB ES AUF DEN Magazinen, in Radio und Fernsehen sind sehr selten STERN-BERICHT SOWIE AUF DIE BEREITS tiefgreifend. Klimawandel ist vielmehr bislang ein The- V E R Ö F F E N T L I C H T E N T E I L E D E S I P C C- B E R I C H T S ? ma für Spezialisten. Dazu gehören Wissenschaftler und Vertreter des Nichtregierungssektors. Allgemeine und Besorgte Reaktionen gab es aus den Reihen der we- landesspezifische Informationen über klimatische Ver- nigen Umweltaktivisten und Klimaexperten in Bosnien änderungen werden in Spezialzeitschriften, die quar- und Herzegowina. Doch diese fanden kaum Echo in talsmäßig erscheinen, veröffentlicht und Diskussionen den zentralen Medien. über eine umweltfreundliche Wirtschaft in kleineren Kreisen geführt. 4. WIE GEHT DIE POLITIK MIT DER P R O B L E M AT I K U M ? W E R S I N D D I E A K T E U R E ? Folgende Daten stehen für den Klimawandel in Bosnien und Herzegowina: Bosnien und Herzegowina ist einer von 189 Staaten, die die UN-Rahmenkonvention über den Klimawandel Bosnien und Herzegowina liegt am Schnittpunkt von (UNFCCC) unterzeichnet haben. Der Vertrag wurde im drei Hauptklimazonen: der mediterranen, mittelkonti- Jahr 2000 unterzeichnet. Vorteile, die dem Land aus nentalen und kontinentalen. Daher zeichnet sich das der Konvention und dem Kyoto-Protokoll entstehen, Wetter durch häufige gravierende Schwankungen werden kaum genutzt. aus. Dennoch macht sich auch hier ein Klimawandel bemerkbar und kann statistisch belegt werden: Aufgrund des komplexen Staatsaufbaus und der limitierten Zuständigkeiten des Gesamtstaates wird das ■ ■ ■ ■ Die Dekade 1996–2005 gilt als die wärmste in den Thema des Klimawandels kaum auf Staatsniveau be- letzten 50 Jahren; handelt. Zwar wäre das Ministerium für Außenhandel Drei Jahre dieser Dekade wurden als die wärmsten und Wirtschaft auch für Fragen des Umweltschutzes seit dem Jahr 1888 identifiziert; auf Gesamtstaatsebene federführend, doch halten Die Durchschnittstemperaturen erreichen Höchstwerte. die zwei Entitäten des Landes, die Föderation Bosnien- In der letzten Dekade wurden über 100 Rekordwerte Herzegowina (FBuH) und die Republika Srpska (RS) festgestellt. Mehr als ein Drittel dieser Werte gelten an ihrer Zuständigkeit fest und arbeiten weitgehend sogar als neue Jahrhundertrekorde in der Region; getrennt an der Umsetzung der Bestimmungen der Ein Temperaturanstieg von 2–3 Grad wird in Bosnien Rahmenkonvention. und Herzegowina innerhalb der nächsten 10–20 Jahren erwartet; ■ So wurde kürzlich die „Umweltschutz Strategie der Die Menge der Niederschläge schwankt extrem in FBuH” initiiert, die einen Arbeitsplan für die nächsten kurzen Intervallen. zehn Jahre vorsieht und Zuständigkeiten definiert. Für die Vorbereitung der Strategie war die Firma Bosna-S 2. WELCHE FOLGEN DES KLIMAWANDELS Consulting tätig. In der FBuH fehlt es jedoch an einer WERDEN ALS AKUTE PROBLEME GESEHEN? Strategie für den Energieverbrauch. Zwar wurde im Januar 2005 ein „Plan für den Aufbau neuer leistungs- Für Bosnien und Herzegowina stehen grundlegende fähiger elektroenergetischer Kapazitäten in der FBuH” Fragen wie die der Reform der Staatsstrukturen und angenommen, doch dieses Dokument enthält keine des Wirtschaftsaufbaus im Vordergrund. Bei einer ge- Hinweise auf Modelle der Energiesparsamkeit. Zurzeit schätzten Arbeitslosigkeit von 45 Prozent und einer werden in der FBuH 57 Prozent der elektrischen Ener- entsprechend hohen Armutsziffer, sind die Folgen des gie aus Wärmekraftwerken und 43 Prozent aus Was- Krieges als auch des Systemwandels überragend. So serkraftwerken gewonnen. wird der Klimawandel noch nicht als Belastung bemerkt. Die Chancen, die dem Land aus dem Handel mit Emissi- In der Republika Srpska (RS) beschäftigt sich das onslizenzen entstehen, werden kaum wahrgenommen. Umweltministerium mit Fragen des Klimaschutzes. Eine Strategie für den Energieverbrauch gibt es noch Im Jahre 1990 betrug die CO2-Emission in Bosnien und nicht. 1998 wurde zwar eine „Entwicklungsstrategie Herzegowina 30,7 Millionen Tonnen. 2004 nur noch der Energetik in der RS im Zeitraum 1999–2010” an- 17,6 Millionen Tonnen. Dies drückt die Situation der genommen, doch man konzentriert sich darin primär Wirtschaft aus, in der Industriebetriebe brachliegen, auf den Bedarf der Elektroindustrie der RS. Derzeit der Privatisierungsprozess schleppend verläuft und werden in der RS 45 Prozent der elektrischen Energie sich das Investitionsklima aufgrund des gespaltenen aus Wärmekraftwerken und 55 Prozent aus Wasser- Wirtschaftsraumes kaum positiv entwickeln konnte. So kraftwerken gewonnen. geht der Verbrauch von fossilen Brennstoffen primär von Privathaushalten aus. 33 Ernsthafte Überlegungen über eine zukünftige Deckung gien vor dem Hintergrund des steigenden Bedarfs. des Energiebedarfs und über umweltfreundliche und Das Zentrum für Energie, Umwelt und Ressourcen sparsame Methoden werden von den Regierungen (CENER 21) in Sarajevo berät Städte in Bosnien und Bosnien-Herzegowinas nicht angestellt. Weder für die Herzegowina in Fragen der wachsenden Energieeffizienz FBuH noch für die RS liegen Daten über die Nutzung und setzt sich für die Vernetzung der Stadtverwaltun- von erneuerbaren Energien vor. In diesem Bereich sind gen in diesem Fragen ein. Doch auch dieses Projekt vereinzelt Wissenschaftler, internationale Organisationen leidet unter fehlender Unterstützung der Regierungen, und lokale NROs tätig. Die Diskussion befindet sich der schwerfälligen Verwaltung und dem Kompetenzge- jedoch noch in einer Anfangsphase. UNDP, REC (The rangel der Akteure. Derzeit wird am Ersten Nationalen Regional Enviromental Center for Central and Eastern Bericht über Klimawandel unter den UNFCCC-Bestim- Europe) und SIDA (Swedish International Development mungen gearbeitet, es wird sich dabei herausstellen, Cooperation Agency) unterstützen Projekte für einen ob die Zusammenarbeit zwischen den zwei Entitäten sparsamen und umweltfreundlichen Umgang mit Ener- ein professionelles Niveau erreichen kann. R U M Ä N I E N : U M W E LT B E W U S S T S E I N S T E C K T N O C H IN DEN KINDERSCHUHEN Holger Dix | Lavinia Andrei Wirbelwinde, Überschwemmungen, starke Winde usw. gesehen. Diese alle verursachen Schäden wirtschaftli- Rumäniens Diskurs zum Thema Klimawandel scheint cher Art – durch Zerstörung der Infrastruktur (Wege, erst zu beginnen. Ein umfassendes öffentliches Be- Häuser, Stromleitungen usw.) – und greifen direkt in wusstsein für die Ursachen und Folgen des Klimawan- die persönlichen Lebensverhältnisse der betroffenen dels besteht noch nicht. In den vergangenen drei bis Menschen ein. Betroffen ist auch der Tourismussektor: vier Jahren hat die Öffentlichkeit aber ein größeres Schneelose Winter führen zu sinkenden Touristenzah- Interesse für das Thema entwickelt, insbesondere in- len in den Gebirgsgegenden und das unbeständige folge der Überschwemmungen aus den Jahren 2005 Wetter in den Sommermonaten schadet der Schwarz- und 2006 sowie der ab dem Herbst 2006 eingetrete- meerküste als beliebtem Reiseziel. In der Landwirt- nen Dürre, die vor allem Tourismus und Landwirtschaft schaft wird insbesondere die anhaltende Trockenheit beeinträchtigen. Die Massenmedien berichten relativ zum Problem. Im Frühjahr 2007 waren im Süden und regelmäßig über den Klimawandel, wobei eher die Fol- Südosten Rumäniens 210.000 Hektar Ackerland von gen als die Ursachen dargestellt werden. An den Uni- einer Dürre betroffen. Angesichts fehlender oder de- versitäten wird dieses Thema allmählich in die Lehrplä- fekter Bewässerungssysteme werden hier erhebliche ne aufgenommen sowie Gegenstand von wissenschaft- Ernteausfällen erwartet. lichen Abhandlungen. In der Forschung befassen sich einzelne Fachinstitute damit, so z.B. die Landesverwal- Thematisiert werden desweiteren die Veränderung der tung für Meteorologie oder Forschungsinstitute für den Vegetationsperioden, eine sich verstärkende Boden- Agrarbereich. Die Ergebnisse ihrer Forschungen wer- erosion, die Abnahme der Waldflächen und eine begin- den meistens nicht veröffentlicht. Auch auf internatio- nende Desertifikation im Süden Rumäniens. Im Bereich nale Berichte gibt es kaum Reaktion. So wurden der der Biodiversität wird eine beginnende Migration der Bericht des britischen Ökonomen Sir Nicholas Stern Arten in Richtung Norden beobachtet. überhaupt nicht und der IPCC-Bericht nur sehr vage bekannt gemacht. Allmählich gewinnt der Klimawech- Studien über notwendige Reaktionen auf den Klima- sel allerdings Bedeutung als ein vermarktbares Thema. wandel fehlen, obwohl hier bereits konkreter Bedarf So greifen Unternehmen das „Mode-Thema” Klima- besteht. So musste etwa das Kernkraftwerk Cernavodă wechsel auf und laden zu Veranstaltungen, die sich im Jahr 2003 vorübergehend stillgelegt werden, weil mit ökologischen Themen beschäftigen. es durch die niedrige Wasserführung der Donau am nötigen Kühlwasser fehlte. Trotzdem werden die Arbei- Die akutesten Folgen des Klimawandels werden in den ten beim KKW Cernavodă fortgesetzt, um Block 2 meteorologischen und hydrologischen Erscheinungen in Betrieb zu setzen. Gebaut werden sollen auch die sowie in den extremen Erscheinungen – tornadoartige Blöcke 3 und 4. 34 Die politischen Entscheidungsträger behandeln den Kli- Einen wichtigen Beitrag zur Förderung des Bewußt- mawandel und seine Folgen eher am Rande. Politische seins in der Öffentlichkeit leisten Nichtregierungsorga- Parteien, die sich ökologischen Fragen besonders wid- nisationen (NRO), beispielsweise durch Bildungsmaß- men, gibt es in Rumänien nicht. Aus dem Parlament nahmen in Schulen sowie durch Aufklärungsprogram- kommen keine wesentlichen Initiativen zu diesem The- me oder -kampagnen. Immer mehr Umwelt-NROs ma. Auf Regierungsebene wurde die Nationale Strate- haben sich in den letzten Jahren mit dieser Problema- gie Rumäniens betreffend den Klimawandel 2005–2007 tik beschäftigt, was zur Gründung eines Netzwerks erstellt, deren Implementierung durch den Nationalen („Netzwerk für das Klima”) geführt hat, dem inzwi- Aktionsplan für Klimawandel 2005–2007 unter der schen zehn NRO angehören. Koordinierung des Umweltministeriums erfolgt. Umwelt-NROs haben Arbeitsgruppen zu den Themen Das Umweltminister selbst verfügt zur Implementie- Energie, Transport und Landwirtschaft gegründet, die rung der Gesetzgebung nur über relativ wenig Personal. jeweils landesweit oder auf örtlicher Ebene Informati- Insgesamt wird der Problematik innerhalb des Regie- ons- und Aufklärungskampagnen zu den betreffenden rungskabinetts zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Themen durchführen. Zu den wichtigsten dieser NROs Ein aktuelles Beispiel hierfür ist die Energiestrategie gehören Infoterra Romania – eine selbständige NRO, Rumäniens, die vom rumänischen Wirtschafts- und die im Umweltministerium untergebracht ist und einen Finanzministeriums entwickelt wurde, ohne die von Informationsknotenpunkt für Umweltfragen bildet, so- der EU vorgeschlagenen Maßnahmen zur Reduzierung wie Terra Mileniul III, die unter anderem das regionale der Treibhausgase zu enthalten. Ähnlich verhält es Netzwerk „Climate Action Network Central and Eastern bei den Strategien für die Bereiche Landwirtschaft und Europe” koordiniert. Transportwesen. UKRAINE: TROTZ TSCHERNOBYL NUR GERINGES U M W E LT B E W U S S T S E I N Nico Lange | Igor Plaschkin POLITISCHE UND ZIVILGESELLSCHAFTLICHE AKTEURE UKRAINE: TROTZ TSCHERNOBYL NUR G E R I N G E S U M W E LT B E W U S S T S E I N Im Jahre 1990 nahm die Ukraine den zehnten Platz im Ranking der größten Treibhausgas-Emittenten der Welt Das Problemfeld des Klimawandels nimmt im politi- ein, hinter den USA, Japan, Deutschland, Kanada und schen und öffentlichen Diskurs der Ukraine nur eine anderen hochindustrialisierten Ländern. Bereits 1992 randständige Position ein. Sowohl die Berichterstattung schloss sich die Ukraine der UNO-Rahmenkonvention in den Medien als auch die offizielle staatliche Informa- zum Klimawandel an, die erst 1996 vom ukrainischen tionsarbeit zum Thema erfolgen sporadisch und meist Parlament ratifiziert wurde. Gemäß dieser Konvention nur im Zusammenhang mit Naturkatastrophen. Im verpflichtete sich die Ukraine, dem Konventionssekreta- Land der größten anthropogenen Katastrophe der Neu- riat jährlich einen Bericht über Treibhausgasemissionen zeit ist das Umweltbewusstsein nach wie vor schwach und -absorptionen und die Besonderheiten des natio- ausgeprägt und das alte sowjetische Verständnis der nalen Klimawandels vorzulegen. Die zuständige Institu- Naturausbeutung vorherrschend. Die internationalen tion ist das ukrainische Ministerium für Umweltschutz. Verpflichtungen im Rahmen des Kyoto-Protokolls zwingen die Ukraine jedoch, ihre Treibhausgas-Emissionen In der ukrainischen Zivilgesellschaft schlossen sich zu reduzieren. Dadurch tritt der internationale Handel Umweltgruppen und Nichtregierungsorganisationen mit so genannten Emissionsquoten in den Vordergrund zu einem organisationsübergreifenden Arbeitskreis ukrainischer Umweltpolitik. Die wirtschaftlichen Anreize zum Thema Klimawandel zusammen, dessen Tätigkeit des Kyoto-Protokolls führen in Ansätzen zum Umden- aber bisher kaum öffentlichkeitswirksamen Charakter ken in der ukrainischen Politik. entfalten konnte. Ihre Aufgabe sehen die Vertreter der 35 Zivilgesellschaft vorrangig in der Mitwirkung an den offiziellen Jahresberichten zum Klimawandel und Einflussversuchen auf diesbezügliche staatliche Politik. Paradoxerweise gibt es in dem Land, das durch den Tschernobyl-GAU zu einem Symbol der vom Menschen ausgelösten Umweltkatastrophen geworden ist, weder eine konsolidierte grüne Bewegung noch klar formulierte umweltpolitische Programmatik in den politischen Parteien. Die ukrainische Partei der Grünen schaffte nur einmal 1998 den Sprung ins Parlament und ist seitdem wieder bedeutungslos. Die etablierten politischen Parteien beschäftigen sich zwar aktuell intensiver mit Themen wie erneuerbaren Energien und Energieeffizienz, praktische Schritte für Reformen Die Ruine des Atomreaktors von Tschernobyl. auf diesem Gebiet oder zur Einführung wirkungsvoller Kontrollmechanismen im Bereich des Umweltschutzes gibt es jedoch nicht. Die Berichterstattung zum Problemfeld des Klimawandels in den ukrainischen Medien erfolgt sporadisch und In der Ukraine ist fast jeder Lebensbereich, Trink- und oberflächlich, meist lediglich im Zusammenhang mit Flusswasser, Luft und Boden extrem stark belastet. Berichten über Naturkatastrophen. Die Ergebnisse des So beträgt beispielsweise die Emission von Schad- IPCC-Berichtes wurden nur in sehr wenigen Zeitungen stoffen in Kiew 10,1 Tonnen pro Quadratmeter Stadt- und Zeitschriften in verkürzter Form wiedergegeben. fläche pro Jahr. Im Donbass, dem Rückgrat der ukrai- Abgesehen von schwach besuchten Internetseiten von nischen Wirtschaft, liegt diese Zahl um das 1,5-fache Umweltorganisationen blieb das Dokument in der brei- höher. Der Gehalt von Stickstoffdioxid in der Luft ten ukrainischen Öffentlichkeit unbeachtet und ver- der ukrainischen Hauptstadt übersteigt die für die mochte es nicht, signifikante gesellschaftliche Diskus- menschliche Gesundheit erträgliche Norm um das sionen anzustoßen. 2,5-fache. D U R C H W I RT S C H A F T L I C H E A N R E I Z E Z U E I N E R Dass die Diskussion über die Umweltthematik in der A U S G E W O G E R E N U M W E LT P O L I T I K ? Ukraine nur am Rande stattfindet, ist im Wesentlichen auf ein in der ukrainischen Bevölkerung nur schwach Die wirtschaftlichen Vorteile, die die Ukraine im Rah- ausgeprägtes Umweltbewusstsein zurückzuführen, men des Kyoto-Protokolls vom internationalen Handel das seinerseits durch die langjährige Ausbeutung der mit Treibhausgas-Emissionsquoten gewinnen kann, Natur in der Ex-Sowjetunion und die dadurch gepräg- lassen die ukrainische Regierung über die Programme ten Verbrauchermentalität zu erklären ist. zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen intensiver nachdenken. Für die Ukraine eröffnet der Handel D E R K L I M A W A N D E L G E F Ä H R D E T N AT I O N A L E mit Emissionsquoten eine attraktive und relativ pro- INTERESSEN blemlose Einnahmequelle: der starke Abbau von Emissionen in der Ukraine durch Produktionssenkung und Das aktuelle öffentliche Meinungsbild der Ukrainer zum teilweise Schließungen in der Kohlenindustrie machen Klimawandel zeigt jedoch Ansätze der Veränderung: dieses Land zu einem der attraktivsten auf diesem 67 Prozent der befragten Ukrainer glauben, dass die sich rasch entwickelnden Markt. Nach Einschätzungen globale Klimaerwärmung eine Gefahr für nationale von Experten könnte der Quotenverkauf ab 2008 den Interessen darstellt. Die Dringlichkeit dieses Problems ukrainischen Haushalt jährlich um knapp 2 Mrd. Euro wird allerdings unterschiedlich eingestuft. 37 Prozent bereichern. der Befragten meinen, da die globale Klimaerwärmung erst allmählich auftrete, sollten auch entsprechende Eine weitere Einkommensquelle im Rahmen der Maßnahmen nur schrittweise und ohne erhebliche Regelungen des Kyoto-Protokolls bilden Investitionen Haushaltsausgaben ergriffen werden. Weitere 30 Pro- industriell hoch entwickelter Länder in emissionsein- zent sprechen sich für sofortige Maßnahmen aus. Etwa dämmende Projekte in der Ukraine, die dann wieder- 14 Prozent sind der Auffassung, dass das Problem nur um mit den erteilten Gutschriften gemäß dem EU- dann gelöst werden muss, wenn es zu einem „wirk- Emissionshandelssystem in Emissionsberechtigungen lichen Problem” wird. umgewandelt werden können. Auf diese Weise könn- 36 ten Projekte zum Abbau von Treibhausgasemissionen unterzeichnet. Das Dokument zielt auf die gemeinsa- als Gegenleistung für die Übergabe von Emissions- me Umsetzung des Kyoto-Protokolls ab und sieht Pro- quoten in der Ukraine zur längst überfälligen Moderni- jekte zum Abbau von Treibhausgasemissionen und die sierung der ukrainischen Wirtschaft und zur Steigerung Entwicklung von Investitionsmechanismen vor. Diese der Energieeffizienz beitragen. Absichtserklärung stellt eine Liste möglicher gemeinsamer Investitionsprojekte und potentieller Käufer von Die Haupthindernisse zur Umsetzung des Kyoto- Emissionsquoten dar. Kurz darauf wurde im März 2007 Protokolls bleiben nach Meinung einer internationa- ein Regierungsabkommen zur Umsetzung gemeinsamer len Expertengruppe, die im Frühjahr diesen Jahres Investitionsprojekte im Rahmen des Kyoto-Protokolls Beratungen im ukrainischen Umweltministerium zwischen der Ukraine und Frankreich unterzeichnet. durchführte, die unsystematische und unvollständige Darüber hinaus bestehen bilaterale Abkommen mit den Bestandsaufnahme der Treibhausgasemissionen und USA und Kanada. das Fehlen einer ukrainischen Initiative zur Erarbeitung und Umsetzung gemeinsamer Projekte. Die ukrainische Regierung gründete am 04. April 2007 eine Nationale Agentur für Ökologische Investitionen, I N T E R N AT I O N A L E A B K O M M E N U N D welche die Aufgabe hat, die Umsetzung der UNO- INVESTITIONSPROJEKTE Rahmenkonvention und des Kyoto-Protokolls zu verfolgen. Diese Agentur soll die Vorschläge der interna- Während des Besuchs von Ministerpräsident Viktor tionalen Expertengruppe auswerten, ein systematisches Janukowytsch in Berlin am 28. Februar 2007 unter- Verzeichnis schädlicher Emissionen erarbeiten und zeichneten das Umweltschutzministerium der Ukraine Maßnahmen zum Abbau von Treibgasemissionen in und die Deutschen Bank AG eine Absichtserklärung verschiedenen Industriebereichen durchsetzen. über die Zusammenarbeit im Bereich Klimawandel R U S S L A N D : S T E L L E N W E RT D E S U M W E LT S C H U T Z E S DURCH DAS KYOTO-PROTOKOLL GESTÄRKT Thomas Kunze Von staatlicher Seit hat der Umweltschutz in Russland erste Impulse mit den Folgen der Katastrophe von Das Thema „Klimawandel” wurde in Russland bis vor Tschernobyl erhalten. Legislative Initiativen wurden kurzem nur in Fachkreisen diskutiert. Der überdurch- jedoch erst in den 90er Jahren im Zusammenhang mit schnittlich warme Winter 2006/2007 hat jedoch eine der UNO-Rahmenkonvention über den Klimawandel neue Diskussion über die Folgen des Klimawandels (1992) ergriffen. Heute sind die wichtigsten Umwelt- auch in der Öffentlichkeit bewirkt. Obwohl in den ver- normen festgeschrieben im Föderalen Gesetz Nr. 7 gangenen zehn Jahren die ökologischen Auswirkungen vom 10.1.2002 „Über den Umweltschutz” und in der sowjetischen Industrialisierung erkannt und im der „Umweltdoktrin der Russischen Föderation” vom Zuge der weltweiten Umweltaktivitäten unter Führung 31.8.2002. Daneben ist bei der Umsetzung von staat- der UNO staatliche Umweltnormen eingeführt wurden, lichen Projekten der Präsidial-Erlass Nr. 24 „Zum Kon- fehlt bei Entscheidungsträgern noch der Umsetzungs- zept des Übergangs Russlands zur stabilen und nach- wille. Gleichfalls vermisst man eine vorausschauende, haltigen Entwicklung” vom 01.4.1996 zu berücksich- transparente Entwicklungsplanung, die die Bedenken tigen. Die gesetzgeberische Funktion in diesem Bereich der örtlichen Bevölkerung und der Bürgergesellschaft hat der Duma-Ausschuss für Umwelt inne. integriert. Als Folge der UN-Klimaberichte und des verstärkten internationalen Drucks, insbesondere von Obwohl die diesjährigen Berichte des IPCC in politi- Seiten der Europäischen Union, gibt es 2007 jedoch schen Kreisen vereinzelt mit Skepsis aufgenommen erste ermutigende Signale Moskaus, Umweltaspekte wurden, intensivieren Exekutive und Legislative mitt- im Zuge der wirtschaftlichen Öffnung des Landes erns- lerweile Bemühungen zur Umsetzung internationaler ter zu nehmen. Umweltschutzstandards: Im Jahr 2007 sind im russischen Parlament 30 umweltrelevante Gesetzentwürfe anhängig. 2006 hat der Umweltausschuss insgesamt 48 entsprechende Gesetzentwürfe erörtert, zwei davon sind vom Parlament bereits verabschiedet und vom russischen Präsidenten unterzeichnet worden. Allerdings moniert der Vorsitzende der Kommission der Gesellschaftskammer Russlands, Wladimir Sacharow, die unkoordinierte Kompetenzverteilung der staatlichen Behörden im Umweltbereich: „In den vergangenen zehn Jahren ist uns zuerst das Ministerium für die Umweltschutz und Ökologie, dann das Staatskomitee Rußland gehört weltweit zu den größten CO2-Verursachern. verloren gegangen, jetzt werden diese Funktionen durch das Ministerium für die Nutzung von Naturressourcen erfüllt. Wir brauchen heute eine einheitliche heitsgefährdende Verschmutzungspegel werden regel- Behörde, die für die Lösung ökologischer Probleme zu- mäßig auch in kleineren Industriestädten gemessen, ständig wird”. Seit 2003 ist seitens der Exekutive das wo Umweltauflagen nur selektiv umgesetzt werden. Ministerium für Naturressourcen unter Jurij Trutnjew Umweltbelastend sind zudem die immer wieder auf- federführend. Ihm untergeordnet sind die beiden Um- tretenden Defekte an der Transportinfrastruktur bei weltschutzbehörden, das Departement für Staatspolitik Öl- und Gaspipelines in der Konfliktregion Nordkauka- im Umweltschutzbereich und der Bundesaufsichts- sus sowie massive Ölbohrungen am Kaspischen Meer. dienst im Bereich der Naturnutzung. Beides hat zu nachhaltigen Schäden in den betroffenen Gebieten beigetragen. Seit den 90er Jahren wird in russischen Fachkreisen in der Regel der menschliche Einfluss auf Umweltver- Ein weiteres Problem, für das man in Russland im änderungen anerkannt; jedoch gehen – wie auch im Moment keine Lösung hat, ist die Frage der Lagerung Westen – die Meinungen über das Ausmaß und seine von Nuklearabfällen und, damit verbunden, die radio- Folgen für das Weltklima weit auseinander. Der WWF aktive Verseuchung umliegender Gebiete. Seit 2001 geht aber davon aus, dass sogenannte „südliche” werden auf dem Territorium Russlands nicht nur Reste Krankheiten und die damit verbundenen Todesfälle aus der eigenen Atomindustrie gelagert, sondern auch durch die Temperaturensteigerung ihren Weg nach Brennstäbe aus dem Ausland, überwiegend aus West- Russland gefunden haben und ihre Verbreitung weiter und Mitteleuropa. Auch die USA sind in Verhandlungen zunehmen wird. über eine eventuelle Atommülllagerung mit Moskau getreten. Betroffene Gebiete sind insbesondere die Wichtige nichtstaatliche Umweltschutzinstitutionen Gebiete Magnitogorsk, Morschansk, Perm, die Weiß- sind das „Zentrum für die Umweltpolitik Russlands”, meerregion und die Kurilen. Das Gebiet um den am das „Zentrum für die Umwelt und die Produktivität der Karatschaj-See gelegenen Majak-Nuklearkomplex in Wälder” der Russischen Akademie der Wissenschaften, der Nähe von Tscheljabinsk zählt zu den am meisten das „Russische Regionale Ökologische Zentrum”, sowie verseuchten Gebieten weltweit. Lokale und regionale diverse regionale Umweltschutzvereine und überre- Vereine in den betroffenen Regionen protestieren regel- gionale Foren. Abgesehen vom WWF hat bisher kein mäßig gegen bestehende und potentielle Gesundheits- (staatlicher oder nicht-staatlicher) Umweltschützer gefährdungen und gegen die fehlende Umsetzung die Medien zu einer nachhaltigen Auseinandersetzung von Umwelt- und Sicherheitsvorschriften. Vorerst bleibt mit Umweltthemen veranlassen können. Neben verein- offen, wie lange der finanziell lukrative „Atommüll- zelten Meldungen über lokale Umweltskandale oder Import” von den örtlichen Bewohnern toleriert wird. -katastrophen fehlt eine umfassende Berichterstattung und Auseinandersetzung über die weiterreichenden Mit der Ratifizierung des Kyoto-Protokolls am 5. Novem- Implikationen des Klimawandels. Im russischen Alltag ber 2004 begann jedoch eine neue Etappe der Wahr- gibt es in der Bevölkerung noch kein nennenswertes nehmung der Umwelt- und Klimaprobleme auf staatli- Umweltbewußtsein. cher Ebene. Im Mai 2005 wurde die „Interbehördliche Kommission für die Realisierung der Verpflichtungen Vor dem Hintergrund des Klimawandels gehört zu Russlands gemäß Kyoto-Protokoll zwecks der Koordi- den akuten Umweltproblemen des Landes die Luftver- nierung der föderalen Organe der Exekutive der Russi- schmutzung, die nicht nur in Großstädten wie Moskau, schen Föderation” gegründet. Die Hauptkontrolle der St. Petersburg und Nowosibirsk infolge des Wirt- Umsetzung des Kyoto-Protokolls unterliegt dabei nicht schaftsaufschwungs und dem zunehmenden Schad- dem Ministerium für Naturressourcen, sondern dem stoffausstoß durch die „Automobilisierung”. Gesund- Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Handel. 38 Aktuelles Beispiel für neue staatliche Umweltschutz- russischen Stadt Tichwin haben z.B. das Bauprojekt bemühungen ist die Schwerbetonfabrik in der Stadt einer neuen Ferrochromproduktion einer offiziellen Podolsk, die als erstes Projekt seiner Art mit neu fest- Öko-Prüfung unterzogen, bei der man auch als Krite- gesetzten und verstärkten Verpflichtungen für 2008– rien die Anforderungen des Kyoto-Protokolls berück- 2012 einer technischen Modernisierung unterzogen sichtigen wird. Im Gebiet Pskow wurde im Rahmen wird. Gleichzeitig werden die Anforderungen des Kyoto- der Verwirklichung des Kyoto-Protokolls mit der Ein- Protokolls bereits bei der Planung von neuen Produk- pflanzung der so genannten Kyoto-Wälder (Fichten tionsanlagen berücksichtigt. Die Einwohner der mittel- und Tannenbäume, ca. 40 Hektar) begonnen. U S A : P O L I T I K- U N D K L I M A W A N D E L Roman Sehling Mit steigenden Energiepreisen und der wachsenden Gefahr durch die zahlreicher werdenden Wirbelstürme ist das Thema Klimawandel nun auch in den USA in aller Munde. Zusammen mit den ersten Gegenmaßnahmen auf regionaler Ebene, weiteren wissenschaftlichen Studien wie dem Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) und dem viel gezeigten Film „An inconvenient truth” des ehemaligen Vizepräsidenten Al Gore scheint das Thema in den USA endlich den „tipping point” erreicht zu haben, an dem diese Herausforderung Politiker auf nationaler Ebene zum Handeln veranlasst. Präsident George W. Bush hat das Thema Klimawan- Al Gore, ehemaliger US-Vizepräsident und Friedensnobelpreisträger 2007. del dann auch in seiner „State of the Union”-Ansprache im Januar 2007 erwähnt und einige Maßnahmen angekündigt. Den Demokraten ist dies nicht genug. dieser Enthusiasmus anhält und wie sich die Befürwor- Sie haben den Klimawandel kurzerhand zu einem Top- tung der Maßnahmen seitens der Bevölkerung entwi- Thema gemacht. Eine Reihe von Ausschüssen und ckelt, sobald sich ihre Energiekosten kurzfristig erhö- Unterausschüssen befasst sich nun damit, umfassende hen und Arbeitsplätze weiter ins Ausland verlagert Gesetzesinitiativen zum Klimawandel zu entwickeln. werden. Es wird auch untersucht, ob die Regierung Bush wissenschaftliche Studien zum Klimawandel in der Ver- B U S H : C L I M AT E C H A N G E A S E R I O U S C H A L L E N G E gangenheit redigiert hat, um dessen Gefahr zu überspielen. In seiner „State of the Union” Ansprache vor der amerikanischen Nation sprach Präsident Bush dann Allerdings sollte nicht zu viel erwartet werden: auch auch von einer „ernsthaften Herausforderung” durch innerhalb der Demokratischen Partei formieren sich den Klimawandel. Bereits im Vorjahr hatte der Präsi- alteingesessene Interessengruppen, um die Belange dent gefordert, die Ölimporte aus dem Nahen Osten des Automobil-, Energie- und Kohlesektors sowie der bis 2025 um 75 Prozent zu senken und dabei verspro- Landwirtschaft zu verteidigen. Die Industrie selbst hat chen, einheimische alternative Energiequellen zu för- erkannt, daß die Obstruktionsphase vorbei ist und es dern. In diesem Jahr kündigte er die Initiative „20 in nun gilt, ihre Interessen vor anderen nationalen und 10” an, mit der innerhalb der nächsten zehn Jahre der internationalen Industriezweigen zu verteidigen und Treibstoffbedarf um 20 Prozent gesenkt warden soll. die Kosten einer Klimawandelpolitik so viel wie möglich Dabei sollen bis 2017 jährlich insgesamt 35 Milliarden von anderen tragen zu lassen. Auch eine Reihe von Gallonen Treibstoff aus erneuerbaren Energiequellen Präsidentschaftskandidaten berücksichtigt das Thema bereits. Es bleibt allerdings abzuwarten, wie lange wie zum Beispiel Ethanol produziert werden, was knapp 15 Prozent des jährlichen Treibstoffbedarfs ausmachen würde und ein Fünffaches des für 2012 geplanten Ziels darstellt. Momentan werden jährlich rund 5 Milliarden Gallonen Ethanol verbraucht, was die 2005 beschlossene Quote um 25 Prozent übertrifft. Die insgesamt relativ versöhnlichen Töne aus dem Weissen Haus zum Thema Klimawandel begründete der Talk Show Host Jay Leno allerdings ganz einfach mit dem Mangel an anderen Gesprächsthemen. Wenn Präsident Bush nicht etwas zum Klimawandel gesagt hätte, dann hätte er über den Irakkrieg sprechen müs- In den kommenden Jahren werden Orkane so stark an Kraft zunehmen, dass das Ausmaß der Zerstörungen – wie hier in New Orleans – erheblich steigen wird. sen, und im Vergleich dazu war ihm der Klimawandel als Thema doch wesentlich angenehmer. rung Bush es ihnen erlaubt, kostenfrei die Umwelt zu C L I M AT E C H A N G E V S . E N E R G Y I N D E P E N D E N C E verschmutzen, so der Demokratische Abgeordnete Jay Inslee. David Hawkins vom Natural Resources Defense Laut Thomas D. Shope, Principal Deputy Assistant Council warnte dann auch, daß die Kohlekraftwerke, Secretary des Energy Department kann erst im Jahr die in den nächsten 25 Jahren ohne „clean coal tech- 2045 mit Technologien zur Absorption und Aufbewah- nology” gebaut werden sollen, in ihrem Lebenszyklus rung von Kohlendioxid zu rechnen sein. Momentan 30 Prozent mehr Kohlendioxid ausstossen, als alle frü- wird ungefähr die Hälfte des U.S. Energiebedarfs durch heren Emissionen durch Kohlenutzung in den USA zu- Kohle gedeckt. Sollte aufgrund von Kohlendioxidemis- sammen. Die regulative Unklarheit hat auf jeden Fall sionsbeschränkungen die Nachfrage nach Kohle abrupt bereits die Elektrizitätsfirma TXU Corporation dazu verringert werden und Kohle durch andere Treibstoffe veranlasst, ihre geplanten acht neuen Kohlekraftwerke ersetzt werden müssen, wird es zu starken Preisanstie- nicht zu bauen und stattdessen 400 Millionen Dollar für gen bei den alternativen Brennstoffen kommen. Energieeffizienz und Einsparung auszugeben. Rick Boucher vom Energy and Air Quality Subcommit- Ein ähnliche Herausforderung, sich zwischen Energieun- tee verkündete dann auch, daß er eventuell den Klima- abhängigkeit und Klimawandel zu entscheiden,besteht wandelgesetzesinitiativen Änderungen beifügen würde, auch, was den alternativen Treibstoff Ethanol angeht. die es Kohleverbrauchern erlauben würde, einige For- Hier trifft die bedeutende Interessengruppe der Agrar- derungen erst erfüllen zu müssen, sobald die Techno- industrie auf die Anhänger des Klimaschutzes. Um das logie für Absorbtion und Aufbewahrung von Treibhaus- Ziel des Präsidenten zu erreichen, innerhalb der nächs- gasen auf dem Markt ist. Shope erklärte, daß es bei ten zehn Jahre den Treibstoffbedarf um 20 Prozent zu gleichen staatlichen Fördermitteln unwahrscheinlich senken und mit jährlich 35 Milliarden Gallonen an er- ist, daß bezahlbare Technologien vor 2025 auf dem neuerbaren Energiequellen zu ersetzen, muss langfris- Markt wären. Eine Verdopplung der Fördermittel würde tig Ethanol aus Brasilien und andern Ländern importiert deren Entwicklung beschleunigen. Nach dem heutigen werden. Dafür müsse allerdings der Importzoll von Erkenntnisstand würde ein emissionsvermindertes 54 Cent pro Gallone (3,9 Liter) eventuell aufgehoben Kohlekraftwerk im Jahr 2025 knapp 10 Prozent über werden, so Samuel Bodman, Secretary of Energy. Das den Kosten eines regulären Kohlekraftwerkes liegen jedoch ist nicht unbedingt im Interesse der Senatoren und erst gegen 2045 würde die Technologie soweit des mittleren Westens der USA, der zu den größten sein, daß die Kosten ungefähr gleich seien. Maisanbaugebieten der Welt zählt. Der Vorsitzende des Agriculture Committees, Senator Tom Harkin aus Iowa, Senator Bingaman äußerte sich skeptisch, was die war daher begeistert von Präsident Bushs Intitiative, Chancen der viel gepriesenen „coal to liquids” Techno- den Anteil an Ethanol am Treibstoffverbrauch zu erhö- logie angeht. Umweltschützer sehen das ähnlich und hen. Er hat daher seinen eigenen Gesetzesvorschlag wiesen in der Vergangenheit darauf hin, daß diese eingebracht, nachdem 60 Milliarden Gallonen von er- Technologie einerseits nicht unbedingt technisch mög- neuerbaren „biofuels” wie Ethanol, bis 2030 jährlich lich sein muss und andererseits wahrscheinlich zu teu- verbraucht werden sollen. Eine Senkung oder Abschaf- er wird, um praktikabel zu sein. Kritiker weisen dabei fung des Einfuhrzolls jedoch würde die Entwicklung von auch darauf hin, daß eine Emissionseinschränkung einheimischen Kapazitäten nur bremsen, so Senator gerade wirksam ist, um erhöhte Investitionen in neue Bingaman vom Senate Energy and Natural Resources Technologien zu fördern. Warum sollte eine Firma frei- Ausschuss. willig auf diese Technologien setzen, wenn die Regie- potenziell die Entwicklung von erneuerbaren Energien behindern, da Einsparungsmaßnahmen günstiger wären als neue Technologien. Resultate einer Studie des American Solar Energy Society besagen ebenfalls, daß existierende Technologien (wie Solartechnik, Photovoltaics, Wind, Biomasse und geotheermische Energiequellen) gemeinsam mit Die Lebensweise der meisten US-Bürger ist nicht ressourcenschonend. einer verbesserten Energienutzung der Industrie, in Gebäuden und im Verkehr Treibhausgasemissionen um 1,2 Milliarden Tonnen bis 2030 verringern koennten. Henry Waxman vom House Oversight and Government E N E R G I E V E R B R A U C H E F F I Z I E N T E R G E S TA LT E N Reform Ausschuss betonte jedoch, daß sowohl Emissionsrechtehandel als auch Investitionen in neue Techno- Nachdem Jimmy Carter in den 70iger Jahren unange- logien auch trotz des Einsatzes von bereits nutzbaren nehme Erfahrungen mit der Bereitschaft der Amerika- Technologien erforderlich sind. Beide Aspekte wären ner, Energie zu sparen, machen musste, entdeckt man wichtig – viel könnte ohne Emissionshandelsrechte diesen Ansatz jetzt wieder „neu.” Auch wenn Vizepräsi- geschafft werden, jedoch wären diese notwendig, um dent Dick Cheney Sparsamkeit noch 2001 als eine Tu- auf dem richtigen Weg zu bleiben. Ebenso warnten gend bezeichnete, so wird nun Energieeffizienz mittler- Mitarbeiter der Demokraten, daß die Führungsriege im weile als „fünfter Treibstoff” gehandelt und ist damit Senat zwar an solchen „efficiency standards” interes- ein wichtiger Aspekt in der Klimawandeldebatte. Nach- siert wäre, diese jedoch nicht ihre Betrebungen gefähr- dem der amerikanische Kongress in der Vergangenheit den dürften, einen „renewable portfolio” Standard hauptsächlich auf Steuervergünstigungen gesetzt hat- einzuführen. Auch warnt man davor, daß diese Vor- te, erörtern Politiker nun die Möglichkeit, Elektrizitäts- schläge im House Energy and Commerce Ausschuss und Gaswerke zu zwingen, den steigenden Energiebe- ihr Ende finden könnten, wie bereits mit ähnlichen darf der Verbraucher durch Produktivitätssteigerungen Gesetzesinitiativen im Jahr 2005. ihrerseits zu erfüllen. Dan Reicher, Direktor für Klimawandelinitiativen bei Google.org und ehemals beim A C T L O C A L LY, T H I N K G L O B A L LY Department of Energy, rief den Kongress dazu auf, es nicht bei Sparsamkeitsdeklarationen zu belassen. Das man auch auf lokaler Ebene aktiv werden kann, Stattdessen sollte ein Energieeffizienzstandard einge- zeigt die Stadt Seattle im Bundesstaat Washington. führt werden, der Elektrizitäts- und Gaswerke veran- Bürgermeister Greg Nickels versucht seine Kollegen lassen würde, Energiebedarfswachstum mit höherer davon zu überzeugen, auf städtischer Ebene das Kyoto- Produktivität auszugleichen und damit weniger Kraft- Protokoll zu erfüllen. Im Jahr 2005 präsentierte er werke bauen zu müssen, was letztendlich emissions- gemeinsam mit acht weiteren Bürgermeistern das verringernd wirkt. Laut Reicher hätten bereits acht U.S. Mayors Climate Protection Agreement. Das Ziel Bundesstaaten verschiedene Versionen dieses Kon- war damals, innerhalb eines Jahres 141 Bürgermeister zepts eingeführt. davon zu überzeugen, das Dokument zu unterschreiben. Bisher haben sich insgesamt bereits 435 Bürger- Der American Council for an Energy-Efficient Economy meister dazu verpflichtet. Auch in Boulder, Colorado schlägt vor, daß die Elektrizitätswerke ihre prognosti- „scheut” man sich nicht vor umweltfreundlichen Maß- zierten Verbrauch um knapp 10 Prozent bis 2020 ver- nahmen: Mit einem Stimmenvorsprung von 60 Prozent ringern und damit ihr prognostiziertes Wachstum um haben sich die Bewohner der Stadt bei den letzten die Hälfte verkleinern. Bill Prindle, der stellvertretende Wahlen für eine „carbon tax” ausgesprochen. Diese Direktor des Councils wies dabei auf eine Studie für die Kohlendioxidsteuer wird ihnen nun zur Stromrechnung Bundesstaaten des Nordostens der USA hin, die ergab, hinzuberechnet und macht die Stadt zur ersten in den daß eine Kombination von Sparsamkeit bzw. geringe- USA, die eine Steuer auf Strom aus fossilen Brenn- rem Verbrauch und dem Erschließen erneuerbarer stoffen erhebt. Energiequellen bis 2020 zu einem verringerten Wachstum der Emissionen und danach zu deren Sinken füh- Ob dieses Prinzip jedoch auch auf landesweiter Ebene ren könne (und dies ohne Emissionsrechtehandel bzw. akzeptabel ist, wird sich noch zeigen. In einer Insider Emissionssteuern). Wie das allerdings mit einem pri- Umfrage des renommierten National Journal, wurde vatwirtschaftlichem Geschäftsmodell realisierbar sein eine Auswahl an Demokratischen und Republikanischen soll, wurde noch nicht beantwortet. Die Profite der Elektrizitätswerke sind in aller Regel an den Verbrauch gekoppelt. Auch würde ein Vorrang der Energieeffizienz 41 Abgeordneten und Senatoren zu verschiedenen Optio- humanitäre Missionen in diesen Gebieten verwickelt nen befragt. Sowohl bei den Demokraten als Republi- werden, während das schmelzende Eis der Polkappen kanern war eine direkte Steuer im Namen des Klima- generell Territorialkonflikte über Schiffahrtsgebiete und wandels relativ unbeliebt. Rohstoffe ausbrechen lassen kann. Die Studie stuft den Andererseits fordert auch der Gouverneur von Oregon der bedrohliche Umstände und Situationen nur noch seine Kollegen im dortigen Landtag auf, Gesetzgebung gefährlicher macht. Der Chairman des Senate Foreign zu veranlassen, so daß bis 2025 25 Prozent des Ener- Relations Committees und Demokratischer Präsident- gieverbrauchs durch erneuerbare Energiequellen schaftskandidat, Joe Biden, plant daher auch eine Anhö- gedeckt wird. Um dies zu bewerkstelligen, müssten rung zu diesem Problem abzuhalten.Bereits vor einem Klimawandel dann auch als Gefahrenmultiplikator ein, Kraftwerke erneuerbare Energie selber generieren, von anderen Anbietern kaufen oder Zertifikate vom Staat akquirieren. Im Februar unterzeichnete Minnesotas Republikanischer Gouverneur ein ähnliches Gesetz, was die Kraftwerke in seinem Bundesstaat veranläßt, ebenfalls 25 Prozent des Energiebedarfs bis zum Jahr 2025 durch erneuerbare Energiequellen zu decken. Da auf nationaler Ebene bisher noch kein solches Gesetz beschlossen wurde, sind in mittlerweile insgesamt 24 Bundesstaaten verschiedene freiwillige oder vorgeschriebene Standards über den Anteil an erneuerbaren Energieträger in Kraft. Judi Greenwald vom Pew Center on Global Climate Change weist aber auch darauf hin, daß die Motivation oft in der Hoffnung auf Schaffung neuer Arbeitsplätze und einer saubereren Umwelt liegt. Die USA sind die weltweit höchsten CO2-Verursacher. Bereits 1975 wurde ähnliche Anstrengungen den Ölpreis mit einer Steuer anzuheben berwältigend von den damaligen Abgeordneten abgelehnt. Bill Clintons Versuche Monat hatte der Demokratische Senate Majority Whip eine Energiesteuer einzuführen, starben ebenfalls noch Dick Durbin und der Republikanische Senator Chuck im legislativen Kinderbett. Dabei zeigen lokale Anstren- Hagel einen Gesetzesvorschlag initiert, der die Regie- gungen wie in Boulder bzw. regionale Versuche den rung veranlassen würde, die Klimawandelrisiken offiziell Klimawandel zu mildern wie in Kalifornien, Washington, zu untersuchen. Oregon, New Mexico und Arizona, daß es durchaus Rückhalt in der Bevölkerung gibt. Interessant wird allerdings E L E C T I O N S 2 0 0 8 – T H E H E AT I S O N wenn die Emissionsverringerungsmodelle, die sich gegen Fahrzeugs- und Kraftwerksemissionen richten Eine Anhörung des Senate Environment und Public (und wahrscheinlich clean-coal,Wind, Solar, Biomasse Works Ausschusses am 30. Januar dieses Jahres brach- und andere alternative Energiequellen fördern werden) te zwar keine geladenen Wissenschaftler und Experten zu den ersten nachteiligen Auswirkungen auf dem Ar- vor den Ausschuss, bot aber dafür einer Reihe von Prä- beitsmarkt führen bzw. sich im Wirtschaftswachstum sidentschaftsanwärtern, die Möglichkeit ihre Positionen negativ ausschlagen. Die Republikaner warnen bereits darzustellen. Die Senatoren Biden, Clinton, McCain und jetzt vor China und India, die zwar auch auf Atom- Obama nutzten die Chance dann auch, sich den Wäh- kraftwerke setzten, aber auch zahllose veraltete Koh- lern zu präsentieren. Senator Larry Craig aus Idaho lekraftwerke betreiben. brachte es dann aber auch auf den Punkt: „eine überstürzte Klimawandelpolitik wäre nur ein Ansturm zur K L I M A W A N D E L A L S N AT I O N A L E B E D R O H U N G nächsten Wahl, Senatorin Clinton.” Aber auch aus der Perspektive der Nationalen Sicher- Es ist allerdings tatsächlich bemerkenswert, wie die heit versuchen Wissenschaftler und andere Gruppen Demokraten versuchen, mit dem Thema Klimawandel die Aufmerksamkeit, die dem Problem des Klimawan- (und entsprechender Rhetorik) gerade auch bei reli- dels gewidmet wird, aufrecht zu erhalten. Laut einer giösen Wählern Punkte zu sammeln. In der Vergangen- Studie des Center for Naval Analysis, welche vom heit gab es bereits vermehrt christliche Organisationen, Rockefeller Family Fund und anderen Stiftungen finan- die ihr politisches Betätigungsfeld nicht mehr nur auf ziert wurde, droht der Klimawandel den Krieg gegen den Terror zu verlängern sowie politische Instabilität generell zu fördern. Zum Beispiel könnten die USA in 42 Abtreibung und Homo-Ehe konzentrieren, sondern verantwortlich sind. Die Tatsache, daß die Zukunfts- sich auch aktiv um den Schutz von Gottes Erde küm- szenarien des IPCC sich bis ans Jahrhundertende er- mern wollten. Gerade bei den Evangelikalen wird strecken, sollte den Amerikanern (die Zeit) zu denken das Interesse für dieses Thema immer größer. Richard geben. Sowohl Präsident Bush als auch Speaker Pelosi Cizik, Vice President for Governmental Affairs der und Majority Leader Harry Reid wollen Innovations- National Association of Evangelicals (NAE) startete technologien fördern, um einerseits die Wettbewerbs- bereits 2006 eine Initiative, um den Klimawandel zu fähigkeit und Energiesicherheit der USA zu sichern verlangsamen. Die Organisation gehört mit 45000 pro- und andererseits den Klimawandel zu verlangsamen. testantischen Kirchengemeinden und knapp 30 Millio- Während einer Debatte zwischen dem Demokratischen nen Mitgliedern zu den größten in den USA. Senator John Kerry und dem ehemaligen Sprecher der Republikaner im Abgeordnetenhaus Newt Gingrich ist Während den Demokraten vorgeworfen wird, bereits einer der traditionellen Gegensätze zwischen den bei- an die nächsten Wahlen im Jahr 2008 zu denken, den Parteien wieder klar geworden: die Republikaner haben Basisorganisationen schon längst damit ange- vertrauen auf die Kraft von market based incentives, fangen, Klimawandel als Thema für die Präsident- das Problem schneller und günstiger beheben zu kön- schaftsvorwahlen zu positionieren. Die League of nen, als die von den Demokraten favorisierte staatli- Conservation Voters ist bereits vor Ort in Iowa, New che Lösung via eines Emissionsrechtehandels. Als Hampshire, South Carolina und Nevada, um lokale jedoch Präsident Bush noch Gouverneur von Texas Medien und Parteifunktionäre zu ermutigen, Fragen war, führte er ohne weiteres ein Kohlendioxidemissions- zum Klimawandel an die Kandidaten zu stellen. Die limit ein. Auch versprach er während des Präsident- Tatsache, daß eine Reihe von Präsidentschaftsanwär- schaftswahlkampfes im Jahr 2000 die Kohlendioxidemis- tern bereits zehn Monate vor den Vorwahlen sich sionen auf nationaler Ebene zu beschränken. Letztend- gegenseitig mit Gesetzesinitiativen überbietet, ist auf lich wandte er sich von seinem Versprechen ab, aller- jeden Fall ein Zeichen dafür, daß Klimawandel ein dings aus guten Gründen – laut dem ehemaligen Direk- top Thema im Wahlkampf werden wird, so Tiernan tor der EPA. Dieser schrieb vor kurzem in der Washing- Sittenfeld von der League of Conservation Voters. ton Post, dass die Zeit für Gesetzesinitiativen gekom- Kein Wunder dann, dass Senatorin Barbara Boxer erste men sei und weiterer Aufschub keine Option mehr Gesetzesinitiativen bereits in diesem Jahr im Senat darstellte. Ein Kompromiss sollte also zu finden sein. diskutieren will und nicht darauf warten wird, bis eine klare Mehrheit von 60 Stimmen im Senat erreicht Dies ist die gekürzte Fassung eines Berichts, der auf werden kann. Diese ist notwendig, um einen filibuster www.kas.de abrufbar ist. zu vermeiden bzw. das wahrscheinliche Veto des Präsidenten zu brechen. Damit soll das Thema Klimawandel für den bevorstehenden Wahlkampf im Jahr 2008 aktuell gehalten werden: Senatoren und Abgeordnete sollen für ihre Abstimmungsentscheidungen dann zur Rechenschaft gezogen werden. SEA CHANGE? Auch wenn es momentan erscheinen mag, daß ein „tipping point” erreicht wurde und nun die Politiker beider Seiten zum Handeln veranlasst sind, so ist das Gesprächsklima ein überraschend kompliziertes. Beide Seiten scheinen in extremen Lagern zu kampieren, so daß eine Konsensbildung nur schwer zu vollbringen ist. Man kann sich scheinbar nur zwischen dem sofortigen Handeln, um die Erde zu retten und einem „Idiotendasein” als Klimawandelskeptiker entscheiden. Nicht jeder der zu behutsamer Analyse der Kosten für die Wirtschaft aufruft, ist auch der korrupte Klimawandelskeptiker für den man ihn hält. Eine Mehrheit der Bevölkerung akzeptiert die Tatsache, daß die Erde sich in einer Wärmephase befindet und das Menschen zumindest teilweise via Treibhausgasemissionen dafür L AT E I N A M E R I K A 44 BRASILIEN: AUF DER GEWINNERSEITE DES KLIMAWANDELS? Klaus Hermanns BRASILIEN ALS DAS ZUKÜNFTIGE SAUDI-ARABIEN DER AGROENERGIE Z U S A M M E N FA S S U N G Brasilien und die USA haben zusammen einen Anteil Brasilien beteiligt sich rege national und international von 70 Prozent an der Weltproduktion von Bioethanol. an der Diskussion zum Klimawandel. Aufgrund der Während die Basis der Produktion in den USA Mais bil- aktuellen Prognosen werden vor allem für den Nord- det, beruht die Produktion in Brasilien auf Zuckerrohr. osten und sowie den Norden mit Amazonien negative Im Jahre 2006 wurden 17,7 Millionen Kubikmeter Bio- Auswirkungen wie die Ausweitung der Savannen und ethanol aus Zuckerrohr produziert. 15 Prozent wurden bzw. Wasserknappheit bis zum Ende des 21. Jahrhun- davon exportiert. 80 Prozent wurden als Kraftstoff derts vorhergesagt. Das Kyoto-Protokoll verpflichtet in Brasilien eingesetzt – dies sind rund 40 Prozent des Brasilien nicht zur Reduktion von Kohlendioxidemis- gesamten Kraftstoffverbrauchs in Brasilien. sionen. In der aktuellen Klimadiskussion wird vornehmlich die positive Rolle Brasiliens als potentieller Das unter der Militärregierung im Jahre 1975 gestartete globaler Lieferant von Biokraftstoffen gesehen. Öko- Programm PROÁLCOOL zur Nutzung von Bioethanol logische und soziale Risiken durch eine massive Aus- wurde damals hauptsächlich zur Importsubstitution von dehnung der Agrarflächen werden dabei noch zu teuerem Erdöl nach dem ersten Erdölpreisschock ein- wenig wahrgenommen. Es zeichnen sich Konfliktlinien gesetzt. Nach seinem Niedergang in den 90er-Jahren von Biodiversität versus Biokraftstoffe sowie Nah- befindet sich die Produktion von Bioethanol seit den rungsmittelsicherheit versus Biokraftstoffe ab. Für letzten Jahren in einem besonderen Aufwind. Die der- den Nach-Kyoto-Prozess gewinnen vermiedene Koh- zeitige Anbaufläche von Zuckerrohr beträgt rund 5,3 lendioxidemissionen durch verminderte Abholzungen Millionen Hektar. Jeweils zur Hälfte ging die Ernte im in Amazonien eine größere Bedeutung. Aus europäi- Jahre 2006 in die Zuckerherstellung bzw. in die Produk- scher Sicht gilt es, gemeinsam mit Brasilien Standards tion von Bioethanol. An günstigen Standorten im Bun- für einen zertifizierten Anbau von Energiepflanzen desstaat São Paulo kann die Produktion an 9.000 Liter festzulegen, um negative ökologische und soziale Bioethanol pro Hektar heranreichen. Der Export von Effekte in Brasilien zu vermeiden. Bioethanol ist im Zeitraum von 2001 bis 2006 um das Neunfache gestiegen. Im Jahre 2006 wurde ein Export- 1. DISKURS ZUM KLIMAWANDEL IN BRASILIEN erlös im Werte von 1,6 Milliarden US-Dollar erzielt. Im Jahre 2005 waren dies noch 765,5 Millionen US-Dollar. Brasilien ist seit dem Erdgipfel von Rio de Janeiro von 1992, auf dem die UN-Klimarahmenkonvention be- Brasiliens Ex-Präsident Fernando Henrique Cardoso schlossen wurde, unmittelbar mit der Diskussion zum vertritt die Meinung, dass sich Brasilien unter den Klimawandel verbunden. Die Klimadebatte wird in Schwellenländern als Führer in Klimafragen etablieren Brasilien seither in breiter Form von allen Segmenten sollte. Aufgrund des hohen Anteils an Erneuerbaren der Gesellschaft geführt. Allerdings steht dabei vor- Energien an der Energiematrix sei Brasilien hierfür nehmlich die Produktionsausweitung von Biokraftstof- prädestiniert. Cardoso ist neben Al Gore im Beirat des fen im Mittelpunkt. Dabei wird Brasiliens Beitrag zum World Resources Institute (WRI). Die Klimadebatte Klimaschutz vor allem in der Bereitstellung von CO2- verschafft also nicht nur Al Gore wieder eine politische neutralen Biokraftstoffen gesehen, die fossile Treib- Bühne. stoffe langfristig ersetzen sollen. Die Medienberichterstattung über das ökonomische Potential der Biokraft- Das als Gesetz festgelegte brasilianische Biodieselpro- stoffe für Brasilien ist entsprechend intensiv. Treiben- gramm (PNPB) sieht ab 2008 die Zumischung von de Kraft in der Diskussion ist Präsident Luiz Inácio 2 Prozent Biodiesel zum normalen Dieselkraftstoff vor. Lula da Silva. Dieser ist unermüdlich dabei, Werbung Hierzu wird eine Produktion von einer Milliarde Liter für die Biokraftstoffe zu machen. Beim Brasilien-Besuch Biodiesel erforderlich sein. Im Jahre 2013 soll dieser von Papst Benedikt XVI. im Mai 2007 erläuterte Lula Anteil auf fünf Prozent erhöht werden. Dann muss die im Rahmen einer Audienz das aktuelle Biodieselpro- Produktion von Biodiesel 2,4 Milliarden Liter betragen. gramm für Kleinbauern, das auch zur Armutsminderung dienen soll. Das brasilianische Landwirtschaftsministerium spricht in seinem nationalen Plan für Agroenergie von einem Flächenpotential von 200 Millionen Hektar Land, das 45 BRASILIANISCHER EXPORT VON BIOETHANOL in Mio. Liter pro Jahr 4000 3500 3000 2500 2000 1500 1000 500 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 Zeitraum von 1996–2006 | Quelle: TORQUATO & PEREZ 2007 sich potentiell für die Energiegewinnung eignen könnte. SOZIALE UND ÖKOLOGISCHE BILANZIERUNG Dies entspricht rund einem Viertel der Fläche Brasiliens. DER BIOKRAF TSTOFFE ERFORDERLICH Aufgrund der gestiegenen Nachfrage nach Mais, besonders durch die USA mit ihrer auf Mais basierenden Nicht unbegründet sind Befürchtungen, dass beson- Bioethanolproduktion, wurde die Anbaufläche von Mais ders das brasilianische Biodiesel-Förderprogramm für um 13 Prozent erhöht. Brasilien ist bereits der dritt- Kleinbauern die Produktion von Grundnahrungsmitteln größte Maisexporteur weltweit. In den nächsten acht beeinträchtigen könnte. Zu rund 70 Prozent ist die Jahren soll die Anbaufläche von Zuckerrohr um rund kleinbäuerliche Produktion für die Nahrungsmittelver- 3 Millionen Hektar erweitert werden, um die Produktion sorgung Brasiliens verantwortlich. Die brasilianische von Zuckerrohr um rund 50 Prozent zu steigern. Die Regierung wird daher unter anderem von der Landlo- Flächen sollen vor allem im Nordosten entstehen. senbewegung kritisiert, falsche Anreize für die Klein- Heute konzentriert sich die Produktion von Zucker und bauern zugeben. Auch die Welternährungsorganisation Bioethanol zu rund 85 Prozent auf den Mitte und den FAO macht auf die Chancen und Risiken der Bioenergie Süden Brasiliens. Aufgrund der Flächenausweitungen für die Ernährungssicherheit aufmerksam. Empfohlen für die Zuckerrohrproduktion der letzten Jahre im Bun- wird ein freiwilliger Verhaltenskodex für die Produktion desstaat São Paulo sind dort die Preise für landwirt- und Nutzung von Bioenergie. Hierfür wird ein verstärk- schaftlich genutzte Flächen zwischen 2001 und 2006 ter Dialog aller Akteure angeregt. Die Ausbreitung von um durchschnittlich 113,4 Prozent gestiegen. Für die Monokulturen wird eine deutliche Auswirkung auf die Ernte 2012/2013 sollen genügend Produktionskapazi- Biodiversität v.a. in Amazonien haben. Entsprechend täten für die Verarbeitung von 610 Millionen Tonnen wird der Ruf nach einer stärkeren Kontrolle des Pro- Zuckerrohr zu rund 36,6 Millionen Tonnen Zucker und zesses vor allem von Seiten der Umweltschützer grö- 27,4 Milliarden Litern Bioalkohol geschaffen werden. ßer. Mit Interesse wird die aktuelle Diskussion der EU Die Haupthoffnungen Brasiliens liegen allerdings auf zur Zertifizierung der Biokraftstoffe verfolgt. Im April dem Biodiesel, das die größte Flächenausdehnung er- 2007 hat das Nationale Institut für Metrologie, Nor- laubt. Als Energiepflanzen können dabei Soja, Sonnen- mung und Industriequalität (INMETRO) die Arbeit an blumen, Rizinus, Erdnuss, Baumwolle, Mais, Palmen, einem Regelwerk zur Zertifizierung von Biokraftstoffen Raps und Pinien dienen. Am ertragreichsten sind Palm- aufgenommen. Der Kritik von Menschenrechtsgruppen pflanzungen der Dendê mit 3 bis 6 Tonnen Pflanzenöl zur Sklavenarbeit auf Zuckerrohrfarmen sowie den pro Hektar. ökologischen Bedenken soll damit Rechnung getragen werden. Die Diskussion zum Fair Trade wird sicherlich Für Rizinus, das vor allem im semi-ariden Nordosten zukünftig auf internationaler Ebene unter Beteiligung Brasiliens die empfohlene Ölpflanze ist, werden Erträge brasilianischer Akteure intensiviert werden. von 0,5 bis 0,9 Tonnen Öl pro Hektar erwartet. Für Amazonien wurde eine potentielle Fläche von 5 Millionen KOHLENDIOXIDEMISSIONEN UND DER BEITRAG Hektar für die Nutzung der Dendê-Palme ermittelt. Die BRASILIENS Landwirtschafts- und Industrieverbände treiben gemeinsam mit der Regierung die Agroenergiedebatte voran. Der aktuelle „Rausch” nach dem „grünen Gold” der Agroenergie verstellt leider noch politisch den Blick auf den Ausbau der Solar- und Windenergien, die gewiss 46 einen positiveren ökologischen Beitrag leisten als die Vergleicht man die CO2-Produktion bezogen auf das Brut- Agroenergien. Der geplante massive Flächenverbrauch tosozialprodukt so steht Brasilien im Vergleich zu Deutsch- wird eine Bedrohung der großen Ökosysteme Brasi- land schlechter da. Brasilien produzierte im Jahre 2003 liens (z.B. Amazonien) darstellen. Das Thema Energie- 0,55 Kilogramm CO2 für 95 US-Dollar des Bruttosozial- sparen bzw. Energieeffizienz ist in der aktuellen Dis- produkts. In Deutschland waren es entsprechend 0,45 kussion sehr unterrepräsentiert – heißt es doch, in Kilogramm CO2. Allerdings ist die -deutsche Pro-Kopf- moderne Technologien zu investieren. Kohlendioxidproduktion rund fünf Mal höher als in Brasilien. Nach Projektionen der OECD soll der CO2-Ausstoß Die globalen, anthropogen induzierten Kohlendioxid- Brasiliens (ohne den Brandrodungseffekt) bis zum Jahre emissionen setzen sich zu rund 80 Prozent aus Emis- 2030 um 70 Prozent auf 551 Millionen Tonnen ansteigen. sionen der Verbrennung fossiler Energieträger. Die Zum Vergleich: Im Jahre 1990 hatte Brasilien noch einen restlichen 20 Prozent werden durch die Brandrodungen Kohlendioxidausstoß von 193 Millionen Tonnen. der Tropenwälder verursacht. Brasilien hat die größten Flächen an Tropenwald und ist gleichzeitig seit vielen Brasilien kann sich freiwillig an den Clean Develpment Jahren der Rekordhalter im Abholzen des Tropenwal- Mecanism (CDM) der Klimarahmenkonvention betei- des. Allerdings ist die Abholzung in Amazonien in den ligen und Projekte zur Kompensation von Kohlendi- letzten beiden Jahren signifikant zurückgegangen, vom oxidemissionen der Industrieländer mit Reduzierungs- Rekordjahr 2004 mit 27.429 Quadratkilometern über verpflichtung anbieten. Nach Angaben der brasiliani- 18.793 Quadratkilometern (2005) zu 14.000 Quadrat- schen Regierung sind bisher 221 brasilianische Projek- kilometern im Jahre 2006. te registriert. Indien und China liegen mit 623 bzw. 446 vor Brasilien. Nach Berechnungen der brasiliani- Die Reduzierung der Abholzung der tropischen Regen- schen Regierung wird für Brasilien eine jährliche Betei- wälder stellte einen wichtigen Beitrag Brasiliens zum ligung am CDM-Handel von rund 400 Millionen US- globalen Klimaschutz dar. Es wird mit einer Minderung Dollar erwartet. Hiervon sollen 160 Millionen US-Dollar der CO2-Freisetzung in den beiden letzten Jahren von dem Agrobusiness zugute kommen. 430 Millionen Tonnen gerechnet. Allerdings dürfte für das Jahr 2006 immer noch 200 Millionen Tonnen Koh- 2. FOLGEN DES KLIMAWANDELS FÜR BRASILIEN lendioxid durch die Brandrodungen in Amazonien emitiert worden sein. Nach Angaben der Internationalen Brasilien hat mit 8,5 Millionen Quadratkilometern fast Atomenergie Agentur (IAEA) hat Brasilien im Jahr 2003 kontinentale Ausmaße und verfügt über eine diverse 351,46 Millionen Tonnen Kohlendioxid (energiebezogen) Geographie mit unterschiedlichen Ökosystemen. Das freigesetzt. Bisher sind die positiven Beiträge der Min- Land ist flächenmäßig etwas größer als die USA ohne derung der Abholzung und damit der Freisetzung von Alaska. In den letzten Jahren haben Wirbelstürme und CO2 noch nicht Bestandteil der Klimarahmenkonvention. außergewöhnliche Trockenperioden im Süden und im Dieser Punkt wird eine sehr wichtige Rolle für die Ver- Südosten des Landes sowie in Amazonien den Verdacht handlungen über die Nach-Kyoto-Phase spielen, und aufkommen lassen, dass es sich hier um erste Anzei- Brasilien wird ihn gemeinsam mit anderen tropischen chen einer globalen Klimaänderung handeln könnte. Ländern auf die Tagesordnung bringen. Im Fokus der wissenschaftlichen Diskussion sind die BRANDRODUNG IM BRASILIANISCHEN TEIL AMAZONIENS in km2 pro Jahr 35.000 30.000 25.000 20.000 15.000 10.000 5.000 ’88 ’89 ’90 ’91 Quelle: INPE (zweijähriges Mittel) ’92 ’94 ’95 ’96 ’97 ’98 ’99 ’00 ’01 ’02 ’03 ’04 ’05 ’06 möglichen Auswirkungen auf den semi-ariden Nordosten sowie auf Amazonien. Im Nordosten Brasiliens leben rund 50 Millionen Menschen. Die Region wird je nach Stärke des El-Niño-Effektes sporadisch von Dürrephasen heimgesucht. Im kollektiven Gedächtnis sind katastrophale Dürren wie die aus den Jahren 1877–1879 mit über 100.000 Toten noch gegenwärtig. Die letzte größere Dürre 1997–1998 machte die Notversorgung von Millionen Menschen erforderlich. Brandrodung von Urwäldern trägt erheblich zum weltweiten CO2-Ausstoß bei. Durch die bereits natürliche Anfälligkeit der Region sind die Forscher alarmiert. In Klimaprognosen wird nalen Umweltfonds als Antwort auf die Klimaheraus- in der pessimistischen Variante von einer durchschnitt- forderungen, der sich aus einer einprozentigen Steuer lichen Erwärmung zwischen 2–4 Grad und einem Rück- auf alle Importe weltweit speisen solle. gang der Niederschläge von 15–20 Prozent, in der optimistischen Variante von einer durchschnittlichen In allen wichtigen nationalen Zeitungen sowie im Fern- Temperaturzunahme von 1–3 Grad bzw. einem Rück- sehen fanden die Klimaberichte des IPCC Erwähnung. gang von 10–15 Prozent der mittleren Niederschlags- Offensichtlich unter dem Eindruck der aktuellen Klima- menge ausgegangen. Die Region des Nordostens ist diskussion wurde bei der Bildung der neu gewählten trotz der starken Abwanderung in den letzten Jahr- Regierung am 25. April diesen Jahres im brasiliani- zehnten immer noch bevölkerungsreich. Entsprechend schen Umweltministerium die Abteilung „Klimawandel wird befürchtet, dass durch eine stärkere Desertifika- und Umweltqualität” mit Thelma Krug als Staatssekre- tion eine neue Welle der Migration, in diesem Fall von tärin neu eingerichtet. „Umweltflüchtlingen”, ausgelöst wird. Im Parlament wurde im März 2007 im Umweltausschuss Für die Amazonasregion wird bis zum Ende des Jahr- die Unterkommission Klimawandel gebildet. Daneben hunderts eine deutliche Ausweitung der Savannen prog- wurde eine Sonderkommission unter Beteiligung des nositziert. Es wird damit gerechnet, dass sich rund Senats installiert. Vize-Präsident dieser Sonderkommis- 18 Prozent des tropischen Regenwaldes in Trocken- sion ist Senator Fernando Collor, der als brasilianischer steppen verwandeln werden. In der noch dünn besie- Staatspräsident den Erdgipfel von Rio 1992 eröffnete delten Amazonasregion sind weniger Menschen betrof- und kurz darauf aufgrund einer Korruptionsaffäre seines fen, allerdings wird von massiven Änderungen in der Amtes enthoben wurde. Die Klimadiskussion verschafft biologischen Artenvielfalt sowie einer Erhöhung der ihm nun eine neue politische Bühne. natürlichen Waldbrände auszugehen sein. Einen Hinweis hierzu geben die Trockenjahre 1997–1998, wo 4 .P O L I T I S C H E W A H R N E H M U N G E N U N D A K T E U R E zusätzlich rund 13.000 Quadratkilometer Regenwald I N D E R B R A S I L I A N I S C H E N K L I M A D E B ATT E verbrannten. Die Klimarahmenkonvention wurde am 3. Februar Ebenfalls wird das Augenmerk auf die über 8.500 km 1994 vom brasilianischen Nationalkongress ratifiziert. lange Küste zu richten sein, da mit einem ansteigen- Das ergänzende Protokoll von Kyoto wurde am 29. den Meeresspiegel diese Gebiete betroffen sein könn- April 1998 unterzeichnet und am 21. Juni 2002 ratifi- ten. Rund 70 Prozent der brasilianischen Bevölkerung ziert. Am 16. Februar 2005 trat das Kyoto-Protokoll als leben in der Küstenzone. bisher einzige verbindliche internationale Vereinbarung zur Verringerung der klimaschädlichen Treibhausgase 3. REAKTIONEN AUF DEN STERN-BERICHT UND in Kraft. Brasilien ist als Schwellenland nicht zur Re- DIE LETZTEN IPCC-BERICHTE duktion der Kohlendioxidemissionen verpflichtet. Allerdings kann es freiwillige Beiträge leisten. Der zuerst im Oktober 2006 publizierte Stern-Bericht fand in Brasilien aufgrund der zeitgleich verlaufenden Seit dem Jahre 1999 existiert die interministerielle Ar- Präsidentschaftswahlen wenig Beachtung. Auf Websei- beitsgruppe „Globaler Klimawandel” unter Federführung ten von einigen Umwelt-NROs sind in dieser Zeit Hin- des Ministeriums für Wissenschaft und Technologie. Ver- weise vor allem auf die Kosten des Klimawandels zu treter der Regierung sowie der Zivilgesellschaft nehmen finden. Eine stärkere Beachtung des Stern-Berichtes regelmäßig an den Konferenzen der Klimarahmenkonven- ist erst mit dem Aufkommen der drei IPCC-Berichte tion teil. Per Dekret wurde am 20. Juni 2000 das Brasilia- im Februar, April und Mai diesen Jahres zu beobachten. nische Forum zum Klimawandel (FBMC) als eine Plattform Im April 2007 forderte Senator Aloizio Mercadante von von Regierung, staatlichen Unternehmen, Forschungsein- der Arbeiterpartei (PT) die Schaffung eines internatio- richtungen, Privatwirtschaft und der Zivilgesellschaft 48 gegründet. Ziel des Forums sind vor allem eine Mobilisie- Die Wirtschaft ist in die landesweiten Umweltforen ein- rung zu Klimaschutzfragen sowie Projektvorschläge im gebunden. Die Industrieverbände bieten aktuell Veran- Rahmen des Clean Development Mecanism (CDM). Am staltungen zum Klimawandel an. Der Brasilianische 19. April 2007 fand aktuell eine Sitzung des FBMC statt, Unternehmerrat für Nachhaltige Entwicklung (CEBDS) wo über einen Nationalen Aktionsplan zum Umgang mit hat am 24. April 2007 gemeinsam mit Greenpeace und dem Klimawandel diskutiert wurde. WWF einen Umweltpakt zum Klimaschutz in São Paulo anlässlich des Ibero-Amerikanischen Kongresses zur Daneben dürfen die Kommunen als wichtige Akteure in Nachhaltigen Entwicklung geschlossen. U.a. verpflich- der Klimadebatte nicht vergessen werden. Brasilianische tete sich der Energieanbieter Petrobrás im Zeitraum von Kommunen wirken in internationalen Klimanetzwerken 2007 bis 2011 die Emission von 18,5 Millionen Tonnen wie der „Cities for Climate Protection (CCP)” Kampagne Kohlendioxid zu vermeiden. Der CEBDS wurde 1997 ge- mit. Als Vertreter Brasiliens nahmen die Bürgermeister gründet und vereint Unternehmen, die zu rund 40 Pro- der Megacities São Paulo und Rio de Janeiro sowie der zent des brasilianischen Bruttosozialprodukts beitragen. Bürgermeister der Stadt Curitiba als assoziiertes Mit- International ist der CEBDS im World Business Council glied am zweiten „Large Cities Climate Summit C40” for Sustainable Development (WBCSD) vertreten. vom 14. bis 17. Mai 2007 in New York teil. Die Katholische Bischofskonferenz Brasiliens (CNBB) Auch die brasilianische Zivilgesellschaft beteiligt sich widmete ihre jährliche österliche Kampagne der Brüder- rege an der öffentlichen Debatte zum möglichen lichkeit in diesem Jahr Amazonien mit seinen besonde- Klimawandel. Unter den brasilianischen Nichtregie- ren Umweltproblemen. Seit dem Jahr 2002 unterhält rungsorganisationen ist Vitae Civilis zu nennen, die die CNBB eine spezielle Kommission für Amazonien. Als auch in der Koordination des internationalen NRO- Meinungsbilder und Institution mit hoher moralischer Netzwerkes Climate Action Network (CAN) mitwirkt. Glaubwürdigkeit spielt die katholische Kirche eine wich- Als weitere brasilianische NRO sind das Instituto tige Rolle in der brasilianischen Gesellschaft. Socioambiental (ISA) und Netzwerke wie Amigos da Terra sowie das „Brasilianische Forum von NROs und Auf der Seite der Wissenschaft bzw. der Klimaforschung sozialen Bewegungen für eine nachhaltige Entwick- ist vor allem das Nationale Institut zur Raumforschung lung und Umwelt (FMBOS)” zu nennen. Außerdem Brasiliens (INPE) sowie das Institut für Ingenieurwissen- beteiligen sich internationale Umweltorganisationen schaften (COPPE) der Universität von Rio de Janeiro mit ihren nationalen Ablegern wie Greenpeace und zu nennen. Das interdisziplinäre und internationale For- der World Wildlife Fund (WWF) mit öffentlichkeits- schungsvorhaben zur Biosphäre und Klima der Amazo- wirksamen Kampagnen. nasregion (Large Scale Biosphere-Atmosphere Experiment in Amazonia, LBA) wurde in den 90er Jahren ins Leben gerufen. Die brasilianische Klimaforschung hat einen guten Ruf und ist international vernetzt. CHILE: G R E N Z K O N F L I K T E D U R C H TA U E N D E G L E T S C H E R ? Helmut Wittelsbürger der Energieeffizienz werden Anreize in der Bauwirtschaft für Wärmedämmung gesetzt. Unter anderen Wegen der Einleitung giftiger Substanzen einer Cellu- werden diese Initiativen mit einer Verringerung der losefabrik im Süden des Landes in zwei Flüsse mit Erderwärmung begründet. Deutsche Stellen, insbeson- Fisch- und Vögelsterben einerseits und der brisanten dere die bilaterale Auslandskammer, aber auch die Debatte zur Energiepolitik mit dem geplanten Ausbau GTZ mit Programmen für technische Beratung der der Wasserkraft andererseits, hat die Stellung der Nationalen Energiekommission und des Wirtschaftsmi- ökologischen Bewegung in Chile in den letzten Jahren nisteriums, bemühen sich, das Bewusstsein für den zugenommen. Dennoch ist das Umweltbewusstsein im Einsatz erneuerbarer Energiequellen zu steigern. Auch Land weit unter dem Stand europäischer Länder. Im diese Programme werden u. a. mit Argumenten aus der Rahmen eines Regierungsprogramms zur Steigerung Klimaschutzdebatte begründet. 49 Der Stern-Report und die IPCC-Berichte fanden in jetzt erhebt Argentinien seine Stimme und fordert Chile nur wenig Aufmerksamkeit. Bedeutender für die Mitspracherechte beim geplanten Ausbau der chileni- Medienberichterstattung war die Vortragsreise des schen Wasserkraft im Süden. So führt der Klimawan- ehemaligen Vizepräsidentschaften der Vereinigten del auch zu einer zusätzlichen Belastung im bilatera- Staaten, Al Gore. Sein Film und seine Veröffentlichung len Verhältnis. werden in den hiesigen Medien breit diskutiert; sein Buch ist in Teilen als Sonderdruck einer Tageszeitung beigelegt. Die intermediären Strukturen des Landes haben das Thema Klimaschutz noch nicht in seiner Bedeutung bei öffentlichen Verlautbarungen aufgegriffen. Dies gilt für Gewerkschaften, Unternehmerverbände aber auch für die politischen Parteien. Derweilen wird bei der Berichterstattung in den Medien über die Lieferkürzungen von Erdgas an Chile durch Argentinien und den Wasserkraftreserven, die Chile als Alternative für Energieerzeugung besitzt, auch das Thema Erderwärmung gestreift. Als eigenständiges Thema ist es jedoch noch nicht in der öffentlichen Debatte. Einige private Initiativen greifen die Möglichkeit des Kyoto-Protokolls auf und handeln mit Verschmutzungsrechten, die sich für Chile durch Aufforstung und Umweltschutzinvestitionen ergeben und dafür ausländische Nachfrage besteht. Chile ist Mitglied der Kyoto-Vereinbarung von Anfang an. Ex Staatspräsident Ricardo Lagos wurde kürzlich in das internationale Gremium zum Klimaschutz der Vereinten Nationen als Mitglied aufgenommen. Die chilenische Regierung hat ein Aktionsprogramm 2006 mit dem Titel „Bedrohungen und Chancen des Klimawandel für Chile” veröffentlicht. Außer der Gründung von Beratungsgremien für die Regierung und der Formulierung von angestrebten Zielen (Bewusstseinssteigerung in der Bevölkerung, Förderung von Erziehung und Wissenschaft im Themenbereich Klimawandel; Verbesserung der Beobachtung des Phänomens; Informationsaufbereitung zur Entscheidungsfindung; Schaffung von spezialisierten Institutionen; Technologieförderung; aktive Teilnahme an der internationalen Debatte; Aufnahme des Themas als Priorität für die bilaterale technische Zusammenarbeit) ist bisher davon nichts umgesetzt worden. Die Geografie im Süden des Landes umfasst durch große zusammenhängende Gletschergebiete (Campos de Hielo Norte y Sur) das größte Süßwasserreservoir der Erde. Die Bedrohung für die Erdatmosphäre durch den mit der Emission von schädlichen Gasen verursachten Anstieg der Durchschnittstemperatur, führt zu einem bedrohlichen Abschmelzen der Eisfelder. Da die Grenzziehung zwischen Argentinien und Chile auf wandernden Gletschern nicht möglich ist (Kriterium des Wasserscheide), führt die mit der Erderwärmung verbundene Veränderung der Gletscherlandschaft zu gegenseitigen Gebietsansprüchen. Schon Schmelzende Gletscher in Patagonien erhöhen Meeresspiegel. Ein undatiertes Bild zeigt den Calvo-Gletscher im Süden von Chile. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass Patagoniens schmelzende Gletscher mehr zur Erhöhung des Meeresspiegel beitragen, als die abtauenden Gletscher Alaskas. Die größten 63 Eisfelder auf den Bergzügen Chiles und Argentiniens seien zwischen 1995 und 2000 im Schnitt jährlich doppelt so stark geschmolzen wie in den rund 25 Jahren zuvor, berichtet ein Forscherteam aus den USA, Chile und Großbritannien im Fachmagazin «Science». Insgesamt tragen die Gletscher Südamerikas überproportional zur Erhöhung des Meeresspiegels bei. 50 KOLUMBIEN: A R M U T U N D G E W A LT V E R D R Ä N G E N U M W E LT F R A G E N Carsten Wieland deren drängenden Themen des Landes auseinanderzusetzen, die bisher von keiner Regierung gelöst wur- Die Kolumbianer, die in einem der artenreichsten Län- den. Der Umweltschutz gehört allerdings nicht dazu. der der Erde leben, zeigen im Verhältnis zu ihrer Umwelt viele Widersprüche. Einerseits wird in Bogotá und Bei seinem Amtsantritt fusionierte Uribe das Umweltmi- in anderen Städten seit mehreren Jahren ununterbro- nisterium mit dem Ministerium für Wohnungsbau und chen jeden Sonntag die halbe Stadt für Autos gesperrt, Infrastruktur zu einem Großministerium (Ministerio und Arme wie Reiche, Junge wie Alte radeln auf den de Ambiente, Vivienda y Desarollo Territorial). Kritiker breiten Betonpisten, wo sonst die rauchenden Schlote bemängeln, dass seither die Grundversorgung der überalterter Busse täglich den Himmel verdunkeln. Die Bevölkerung und das Wirtschaftswachstum die Umwelt- inzwischen legendäre Ciclovía hatte in den 90er Jahren politik verdrängt hätten. Regionale und nationale Um- der konservative Bürgermeister Bogotás und spätere weltbehörden lassen Führung und Kohärenz vermissen. Außenminister Augusto Ramírez Ocampo eingeführt. Das Fehlen eines Umwelt-Informationssystems (das eigentlich 1993 beschlossen wurde) hat zur Folge, dass Weitere grüne Maßnahmen, die im Alltag auffallen, der Verbrauch der natürlichen Ressourcen nicht gemes- sind strengere Abgasregeln für Autos seit diesem Jahr, sen werden kann. Haushaltsmittel, die für Umweltbe- rotierendes Fahrverbot für Privatfahrzeuge mit geraden hörden bestimmt sind, verzeichnen eine rückläufige und ungeraden Ziffern auf dem Nummernschild (Pico Tendenz. y Placa), der steigende Einsatz von Gasantrieb in Taxis, der Abriss von schäbigen Stadtvierteln und das Anlegen Keine der traditionellen oder neuen politischen Partei- von Parks, der Bau von Fahrradwegen, zumindest sym- en des Landes hat bisher den Umweltschutz für sich bolische Mülltrennungen in einigen Gebieten und erste als Thema entdeckt. Der Versuch, eine Art Grüne Aufforderungen von Supermarktketten, weniger Plastik- Partei zu etablieren, scheiterte dramatisch mit der tüten zu verbrauchen. Entführung der Franco-Kolumbianerin Ingrid Betancourt durch die Revolutionären Streitkräfte Kolum- K L I M A - D E B ATT E O H N E P R I O R I T Ä T biens (FARC) im Februar 2002 während des Präsidentschaftswahlkampfes. Betancourt war Vorsitzende und Diese einzelnen Fortschritte lassen jedoch nicht auf Gründerin der Partei Oxígeno (Sauerstoff), die nach ein politisches Gesamtkonzept schließen, in dem der Betancourts Entführung jedoch in der politischen Umweltschutz eine herausgehobene Rolle spielen Bedeutungslosigkeit versank. würde. Weder in der Tagespolitik noch in der öffentlichen Debatte wird der drohende Klimawandel sichtbar. P R O B L E M - FA K T O R E N Die Medien berichten spärlich über das Thema. Wenn über Umweltschutz diskutiert wird, dann meist über Ein großer Streitpunkt in der Naturschutz-Debatte Ko- lokale Probleme wie über Maßnahmen zur Reduzierung lumbiens ist der massive Einsatz des Pestizids Glifosat, von Abgasen in Großstädten oder über die Reinigung das seit Jahren in Sprühaktionen aus der Luft zur von stark verschmutzten Gewässern. Vernichtung von Coca-Pflanzen genutzt wird. Umweltexperten halten diesen Stoff nicht nur für die Flora, Dominierende Sorgen der Kolumbianer sind weiterhin sondern auch für Menschen für schädlich. In weiten der seit 50 Jahren andauernde bewaffnete Konflikt Gebieten werde der Naturhaushalt zerstört und der und die drängende soziale Frage. Die Prioritäten ha- Artenreichtum des Landes gefährdet. Die europäischen ben sich jedoch verschoben. Seit dem Amtsantritt Staaten haben dieses Vorgehen der kolumbianische von Präsident Alvaro Uribe 2002 ist die Sorge um die Regierung mehrheitlich kritisiert, die zwar die Anbau- soziale Kluft in der Gesellschaft gewachsen; Themen fläche, nicht jedoch die Drogenproduktion deutlich re- wie Armut, Erziehung, Gesundheitsfürsorge stehen für duzieren konnte, während die US-amerikanische Regie- 92 Prozent der Kolumbianer an erster Stelle. Vor fünf rung den Einsatz von Glifosat im Hilfspaket für Kolum- Jahren waren es nach einer Umfrage der Zeitschrift bien (Plan Colombia) gezielt unterstützt. Semana vom Mai 2007 noch 51 Prozent. Die Gewalt im Land stellt nur noch für 76 Prozent eine große Sor- Innenpolitische Kritik hat das Waldgesetz von 2005 ge da (statt 92 Prozent vor fünf Jahren). Das ist ein hervorgerufen, das weniger die natürlichen Ressourcen klarer Erfolg für Uribes Sicherheitspolitik, die nun den schützt als die ökonomischen Interessen der Holzin- politischen Freiraum schafft, sich endlich mit den an- dustrie und der Minengesellschaften. Besonders die indigene und afro-kolumbianische Bevölkerung haben sich gegen dieses Gesetz gewehrt, da der Großteil der Waldflächen in ihren Lebensräumen existiert. Der größte Anteil an Treibhausgasen macht in Kolumbien die Verfeuerung von Brennstoffen zur Energiegewinnung aus. Im Jahr 2000 pustete das Land insgesamt 117.000 Tonnen CO2 in die Luft. 80 Prozent davon wurden zur Gewinnung von Energie verbraucht. Eine schwache staatliche Zentralmacht, die bergige und oft unzugängliche Geografie des Landes haben dazu ge- Die umfangreichen Rodungen der Regenwälder in Lateinamerika trägt zur Erderwärmung bei. führt, dass viele kleine und mittlere Kraftwerke im Land verstreut sind. Das hat den Vorteil, dass die Stromversorgung durch Anschläge der bewaffneten Gruppen Kolumbien in den Sitzungen die Länder an, welche die weniger flächendeckend gefährdet ist, führt jedoch auch Notwendigkeit der Walderhaltung als Bestandteil des dazu, dass Umweltstandards schwierig durchzusetzen Klimaschutzes einbrachten. Außerdem unterstützte und zu kontrollieren sind. Verbrannt werden Erdöl, Gas, Kolumbien zusammen mit Brasilien die Initiative, Bio- Kohle und zum privaten Gebrauch Holz. Der Einsatz kraftstoffe als Faktor zur Verringerung der Treibhaus- von erneuerbaren Energien ist noch sehr gering. gase anzuerkennen. Die anderen Länder unterstützten diesen Vorschlag, der ins Abschlussdokument aufge- Die internationale Autoindustrie drängt verstärkt auf nommen wurde. den kolumbianischen Markt, da die Fahrzeugdichte im Land pro Einwohner mit 1 zu 17 noch relativ niedrig VERWUNDBARKEIT ist. Die Stadtplaner sind jedoch schon jetzt mit dem wachsenden Verkehr überfordert. Im Jahr 2002 fuh- Obwohl Kolumbien lediglich 0,025 Prozent des welt- ren 2,6 Millionen Fahrzeuge auf Kolumbiens Straßen, weiten Kohlendioxids produziert, ist sein Ökosystem davon 52 Prozent Pkw. Durch die Verschärfung von durch den Klimawandel besonders verwundbar. Im Kontrollen des rotierenden Fahrverbots seit Septem- kolumbianischen Territorium, das 0,77 Prozent der ber 2006 konnten zumindest für die Einwohner von Erdoberfläche bedeckt, existiert zwischen 10 und 15 Bogotá eine leichte Verbesserung der Luftqualität Prozent der weltweiten Biodiversität. In dem Land erreicht werden. sind fast alle Klimazonen zu finden, von Tropen über Wüste bis Dauergletscher. Bei einem Anstieg der glo- N AT I O N A L E A N S T R E N G U N G E N U N D balen Temperaturen von durchschnittlich ein bis zwei I N T E R N AT I O N A L E A B K O M M E N Grad und einer Veränderung der Niederschläge um plus/minus 15 Prozent bis 2050 würden nach Schät- Kolumbien unterzeichnete das Abkommen zum Klima- zungen 78 Prozent der Gletscher verschwinden. wandel, das auf dem UN-Gipfel 1992 verabschiedet Experten warnen nicht nur vor einer Zerstörung der wurde, im Jahre 1994. Das anknüpfende Kyoto- Artenvielfalt, sondern auch vor Versorgungsproblemen Protokoll (1997) wurde von Kolumbien 2000 ratifiziert. bei der Ressource Wasser. Andererseits, würde der Das damalige Umweltministerium hatte die Inhalte Meeresspiegel bis 2050 um 40 Zentimeter in der Kari- der Abkommen aufgegriffen und verschiedene Maßnah- bik und um 60 Zentimeter im Pazifik steigen, wären men angestoßen. Darunter sind unter anderem eine 64 bzw. 83 Prozent der Küstenstreifen von Überflu Studie zum sauberen Wirtschaften, Forst-Projekte zur tungen bedroht. Krankheiten wie Dengue und Malaria Steigerung der Absorbierung von CO2 und Maßnahmen würden auch in den Landstrichen zunehmen, die bis- zur Weiterbildung und Sensibilisierung. Mit Mitteln her davon verschont sind. der Weltbank und der Schweizer Regierung kam 1999 die Nationale Strategie-Studie zur Nachhaltigen Ent- FA Z I T wicklung zu Stande. Das Thema Umweltschutz wird stark von innenpolitiKolumbien trug im Jahr 2000 zum dritten Bericht des schen Problemen überlagert. Die Medien des Landes Intergovernmental Panel of Climate Change (IPCC, ein sind generell sehr national orientiert und auf den be- Bestandteil des UN-Systems von Rio) einige wichtige waffneten Konflikt fokussiert. Internationale Nachrich- Initiativen bei. Darunter ist der Vorschlag, Steuern für ten werden ungenügend reflektiert. Das mag zusätz- Betriebe zu senken, die umweltfreundliche Technolo- lich dazu beitragen, dass der Klimawandel bisher kein gien verwenden, den Einsatz von Gas in Pkw und den großes Thema in der kolumbianischen Debatte gewor- Gebrauch von alternativen Energien zu fördern. Zu- den ist und kein geschlossenes Politikkonzept zu die- sammen mit Kanada, Belgien und Australien führte sem Problem erkennbar ist. 52 PERU: ALLE ZWEI MINUTEN EIN FUSSBALLFELD WALD WENIGER Markus Rosenberger DIE POLITISCHE WAHRNEHMUNG BEÄNGSTIGENDE ZAHLEN Der politische Diskurs zum Klimawandel unterscheidet sich kaum vom politischen Diskurs anderer Umwelt- Peru mit seinen 27 Millionen Einwohnern trägt mit themen in Peru: Es gibt bei wichtigen Akteuren der etwa 0,4 Prozent nur wenig zu den globalen Klimabe- Umweltinstitutionen durchaus eine detaillierte Wahr- lastungen bei. Der Beitrag entspricht ungefähr den nehmung der Probleme und der generellen Handlungs- Anteilen Dänemarks oder Neuseelands, die jedoch notwendigkeiten. So verfügt der bereits erwähnte daraus ein vier- bzw. fünffach höheres Bruttoinlands- CONAM als zentrale Umweltinstitution der Regierung produkt erzielen. Ungefähr die Hälfte des peruanischen sogar über eine eigene Website zum Klimawandel Beitrages resultiert aus der Entwaldung. Nach Aussa- (http://www.conam.gob.pe/cambioclimatico/index.asp). gen des nationalen Instituts für natürliche Ressourcen, In der Öffentlichkeit wird das Thema Klimawandel je- INRENA, wird alle zwei Minuten die Fläche eines Fuß- doch nur sehr wenig beachtet. Eine öffentliche Diskussi- ballfeldes entwaldet. on etwa als Folge auf den Stern-Report oder den IPCCBericht war nicht festzustellen. Andererseits wird Peru unter den Konsequenzen besonders leiden. Nach einer Studie des „Tyndall Centre Die staatliche Politik konzentriert sich derzeit eindeutig for Climate Change Research” ist Peru gegenüber den auf Anpassungsmaßnahmen, bei denen die regionalen klimabedingten Veränderungen das drittempfindlichste und lokalen Klimaszenarien erkannt, die aktuellen und Land der Welt. Die Naturkatastrophen haben sich künftigen Verwundbarkeiten identifiziert, die Anpas- zwischen 1990 und 2000 versechsfacht. Laut CONAM, sungsvorschläge entwickelt und in die Planung und das dem nationalen Rat für Umweltfragen, waren sieben Management der regionalen und lokalen Politiken inte- von zehn dieser Naturkatastrophen klimabedingt und griert werden sollen. lassen eine Verschärfung durch den Klimawandel befürchten. In den Wassereinzugsgebieten des Mantaro in der Region Junín, des Urubamba in der Region Cuzco, des Ein Großteil der wirtschaftlichen Tätigkeit Perus ba- Río Piura und in der Region Piura wurde diesem Kon- siert auf Landwirtschaft, Fischerei und Viehzucht zept mit Mitteln der Weltbank bereits gefolgt. Weitere und ist deshalb durch Klimaveränderungen gefährdet. Projekte befinden sich in der Vorbereitung. Insbesondere die wachsende Häufigkeit des Phänomens „El Niño” drückt die Bedrohungslage für Peru Im Verhältnis zu den Handlungsnotwendigkeiten er- aus. Der „Niño” des Jahres 1997/98 hat in Peru zu scheinen die bisherigen Schritte jedoch unzureichend. Schäden von 3,5 Milliarden US-Dollar geführt. Das Die Verteilung der Umweltzuständigkeiten auf diejeni- entspricht etwa 4,5 Prozent des Bruttoinlandsproduk- gen Institutionen, die für Umweltbelastungen verant- tes. wortlich sind und die schwache personelle und institutionelle Rolle von CONAM führen dazu, dass im praktischen Die Anden-Gletscher haben in den letzten 25 Jahren Handeln zu wenige Konsequenzen erkennbar sind. 22 Prozent ihrer Substanz verloren. Diese dramatische Zahl entspricht dem zehnfachen des Jahresverbrau- Besonders deutlich wird das bei der für die Klimabelas- ches an Wasser der 8-Millionen-Stadt Lima. Derzeit tung bedeutsamen Politik zur Entwaldung. Etwa zwei wird das Gletscherabschmelzen als willkommene Erhö- Drittel der Landesfläche Perus besteht aus tropischem hung des Zuflusses aus den Bergen in die trockenen Regenwald im Amazonasbecken. Diese Fläche ist mit Küstenregionen wahrgenommen. Nach Abschmelzen ungefähr einer Million Einwohnern nur sehr dünn besie- der Gletscher, die eine bedeutende Speicherfunktion delt. Entsprechend hoch ist der Siedlungsdruck auch für Süßwasser innehaben, werden dann jedoch die aus aus den Andenregionen, der auch vor ausgewiesenen den Bergen in die Küstenwüste abfließenden Wasser- Schutzgebieten nicht Halt macht. Während aber die mengen dramatisch zurückgehen. Über 90 Prozent der staatliche Institution INRENA im Landwirtschaftsministe- peruanischen Bevölkerung leben in den Trockengebie- rium für den Schutz dieser Gebiete zuständig ist, verteilt ten und werden deshalb die Konsequenzen zu tragen das gleiche Ministerium Landtitel an diejenigen Siedler, haben. die dort nachweisen können, Wald abgeholzt und zwei Jahre lang Landwirtschaft betrieben zu haben. Diese aus Gründen der Armutsbekämpfung verständliche Praxis 53 wird so direkt zu einem perversen Anreiz zur Waldver- Damit lässt sich beispielhaft das Grundproblem – ver- nichtung. Die Infrastruktur für illegalen Holzeinschlag mutlich nicht nur der peruanischen – Klimaschutzpolitik bahnt den ebenfalls illegalen Landbesetzungen dabei erläutern. Die Klimabelastungen entstehen praktisch nie oft den Weg in die sonst recht unwegsamen Gebiete. als Folge von Handlungen, die auf Klimaschädigung abzielen. Zumeist sind es durchaus legitime Absichten, die Während so auf der einen Seite zwar ein nationaler hinter den belastenden Aktivitäten stehen: Der Wunsch Plan zur Wiederaufforstung die Notwendigkeit der Wie- nach einem Stückchen Land, die wirtschaftliche Nutzung derherstellung von abgeholzten Waldflächen u.a. auch von Naturressourcen sowie der Wunsch nach Mobilität. zur Sicherung von Grundwasserressourcen beschwört, Politisches Handeln müsste deshalb danach streben, die geht auf der anderen Seite der massive Waldverlust legitimen Ziele anzuerkennen und Strategien entwickeln, unter dem Druck der Armutsmigration praktisch unge- diese auf weniger schädlichem Wege zu erreichen. Dazu bremst weiter. würde jedoch ein Maß von politischer Kohäsion gehören, welches in Peru nicht anzutreffen ist. BOLIVIEN: ZU WENIG SCHNEE IM HÖCHSTEN SKIGEBIET DER ERDE Daniela Casabona Auch im Hochland macht sich der Klimawandel bemerkbar. Auf dem (bislang) höchsten Skigebiet der Welt, Der Diskurs über den Klimawandel wird in Bolivien der Chacaltaya (5375 m), gibt es nicht mehr genügend emotional und anlassbezogen geführt. Er flammt im- Schnee, da die Gletscherschmelzgrenze in den letzten mer nur dann auf, wenn sich außerordentliche klimati- Jahren stark zurückgegangen ist. Trotz der mittlerweile sche Ereignisse präsentieren. Ein solches, mittlerweile gehäuften Ansammlung außerordentlicher klimatischer periodisch wiederkehrendes Ereignis ist das Klima- Ereignisse – dazu gehören speziell Überschwemmun- Phänomen „El Niño”, welcher die gesamte Westküste gen, lange Trockenzeiten, Kälteeinbrüche mit schwer- Südamerikas beeinflußt. Erst im Februar 2007 hat ihn wiegenden Konsequenzen für Vieh- und Landwirtschaft Bolivien zu spüren bekommen: Starke Regenfälle, – gibt es in Bolivien bislang keine wissenschaftlichen Überschwemmungen und Hochwasser, sowie Gruben- Studien darüber, worauf die Phänomene der letzten einstürze belasteten West- und Zentralbolivien. Am Jahre zurückzuführen sind. Die Vermutung, daß diese meisten von der Katastrophe war die nördliche Tief- Ereignisse und vor allen das Phänomen „El Niño” auf landregion Beni betroffen. Selbst der Präfekt des Beni, den menschlich verursachten Klimawandel zurück- Ernesto Suarez Sartori, meinte, dass diese Region zuführen sind, liegt nahe und wird von den boliviani- zwar jährlich mit der Regenzeit zu kämpfen hätte, die- schen Behörden auch immer wieder bemüht – ernstzu- se Klimakatastrophe jedoch das schlimmste gewesen nehmende Hinweise darauf gibt es jedoch noch nicht. sei, was er je miterlebt habe. Einen Monat lang regnete es ununterbrochen. „El Niño” zerstörte in diesem Die bolivianische Regierung verfolgt das Thema des Gebiet Tausende von Häusern, fast 20.000 Einwohner Klimawandels bislang nur sehr sporadisch und nicht mussten ihr Heim verlassen und über 100.000 Kühe ohne populistischen Unterton: Präsident Evo Morales verendeten. Die Verunreinigung des Trinkwassers schiebt die Schuld des Klimawandels pauschal auf die führte zu Epidemien. Weiterhin können fast 10.000 Industriestaaten, sie seien für die Erderwärmung und Einwohner noch immer nicht in ihre Häuser zurück- die Folgen des „El Niño” verantwortlich. Obwohl das kehren und leben in Flüchtlingslagern. Obwohl mit den Phänomen „El Niño” schon lange im Voraus ange- Wiederaufbauarbeiten begonnen wurde, wird es noch kündigt wurde, wurden keine vorzeitigen Krisenpläne eine längere Zeit dauern, bis die Häuser wieder be- erstellt. Erst nach der Katastrophe reagierte der Staat wohnbar sind. In den letzten Wochen wurden zudem und bat die internationale Gemeinschaft um 9 Millio- verstärkt Epidemiefälle des Dengue- und des Gelbfie- nen US-Dollar Hilfe für die Aufräumarbeiten und den bers mit tödlichen Folgen gemeldet. Wiederaufbau. Zudem wurde lediglich akuter Katastrophenschutz in Form von Evakuierungen geleistet. Eine vorausschauende Krisenplanung wird von der Regierung Morales bislang nicht bemüht. 54 G U AT E M A L A : K L I M A W A N D E L I N A L L E R M U N D E – ABER AUCH IN DEN KÖPFEN? Tjark Egenhoff nicht bedeutend zunehmen wird, so wird deren Intensität und Zerstörungskraft deutlich ansteigen. Katastro- Zu Beginn des Winters, der die Regenzeit in Guatemala phen im Ausmaß von „Stan” werden somit keine Einzel- einleitet, zitiert die bekannteste Tageszeitung des Lan- fälle bleiben. Dabei sprechen Studien des guatemalte- des eine Studie zu den Auswirkungen des Klimawan- kischen Umweltministeriums von einer Erwärmung des dels, die die Zahl der von den Tropenstürmen betroffe- Klimas bis 2020 von bis zu 1,7 Grad, was zu extremen nen Menschen für dieses Jahr auf knapp eine halbe Dürreperioden insbesondere im Hochland Guatemalas Million schätzt. Seit der Wirbelsturm Stan im Jahr 2005 führen könnte. über die Region ging, ist das Thema Umwelt- und Katastrophenschutz endgültig in Guatemala angekom- Vor dem Hintergrund der von einem Großteil der men. Durch die starke Präsenz der internationalen Bevölkerung betriebenen Subsistenzwirtschaft bergen Gebergemeinschaft bekommen Einschätzungen inter- solche Szenarien auch politischen Sprengstoff: Fragen nationaler Organisationen einen vergleichsweise pro- der Ernährungssicherheit und der Wasserversorgung, minenten Platz in den Medien. Auch wenn die Berichte die in Guatemala seit jeher auf der Tagesordnung des IPCC und des britischen Regierungsberaters Sir stehen, rücken damit weiter in den Vordergrund. Nicholas Stern relativ unbekannt sind, konnte sich in Darüber hinaus rechnet das Umweltministerium mit den letzten Jahren eine reifere Debatte über Umwelt- einem Anstieg an Infektionskrankheiten wie Malaria schutz und Klimawandel entwickeln. und Dengue-Fieber, die in einigen Departments bereits jetzt Hauptursache für Sterblichkeit geworden ist. Traditionell wurde in der Region Umweltschutz als Internationale Teams der Weltgesundheitsorganisation Hemmfaktor für die notwendige wirtschaftliche Entwick- sind derzeit im Landesinneren unterwegs, um auf be- lung angesehen und damit politisch kaum wahrgenom- stehende Gefahren aufmerksam zu machen. men. Das öffentliche Meinungsbild wandelt sich jedoch Diese Auswirkungen werden zunächst die ärmsten Gua- angesichts konkreter Bedrohungen: Obwohl die Region temalteken zu spüren bekommen. Der Zugang zu saube- nur minimal zur Erderwärmung beiträgt (Lateinamer- rem Wasser kann durchaus zu einer neuen Konfliktlinie ika ist für lediglich 7 Prozent des weltweiten Ausstoßes in der guatemaltekischen Gesellschaft werden. Proble- von Treibhausgasen verantwortlich), werden Guatemala matisch erscheint dabei Experten, dass in Guatemala und Zentralamerika in Zukunft stärker von den Folgen keine kohärente Umweltagenda implementiert wird. des Klimawandels betroffen sein als viele andere Regio- Dabei existieren die gesetzlichen und institutionellen Vo- nen der Erde. Dies liegt vor allem an der ungeschützten raussetzungen bereits: In Guatemala ist der Schutz der geographischen Lage zwischen zwei Ozeanen. Umwelt verfassungsrechtlich in Art. 67 und Art. 97 festgeschrieben, wobei insbesondere auf den Schutz der In den politisch turbulenten Zeiten des Wahlkampfes Wälder und die Aufforstung (Art. 126) eingegangen wird. 2007 spielt das Thema Klimawandel und Umweltschutz Im Forstgesetz wurde 1996 auch explizit die Bedeutung jedoch bisher keine Rolle. Dies könnte sich schnell der Wälder in Bezug auf den Klimaschutz aufgenommen. ändern, falls ein schwerer Sturm das Land erreichen sollte. Der Katastrophenschutz insbesondere auf Ge- Institutionell ist das Ministerium für Umweltschutz und meindeebene hat sich seit Wirbelsturm Stan 2005 nicht natürliche Ressourcen (MARN) für die Umsetzung der substantiell verbessert. Guatemala wird vermutlich wie- Politiken zuständig: Mit der Fertigstellung des ersten der von internationaler Hilfe abhängig sein. Bis heute nationalen Berichts zum Klimawandel 2001 wurde ein ist die Infrastruktur in den damals besonders betroffe- Referat im Umweltministerium eingerichtet, das die nen Gebieten nicht vollständig wieder aufgebaut. Umsetzung der Klimarahmenkonvention begleiten soll, die Guatemala 1999 unterzeichnete. Es existiert daher Eindeutig ist, dass sich die Bevölkerung in Zentralame- bereits eine Aufstellung der Treibhausgasemissionen rika und speziell in Guatemala auf extreme Wetterphä- in Guatemala, die Zielformulierungen und Implemen- nomene einstellen muss. Dabei ist der Isthmus in zwei- tierung im Bereich der Klimapolitik ermöglicht. Guate- erlei Hinsicht betroffen: Auf Dürreperioden folgen kur- mala kam auch seinen Verpflichtungen aus dem Kyo- ze, aber kräftige Regenphasen: Das Phänomen des to-Protokoll nach und richtete ein nationales Büro für „Niño”, der zu ausgeprägten Trockenzeiten führt, wird saubere Entwicklung ein, das seit 2005 – allerdings von der „Niña” abgelöst, die die verspätete Regenzeit ohne ausreichende Finanzierung – operiert. Interna- einleitet und ganze Landstriche überschwemmt. Obwohl tional von Interesse ist das enorme Potential Guate- davon ausgegangen wird, dass die Anzahl der Stürme malas zur Aufforstung und damit zur Reduzierung des 55 CO2-Gehaltes in der Atmosphäre. Das Land verfügt Wirbelsturms Stan niemand mehr. Positiv ist auch, über große Waldflächen, die momentan ca. 14 Millionen dass Guatemala seinen internationalen Verpflichtun- Tonnen CO2 in einem 5-Jahres-Rhytmus neutralisieren. gen nachzukommen sucht. Dennoch beunruhigt die Durch Instrumente des Clean Development Mechanism Tatsache, dass sowohl in der Prävention von umwelt- des Kyoto Protokolls kann dieser Effekt auf 89 Millionen schädlichem Verhalten, als auch im Bereich des Kata- gesteigert werden. strophenschutzes nur vereinzelte Fortschritte zu verzeichnen sind. Die Folgen des Klimawandels können Allerdings wäre dafür die Implementierung einer über in diesem Wahljahr durchaus noch zu einem bedeut- eine Wahlperiode hinaus andauernde umweltpolitische samen Thema werden, wenn die Menschen – wie von Agenda notwendig. Dass die Auswirkungen des Klima- Meteorologen angekündigt – von langandauernden wandels in Zentralamerika bereits schwerwiegende Regenfällen und Unwettern existentiell bedroht wer- sowohl humanitäre, als auch wirtschaftliche und sozia- den. Zu hoffen bleibt, dass die Bedeutung von Umwelt- le Folgen haben, bezweifelt nach der Katastrophe des politik auch ohne weitere Katastrophen erkannt wird. DAS KLIMA IM SPIEGEL DER MEDIEN L AT E I N A M E R I K A S : U M W E LT B E R I C H T E H A B E N AUFWIND – ABER KEIN ANSEHEN Karla Sponar | Eva Bohn Heutzutage kommt kaum ein Medium in Brasilien mehr am Thema Umwelt vorbei. Dies ist zum einen eine Umweltschutz und Umweltzerstörung haben globale und Antwort auf das öffentliche Interesse, auf das Umwelt- lokale Dimensionen. Das machen Berichte über die Erder- fragen stoßen. Zum anderen sorgen sich die Menschen wärmung insbesondere nach den diesjährigen Berichten auch, welche ökonomischen Folgen Umweltschäden des IPCC deutlich. Dass Lateinamerika die Auswirkungen haben können. Zahlreiche Zeitungen haben Sonder- der Klimaerwärmung stärker zu spüren bekommen wird, beilagen zur Thematik oder berichten zumindest haben einige lateinamerikanische Medien nicht verschwie- regelmäßig. Zero Hora aus Puerto Alegre ist ein gutes gen. Sie haben speziell nach den letzten Berichten der Beispiel. Diese Zeitung publiziert einmal wöchentlich Vereinten Nationen über die Prognosen der Forscher für eine eigene Umweltrubrik, in der die Herausforderun- Klimawandel informiert: die Verbreitung oder den Wie- gen des 21. Jahrhunderts mit lokalem Bezug diskutiert derausbruch von Cholera, Malaria und anderen Seuchen, werden. Auf diese Weise wird den Menschen vor die Versteppung des Amazonasbeckens und das Ab- Augen geführt, was jeder Einzelne tun kann, um die schmelzen der Gletscher im Süden. Wie sind diese War- Umwelt zu schützen. Darüber hinaus gibt es in Brasi- nungen einzuschätzen, wie müssen Verbraucher, wie Poli- lien zwei Fachzeitschriften, die ausschließlich das tik und Wirtschaft reagieren? Hier ist ein lange vernach- Thema Umwelt behandeln. Aber auch andere Medien lässigtes Gebiet des Journalismus gefragt: der investi- sind in diesem Bereich aktiv. Vor allem kleine Bürger- gative Umweltjournalismus. Ein Blick auf die Medienland- radios senden spezielle Berichte. Der Fernsehsender schaft am Beispiel zweier Länder des Subkontinents. TV Cultura, der sich vor allem als Bildungseinrichtung versteht, sendet zwei Mal in der Woche das umwelt- Vor allem im Ursprungsland der Klimarahmenkonven- bezogene Programm Repórter Eco, zu dem auch ein tion, in Brasilien, wo 1992 der Erdgipfel von Rio de umfangreiches Internetangebot gehört. Hier ist die Janeiro stattfand, der als erster Umwelt- und Entwick- Problematik der Klimaerwärmung seit Herbst letzten lungsfragen als eine gemeinsam zu bewältigende Auf- Jahres ein Dauerthema. gabe begriff, ist der professionelle Umweltjournalismus relativ weit gediehen. Bereits 1989 gab es Bemühungen, Das greift auch die Politik im Lande auf. So verkün- mit Hilfe von kleineren regionalen Zentren eine natio- dete Präsident Lula da Silva gegenüber der Nach- nale Entität zum Themenfeld Umweltjournalismus zu richtenagentur Reuters unlängst: „Ich werde zum schaffen. Tatsächlich überlebt hat aber nur das Zentrum G8-Gipfel gehen und wenn sie anfangen, über globale in der Region Rio Grande do Sul (Nejrs – Nucleo de Erderwärmung zu reden, werde ich da sein und mein Ecoperiodistas de Rio Grande do Sul), das bis heute Biodiesel-Paket präsentieren.” sehr aktiv ist und den Kontakt zu rund 300 Journalisten im ganzen Land pflegt. 56 Dies darf jedoch nicht darüber hinweg täuschen, dass Solche Initiativen sind in Lateinamerika umso wertvoller, der Umweltjournalismus trotzdem in Brasilien immer zumal hier in einigen Gebieten – wo ärmere Bevölke- noch ein Ressort ist, das mit wenig Prestige verbunden rungsgruppen oft keinen Schulabschluss erhalten – Mas- ist und außerdem über wenig ausgebildete Spezialisten senmedien für einen Großteil bisweilen zur einzigen In- verfügt. Ein Großteil der Presse reagiert nur auf Kata- formations- und Bildungsquelle werden. Ohne eine breit strophenmeldungen oder Beschuldigungen von Um- gestreute Information ist allerdings wenig Veränderung weltorganisationen aus dem Ausland. Diese werden zu erwarten, meint der brasilianische Autor, Professor vor allem im Bezug auf die Abholzung des Regenwal- und Umweltschützer Vilmar Berna: „Um wirklich etwas des im Amazonasgebiet immer wieder laut. Internatio- zu ändern, ist die Beteiligung der Bevölkerung notwen- nale Organisationen dienen als Richtlinie der Bericht- dig. Ohne die Menschen kann man nichts Neues schaf- erstattung, was zur Folge hat, dass wenig eigene in- fen.” Um aber diese Menschen zu erreichen, müssen vestigative Arbeit geleistet wird und selten Bezug zur Journalisten die komplizierten Sachverhalte der Wissen- lokalen Bevölkerung hergestellt wird. So steigt zwar schaft allgemein verständlich übersetzen können. Dazu das Volumen der Nachrichten, doch nicht die Qualität bedarf es einer fundierten Ausbildung, die in den meisten der Berichterstattung. Fällen nicht angeboten wird. Unter den Verlegern ist noch immer die Ansicht weitverbreitet, jeder Journalist Ein ähnliches Bild zeigt sich in Peru. Dort wurde vor könne eine Nachricht zur Umweltthematik schreiben. wenigen Jahren eine nationale Gesellschaft für Um- Eine Umfrage unter Journalisten ergab, dass die wenigs- weltjournalismus gegründet, deren Präsident Juan- ten, die auf diesem Gebiet tätig sind, über das nötige Pablo Chirito Susanibar sich für die Belange der Um- Spezialwissen verfügen. Einige engagierte Vertreter welt und der Umweltjournalisten einsetzt. Sein beson- eignen es sich neben ihrer regulären Arbeit in Fortbil- deres Engagement ist ein Beispiel dafür, dass investi- dungen an. Doch eine tiefer reichende Spezialisierung ger Umweltjournalismus in Peru von der treibenden lohnt sich für die meisten nicht, da es derzeit undenk- Kraft weniger Aktivisten abhängig ist. So gab es in der bar scheint, den Lebensunterhalt allein mit der Be- Zeitung El Comercio in den 90er Jahren solange eine richterstattung für ein Umweltressort zu finanzieren. wöchentliche Seite zum Thema, bis deren Initiatorin Auch Verleger sind einem wirtschaftlichen Druck aus- von Mitgliedern der terroristischen Gruppe Sendero gesetzt. Es ist besonders schwierig, Werbeanzeigen Luminoso ermordet wurde. Ihre Stelle wurde nicht beispielsweise für Zeitungsseiten zu verkaufen, die ersetzt. sich der Umweltproblematik widmen. Unternehmen scheuen sich, eine Werbung neben negativen Meldun- Ähnlich wie in Brasilien bestehen Meldungen über um- gen über industrielle Wasser- oder Luftverschmutzung weltbezogene Themen in Peru häufig nur aus bloßen zu platzieren. Nachrichten. Kommentare werden, wenn überhaupt, von Gastautoren geschrieben, um Konflikte mit Minen- So überrascht die kritische Haltung zahlreicher Wis- betreibern und der Energiewirtschaft zu vermeiden, die senschaftsexperten nicht. Sie betonen, dass vor allem im Zentrum der Kritik stehen. So sagt der Journalist kleine Zeitungen fehlerhafte Meldungen veröffentli- Jorge Riveros über El Comercio: „Sie sterben vor Angst. chen und diese Fehler nicht berichtigen. Journalisten Die Zeitung hat viel Einfluss, aber keinen journalisti- zitieren Quellen, ohne sie zu verstehen oder zu hinter- schen Charakter.” fragen. Beiträge zum Thema Umwelt bestehen des- Ein populäres Thema ist der Ökotourismus. Aber ßige Hintergrundberichte findet man nur selten. halb oft aus Nachrichten. Kommentare und regelmäMedienangebote, die sich umfassend mit der Umweltproblematik beschäftigen, unterliegen einer ständigen Einige Ausbildungsstätten haben allmählich begonnen, Finanzierungsnot. In Peru hat eine Umweltinitiative dieses Defizit aufzuarbeiten: so z. B. Universitäten in Erfolg, die landesweit Medienangebote unter dem Titel Mexiko oder Brasilien. Sie bieten vermehrt Kurse an, Te quiero verde anbietet. Diese Informationen gehen die Nachwuchsjournalisten das nötige Wissen und über die bloße Darstellung von Sachverhalten hinaus. Werkzeug an die Hand geben, um im Spannungsfeld Für dieses Engagement in Form einer wöchentlichen zwischen Politik, Wirtschaft, Entwicklung und Umwelt- Radiosendung erhielt die Initiative kürzlich zum zwei- schutz investigativ zu arbeiten. ten Mal einen Umwelt-Preis. Zusätzlich werden auf einer Internetseite Hintergrundinformationen und ein Umwelt-Wörterbuch angeboten. Kasachsatan Mongolei Usbekistan Kirgisistan Turkmenistan Tadschikistan Süd-Korea China Afghanistan Indien Thailand Vietnam Kambodscha Singapur Indonesien ASIEN 58 C H I N A : E H R G E I Z I G E K L I M A S C H U T Z- Z I E L E AUSSERHALB DES KYOTO-PROTOKOLLS Thilo Diefenbach die China bis zum Jahre 2010 zu verwirklichen gedenkt. Viele Einzelpunkte in diesem letzten Abschnitt Spätestens seit der Veröffentlichung des vierten IPCC- deuten jedoch eher auf Absichtserklärungen hin, so Berichts steht der Klimawandel auf der politischen zum Beispiel die Ankündigung, vermehrt in die Erfor- Agenda Deutschlands. Bundeskanzlerin Angela Merkel schung und Entwicklung umweltschonender und ener- hat die deutsche EU-Ratspräsidentschaft im ersten giesparender Technologien investieren bzw. diese ver- Halbjahr 2007 dazu genutzt, verbindliche Richtlinien stärkt einsetzen zu wollen. Aber auch konkrete Selbst- bei den 27 Ländern der Gemeinschaft durchzusetzen; verpflichtungen sind zu finden. So sollen bis 2010 daneben hat sie ihre Gastgeberrolle bei dem diesjährigen G8-Gipfel dazu genutzt, für ein weltweit gemein- ■ sames Vorgehen gegen die drohenden Folgen exzessi- der Energieverbrauch pro Einheit des Bruttoinlandsprodukts im Vergleich zum Jahre 2005 um 20 Pro- ver Umweltverschmutzung und Ressourcennutzung zu zent sinken, werben. ■ Ihr Eintreten für Maßnahmen wie die freiwillige Verrin- ■ der Anteil erneuerbarer Energien an der EnergieGesamtproduktion auf 10 Prozent anwachsen, der Anteil bewaldeter Flächen an der Gesamtfläche des Landes von 18 auf 20 Prozent steigen. gerung des Ausstoßes von Treibhausgasen stößt jedoch nicht überall auf Gegenliebe. Die USA, die das Kyoto-Protokoll nicht ratifiziert haben, wehren sich Darüber hinaus sollen bis 2010 folgende Reduzierun- entschieden gegen jegliche ökologischen Vorgaben. gen bei den CO2-Emissionen erreicht werden: Zahlreiche Entwicklungsländer – China vorneweg – verwerfen diese als unzulässige Einmischung in ihre ■ inneren Angelegenheiten oder, schlimmer noch, als 500 Millionen Tonnen durch den Ausbau von Wasserkraftwerken, Versuch des Westens, ihren mühsam erkämpften Auf- ■ 200 Millionen Tonnen durch Kohlegaswerke, schwung abzubremsen. ■ 110 Millionen Tonnen durch den Einbau moderner Im Laufe der vergangenen Monate hat sich das Bild ■ Technik in Kohlekraftwerke, Solar- und Gezeitenkraftwerke, jedoch unerwartet gewandelt: Zuerst schwenkte die Bush-Regierung im Mai 2007 um und legte einen ■ 50 Millionen Tonnen durch die Errichtung von neuen Kernkraftwerken und eigenen Klimaplan vor, den sie als ersten Vorschlag für eine Fortsetzung des 2012 auslaufenden Kyoto- 60 Millionen Tonnen durch den Ausbau von Wind-, ■ 30 Millionen Tonnen durch die Nutzung von Biomasse. Protokolls verstanden wissen will. Kurz darauf kündigte die chinesische Regierung an, einen eigenen Klima- Diese Zahlen sind in der Tat beeindruckend. Wenn Aktionsplan präsentieren zu wollen, was dann am man bedenkt, dass China im Jahre 2005 ca. 5,3 Milli- 4. Juni 2007 im Rahmen einer Pressekonferenz auch arden Tonnen Kohlendioxid in die Atmosphäre emittiert tatsächlich geschah. hat, dann würde die hier angekündigte Verringerung um insgesamt 950 Millionen Tonnen bis 2010 eine Der zuständige Direktor der Nationalen Kommission für Reduktion um ca. 18 Prozent im Vergleich zum Jahre Entwicklung und Reform, Ma Kai, erklärte, dass China 2005 bedeuten – eine im Vergleich zu den Forderun- keine konkreten und verpflichtenden Quoten für die gen des Kyoto-Protokolls sehr beeindruckende Zahl. Reduktion des CO2-Ausstoßes akzeptieren werde. Auf Auch die geplante Aufforstung nimmt sich, in absolu- diese eher ernüchternde Feststellung folgten jedoch ten Zahlen ausgedrückt, eindrucksvoll aus: sie würde einige Aussagen, die durchaus positiv zu werten sind. mehr als 191.000 km2 umfassen (was in etwa der Das von der chinesischen Regierung vorgelegte Konvo- Fläche Syriens oder Kirgisiens entspricht). Trotzdem lut besteht aus folgenden Teilen: Eine umfangreiche scheint Skepsis angebracht, ob dieses ehrgeizige Pro- Begründung für die Notwendigkeit, den Klimawandel gramm rein technisch tatsächlich innerhalb von nur als globales Problem zu begreifen und entsprechend drei Jahren umgesetzt werden kann. zu handeln; eine Schilderung der Auswirkungen des Klimawandels auf China; eine Aufstellung der bisher In der offiziellen chinesischen Presse wurden die geleisteten Arbeit auf diesem Gebiet; des weiteren die Verlautbarungen Ma Kais sehr positiv aufgenommen. Probleme und Widersprüche, die sich aus Chinas Enga- Aber auch in der Hongkonger Presse, die sonst nicht gement für den Klimaschutz ergeben und schließlich mit Kritik an Peking spart, fanden sich viele lobende eine ausführliche Liste von Maßnahmen und Vorhaben, Bewertungen. Allerdings konnte man dort auch lesen, 59 wie Kishan Khoday, ein Mitarbeiter des UN-Entwick- ebenso wie die Erfolgsmeldungen, die man Anfang lungsprogramms in Peking, vorsichtige Skepsis äußer- 2011 zu lesen und zu hören bekommen wird. te: „Die große Herausforderung wird darin bestehen, diese ehrgeizigen Ziele umzusetzen.” Damit wollte er Wenn man die Umstände der Pressekonferenz des jedoch nicht nur den technischen bzw. quantitativen 4. Juni näher betrachtet, drängt sich der Eindruck auf, Aspekt ansprechen. dass es der chinesischen Regierung zwar durchaus um einen Beitrag zur Lösung des Klimaproblems ging, da- China hat in den letzten Jahren eine kaum noch über- rüber hinaus aber auch um eine gute Öffentlichkeitsar- schaubare Anzahl von sehr fortschrittlichen Gesetzen beit. So war der Zeitpunkt dafür geschickt gewählt; und Verordnungen zum Umweltschutz erlassen, außer- man könnte auch sagen, der Vorstoß von Präsident dem gestattet es mittlerweile bis zu einem gewissen Bush brachte die Chinesen, die weltweit – neben den Grad eine Berichterstattung über Umweltprobleme. Die USA – als die größten Verursacher von Treibhausgas- Pekinger Führung hat begriffen, dass ein Entwicklungs- emissionen bekannt sind, in Zugzwang. Was Ma Kai modell, das einseitig auf Wachstum und Profitstreben auf der Pressekonferenz an künftigen Vorgaben für die setzt und Umweltaspekten wenig Beachtung schenkt, chinesische Wirtschaft verkündete, waren allerdings fatale Folgen für die Gesundheit der Bevölkerung nach keine Neuigkeiten – sie sind schon in ähnlicher Form sich ziehen kann, wobei die Umweltprobleme, mit de- im elften Fünf-Jahres-Plan zu finden, der im März 2006 nen sich China konfrontiert sieht, um ein Vielfaches verabschiedet wurde. Dass die chinesische Regierung größer sind als diejenigen der Bundesrepublik Deutsch- diese Richtlinien nun als Neuheit an die Weltöffentlich- land in den 60er und 70er Jahren. Das eigentliche Defizit liegt vielmehr in der Umsetzung der wohlmeinenden Regulierungen. Die scheinbar allmächtige Zentrale versagt regelmäßig, wenn es darum geht, die Anwendung von Gesetzen und – bei Nichtbefolgen derselben – von Sanktionen auf lokaler Ebene durchzusetzen. Unterhalb der Provinzebene agieren nicht wenige Kader auf eigene Rechnung bzw. auf die ihrer Verwandten oder Freunde. So werden teilweise gravierende Umweltsünden verschwiegen und – wenn überhaupt – nur leicht bestraft. Jonathan Lash, der Vorsitzende des World Resources Institute, sagte kürzlich der New York Times: „Die Zentralregierung hat überhaupt keine Kontrolle mehr darüber, was wo gebaut wird. Die Stahlindustrie lässt sich von illegalen Kokereien versorgen, die kurz nach ihrer erzwungenen Schließung anderswo wieder aufgebaut werden.” Die offizielle Einstellung dazu kann Chinas rasanter wirtschaftlicher Aufschwung hat erhebliche Umweltbelastungen zur Folge. man einem Kommentar in der China Daily entnehmen: „Viele fordern, die Staatliche Behörde für Umweltschutz (SEPA) so zu stärken, dass sie unfolgsame Lokalbehör- keit verkauft (offiziell hieß es, die Erstellung des Plans den maßregeln kann. Die Kernfrage besteht allerdings habe zwei Jahre in Anspruch genommen), spricht für immer noch darin, ob das Umweltbewusstsein in allen das taktische Geschick der Regierung im Vorfeld des Prozessen der Entscheidungsfindung gegenwärtig ist.” G8-Gipfels von Heiligendamm, wo die Thematik des Im Klartext: eine Kompetenzerweiterung der schwa- Klimawandels ganz oben der Agenda stand. Denn, so chen SEPA scheint keine hohe Priorität zu haben; statt erkannte Zhang Ailun, die Sprecherin der chinesischen auf Kontrolle und Sanktionen setzt man lieber weiterhin Greenpeace-Vereinigung: „Dieser Plan bringt Präsi- auf moralische Appelle. dent Hu in eine gute Verhandlungsposition bei den G8Gesprächen.” Der Erfolg des vorgelegten Klima-Aktionsplans wird deshalb ganz entscheidend davon abhängen, ob die Durchführung der umrissenen Vorhaben konsequent überwacht wird. Nach den bisherigen Erfahrungen ist dies jedoch nicht zu erwarten, auch wenn die Führung der KPCh ein gestiegenes Interesse an weitergehenden Maßnahmen im Bereich des Umwelt- und Klimaschutzes hat (allein schon aus Sorge um die Stabilität des Landes und damit ihre eigene Machtposition). Daher sind die Ankündigungen mit Vorsicht zu genießen – 60 INDIEN: AKTIV BEI DER NUTZUNG ERNEUERBARER ENERGIEN Jörg Wolff Jedoch ist erst in den letzten zwei Jahren die Klimadiskussion parallel zur internationalen Debatte über die „There is no such policy in place in India. Ministers Fachkreise hinaus in die breitere Öffentlichkeit und da- even at the highest levels don't understand that it is of mit in den innerindischen Diskurs gelangt. Sie bezieht prime importance. Each one passes on the buck. We sich auf die vermuteten Folgen des Klimawandels für may be a poor country, but it is time for us to take this Indien, unterstreicht die Besorgnisse seiner Auswir- fairly seriously and implement a policy, a kind of wake- kungen auf den Subkontinent und weist die Verantwor- up call.” tung den Industrieländern zu. Dr. Rajendra Kumar Pachauri, Vorsitzender des Welt- Die gegenwärtige Diskussion enthält folgende Schwer- klimarats der UN, Direktor des indischen KAS-Partners punkte: „The Energy and Resources Institute” (TERI) und Friedensnobelpreisträger 2007 ■ Die Folgen des Klimawandels für Indien und den Subkontinent werden mit den prognostizierten Problemen dargestellt und diskutiert. 1. DER INDISCHE DISKURS ZUM KLIMAWANDEL ■ Die Verantwortung für die kumulative Konzentration Die Anfang Mai 2007 in Bangkok veröffentlichte Zu- von Treibhausgasen in der Atmosphäre, den gegen- sammenfassung („Summary for Policy Makers”) des wärtig hohen Kohlendioxid-Ausstoß und damit für dritten und letzten Teils der drei Weltklimaberichte des den Klimawandel liege bei den entwickelten Länder Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) des Westens und ihrer Industrialisierung in den letz- hat auch in Indien den öffentlichen Diskurs zum Klima- ten 150 Jahren (Überschrift einer Zeitung: „Paying wandel aufleben lassen. Der Bericht stellt u. a. fest, for the Sins of West?”). Insoweit bestehe eine daß nicht nur die Industrie-, sondern vor allem auch (Bring-) Schuld der entwickelten an die sich ent- die Schwellenländer, darunter auch Indien, in großem Umfang am Anstieg des Treibhausgas-Ausstoßes und wickelnde Welt. ■ Daher hätten die Industrieländer die Verpflichtung, damit an den vermuteten Ursachen des Klimawandels einen wesentlich höheren Anteil als die Entwick- beteiligt sind. lungsländer an der Reduzierung der Abgase bei Festlegung möglicher künftiger Grenzwerte zu leisten Die indische Naturwissenschaft hatte sich bereits Ende und sich darüber hinaus maßgeblich an der Finanzie- der achtziger und Anfang der neunziger Jahre mit dem rung alternativer Energien bzw. moderner Klima- Klimawandel und seinen Folgen für den indischen Sub- technologien in den Entwicklungsländern zu beteili- kontinent befasst, darunter auch der renommierte KAS-Partner „The Energy and Resources Institute” gen. ■ Obwohl Indien zu den großen CO2-Verursachern ge- (TERI). Der OECD-Bericht „Climate Change: Indias höre, liege die Pro-Kopf-Emission erheblich niedriger Perceptions, Positions, Policies and Possibilities” führte als in den Industrieländern (0,25 Tonnen gegenüber die Fachdiskussion fort. Ein Jahr später, 2002, veran- den USA mit 5,60 Tonnen). Indien verursache nur stalteten die VN zur Vorbereitung der Ratifizierung des 4 Prozent der Treibhausgase, obwohl es 17 Prozent Kyoto-Protokolls in Neu Delhi eine Konferenz zu den Klimaveränderungen. Der damalige Ministerpräsident der Weltbevölkerung stelle. ■ Es fehlt in diesem Zusammenhang selten der Hin- Atal Behari Vajpayee beschrieb auf ihr die skeptische weis, dass China, im Gegensatz zu Indien, in drei indische Sicht: Indien sei nur für einen Bruchteil der Jahren die USA als Hauptverursacher von Kohlen- weltweiten Treibhausgase verantwortlich, die Kosten dioxid überholen könnte, ein Jahrzehnt früher als einer Reduktion wären zu hoch und würden nur die Bemühungen um ein höheres Wachstum zur Armuts- angenommen. ■ Zwischen Wirtschaftswachstum, dem Verbrauch bekämpfung beeinträchtigen. An dieser offiziellen fossiler Energie und dem Ausstoß von Kohlendioxid Haltung hat sich bis heute nur wenig geändert. Indien bestehe ein direkter Zusammenhang. Indien werde unterzeichnete das Kyoto-Protokoll von 1997 im Jahre sich zu nichts verpflichten, was das Wirtschafts- 2002 und wurde von seinen Bestimmungen freige- wachstum bremse und damit seine weiteren Ent- stellt. wicklungsanstrengungen und die Armutsbekämpfung mindere. Maßnahmen zur Reduktion des Ausstoßes von CO2 würden daher für Indien ausgeschlossen. 61 ■ Viele Länder seien ohnehin weit von ihren im KyotoProtokoll zugesagten CO2-Minderungen entfernt. ■ Die Schwellenländer würden die Energie effizienter als die Industriestaaten nutzen. Gegenüber einer Reduktion von Emissionen hätten daher Strategien für CO2-arme Wirtschaftsformen Vorrang. Die öffentliche Diskussion bewegt sich einerseits also um die Frage, welchen Anteil Indien an der Verminderung des Kohlendioxids, für das es sich nicht als Verursacher sieht, übernehmen soll und muss, anderseits um die Finanzierung der hohen Lasten die das Land dafür aufzuwenden hat. Dabei herrscht die Meinung vor, dass Indien weder ein signifikanter Verursacher des Klimawandels ist, noch es in der vorhersehbaren Zukunft sein wird. Indien ist bei der Unterstützung erneuerbarer Energien aktiv. Eine interessante Stimme mit Gehör im innerindischen Diskurs kommt von Dr. Amit Mitra, Generalsekretär des KAS-Partners „Federation of Indian Chambers of ■ nachweisbarer Schmelzprozess der Himalaya- Commerce and Industry” (FICCI), der davor warnt, in Gletscher mit umfassenden Auswirkungen auf extreme Positionen zu verfallen. Er stellte in einem den Wasserhaushalt Südasiens, Verschärfung der bestehenden Wasserknappheit und -versorgung, vielbeachteten Leitartikel der Times of India fest, daß es weltgeschichtlich immer wieder extreme Klimaperi- ■ zunehmende Wetterextreme mit Änderung des oden gab. Die Wissenschaft sei sich noch nicht einig, Monsunverhaltens, der Wettermuster (Trockenzeiten, ob gegenwärtig tatsächlich eine Klimakatastrophe be- Monsune) und Veränderungen des ökologischen Gleichgewichts, und dadurch vorstehe und wenn ja, ob die Wirtschaftsentwicklung bzw. die Industrialisierung ihre Ursache wäre. Jedoch ■ Dürren und Landverwüstung in weiten Teilen Indiens, müssten alle Länder gleichermaßen aggressiv ihre welche die landwirtschaftlichen Flächen mit Aus- Emissionen kontrollieren. Für Indien empfiehlt er eine wirkungen auf die Versorgung der Bevölkerung mit technologische Lösung für die Reduzierung von Treib- Grundnahrungsmitteln beeinträchtigen dürfte. hausgasen durch alternative Energien, bei denen Indien mit Europa zusammen ohnehin führend sei. Dafür Bei diesen Folgerungen kommt dem Abschmelzen der sei aber eine enge und starke Partnerschaft mit den Gletscher im Himalayagebiet durch den Temperatur- westlichen Ländern notwendig. anstieg eine besondere Bedeutung zu. Alle lebenswichtigen Flüsse Südasiens, wie der Indus, der Ganges Auch die aktiven zivilgesellschaftlichen Gruppen In- und der Brahmaputra (aber auch der Mekong und der diens haben sich des Themas, insbesondere nach der Jangtse), entspringen dort und werden von seinen Flutkatastrophe in Mumbai im Jahre 2006, angenom- Gletschern gespeist. Der Himalaya ist das Hauptreser- men. Sie weisen darauf hin, dass zusätzlich zu den be- voir der Wasserversorgung Südasiens, aber auch Chi- stehenden Umweltproblemen der Klimawandel das in nas. Seine Gletscher stellen ein natürliches Vorhalte- Indien bereits bestehende ökologische Ungleichgewicht system dar, das dann Wasser abgibt, wenn es am mit der Folge einer Zerstörung der Einkommens- und meisten benötigt wird – in den heißen Sommermona- Lebensgrundlage vieler Menschen, vor allem von be- ten. Bei einer Beschleunigung des Schmelzprozesses nachteiligten Gruppen und Kasten, beeinflusse. Eine wären verheerende Überschwemmungen in Indien, nachhaltige Entwicklung in Indien werde vor diesem Bangladesh (insbesondere im Ganges-Brahmaputra- Hintergrund unmöglich. Delta) und Pakistan die Folge, die von einer signifikanten Abnahme des Wassers der Flüsse (genannt wird 2. DIE ANGENOMMENEN FOLGEN DES eine Verminderung um 50 Prozent) begleitet wäre. KLIMAWANDELS FÜR INDIEN Daher verfolgt Indien auch mit großer Besorgnis inAls akute Folgen des Klimawandels werden bezeichnet: nerchinesische Diskussionen, die Flussumleitungen in Tibet (z.B. des Brahmaputra) zugunsten westchinesi- ■ Erhöhung des Wasserspiegels der Meere mit anstei- scher Gebiete und Provinzen vorsehen. gender Migration aus den Küstenregionen des Subkontinents in das Hinterland, Weite Küstengebiete Indiens, Bangladeshs und Pakistans liegen auf Meereshöhe oder nur wenig darüber. 62 Es wird befürchtet, dass der durch den Klimawandel Jedoch verstärkte sich erst im Vorfeld der IPCC-Berich- vorhergesagte Anstieg der Meereshöhe eine potentielle te der öffentliche innerindische Diskurs. Zivilgesell- Bedrohung für die Küstenlandschaften darstellt. Nach schaftliche Organisationen bilden gegenwärtig entspre- indischer Darstellung wäre eine hohe Bevölkerungsmi- chende Initiativen und Bewegungen, die Zeitungen be- gration (auch von Bangladesh nach Indien) die Folge. richteten ausführlich über die Bangkok-Konferenz und gegenwärtig über die Behandlung des Klimawandels Bereits 1992 und 1994 haben unabhängige indische auf den bevorstehenden Treffen von ASEM und der G8. Studien auf Verschiebungen der Hauptregenzeiten auf Indiens Parlament setzte am 8. Mai 2007 eine Debat- dem südasiatischen Subkontinent verwiesen. Danach te über den Klimawandel an, die aber über wenige sind Verschiebungen des Südwestmonsuns (Sommer) Stellungnahmen vereinzelter Abgeordneter (darunter und des Nordostmonsuns (Winter) durch Monsunzirku- zwei Teilnehmer des KAS-Besuchsprogramm für jün- lationen mit kurzen, aber heftigen Regenfällen, Stür- gere Politiker von 2005, Manvendra Singh, BJP, und men, Zyklone und Dürreperioden möglich. Diese ku- Sandeep Dixit, AIC) nicht hinauskam, da sie wegen mulativen Wettertrends werden, so die Autoren, die lautstarker Meinungsunterschiede zu themenfremden Lebensgrundlage der südasiatischen Bevölkerungs- innenpolitischen Fragen vorzeitig beendet werden massen, die durch einheimische Landwirtschaft ernährt musste. wird, nachhaltig verändern. Neuere Berechnungen unterstützen diese These und bezeichnen Nepal, Ban- Wenn auch einige Kommentare in den Zeitungen for- gladesh und die indischen Staaten Assam, Bihar sowie dern, dass Indien vor dem Hintergrund der es selbst weite Teile Mittelindiens als betroffene Gebiete. betreffenden Auswirkungen des Klimawandels die Führung bei der globalen Suche nach Antworten überneh- Prof. Brahma Chellaney, der zum KAS-Partnernetzwerk men müsse, bleiben dies jedoch nur vereinzelte Stim- in Indien gehört und sich als einer der wenigen Sicher- men, die in der Politik ohne Wirkung bleiben. heitsexperten auch mit Energie- und Klimafragen befasst, prognostiziert für den Fall einer dramatischen Auch die indische Wirtschaft, die bei vielen Produkten Verschlechterung des Klimawandels in Südasien eine zur Erzeugung erneuerbarer Energie in Asien führend Zunahme von inner- und zwischenstaatlichen Wasser- ist, hat sich nach dem Stern-Bericht zu Wort gemeldet. konflikten. Diese könnten gefährliche Dispute über Einer der bedeutenden IT-CEOs, C.A. Mittal, hat die Territorien entstehen lassen, die entweder die Haupt- Bereitschaft der indische Wirtschaft hervorgehoben, wasserquellen Südasiens beinhalten oder durch welche sich an der internationalen Debatte zu beteiligen und die wichtigsten subkontinentalen Flüsse fließen und freiwillige Verpflichtungen und Beschränkungen zu damit ungelöste Grenzfragen im Himalaya-Gebiet, den übernehmen - Voraussetzung sei allerdings, dass ein südlichen Teilen von Tibet und dem Raum Jammu und Zugang zu modernster Technologie eröffnet werde, Kaschmir verschärfen. welche tatsächlich auch Klimagase vermindere. 3. REAKTIONEN AUF DEN STERN-BERICHT 4. MASSNAHMEN DER POLITIK UND DIE VERÖFFENTLICHUNGEN DES UND IHRE AKTEURE IPCC-BERICHTS Die indische Politik reagierte Mitte März 2007 auf die Der Stern-Bericht vom November 2006 hat zunächst zunehmende Klimadiskussion mit der Einsetzung eines nur vereinzelt zu Reaktionen in den Medien, zu politi- neunköpfigen Expertenkomitees, das die Auswirkungen schen Stellungnahmen oder zur öffentlichen Diskussion der Erderwärmung und des Klimawandels auf Indien geführt. Der Bericht begründet u.a. die Notwendigkeit untersuchen und Maßnahmen zur ihrer Verminderung der sich schnell entwickelnden Länder wie China und vorschlagen soll. Es wird von R. Chidambaram, dem Indien, aktiv an globalen Initiativen zur Lösung des wichtigsten Wissenschaftsberater (Principal Scientific Klimawandels teilzunehmen. Advisor) der Zentralregierung, geleitet und unter seinen Mitgliedern befinden sich zwei Partner der KAS Die Reaktionen in den Fachkreisen waren demgegen- (Dr. R.K. Pachauri, TERI, Frau Dr. Ligia Norohna, über intensiv. Eine Artikelserie über den Klimawandel TERI). Wie Frau Norohna dazu ausführt, beträgt das und seine Auswirkungen auf Indien, die Ende 2006 in Mandat des Komitees drei Jahre und danach „... wird der Fachzeitschrift Current Science erschien, wurde eine realistische und konkrete Bewertung darüber vor- in wissenschaftlichen Zirkeln stark beachtet. Weitere liegen, was Indien tun sollte.” naturwissenschaftliche Institutionen, wie das „Centre of Atmospheric and Oceanic Science”, Indiens „Institu- Weitere politische Maßnahmen im Bereich des Klimawan- te for Science”, das „Indian Agricultural Research Insti- dels sind derzeit nicht erkennbar. Insoweit wird auf das tute” und das „Indian Institute of Tropical Meteorology” Eingangszitat von Dr. R. K. Pachauri verwiesen. Allerdings griffen Themen des Klimawandels auf. ist Indien jedoch auf dem Gebiet der Energiepolitik (Effi- 63 zienzsteigerung des Energieeinsatzes) und bei der Unter- logie sowie in der Planungskommission. Beteiligt sind stützung erneuerbarer Energien recht aktiv. weiterhin das Ministerium für Strom (Power), das Ministerium für Kohle, das Ministerium für Petroleum und Gas Die Zuständigkeiten für Umwelt- und Energiefragen und sowie das Ministerium für Neue und Erneuerbare Ener- damit auch für den Klimawandel sind zersplittert und gien. Eine koordinierende Funktion für die Umwandlung liegen im federführenden Ministerium für Umwelt und von Vorschlägen in konkrete Regierungsprogramme Forsten, im Ministerium für Erdwissenschaften (Earth kommt der Planungskommission zu, welche die nationa- Science), im Ministerium für Wissenschaft und Techno- len Entwicklungspläne aufstellt und vorlegt. INDONESIEN: D E R D R I TT G R Ö S S T E C O 2 - P R O D U Z E N T D E R W E LT Winfried Weck HAUPTPROBLEM ENTWALDUNG Die Diskussion um den Klimawandel hat mit den Von den 44 Staaten, die über 90 Prozent aller Wälder jüngsten Berichten von Sir Nicholas Stern und dem verfügen, ist Indonesien das Land mit der höchsten IPCC auch Indonesien, den mittlerweile drittgrößten Entwaldungsrate. Die Waldzerstörung erreicht etwa 2 CO2-Produzenten weltweit, erreicht. Der indonesische Prozent pro Jahr, was 51 Quadratkilometern pro Tag Archipel wird zu den am meisten betroffenen Ländern oder 300 Fußballfeldern pro Stunde entspricht. Damit des Klimawandels gehören. Die Hochwasserkatastro- ist Indonesien heute der weltweit schnellste Waldzer- phe, die Jakarta im Februar 2007 getroffen hat, ist störer, gefolgt von Brasilien und einigen zentralafrika- nur ein Vorgeschmack dessen, was auf die Menschen nischen Staaten. Bis jetzt sollen bereits 72 Prozent des in Indonesien zukommen wird. Den möglichen Kata- gesamten ehemaligen Urwaldbestandes Indonesiens strophenszenarien müssen sich die Verantwortlichen in zerstört worden sein, die Hälfte des noch existierenden Politik und Wirtschaft spätestens jetzt stellen. Bestandes ist unmittelbar bedroht. Allein von 1990 bis 2006 hat das Land ein Viertel seines Waldbestandes Indonesien ist Gastgeber der 13. Weltklimakonferenz im verloren. Die Zerstörung erfolgt durch legale und ille- Dezember 2007 auf Bali, an der Tausende Delegierte gale Abholzung sowie durch (meist gelegte) Waldbrän- aus aller Welt teilnehmen, um den Nachfolger des 2012 de. auslaufenden Kyoto-Protokolls auf den Weg zu bringen. Dies ist die polierte Seite der Medaille. Die andere, Besonders kritisch ist die Waldsituation auf Sumatra stumpfe Seite zeigt folgendes Bild: Indonesien ist heu- sowie in Kalimantan, dem indonesischen Teil der Insel te nach den USA und China der drittgrößte CO2-Produ- Borneo. Auf beiden Inseln fielen bis jetzt 43 Prozent zent der Welt! der Wälder der Säge oder dem Feuer zum Opfer. Noch krasser stellt sich die Situation auf Java mit einer Nicht zuletzt aufgrund dieses Spannungsverhältnisses Bevölkerung von ca. 110 Millionen und Sulawesi (ehe- zwischen Realität und Anspruch haben der Bericht des mals Celebes) dar, wo bereits vier Fünftel aller Wälder IPCC und der Bericht von Sir Nicholas Stern, den die- zerstört sind. Einzig West-Papua ist noch zu 70 Prozent ser im April 2007 persönlich in Jakarta vorstellte, in von Urwäldern überzogen. ganz Indonesien hohe Wellen geschlagen und erstmals ein reges öffentliches Interesse am Weltproblem Kli- Unmittelbare Folgen der Entwaldung sind die giganti- mawandel geweckt. Stern wies bei seinem Besuch in schen, sogar auf Satellitenbildern erkennbaren Rauch- Jakarta ausdrücklich darauf hin, dass der indonesische wolken, die bereits mehrfach wochenlang über Borneo, Archipel zu den am meisten betroffenen Ländern des Singapur und Malaysia hingen und die Lebensqualität Klimawandels zählen werde. Umweltminister Rachmat in den Nachbarländern Indonesiens erheblich beein- Witolaer beeilte sich daraufhin zu erklären, die Regie- trächtigten. Aber auch Überflutungen und Erdrutsche rung Indonesiens nehme den Stern-Bericht ausgespro- in der Regenzeit sowie Wassermangel während der chen ernst. Indonesien auf die Auswirkungen der Kli- zusehends wärmeren Trockenzeit stellen ein direktes maerwärmung vorzubereiten, sei mittlerweile eines der Bedrohungspotenzial für die Menschen in Indonesien Hauptgesprächsthemen im Kabinett. dar und fordern immer mehr Todesopfer. 64 Als hauptsächliche Ursache für die Waldzerstörung gelten dabei Landgewinnungsmaßnahmen im großen Stil, auf die etwa 76 bis 80 Prozent der gesamten Waldzerstörung zurückgeführt werden. Die Zerstörung erfolgt in Form von legaler Abholzung in industriellem Stil sowie durch Waldbrände von gigantischen Ausmaßen. Die Kleinbauern und Viehzüchter, die noch in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts die Hauptakteure der Waldzerstörung zur Landgewinnung darstellten, spielen heute keine wesentliche Rolle mehr. Land wird Brandrodungen in Indonesien tragen erheblich zum globalen CO2-Ausstoß bei. heute vor allem für den Aufbau von Palmölplantagen zur Produktion von Biokraftstoffen benötigt. Der Begriff „Biodiesel” hat sich in jüngster Zeit zu einer Zau- Temperaturen und von einer Anhebung des Meeres- berformel für die Lösung vieler wirtschaftlicher Proble- spiegels. Die Folgen, die in dem Bericht beschrieben me des Landes entwickelt. Indonesien produziert zu- werden, haben allerdings keinen Neuigkeitswert: Eine sammen mit Malaysia bereits 80 Prozent des gesam- immer höhere Anfälligkeit für Überflutungen und dra- ten Weltbedarfs an Palmöl. Jetzt stehen 59 internatio- matische Hochwassersituationen in den küstennahen nale Energieunternehmen mit einem Finanzvolumen Metropolen (wie zuletzt im Februar 2007, als nach von 12,4 Milliarden US-Dollar sowie nationale Inves- ergiebigen Regenfällen 70 Prozent der Gesamtfläche toren mit weiteren 5 Milliarden US-Dollar in den Start- Jakartas unter Wasser standen) geht einher mit einem löchern, um die Palmölproduktion in Indonesien erst verstärkten Einsickern von Meerwasser ins Grundwas- richtig auf Hochtouren zu bringen. Die indonesische ser, das bereits seit vielen Jahrzehnten die Hauptquelle Regierung unterstützt mit allen Mitteln diese Vorha- für Trinkwasser in den urbanen Zentren darstellt. In ben, nicht nur zur Reduzierung der Treibstoffknapp- Jakarta beispielsweise ist Meerwasser noch 15 km heit im eigenen Land, sondern vor allem auch zur Be- von der Küste entfernt im Grundwasser nachweisbar. friedigung der steigenden Nachfrage nach alternativen Die Anhebung des Meeresspiegels um einen Meter Kraftstoffen in den USA und Europa. Palmöl stellt in würde die 81.000 km Küstenlinie des 17802 Inseln der Tat die günstigste Variante aller Biokraftstoffe dar umfassenden Landes dramatisch verändern. 405.000 und ist - trotz der weiten Transportwege – um 20 bis Hektar Land würden verloren gehen, und das völlige 30 Eurocent pro Liter günstiger als europäisches Verschwinden von bis zu 2000 kleiner Inseln hätte de Rapsöl. facto auch Auswirkungen auf die nationalen Grenzen des Landes. Ein für die Sicherheitspolitik und nationale Derzeit bestehen bereits 5,6 Millionen Hektar Palmöl- Integrität Indonesiens durchaus wichtiger Aspekt! plantagen. Weitere 3 Millionen sollen nach offizieller Aussage hinzukommen. Umweltorganisationen haben Im Rahmen großer Wiederaufforstungsprogramme aber bereits errechnet, dass zur Auslastung der ge- sollen zwei Milliarden Bäume gepflanzt werden. Vize- planten Großraffinerien bis zu 18 Millionen Hektar be- präsident Jusuf Kalla ließ verlauten, dass künftig durch nötigt werden. Die Absurdität der Situation liegt in der die Nutzung neuer Pflanzungsmethoden jährlich 2 Mil- Tatsache, dass der in Europa als höchst umweltfreund- lionen Hektar Brachlandes anstatt der bisherigen einen liche, weil erneuerbare und saubere Biokraftstoff in Million Hektar wiederaufgeforstet werden sollen. Dies den großen Erzeugerländern jegliche positive Umwelt- entspräche dann allerdings nur der Fläche, die jährlich bilanz auf den Kopf stellt, denn Brandrodungen setzen allein durch Abholzungsmaßnahmen zerstört wird. weitaus mehr Kohlenstoff frei als im Gegenzug durch Deshalb soll zugleich die Abholzung auf eine Million die Nutzung von Biodiesel eingespart werden kann. Hektar pro Jahr reduziert werden, um so in den kommenden 50 Jahren einen Waldbestand aufzubauen, der MASSNAHMEN DER REGIERUNG dem der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts gleichkäme. Die verantwortlichen Politiker Indonesiens sind sich Der zuständige Titel im diesjährigen Staatshaushalt ist dieser prekären Situation und ihrer Mitverantwortung gegenüber dem Vorjahr um ein Viertel auf 4 Trillionen durchaus bewusst und bereits auch aktiv geworden. So Rupiah (ca. 320 Millionen Euro) angehoben worden. hatte die Regierung Indonesiens einen umfangreichen Der Minister für Forstwirtschaft, Malam Sambat Kalam, Bericht zum Thema „Climate Variability and Climate ließ verlauten, dass es der Regierung in den vergange- Change and their Implications in Indonesia” am 23. nen vier Jahren bereits gelungen sei, die Entwaldung Mai 2007 der Öffentlichkeit vorgestellt. Dieser erste of- zu reduzieren und die Rehabilitation von Forstland in fizielle Regierungsbericht zum Klimawandel überhaupt kritischem Zustand voranzubringen. Dies wird seitens geht von einer immer länger andauernden Trockenpe- der Regierung auch als wichtiger Beitrag Indonesien riode aufgrund des el-niño-Effekts aus, von erhöhten zur Reduzierung des Anstiegs der globalen Erwärmung 65 betrachtet. Das Bedrohungsszenario für den verbliebe- die dabei entstehende immense Rauch- und Geruchs- nen Waldbestand auf Kalimantan und Sumatra hat sich entwicklung verschwendet wird – und zwar weder von damit in keiner Weise entspannt, denn an den Rodun- den Verursachern noch von den Geschädigten. gen lässt sich in verschiedenen Formen verdienen: Zunächst mit dem Tropenholz selbst, das immer noch Grundlegende Aufklärungsarbeit und Bewusstseins- genügend internationale Abnehmer findet, dann mit bildung ist daher vonnöten, doch der hierfür veran- den weniger edlen Hölzern, die an die Zellstoffindustrie schlagte Haushaltsposten im Umweltetat sieht hierfür verkauft werden, und schließlich, indem man Gelder nur ca. 4,5 Millionen Euro jährlich vor. Nun will sich aus den Wiederaufforstungsprogrammen der Regie- das Ministerium an junge Künstler wenden und sie rung zieht. dafür gewinnen, im Rahmen ihrer Shows oder Konzerte das Thema Klimawandel aufzugreifen und zu einem Der mit dem Kyoto-Protokoll eingeführte internationale Bewusstwerdungsprozess in breiteren Bevölkerungs- Mechanismus zur Reduktion des weltweiten CO2-Aus- schichten beizutragen. Zugleich werden in den Medien stoßes durch den Handel mit Kohlenstoff-Zertifikaten bereits Möglichkeiten diskutiert, wie jeder einzelne im findet in Indonesien allerdings nahezu keine Anwen- alltäglichen Leben Beiträge zur Reduzierung der Klima- dung. Der Handel mit diesen Zertifikaten, die Unterneh- erwärmung leisten kann, beispielsweise durch die zu- men in den Industrieländern die Erlaubnis zum Ausstoß nehmende Nutzung sauberer Techniken bei Klimaanla- von Treibhausgasen in einer bestimmten Höhe erlau- gen und Kühlschränken. In einem heißen Land wie ben, hat heute immerhin ein Volumen von 10 Milliarden Indonesien stellen Klimaanlagen einen durchaus ernst- US-Dollar erreicht. 600 Projekte über den Handel mit zunehmenden Faktor für Umweltbelastungen dar. Da- Emissionszertifikaten sind bis jetzt bei der zuständigen her hat die Regierung mit Unterstützung der Weltbank Behörde, dem „Clean Development Mechanism (CDM) ein Programm aufgelegt, das die Erneuerung veralteter Executive Board” in Bonn, registriert worden, davon Klimaanlagen mit hoher Schadstoffbelastung in 600 226 aus Indien, 99 aus Brasilien, 78 aus Mexiko und 71 Großgebäuden in Jakarta vorsieht. Es verdient Aner- aus China. Weitere 1000 Projekte mit einem Finanzvo- kennung, dass die Medien ihre Informationspflicht lumen von 20 Milliarden US-Dollar stehen bis 2012 zur ernst nehmen, indem sie auch derartige Einzelmaß- Registrierung an. Obwohl Indonesien ein hohes Poten- nahmen thematisieren und so einen wichtigen Beitrag zial für einen lukrativen Handel mit Emissionszertifika- zur Bewusstseinsbildung in der breiten Öffentlichkeit ten insbesondere im Energie-, Minen- und Forstsektor leisten. aufweist, konnte der Inselstaat bisher nur 8 Projekte umsetzen und registrieren lassen. Indonesien hat sich – ohne dabei die besondere Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf sich zu ziehen ÖFFENTLICHE WAHRNEHMUNG UND ROLLE DER – in den vergangenen Jahren zu einem zentralen MEDIEN Akteur der globalen Klimapolitik entwickelt. Die internationale Klimakonferenz auf Bali im Dezember 2007 In den Medien haben der IPCC-Bericht und der Besuch wird Zeugnis davon geben, inwieweit sich die indonesi- von Sir Nicholas Stern deutliche Spuren hinterlassen. sche Regierung ihrer besonderen Verantwortung Insbesondere in den Printmedien häufen sich Berichte bewusst ist und nachkommt, indem sie ihre Anstren- und Reportagen, die die verschiedensten Aspekte der gungen gegen die Waldzerstörung und CO2-Emission Klimaerwärmung beleuchten. „Global warming” ist glaubhaft machen kann und internationale Partner für damit in kürzester Zeit zu einem Begriff geworden, Implementierung groß angelegter Waldschutz- und mit dem viele Indonesier erstmals konfrontiert worden Aufforstungsprogrammen findet. „The center of gravity sind, aber noch kaum etwas anfangen können. Eine of climate-change politics has moved to China, India Umfrage im April 2007 hat gezeigt, dass 28 Prozent and Indonesia. Their decisions will shape the world we der erwachsenen Bevölkerung in den urbanen Zentren live in.” Indonesiens sich des Klimawandels bewusst sind, aber nur die Hälfte davon glaubt, dass damit ein ernsthaftes Problem verbunden sei. Naturkatastrophen wie die jüngste Überschwemmung Jakartas werden nur von ganz wenigen, gut informierten Bürgern mit der Klimaerwärmung in einen Zusammenhang gebracht. Viele Menschen wissen überhaupt nicht, was Kohlendioxid ist. So ist es beispielsweise in der Megastadt Jakarta ebenso üblich wie in den anderen urbanen Zentren, die durch Gartenarbeiten anfallende Biomasse, sprich Gartenabfälle, nicht zu kompostieren, sondern zu verbrennen, ohne dass dabei auch nur ein Gedanke an 66 KOREA: ANPASSUNG AN KLIMAWANDEL STEHT IM FOKUS DER POLITIK Marc Ziemek Des Weiteren wird Korea zukünftig erwartungsgemäß verstärkt durch Hitzewellen belasten werden. Nach Laut dem aktuellen IPCC-Bericht ist Asien besonders Schätzungen des „Korea Environment Institute” (KEI) anfällig für Folgen des Klimawandels. Auf der koreani- werden in der Stadt Seoul im Jahre 2033 ca. 322 Men- schen Halbinsel ist dies bereits spürbar. Vor allem schen an den Folgen von Hitzewelle sterben, während Taifune und Überschwemmungen stellen dabei akute es im Jahre 2051 bereits 640 sein werden. In den Jah- Probleme dar, welche neben den verheerenden Folgen ren 1994 bis 2003 starben, nach Angaben des gleichen für die Menschen auch große wirtschaftliche Probleme Institutes, insgesamt 1.245 Menschen in Seoul an den mit sich bringen. Aktuelle Forschungsergebnisse des Folgen von übermäßiger Hitze. „Samsung Economic Research Institute” (SERI) weisen auf eine rapide Zunahme des durch klimatische Verän- KOREAS ANTEIL AM KLIMAWANDEL derungen entstandenen Schadens seit Ende der 1980er Jahre hin. Hauptursache für den Treibhausgaseffekt und damit den Klimawandel sind Treibhausgase, im speziellen So kamen durch den Taifun „Lusa” (2002) 124 Men- CO2 und Methan-Emissionen. Als ein Land, dessen schen ums Leben und 88.625 Menschen wurden obdach- Wirtschaft maßgeblich von der verarbeitenden Indus- los. Auch im darauf folgenden Jahr starben 117 Men- trie abhängig ist, ist Südkoreas Beitrag zu diesen schen durch den Taifun „Maemi” und 10.975 Menschen Emissionen nicht unerheblich. Mit dem Ausstoß von verloren ihr Heim. Der finanzielle Schaden belief sich 582,2 Millionen Tonnen rangierte Korea 2003 bereits dabei auf 5,5 Billionen Won (ca. 4,3 Mrd. Euro) im auf dem 9. Platz der größten Treibhausgaserzeuger Falle „Lusa” und 4,8 Billionen Won (ca. 3,8 Mrd. Euro) der Welt. In den Jahren 1990 bis 2003 stiegen die im Falle „Maemi”. Emissionen des Landes um mehr als 90 Prozent von 310,6 Millionen Tonnen auf 582,2 Millionen Tonnen an. Auch die Niederschlagshäufigkeit hat in den letzten Vergleicht man aber die Menge an Treibhausgasen Jahren stark zugenommen. Die Anzahl der Regentage mit dem Bruttoinlandsprodukt des Landes im jeweiligen im Sommer ist im Zeitraum 1970 bis 1999 von 5,3 auf Zeitraum, so ist der Anstieg der Treibhausgasemissio- 8,8 angestiegen. Bei den durch hohe Niederschläge nen im Vergleich zum Anstieg des Bruttoinlandsproduk- bedingten Überschwemmungen kamen auf der Insel tes insgesamt rückläufig. Dies lässt darauf schließen, Ganghwa in der Nähe des Incheon Flughafens westlich dass der erhöhte Treibhausgasausstoß nicht zwingend von Seoul 1998 insgesamt 259 Menschen ums Leben, nur auf wirtschaftliches Wachstum zurückzuführen ist. 63 werden vermisst. Ein Jahr später kamen bei Über- Zwar fällt Südkorea bisher nicht unter die Annex-I schwemmungen im Paju Gebiet, nordwestlich von Se- Länder, die durch das Kyoto-Protokoll dazu verpflichtet oul, 40 Menschen ums Leben und 24 werden vermisst. sind, ab 2008 ihre Emissionen an Treibhausgasen zu Insgesamt regnete es in Ganghwa 17 Tage und in Paju reduzieren. Experten gehen jedoch davon aus, dass 5 Tage. Die Regenmengen entsprachen dabei zusam- Korea in der zweiten Stufe ab 2013 ebenfalls zu dieser men ungefähr 70 Prozent des jährlichen durchschnittli- Gruppe gerechnet wird. chen Niederschlags auf der Halbinsel. Der Begriff Treibhausgasemissionen bezieht sich damit Das „Meteorological Research Institute in Korea” ist auf alle Emissionen, die zum Treibhausgaseffekt bei- der Ansicht, dass die Durchschnittstemperatur bis zum tragen. Dies sind vor allem CO2 und Methan. Was Jahre 2080 um mehr als 5 Grad ansteigen wird. Bei CO2-Emissionen anbelangt, ist Korea mittlerweile der einem Anstieg um über 6 Grad hätte das verheerende zehntgrößte Verursacher. Die Menge beträgt laut IPCC- Folgen für das koreanische Ökosystem. Zudem erwartet Bericht 1,7 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen. das koreanische „National Oceanographic Research Diese Menge scheint zwar relativ klein, betrachtet man Institute”, dass der der Meeresspiegel rund um die ko- allerdings die Zuwachsrate in den Jahren 1990–2004 reanische Halbinsel bis zum Ende des Jahrhunderts von 104,3 Prozent, welche auf einem ähnlich hohen um mehr als 50 cm ansteigen wird. Im Gebiet der Insel Niveau wie in China (109,8 Prozent) verlief, so sind dies Jeju wurde bereits ein durchschnittlicher jährlicher erschreckende Zukunftsaussichten. Im Vergleich zu Anstieg um 0,5 cm festgestellt. Japan (20 Prozent), den USA (19,8 Prozent), Europa (1,6 Prozent) und England (-4,1 Prozent) im gleichen Zeitraum, ist der Zuwachs ohne Zweifel sehr groß. 67 EMISSION VON TREIBHAUSGASEN IN KOREA Jahr Treibhausgase BIP Emissionen Treibhausgase Treibhausgase / pro Person in BIP in Mio. t CO2 in 1000 Mio. Won t CO2 /Person t CO2 /Mio. Won 1990 310,6 320.696 7,24 0,97 1995 452,8 467.099 10,04 0,97 2000 528,6 578.665 11,25 0,91 2003 582,2 662.655 12,17 0,88 2004* 590,6 693.424 12,28 0,85 * geschätzt Quelle: Korea Energy Economics Institute WIRTSCHAFTLICHER SCHADEN DURCH KLIMAKATASTROPHE IN KOREA Jahresdurchschnitt in 100 Mio. Won 27000 7300 4900 1200 1960 – 1969 2300 1970 – 1979 1980 – 1989 1990 – 1999 nach 2000 Quelle: Korea Meteorological Administration, 2006 Werden keine geeigneten Gegenmaßnahmen ergriffen, Plan umfasst den Zeitraum 1999 bis 2001, der zweite wird der CO2-Ausstoß laut IPCC-Bericht im Jahre 2080 die Jahre 2002 bis 2004 und der dritte 2005 bis 2007. relativ zum Jahre 2000 um 80 Prozent ansteigen. Die Ein vierter Plan soll 2008 folgen. Insgesamt werden CO2-Emissionen pro Kopf werden im gleichen Zeitraum dabei folgende Strategien verfolgt: Die Einführung voraussichtlich um 82,4 Prozent (Indien 47,5 Prozent, eines Systems zur nationalen Messung der gesamten Japan 11,1 Prozent, Australien 16 Prozent) steigen. Treibhausgasemissionen, die Steigerung der öffentlichen Aufmerksamkeit, die Forschung und Entwicklung Bereits 1998 wurde das „Inter-Ministerial Committee zur Treibhausgasreduktion und die Durchführung sek- on Climate Change” gegründet, welchem der Premier- toraler Projekte zur Emissionsreduktion. minister vorsteht. Die Aufgabe des Komitees besteht in der Vorbereitung und Implementierung der übergrei- Sektorale Maßnahmen waren ein integriertes Energie- fenden Verordnungen der Regierung zum Klimawandel. bedarfsmanagement, das auf freiwilliger Basis der Alle drei Jahre wird ein neuer Plan vorgelegt. Der erste Energie erzeugenden Firmen beschlossen wurde und eine finanzielle Unterstützung zur Verbesserung der Energieeffizienz vorsah. Weiterhin wurde speziell in 68 der Energieversorgung die Emission an Treibhausgasen Weiterführung der bisherigen Politik dar, die um neu reduziert. Die Energielieferanten mussten sich weiter- erforschte Maßnahmen ergänzt werden soll. Weiterhin hin verpflichten erneuerbare Energien zu verwenden soll zum einen die Ausbildung von Experten im Bereich und der Grad an nuklearer Energie wurde optimiert. Klimawandel gefördert und zum anderen die Öffentlichkeit für das Thema sensibilisiert werden. Zur Verbesserung der Energieeffizienz wurde eine Durchschnittseffizienz für Automobile eingeführt, der Um die Treibhausgase zu reduzieren, setzt man vor Stand-by Verbrauch vieler Produkte reduziert und allem auf erneuerbare Energien. Die südkoreanische spezielle Auszeichnungen für Produkte geschaffen, Regierung hat sich zum Ziel gesetzt, die Nutzung von deren Energieeffizienzgrad besonders hoch ist. Auch erneuerbaren Energie von derzeit 2,28 Prozent auf für Gebäude wurde ein neuer Effizienzstandard für 10 Prozent bis zum Jahre 2020 zu steigern. Ein wichti- Neubauten sowie ein spezielles Energiesparzertifikat ger Schritt in diese Richtung stellt auch der Bau einer eingeführt. Des Weiteren wurden Abwasseraufberei- Solaranlage bei Shinan im Südwesten Südkoreas dar. tungsanlagen gebaut, Deponiegase und Kompost als Die Anlage ist die größte ihrer Art in Asien und wird Dünger weiterverwertet und neue Technologien zur von einer deutschen Firma gebaut. Nach Fertigstellung Lachgas- und Methangasreduktion auf dem Farmland im Jahre 2008 wird sie bis zu 27.000 Megawattstunden entwickelt. Insgesamt werden etwa 17 Milliarden Won an Elektrizität erzeugen und somit in der Lage sein (~13,6 Millionen Euro) in der dritten Stufe des Plans 6.000 bis 7.000 Haushalte mit Energie zu versorgen. investiert. Insgesamt sollen hierdurch die CO2-Emissionen um ca. 20.000 Tonnen pro Jahr reduziert werden. Der Bau der REAKTION KOREAS AUF DEN IPCC- UND AUF Anlage wird schätzungsweise 170 Millionen Dollar kos- DEN STERN-BERICHT ten. Diese Maßnahme ist Teil des Programms der südkoreanischen Regierung, das darauf abzielt, die Indus- Direkte Reaktionen der koreanischen Regierung auf trie für erneuerbare Energien zu fördern. Allein im Jah- den Stern-Bericht blieben bislang aus. Als direkte Re- re 2006 flossen umgerechnet rund 444 Millionen US aktion auf den IPCC-Bericht wurde von der koreani- Dollar in dieses Vorhaben. schen Regierung ein Plan festgelegt um Klimakatastrophen vorzubeugen und geeignete Gegenmaßnahmen KLIMAWANDEL UND DIE MEINUNG DER einzuleiten. Zudem ist geplant, ein Komitee zur Anpas- ZIVILGESELLSCHAFT sung an den Klimawandel zu gründen, das eine gemeinsame Vorgehensweise verschiedener relevanter Eine durch das Umweltministerium Ende April 2007 in Akteure zur Umsetzung des Regierungsplans erarbei- der südkoreanischen Bevölkerung durchgeführte Mei- ten soll. Das Komitee wird sich aus dem Ministerium nungsumfrage kam zu folgendem Ergebnis: Die meis- für Umwelt, verschiedenen Experten, Nichtregierungs- ten Koreaner nehmen den Klimawandel ernst; 97 Pro- organisationen sowie den zuständigen Behörden zu- zent der Befragten sind über die Problematik des Kli- sammensetzen. Die Absicht der Regierung ist es, die mawandels sehr gut informiert; 92,6 Prozent sind der Zusammenarbeit zwischen diesen Organisationen zu Ansicht, dass der Klimawandel eine ernsthafte Gefahr verbessern. Der Regierungsplan definiert hierbei zwei für Korea darstellt. Auf die Frage, wer die Verantwor- Schwerpunktthemen. tung für den Klimawandelschutz tragen muss, haben 45,2 Prozent der Befragten die Bevölkerung selbst be- 1.Erforschung der Folgen des Klimawandels für Umwelt nannt, gefolgt von der Regierung mit 33 Prozent sowie und Bevölkerung auf der koreanischen Halbinsel so- den Unternehmen mit 12 Prozent. Über die Rolle der wie Bestimmung der möglichen Gegenmaßnahmen Regierung bei der Bekämpfung des Klimawandels spra- und die Festlegung einer Roadmap zu diesem Zweck; chen sich 36,4 Prozent für die Entwicklung erneuerba- 2.Erstellen eines Plans für politische Gegenmaßnahmen zum Klimawandel. rer Energie und 24 Prozent für die „Schaffung politischer Maßnahmen zur CO2-Reduzierung” aus. Diese Umfrageergebnisse zeigen nicht nur, dass sich die Be- Die Forschung soll dabei explizit in den Bereichen völkerung durchaus der Problematik des Klimawandels durchgeführt werden, welche am anfälligsten für die bewusst ist, sondern auch, dass die Bereitschaft be- Folgen von Klima Veränderungen sind. Dies betrifft steht, aktiv Maßnahmen dagegen umzusetzen. vor allem den Agrar- und Forstbereich sowie die Stauseen. Das angestrebte Ziel besteht darin, ein System Auch Zivilorganisationen setzen sich in Zusammen- zu entwickeln, durch das die gefährdeten Bereiche arbeit mit der Regierung für eine Treibhausgasreduktion an das sich verändernde Klima angepasst werden kön- ein. So hat die „Korea Green Foundation” gemeinsam nen. Diese Klimawandelpolitik stellt vor allem eine mit der Tageszeitung Korea Times und dem Seouler Bürgermeister Se-Hun Oh die Kampagne „Regeln für ein Umweltbewusstes Alltagsleben” bekannt gegeben. 69 Ziel der Aktion ist es, die Bürger von Seoul zu ermu- onslage könnte dahingehend verbessert werden, dass tigen durch bestimmte Maßnahmen einen Beitrag zur Umweltindustrien (erneuerbare Energien, derivative CO2-Reduktion zu leisten. Industrie z.B. CO2-Emissionsgeschäft, etc.) zukünftig eine größere Rolle in Koreas Wirtschaft spielen. Die „Korea Green Foundation” spricht sich zudem dafür aus, dass „Umwelt” als ein festes Lehrfach in der Koreanische Umweltexperten sind sich darüber einig, Schule eingeführt wird. Außerdem sind die Unterneh- dass es dem bisherigen Plan der Regierung an Umset- men dazu aufgefordert dauerhafte, umweltfreundliche zungswillen fehlt. So kritisierte Sang-Hun Lee von der Managementsystem zu etablieren und einen aktiven Energie und Klima Abteilung der „Korea Federation Beitrag zur Lösung des Umweltproblems zu leisten. For Environmental Movement”: „Im Komitee (InterMinisterial Committee on Climate Change) existiert FA Z I T keine Kontrollabteilung und deshalb gibt es im Plan immer noch kein klares Ziel zur Reduzierung von Der Diskurs um den Klimawandel wird von Nichtregie- Treibhausgas bzw. sind Ziel und Bewertungsgrund- rungsorganisationen und privaten Forschungsinstituten, lagen unklar. Erst ab 2008 soll konkret auf den Inhalt die stärkere Aktivitäten von Seiten der Regierung for- des IPCC-Bericht eingegangen werden”. Vor allem dern, sowie von den zuständigen Regierungsbehörden im Bezug auf den IPCC-Bericht scheint es eher so, als geführt. Die Regierung hat mittlerweile konkrete Pläne wolle die koreanische Regierung die gefährdeten und Maßnahmen für eine Reduktion der Treibhausgas- Bereiche an die unvermeidliche Änderung des Klimas emissionen verabschiedet. Es fehlt jedoch noch die de- anpassen, als Maßnahmen zur Verhinderung dieser taillierte Zielformulierung und die Initiierung und Um- anzustreben. setzung von notwendigen Investitionen. Die Investiti- VIETNAM: ALS KÜSTENLAND BESONDERS BEDROHT Willibold Frehner Es gab schon immer Überschwemmungen in den niedrig gelegenen Flussgebieten, insbesondere entlang In Asien sind fünf Länder aufgrund ihrer Topographie des Mekong und des Roten Flusses. Diese wurden seit vom Klimawandel sehr stark bedroht: China, Indien, Jahrhunderten genutzt und bis heute in den Wirt- Bangladesh, Indonesien und Vietnam. Vietnam mit sei- schaftskreislauf einbezogen, um eine florierende Reis- nen rund 85 Millionen Einwohnern hat eine 3.600 km produktion aufzubauen und zu betreiben. Das Mekong- lange Küste und zwei große Flussdeltas. Im Süden delta und das Tal des Roten Flusses, waren und sind mündet der Mekong (er entspringt in China und ist die Reisschüsseln Vietnams. Insbesondere im Mekong- knapp 5.000 km lang) mit neun riesigen Flussarmen delta wurden auch viele Fischponds angelegt, um ins Meer. Im Norden ist es der Rote Fluss, der ebenfalls Fische und Schrimps zu züchten. Die jährlichen Über- in China entspringt und vielgliedrig in einem großen schwemmungen des Roten Flusses wurden dadurch Delta, in der Nähe der Hafenstadt Hai Phong, ins Meer reduziert, dass am Oberlauf und bei den Zuflüssen mündet. In den beiden Flusstälern leben rund 75 Pro- Stauseen gebaut wurden, welche auch zur Erzeugung zent der Menschen in Vietnam. Dort werden über von Elektrizität genutzt werden. Die Mekong-Anrainer- 80 Prozent des nationalen BSP erwirtschaftet. staaten China, Thailand, Burma, Laos, Kambodscha und Vietnam, versuchen seit längerer Zeit gemeinsam Jeder zehnte Vietnamese (knapp zehn Millionen Men- zu beraten, wie der Fluss genutzt, geschützt, reguliert schen) lebt in der unmittelbar bedrohten Küstenregion und sauber gehalten werden kann. Bei den widerstrei- oder im unmittelbar gefährdeten Deltagebiet der beiden tenden Interessen der verschiedenen Länder, waren großen Flüsse. Wenn sich der Klimawandel fortsetzt die bisher erzielten Resultate eher dürftig. und in dessen Gefolge der Meeresspiegel steigt, werden rund 20 Millionen Menschen davon bedroht sein. Bei einem zunehmenden Klimawandel ist davon auszugehen, dass die Gletscher im Himalaya teilweise abschmelzen und die teilweise ergiebigen jährlichen Nie- 70 derschläge in der Gebirgsregion vermehrt als Regen V I E T N A M G E H T D AV O N A U S , D A S S S I C H D E R fallen und somit sofort den Flüssen zugeführt werden. KLIMAWANDEL BESCHLEUNIGT Das könnte zu neuen Formen des Hochwassers führen, welche die bisher bekannten Schwankungen des Me- Wissenschaftler des Umweltministeriums und anderer kong, aber auch des Roten Flusses, weit übersteigen. Institute, haben Aufzeichnungen von wichtigen Daten Städte wie Hai Phong, sind davon unmittelbar betrof- gemacht und kommen zu folgender Analyse: fen und haben schon heute periodisch Hochwasser. Aber auch Ho Chi Minh Stadt, das ebenfalls schon bis- ■ hat, wird noch verstärkt davon betroffen sein. Bei ■ einem gravierenden Anstieg des Mekong wären rund zehn Provinzen (mit rund 15 Millionen Menschen) des In den letzten 40 Jahren ist in Vietnam die Temperatur um 0,6 Grad angestiegen, her mit Hochwasser des Saigonflusses zu leben gelernt der Meeresspiegel ist in den letzten 20 Jahren bereits um 6 cm angestiegen, ■ Landes betroffen, die sich im Süden Vietnams befinden. die Taifune sind in den letzten Jahren stärker geworden und zielen nun vermehrt auch auf den Süden des Landes (das gab es vor zehn Jahren noch nicht), Der absehbare Klimawandel könnte die gesamte Küste ■ die Regenintensität hat sich verändert. Die Regenzeit Vietnams direkt beeinflussen, wenn die Vorhersage ist stärker ausgeprägt (mehr und stärkere Nieder- eintrifft, dass der Meeresspiegel weiterhin steigt. Die schläge), die Trockenperioden werden heißer und 3.600 km lange Küste Vietnams ist intensiv besiedelt, länger (in einigen südlichen Teilen des Landes hat bildet doch das Meer eine gute Einkommensquelle für es in den vergangenen zwei Jahren überhaupt nicht Fischer und Züchter von Meerestieren. Ein Anstieg des mehr geregnet). Meeresspiegels dürfte viele flach gelegene Küstengebiete und einige Inseln, die als Siedlungsgebiete ge- Mit der Unterstützung australischer Wissenschaftler nutzt werden, bedrohen und könnte Korallenriffe und wurden für Vietnam Prognosen erstellt, die alles ande- gewachsene Mangrovenwälder in ihrer Existenz gefähr- re als optimistisch sind und folgendes beinhalten: den. Wenn der natürliche Schutz der Küste durch einen höheren Wasserstand beschädigt wird, könnte es zu ■ starken Erosionen kommen. Vietnams um 2 – 4 ºC ansteigen; ■ ■ Bis zum Jahr 2050 wird der Meeresspiegel um weitere 33 cm ansteigen; Deltagebiete eindringt und dort das Trinkwasser für die Bevölkerung gefährdet, das meist aus dem Süßwasser Bis zum Jahr 2070 wird die Temperatur im Süden Vietnams um 2 – 3 ºC ansteigen; Ein Anstieg des Meeresspiegels könnte auch für viele Regionen bedeuten, dass verstärkt Salzwasser in die Bis zum Jahr 2070 wird die Temperatur im Norden ■ Bis zum Jahr 2070 wird der Meersspiegel, vom der Flüsse gewonnen wird. Auch der Anbau von Reis heutigen Stand aus gesehen, um weitere 50 cm ist dann gefährdet, da dieser bisher mit Süßwasser aus ansteigen. den Flüssen bewässert wird. DAS THEMA KLIMAWANDEL IST NICHT NEU Es ist normal, dass jedes Jahr in einer bestimmten IN VIETNAM Jahreszeit Taifune in Vietnam auf das Festland treffen. Damit haben die Vietnamesen gelernt zu leben. Bei Bereit 1993 wurde in Vietnam ein Gesetz erlassen, Taifunwarnung werden kurzfristig die betroffenen Küs- das Vorschriften im Zusammenhang mit dem Umwelt- tenbereiche durch zusätzliche Dämme befestigt. Die schutz formuliert (Nutzung von Ressourcen, Luftver- Fischer werden gewarnt, nicht aufs offene Meer zu schmutzung, Wasser, Müllentsorgung) und die Nicht- fahren, manchmal werden ganz Dörfer kurzzeitig eva- einhaltung dieser Vorschriften mit Strafen bedroht. Vor kuiert. Trotzdem gibt es jährlich fast 100 Tote im Zu- rund zehn Jahren wurden aus einem anderen Ministeri- sammenhang mit Taifunen. Sollte sich das Wasser im um zwei Bereiche (Bodenschätze und Umwelt) ausge- Pazifik in den kommenden Jahren stärker erwärmen, gliedert und daraus ein Umweltministerium geformt. ist damit zu rechnen, dass die Häufigkeit und die In- Vietnam gehört zu den Gründungsmitgliedern, die das tensität der Taifune steigen werden. Das alleine lässt Kyoto-Abkommen geplant und vorbereitet haben. Das schon absehen, dass der materielle Schaden zuneh- Thema Klimawandel und Umweltschutz ist also nicht men wird und dass noch mehr Menschenleben gefähr- neu in Vietnam. In einer Konferenz 1990 hat Vietnam det wären. Wenn noch ein Anstieg des Meeresspiegels mit Unterstützung von UNEP, UNDP, SIDA und JUCN dazukommt, könnten sich die negativen Auswirkungen bereits einen ersten „National Plan for Environment potenzieren. and Sustainable Development 1991–2000: Framwork for Action” verabschiedet. 71 Vietnam nahm an der im Mai 2007 stattfindenden Glo- klärt in den Saigon-Fluss. In Hanoi wurde im Trinkwas- bal Conference on Sustainable Development and Ener- ser ein hoher Gehalt an Arsen festgestellt. Auch im gie Conservation (CDS – 15) in New York teil. Die Re- ländlichen Bereich wird es durch Überdüngung, un- gierung hatte schon 2005 zum Schutz der Umwelt eine sachlichen Gebrauch von Pestiziden und durch unge- „Strategie zur effektiven Energienutzung” für die Jahre klärte Abwässer immer schwieriger, sauberes Trink- 2006 bis 2015 beschlossen. wasser zu finden. Vietnam hat sich also schon sehr früh und sehr aktiv Allerdings werden von Zeit zu Zeit einschneidende beteiligt an einer Reihe von Projekten, um dem Klima- Maßnahmen ergriffen: Am 1. Juli 2007 sollen die EU- wandel zu begegnen. Eine Reihe von Studien wurden Standards (CO2-Abgaswerte) für Autos eingeführt wer- in Vietnam durchgeführt (meist unterstützt von der den. Für Motorräder folgen ähnliche Vorschriften ein UN oder der ADB). Die Regierung der Niederlande hat, Jahr später. Durch die neuen Standards werden Autos in einer gemeinsamen Studie mit Vietnam, die Auswir- in Vietnam um rund 350 bis 500 Euro teurer werden. kungen des Klimawandels explizit auf die Küstenbe- Die Vorzüge von Energiesparlampen werden darge- reiche untersucht. Mit dem Landwirtschaftsministerium stellt, die massive Nutzung von Leuchtreklame wird arbeitet die holländische Regierung an Programmen, hinterfragt, Industrieunternehmen wurden aufgefor- um Biogaserzeugung wirtschaftlich zu machen. Auch dert, Einsparungen vorzunehmen, um der Energie- die GTZ arbeitet mit der Regierung Vietnams zusam- knappheit vorzubeugen. Trotzdem hat die Regierung men (Schutz der natürlichen Ressourcen) und behan- noch nicht die politische Kraft, neue Energieerzeuger delt dabei auch Themen wie Windenergie, ökologische mit teuren Filtern auszurüsten oder die Energiekosten Waldnutzung, Solarenergie, Biogas oder Energiespar- insgesamt zu verteuern, um einen verstärkten Anreiz programme. TÜV-Rheinland hat sich ebenfalls stark zum Energiesparen zu schaffen. engagiert, Energiesparprogramme populär zu machen und alternative Energien als praktikable Lösungen vor- G E R I N G E S U M W E LT B E W U S S T S E I N D E R B E V Ö L- zustellen. KERUNG S T E L L E N W E RT D E R T H E M AT I K I N V I E T N A M Bei der Bevölkerung Vietnams ist das Umweltbewusstsein noch wenig ausgeprägt. Es wird auch durch Regie- Auch wenn die Thematik in Vietnam nicht neu ist, rungsprogramme oder Aufklärungskampagnen noch steht Klimaschutz sicher nicht in der Prioritätenliste an nicht ausreichend geschärft und gefördert. Solarener- oberster Stelle. Klimaschutz konkurriert heute mit gie wird noch als zu teuer angesehen, Windenergienut- Themen wie Wirtschaftswachstum, Infrastrukturausbau, zung oder die Nutzung von Erdwärme sind noch wenig Armutsbekämpfung, Soziale Sicherheit und Bildungsof- bekannt. Biogas beginnt derzeit ein Thema in Vietnam fensive und hat sicher nicht ganz den gleichen Stellen- zu werden. wert, wie die genannten Themen. Die Regierung Vietnams bekennt sich zwar prinzipiell zu den Zielen des Im Alltag der Vietnamesen spielt der Umweltschutz noch Klimaschutzes und propagiert den Schutz der Umwelt eine untergeordnete Rolle. Alternative Energiequellen, – für konkrete Projekte fehlen oft die finanziellen Mittel wie die Sonnenenergie, werden im Alltag kaum genutzt. und der politische Wille. Die ausführenden Organe und Die Energiekosten sind für den Verbraucher noch so Institute der Regierung haben oft ungenügendes Wis- niedrig, dass Verschwendung, zumindest bei den wohl- sen und Kenntnisse und auf der Ebene der Provinzen habenden Bevölkerungsteilen, normal ist und die Suche oder auf der Ebene der Gemeinden fehlen ebenfalls der nach Alternativen wirtschaftlich noch nicht attraktiv ge- politische Wille und das Know-How. nug ist. Der Großteil der Armen verbraucht wenig Energie. Die Landwirtschaft ist fast noch gar nicht mechani- Vom Ministerium für Umwelt werden Naturschutzgebie- siert und wird in Handarbeit und mit Ochsengespannen te ausgewiesen, die dann aus Geldmangel von den betrieben. Bei den Großverbrauchern in den Servicebe- Provinzen nicht umgesetzt werden. Die Vorhaben wer- reichen (Hotels) oder den produzierenden Betrieben ist den oft nicht mit anderen Ministerien (Planungsminis- das Thema als Kostenfaktor noch nicht ernsthaft ange- terium oder Bauministerium) abgestimmt und schei- kommen. Auch im Transportwesen sind die Energiekos- tern deshalb. Gerade in den Großstädten wie Ho Chi ten von untergeordneter Bedeutung. Minh Stadt und Hanoi, nimmt die Luftverschmutzung und die Abwasserproblematik dramatisch zu. In Hanoi mit seinen vier Millionen Einwohnern gibt es keine Kläranlagen, alle Abwässer werden direkt dem Roten Fluss zugeführt. In Ho Chi Minh Stadt mit sieben Millionen Einwohnern geht die Hälfte des Abwassers unge- 72 L Ä S S T S I C H D E R K L I M A W A N D E L A U F H A LT E N ? und mit Schadensbilanzen versehen. Es sollten auch Schätzungen aufgestellt werden, über die Kosten Es ist, trotz vieler politischer Bekundungen, derzeit von erforderlichen Präventionsmaßnahmen und diese nicht absehbar, dass Vietnam gravierende praktische müssten dann mit den Schadensbilanzen verglichen Schritte jetzt, oder in naher Zukunft einleiten wird, werden. Heute wird die wirtschaftliche und politische um einen wesentlichen Beitrag zu leisten, den globalen Dimension und Brisanz des Themas in Vietnam noch Klimawandel aufzuhalten. nicht aufgezeigt und von einem Großteil der Regierung und der Bevölkerung auch nicht diskutiert. Das Thema Klimawandel hat in Vietnam noch kein breites Publikum erreicht. Noch sind es einige wenige Erst wenn solche Schadensbilanzen gemacht werden Experten, die sich mit dem Thema befassen. Diese und diese ein breiteres Publikum erreichen, kann davon Experten werden eher als Exoten angesehen. Die Prog- ausgegangen werden, dass sich die Bevölkerung, die nosen werden als ungesicherte Visionen behandelt. Wirtschaft und die Politik in Vietnam verstärkt und mit Noch sind die absehbaren, negativen Entwicklungen praktischen Schritten dem Thema Umweltschutz und eher abstrakt dargestellt. Sie werden, von den Politi- Klimawandel zuwenden wird. Erst dann kann mit einem kern und von den Bürgern, noch immer nicht als akute echten Beitrag Vietnams gerechnet werden, den Klima- Bedrohung angesehen. Noch werden die gemachten wandel aufzuhalten, oder wenigstens zu begrenzen. Prognosen nicht mit Kostenschätzungen verbunden KAMBODSCHA: DIE ENTWALDUNG DES LANDES IST DAS GROSSE PROBLEM Wolfgang Meyer jahreszeitlicher Migration und regional immer wieder zu Nahrungsmittelhilfen. In der hiesigen Diskussion Die drei Berichte des Weltklimarats der Vereinten werden die Probleme der rasch fortschreitenden Ent- Nationen (IPCC) von 2007 zu den erwarteten Klima- waldung des Landes zugeschrieben, nicht globalen änderungen durch den „Treibhauseffekt” und seine Effekten. Folgen sind in den Medien Kambodschas nicht behandelt worden. Die allgemeine Öffentlichkeit ist über Die globale Klimaerwärmung ist für die kambodscha- die Berichte und das Phänomen des globalen Kilma- nische Regierung ein „emerging issue”. Dies manifes- wandels nicht informiert. Der Bericht des englischen tiert sich in dem im Oktober 2006 vom Umweltministe- Regierungsberaters Sir Nicholas Stern wurde nicht rium vorgelegten und vom Kabinett verabschiedeten zur Kenntnis genommen. In Kambodscha werden kaum „National Adaptation Programme of Action to Climate ausländischen Printmedien vertrieben. Change” (NAPA). Der Aktionsplan konzentriert sich auf reaktive Maßnahmen auf mögliche Gefahren. Ein Plan Allein kleine universitäre Fachzirkel und Fachministe- zur Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen rien befassen sich seit kürzester Zeit mit Fragen des steht nicht im Vordergrund. globalen Klimawandels und seiner möglichen Auswirkungen auf Kambodscha. Die Sensibilisierung über- Der Energieverbrauch der Kambodschaner ist niedrig. nahm in erster Linie das Entwicklungsprogramm der Während Industrie und Kraftwerke im globalen Durch- Vereinten Nationen (UNDP). schnitt rund 20 Prozent bzw. 30 Prozent für die CO2Emissionen verantwortlich sind, beanspruchen diese Dennoch besteht in der allgemeinen Öffentlichkeit beiden Sektoren in Kambodscha nur 0,8 Prozent des Besorgnis über die spürbaren Klimaveränderungen gesamten Energieverbrauchs. 80,6 Prozent der Ener- der letzten Jahre. Die Regelmäßigkeit des jährlichen gie werden in privaten Haushalten verbraucht und Klimageschehens wird als weniger verlässlich wahrge- 17,3 Prozent von Transportmitteln. Kohledioxyd trägt nommen. Dürren, Überschwemmungen, das Absinken weltweit mit 72 Prozent zu den Treibhausgasemissionen des Grundwasserspiegels und Trockenfallen von Brun- bei. Die stärker bei landwirtschaftlicher Tätigkeit er- nen in einigen Landesteilen werden als Umweltprobleme wahrgenommen, zwingen in manchen Gebieten zu 73 zeugten Treibhausgase wären in Kambodscha durch Einschränkung der Abholzung der heimischen Wälder zu beeinflussen. 3. Analyse der bestehenden institutionellen Rahmenbedingungen für die Analyse der Probleme und die Durchführung von Anpassungsmaßnahmen; 4. Aufstellen einer Prioritätenliste von Anpassungs- Kambodscha hat die Klimarahmenkonvention der Ver- maßnahmen. einten Nationen (UNFCCC), die 1994 in Kraft getreten ist, 1995 ratifiziert. Das Königreich hat sich offiziell zur Die vorgeschlagenen vorrangigen Maßnahmen bezie- freiwilligen Beteiligung an Projekten zur Verringerung hen sich auf die folgenden Interventionsbereiche: der Treibhausgasemission bereit erklärt und das KyotoProtokoll 2002 unterzeichnet. Der aktuelle Nationale 1. Querschnittsbereiche: Verbesserung der meteorolo- Strategische Entwicklungsplan (NSDP) nennt Klima- gischen Dienste, Bewusstseinsbildung in der Bevöl- wandel als Herausforderung für Kambodscha und lädt kerung, Erstellung von Bildungsmedien zum Klima- Entwicklungshilfegeber zur Unterstützung bei der Ab- wandel und seinen Gefahren, Organisation von wehr negativer Konsequenzen für das Land ein. Vor wenigen Wochen hat Premierminister Hun Sen zum Basisgruppen; 2. Land- und wasserwirtschaftliche Maßnahmen: An- ersten Mal in einer öffentlichen Rede den Klimawandel pflanzen von flut- und windbrechender Vegetation, thematisiert. Seine öffentlichen Reden werden im Fern- Aufforstung, Verbesserungen von Be- und Entwäs- sehen und Rundfunk ausgestrahlt und dienen als wich- serungsanlagen, Deichbau, Bildung von Wassernut- tigstes Kommunikationsmittel des Regierungschefs mit zergemeinschaften, Brunnenbau, Anlage von Tei- weitreichendem Einfluss. Interessierte Fachkreise ha- chen, Bereitstellung von Wassertanks, Bereitstel- ben die Rede intensiv wahrgenommen. Ein bleibender lung von Booten, Verbesserung der Nahrungsmittel- Effekt auf weitere Kreise erfordert wiederholte Thema- vorsorge, Intercropping, Einführung neuer Reissor- tisierung des Sachverhalts. ten mit kürzerer Reifezeit; 3. Küstenschutz: Schutz oder Rehabiliterung von Seit 1999 unterstützt das UNDP die kambodschanische Mangroven, Kanal- und Drainageanlagen, Sicherung Regierung bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben bei der Trinkwasserversorgung, Agroforstwirtschaft; der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen. 4. Gesundheitswesen: Moskito-Habitat-Säuberung, So wurde eine kambodschanische „Initial National Produktion von Biopestiziden, Malaria-Aufklärungs- Communication” zur UN Konferenz ermöglicht. UNDP kampagnen, Malaria-Monitoring-System, Gesund- hat im Umweltministerium die Einrichtung eines „Cam- heitsstationen. bodian Climate Change Office” befördert (2006) und die Schaffung eines „National Climate Change Commit- Die kambodschanische Bevölkerung hat zahlreiche alltäg- tee” mit der Beteiligung mehrerer Ministerien ist ge- liche Herausforderungen zu meistern. Umweltschutz stellt plant. Nunmehr steht die Förderung der Vorbereitung sich vor diesem Hintergrund als „Luxus-Problem” dar. Die der Zweiten Stellungnahme für die UNFCCC auf dem Regierung hingegen legt großen Wert auf die Beteiligung Arbeitsplan. Dabei stehen vier Arbeitsbereiche im Vor- an internationalen Organisationen und Vereinbarungen dergrund: und wird sich nach Kräften an der internationalen Debatte und an Maßnahmen in diesem Bereich bemühen. Erste ■ ■ eine Bestandsaufnahme der in Kambodscha erzeug- Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor möglichen ten Treibhausgase; Risiken als Folge des Klimawandels haben begonnen. die Erstellung von Maßnahmeplänen zur Reaktion auf Umweltschäden durch den Klimawandel; ■ Erstellung eines Katalogs von Maßnahmen zur Erreichung der Ziele der UNFCCC; ■ die Vorbereitung der Zweiten Nationalen Stellungnahme zur UN Konferenz. Der NAPA als manifestes Regierungsdokument folgt den Richtlinien für die Aufstellung Nationaler Aktionspläne und stellt folgende Ziele in den Vordergrund: 1. Bestandsaufnahme der größten Risiken in der Folge von Klimawandel (Überschwemmungen, Dürren, Stürme, Anstieg des Meeresspiegels und Eindringen von Salzwasser, Malariaausbreitung); 2. Erarbeitung von Anpassungsmaßnahmen auf Dorfebene; 74 THAILAND: LICHTER AUS FÜR DEN KLIMASCHUTZ Lars Peter Schmidt Am 1. Juli 2003 regte das Kabinett die Schaffung eines Nationalen Komitees zum Klimawechsel (National Committee on Climate Change) an, das dem Minister Thailand übt den Klimaschutz: am 9. Mai 2007 ver- of Natural Ressources and Environment (MNRE), res- löschten in einigen Bezirken Bangkoks für eine Viertel- pektive dem ONEP, unterstellt ist. Das MNRE gilt als stunde von 19 bis 19:15 Uhr die ‚unnötigen’ Beleuch- ‚Ausführende Nationale Autorität', Designated National tungen an den Geschäftshäusern und Werbetafeln. Authority (DNA). Als Ansprechstelle schuf das MNRE Die Ersparnis: Der CO2-Bedarf sank um 143 Tonnen. die ONEP (Office of Natural Ressources and Environ- Und es gab hierfür einen guten Grund. Denn am ment Policy and Planning), die ihrerseits thailändische 4. Mai 2007 unterzeichneten in der thailändischen CDM-Projekte (Climate Change Coordinating) struktu- Hauptstadt Bangkok die Vertreter der IPCC-Staaten rell koordiniert. Im August 2006 eröffnete die damalige den 3. Bericht des Weltklimareports. Thaksin-Regierung ein National Board on Climate Change Policy und Climate Change Coordinating Office Unter Leitung von Ogunlade Davidson, dem Vorsitzen- unter Leitung des Office of Natural Resources and En- den des 3. Workshops, befasst sich dieser Report vironment (ONEP) und der Thailand Greenhouse Gas nur mit Lösungen zum anstehenden Klimaverhalten. Management Organization, einer öffentlich-rechtlichen 468 Autoren aus aller Welt haben mitgewirkt. In Thai- Organisation. land selbst ist der Bericht in den englischsprachigen Zeitungen wie Bangkok Post und The Nation, aber auch Die ONEP als Sekretariat ernennt den Direktor der in thaisprachigen Medien ausführlich erklärt worden. Climate Change Coordinating Unit. Ihm unterstellt sind Thailand selbst befasst sich seit 1992 mit Klimafragen. Verwaltung und Seniorexperten, sowie die Abteilungen Climate Change Policy Sector, CDM-Sektor sowie Re- Im Juni 1992 unterzeichnete die damalige Regierung search and Development, Forschung und Entwicklung. Thailands bereits bei der UNCED (United Nations Insbesondere ist die ONEP angehalten, eine nationale Conference on Environment and Development) das Strategie zu Klimaveränderungen zu erstellen. Dabei UNFCCC-Papier (United Nations Framework Convention gilt es vor allem auch, eine Annäherung zum Nationa- on Climate Change) und ratifizierte diesen Akt im len Sozialen und Wirtschaftlichen Entwicklungsplan Dezember 1994. Das Kyoto-Protokoll wurde im Februar (National Social and Economic Development Plan) ein- 1999 unterzeichnet und am 28. August 2002 mit dem zuarbeiten. Details werden zum Aufbau von Kapazitä- Eintrittsdatum 16. März 2005 ratifiziert. ten für die Klimaveränderungen, die Reduzierung von Treibhausgasen, die Herstellung öffentlichen Interesses Insgesamt unterlagen die klimapolitischen Aktionen sowie die Steigerung der Erforschungs- und Entwick- Thailands in der Vergangenheit einem starken Wandel. lungsaufgaben erwartet. So unterlag etwa die Beachtung und Verwaltung des UNFCCC und des Kyoto-Protokolls dem Office of Envi- Gleichzeitig organisiert das Büro gemeinsam mit dem ronment Policy and Planning (OEPP), das dem MOSTE Thailand Environment Institute (TEI) und der Danish (Ministry of Science, Technology and Environment) un- International Development Agency (DANIDA) ein Pilot- terstand. Unter Wahrung der administrativen Reform- projekt „Schools for Better Climate (SBC)”. Jeweils vier aktivitäten der thailändischen Regierung des Jahres Schulen aus fünf Bezirken werden hierzu ausgerüstet 2002 unter dem 2006 bei einem Militärputsch gestürz- und mit Geldern versorgt. So fand bereits 2006 der ten Ministerpräsidenten Thaksin wurde das Ministerium „Thai Environment Day” mit diesen Schulen statt. Die für Nationale Ressourcen und Entwicklung (MNRE oder entsprechenden Lehrer erhalten eine zusätzliche Schu- MONRE) geschaffen. Die Aktivitäten der OEPP nahm lung, um auch andere Institute zu beraten. Diese Auf- das Office of the Permanent Secretary (MNRE) wahr. gabe entspricht dem Artikel 6 der UNFCCC. Parallel Im September 2004 entschied der Minister des MNRE, dazu gibt es eine Ausbildung für Erwachsene im Office dieses Office of Environmental Policy and Planning zu of the Non-Formal Education Commission (ONFEC) des schaffen, das bei gleichen klimapolitischen Aufgaben Erziehungsministeriums. Das TGM Management Board nun für UNFCCC und Kyoto-Protokoll zuständig war. wird, so der letzte Stand, CDM-Projekte als One-Stop- Laut einer Regierungserklärung vom 10. September Organisation entscheiden und genehmigen. Dabei wird 2002 ist sich der thailändische Staat der anstehenden der Nationale Erhaltungsplan (National Sustainable Klimaprobleme bewusst und fördert nach damaliger Aussage in Zukunft nur solche Projekte, die die Treibhausgasemission zu reduzieren helfen. 75 Development Plan) ebenso zu Hilfe genommen wie der Technologie- und der Kapazitätsplan. Die Bedürfnisse der einzelnen Behörden sollen berücksichtigt und das Vorhaben in den thailändischen CER-Ausgleichsplan (Certified Emission Reductions) eingearbeitet werden. Neben der regierungsseitig präsentierten, politischen Lösung stellten sich aber auch örtliche Wegbereiter in der Sache. So organisierte etwa der Bangkok-Verwalter Apirak Kosayothin den Stromspar-Lights-Out am 9. Mai 2007, der künftig an jedem 9. Tag eines Monats die Bevölkerung an die offenen Fragen zum Klimaschutz erinnern soll. Die Berichterstattung fand sowohl in den Printmedien wie Bangkok Post und The Nation, aber auch in thailändischen Erzeugnissen entsprechende Berichterstattung und wurde auch live vom thailän- Der Verzicht auf übermäßige Beleuchtung führt bereits zur Minderung des CO2-Ausstoßes. dischen Fernsehen übertragen. Allerdings, wie etwa bei Kanal 11, mit einer Bildführung, die schon eher an die ersten Anfänge bundesdeutschen Fernsehens erinnert Eine politische Veränderung dieses Themas hat sich – eine überbelichtete Darstellung der gezeigten Grafi- durch den Militärputsch im September 2006 nicht er- ken sowie schwache Kommentarbilder der Verantwort- geben. Eher, so scheint es, habe die königliche Familie lichen. Dennoch: Dieses Ereignis hat sich fest in die das Thema aufgegriffen, etwa zur Frage des Bio-Diesel, Hirne der Thais eingeprägt. Unabhängig von dieser der seit mehreren Jahren intensiv gefördert wird. aktuellen Entwicklung wurde aber schon vorher in der Immerhin, Bangkok ist nach Angaben aus The Nation Fernsehlandschaft ein thailändisches Buch zur Diver- eine der Hauptquellen von Treibhausgasen in Thailand. sifizierung und Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft Rund 30 bis 50 Prozent des vollständigen Energiever- beworben. brauchs sind hier konzentriert. Der Bedarf der Bürger Bangkoks lässt sich auch an allgemeinen Statistiken Ein Blick in das Internet zeigt, dass sich auch in diesem ablesen. So betrugen die monatlichen Durchschnitts- südostasiatischen Land viele Aktivitäten und Hinweise kosten pro Haushalt in Bangkok umgerechnet etwa der nationalen Eliten aufzeigen lassen. Eine grobe Un- 52 Euro, in der Zentralregion und im Süden rund terteilung zeigt eine Aufsplitterung in staatliche Stellen, 34 Euro und im Norden und Nordosten nur rund allgemeine Behörden städtischer oder ländlicher Aus- 22 Euro. Wie das Nationale Statistikbüro Thailands richtung, NROs und Medien. So sind etwa der ONEP mitteilt, ist der Energiebedarf in den Jahren von 2004 mehrere Büros untergeordnet, die sich jeweils mit auf 2006 durchschnittlich um 16 Prozent gestiegen. Einzelproblemen wie etwa der Entwicklung von umwelt- Von 2002 auf 2004 lag er bei knapp 7 Prozent. schützenden Projekten oder Produkten oder der Behandlung von Flutungsregionen und Sumpfgebieten Statistiken auch des National Statistical Office zeigen, befassen. Auch hier finden sich kleinere Hinweise dass Bangkoks Einwohner im vergangenen Jahr 206 auf die Klimaveränderungen, die im Mai offiziell ins Millionen Kilowattstunden verbraucht haben. Dazu Bewusstsein der Welt rückten. kommen 34 Millionen Liter Öl, 400.000 Liter Gasohol und 25.000 Kilogramm natürliche Gase. Aber die Stadt- Wenige, bis fast gar keine Hinweise allerdings findet verantwortlichen sind sich der Lage bewusst: So wer- der Besucher zum Report von Sir Nicholas Stern, der den etwa 50.000 frei auszugebende Energiesparlampen am 30. Oktober 2006 in Großbritannien veröffentlicht verteilt. Dazu kommen weitere fünf Millionen „Thin wurde. Zu diesem Bericht gibt es – mit größerer zeit- Bulbs”, die von der Bangkok Metropolitan Administration licher Verzögerung und Ausrichtung auf die USA – vermarktet werden. Und zum 12. August – dem lediglich in den Pressearchiven etwa der Nation kurze Geburtstag der Königin und thailändischem Muttertag – Abhandlungen. Auch auf den offiziellen Seiten der werden in und um Bangkok eine Million Bäume in Parks Verwaltung und der Behörden ist der Name nicht auf- und öffentlichen Grünanlagen gepflanzt. geführt. Mehrere Gespräche mit Thai führen zu der Einschätzung, dass zwar die Problematik der Klima- Die Administration der thailändischen Metropole selbst veränderung bekannt sei, dass sich die Thai aber ist mittlerweile in diesem Bereich auch international eher um wirtschaftliche Belange kümmern und die aktiv. So wurde Bangkok am 18. Mai 2007 zu den Auswirkungen der Klimaerwärmung nicht als aktuelle ersten 16 Megacities ernannt, die am Clinton Klima- Frage sehen. Initiativprogramm (C40) zur Aufarbeitung bestehender 76 Gebäude und der Verringerung der CO2-Emission ein- Zu kämpfen haben auch die Umweltorganisationen wie gesetzt werde. Bannasopit Mekvichai, der Gouverneur etwa Greenpeace Thailand oder der World Wildlife Bangkoks, bestätigte gegenüber der Nation, dass vor- Fund (WWF). Sie sind zwar im Internet vertreten und erst die Hauptgebäude der BMA ausgestattet würden. auch aktiv an der Thematik dran, gewinnen jedoch nur sehr wenig Aufmerksamkeit in der breiten Öffentlich- Schwach stellt sich die Situation der Unternehmen dar. keit. Hier stehen aktuelle Probleme wie etwa das ge- Eine Untersuchung des Grant Thornton International plante Verbot zweier großer Parteien (Thai-Rak-Thai Business Report (IBR) mit 7.200 Unternehmen aus 32 und Demokraten), die Verfassungsdiskussion sowie Ländern ergab unter dem Aspekt des Energie-Reviews, auch die aktuellen wirtschaftlichen Fragen im Vorder- der Reduktion der Energiekonsums, des Abschaltens grund. Immerhin, Schilder an den Strassen zum Ein- eher ungenutzter Energie, der Investition in Energie- satz anderer Energiequellen beim Kfz-Verkehr wie Sparmaßnahmen und der Energierückgewinnung bei etwa Bio-Diesel, des besseren Einsatzes öffentlicher möglichen 600 Punkten für Thailand den Wert von Verkehrsmittel oder auch der Mülltrennung weisen die 178 Punkten und platziert Thailand an das Schlussfeld Thai zumindest im Großraum Bangkok auf die Gefah- in Klimafragen. Deutsche Unternehmen erzielten ren dauerhaft hin. Die Praxis sieht aber meistens noch 306 Punkte und liegt im Mittelfeld. anders aus. SINGAPUR: BRANDRODUNG LÄSST DEN HIMMEL VERDUNKELN Colin Dürkop Die Integration von ökologischen Aspekten in die internationale Handelspolitik ist eines der Ziele nach- Nicht erst seit der Tagung des Weltklimarates IPCC in haltiger Entwicklung. So wird auf regionaler und inter- Bangkok 2007 wird der Umgang mit dem Klimawandel nationaler Ebene mittlerweile diskutiert, wie sich han- in der Region diskutiert, wenn auch vielen asiatische dels- und umweltpolitische Maßnahmen gegenseitig Schwellen- und Entwicklungsländer bislang nur geringe ergänzen können. Während manche westliche Länder konkrete Anstrengungen unternommen haben. Im bemüht sind, umweltpolitische Themen in die Handel- Januar 2006 beispielsweise beschlossen China, Japan, politik zu integrieren, treten einige asiatische Staaten Indien, Südkorea, Australien und USA, die zusammen diesem Ansatz eher skeptisch gegenüber und vermei- für die Hälfte der weltweiten Treibhausgase verant- den Umweltthemen in den zahllosen Verhandlungen wortlich sind, die Schaffung eines Fonds zur Reduzie- über Freihandelsabkommen. Im Vergleich zum Finanz- rung der Treibhausgase durch die Förderung „sauberer und Handelsdialog konnten die asiatischen Regie- Technologien”. Die „Asia-Pacific Partnership on Clean rungs- und Staatschefs mit der Verabschiedung einer Development” basiert allerdings auf einem Konsens Klimaschutzerklärung in Helsinki (ASEM 6 Declaration der beteiligten Staaten, dass es dabei keine verbind- on Climate Change 2006) ihr gemeinsames Hand- lichen Ziele für die Verringerung der Treibhausgase lungspotenzial vergrößern. In der entsprechenden oder Zeitpläne geben sollen. China, Indien und die Erklärung einigten sich die 25 europäischen und 13 anderen ärmeren Ländern dürfe der Weg zu mehr Wohl- asiatischen Staaten auf die Stärkung und volle Umset- stand und somit zu einem höheren Maß an Umwelt- zung der UNO-Klimakonvention von 1992 sowie des schutz nicht durch rigide globale Regeln verwehrt Kyoto-Abkommens zur Reduktion von Treibhausgasen. werden. Somit steht dies den verbindlichen Zielen des Bemerkenswert ist die Bereitschaft der insbesondere Kyoto-Protokolls und des Programms zur Klimakon- der asiatischen Teilnehmerseite der ASEM, das Kyoto- trolle von 1997 diametral entgegen. Australien und die Abkommen auch nach seinem Auslaufen im Jahre USA haben das Kyoto-Protokoll nicht unterzeichnet. 2012 fortzuführen. Dies deutet auf einen bestandfähi- Gleichzeitig will der Fonds die Erforschung erneuerba- gen Klimakonsens hin, der sich auch in gemeinsamen rer Energien durch private Unternehmen unterstützen. Verhandlungspositionen bei den Weltklimakonferenzen in Montreal und Nairobi manifestierte. Das strategische Potenzial einer euro-asiatischen Allianz liegt auf der Hand: ASEM kann mit seinem politischen und wirtschaftlichen Einfluss die Agenda der internationa- 77 schaft einzurichten, die sich dann auch gezielter des Themas globale Erwärmung und Klimawandel annehmen wird. U.a. wird diese AG Informationen über den vom Menschen verursachten Klimawandel untersuchen, einschließlich der Folgen und Risiken der globalen Klimaveränderungen. Aber auch andere Kooperationspartner der KonradAdenauer-Stiftung in Asien beschäftigen sich mit diesem Themenumfeld: Die „ASEAN People’s Assembly” (APA) wird bei ihrem bereits 6. Forum in Manila im Oktober 2007 dem Thema Klimawandel und Erderwärmung ein eigenes Podium sowie eine Arbeitsgruppensitzung widmen. Der jährliche durch Brandrodung in Indonesien und Singapur verursachte „Haze” (Dunst), führt zu gravierenden Gesundheitsproblemen. APA ist ein vergleichsweise einzigartiges regionales Forum zur Artikulation sozialer und politischer Interessen. APA fördert seit dem Jahr 2000 den regionalen Dialog und vertrauensbildende Maßnahmen zwischen Meinungsführern, Regierungs- und Parteien- len Klimakonferenzen beeinflussen und die Klimapoli- vertretern mit Gruppen der Zivilgesellschaft. Über tik aktiv mitgestalten. ASEM wird in seinen Aktivitäten 300 Teilnehmer aus den verschiedensten Gesellschafts- auch unterfüttert von dem Asia-Europe Environment bereichen, wie z.B. Politiker, Aktivisten, Leiter von Forum, einem Dialogforum der Asia-Europe Foundation Regierungsberatungsinstitutionen und Think-Thanks (ASEF) mit finanzieller Förderung durch die HSS und sowie Medienvertreter kommen jeweils zusammen. fachlicher Unterstützung seitens des HWWA. Die KAS unterstützt neben einigen anderen Kooperations-organisationen dieses Forum seit drei Jahren. Insbesondere seit der jüngsten Sitzung des Weltklima- Erstmals bei dem 12. Gipfeltreffen der ASEAN Staaten rates IPCC in Bangkok und dem UNO-Klimabericht so- (Cebu 2007) konnte den anwesenden Staats- und wie dem Stern-Report vom Oktober 2006 – aber auch Regierungschefs der Bericht des APA-Forums vorge- nach der verheerenden Tsunami-Katastrophe und dem tragen werden. Eine Integration in den politischen vielbeachteten Dokumentarfilm „An Inconvenient Truth” Entscheidungsprozeß ist somit gewährleistet. von Al Gore – wird der Klimawandel in der Region sowohl in der Presse (The Straits Times u.v. a.) als auch Auch die „Asian Political and International Studies in den unterschiedlichsten Gremien, Instituten und Association” (APISA) hat mittlerweile die Dringlichkeit Think-Tanks der Region immer intensiver diskutiert. dieses Themas erkannt. APISA gilt als ein wichtiges Forum für den Austausch von Politikwissenschaftlern In Singapur würde beispielsweise ein Ansteigen des und anderen Vertretern der sog. „epistemic communi- Meeresspiegels um 15 cm die halbe Inselrepublik ties”. Es handelt sich um eine renommierte internatio- unter Wasser versinken lassen. Der jährliche durch nale „Wissensgemeinschaft” von politikwissenschaftli- Brandrodung in Indonesien und Malaysia verursachte chen Instituten und Fakultäten, die soziale und gesell- weiträumige „Haze” (trübe Dunstglocke) führt in Süd- schaftspolitische Analysen und Studien betreiben. ostasien zu immer gravierenderen Gesundheitsproblemen. Die Entwaldung in Indonesien ist die größte Das ASEAN-Sekretariat koordiniert die Umweltpoliti- nicht nur in Asien sondern weltweit überhaupt: 300 ken der ASEAN Mitgliedsstaaten in verschiedenen im Fußballfelder pro Stunde. Der „Singapore Green Plan” Umweltschutz tätigen Arbeitsgruppen. Politisches Ziel der Regierung, der periodisch fortgeschrieben wird lautet „a clean and green ASEAN with fully established (2012), behandelt u. a. das Thema Klimawandel unter mechanisms for sustainable development to ensure den Gesichtspunkten Energieeffizienz, saubere Ener- the protection of the region’s environment, the sustai- gie (z. B. Erdgas) und erneuerbare Energie. nability of its natural resources, and the high quality of life of its peoples”. Zahlreiche Beschlüsse und De- Am intensivsten hat sich in der Region der langjährige klarationen mündeten in einer Reihe von Vereinbarun- KAS-Partner „Institute of Southeast Asian Studies” gen (Declarations and Resolutions on Environment (ISEAS) mit dieser Problematik auseinandergesetzt. and Development) sowie einem ASEAN Environmental ISEAS plant, eine Umwelt- & Energie-Arbeitsgemein- Action Plan 2000 bis 2005. Auf der Prioritätenliste stehen an erster Stelle „global environmental issues und transboundary haze pollution”. 78 MONGOLEI: DER KLIMAWANDEL IST KEIN ÖFFENTLICHES THEMA Thomas Schrapel ■ 1. EINFÜHRUNG ■ lang anhaltende Dürre in den Monaten Juni bis September; von der Trockenheit sind nicht mehr nur die Wüstengebiete, sondern bis zu 80 Prozent der gesamten Eine nennenswerte öffentliche Diskussion zum Thema Fläche des Landes betroffen. Klimawandel gibt es in der Mongolei gegenwärtig nicht. Es sind keine offiziellen Stellungnahmen aus Hinzu kommt, dass seit einigen Jahren von Wissen- der mongolischen Politik zu den IPCC- bzw. zum Stern- schaftlern auf das rasant voran schreitende Abschmel- Bericht bekannt. Weder die Regierungs- noch die zen der Gletscher insbesondere im Altai-Gebirge hin- Oppositionsparteien befassen sich mit dem Thema. gewiesen wird und ein Zusammenhang zum weltwei- Eine für die Politik zu beachtende Umweltbewegung ten Klimawandel als erwiesen gilt. Zuletzt wurde dies als potentieller Träger einer solchen Diskussion gibt im Kontext mit einer archäologischen Sensation im es nicht, von vereinzelten Aktivitäten abgesehen. Sommer 2006 diskutiert, als ein Team unter Leitung Umweltbewegungen existieren zwar in rudimentärer des Präsidenten des Deutschen Archäologischen Insti- Form. Deren Aktivitäten richten sich aber gegen die tuts, Prof. Dr. H. Parzinger, die fast vollständig erhalte- unmittelbaren umweltschädlichen Auswirkungen des ne Mumie eines skythischen Kriegers im mongolischen Bergbaus, vor allem das Austrocknen von Flüssen und Teil des Altai-Gebirges fand. In diesem „Sog” versuch- Seen als Folge der Abbaumethoden der Unternehmen. ten Geologen darauf aufmerksam zu machen, dass Der Frage, ob es einen direkten Zusammenhang zwi- das Abschmelzen der Gletscher im Altai-Gebirge noch schen weltweitem Klimawandel und dem veränderten viel rasanter voranschreite als beispielsweise in den Wasserhaushalt in der Mongolei gibt, wird seitens der Alpen, wo ein direkter Zusammenhang mit dem globa- Politik und Umweltbewegungen nicht nachgegangen. len Klimawandel als erwiesen gilt. Es gab kaum nennenswerte Reaktionen auf diese Hinweise. 2. DIE MONGOLEI IST VOM GLOBALEN K L I M A W A N D E L S TA R K B E T R O F F E N 3. AUCH „HAUSGEMACHTE” PROBLEME FÜHREN ZU ERHEBLICHEN VERÄNDERUNGEN DES Die weitestgehende „Teilnahmslosigkeit” von Politik BIOLOGISCHEN GLEICHGEWICHTS und Medien steht im starken Kontrast zu den Ergebnissen von wissenschaftlichen Untersuchungen. Seit Hingegen wurde und wird über zwei hintereinander den 90er Jahren werden sowohl in mongolischen For- folgende, extreme Winter – so genannte „Zuds” – in schungseinrichtungen als auch durch Initiative von den Jahren 1999 und 2000 diskutiert. Im Gegensatz internationalen Organisationen Studien über die Aus- dazu waren die Sommer überdurchschnittlich heiß und wirkungen des weltweiten Klimawandels auf das Öko- trocken. Im Frühjahr tobten ungewöhnlich lang anhal- system der Mongolei angefertigt. Eine der wichtigsten tende und starke Sandstürme. Dadurch reduzierte Studien wurde 2003 vorgestellt. Es handelt sich um sich der Viehbestand von 33,6 Millionen Stück Vieh die von UNDP geförderte Untersuchung in mongoli- (1999) auf ca. 23,5 Millionen Stück Vieh (2002). Die scher Sprache mit dem Titel „Auswirkungen der Ver- landwirtschaft-liche Produktion ist in dieser Zeit um änderungen des Weltklimas auf die Nomadenwirt- ca. 25 Prozent zurückgegangen. Die Verluste bei der schaft”. Nach dieser Studie werden die Naturkatastro- Fleisch- und Milchproduktion betrugen 30 Prozent bzw. phen seit 1999 mit extremen Auswirkungen auf die 42 Prozent. Im Jahre 2002 verzeichnete das Land pro Landwirtschaft und die gesamte Ökonomie auf die Kopf der Bevölkerung den niedrigsten Viehbestand Veränderungen des Weltklimas zurückgeführt. Die seit Einführung der offiziellen Statistik 1940. Extreme Untersuchung nimmt teilweise Bezug auf den ersten Auswirkungen hatten diese Klimaveränderungen auch IPCC-Bericht von 2001. Demnach sind folgende Indi- auf die Weideflächen, wobei zu beachten ist, dass Fach- katoren eines veränderten Klimas im Land zu regis- leute in diesem Zusammenhang auch auf die „haus- trieren, die als Folge des weltweiten Klimawandels gemachten” Probleme der Überweidung insbesondere gelten: durch die Spezialisierung auf Mono-Ziegenherden hinweisen. Nach der Privatisierung der Vieherden in der ■ Erhöhung der durchschnittlichen Jahrestemperatur; zweiten Hälfte der 90er Jahre wurde es für viele Vieh- ■ Rückgang der Niederschläge und damit der Boden- züchter ausgesprochen attraktiv, große Mono-Ziegen- feuchtigkeit; herden zu züchten, weil durch den Verkauf der aus 79 dem Bauchhaar gewonnenen Kaschmirwolle schnelle sammenhang zwischen diesen Naturkatastrophen und und vergleichsweise hohe Gewinne erzielt werden kön- der Änderung des Weltklimas ist nicht zu erkennen. nen. Jedoch ist die rasch voranschreitende Desertifika- Auch in den Medien ist das Thema allenfalls als Mar- tion der Weideflächen in der Mongolei ein unmittelbares ginalie besetzt. Unter diesen Umständen ist es äu- Ergebnis dieser veränderten Viehzuchtmethoden. ßerst schwierig, Berichte wie den oben erwähnten zu den „Auswirkungen der Veränderungen des Weltkli- Extreme Auswirkungen hatte diese Entwicklung auf mas auf die Nomadenwirtschaft” zu verifizieren. Im die Sozialstruktur der Bevölkerung. Mehr als 12.000 öffentlichen Bewusstsein scheint dieser keine Rolle Familien verloren in dieser Zeit ihren gesamten Vieh- zu spielen. Es gibt auch keine außerparlamentarische bestand. Bei weiteren 20.000 Viehzüchterfamilien re- Lobby, die sich die Kommunikation der Ergebnisse duzierte sich der Bestand so extrem, dass dieser nicht und Warnsignale des Berichts auf die Fahnen ge- einmal mehr zur reinen Subsistenzwirtschaft fähig schrieben hätte. Eine öffentliche Diskussion findet war. Zwischen 1999 und 2003 siedelten überwiegend de facto nicht statt. aus diesen Gründen fast 30.000 Familien vom Land in die Stadt, vornehmlich in die Hauptstadt Ulan Bator 4. DIE JAHRE 1999 –2000 ALS ZÄSUR – über. Jedoch ist der Zuzug in die Hauptstadt schon W E LT W E I T E R K L I M A W A N D E L O D E R seit Mitte der 90er Jahre zu beobachten, ist also nicht D I S P R O P O RT I O N A L E E N T W I C K L U N G E N nur eine Folge der „Zuds”. Innerhalb von rund zehn I M P O L I T I S C H E N U N D W I RT S C H A F T L I C H E N Jahren hat sich die Einwohnerzahl der Hauptstadt Ulan T R A N S F O R M AT I O N S P R O Z E S S ? Bator verdoppelt! Die Verwaltungen und die Infrastrukturen der Stadtbezirke waren auf eine solch dras- Zwar muss auf der einen Seite beachtet werden, dass tische Zunahme der Bevölkerung in keiner Weise vor- der so genannte „Zud” in den Jahren 1999 und 2000 bereitet. Auch bietet der Arbeitsmarkt viel zu geringe im gegenwärtigen Bewusstsein der Mongolen eine Möglichkeiten, die Zugezogenen in Lohn und Brot zu Zäsur darstellt. Die Viehzüchter denken in den Kate- bringen. Die Statistik verzeichnet eine extreme Zu- gorien „vor” und „nach” dem „Zud” in diesen Jahren. nahme der Anzahl von Menschen, die deutlich unter Auf der anderen Seite ist zu bedenken, dass es solche der offiziellen Armutsgrenze leben. Winter in der Mongolei im Abstand von ca. 7–10 Jahren schon immer gegeben hat. Das Wort „Zud” ist ein sehr Eine weitere nennenswerte Auswirkung dieser zumin- altes mongolisches Wort, seit Jahrhunderten ist diese dest teilweise auf den weltweiten Klimawandel zurück- Naturerscheinung bekannt. geführten Folgen ist die Veränderung des Wasserhaushaltes in diesem Steppenland. Eine große Anzahl von Auch im 20. Jahrhundert hatte die periodische Wieder- kleineren und mittleren Flüssen ist vom Austrocknen kehr dieses extrem strengen Winters, in dem die Tem- bedroht, mehr als tausend Handbrunnen sind versiegt, peraturen wochenlang zum Teil deutlich unter minus was für dieses dünn besiedelte Land ausgesprochen 50 Grad fallen, zu erheblichen Verlusten des Tierbe- viel ist. Allerdings muss auch hier ergänzt werden, dass standes geführt. Jedoch befanden sich die Viehherden derartige Veränderungen offenkundig nicht in erster in Gemeinschafts- bzw. Genossenschaftseigentum. Linie auf den globalen Klimawandel zurückzuführen Die besonders stark betroffenen Familien erhielten ent- sind, sondern auch bereits erwähnte, „hausgemachte” sprechenden Ausgleich, so dass unmittelbare soziale Probleme bei einer Analyse hinzugezogen werden Folgen zumindest „abgefedert” werden konnten. Nach müssen. Nach der Privatisierung der Herden in der der Privatisierung der Viehherden hatte sich diese zweiten Hälfte der 90er Jahre gab es keine durchgrei- Situation fundamental geändert. Unter diesem Aspekt fenden Regelungen über die vormals gemeinschaftlich kann jedenfalls ein direkter Zusammenhang zwischen betreuten Brunnen und Wasserstellen, die funktions- globalem Klimawandel und disproportionalen Entwick- unfähig wurden, weil sich keiner für den Erhalt und lungen in der Viehwirtschaft mit deutlichen Auswirkun- die Pflege verantwortlich fühlte. Gleichwohl sind sich gen auf die soziale Situation von Betroffenen nicht Wissenschaftler darin einig, dass sowohl der globale hergestellt werden. Klimawandel als auch subjektive Bedingungen im Land zu den Veränderungen geführt haben. Allerdings fällt es vor diesem Hintergrund auch ausgesprochen schwer, eine komplexe Diskussion über Wie bereits angedeutet, ist eine bemerkenswerte In- mögliche Auswirkungen des weltweiten Klimawandels aktivität seitens der Politik und der Medien gegenüber auf direkte, relativ kurzfristige Veränderungen des den angemahnten Problemen festzustellen. Zwar wird biologischen Gleichgewichts in der Mongolei zu füh- in der Politik teilweise über die Auswirkungen der ren. In ähnlicher Weise verhält es sich mit den Dis- oben beschriebenen Naturkatastrophen gelegentlich kussionen über den in den letzten Jahren sich rasant diskutiert. Aber eine generelle Debatte über den Zu- veränderten Wasserhaushalt des Landes, der am Aus- 80 trocknen ganzer Flüsse und Seen deutlich sichtbar ist. über Umweltschäden, die in den letzten Jahren sichtbar Vereinzelte Umweltschutzbewegungen verweisen fast geworden sind. Jedoch werden hier die Ursachen eher ausschließlich auf die umweltfeindlichen Abbaumetho- in den „hausgemachten” Problemen seit Beginn der poli- den der großen Bergbauunternehmen. Wie schon tischen und wirtschaftlichen Transformation gesucht, erwähnt, wird ein Zusammenhang mit dem globalen allerdings auch ohne nennenswerte Konsequenzen für Klimawandel nicht hergestellt. Hinzu kommt, dass entsprechendes politisches Handeln. Es ist in der gegen- in der jetzigen Situation die Politik großes Interesse wärtigen Situation kaum möglich, vereinzelte Berichte daran hat, den Bergbausektor weiter auszubauen, zu Umwelt- und Klimaveränderungen in der Mongolei weil Abbau und Verkauf der reichlich vorhandenen dahin gehend zu verifizieren, ob globale oder nationale Rohstoffe als Schlüssel zur Armutsbekämpfung ange- Entwicklungen als Ursache benannt werden müssen, sehen werden. geschweige denn, dass solche Berichte Voraussetzung für eine breite gesellschaftliche Diskussion sein könnten. 5 . P O L I T I K E R , U M W E LT B E W E G U N G E N U N D W I S S E N S C H A F T L E R O H N E K O O R D I N AT I O N Auch wenn entsprechende Einzeluntersuchungen von Wissenschaftlern vorliegen, findet eine Kommunikation Das Thema globaler Klimawandel spielt in der gegen- mit den Politikern und Umweltbewegungen nur unzu- wärtigen politischen Diskussion in der Mongolei keine reichend statt. Damit ist offenkundig keine ausrei- nennenswerte Rolle. Keine der in der öffentlichen Wahr- chende Diskussionsgrundlage vorhanden, um dieses nehmung relevanten politischen Parteien hat dieses komplexe Thema in der öffentlichen Wahrnehmung Thema auf der Agenda. Auch in den Medien spielt das entsprechend zu „plazieren”. Thema keine Rolle. Zwar gibt es vereinzelte Berichte A F G H A N I S TA N : I N K A B U L E N T S P R I C H T D E R T Ä G L I C H E I N G E AT M E T E S M O G 5 5 Z I G A R E TT E N Babak Khalatbari | Asgar Abbaszadeh „Umweltschutz” ( )تسيز طيحمoder „Klimawandel” ( )ميلقا تاريغتkommt in der Verfassung nicht vor. Die Umweltdiskussion in Afghanistan erscheint durch die Aus- und Nachwirkungen von rund zwei Dekaden Im Zeitraum Mai 2007 wurden die führenden Print- kriegerischer Auseinandersetzungen nicht sonderlich medien Afghanistans auf das Schlagwort „Klimawandel” vordergründig oder komplex geführt zu werden. ausgewertet: Es gab keinen einzigen Beitrag zum Thema „Klimawandel”. Gegenwärtig scheint das Thema Formell wird das Thema in der afghanischen Verfas- in Afghanistan keine Aufmerksamkeit zu erregen. Ein sung berücksichtigt. Insgesamt kommt das Schlag- für Afghanistan mittlerweile typisches Stigma. Denn wort „Umwelt” ( )تسيز طيحمzwei Mal in der Verfassung obwohl das Land am 17. Juni 2004 zahlreiche völker- vor. In der Präambel der Verfassung findet es von rechtliche Vereinbarungen zum Klima- und Umwelt- 11 Punkten an zehnter Stelle wie folgt Berücksichti- schutz unterzeichnet hat, scheint sich Afghanistan mit gung: „Wir, das Volk von Afghanistan, haben zur der praktischen Umsetzung der politischen Inhalte Sicherung von Wohlstand und gesunder Umwelt für noch nicht sehr intensiv auseinandergesetzt zu haben. alle Bewohner dieses Landes, die Verfassung unter Dies liegt zum einen sicherlich an dem Sachverhalt, Berücksichtigung der historischen, kulturellen und dass es erst seit Ende 2005 ein Parlament gibt und sozialen Realitäten des Landes sowie der Erforder- zum anderen aber auch an den teilweise nur subopti- nisse der Zeit durch unsere gewählten Vertreter in der malen Arbeitsvorgängen in den Ministerien. Großen Ratsversammlung (Loya Dschirga) am 14. Jadi 1382 Hidschra (04.01.2004) in der Stadt Kabul ver- Letztendlich erschwert die sich verändernde Sicher- abschiedet.” Die zweite Verwendung des Begriffes heitslage nicht nur den Wiederaufbauprozess, sondern „Umwelt” wird in Artikel 15 aufgegriffen, in dem fest- auch die politische Auseinandersetzung um andere gehalten wird, dass „der Staat verpflichtet ist, zum Schutz und zur Gesundung der Wälder und der Umwelt notwendige Maßnahmen zu ergreifen.” Der Begriff 81 wichtige Themen wie etwa dem „Klimawandel”. Wie singulär der Diskurs zu dem Thema bislang verlaufen ist, verdeutlicht der Sachverhalt, dass es seit 2001 lediglich eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema gab. Die englischsprachige Veröffentlichung hat den Titel „Afghanistan’s Environment in Transition” und wurde von Ali Azimi und David McCauley verfaßt. Herausgeber, der im Dezember 2002 erschienen 39seitigen Publikation, ist die Asian Development Bank. Der Klimawandel in Afghanistan erscheint vielschichtig und auf verschiedenen Ursachen zu basieren: Neben der weltweiten Erderwärmung, dem Ausstoß von Treibhausgasen und immer extremeren Trockenheitsperioden kommen in Afghanistan schwere Kriegsverwüstungen mit einhergehender Umweltverschmutzung Das Dorf Deh Sabz mitten in der Wüste. In der Sprache der Einheimischen bedeutet der Name „Das grüne Dorf” und deutet auf frühere Vegetationszonen hin. und die unkontrollierte Abholzung der noch verbleibenden Wälder hinzu. Dies führt vermehrt zu schweren Bodenerosionen, Desertifikation und Überflutun- Auf die Berichte von Sir Nicholas Stern und vom IPCC gen. Zu den allgemeinen Trends kommt der negative gab es bislang keine bekanntgewordenen direkten Indikator hinzu, dass die wieder ansteigenden kriege- oder indirekten Reaktionen. Der Begriff „IPCC-Report” rischen Auseinandersetzungen speziell im Süden und musste bei allen Gesprächs- und Projektpartnern Südosten des Landes zu Binnenmigration führen oder erläutert werden, auch konnten beispielsweise weder verstärkt führen kann, was über einen längeren Zeit- afghanische Wissenschaftler noch Journalisten die raum hinweg mit großer Wahrscheinlichkeit zu der Herleitung zu „Intergovernmental Panel on Climate Verwaisung und Verkarstung des kultivierten Bodens Change Report” bilden. führt. Diese Landflucht führt zu einer Konzentration der Bevölkerung in städtischen Gebieten und führt Studien der letzten Zeit haben ergeben, dass 80 Pro- dort zu ernstzunehmenden Umweltverschmutzungen zent der afghanischen Bevölkerung direkt auf natür- durch Gas- und Dieselemissionen sowie der generellen liche Ressourcen zurückgreift, um tägliche Bedürfnisse Verschlechterung der Lebensverhältnisse und der Le- zu befriedigen. Mehr als zwei Jahrzehnte Krieg, Flücht- benserwartung. Veraltete Maschinen, Geräte und Au- lingsbewegung, der Kollaps jeglicher Form von Regie- tos vermehren zusätzlich kontinuierlich den CO2-Aus- rungsgewalt, der Mangel an Management und letztlich stoß. Darüber hinaus gestaltet sich ebenfalls die Müll- Raubbau haben die Basis der natürlichen Ressourcen entsorgung höchst problematisch: So leben beispiels- nachhaltig geschädigt. Die in noch vielen Gegenden weise 3,5 Millionen Einwohner ohne Kanalisation und fehlende Gesetzgebung stellt eine große Herausforde- offizielle Müllabfuhr in der Hauptstadt Kabul, die für rung für das Umwelt- und Ressourcenmanagement maximal 400.000 Einwohner konzipiert ist. Dies trägt dar. Um diese Lücken zu schließen, arbeitet das United zu einer generellen Absenkung des Grundwasserspie- Nations Environment Programme (UNEP) eng mit der gels sowie zur Erhöhung der Nitratwerte bei. Nach Regierung, der „World Conservation Union” (IUCN) einer Studie der Vereinten Nationen soll der in der und internationalen Experten an der Entwicklung eines afghanischen Hauptstadt Kabul pro Tag eingeatmete neuen Umweltschutzgesetzes. Professor Klaus Töpfer, Smog der Schadstoffmenge von 55 Zigaretten ent- der ehemalige Direktor des UNEP, sagte in Bezug auf sprechen. das gemeinsame Kooperationsprojekt: „Without laws, environmental treaties and agreements are mere paper Als das größte und elementarste Problem der letzten tigers.” Das Umweltschutzgesetz stellt ein Rahmen- Jahre wird in Afghanistan die humanitäre und land- werk dar, das darauf abzielt, die geschädigte Umwelt wirtschaftliche Wasserversorgung angesehen. Hierbei zu rehabilitieren und ist Teil eines Dreijahresprogramms ist jedoch nocht nicht ganz klar, ob das Abfallen des zur Förderung von Capacity-building. Dieses Rahmen- Grundwasserspiegels mit den Intervallbewegungen werk ist die erste Gesetzgebung in Afghanistan, welche außerordentlicher Dürreperioden zusammenhängt insbesondere den Schutz wildlebender Tiere und Pflan- oder aber mit den Auswirkungen des Klimawandels. zen, des Wassers und der Wälder, der Luft und des Der ehemalige UN-Nothilfe-Koordinator, Kenzo Oshi- Bodens zum Inhalt hat. ma, bezeichnete schon im Jahr 2001 Afghanistan auf Grund der oben genannten Umstände als „one of the worst places in the world to try to live.” 82 Kurzfristige Aktivitäten konzentrieren sich auf die Grün- bei vielen Transformationsstaaten, da oftmals die dung von Institutionen auf nationaler Ebene. Langfris- ministerielle Infrastruktur neu entstandener Staaten tig ist ein stärkeres Engagement seitens der Legislative solche komplexen Themen nicht im erwünschten und der Justiz angestrebt. Es ist geplant, Nichtregie- Zeitrahmen aufgreifen kann. Allerdings haben sich bis rungsorganisationen, religiöse Gruppen und Medien dato in Afghanistan keine hervorstechenden Akteure dabei einzubeziehen. Innerhalb eines Rahmens von 10 herausgebildet und kein Politiker und keine Partei Jahren sollen weitere Maßnahmen umgesetzt werden: setzen sich öffentlichkeitswirksam mit der Thematik des Klimawandels auseinander. ■ ■ ■ ■ ■ das Etablieren von Strategien für Umweltund Ressourcenmanagement; Eine Organisation, die in diesem Zusammenhang Verbinden von Umweltbelangen mit nationaler genannt werden sollte, ist die „Afghan Organization und regionaler Wirtschaftsplanung; of Human Rights and Environmental Protection” Organisation nationaler Mitwirkung an und Einhal- (AOHREP). Die Organisation, wurde im Jahr 2000 tung von multilateralen Umweltabkommen; gegründet und ist landesweit aktiv. Die Organisatoren Einhalten eines Minimums an Umweltstandards hin- kamen erstmals im Mai 2007 mit Vertretern des sichtlich der Qualität der Umwelt auf nationaler Ebene; afghanischen Parlamentes in Kontakt, um in der Übernahme von Verantwortung für spezielle „Arbeitsgruppe Umwelt” über Umweltprobleme und Systeme wie z.B. Naturschutzgebiete, den Abbau speziell auch den Mohnanbau zu diskutieren. Abschlie- von Mineralien. ßend kann festgestellt werden, dass das Thema „Klimawandel” von afghanischen Entscheidungs- Viele der genannten Aktivitäten wurden von interna- trägern noch nicht ernsthaft aufgegriffen wurde und tionalen Akteuren angestoßen und vorangetrieben. daher auch noch keine bedeutenden Akteure ins Dies ist jedoch nicht nur in Afghanistan so, sondern sozio-politische Geschehen eingegriffen haben. Z E N T R A L A S I E N : A LT L A S T E N A U S D E R S O W J E T Z E I T B E S T I M M E N D I E U M W E LTA G E N D A Michael Winzer Jahresmitteltemperaturen von +1,15 Grad bis +2,1 Grad. Die Erwärmung des Klimas im Innern des asiati- Die Bezeichnung Zentralasien bezieht sich im folgen- schen Kontinents fällt somit drei bis vier Mal stärker den Text auf die Länder Usbekistan, Kasachstan, aus als im globalen Mittel. Kirgisistan, Tadschikistan und Turkmenistan. Aufgrund der schwachen Industrialisierung und des Als globales Phänomen ist der Klimawandel auch in Zen- noch geringen Grads wirtschaftlicher Entwicklung ins- tralasien nachweisbar. Seit Anfang der 1970er Jahre gibt besondere der Länder im Süden Zentralasiens sind es in der Region einen deutlich messbaren Anstieg der diese noch weit von den durchschnittlichen Pro-Kopf- Jahresmitteltemperaturen, der sich von den vorherge- Emissionen von Treibhausgasen der zehn Länder mit henden Entwicklungen abhebt. Aufgrund der langjähri- den höchsten Pro-Kopf-Emissionen entfernt. Bei den gen Entwicklung ist daher eine systematische Erwär- CO2-Emissionen steht insbesondere zunächst für Ka- mung auch in Zentralasien feststellbar. Die zusätzlich sachstan aufgrund seiner in Zentralasien am weitesten eingetretene Gletscherschmelze und der verstärkte fortgeschrittenen wirtschaftlichen Entwicklung in Zu- Wasserabfluss in der Region bestätigen diesen Befund. kunft eine Diskussion zur Verringerung von CO2-Emissionen an. Bei der Verursachung von Treibhausgasen Die Erwärmung in Zentralasien ist deutlich stärker spielt die Region insgesamt im Vergleich zu den Indus- als im globalen Mittel. Der durchschnittliche globale trieländern keine herausragende Rolle. Erst eine stark Temperaturanstieg betrug nach Schätzung des Welt- wachsende und über mehrere Jahre nachhaltige wirt- klimarats +0,47 Grad. Für Zentralasien ergibt sich schaftliche Entwicklung in der Region würde eine breite hingegen für den gleichen Zeitraum ein Anstieg der Diskussion über Maßnahmen zur Reduktion von Treibhausgasen anstoßen können und müssen. 83 Durch die Austrocknung des Aralsees, was insbesonde- A K T U E L L E R S TA N D D E R D I S K U S S I O N Z U M re auf die Intensivierung des Bewässerungsfeldbaus KLIMAWANDEL zurückzuführen ist, sind bisher schätzungsweise bis zu 52.000 Quadratkilometer ehemaliger Seefläche – jetzt Die Länder Zentralasiens befinden sich immer noch Sandfläche – freigelegt. Diese führen nun zu vermehr- im Transformationsprozess. Die damit einhergehenden ten Sand- und Staubstürmen. Auf diese Weise wurden politischen und wirtschaftlichen Problemstellungen in der Zeit von 1970–1990 aus dem Trockenboden des dominieren die Diskussionen im politischen und zivil- Aralsees und des Karabaz-Gols (Bucht am Kaspischen gesellschaftlichen Bereich. Dies führt dazu, dass der Meer) schätzungsweise bis zu 2,8 Milliarden Tonnen Klimawandel nahezu nur auf Fachexpertenebene dis- Feinstaub und Feinsalz in die Atmosphäre der Nordhalb- kutiert wird, das Thema insgesamt aber noch keinen kugel befördert. Da diese Aerosole sehr leicht sind, Platz in der breiten politischen oder zivilgesellschaft- können sie in sehr große Höhen gelangen und so einen lichen Diskussion gefunden hat. Ein Umweltbewusst- Beitrag zum Treibhauseffekt leisten. Der Beitrag die- sein, wie es in einigen Industrieländern existiert, hat ses Phänomens zum globalen Treibhauseffekt dürfte sich in Zentralasien noch nicht entwickelt. jedoch sehr gering sein. In Zentralasien ist im Bereich der Wahrnehmung von WAHRGENOMMENE AUSWIRKUNGEN DES Umweltproblemen ein Nord-Süd-Gefälle festzustellen. KLIMAWANDELS IN ZENTRALASIEN Im wirtschaftlich am stärksten entwickelten Kasachstan wurde beispielsweise bereits ein Koordinationszen- Als Hauptfolge des Klimawandels in Zentralasien wird trum zu Fragen des Klimawandels eingerichtet. Dieses vielfach die zunehmende Wüstenbildung und die damit Zentrum ist aus der Arbeitsgruppe der von der kasa- einhergehende Vernichtung von fruchtbarem Ackerland chischen Regierung gegründeten Kommission zu den gesehen. Hauptursache der Wüstenbildung ist jedoch Fragen der Ratifizierung des Kyoto-Protokolls heraus in erster Linie der oft nicht nachhaltige Umgang mit entstanden. Weiterhin gibt es in Kasachstan und Usbe- Ressourcen und insbesondere die teilweise mangelhaf- kistan nationale Umweltprogramme. Im kasachischen te Wasserwirtschaft. So wurde beispielsweise in den nationalen Umweltprogramm ist die Vorbeugung des 1960er Jahren der bewässerungsintensive Baumwoll- Klimawandels als eine der wichtigsten Herausforderun- anbau in Usbekistan stark ausgeweitet, was mit ein gen genannt. Auch befassen sich in Kasachstan bereits Grund für die Austrocknung des Aralsees ist. Eine Mit- verschiedene lokale Nichtregierungsorganisationen mit schuld des Klimawandels bei der Wüstenbildung wird dem Thema Klimawandel. vermutet. Bisher gibt es jedoch noch keinen wissenschaftlichen Nachweis für eine mit dem Klimawandel in Das südlich gelegene Tadschikistan ist mit einem Pro- Zentralasien generell zusammenhängende Verände- Kopf-Bruttoinlandsprodukt von 346 US-Dollar pro Jahr rung der Niederschlagsmengen. zusammen mit Turkmenistan das Schlusslicht in Zentralasien. Armut und wirtschaftliche Not sind hier in Die wirtschaftlichen Folgen des Klimawandels werden verschiedenen Regionen noch sehr verbreitet. So leben in den zentralasiatischen Staaten vor allem in der Land- beispielsweise in Tadschikistan mindestens zwei Drittel wirtschaft gesehen. Vielfach ist der Landwirtschafts- der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze. Daher sektor ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor in den zen- spielt die Diskussion um den Klimawandel hier auch tralasiatischen Volkswirtschaften und beispielsweise nahezu keine Rolle, da ein Großteil der Bevölkerung im Bereich des Baumwollanbaus auch ein wichtiger damit beschäftigt ist, konkrete persönliche wirtschaft- Devisenbringer. Daher würden durch den Klimawandel liche Probleme zu lösen. Es ist daher nicht zu erwarten, bedingte Änderungen der Niederschlagsmengen, wei- dass in naher Zukunft hier eine Bereitschaft und eine tere Wüstenbildung und Unwetter den Volkswirtschaf- Möglichkeit für den Großteil der Bevölkerung bestehen ten Zentralasiens teilweise großen Schaden zufügen wird, sich mit globalen und relativ abstrakt erschei- können. nenden Umweltthemen zu beschäftigen. Ein durch den Klimawandel bedingter möglicher Anstieg des Meeresspiegels hingegen hat keine direkten Auswirkungen auf Zentralasien: Keines der zentralasiatischen Länder verfügt über einen Zugang zum Meer – Usbekistan ist sogar ein so genanntes „doppeltes Binnenland”, es hat weder einen direkten noch einen indirekten Zugang zu den Weltmeeren. 84 DIE ROLLE DER POLITIK UND ANDERER Bericht, als auch die veröffentlichten Teile des IPCC- AKTEURE BEIM KLIMASCHUTZ Berichts haben weder in der Politik noch in der Zivilgesellschaft eine in der Bevölkerung wahrnehmbare Nach über 15 Jahren Unabhängigkeit befindet sich die Diskussion ausgelöst. Zivilgesellschaft in den meisten zentralasiatischen Staaten noch im Aufbau. Wichtige Themen werden oft AUSBLICK von führenden Politikern in die gesellschaftliche und politische Diskussion eingebracht. Insgesamt betrach- Aufgrund des weiter fortschreitenden Transformations- tet, überlagern in der Politik in Zentralasien andere prozesses in Zentralasien, der auch in den kommen- Themen den Klimawandel. Treibende Kraft zur Stär- den Jahren in vielen Regionen weitgehende soziale, kung des Themas Klimawandel im politischen Bereich politische und wirtschaftliche Veränderungen mit sich ist die Mitgliedschaft der zentralasiatischen Staaten in bringen wird, ist nicht zu erwarten, dass der Klima- internationalen Organisationen, insbesondere bei den wandel in naher Zukunft zu einem bestimmenden The- Vereinten Nationen und deren Unterorganisationen. ma in der Politik und Zivilgesellschaft wird. Lediglich Diese Organisationen sind ein wirksames Mittel, um einzelne konkrete ökologische Probleme, wie beispiels- die internationale Diskussion um den Klimawandel weise die Austrocknung des Aralsees oder das noch zu auch weiterhin nach Zentralasien zu tragen. Grund- Sowjetzeit durch Nuklearmaterial belastete ehemalige sätzlich stehen die zentralasiatischen Staaten den in- Atomwaffentestgelände bei Semipalatinsk in Kasachs- ternationalen Bemühungen zum Klimaschutz sehr of- tan, die direkt nachvollziehbare Auswirkungen auf fen und positiv gegenüber, gehören jedoch meist nicht die Lebensbedingungen der dort lebenden Menschen zu der Gruppe der Länder, die wichtige Initiativen aktiv haben, werden im gesellschaftlichen Diskurs beachtet. vorantreiben. Kasachstan hat beispielsweise das Kyo- Vor allem in ärmeren Gebieten Zentralasiens stehen to-Protokoll unterzeichnet, das kasachische Parlament, konkrete Nöte der Bevölkerung, wie beispielsweise das dies grundsätzlich unterstützt, hat eine Ratifizie- Unterbeschäftigung und Armut der Entwicklung eines rung jedoch bisher verschoben. Im Bereich der Um- Umweltbewusstseins entgegen. Daher ist trotz des weltpolitik stehen grundsätzlich andere konkrete und messbaren Anstiegs der Durchschnittstemperatur seit regional begrenzte Probleme, wie beispielsweise die den 1970er Jahren in Zentralasien nicht mit einer bal- Wasserversorgung in bestimmten Regionen oder Alt- digen breiten Thematisierung des Klimawandels in Poli- lasten aus der Sowjetzeit auf der politischen Agenda. tik und Zivilgesellschaft zu rechnen. Das bisher bestehende Nord-Süd-Gefälle wird vermutlich zumindest Trotz der noch nicht voll entwickelten Zivilgesellschaft, mittelfristig bestehen bleiben. Im wirtschaftlich stärker gibt es im Umweltbereich Nichtregierungsorganisatio- entwickelten Kasachstan wird sich vermutlich zuerst nen, die sich mit dem Thema Klimawandel auseinan- eine breite Diskussion zum Klimawandel entwickeln. dersetzen. In Kasachstan sind beispielsweise 28 Nicht- In den wirtschaftlich schwächer entwickelten Ländern regierungsorganisationen im Umweltbereich tätig. Eine Tadschikistan und Turkmenistan wird es voraussichtlich in allen zentralasiatischen Staaten agierende Umwelt- am längsten dauern, bis der Klimawandel in der Politik organisation ist CAREC, die im Jahr 1999 durch die Re- und Zivilgesellschaft breit diskutiert wird. gierungen der Länder in Zentralasien, die Europäische Kommission und UNDP gegründet wurde. CAREC ver- Wichtig für die weitere Bewusstseinsbildung zum Kli- sucht beispielsweise durch die Verteilung von Informa- mawandel in Zentralasien erscheint auch in Zukunft tionsmaterialien an Schulen und Universitäten, mehr die Integration und Mitarbeit der zentralasiatischen Menschen in Zentralasien über den Klimawandel zu Staaten in entsprechenden internationalen Organisa- informieren und das Thema in die gesellschaftliche tionen sowie der Austausch und die Unterstützung mit Diskussion einzubringen. Allerdings ist bei diesem Pro- und von Industrieländern, die bereits über ein breites jekt aufgrund der finanziellen Restriktionen die Reich- Know-how in diesem Bereich verfügen. Die Bildung weite begrenzt. Weiterhin wird auch bei regelmäßig eines Umweltbewusstseins in den neuen unabhängigen in verschiedenen zentralasiatischen Staaten, oft in Staaten hat gerade erst begonnen und ist ein längerer Zusammenarbeit mit ausländischen Institutionen, statt- Prozess, der nur zusammen mit anderen Entwicklun- finden Konferenzen und Seminaren das Thema Klima- gen im Transformationsprozess einhergehen kann und wandel thematisiert. noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Insgesamt lässt sich zusammenfassen, dass das Thema Klimawandel sowohl in der Politik als auch in der Zivilgesellschaft noch nicht vollständig aufgegriffen wurde und noch Ausbaupotential hat. Sowohl der Stern- Türkei Palästinensische Autonomiegebiete Marokko Israel Jordanien Algerien NAHER OSTEN UND NORDAFRIKA 86 T Ü R K E I : U M W E LT B E W U S S T S E I N I S T N O C H U N T E R E N T W I C K E LT Jan Senkyr | Dirk Tröndle Türkische Medien berichten seit einigen Jahren regelmäßig über den weltweiten Klimawandel und seine Auswirkungen insbesondere auf die Türkei. Dem Thema angenommen haben sich auch diverse nationale und internationale Umweltschutzorganisationen, sowie das türkische Umweltministerium und das Ministerium für Landwirtschaft und Dorfangelegenheiten. Vom Bildungsministerium wurden neue Lehrinhalte ausgearbeitet, in denen auch auf den Schutz der Umwelt und die Folgen des Klimawandels schon in den Grundschulklassen hingewiesen werden soll. Vor den möglichen dramatischen Folgen des Klimawandels für die Türkei wird in den Medien oft gewarnt. Intensive Bewirtschaftung und exzessive Bewässerung führen zunehmend zu Wassermangel. Die Dürren der vergangenen Jahre, Missernten und die Wasserknappheit vor allem in Zentralanatolien werden von den Menschen wahrgenommen und mit trachtet die Reduktionsverpflichtungen als schädlich Sorge verfolgt. Teilweise ist diese ernsthafte Lage für die türkische Wirtschaft. Die Zivilgesellschaft übt hausgemacht, weil die intensive Bewirtschaftung mit zwar zunehmend Druck auf die Regierung aus, das exzessiver Bewässerung, die den Bauern bisher zwei Kyoto-Protokoll zu unterzeichnen, bisher allerdings Ernten jährlich ermöglichte, zu einer Senkung des ohne Erfolg. Grundwasserspiegels geführt hat. Von den verantwortlichen Behörden in Zentralanatolien wurden z. B. Für einen Großteil der Bevölkerung ist das Thema über 35.000 illegale Brunnen aufgedeckt, aus denen Klimawandel nur von ganz geringer Bedeutung. Viele unkontrolliert Wasser abgeschöpft wurde. Es werden Bevölkerungsteile wollen erst einmal am Wohlstand eine Reihe von Maßnahmen durchgeführt, darunter über einen längeren Zeitraum teilhaben, bevor sich auch von der EU teilfinanzierte Projekte, mit denen eine ausreichende Konsumsättigung ergeben könnte, die Wasservergeudung durch undichte Leitungen oder die zu einer Veränderung im Umweltbewusstsein füh- der Verlust durch illegale Entnahmen um bis zu 50 ren würde. Umweltgerechtes Verhalten, bzw. Sensibi- Prozent verhindert werden soll. Etliche Organisationen lität für die Umwelt, sind bei vielen Menschen noch der Zivilgesellschaft, die sich mit Umweltfragen befas- nicht ausreichend entwickelt. So ist z.B. ein traditionell sen, fordern die Bürger zum sparsamen Umgang mit beliebtes Mittel der Müllbeseitigung das Verbrennen. Wasser auf, sie bieten dafür auch Dienstleistungen im Internet an und führen Aufklärungsaktionen durch. Aber auch die türkische Industrie ist sich noch nicht Dies wird jedoch nur ungenügend durch die Lokalver- der notwendigen Verantwortung bewusst, es mangelt waltungen und die Zentralregierung in Ankara unter- sowohl an Abwasseranlagen als auch an Luftfilteranla- stützt. gen. Zudem wird das Angebot an recyclebaren Produkten, Glasflaschen etc. von Seiten der türkischen Indus- Städte und Gemeinden, wie z. B. Istanbul, Ankara und trie nicht forciert, sondern weiter Plastik favorisiert. Izmir, suchen nach alternativen Wasserressourcen und Zwar wurde eine umfangreiche Umweltschutznovelle verlegen Rohrsysteme zum Wassertransport aus Hoch- verabschiedet, die alle türkischen Kommunen in einem niederschlagsregionen. In einigen Regionen des Lan- 3–10 jährigen Zeitraum zum Bau von Kläranlagen und des ist Wasser ausreichend vorhanden. umweltverträglichen Mülldeponien verpflichtet. Für die nächsten 15 Jahre wird voraussichtlich eine Gesamtin- Die türkische Regierung lehnt aber weiterhin die Un- vestition von mindestens ca. 60 Mrd. Euro erforderlich terzeichung des Kyoto-Protokolls zur Ausgestaltung sein, damit das Land die umweltrechtlichen Standards der Klimakonvention ab. Sie verweist darauf, dass die der EU erfüllen kann. Woher die dafür notwendigen Türkei mit ihrem Ausstoß von Treibhausgasen lange Finanzmittel kommen sollen, ist allerdings bislang nicht zu den größten Emittenten gehöre, und sie be- nicht geklärt. 87 Als ein akutes Problem wird das Ausbleiben der Nie- Meeresspiegels um einige Meter als Gefahr wahrge- derschläge in einigen Regionen und eine fortschrei- nommen zu werden, obwohl das Land fast 8000 Kilo- tende Versteppung und Verwüstung erkannt. Damit meter Meeresküste hat. einher geht das Aussterben bzw. Abwandern von einigen Pflanzen- und Tierarten. Ebenso thematisiert Auf den Stern-Bericht gab es keine Reaktionen, weil werden in den Medien extreme Wettereinbrüche, er in der Türkei nicht bekannt ist. Über den IPCC- Überschwemmungen und die immer wärmeren Win- Bericht jedoch wurde in den Medien berichtet und ter. Am wenigsten scheint in der Türkei das Ab- dessen Empfehlungen sind ein Thema für Diskussionen schmelzen der Polargletscher und der Anstieg des in Fachkreisen und Umweltforen. ISRAEL: DAS THEMA WASSER STEHT IM VORDERGRUND Lars Hänsel | Catherine Hirschwitz Israel ist seit 1996 Mitglied im United Nations Framework Convention on Climate Change (UNFCCC) und hat 2004 das Kyoto-Protokoll unterzeichnet. Da Israel nur wenige Treibhausgase emittiert, kann das Land Emissionszertifikate verkaufen. Im Juni 2006 unterzeichnete Israel mit Deutschland ein Abkommen zum Handel mit Emissionszertifikaten im Rahmen des Clean Development Mechanism. Seit zwei Jahren ist die israelische Regierung im Klimaschutz aktiv und finanziert vor allem Forschungsprojekte in diesem Bereich. Außerdem fand im letzten Jahr eine zentrale nationale Konferenz mit mehr als Israel hat mit längeren Trockenperioden zu kämpfen. 250 Wissenschaftlern und Vertretern von Umweltorganisationen statt, auf der die Auswirkungen des Klimawandels diskutiert wurden. Israel hat zwei akute Hauptprobleme in diesem Zusammenhang: Auf dem Wassersektor geht es um die Anfang 2007 rief das Umweltministerium ein Treffen mit knapper werdenden Ressourcen in den Wasserreser- anderen relevanten Ministerien ein, um einen nationalen voirs (Aquifier, See Genezareth), welche direkt von Strategieplan zum Klimawandel zu entwickeln. Auf den jährlichen Regenmengen abhängig sind. Wesent- diesem Treffen wurden Arbeitsgruppen vereinbart, um lich ist hier der Einfluss auf die Landwirtschaft Israels. Forschungen zu speziellen Fragen des Klimawandels zu initiieren. Die ersten beiden Forschungsgruppen konzen- Im Bereich des Energiesektors geht es darum, dass Israel trierten sich darauf, Daten zu erfassen und speziell die aufgrund der politischen Situation an kein Netz mit den Beziehung von Wasserressourcen und Klimawandel zu Nachbarn angeschlossen ist und die gesamten Energiever- erforschen. In den nächsten Monaten ist die Einrichtung brauch selbst absichern muss. Derzeit nutzt Israel 90 Pro- weiterer Arbeitsgruppen geplant. zent der Kapazitäten und ist damit sehr anfällig für klimatische Einflüsse wie kalte Winter oder heiße Sommer. Im Die Politik in Israel ist in dieser Konfliktregion generell letzten Sommer kam es zu großflächigen Energieausfällen. mit anderen Problemen als dem Umweltschutz befasst. Das Umweltministerium ist wohl der einzig wirk- Zu einem geringen Teil spielt auch das Ansteigen des liche Akteur in diesem Themenbereich, wobei nun Meeresspiegels eine Rolle: während das Rote Meer ein interministerieller Plan ausgearbeitet werden soll. kaum Infrastruktur gefährden könnte, sieht man In- Auch befassen sich einige Universitätsinstitute mit frastruktur und das Rekreationspotential von Stränden dem Klimawandel. an der Mittelmeerküste durchaus als gefährdet an. 88 Die IPCC-Berichte sowie der Bericht von Sir Nicholas gebieten und Gefahr von Waldbränden durch längere Stern zur Ökonomie des Klimawandels wurden in der Trockenperioden und stärkere Hitzewellen. Öffentlichkeit kaum diskutiert. Das Umweltministerium hat diese Berichte zwar intensiv studiert, ist über Weil Israel gerade auf den letztgenannten Gebieten die Ergebnisse sehr besorgt und schenkt diesem Expertise aufgebaut hat, soll nun ein regionales Zen- Thema hohe Aufmerksamkeit. Allerdings stehen akute trum für die Verbreitung dieses Wissens aufgebaut Umweltprobleme höher auf der Agenda, wie etwa werden, insbesondere zum Kampf gegen Desertifika- akuter Wassermangel und Umgang mit knappen Was- tion, Wald- und Buschbrände sowie für einen optimalen serressourcen, Ausbreitung von Wüsten und Trocken- Wasserverbrauch. PALÄSTINENSISCHE AUTONOMIEGEBIETE: E S G I BT E X I S T E N T I E L L E R E T H E M E N A L S D E N KLIMAWANDEL Thomas Birringer Die derzeit aktuelle Diskussion in Europa und anderen westlichen Ländern über den Klimawandel spielt im politischen und medialen Diskurs in den Palästinensischen Autonomiegebieten keine Rolle. Das Desinteresse an diesem Thema liegt hauptsächlich in drei Punkten begründet: Zum einen ist die politische Situation in den palästinensischen Gebieten derzeit äußerst angespannt. Eine bürgerkriegsähnliche Situation im Gazastreifen, tägliche militärische Auseinandersetzungen in der West Bank und die schwierige politische und finanzielle Lage der Autonomiebehörde; dies sind die Themen, auf die sich die Medien fokussieren und die im innerpalästinensischen Diskurs wenig Raum für Diskussionen las- Die Umweltproblematik wird meist nur auf der Mikroebene wahrgenommen. So ist die Abfallbeseitigung in den palästinensischen Autonomiegebieten häufig ein Problem. sen, die als weniger existenziell erachtet werden. Der Klimawandel fällt nach palästinensischer Einschätzung in diese Kategorie. Gleiches gilt für Lösungsversuche, wie z.B. die Entwicklung einer ökologisch verträglichen und nachhal- Zum zweiten ist die politische Führung auf Grund der tigen Abfallentsorgung durch die GTZ. innerpalästinensischen Kämpfe und auf Grund der Tatsache, dass fast die Hälfte aller Parlamentsabgeord- Ein weiteres umweltpolitisches Thema, das in den neten und mehrere Minister sich in israelischer Haft Palästinensischen Autonomiegebieten eine Rolle im befinden, weitestgehend handlungsunfähig. Das Parla- politischen und medialen Diskurs einnimmt, ist die ment hat keine beschlussfähige Mehrheit und tritt daher Wasserversorgung der Bevölkerung und die nachhalti- nicht zu Sitzungen zusammen. Vor diesem Hintergrund gen Schäden, die das Tote Meer durch eine übermäßige ist es nahe liegend, dass sich die politische Führung landwirtschaftliche Nutzung seines hauptsächlichen nicht mit den Folgen des Klimawandels befasst. Wasserzuflusses, des Jordan, erleidet. Darüber hinaus finden jedoch andere umweltpolitische Problematiken, Letztendlich ist das Thema Umweltschutz im Allgemeinen nur sehr schwach im Bewusstsein der palästinensischen Bevölkerung verankert und wird zumeist nur auf der Mikroebene (Müll, etc ...) wahrgenommen. wie auch der Klimawandel, kaum Beachtung. 89 JORDANIEN: EINES DER WASSERÄRMSTEN L Ä N D E R D E R W E LT Hardy Ostry | Gerrit Schlomach In möglichen Szenarien des Klimawandels zeichnet sich die Region Nahost/Mittelmeer durch eine hohe Betroffenheit und Verletzlichkeit aus. Dies liegt zum einen darin, dass bis auf wenige Ausnahmen die meisten Länder direkten Zugang zum Mittelmeer haben und so unmittelbar vom Anstieg der Weltmeere betroffen wären. Ein anderer Grund findet sich in der steigenden Wasserknappheit, die über verunreinigtes Wasser eine Reihe von Krankheiten hervorrufen kann und weitere sozioökonomische Konsequenzen in sich birgt. Der Ende der 90er Jahre begonnene internationale Prozess, dem Klimawandel einen hohen politischen Stellenwert einzuräumen, ging zunächst an den Län- Eine klimabedingte Verringerung der Regenmenge kann katastrophale Folgen für Jordanien haben. dern der Region vorbei. Verspätet setzte in der gesamten Region eine Debatte über Klimawandel als Teil der übergeordneten Umweltdiskussion ein. Nachdem die Der Klimawandel wird Jordanien vor allem durch stei- regionale Diskussion im Lauf der letzten sieben Jahre gende Temperaturen und die Verknappung der Wasser- an Schwung gewann, entwickelten sich sehr heteroge- ressourcen treffen. In diesem Zusammenhang gilt es, ne innerstaatliche Politikansätze. die Arbeit internationaler Geber und hier besonders die Aktivitäten deutscher Organisationen – Gesellschaft für Auf der einen Seite stehen Staaten, die im Rahmen in- technische Zusammenarbeit (GTZ) und Bundesantalt ternationaler Vereinbarungen mit institutionellen Maß- für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) – positiv nahmen fortgeschritten sind; dabei lassen sich Israel, zu erwähnen. Seit 1974 arbeitet die GTZ in Jordanien Marokko, Tunesien und Ägypten als Beispiele anführen. und engagiert sich seit den frühen 90er Jahren ver- Dieser heterogenen Gruppe steht eine andere Gruppe stärkt im Wassersektor. Im Rahmen dieser Anstren- gegenüber, in der das Thema Klimawandel keine große gungen konnte 2004 ein digitaler „Water Master Plan” Berücksichtigung erfährt. Hierunter fallen Länder wie auf den Weg gebracht werden, der als ein integriertes beispielsweise Libyen, Algerien und Jordanien. Auffällig Planungs- und Überwachungsinstrument für die Was- ist in der gesamten Region, dass nationalstaatliche sernutzung in Jordanien dient. Die BGR verfolgt in Politikinitiativen in Folge internationaler Debatten ein- einem 2002 begonnen Projekt zum Grundwasser- setzen. Darüber hinaus gelingt es in den wenigsten Ressourcen-Management das Ziel, den Schutz der jor- Ländern, die Reduktionsvorgaben im nationalen Kon- danischen Wasserressourcen durch die Ausarbeitung text so umzusetzen, um bei breiten Bevölkerungs- und Umsetzung geeigneter Maßnahmen zu verbes- schichten einen Bewusstseinswandel zu erreichen. sern. Darüber hinaus engagieren sich beide Organisationen im Rahmen von Öffentlichkeitskampagnen, Obwohl seit den 80er Jahren das Thema Umweltschutz die Wahrnehmung der sich verschärfenden Wasser- auf der innenpolitischen Agenda Jordaniens steht, kom- situation zu erhöhen. men die Initiativen im Umgang mit dem Klimawandel vor allem aus dem internationalen Bereich. Dies spie- Jordanien rangiert unter den 10 wasserärmsten Län- gelt insgesamt die Vernachlässigung dieses Themas dern der Welt. Bedingt durch den weltweiten Klima- bei Bürgern und bei politischen Verantwortungsträgern wandel, die steigende Bevölkerungszahl und die fort- wider. Demnach nimmt die Umsetzung internationaler gesetzte Übernutzung der Wasserressourcen sowie der Konventionen in der politischen Arena einen großen Wasserverschmutzung wird erwartet, dass sich diese Raum ein, wobei diese in der nationalen Gesetzgebung Situation bei steigender Nachfrage kurz- bis mittel- nur unzureichend implementiert werden. fristig fortsetzen wird und eine klimabedingte Verringerung der Regenmenge katastrophale Folgen („disastrous impact”) für Jordanien haben wird. 90 Das durchschnittliche Klima beträgt im Jordantal zwi- größere saisonale Schwankungen die Hochrisikogrup- schen 22 und 30 Grad und 8 bis 25 Grad in höheren pen mit Atemwegserkrankungen zunehmend beein- Lagen. Die jährliche durchschnittliche Zahl von Tagen trächtigen werden. Der Klimawandel könnte auch indi- mit Regen liegt bei 5–45 und mit Schnee bei 0–8, wo- rekt die Gesundheit in Verbindung mit lokal verursach- bei zunehmend extreme Klimaschwankungen erkenn- ter Luftverschmutzung einschränken. bar sind. Insgesamt beschränkt sich die unzureichende Informationslage über mögliche Konsequenzen des Am 12. Juni 1992 unterzeichnete Jordanien die Kon- Klimawandels auf Jordanien auf die Verknappung der vention über Klimawandel und ratifizierte sie 1993. Im Wasserressourcen. Es wird vorhergesagt, dass die ver- gleichen Jahr formulierte die Regierung einen nationa- fügbare Wassermenge von 150 m3/pro Kopf/Jahr aus len Umweltaktionsplan, über dessen Umsetzung seit dem Jahr 2003 auf 90 im Jahr 2025 sinken wird. Über 1996 eine interministerielle Arbeitsgruppe wacht. In- Wasser-Aufbereitung kann eine zusätzliche Wasser- nerhalb der UN-Klimawandelkonvention erfolgte im menge von 200 Mm3 pro Jahr bis 2020 zur Verfügung Jahr 1997 der erste Mitteilungsbericht. Ein zweiter Be- gestellt werden. Aufgrund dieser Situation hat das jor- richt in Form des „National Capacity Self Assessment danische Wasserministerium eine Strategie zur Bewah- for Global Environmental Management Project (NCSA)” rung des Wassers und zur Suche nach Alternativen wird derzeit erarbeitet. Das nationale Umweltministeri- erlassen. Das Landwirtschaftsministerium Jordaniens um wurde mit der Umsetzung dieser Studie des Um- verabschiedete eine Strategie, um die Nutzung von weltprogramms der Vereinten Nationen beauftragt. Brauchwasser zu erhöhen. Darüber hinaus wurde der im Jahr 2003 erlassene gesetzliche Rahmen (bspw. Umweltpolizei und dezentrale Umweltbestandsaufnahmen) kürzlich vom Parlament angenommen. Im gleichen Jahr unterzeichnete Jordanien das Kyoto-Protokoll. Der NCSA Prozess wurde im August 2004 in Jordanien begonnen. Im September 2005 wurde ein Treffen betroffener Gruppen einberufen, um die Lage zu evaluieren und nationale Prioritäten in den Bereichen Biodiversität, Klimawandel und Wüstenbildung festzulegen. Folgende Mängel wurden im Bereich Klimawandel festgestellt: Mangel an wirtschaftlichen Anreizen, um dem Klimawandel nachhaltig zu begegnen; unzureichende institutionelle wie technische Ausstattung beim Umweltministerium sowie mangelhafte und unsystema- Die Ausweitung der Wüsten wird zu vermehrten Sandund Staubstürmen führen. tische Integration der Konzepte der UN Klimakonvention in nationale Politikprogramme. Diese Mängelliste lieferte die Vorlage für eine Prioritätenliste, die die Grundlage für die Erarbeitung des NCSA Aktionplans Eine Studie über mögliche Konsequenzen des Klima- bildete. An erster Stelle gilt es demnach, das Bewusst- wandels auf die Gesundheit der Menschen in Jordanien sein der Bürger für Umweltschutz insgesamt und für zeichnet ein düsteres Bild. Der Klimawandel kann in den Klimawandel im Besonderen zu stärken. Ferner Jordanien insbesondere in wasserarmen Gebieten zu wird das Ziel verfolgt, internationale Rahmenabkom- einer großen Anzahl von gesundheitlichen Risiken füh- men zielgerichteter und nachhaltiger in bestehende ren. Der Wassermangel in Verbindung mit der Verunrei- Gesetze zu integrieren. Obwohl sektorale gesetzliche nigung dieser Lebensressource birgt die Gefahr einer Grundlagen in Kraft sind, müssen weitere Schritte zur Zunahme von durch Parasiten übertragenen Krankhei- Umsetzung und Beachtung dieser Regelungen ergriffen ten, wie Epidemien, Malaria, Cholera und Ruhr oder den werden. Auf institutioneller Ebene liegt ein Schwer- West-Nil Virus in sich. punkt darin, die Fähigkeiten und den Kenntnisstand bei Mitarbeitern der betroffenen Behörden zu erhöhen. Klima verursachte Krankheiten und Todesfälle können besonders in der Bevölkerungsgruppe älterer Menschen und bei Kindern zunehmen. Die erwartete Zunahme von Sand- und Staubstürmen werden verstärkt zu Lungenerkrankungen führen. Es wird angenommen, dass extreme Witterungsänderungen und 91 M A R O K K O U N D A L G E R I E N : V E R A N T W O RT U N G S BEWUSSTSEIN OHNE POLITISCHE KONSEQUENZEN Thomas Schiller Sowohl in Algerien wie in Marokko haben die zuständigen Regierungsbehörden die Gefahren für ihre Länder Marokko und Algerien sind von den Auswirkungen des durch die Erderwärmung und den Klimawandel sowie Klimawandels in vielfacher Weise betroffen: Deserti- die damit verbundenen Konsequenzen (Wassermangel, fikation, Niederschlags- und Wassermangel, Gefähr- Desertifikation) erkannt. Nationale Akteure sind in dung der Landwirtschaft durch Rückgang der Nutzflä- beiden Ländern in erster Linie die beiden Umwelt- und chen und der Ernten, Minderung der Fischereierträge. Landesentwicklungsministerien sowie deren nachge- Dies sind nur einige Phänomene, die in beiden Ländern ordnete Behörden. Da beide Länder historisch zentral- mit dem globalen Klimawandel in Zusammenhang staatlich geprägt sind, treten lokale bzw. regionale gebracht werden. Selbstverständlich kann es aber hier Behörden in Umsetzung und Diskurs weniger in Er- keine monokausalen Erklärungen geben. Für beide scheinung. Länder gilt, dass für die genannten Umweltprobleme auch hausgemachte Ursachen, wie der Rückgang der In Algerien und Marokko nehmen nationale Medien Wälder, die Überfischung, die Folgen des Tourismus und Akteure der Zivilgesellschaft eine bedeutende (dies gilt insbesondere beim Umgang mit Wasser) und Rolle bei der Sensibilisierung der Bevölkerung für The- mangelndes Umweltbewusstsein der Bevölkerung ver- men des Umwelt- und Ressourcenschutzes ein. So antwortlich sind. Die Regierungen beider Länder sind wird beispielsweise in einer Broschüre der marokkani- sich der Problematik auf nationaler wie globaler Ebene schen Initiative Daba2007, deren Ziel die Förderung allerdings bewusst und zählen eine aktive und enga- bürgerschaftlichen Engagements mit Blick auf die gierte Umweltpolitik zu ihren politischen Prioritäten. Wahlen im September 2007 ist, ausdrücklich auch Besonders in Marokko wird deshalb im offiziellen für umweltgerechtes Verhalten geworben (Beispiel: Diskurs auf den Begriff und die Idee der „nachhaltigen Energie- und Wassersparen wird propagiert). Eine Entwicklung” großen Wert gelegt. breite Debatte fehlt jedoch, nicht zuletzt weil die Alltagssorgen der Bevölkerung (Arbeitslosigkeit, Woh- POLITIK UND KLIMAWANDEL: nungsmangel, Armut) aus nachvollziehbaren Gründen W E L C H E A K T E U R E U N D I N I T I AT I V E N ? im Zentrum der entwicklungspolitischen Debatte stehen. Dennoch ist festzuhalten, dass in beiden Ländern In beiden Ländern wird die Debatte im wesentlichen Medien und Zivilgesellschaft die Bedeutung einer bestimmt von drei Akteuren: (1) internationalen Orga- nachhaltigen Entwicklung erkannt haben. nisationen und NROs, (2) den Regierungen und in geringerem Maße von (3) lokalen Medien und Akteuren WAHRNEHMUNG DES KLIMAWANDELS IN der Zivilgesellschaft. MAROKKO UND ALGERIEN Es sind vor allem die internationalen Akteure, welche Marokko ist stolz, im Jahr 2001 mit der 7. Vertrags- die Debatte und Initiativen zum Klimawandel und staatenkonferenz der Klimarahmenkonvention in zum Umwelt- und Ressourcenschutz in beiden Ländern Marrakesch (COP VII) eine zentrale internationale vorantreiben. Hierbei sind in erster Linie Weltbank, Weichenstellung in der Klimadebatte beherbergt zu UNDP und EU, aber auch deutsche Entwicklungsorga- haben. Die in den „Übereinkommen von Marra- nisationen wie KfW und GTZ (in Marokko) zu nennen, kesch” niedergelegten Verhandlungsergebnisse die in Partnerschaft mit den lokalen Behörden rele- hatten den Weg für das in Kraft treten des Kyoto- vante Maßnahmen durchführen. Gefördert werden sei- Protokolls freigemacht. Es existieren in Marokko tens internationaler Geber etwa die umweltschonende eigene Webseiten zum Thema (u. a. www.ccmaroc.ma Energieproduktion (z. B. KfW-Geförderter Windpark in sowie www.cdmmorocco.ma), die das Engagement Essaouira/Marokko) oder Aufforstungsprojekte. Auch des Königreichs mit Blick auf den globalen Klimawan- internationale Nichtregierungsorganisationen sind im del unterstreichen und internationale wie nationale Maghreb aktiv. Allerdings lässt sich eine gewisse Dis- Aktivitäten darstellen. Mit Gründung der „Stiftung krepanz zwischen Marokko und Algerien feststellen: Mohamed VI für den Umweltschutz” im Jahr 2001 Marokko ist in vielerlei Hinsicht in der internationalen haben die Verantwortlichen des Landes ein weiteres Kooperation – nicht allein im Umweltsektor – weiter Zeichen für ihr Umweltengagement gesetzt. als Algerien. Dies wird auch in der stärkeren internationalen Präsenz in Marokko deutlich. 92 Das marokkanische Umweltministerium hat in einer EU unterstützte zivilgesellschaftliche Initiative ist die Klimastudie Tendenzen der Klimaentwicklung für das „Association de recherche sur le climat et l’environne- Land aufgezeigt. Die Studie geht von einer Erwär- ment” (http://www.arce.asso.dz/), die sich mit den mung und Verringerung der Niederschlagshäufigkeit Auswirkungen des Klimawandels auf Algerien ausei- in Marokko aus und bezieht sich hierbei auch aus- nandergesetzt hat. drücklich auf die Arbeiten des IPCC. Diese Studie unterstreicht die Befürchtung vieler Marokkaner, zu den AUSBLICK Hauptverlierern des globalen Klimawandels zu zählen, ist das Land doch in erster Linie von sehr klimasensi- In Marokko wie in Algerien fehlt nach wie vor eine blen Sektoren (Landwirtschaft und Tourismus) abhän- breite öffentliche Debatte zum Thema Klimawandel, ja gig. Weniger Niederschläge und höhere Temperaturen selbst zu grundlegenden Fragen des Umweltschutzes. würden diese beiden Branchen der marokkanischen Die breite Masse der Bevölkerung ist über die globalen Wirtschaft deutlich treffen. umweltpolitischen Herausforderungen und deren Auswirkungen auf Nordafrika nur wenig informiert und In Marokko, einem Land, das fast zur Gänze von Ener- sensibilisiert. Beispielsweise herrscht trotz Wasser- gieimporten (Kohle, Öl, Gas) abhängt, wird eine zu- knappheit vielfach ein sorgloser Umgang mit dieser kunftsgerichtete Energiepolitik auch mit Blick auf den natürlichen Ressource vor. Auch haben die PKW- Klimawandel diskutiert. Hierzu gehören der Ausbau Neuzulassungen in den letzten Jahren in beiden Län- der Solar- und Windenergie (mit deutscher Unterstüt- dern und damit die Abgasemissionen deutlich zuge- zung), aber auch bereits sehr weit fortgeschrittene nommen, ohne dass dies zu einer umweltpolitischen Überlegungen, den Einstieg in die Nuklearenergie zu Debatte geführt hat, beispielsweise mit Blick auf den suchen. Überlegungen zur Verringerung der Import- kümmerlichen öffentlichen Personennahverkehr. abhängigkeit verbinden sich deshalb in der politischmedialen Debatte mit dem Ausbau „umwelt- und klima- Insgesamt steht zu befürchten, dass beide nordafrika- schonender” Energieträger. nische Länder zu Hauptleidtragenden des Klimawandels werden: fortschreitende Desertifikation, Wasser- Zusammenfassend lässt sich mit Blick auf Marokko mangel, Rückgang der landwirtschaftlichen Nutzflä- sagen, dass den politisch Verantwortlichen die Bedeu- chen und Erträge sind die Ängste, die mit den Auswir- tung des Themas durchaus bewusst ist, eine breite kungen des Klimawandels verbunden sind. Marokko Sensibilisierung der Bevölkerung allerdings noch nicht und Algerien haben deshalb ein großes Interesse da- festzustellen ist. Eine umfassende Sensibilisierung ist ran, dass auf globaler Ebene das Thema Erderwär- deshalb folgerichtig auch Teil der Anstrengungen von mung und Klimawandel engagiert angegangen wird. Behörden, internationalen Organisationen und Akteu- Allerdings bedarf es in beiden Ländern auch weiterer ren der Zivilgesellschaft. Anstrengungen, die hausgemachten Probleme zu meistern. Auch in Algerien wird die Debatte über den Klimawandel beherrscht durch Befürchtungen rund um die Verringerung der Niederschläge und drohende Wasserknappheit. So hat zuletzt Präsident Bouteflika die Algerier zu einem sparsamen Umgang mit der Ressource Wasser aufgerufen und ausdrücklich auf die schwierigen Herausforderungen der kommenden Jahre bei der Trinkwasserversorgung hingewiesen. In Algerien ist die öffentliche Debatte rund um den Klimawandel insgesamt jedoch weniger entwickelt. Als Ursachen hierfür dürften zum einen die „schwarzen” 90er Jahre, als Algerien durch blutige Auseinandersetzungen zwischen Staat und islamistischen Untergrundkämpfern in seiner internationalen Einbindung und nationalen Entwicklung zurückgeworfen wurde, zum anderen die geringere Präsenz internationaler Akteure verantwortlich sein. Dennoch sind auch in Algerien die staatlichen Institutionen wie auch Medien und Zivilgesellschaft seit einigen Jahren das Thema Klimawandel engagiert angegangen. Ein Beispiel für eine durch die Niger Mali Senegal Burkina Faso Nigeria Elfenbeinküste TogoBenin DR Kongo Uganda Namibia Mosambik Südafrika AFRIKA SÜDLICH DER SAHARA 94 REPUBLIK SÜDAFRIKA: V E R L E I H T D I E F U S S B A L L- W M 2 0 1 0 D E M U M W E LT B E W U S S T S E I N E I N E N S C H U B ? Werner Böhler | Andreas Söntgerath notwendig. Dennoch kündigte ESCOM an, den Anteil der Energiegewinnung aus Kohle von 86 Prozent auf DER DISKURS ZUM KLIMAWANDEL IN 70 Prozent zu reduzieren, ließ jedoch den Zeitraum SÜDAFRIKA offen. Präsident Thabo Mbeki beschrieb die Republik Südafri- Derzeit werden allerdings nur 1,2 Prozent des Strom- ka einmal als Land der zwei Volkswirtschaften. Die bedarfs aus regenerierbaren Energiequellen gedeckt. eine Volkswirtschaft sei die eines Industrielandes und Südafrika stehen für die alternative Energiegewinnung die andere die eines Entwicklungslandes, da es immer vor allem Wind, Sonne oder die Nutzung der Gezeiten noch viel Armut und soziale Ungerechtigkeit im Land zur Verfügung. Aufgrund der Wasserknappheit und gebe. Dieses Bild aufgreifend diskutiert die Tageszei- dem Nahrungsmittelbedarf auf dem Kontinent scheidet tung „Business Day” in einer Beilage die Frage, an wel- die Energiegewinnung durch nachwachsende Pflanzen cher Volkswirtschaft sich die Umweltpolitik zu orientie- aus. Monopolstrukturen und langwierige Verwaltungs- ren habe? Die Verfassung des Landes sichert jedem verfahren erschweren jedoch privaten Investoren den das Recht zu, dass die Umwelt zum Wohl heutiger und Zugang zum Energiemarkt. Ein Windfarmprojekt der künftiger Generationen geschützt wird. Nach dem Ende „Oelsner Group” etwa wurde erst nach sieben Jahren der Apartheid verabschiedete die Regierung im Dezem- genehmigt. Andererseits ist die aus alternativen Quel- ber 1998 das „White Paper on the Energy Policy of the len gewonnene Energie zu den von ESCOM angebo- Republic of South Africa”, durch das der Zugang zu tenen Preisen nicht konkurrenzfähig. Dieses Problem bezahlbarer Energie für benachteiligte Haushalte, ließe sich wohl nur mit Einstiegssubventionen behe- kleine Bauernhöfe und kleine Geschäfte erhöht werden ben. Hier könnten Beispiele aus Deutschland sinnvoll sollte. Mittelfristig wurde vereinbart die Entwicklung übernommen werden. nachhaltiger und erneuerbarer Energien zu fördern. Gleichzeitig entschied die Regierung im Frühjahr 2007, Im März 2007 gab das Ministerium für Umwelt und den Bau eines zweiten Kernkraftwerks in Western Cape Tourismus unter der Leitung von Minister Marthinius zu verwirklichen. Auch die zusätzliche Nutzung der van Schalkwyk ein Weißpapier mit dem Titel „Integra- reichlich vorhandenen, preiswerten Kohle ist vorge- ted pollution and waste management for South Africa” sehen. Dafür sollen mit moderner Umwelttechnik aus- heraus. In dem Papier bemisst das Ministerium der gestattete Kraftwerke gebaut werden. Prävention von Umweltverschmutzung und der Vermeidung von Verschwendung und Verschmutzung eine Mit Blick auf die im Jahr 2010 stattfindende Fußball- besondere Rolle zu. WM beabsichtigt sich Südafrika der Welt als ein Land zu präsentieren, das Umweltfragen ernst nimmt und Die politische Realität orientiert sich jedoch eher an eine nachhaltige Wirtschaftspolitik betreibt. Allerdings wirtschaftlichen Notwendigkeiten. Durch die jüngsten sind die noch zu bewältigenden Herausforderungen Ereignisse bzgl. der Energieversorgung gewann die groß: Stadien müssen neu oder ausgebaut werden, die Diskussion neue Bedeutung. Südafrika bezieht nahezu Kapazitäten der Flughäfen in Durban, Kapstadt und 90 Prozent seiner Energie aus Kohle. Als Folge der ge- Johannesburg werden angepasst, Verkehrsinfrastruk- stiegenen Energienachfrage verdoppelte sich der CO2- turprojekte sind in großem Umfang in Angriff genom- Ausstoß zwischen 1980 und 2004. Südafrika emittiert men, neue Hotelkomplexe entstehen und Investitionen damit mehr CO2 als Brasilien, dessen Bevölkerung fast im Bereich von Wasserversorgung und Abfallbeseiti- viermal größer ist. Die Stromproduktion bleibt dennoch gung sind zu tätigen. Ein Indikator für den daraus unzureichend und unkontrollierte Stromabschaltungen resultierenden Nachfrageboom mag die Zementknapp- nehmen vor allem in der Winterzeit in den urbanen heit sein, die inzwischen Importe notwendig macht. Zentren besorgniserregend zu. Der staatliche Energiekonzern ESKOM beabsichtigt deshalb in den kommen- In der öffentlichen Diskussion findet das Thema Klima- den fünf Jahren die derzeitige Kraftwerkskapazität wandel durchaus Anklang und wird durch die Bericht- (knapp 40.000 MW) um zusätzlich 52.000 MW zu er- erstattung über konkrete Ereignisse beflügelt. Anfang höhen und damit mehr als zu verdoppeln. Bei einem Mai 2007 flog ein südafrikanisches Team, an dessen kalkulierten Wirtschaftswachstum von durchschnittlich Spitze der Minister für Landwirtschaft stand, zu Kon- 4 Prozent ist bis 2027 ein Ausbau auf 168.000 MW sultationen nach New York um dort über die Herausfor- 95 nicht speziell im südafrikanischen Kontext. Die Zeitung „Mail & Guardian” berichtet etwa in der Ausgabe vom 4. Mai 2007 über die Folgen des Klimawandels im Kontext des Konfliktes in Darfur. 2005 benannte das südafrikanische Institut für internationale Beziehungen (SAIIA) in dem Online Magazin „eAfrica” Folgen des Klimawandels, die sich auf ganz Südafrika beabsichtigt, Umweltfragen bei der Fußball-WM 2010 ernst zu nehmen. Afrika beziehen: 1. Knappe Wasserressourcen stellen Konfliktpotential dar und erfordern eine einheitliches Management, derungen des Klimawandels zu sprechen. Die Delegation setzte sich aus Regierungsbeamten, Gewerkschaftern, Vertretern halbstaatlicher Organisationen und Nicht-Regierungsorganisationen zusammen. Verfügbare Gutachten belegen, dass die Provinz Western Cape am stärksten vom Klimawandel durch Erwärmung und 2. Ernteausfälle werden sich aufgrund der unstabilen Wetterbedingungen häufen, 3. Naturreservate und Lebensräume für spezielle Tier werden unwiderruflich verloren gehen, 4. Die Infrastruktur an den Küsten leidet unter dem steigenden Meeresspiegel. einem Anstieg der Meere betroffen wäre. In den zuständigen Fachministerien werden Szenarien und mög- REAKTIONEN AUF DEN STERN-BERICHT SOWIE liche vorbeugende Maßnahmen diskutiert. Konkrete AUF DIE BEREITS VERÖFFENTLICHTEN TEILE politische Entscheidungen und Maßnahmen sind aller- DES IPCC-BERICHTS dings noch nicht erkennbar. Der Stern-Bericht fand in den Medien Anklang, setzte Die öffentliche Meinung verweist gerne auf die Verant- sich bislang jedoch noch nicht in konkretes Regie- wortung der Industrieländer für den Klimawandel und rungshandeln um. Auch das Medieninteresse verebbte fordert entsprechend wegweisende Anstrengungen der nach nur wenigen Tagen. Ohnehin setzten sich eher Industrienationen. Es besteht Übereinstimmung darin, die anspruchsvolleren Tageszeitungen mit dem Stern- dass die ärmsten Nationen Afrikas von dem sich wan- Bericht auseinander, was den Leserkreis begrenzt. Das delnden Klima am stärksten betroffen sein werden, südafrikanische Institut für internationale Beziehungen ohne dass sie hieran den größten Anteil haben. Süd- (SAIIA) und Partner des Länderprogramms kommen- afrika wird aber auch als wirtschaftlicher Motor des tiert den Sternbericht so: Afrika sei teilweise vor den Kontinents gesehen und nimmt seit dem Jahr 2000 an Folgen des Klimawandels ungeschützt, der eine Bedro- den Gipfeltreffen der G8-Staaten teil. Von Südafrika hung für alle Punkte der politischen Agenda darstelle. wird folglich eine Vorreiterrolle für die Nachbarstaaten erwartet, wenn es darum geht, mit gutem Beispiel hin- DIE AKTEURE DER POLITISCHEN DISKUSSION sichtlich Klima- und Umweltschutz voran zu gehen. Die Diskussion um den Klimawandel wird zum einen AKUTE PROBLEME ALS FOLGEN DES innerhalb der zuständigen Ministerien geführt und zum KLIMAWANDELS anderen in den Kreisen fachspezifischer NROs. Am 22. Mai 2007, dem „World Biodiversity Day”, stellte die Der Klimawandel ist gerade in der jüngsten Vergan- Bewegung „Indalo Yethu” die nationale Umweltkam- genheit stärker ins Bewusstsein der Bevölkerung Süd- pagne „Save Tomorrow, Today" vor. Die Gründung von afrikas gerückt. Der Sommer 2006/07 war überdurch- Indalo Yethu, die auf das „World Summit on Sustaina- schnittlich trocken, was dazu führte, dass vielen Bau- ble Development” im Jahr 2003 zurückgeht, hatte die ern insbesondere in der Free-State-Provinz die Ernte „Mobilisierung Südafrikas für umweltpolitische Ziele” vertrocknete. Das jedoch beschreibt nur akute Folgen zum Ziel. Bei der Veranstaltung von Indalo Yethu rief von kurzfristiger Natur. Oftmals werden sie auch nicht der zuständige Minister Marthinius van Schalkwyk zu als Folgen des Klimawandels verstanden, sondern einem „umweltpolitischen Aktivismus von Individuen als Ausnahmeerscheinungen. In der Provinz Western und Privatwirtschaft” auf. Zielsetzung dieser Kampagne Cape, die für ihre Weinanbaugebiete bekannt ist, stel- ist es, eine Bewusstseinsänderung in der Bevölkerung len sich die Winzer schon sehr konkret auf den Klima- gegenüber dem Schutz der Umwelt und dem Erhalt der wandel ein, indem sie sich in der Wahl ihrer Rebsorten Schöpfung für künftige Generationen zu erzeugen. Tat- den sich ändernden Wetterbedingungen anpassen. sächlich ist ein Umweltbewusstsein in Südafrika wenig ausgeprägt. Für die Menschen in den Slum-artigen Die Presse berichtet in Beilagen oder längeren Repor- Armensiedlungen (Squatter Camps) ist verständlicher tagen über die Folgen der Erderwärmung, jedoch Weise das tägliche Überleben prioritär. Bei wohlhaben- 96 deren Südafrikanern ist die Übernahme von Verantwor- die erste WM auf dem afrikanischen Kontinent „grün” tung für die Umwelt eher von nachrangiger Bedeutung, zu gestalten. Unter dem Arbeitstitel „Greening 2010” zumal die Preise für Benzin, Wasser und Gas erschwing- finden derzeit Planungen statt, die die umweltpoliti- lich sind und nicht zu sparsamen Umgang zwingen. schen Vorgaben der FIFA noch übertreffen sollen. Südafrika erhofft sich davon nicht nur gesteigerte in- Die Fußball-WM könnte dem Umweltbewusstsein in ternationale Anerkennung als „Sustainable Developing Südafrika und darüber hinaus in den Ländern der Country”. Beabsichtigt ist auch, neue Marktchancen Region einen wichtigen Schub geben. Entsprechend der mit umweltfreundlichen Technologien auf internationa- „German Green Goal Initiative” besteht die Absicht, ler Ebene zu erschließen. NAMIBIA: KLIMAWANDEL BEDROHT SENSIBLES Ö K O S Y S T E M D E S W Ü S T E N S TA AT S Anton Bösl Gerade das südliche Afrika gilt als eine der am stärksten vom Klimawandel betroffenen Regionen der Welt. Afrika mit seinen mehr als 700 Millionen Menschen Zwar verdankt Namibia seine einzigartige Schönheit erlebt die Auswirkungen des derzeitigen Klimawandels wie die älteste Wüste der Welt, die Namib, jenen Kli- in massiver Weise, ohne diesen durch seinen Energie- maveränderungen, die vor mehreren Millionen Jahren verbrauch und seinen verhältnismäßig geringen Aus- stattgefunden haben. Auch gilt Namibia für Forscher stoß an CO2 in dieser Form zu verursachen. Zwar wur- verschiedener Disziplinen als besonders gutes Bei- den Hitze und Dürre, Fluten und Wirbelstürme seit spiel, wie jene urzeitlichen Klimaveränderungen gera- jeher quasi als natürliche Erscheinungen in vielen afri- de die geologischen Bedingungen der Erde verändert kanischen Ländern wahrgenommen. Seit einigen Jah- haben. Darüber hinaus können für Namibia extreme ren vermehren und intensivieren sich aber die Klima- klimatische Unterschiede zwischen einerseits der katastrophen mit immer verheerenden Folgen. Durch Atlantikküste, an der der Benguelastrom kaltes Was- Klimaveränderungen hervorgerufene Dürren oder ser aus der Antarktis nach Norden trägt und zu küh- Überflutungen zerstören das Leben von Menschen und lem und oft sehr nebligem Wetter führt und anderer- Tieren, vernichten Anbauflächen, Ernten und damit die seits dem von Wüsten und extremen Temperaturen Lebensgrundlagen, zerstören wichtige Infrastruktur gekennzeichneten Landesinneren festgestellt werden. (Straßen und Wege, Energieversorgung) und oft mühsam erarbeitete Entwicklungsfortschritte. Die zuneh- Unter diesen natürlichen klimatischen bzw. klimabe- mende Desertifikation großer Gebiete in Afrika, die dingten Gegebenheiten sowie wegen regelmäßig aus- vor allem (aber nicht nur) durch die Klimaveränderung bleibender Regenzeiten hat sich ein sehr fragiles Öko- hervorgerufen wird, die Ausweitung bestehender und system entwickelt, das Namibia stark anfällig für die das Entstehen neuer Wüstenregionen vernichtet land- Auswirkungen des Klimawandels macht. So fällt in wirtschaftliche Anbauflächen und Weidegebiete, führt Namibia insgesamt sehr wenig Regen und dieser zu Konflikten um die natürlichen Ressourcen von Land auch noch sehr ungleich verteilt. Auch ist die Verduns- und Wasser. Derzeit hat ohnehin nur etwa die Hälfte tungsrate so hoch, dass nur ein Prozent des Regens der Menschen in Afrika Zugang zu sauberem Trink- ins Grundwasser gelangt. Die zunehmende Erwärmung wasser, mit verheerenden Auswirkungen auf deren und eine nur geringfügige Steigerung der Verduns- Gesundheit und Lebensbedingungen. tungsrate um 5 Prozent – Namibia hat in den letzten Jahren seine höchsten Temperaturen seit Beginn der Afrikanische Länder haben kaum die Mittel, um diese Aufzeichnungen gemessen – führte und führt zum Folgen zu bewältigen und sind nach klimabedingten Verschwinden von ca. 30 Prozent der Tier- und Pflan- Katastrophen stark auf rasche Nothilfe von außen zenarten. abhängig. Für präventive Maßnahmen stehen kaum finanziellen Mittel zur Verfügung, nicht selten fehlt die Einsicht in die Notwendigkeit, hier zu investieren. 97 Hinzu kommt, dass ein Großteil der Bevölkerung in jenen Sektoren tätig ist, der vom Klimawandel besonders betroffen ist: Rund zwei Drittel aller Beschäftigten arbeiten in der Landwirtschaft. 75 Prozent des Landes werden als Weidefläche genutzt, der durch die Klimaveränderung bedingte Verlust an Vieh und Getreideerträgen führt zu Lebensmittelknappheit. Der kalte Benguelastrom hatte bisher zu einem großen Reichtum an Fischarten und deren Vorkommen vor der Küste Namibias geführt. Die zunehmende Erwärmung des Meeres – der Bericht der namibischen Regierung an das UNFCCC geht von 2–6 Grad bis zum Jahr 2100 aus – führt bereits zu zunehmender Algenbildung und geringerem Sauerstoffgehalt des Wassers, zu Artensterben, weniger Fischreichtum und damit einer starken Dezimierung der an der Küste brütenden und von Das fragile Ökosystem der Namib-Wüste ist stark anfällig für die Auswirkungen des Klimawandels. Fischen lebenden Robben und Zugvögel. Die 2005 vom „Namibia Climate Change Programme" veröffentlichten Zahlen gehen ferner von einer Erhöhung des sah sich das Entwicklungsprogramm der Vereinten Na- Meeresspiegels um ca. 30 cm bis 2100 aus, was zur tionen (UNDP) gezwungen, eine Aufklärungsinitiative schleichenden Zerstörung der Infrastruktur der Küs- über die Ursachen und Auswirkungen der Klimaverän- tenstädte und zum Eindringen von Salzwasser in die derungen in Namibia durchzuführen. unterirdischen Süßwasserbecken führt. Für den Tourismus wichtige Küstenstädte wie Swakopmund und der Die Medien Namibias tragen durch ihre Berichte über für die Wirtschaft elementare Hafen in Walvis Bay klimarelevante Themen zwar auch zu Information und wären empfindlich in Mitleidenschaft gezogen. Neben Wissensvermittlung bei, jedoch nicht kontinuierlich, der Küste gilt das sogenannte „Sperrgebiet” im Süden sondern nur erratisch und abhängig von Klimakata- Namibias, wo auf einem für die Öffentlichkeit abge- strophen oder größeren internationalen Vorkommnis- sperrten riesigen Areal Gold und Diamanten abgebaut sen, die sich dem Sujet widmen. Nur am Rande wird werden, als ein Ort mit großer Biodiversität, der die über die Berichte der namibischen Regierung disku- Auswirkungen des Klimawandels besonders spüren wird. tiert, die – als Unterzeichner des Kyoto-Abkommens Das aride Klima, immer wieder auftretende Dürreperi- veränderungen vorgelegt werden müssen. Experten- oden und die zunehmende Wüstenbildung sowie das gespräche und ähnliche Foren, die auch und gerade fragile Ökosystem Namibias und die große Abhängig- von den zuständigen Ministerien veranstaltet werden, keit der Wirtschaft von den natürlichen und klimati- finden indes kaum Widerhall in den Medien. Der Be- schen Gegebenheiten haben zwar zu einem hohen richt des britischen Ökonomen Sir Nicholas Stern hat Maß an Sensibilität über das Klima und seine Verände- weder in der deutschsprachigen Tageszeitung Namibi- rungen bei den unmittelbar betroffenen, davon direkt as, die aufgrund der Leserschaft häufig über Debatten abhängigen Menschen und zuständigen Regierungs- aus Deutschland berichtet, noch in anderen Medien stellen geführt. Für den zuständigen Umweltminister Namibias Widerhall gefunden. Lediglich der IPCC- stellten der Klimawandel und seine Kosten sogar den Bericht wurde in fast allen Medien des Landes aufge- signifikantesten und kostspieligsten Faktor dar für die griffen und in einigen Leserbriefen thematisiert. Von Entwicklung des Landes. Die Regierung Namibias hat einem breiten Medienecho zum Thema Klimaverände- 1997 die „Internationale Konvention über Biologische rung kann indes nicht gesprochen werden, auch wenn Diversität” ratifiziert und unterhält zahlreiche Natur- seit Anfang dieses Jahres – einem globalen Trend schutzgebiete. Darüber hinaus setzt sie stark auf er- folgend – verstärkt über den Klimawandel berichtet neuerbare Energien und hat deshalb eine „National wird. von 1995 – regelmäßig über CO2-Emission und Klima- Renewable Energy Policy” und eine „Green Energy Policy” verabschiedet sowie eine entsprechende Kommunikationsinitiative gestartet. Die Solarindustrie Namibias erfreut sich inzwischen guter Zuwachsraten und positiver, wenn auch nur sporadischer Berichterstattung. Aber paradoxerweise geht mit der großen Sensibilität betroffener Kreise ein hohes Maß an Unwissenheit in der breiten Bevölkerung einher. Deshalb 98 D E M O K R AT I S C H E R E P U B L I K K O N G O : OPFER UND VERURSACHER DES KLIMAWANDELS Andrea E. Ostheimer grenzenden Länder deckt, sich um bis zu einem Drittel reduzieren wird. Für den Kivu-See kann bereits heute Die Demokratische Republik Kongo (DR Kongo) gilt ein sinkender Wasserspiegel und für den Kongo-Fluß trotz ihres Ressourcenreichtums als eines der ärmsten eine fortschreitende Versandung festgestellt werden. Länder der Welt. Mit einem Human Development Index von 0.391 rangiert das Land noch hinter Malawi auf In den Regenwaldgebieten sind es vor allem die Rau- der Rangliste des UNDP Human Development Reports pen und Würmer, die sich von bestimmten Baumarten auf Platz 167 der am wenigsten entwickelten Länder nähren und die durch die fortschreitende Abholzung der Welt (gesamt 177). Wie viele andere afrikanische dezimiert werden. Problematisch ist dies für die ethni- Staaten sieht sich die DR Kongo mit geographischen sche Gruppe der Pygmäen, für die diese Raupen und Nachteilen wie hoher Niederschlagsvarianz zwischen Würmer eine wichtige Proteinquelle darstellen. Für die einzelnen Regionen, einer hohen Abhängigkeit der Be- Pygmäen geht nicht nur ein wichtiges Nahrungsmittel völkerung von der klimasensitiven Agrarwirtschaft und verloren sondern auch ein Handelsgut. Der Handel mit unzureichender Gesundheitsversorgung in weiten Tei- Würmern und Insekten wird auf ein jährliches Volumen len des Landes konfrontiert. Insbesondere die kaum von 13500 t und einem Wert von ca. 8 Millionen US- anderswo anzutreffende Biodiversität des Landes, die Dollar geschätzt. sowohl Flora als auch Fauna umfasst, schreibt dem zentralafrikanischen Land jedoch nicht nur eine regio- Die Nahrungssicherheit in der Demokratischen Repu- nale sondern auch eine internationale Bedeutung und blik Kongo wird durch den Klimawandel vor allem im Verantwortung im Umweltmanagement zu. bevölkerungsreichen Savannenstreifen der Provinzen Bas-Congo, Bandundu, und Katanga bedroht. Schät- Nach Jahren des Bürgerkrieges und vier Jahren Über- zungen für den gesamten Kontinent gehen von Ernte- gangsregierung (2002–2006) fanden im Juli und Oktober rückgängen in bestimmten Regionen von bis zu 50 Pro- 2006 erstmals freie Mehrparteienwahlen statt. Die anhal- zent bis 2020 aus. tenden militärischen Auseinandersetzungen im Osten des Landes zwischen Milizen und den kongolesischen Streit- In den Provinzen Katanga, Bas-Congo und Bandundu kräften FARDC, sowie die erodierten und von Korruption kann bereits heute ein Niederschlagsrückgang von bis durchsetzten staatlichen Strukturen weisen die Demo- zu 12 Prozent seit 1990 festgestellt werden. IPCC Mo- kratische Republik Kongo als einen der sogenannten dellrechnungen gehen bereits davon aus, dass sich bis schwachen afrikanischen Staaten aus. Die Jahre des 2050 die Regenzeit in der Provinz Katanga von 6 Mo- Bürgerkrieges reduzierten zwar auf der einen Seite die nate auf 5 reduzieren wird. Problematisch für die Ern- Rodungsaktivitäten in den von Rebellen kontrollierten tezyklen in der DR Kongo wird nicht so sehr die allge- Gebieten des tropischen Regenwaldes, führten jedoch meine Niederschlagsmenge sein, die in ihrem Brutto- auch zu Arrangements wie der Bezahlung der Militärhilfe wert bisher nicht merklich zurückgegangen. Kritisch Simbabwes für die Regierung Laurent Desiré Kabilas für die Landwirtschaft ist vor allem der Rückgang der durch 34 Millionen Hektar Forstkonzessionen. Regentage verbunden mit heftigen Niederschlägen, die wiederum zur Erosion des Bodens beitragen. Trotz ihres Ressourcenreichtums und insbesondere üppigen Regenwaldbestandes sieht sich die DR Kongo In Bas-Congo führte insbesondere die Zerstörung des von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen. Waldgebietes von Mayombe zu einer Störung des kli- Doch ist es gerade auch der tropische Regenwald in den matischen Gleichgewichtes und die Auswirkungen des nördlichen Provinzen Equateur und Orientale und des- Klimawandels können lediglich durch eine schnelle sen fortgesetzte Abholzung, die die DR Kongo nicht nur Wiederaufforstung limitiert werden. zum Opfer sondern auch zum Akteur werden lassen. WASSERVERSORGUNG N A H R U N G S M I TT E L S I C H E R H E I T Der globale Klimawandel wird nicht nur den Bedarf an Mit fortschreitendem Klimawandel werden sich die Wasser, sondern auch dessen Verfügbarkeit und Zu- Fischbestände in der Region der Großen Seen verän- gänglichkeit bestimmen. Das Problem der Wasserknapp- dern. Untersuchungen gehen heute davon aus, dass heit wird sich voraussichtlich bei einem Temperaturan- der Primärbestand des Tanganyika See, der heute 25– stieg von 3 Grad innerhalb von 25 Jahren um 22 Pro- 40 Prozent des Proteinbedarfs der Bevölkerung der an- zentpunkte verschärfen. Bereits heute leben 47 Prozent 99 der afrikanischen Bevölkerung mit dem Problem der Opportunitätskosten zum Schutz der Regenwälder der Wasserknappheit. Im Jahre 2025 werden dies mindes- acht hauptverantwortlichen Staaten für die aus Land- tens 65 Prozent sein. Auf den ersten Blick stellt die nutzung resultierenden Emissionen liegen gemäß der Verfügbarkeit von Wasser in der DR Kongo mit dem dem Stern-Bericht zugrunde liegenden Berechnung zur Kongo-Fluss und dessen Seitenarmen und weiteren Zeit bei 5 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Ein Betrag, den Flüssen zunächst kein Problem dar. Die allgemeine die internationale Gemeinschaft bei der Konzeption Wasserversorgung der kongolesischen Bevölkerung ist ihrer Unterstützungsprogramme zur alternativen Land- jedoch bei weitem nicht sichergestellt und führte da- nutzung und zum Regenwaldschutz bedenken sollte. zu, dass Präsident Joseph Kabila in seiner Antrittsrede im Dezember 2006 eine flächendeckende Wasserver- Die DR Kongo besitzt mit dem tropischen Regenwald sorgung in der DR Kongo als eine der fünf wichtigsten des Kongo-Beckens das zweitgrößte Regenwaldgebiet politischen Zielvorgaben seiner Amtszeit anführte. Die (172 Millionen Hektar) nach dem Amazonas-Waldgebiet. Umsetzung dieser Vision bedarf allerdings weitreichen- Wie ein im April veröffentlichter Greenpeace-Bericht der struktureller Veränderungen in der Wasserversor- darlegt, wird die DR Kongo bei unveränderter Abhol- gungspolitik. Bisher steht lediglich aufbereitetes Fluss- zung des Regenwaldes bis 2050 rund 40 Prozent seines wasser als Trinkwasser der Bevölkerung zu Verfügung. Regenwaldbestandes verlieren und damit mehr Koh- Die fortschreitende Sedimentierung der Flüsse in Folge lendioxid ausstoßen als Großbritannien in den vergan- des Klimawandels sowie die Austrocknung ganzer Flüs- genen 60 Jahren. Damit wird das Land nicht nur wie se insbesondere im Grenzgebiet zu Sambia erfordert die meisten anderen afrikanischen Staaten zu einem eine zukünftige Nutzung des Grundwassers, das bisher Opfer des Klimawandels sondern zu einem der Verur- nicht in die Wasserversorgung einbezogen wurde. sacher. Bereits heute rangiert die DR Kongo in der Weltrangliste der CO2 Emittenden auf Platz 21 vor Spanien GESUNDHEIT und den Niederlanden. Untersuchungen gehen davon aus, dass ein Hektar Biomasse eines tropischen Regen- Mit fortschreitendem Klimawandel werden sich auch die waldes ca. 180 t Kohlenstoff speichert, von denen bei Gesundheitsrisiken in den meisten afrikanischen Län- Abholzung bereits bis zu 50 Prozent freigesetzt werden dern erhöhen. In der DR Kongo lässt sich bereits heute können. ein ganzjähriges Malaria-Risiko konstatieren, da auch während der Trockenzeit die Anopheles-Fliege in der Bereits im Jahre 2002 drängte die Weltbank, die die Lage ist, sich aufgrund erhöhter Temperaturen weiter Regenwaldnutzung noch immer als Kernsäule ihres zu verbreiten. Die stetige Zunahme von Atemwegser- Entwicklungskonzeptes für die DR Kongo sieht, auf die krankungen insbesondere Asthma und hier vor allem in Verabschiedung eines neuen Forstgesetzes, im Rah- den urbanen Gebieten der DR Kongo wird von Wissen- men dessen Konzessionen annulliert und zur Neube- schaftlern der stetigen Umweltverschmutzung und stei- antragung verpflichtet wurden. Darüber hinaus wurde gender Temperaturen zugeschrieben. Bisher weitge- ein Moratorium für Neukonzessionen festgeschrieben, hend unerforscht in der DR Kongo sind die Folgen eines dessen Umsetzung allerdings an der von Korruption sogenannten „stress thermique” durch steigende Tem- durchsetzten Verwaltung scheiterte. Trotz des beste- peraturen in Breitengraden, die bereits ohne Klimawan- henden Moratoriums stieg die Gesamtfläche der ver- del den menschlichen Organismus belastende Tempera- gebenen Konzessionen zwischen 2002 und 2005 von turen aufweisen. Die zunehmende Sedimentierung der 18 Millionen auf 20,4 Millionen Hektar an. Die zur Ab- Flüsse und eine unterentwickelte Wasserversorgung holzung und zum Abtransport notwendigen Schneisen stellen darüber hinaus weitere Risiken für die Gesund- und der Holztransport selbst tragen des weiteren zum heit der kongolesischen Bevölkerung dar. Anstieg der CO2 Emissionen bei. Wie eine Studie des Forstwirtschaftsunternehmens IFIA zeigte, verbraucht KONGOLESISCHER REGENWALD das Unternehmen monatlich ca. 500 000 Liter Brennstoff für Rodung, Zuschnitt im Sägewerk und zum Um die Auswirkungen des Gebrauchs fossiler Brenn- Transport. Dies entspricht einem Kohlenstoffausstoß stoffe auf das globale Klima zu limitieren, ist die exten- von ca. 3800 t pro Jahr. sive Bindung von Kohlenstoff notwendig. Schätzungen gehen davon aus, dass bis 2050 noch die Hälfte des Im Gegensatz zum Amazonas-Gebiet, wo davon aus- globalen Energiebedarfs durch Kohlenwasserstoffe gegangen wird, dass der Klimawandel und eine Erhö- gedeckt werden wird. Dies bedeutet, dass insbesondere hung der Temperaturen um 2–3 Prozent zu einer weit- die Abholzung der für die Klimastabilisierung essentiel- gehenden Austrocknung des Waldgebietes führen len Regenwälder eingedämmt werden muss. Mehr als wird, geht man im Fall der DR Kongo bisher eher von 8 Prozent der globalen Emissionen resultieren aus der einer Zunahme der Regenfälle in tropischen Regen- Waldrodung und liegen damit sogar über dem prozen- waldgebieten aus. Doch wird gerade die Fragmentie- tualen Anteil des weltweiten Transportsektors. Die rung der bisher noch intakten Waldflächen durch 100 Schneisen und selektivem Kahlschlag diese anfällig für zum Thema bestehen lediglich zwischen der nationalen Austrocknung und Waldbrände machen. Auch ist der Kommission und dem IPCC-Sekretariat auf Expertenni- Effekt der Regenwaldrodung auf den regionalen Klima- veau. Obgleich mit Hilfe des IPCC-Sekretariats eine zyklus im Kongo-Becken und den angrenzenden Regio- Bestandsaufnahme zu den Treibhausgaseffekten für nen noch gänzlich unerforscht. den Zeitraum 1995–2003 aufgestellt werden konnte, ist das existierende Informationsmaterial aufgrund der REAKTIONEN DER POLITIK Schwierigkeiten in der Datenerhebung (unzugängliches Terrain, mangelnde Expertise, fehlende Finanzmittel) Wie bereits eingangs erwähnt, lässt sich die DR Kongo rudimentär. nicht nur sicherheitspolitisch als „weak state” charakterisieren. Zwar unterzeichnete die DR Kongo alle rele- Da das neue Forstgesetz vor allem die Handschrift der vanten UN-Deklarationen zum Klimawandel sowie das Weltbank trägt und diverse Finanzhilfen der Weltbank Kyoto-Protokoll, doch erweist sich die Umsetzung als an dessen Ratifizierung und eine Moratoriumsverlänge- äußerst schwierig und komplex. Bereits 1995 wurde rung geknüpft wurden, scheint der politische Wille der das „Comité National sur le Changement Climatic” ein- Entscheidungsträger auch durch das Gefühl eines feh- gerichtet, dessen Koordination dem einzigen im Kongo lenden „ownership” beschränkt. residierenden Klimatologen, Professor Ntombi, obliegt. Trotz der Bedeutung einer regionalen Kooperation zur Für die XII. Sitzung der „Conference of the Parties to nachhaltigen Nutzung des grenzüberschreitenden Öko- the Climate Change Convention” (COP 12), in Nairobi systems ließ sich der Austausch und die Abstimmung im November 2006 konnte die DR Kongo erstmals mit Akteuren in der Region der Großen Seen und den einen „Plan d’Action National Adaption au Changement Nachbarstaaten der DR Kongo bisher nicht realisieren. Climatique” (PANA) vorlegen. Schwerpunkt des PANA Die DR Kongo ist Mitglied der zentralafrikanischen stellt die Nahrungsmittelsicherheit und die Einführung Forstkommission (COMIFAC) und der „Congo Basin neuer Mais-, Maniok- und Reissorten dar. In Kooperati- Forest Partnership” (CBFP) und hat sich in diesem Kon- on mit dem „Institute National d’Etude et Recherche text zur Umsetzung der Deklaration von Jaunde zum Agronomique” wurde neues, an die sich verkürzenden Walderhalt verpflichtet. Doch trotz der Existenz eines Erntezyklen adaptiertes Saatgut entwickelt. Um dieses, „Plan de Convergence” als regionalen Aktionsplan, sich dem Klimawandel anpassendes Saatgut flächen- zeigt die bilaterale Umsetzung der Maßnahmen erheb- deckend in den betroffenen Gebieten (hier vor allem liche Schwerfälligkeiten und auch die Zahlungsmoral Mais und Maniok in Bas-Congo und Reis in den beiden der Mitgliedsstaaten erwies sich bisher als niedrig. Die Kasai Provinzen) einzuführen, werden schätzungsweise Bundesrepublik Deutschland wird 2008 die Moderation 6 Millionen US-Dollar benötigt. der CBFP übernehmen und auch im Rahmen der Zusammenarbeit mit COMIFAC sich aktiv und finanziell in Als weitere Adaptationsmechanismen sieht der Akti- den Prozess einbringen. onsplan eine Diversifizierung in der Elektrizitätsversorgung vor, die sich bisher auf Wasserkraft und Treib- Das kongolesische Umweltministerium ist zwar sehr stoffgeneratoren beschränkt. Die Nutzung neuer Tech- an einem finanziellen Ausgleich der globalen Umwelt- nologien ist in der DR Kongo auf politischer Ebene bis- dienstleistung von Wäldern und an einer Umsetzung her kein Thema. Im Gegenteil – zur Elektrifizierung der von der Weltbank vorgeschlagenen Forest Carbon von Städten und Dörfern wird auf alte Technik zurück- Partnership Facility (FCPF) interessiert, doch haben gegriffen, die wiederum zur Verschärfung des Klima- sich konkrete Umsetzungsmaßnahmen dessen bisher wandels beitragen. Eine Politik zur Reduzierung von nicht konkretisiert. Die Mittel der FCPF sollen vor allem Treibhausgasemissionen besteht in der DR Kongo bis der Kapazitätsstärkung in den betroffenen Ländern zum heutigen Tage nicht. zugute kommen und u. a. die Kontrollfähigkeit institutioneller Strukturen stärken. Doch wird auch hier wie Auf politischer Ebene stellen insbesondere der Wechsel bei so vielen anderen Initiativen der politische Wille der Akteure (Transitionsregierung, Kabinettsumbildun- oder vielmehr das Fehlen eines solchen zum Ausschlag gen, neugewählte Regierung) und die mangelnde Ex- gebenden Kriterium werden. pertise ein Problem dar. Weder die politische Elite noch die kongolesische Bevölkerung sind für das Thema RESÜMEE Klimawandel hinreichend sensibilisiert. Ein Dialog zwischen Akademia und Politik findet bisher nicht statt. Wie der Stern-Bericht festhält, müssen Aktivitäten zur Und auch die Zahl der Nichtregierungsorganisationen, Limitierung des Klimawandels nicht die Entwicklungs- die sich diesem Thema widmen, beschränkt sich auf möglichkeiten armer Länder beschränken, sondern einige wenige (so z.B. „Observatoire pour la gestion können ganz im Gegenteil neue Wege eröffnen. Aller- durable de l’eau du Congo” – OGEC). Diskussionen dings müssen sich die politischen Eliten im Klaren da- 101 rüber sein, dass die Auswirkungen des Klimawandels Trotz der theoretisch formulierten ehrgeizigen Ziele insbesondere die ärmeren Staaten am heftigsten tref- der Regierung Kabila bleibt abzuwarten, inwieweit es fen werden, und damit die frühe Einführung von nach- in der Ressourcennutzung wirklich zu einer rigiden haltigen Adaptionsmechanismen notwendig wird, um Korruptionsbekämpfung kommen wird und inwieweit in sowohl die jeweiligen Gesellschaften als auch die Wirt- Folge dessen, das bestehende Moratorium zur Bewilli- schaft der betroffenen Länder zu schützen. Obgleich gung von neuen Forstkonzessionen aufrechterhalten die DR Kongo mit dem PANA einen Aktionsplan vorge- werden wird. Insbesondere gilt es hier die schwachen legt hat, befindet sich das Land weit von einer Imple- staatlichen Kapazitäten zur Kontrolle der Moratoriums- mentierung entfernt. umsetzung und einer nachhaltigen Bewirtschaftung zu stärken. Das 2002 auf Betreiben der Weltbank neu Für die kongolesische Regierung ist es darüber hinaus verabschiedete Forstwirtschaftsgesetz sieht zwar eine essentiell, die fortschreitende Abholzung der Regen- Verteilung von 40 Prozent der auf Forstkonzessionen waldgebiete einzudämmen und damit die sogenannten erhobenen Steuern an die betroffenen Gemeinden vor, non-energy Emissionen zu reduzieren. Eine effektive doch wurde zwischen 2002 und 2006 kein einziger und effiziente Forstverwaltung stellt zunächst einmal Franc Congolais an die Regenwaldbewohner gezahlt. eine nationale Angelegenheit dar, beschränkt sich Eine nachhaltige Bewirtschaftung des Waldes wird je- jedoch nicht nur auf Regierungsinstitutionen sondern doch langfristig nur durch die Einbindung aller Akteure muss sowohl die Beteiligung der Forstbesitzer, anlie- inklusive der holzverarbeitenden Industrie möglich gender Gemeinden als auch der holzverarbeitenden werden. Industrie mit einschließen. UGANDA: WENIGER KAFFEE DURCH KLIMAWANDEL? Peter Girke zu heiß wären, um Kaffee weiterhin anbauen zu können. Kaffee ist zurzeit Ugandas Exportgut Nummer Klimawandel ist für Uganda ein Thema, das zuneh- eins und erwirtschaftet einen großen Teil der Export- mend an Bedeutung gewinnen sollte und wohl auch einnahmen.” wird. Zumindest in den mittleren und oberen Bildungsschichten werden die Folgen der Erderwärmung Die „Gesellschaft für bedrohte Völker” hat im April diskutiert. Dem Klimawandel wird beispielsweise zu- 2007 auf Konflikte und Gewaltausbrüche im Osten geschrieben, dass sich in den vergangenen Jahren Ugandas hingewiesen, deren Ursache auch in den Regen- und Trockenzeiten verschoben haben, und die Folgen des Klimawandels zu finden seien: „Aufgrund Niederschläge insgesamt geringer ausgefallen sind. der anhaltenden Dürre konkurrieren gerade in der Dies hat zu verminderten Ernteerträgen geführt. Das verarmten ugandischen Region Karamoja einzelne Sinken des Wasserspiegels des Viktoriasees, des größ- Gruppen von Viehhirten mit wachsender Gewalt um ten Binnengewässers Afrikas und des zweitgrößten Herden, Wasser und Weideland, darunter auch die Süßwassersees der Welt, wird unter anderem dem schwer bewaffneten Karimojong-Nomaden. Sie wei- Klimawandel zugeschrieben. Geringere Regenfälle, gern sich, die Waffen abzugeben, weil sie dann ihre aber auch erhöhte Entnahme zur Trinkwassergewin- Herden nicht mehr schützen können. Wer diesen Men- nung und Stromerzeugung, lassen den See schrump- schen die Waffen nimmt, muss ihnen angesichts des fen – mit bisher nicht abschätzbaren Auswirkungen Klimawandels auch andere Überlebens-Perspektiven auf das Mikro- und Makroklima. bieten.” „Germanwatch” macht die hohe Verletzbarkeit von In der ugandischen Politik spielt Klimaschutz eine eher Entwicklungsländern durch den Klimawandel am Bei- marginale Rolle, die Prioritäten liegen – auch für die spiel Kaffeeanbau in Uganda deutlich: „Bei einem Geberländer – in der sozialen und wirtschaftlichen Ent- Temperaturanstieg von (nur) 2 Grad würde in Uganda wicklung. Es fehlt aber nicht der Hinweis, dass Klima- die für den Anbau von Robusta Kaffee geeignete schutz zunächst in der Verantwortung der Industrie- Fläche drastisch reduziert. Nur die höher gelegenen länder läge, zumal sie für den Großteil der weltweiten Gebiete im Südwesten des Landes wären noch nutz- Emissionen verantwortlich seien. Gäbe es von Seiten bar. Die restlichen Flächen lägen in Gebieten, die der Industrieländer einen Lastenausgleich oder dien- 102 ten Klimaschutzmaßnahmen der allgemeinen Entwick- gegen zu wirken und die Themen Umweltschutz und lung des Landes, so könnte das Thema Klimaschutz Klimawandel verstärkt auf die Agenda zu bringen. In verstärkt vorangetrieben werden. Im Tourismussektor den Medien wird das Thema regelmäßig aufgegriffen beispielsweise könnten die starken Ausbaubestrebun- und findet dadurch auch zunehmend in der Bevölkerung gen Ugandas in diesem Bereich durch den Klimawan- Beachtung. Im Frühjahr 2007 eskalierten Proteste del, der starke Veränderungen in Flora und Fauna mit gegen den Verkauf eines größeren staatlichen Areals sich bringen wird, gedämpft werden. Primärregenwaldes an einen Zuckerrohrfabrikanten in Straßenschlachten mit mehreren Toten. Allerdings Lokale Nichtregierungs- und Lobbyorganisationen aus waren die Umweltschutzanliegen auch überlagert von dem Umweltbereich versuchen durch Aufklärung und fremdenfeindlichen und anderen politischen Motiven. Politikbeeinflussung dem Desinteresse der Politik ent- MOSAMBIK: FÖRDERUNG VON KLEINBAUERN ALS BEITRAG ZUM KLIMASCHUTZ Ingo Scholz WIE REAGIEREN DIE MOSAMBIKANER AUF DIESES PHÄNOMEN? FA K T E N U N D A K U T E P R O B L E M E Formal stimmt alles: Mosambik ist Mitglied des InterMosambik ist ein Land, in dem tropische Zyklone, nationalen Abkommens über Klimawandel, Desertifi- Dürren und Überschwemmungen durch Niederschlag kation und Schutz der Ozon-Schicht. Das Land hat die noch häufiger auftreten als im afrikanischen Durch- UN-Konvention über Klimawandel (UNFCCC) im August schnitt. Der ist schon hart genug und stellt die afrika- 1995 ratifiziert. Das Ministerium für die Koordination nische Bevölkerung vor erhebliche Herausforderungen. der Umweltangelegenheiten ist die federführende Institution. Das Nationale Meteorologische Institut (INAM) Extrem und variabel war die Natur in Afrika immer: die übernimmt die Koordination für das „Intergovernmen- Regenfälle waren zeitlich und in ihrer Menge unbere- tal Panel on Climate Change (IPCC)”. Und Mosambik ist chenbar, die Dürren traten zyklisch auf. Bedenklich ist Mitglied des „Southern Africa Climate Outlook Forum” jedoch der Trend: Mosambik wurde wärmer. Zwischen (SARCOF) für Zyklonwarnungen. Dennoch geschieht 1901 und 1995 stieg die Temperatur 0,5–1 Grad. wenig aus eigener Anstrengung; das Thema „Klima- Bis 2080 sollen es – je nach Szenario – noch einmal wandel” wird vor allem von den Gebern angeschoben 1,6–1,9 Grad bzw. 5,1–6,4 Grad werden. Mosambik und in der Diskussion gehalten. Dass die Geber überall bekommt weniger Regen. Im Verlauf des letzten Jahr- involviert sind, ist bei einem Geberanteil am Staats- hunderts sank die Niederschlagsmenge um 10 Prozent. haushalt von 54 Prozent nicht verwunderlich, ebenso- Bei der Klimaänderung wirken drei Faktoren zusammen: wenig allerdings das Phänomen, dass man sich auf der geringere Niederschlag geht einher mit größerer die Geber verläßt. Kürzlich hat Mosambik 405.000 US- Variabilität und höherer Sonneneinstrahlung, die wie- Dollar erhalten, um den 2. Nationalen Bericht über den derum zu höherer Verdunstung führt. Die Effekte wirken Klimawandel zu verfassen. Es wird betont, dass inzwi- kumulativ. schen die Kenntnisse dafür im Land vorhanden seien. Er soll im ersten Quartal 2009 fertig werden. Ein wei- Es ist nicht zu übersehen, dass die Menschen mit diesen teres Phänomen ist, dass die fristgerechte Abgabe von Veränderungen nicht mehr fertig werden. Der Wasser- Berichten bereits als Indikator dafür genommen wird, mangel beschleunigt die Desertifikation. Hiervon sind 8 dass die Regierung ihre Hausaufgaben gemacht hat. von 11 Provinzen betroffen, ca. 30–40 Prozent der Landfläche Mosambiks. Hinzu kommen Bodenerosion, Ent- Es gibt einige Pilotversuche, die die Möglichkeiten der waldung, sinkende Grundwasserspiegel. Seit 1980 erlitt Landbevölkerung erkunden sollen, wie sie mit der Mosambik acht Dürreperioden, die das ganze Land oder Erwärmung und ihren Begleiterscheinungen umgehen den größeren Teil davon heimsuchten. Die „Erholung” werden. Sie werden finanziert von verschiedenen danach geht immer langsamer vonstatten. 60–80 Pro- Organisationen der Gebergemeinschaft, von UNDP zent der Mosambikaner sind unter- und fehlernährt. bis zu Oxfam. 103 Nachhaltige Reaktionen auf den IPCC-Bericht waren tiert. Da sie keine finanziellen Reserven besitzen und nicht feststellbar. Man kann argumentieren, dass Mo- schon gar keinen Eigentumstitel auf das Land haben, sambik so viele andere wichtige und akute Probleme bringt sie jede Ernteschwankung an den Rand der habe, und das Land sich daher nicht um alle Heraus- Hungersnot und in Abhängigkeit von der Nahrungsmit- forderungen in gleicher Weise kümmern könne. Es telhilfe. Man schätzt, dass ein Prozent des jährlichen besteht auch die Gefahr, dass die Schuld am Klima- Wachstums des Bruttoinlandsprodukts aufgezehrt wird wandel ausschließlich dem Kohlendioxid-Ausstoß der von den Verlusten infolge von Dürren und sonstigen Industrieländer angelastet wird. Die Feststellung, dass Wettereinflüssen. der afrikanische Kontinent am wenigsten zum Klimawandel beigetragen habe, jedoch am härtesten von ihm Die Regierung hat die Armutsbekämpfung zum obers- getroffen werde, ist häufig zu hören. Aber sie darf nicht ten Ziel erklärt. Investitionen in die kleinbäuerliche von der Eigenverantwortlichkeit der Afrikaner ablenken. Landwirtschaft sind der wichtigste Beitrag zur Anpassung der Landbevölkerung an den Klimawandel. An Denn sie verbrennen im wahrsten Sinne ihr Zukunfts- den Kleinbauern ist das Wachstum bisher vorbeigegan- potential: 45.000–120.000 Hektar Wald verschwinden gen. Mosambik verdankt seine eindrucksvollen Wachs- in Mosambik jährlich, um Brennmaterial zu erhalten und tumsraten einigen Enklaven-Industrien wie der Alumi- neue Anbauflächen zu gewinnen. Der Mangrovenwald, niumproduktion, den Strom- und Gasexporten, dem immer noch der beste Küstenschutz gegen Überflutun- Tourismus sowie zu einem geringen Teil der kommer- gen von der See her, nimmt jährlich um 6 km2 ab. ziellen Landwirtschaft. Es kommt darauf an, der großen Mehrheit der Bevölkerung dabei zu helfen, ihre natür- Der Druck auf die natürlichen Ressourcen steigt stän- lichen Lebensgrundlagen zu sichern und zu stärken, dig. Rund 70 Prozent der Mosambikaner leben von der damit sie diese nicht mangels Alternativen zerstören. Subsistenzwirtschaft ihrer marginalen ländlichen Exis- Dann werden sie auch dem Klimawandel nicht mehr tenzen. Ihr Überleben ist ausschließlich Biomasseorien- hilflos ausgeliefert sein. NIGERIA: IM DILEMMA DES KLIMAWANDELS Klaus Pähler Afrika produziert pro Jahr etwa eine Tonne CO2 pro Person. Südafrika, das mit Abstand industrialisierteste „Klimawandel in Nigeria ist eine tickende Zeitbombe Land des Kontinents, produziert 8,44 t, während Mali und es gibt wenig oder nichts, was zur Milderung sei- am anderen Ende der Industrialisierungsskala weniger ner Folgen getan wird!” als 0,1 t pro Person und Jahr produziert. Die USA generieren im Vergleich etwa 16 t pro Person und Jahr, Nnimmo Bassey, Vorsitzender von Environmental insgesamt also 5,7 Mrd.t oder 23 Prozent der Weltpro- Rights Action/Friends of the Earth Nigeria duktion. Damit sind sie der größte Produzent. Der E I N I G E FA K T E N bald übertreffen. Diese Angaben stammen zwar aus neue Stern am CO2-Himmel, China, wird die USA aber 2002, dürften sich aber in den Proportionen nicht weHäufig wird argumentiert, Afrika brauche sich um den sentlich geändert haben. Sie dienen hier nur der gro- Klimawandel nicht weiter zu kümmern, da von ihm nur ben Einordnung Afrikas in die Problematik: Ganz Afrika global vernachlässigbare Treibhausgase ausgehen. Da produziert danach nur etwa 920.000 t CO2 pro Jahr, der Klimawandel primär von den entwickelten Ländern also weniger als 4 Prozent der Weltproduktion. verursacht werde, sollten diese sich auch darum kümmern. Bittere Ironie des Schicksals: Von allen Kontinen- Da Afrika einer Anzahl von ressourcenverzehrenden ten trägt Afrika am wenigsten zum Klimawandel bei, Stressoren ausgesetzt ist (von HIV über Korruption bis wird darunter aber wohl am meisten leiden. Ein typi- zu dauernden blutigen Konflikten), bleiben ihm ver- scher Fall von negativen externen Effekten, einer Exter- gleichsweise wenige Ressourcen, auf den Klimawandel nalisierung von Kosten, würden Ökonomen sagen: Ein proaktiv zu reagieren. Wenn der, wie dargelegt, für Unbeteiligter trägt die Kosten der Handlungen anderer. den Kontinent ein externer Schock ist, liegt hier aus Sicht vieler Ökonomen ein vertretbarer Grund für Kompensationszahlungen und/oder Hilfeleistungen. 104 Süden steigt. Dies könnte langfristig zu Binnenmigration und resultierenden Konflikten um die schrumpfenden Ressourcen (bebaubare Böden, Wasser) führen. Auch internationale Konflikte sind zu erwarten, da Klimaflüchtlinge sich kaum durch die innerafrikanischen Grenzen aufhalten lassen werden. Einige Quellen sprechen bereits jetzt von einem Anteil illegaler Immigranten in Südafrika oder Nigeria von ca. 30 Prozent. Um eine Vorstellung zu geben: Steigt der Meeresspiegel um 20 cm, werden in Nigeria 740.000 Menschen verdrängt, steigt er um 1 m, sind es 3,7 Millionen Personen, bei 2 m wären es schon 10 Millionen. Von der UNFCCC in Nairobi war zu hören, Lagos (zwischen 7–14 Millionen Einwohner) könne eines Tages ganz einfach im Meer versinken. Vor dieser Hintergrundfolie müssen die BeIn Nigeria werden 2,5 Millionen Kubikfuß Erdgas pro Tag abgefackelt. Das entspricht 40 Prozent des gesamten Gasbedarfs Afrikas. mühungen oder genauer: Nicht-Bemühungen Nigerias, mit den absehbaren Problemen umzugehen, gesehen werden. K Y O T O U N D S E I N E W I RT S C H A F T L I C H E N Auf dem vom deutschen Bundespräsidenten Professor AUSWIRKUNGEN AUF NIGERIA Horst Köhler initiierten deutsch-afrikanischen Gipfel im Januar 2007 in Accra rief der nigerianische Präsident Politiken, die dem Klimawandel durch Senkung des Olusegun Obasanjo denn auch zu internationaler Hilfe Verbrauches fossiler Brennstoffe wie Öl, Gas oder Kohle zur Bewältigung der Folgen des Klimawandels auf und Einhalt gebieten wollen, haben natürlich erhebliche forderte, alle Länder sollten die entsprechenden inter- wirtschaftliche Auswirkungen auf die Produzenten bzw. nationalen Vereinbarungen einhalten. Lieferanten dieser Brennstoffe. Nigeria ist achtgrößter Öllieferant der Welt. Die neuntgrößten Gasvorräte MÖGLICHE FOLGEN lagern hier. Von einer nachhaltigen Senkung des Verbrauches dieser Energieträger wäre die nigerianische Da etwa 40 Prozent des afrikanischen Bruttosozialpro- Volkswirtschaft massiv betroffen. Sie ist praktisch dukts in der Landwirtschaft erzielt werden, und wie- eine Monokultur: Etwa 80 Prozent der Einnahmen der derum etwa 70 Prozent aller afrikanischen Arbeits- Regierung, 90–95 Prozent der Exporterlöse und über kräfte auf oft marginalen Böden beschäftigt sind, wird 90 Prozent der Deviseneinnahmen stammen aus dem deutlich, welche verheerenden sozio-ökonomischen Ölsektor. Von 1970–1990 wurden insgesamt etwa Folgen schon geringe klimatische Veränderungen ha- 200 Mrd. US-Dollar aus dem Erdölgeschäft erlöst. ben können. In den letzten Jahren versucht Nigeria daher zu diverFischbestände an den Küsten – Ghana verlor seit sifizieren. In Kuppelproduktion mit dem Öl fällt auch 1970 etwa 50 Prozent – oder in langsam austrocknen- Gas an, das bisher ganz überwiegend (ca. 75 Prozent) den Seen nehmen ab, wie etwa im Tschad-See, der einfach abgefackelt wird, weil es an technischen Anla- bereits auf ein Zehntel seiner ursprünglichen Größe gen zu seiner Nutzung fehlt. Dieses Gas wird nicht geschrumpft ist und von dem die Wasserversorgung etwa von hohen Türmen aus verbrannt sondern oft von über 10 Millionen Menschen in den Anrainerstaa- direkt auf der Erde, da, wo es aus dem Boden austritt. ten abhängt. Durch das rapide Austrocknen des Sees ist es inzwischen umstritten, ob Nigeria überhaupt Die dadurch entstehenden Dioxine und anderen Karzi- noch Anrainer des Sees ist. nogene schädigen Einwohner und Umwelt. Das Land fackelt mehr Gas ab als irgendein anderes Land: Die Ernährung immer noch dramatisch wachsender 2,5 Millionen Kubikfuß pro Tag. Das entspricht 40 Pro- Bevölkerungen – Nigerias Bevölkerung wuchs in den zent des gesamten in Afrika genutzten (!) Gases und letzten 15 Jahren von 89 Millionen auf 140 Millionen trägt durch das enthaltene Methan und CO2 mehr Menschen – wird gefährdet, weil mit zunehmender Ver- zur globalen Erwärmung bei als die Emissionen ganz wüstung oder Sahelisierung die natürlichen Ressourcen SubSahara-Afrikas zusammen. Bis 2008 soll dieses abnehmen, etwa im Norden Nigerias, während gleich- Abfackeln beendet werden. zeitig der Meeresspiegel an seiner tropischen Küste im 105 Die Befolgung des Kyoto-Protokolls ist für das Land oder erst recht dem Bewußtsein des Landes so ferne also ein zweischneidiges Schwert: Auf den Klimawan- Fragen wie der Klimawandel außerhalb der Zirkel von del dürfte sie sich langfristig positiv auswirken, auf sei- Fachleuten oder Umwelt-NRO wirklich Aufmerksamkeit ne wirtschaftliche Entwicklung aber kurzfristig negativ. gefunden hätten. Entwicklungspolitisch hat man kurz- Die Einhaltung des Kyoto-Protokolls würde die Ein- fristig viel dringendere Sorgen und strategische Weit- nahmen der OPEC-Staaten, zu denen Nigeria gehört, sicht ist hier nicht unbedingt fester Bestandteil der bis 2010 um 25 Prozent reduzieren. Für die nigeriani- Politik. Zudem entziehen sich die mit dem Klimawandel sche Entwicklungsplanung wäre dies eine Katastrophe: verbundenen Probleme und Lösungsstrategien in ihrer Dringend nötige Investionen in Bildung oder Infra- Komplexität oberflächlichem Politgerede. struktur könnten allenfalls zum Teil vorgenommen werden, mit dauerhaft negativen Folgen für den Ent- Die Entwicklungsplanung des Landes erkennt die wirt- wicklungspfad des Landes. schaftliche Bedrohung durch den Klimawandel und die Gefahr durch verringerten Verbrauch fossiler Energie- Eine wichtige Rolle dürfte hier auch Chinas Energiesi- träger sinkender Öleinnahmen nicht einmal, geschwei- cherungspolitik mit ihrem stark wachsenden Engage- ge denn, daß sie Konzepte dafür vorlegt. In der dafür ment in den extraktiven Industrien Afrikas spielen, und zuständigen „National Planning Commission" soll das am Rande sei erwähnt, daß Nigeria plant, in mittlerer Thema allerdings künftig stärker beachtet werden. Hier Zukunft ca. 4000 MW aus eigenen Kernkraftwerken zu hat der soeben gewählte Präsident eine weitere wichti- beziehen. Die Frage nach der Reaktorsicherheit mag ge Aufgabe: Diversifizierung der Volkswirtschaft, Un- man in einem Land, in dem es keine stabile herkömm- abhängigkeit von fossilen Brennstoffen (in diesem Falle liche Stromversorgung gibt und dessen Luftraum vom Unabhängigkeit vom Verkauf dieser Brennstoffe), Wie- Präsidenten als unsicher bezeichnet wurde, gar nicht derbelebung der darniederliegenden Landwirtschaft, erst stellen. Das ökologische Szenario des Landes Industrialisierung (der Anteil der Industrieproduktion könnte sich über Nacht grundlegend verändern. am BSP ist hier im Lauf der Jahre auf etwa 6 Prozent Nigeria hat das Kyoto-Protokoll zwar unterschrieben zurückgegangen) und Entwicklung des kaum existie- (es gehört zu den Nicht-Anhang-1-Staaten und ist also renden Dienstleistungssektors sind einige Stichworte. nicht zu Maßnahmen verpflichtet), doch glaubt das In jedem Falle ist dem neuen Präsidenten Weitsicht zu „Institute for Public Policy Analysis” (IPPA), Nigeria wünschen, sonst könnte das Land von einem der bei- käme mit eigenen Initiativen besser mit dem Klimawan- den Hörner des Dilemmas aufgespießt werden: Klima- del zurecht. Interessant ist, daß IPPA den Klimawandel wandel oder sinkende Ölerlöse. für den Alarmismus von Interessenten hält. Viele vorgeschlagene Politiken würden Nigeria eher schaden als nützen. Nigeria solle stattdessen seine Anpassungskräfte stärken, zum Beispiel durch den Aufbau marktwirtschaftlicher Strukturen. Dadurch würden ausländische und inländische Investitionen, Handel und Wohlstand angeregt. Die Fähigkeit des Landes, mit Herausforderungen spontan umzugehen, werde dadurch ebenfalls gestärkt. Das ist im Prinzip ein völlig richtiger Ansatz. Aber so sehr der Verfasser mit marktwirtschaftlichen Strukturen sympathisiert – sie verbinden ja die Desiderate Freiheit und Wohlstand – so skeptisch ist er hinsichtlich deren Realisierung in Nigeria. Wie in so vielen Entwicklungsländern wird auch hier „Kapitalismus für die Armen” mit „Sozialismus für die Reichen” kombiniert. „W A S T U N ? ” F R A G T N I G E R I A S I C H N I C H T Die nigerianische Politik oder auch die öffentliche Diskussion befassen sich mit den angesprochenen Problemen so gut wie gar nicht. Zu sehr waren die beiden letzten Jahren von der innenpolitischen Machtfrage beherrscht, ob der gegenwärtige Präsident durch eine Verfassungsänderung die Chance auf eine dritte Amtszeit bekommen würde, als daß inhaltlich politische 106 SENEGAL: DISKREPANZ ZWISCHEN ABSICHTSERKLÄRUNGEN UND POLITISCHEM HANDELN Karsten Dümmel ein Forschungszentrum für erneuerbare Energien geschaffen. Senegal nimmt an allen internationalen Kli- Saint Louis im Ozean versunken, Dakar vom Wasser makonferenzen teil. Mit Brasilien wurde ein Abkom- zweigeteilt und große Bereiche der anderen Küsten- men über die Produktion von Biodiesel abgeschlossen, städte unter Wasser, das Hinterland eine Wüste: sol- um mittel- und langfristig von der fossilen und ver- che Katastrophenszenarios sind von Zeit zu Zeit in der schmutzenden Energie unabhängig zu werden. Zahl- senegalesischen Presse zu finden. Der Klimawandel reiche Entwicklungsprojekte, u. a. auch von der GTZ, macht nicht vor Senegal Halt und selbst, wenn diese widmen sich der Verbreitung von energiesparenden Szenarios überzogen klingen, ist die Klimaverände- Brennmethoden (Energiesparbrennöfen, Solarplatten) rung in vielen Landesteilen schon lange spürbar. und der Wiederaufforstung. Sporadisch werden Sensibilisierungsaktionen in der Bevölkerung durchgeführt, In den Küstenbereichen treten immer häufiger Über- um sie zum Energiesparen und zum Engagement für flutungen auf, in der Regenzeit stehen ganze Stadt- eine saubere Umwelt zu motivieren. Mit der letzten viertel unter Wasser. Die Wüste schreitet unaufhaltbar Regierungsumbildung im März 2007 wurde eigens ein südwärts. Die einst grünen Regionen des Ostens um Ministerium für erneuerbare Energien geschaffen. Der Tambacounda und Kolda sind in weiten Bereichen Minister ist Professor Christian Sina Diatta, ehemaliger völlig abgeholzt, zurück blieben Dornensavanne und Forschungsminister und eminenter Nuklearphysiker, eine deutliche Klimaerwärmung. Die wertvollen Tro- der im Rahmen der Präsidentschaftswahlkampagne penhölzer werden nicht nur für Möbel oder Skulpturen ein Kernkraftwerk für die Casamance, eine der ausgerottet, sie werden zu Brennholz und zu Holzkoh- schönsten Naturzonen des Landes, versprach. le verarbeitet. Die senegalesischen Hausfrauen kochen mit Holz oder Holzkohle, Strom ist nur in den großen Im Bereich der internationalen Zusammenarbeit wur- Städten verfügbar und Gas ist zu teuer. den schon 2005 die Grundlagen für eine intensive Kooperation zwischen Unternehmern der AKP-EU Länder Die Umweltzerstörung greift in beunruhigender Weise im Bereich der Produktion schadstoffarmer und erneu- um sich. Wie das Haus- und Industriemüllentsorgungs- erbarer Energie gelegt. Die senegalesischen Entschei- problem gelöst wird, ist nicht erkennbar. Es gibt keine dungsträger sind sich durchaus der Dringlichkeit des Müllverbrennungsanlagen und nur wenige Steinbrüche, Themas bewusst und organisieren in regelmäßigen die zu Müllhalden umfunktioniert wurden. Die Stadt- Abständen Konferenzen und Kongresse über den Kli- und Dorfränder oder die stadtnahen Strände sind zu mawandel. Müllhalden umfunktioniert worden. Neben dem kommerziellen Holzraubbau tragen auch die umherzie- Angesichts der Diskrepanz zwischen theoretischen henden Rinderherden zur Zerstörung der Flora bei, Überlegungen, Absichtserklärungen und der Realität indem sie die wenigen grünen Bäume des Sahellandes stellt sich die Frage nach dem politischen Willen im „abernten”; mehr als die Hälfte der Bäume gehen ein. Hinblick auf die Umsetzung dieser Ziele. Wie lässt sich erklären, dass der Staatspräsident persönlich ein De- Die Medien behandeln die Umweltfrage nur zögerlich. kret unterzeichnete, nach dem mehrere hundert Hektar Ein Umweltbewusstsein muss erst geschaffen werden. Wald gerodet und für landwirtschaftliche Zwecke ge- Innerhalb der Zivilgesellschaft gab und gibt es einige nutzt werden dürfen? Diese Waldgebiete – wenn es wenige Initiativen, die Bevölkerung für die Umwelt- sich auch „nur” um dürftigen Sahelwald handelt, wur- problematik zu sensibilisieren, beispielsweise durch den vom Staatschef verschiedenen Führern der großen „Set Setal” Aktionen, in denen die Jugendlichen ihr muslimischen Bruderschaften übergeben. Die Umwelt- Viertel sauber machen. Meist hält dies aber nicht lan- schützer reagierten mit einem Aufschrei und warnten ge an. In einem Land, in dem ein Großteil der Land- vor einer ökologischen Katastrophe. Diese Reaktion bevölkerung und viele Stadtbewohner in extremer wurde indes in der Presse nicht weitergegeben. Armut leben, steht die Umwelt nicht auf der Prioritätenliste. Reaktionen auf den Stern-Bericht oder die bereits veröffentlichte Teile des IPCC-Berichtes sind in Senegal Ist die Lage in Senegal also hoffnungslos? Die Regierung und das Parlament haben sich schon seit einiger Zeit der Umweltproblematik angenommen. Es wurde nicht bekannt. Es ist eine Binsenwahrheit, in Senegal von einer wirklichen Trennung zwischen Staat und Religion zu sprechen. Wenn auch das Land formal eine moderne, westlich ausgerichtete Demokratie ist, spielen doch die traditionellen und vor allem religiösen Instanzen (Khalifen, Marabouts) eine große Rolle. Sie werden von der Mehrheit der Bevölkerung geachtet und verehrt und ihre Meinung ist häufig ausschlaggebend, In vielen Regionen Afrikas sind Dürre und Wasserarmut ein großes Problem. auch wenn sie diese nicht öffentlich machen. Wenn auch die Marabouts in der Regel nicht selber Politik betreiben und die Parteibildung nach religiösen Krite- Die Entscheidung für nachhaltige Entwicklung und um- rien verfassungsmäßig untersagt ist, verfügen sie weltschonende Maßnahmen hängt also nicht nur von dennoch über weitverzweigte und mächtige Bezie- dem politischen Willen der Entscheidungsträger ab. hungsnetze, die in der Lage sind, politische, wirt- Eine Patentlösung gibt es nicht. Die Politik und die schaftliche oder juristische Entscheidungsprozesse Religion im Lande ignorieren die Problematik weitest- zu beeinflussen. gehend. W E S TA F R I K A : B E N I N , T O G O , B U R K I N A FA S O , NIGER, MALI UND ELFENBEINKÜSTE David Robert | Corinna Heuer Die westafrikanischen Staaten sind natürlich nicht nur Betroffene des Klimawandels, sie tragen auch dazu bei. DAS TÄGLICHE ÜBERLEBEN STEHT FÜR DIE Aufgrund fehlender Industrie sind es vor allem die MEHRHEIT DER MENSCHEN IM VORDERGRUND Landwirtschaft und der Straßenverkehr, der zur Schädigung der Erdatmosphäre beiträgt. Das fast vollständige Die Auswirkungen des Klimawandels sind in Benin und Fehlen öffentlicher Verkehrsmittel und dadurch bedingt anderen Staaten Westafrikas bereits heute zu spüren. die extrem starke Ausprägung des Individualverkehrs Die Ausbreitung der Wüsten bedroht nicht nur die Sa- stellen eine große Belastung dar. Zwar gehören die helländer Mali, Niger und Burkina Faso, sondern auch Großstädte der Region mit 500.000 bis 1.000.000 Ein- bereits die Küstenländer Benin und Togo. Im Norden wohnern nicht zu den größten Städten Afrikas, doch ist der beiden Staaten sind eine zunehmende Verstep- auch hier bereits die Luftverschmutzung ein großes Pro- pung und ein Ausbleiben von Regen zu beobachten. blem. Besonders die Tatsache, dass viele Mofas und vor Schon seit einigen Jahren sinken die Niederschläge in allem zwanzig und fünfundzwanzig Jahre alte Autos auf den Sahelländern und führen vermehrt zu Dürren. den Straßen fahren, sorgt für eine enorme Belastung Die Küstenländer Benin und Togo sind darüber hinaus mit CO2 und Rußpartikeln. Darüber hinaus ist die man- von Küstenerosion bedroht, welche in Cotonou/Benin gelhafte Stromversorgung in der Region die Ursache bereits ganze Häuserzeilen ins Meer gespült hat. Ein dafür, dass in der Wirtschaft und in Privathaushalten Ansteigen des Meeresspiegels, wie in den Klimaprog- dieselbetriebene Stromgeneratoren teilweise 16 Stun- nosen vorhergesagt, hätte katastrophale Folgen für den am Tag laufen. Weitere Faktoren, welche den Kli- die Staaten an der westafrikanischen Küste. Die bei- mawandel extrem verschärfen, sind auf dem Lande die den wichtigsten Städte Benins, Cotonou und Porto Praktiken der Brandrodung und die Herstellung von Novo, würden größtenteils im Meer versinken. Holzkohle. Die Energieversorgung auf dem Land wird fast vollständig über Holzkohle abgedeckt. Vor diesem Hintergrund haben die Staaten der Region die internationalen Umweltabkommen, z.B. das Kyoto- Obwohl alle Staaten Westafrikas die internationalen Abkommen, unterzeichnet. Nationale Umweltagentu- Klimaabkommen unterzeichnet haben und die Regie- ren, wie das interdisziplinäre „Comité National des rungen sich theoretisch den Herausforderungen durch- Changements Climatiques” in Benin, übernehmen die aus bewusst sind, gibt es um den Klimawandel und Koordinierung und Umsetzung der internationalen Abkommen in den nationalen Kontext. 108 seine Folge keine öffentliche Diskussion. Umweltorga- und Beobachtungen versucht wird, Wolken abregnen nisationen spielen in Westafrika keine Rolle. Parteien zu lassen. Das „Saaga”-Programm stellt zwar bis jetzt nehmen das Thema nicht auf und die Presse berichtet nur die Behandlung von Symptomen dar, zeigt aber über Umweltthemen nur aus gegebenem Anlass. den Willen der betroffenen Staaten, sich nicht einfach ihrem Schicksal zu ergeben. Gleichzeitig macht das Weil die Länder Westafrikas zu den ärmsten Ländern Programm deutlich, dass die staatlichen Vertreter für der Welt gehören, stehen soziale und wirtschaftliche Veränderungen des Klimas sehr sensibilisiert sind. Themen im Mittelpunkt. Angesichts der Tatsache, dass die Staaten Probleme haben, die Grundversorgung ih- Angesichts der Tatsache, dass oft nur 6 bis 10 Prozent rer Bevölkerung mit Wasser, Strom etc. sicher zu stel- der Landbevölkerung sowie 20 bis 30 Prozent in den len, entwickelt sich keine Diskussion darüber, ob Die- Städten an Strom angeschlossen sind, macht deutlich, selgeneratoren umweltschädlich sind. Die Menschen welche Herausforderungen den Ländern bevorstehen. sind froh, überhaupt Strom zu haben. Auf dem Lande Die zunehmende Anbindung an die Stromversorgung wird den Menschen zur Holzkohle keine Alternative. und ein Bevölkerungswachstum von durchschnittlich Die Solarenergie ist zu teuer und in der Anwendung 3 Prozent verdeutlichen, wie dringend notwendig eine und Wartung noch nicht ausreichend auf die Verhält- ökologisch „saubere” Stromproduktion für diese Länder nisse in Afrika zugeschnitten. ist. Sollten noch mehr Stromgeneratoren mit Diesel und Kraftwerke mit Erdöl Strom erzeugen, steigern sich die Die Situation in Westafrika zeigt, Armut setzt die Men- CO2 Emissionen. Wenn man davon ausgeht, dass in den schen auch bezogen auf den Umweltschutz größeren nächsten 40 Jahren in den Ländern Benin, Togo, Burkina Gefahren aus. Ursache ist jedoch nicht allein ein feh- Faso, Niger und Mali mit einer Bevölkerungszunahme lendes Umweltbewusstsein sondern der Zwang, Priori- von rund 130 Millionen Menschen zu rechnen ist, wird täten setzen zu müssen. Solange die Menschen froh deutlich, dass die Herausforderungen für den Klimawan- sind, überhaupt Nahrungsmittel zu haben, die sie auf del in den unterentwickelten Ländern liegen. Nach Be- Holzkohle zubereiten können, stellen sie sich nicht die rechnungen des Potsdam-Instituts für Klimafolgenfor- Frage, wie schädlich Holzkohle in der aktuellen Klima- schung (PIK) würde selbst die Einstellung der Emissio- debatte eingestuft wird. In einer Region, in der die nen in den OECD Ländern die Erderwärmung nicht auf- Lebenserwartung rund 45 Jahre beträgt und viele halten können. Die Länder Westafrikas gehören auf- Kinder an Malaria sterben, stehen in der politischen grund ihrer schwachen wirtschaftlichen Aktivität derzeit Diskussion andere Fragen im Vordergrund. sicher nicht zu den Hauptverursachern, zeigen allerdings exemplarisch, welche Bedeutung auch die unterentwi- Bei akuten Klimaproblemen wie dem Ausbleiben des ckelten Regionen für den Klimawandel haben. Regens oder Abrutschen von Küstenlinien ins Meer, berichten Medien eine Zeitlang über Umweltfragen. Hilfe bei der Substitution von Holzkohle und der Mo- Hieraus konnte sich aber bis heute keine dauerhafte dernisierung der Landwirtschaft sind dringend notwen- und tiefgehende Umweltdiskussion entwickeln. Ebenso dig, um einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leis- zeigen nationale „Monate des Baumes”, in dem es ten zu können. Die Einführung von öffentlichen Ver- überall zu Pflanzungen kommt, keine nachhaltige Wir- kehrsmitteln sind kein Luxus, sondern eine Notwen- kung auf den Charakter der öffentlichen Diskussionen. digkeit. Hier werden nicht nur technologische Hilfen sondern vor allem auch Finanzhilfen gefordert sein. Klimawandel und Umweltschutz sind fürs erste noch Angelegenheiten der zuständigen Fachbehörden, Globaler Klimaschutz wird zukünftig so definiert sein welche – gestützt auf UN-finanzierten Gutachten – müssen, dass man sich überlegt, wo mit wie viel Geld die Auswirkungen der Umweltbelastungen registrie- der größte Effekt erzielt werden kann. Sollten sich die ren. Kenntnisse über die Zusammenhänge und Aus- Prognosen der Experten zum Klimawandel bewahrhei- wirkungen liegen vor, aber eine Übertragung in die ten, wird man es sich bald nicht mehr leisten können, öffentliche Diskussion gibt es nicht. in Europa Millionen auszugeben, um zwei Prozent mehr Emissionen zu reduzieren, wenn man vergleich- Ein Beispiel dafür, dass die Behörden agieren, ist der bar in anderen Ländern mit dem gleichen Geld fünfzig Zusammenschluss der Sahelländer im Verbund CILSS Prozent Reduktion erreichen kann. Westafrika benötigt (Comité Inter-Etats de lutte contre la sécheresse au dringend eine solche Partnerschaft gegen den Klima- Sahel). Mit diesem Staatenzusammenschluss will man wandel, da ansonsten jeder Fortschritt in der Entwick- der voranschreitenden Wüstenbildung begegnen. Im lung der Länder, deren Lebensgrundlagen und über Rahmen dieses Zusammenschlusses experimentieren den Klimawandel auch die Lebensgrundlagen Europas insbesondere Burkina Faso und Mali seit 1999 mit in Frage stellen wird. dem Programm „Saaga”. „Saaga” ist ein Programm, bei dem mit Hilfe von meteorologischen Forschungen RESÜMEE 110 D I E K L I M A D E B ATT E I N D E U T S C H L A N D , E U R O P A U N D D E R W E LT Hartmut Grewe märenergieversorgung Europas im gleichen Zeitraum von derzeit 6,5 Prozent auf zwanzig Prozent aufge- In Deutschland schlägt der Klimawandel in der Öffent- stockt werden. Für den Einsatz im Verkehrssektor wird lichkeit seit einiger Zeit hohe Wellen. Kaum ein Tag ein zehnprozentiger Anteil von Biokraftstoffen ange- vergeht, an dem dieses oder verwandte Themen wie strebt. Zentral ist auch die Aufforderung an alle euro- die Energiepolitik nicht von den Medien aufgegriffen päische Staaten, dafür zu sorgen, dass die Energieeffi- werden. Häufig veröffentlichen überregionale Tages- zienz allgemein um zwanzig Prozent gesteigert wird. und Wochenzeitungen umfangreiche Dossiers mit rele- Damit will Europa ein Zeichen setzen für den Rest der vanten Aufsätzen und Nachrichten über energie- und Welt, denn viele andere Staaten müssen mitziehen, klimapolitische Ereignisse, teilweise auch mit nütz- damit globale Wirkung erzielt werden kann. Die EU-27 lichen Hintergrundinformationen und Dokumentatio- ist gerade mal für ein Siebtel der weltweiten Emissionen nen. Die deutsche Öffentlichkeit kann sich als hervor- verantwortlich und Deutschland trägt nur einen Anteil ragend informiert betrachten. Der weltweite Klimawan- von 3,2 Prozent bei. del wird als die größte Herausforderung des 21. Jahrhunderts gesehen. Auch die Politik unternimmt natio- Nun gilt es, diese ehrgeizigen Ziele zügig mit geeigne- nale wie internationale Anstrengungen, sich diesem ten Maßnahmen anzugehen. Denn mit der selbst ge- Thema anzunehmen. Sie lässt sich von renommierten wählten Vorreiterrolle von Deutschland für Europa und Klimaforschern und Expertengremien beraten, wie dem die Welt steht die eigene Glaubwürdigkeit auf dem Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung für Spiel. Wenn es zuhause nicht gelingen sollte, die für Globale Umweltveränderungen (WBGU) oder dem notwendig und praktikabel erachteten Schritte politisch Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Im auf den Weg zu bringen, wie will man dann Gefolg- Bundeskabinett ist insbesondere das Bundesministe- schaft und Nachahmung von den Partnerstaaten er- rium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit warten? Deshalb hat das Bundeskabinett auf seiner (BMU) ein eifriger Fürsprecher für klimapolitische Klausurtagung im August 2007 in Meseberg schnell Belange. Es vertritt die Lobby der aufkommenden gehandelt und ein Maßnahmenpaket mit 29 Punkten erneuerbaren Energien gegenüber dem Wirtschafts- verabschiedet, über das der Deutsche Bundestag im ministerium (BMWI), das sich als eigentliches „Ener- Herbst entscheiden wird. Damit soll der CO2-Ausstoß in gieministerium” versteht und sich u. a. mit den tradi- Deutschland bis 2020 um rund 35 Prozent gegenüber tionellen fossilen Energieträgern befasst. Der von der 1990 gesenkt werden; erreicht sind schon 18 Prozent, großen Koalition aus CDU/CSU und SPD bestätigte vor allem aber wegen des Umbaus der Energiewirt- Atomausstieg bleibt zumindest für die Dauer der Le- schaft im Osten Deutschlands. Strittig war bis zuletzt gislaturperiode unangetastet, obwohl die Kernenergie die Kostenfrage. Die Mittel für den Klimaschutz werden fast keine CO2-Emissionen verursacht. von bislang 700 Millionen Euro auf 2,6 Milliarden Euro aufgestockt. Daneben werden auch die Verbraucher Deutschland hatte in diesem Jahr die einmalige Chance zur Kasse gebeten, denn die zusätzlichen, staatlich zu einer doppelten internationalen Führungsrolle mit veranlassten Kosten werden von den Produzenten über dem Vorsitz im Ministerrat der Europäischen Union höhere Energie- und Produktpreise abgerechnet. Da- während des ersten Halbjahrs und dem ganzjährigen durch soll ein Anreiz zum vermehrten Energiesparen Vorsitz in der Runde der acht größten Wirtschaftsmäch- geschaffen werden, was unter dem Strich als Kosten te der Welt (G8). Die Bundesregierung hat diese Chan- entlastend und Klima schonend betrachtet wird. Eine ce genutzt, Verantwortung übernommen, und sich bei Kosten-Nutzen-Rechnung der einzelnen Maßnahmen ihren Partnern unter anderem für einen globalen Klima- steht noch aus, ist aber in Aussicht gestellt. Erwäh- schutz eingesetzt. Der Bundeskanzlerin Angela Merkel nenswert ist aber die geänderte Sichtweise beim Kli- ist es im März 2007 gelungen, die Staats- und Regie- maschutz: Was vor wenigen Jahren noch überwiegend rungschefs der EU-Staaten zur Verabschiedung eines als Belastung für die Wirtschaft und den Verbraucher ambitionierten Klima- und Energiepakets zu bewegen. gesehen wurde, wird heute als Chance und Neubeginn So soll der CO2-Ausstoß bis 2020 europaweit um min- für Wirtschaft und Gesellschaft betrachtet. Insbeson- destens zwanzig Prozent gegenüber dem Stand von dere die Branche der erneuerbaren Energien gilt als 1990 reduziert werden, um das vom UN-Weltklimarat Jobmotor und Wachstumsmarkt der Zukunft mit gro- (IPCC) für notwendig erachtete Zwei-Grad-Ziel zur Be- ßen Exportanteilen. grenzung der Erderwärmung nicht zu gefährden. Ferner soll der Anteil der erneuerbaren Energien an der Pri- 111 Ob Deutschland mit seinem rigorosen klima- und ener- besonderer Handlungsdruck auf Politik und Wirtschaft giepolitischen Kurs (absoluter Vorrang für den Klima- zu erwarten. Es sei denn, dass die regionalen Auswir- schutz, auch ohne die Kernkraft, sowie Energiewende kungen des Klimawandels sich auch im eigenen Land mit Erneuerbaren und Energieeffizienz) international, bemerkbar machen und zentrale Wirtschaftsbereiche zumindest bei seinen europäischen Partnern Unter- wie Landwirtschaft und Tourismus beeinträchtigen. stützung finden wird, ist eine spannende, aber letztlich offene Frage. Die Berichte aus den europäischen Aus- Im Folgenden soll in groben Umrissen dargestellt wer- landsbüros der KAS belegen, dass nur in den skandina- den, wie sich die Klimadebatte in den einzelnen Regionen vischen Ländern (mit Sonderfall Norwegen) und in den Europas und den übrigen Kontinenten entwickelt hat. westlichen Nachbarstaaten (Benelux, Großbritannien und mit Einschränkungen Frankreich) das Klimathema K L I M A D E B ATT E I N G R O S S B R I TA N N I E N ähnlich ernst genommen wird und die Politik auch dort U N D I N S K A N D I N AV I E N zum Klimaschutz antreibt. Vergleichbares kann man von den deutschsprachigen Nachbarn im Süden, Österreich Die wissenschaftlichen Berichte zum Klimawandel wie und der Schweiz, vermelden. Die Situation stellt sich der von Sir Nicholas Stern und die vom Weltklimarat im restlichen Europa ganz anders dar. In Spanien und (IPCC) werden von der britischen Regierung sehr ernst Italien ist zwar das Thema Klimawandel in der öffent- genommen. Sie verpflichten die Regierung zum politi- lichen und politischen Debatte angekommen. Doch die schen Handeln, sowohl auf nationaler wie auch auf Wirtschaft hat Vorrang und Klimaschutz wird vornehm- internationaler Ebene. Für Großbritannien werden Aus- lich als Kostenfaktor in Rechnung gestellt und nicht wirkungen wie wärmere Temperaturen, Hitzewellen, als Chance für einen Neubeginn im Energiesektor be- stärkere Stürme und starke Regenfälle im Herbst und trachtet. Spanien ist sogar einer der großen Klimasün- Winter, sowie ein Anwachsen des Meeresspiegels vor- der weltweit mit einer Überschreitung um 35 Prozent hergesagt. Im Sommer 2007 waren es die katastropha- über den vom Kyoto-Protokoll zugestandenen Emis- len Überschwemmungen ganzer Landstriche aufgrund sionswerten (plus 15). Deshalb wird dort jetzt in aller der monsunartigen Regenfälle in Südwest-England, die Eile auf die Karte „erneuerbare Energien” gesetzt. die britische Öffentlichkeit beschäftigte und besorgt In Südosteuropa sowie auf dem Balkan, aber auch in machte. Neben der eigenen Bedrohungssituation wer- Osteuropa und in den baltischen Staaten überlagern den auch die globalen Dimensionen des Klimawandels andere Probleme die Sorgen um Umwelt und Klima. diskutiert. Das Land will einen signifikanten Beitrag zur Dort sind Themen wie der volkswirtschaftliche und Eindämmung der Folgen leisten. Eine deutliche Mehr- energiewirtschaftliche Umbau bzw. Wiederaufbau, heit der Bevölkerung erkennt die Ergebnisse des IPCC- die Lösung aus der Abhängigkeit von Russland sowie Berichtes an. Die Regierung Blair hatte im März 2007 Arbeitslosigkeit und soziale Verwerfungen von über- einen Gesetzentwurf zur Reduzierung der CO2-Emissio- ragender Bedeutung. Umwelt- und Klimaschutz wer- nen um 26–32 Prozent bis 2020 (gegenüber 1990) und den dabei von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft bis 2050 um 60 Prozent vorgelegt. Ein neu einzurich- vernachlässigt, obwohl es in diesen Ländern gravie- tendes Sachverständigen-Gremium soll die Regierung rende Umweltbelastungen gibt und Auswirkungen des bei der Umsetzung ihrer Ziele zum Klimaschutz beraten Klimawandels auf Landwirtschaft und Tourismus zu und dem Parlament einen jährlichen Bericht vorlegen. befürchten sind. Das „UK Climate Change Programme” enthält alle Maßnahmen auf nationaler und internationaler Ebene zur In vielen Ländern Mittel- und Osteuropas stehen ande- Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen. re Umweltprobleme als die energiebedingten Emissionen von Treibhausgasen auf der Agenda: die enorme So ist der britische Beitrag zur CO2-Minderung bislang Luftverschmutzung durch schwefelhaltige Abgase und positiv: Großbritannien ist neben Deutschland der Russpartikeln aus Kaminen und dem Straßenverkehr, einzige EU-Staat, der sein Reduktionsziel nach dem die Wasserverschmutzung wegen fehlender Kläranla- Kyoto-Protokoll weitgehend erfüllt. Erreicht wurde gen und unzureichender Trinkwasseraufbereitung so- dieses durch einen „fuel switch”, d.h. den Ersatz von wie die Müllentsorgung von Plastik und toxischen Ma- Kohle durch Gas als Brennstoff bei der Stromerzeu- terialien auf ungesicherten Deponien bereiten zuneh- gung, allerdings um den Preis zunehmender Abhängig- mend Gesundheitsrisiken für die Bevölkerung in Stadt keit von Gasimporten aus Norwegen und Russland bei und Land. Die Minderung von nicht sichtbarem Kohlen- gleichzeitigem Rückgang der heimischen Produktion. dioxid aus der Atmosphäre spielt in dieser Rechnung Dieser Brennstoffwechsel ist teilweise wieder rückläufig nur eine untergeordnete Rolle. Das CO2-Vermeidungs- wegen des teurer gewordenen Importgases, was Kohle thema ist noch längst nicht in der Öffentlichkeit ange- und Kernenergie für den Kraftwerksbereich wieder kommen und wird bestenfalls von Experten diskutiert oder von den Medien als Modethema abgehandelt. Deshalb ist aus der eigenen Bevölkerung auch kein 112 attraktiv macht. Bei erneuerbaren Energien setzt das Energiestrategie in Deutschland stößt im eigenen Land Land vornehmlich auf die Windkraft, vorzugsweise im auf Unverständnis und Ablehnung. Die allgemein offshore-Bereich. Außerdem gibt es Pläne zum Bau akzeptierte Zielsetzung, den globalen Temperaturan- des größten Gezeitenkraftwerks der Welt in Südwest- stieg auf zwei Grad zu beschränken, erfordere eine England in der Severn-Mündung. Als Hauptmotiv für Minderung der eigenen Emissionen bis 2050 um bis das Projekt wird der Klimaschutz genannt, wenngleich zu 50 Prozent. es unter ökologischen Vorbehalten steht. Weniger strittig sind dagegen die staatlichen Bemühungen, mit Dänemark hat gezeigt, dass Wirtschaftswachstum Hilfe eines nationalen Fonds der britischen Wirtschaft ohne eine Erhöhung der Treibhausemissionen möglich finanzielle Unterstützung bei der Entwicklung und An- ist. Energiesparen durch effizienteren Umgang mit wendung klimaschonender Technologien zu gewähren. Energie hat dies ermöglicht. In der Energiepolitik sind Erklärtes Ziel ist eine kohlenstoffarme Wirtschaft. außerdem die Weichen in Richtung einer Energiewende gestellt worden. Erneuerbare Energien, insbeson- In Finnland geht eine deutliche Mehrheit der Bevölke- dere Windenergie und Biomasse, gewinnen gegenüber rung davon aus, dass der Klimawandel ein vom Men- den fossilen Energieträgern Öl und Gas stärker an Be- schen verursachtes Problem ist. Da nationale Allein- deutung. Gerade eben wurde auf Lolland ein Wasser- gänge keine Antwort geben können, setzt man große stoff-Kraftwerk eingeweiht, das als Speichermedium Erwartungen an die Handlungsfähigkeit der Europäi- für nicht genutzte Windenergie-Kapazitäten genutzt schen Union. Insbesondere die nördlichen Regionen, werden soll. Umweltbewusstsein und die Sorgen um wie Lappland, wären von den Auswirkungen des Klima- den Klimawandel sind in der dänischen Bevölkerung wandels negativ betroffen mit Überschwemmungen, längst angekommen und werden von Politik und Wirt- bedingt durch starke Niederschläge und das Schmelzen schaft voll akzeptiert. Die dänische Regierung trägt von Eis und Schnee. Das finnische Umweltministe- den IPCC-Bericht mit und fühlt sich seinen Zielen ver- rium koordiniert die zu treffenden Maßnahmen. Ver- pflichtet. Neben der politischen Debatte ist auch die schiedene Forschungsprojekte versuchen Antworten Öffentlichkeit gut informiert und beteiligt sich an der zu finden auf die zu erwartenden Anpassungen in der Klimadebatte. Die prognostizierten Auswirkungen des Land- und Forstwirtschaft, bei der Stadt- und Regional- Klimawandels für das eigene Land werden ernst ge- planung und bei der Trinkwasserversorgung. Auf nommen. Ein nationales Energie- und Klimapaket soll internationaler Ebene will man eine gemeinsame nordi- Abhilfe schaffen: der Anteil der erneuerbaren Energien sche Umweltpolitik, insbesondere in Bezug auf die Ost- soll bis 2025 auf 30 Prozent erhöht werden, der Ener- see, durchsetzen. Alle Anrainerstaaten, auch Russland, gieverbrauch soll jährlich um 1,25 Prozent gesenkt sollen dabei einbezogen werden. werden, und 10 Prozent des Treibstoffs sollen durch Biomasse ersetzt werden. Ein interministerielles Kli- In Schweden ist die Debatte über den Klimawandel makomitee soll die Durchführung dieser Maßnahmen zu einem zentralen Bestandteil der politischen Agenda überwachen und koordinieren. Kopenhagen wird im geworden. 60 Prozent aller Schweden äußern ihre Jahr 2009 Gastgeber der übernächsten UN-Weltklima- Besorgnis über die zu erwartenden Klimaveränderun- konferenz sein. Spätestens dann soll eine Anschluss- gen. Die schwedische Regierung hat den Umwelt- und vereinbarung zum Kyoto-Protokoll für die Zeit nach Klimaschutz zu einem Schwerpunkt ihrer Politik ge- 2012 gefunden werden. macht. Bis zum Jahr 2020 sollen die KohlendioxidEmissionen um mindestens 30 Prozent reduziert wer- Norwegen ist als nennenswerter Öl- und Gasproduzent, den (ein höheres Ziel als die 20-Prozent-Vorgabe der anders als die übrigen skandinavischen Länder, weniger EU). Schweden will als erstes Land der Welt bis 2020 mit dem Ausbau von erneuerbaren Energien befasst. völlig unabhängig vom Erdöl werden. Heute werden Es ist auch ein entschiedener Gegner der Atomkraft, nur noch 30 Prozent des nationalen Energieverbrauchs obwohl es seine eigenen im Kyoto- Protokoll zugesag- durch Mineralöl gedeckt. Erreichen will man dieses ten Minderungsziele um Längen verfehlt. Das Land ehrgeizige Ziel durch die Entwicklung erneuerbarer liegt derzeit um 22 Prozent darüber. Die Auswirkungen Energien. Deren Anteil liegt heute schon bei 28 Prozent, des Klimawandels sind in Norwegen bereits zu verspü- wobei überwiegend Biomasse und Windenergie zum ren. Besonders auffällig sind die Temperaturanstiege Einsatz kommen. Allerdings wird bei einem Verzicht auf in den arktischen Regionen Norwegens, z.B. auf Spitz- Kohle und Öl die Atomkraft einen wichtigen Beitrag bergen mit über 2 Grad. Die Anhebung des Meeres- zur Elektrizitätserzeugung und zum Klimaschutz leis- spiegels gefährdet ganze Küstenregionen und wertvolle ten müssen. Deshalb hat in Schweden ein Umdenken Ökosysteme. Norwegen akzeptiert das EU-Ziel, die in dieser Frage stattgefunden. Vattenfall’s konträre globalen Temperaturen auf maximal zwei Grad zu begrenzen und dafür CO2-Emissionen zu reduzieren. Das Kyoto-Protokoll reiche aber bei weitem nicht aus, um dieses Ziel zu erreichen. Die internationalen Anstren- 113 gungen müssten erhöht werden und Norwegen werde In den drei Benelux-Staaten steht der Klimawandel seinen Beitrag dazu leisten. Mit Hilfe eines nationalen auf der politischen Tagesordnung ganz oben, nicht zu- Ölfonds, in den ein Teil der durch den Öl- und Gasexport letzt auf Grund der internationalen Klimaberichte. Die erwirtschafteten Devisen eingezahlt werden, bereitet Regierungen von Belgien, der Niederlande und Luxem- sich das Land auf die Zeit danach vor, wenn die eigenen burg unterstützen den Aktionsplan der EU für Klima- Lagerstätten erschöpft sind und keinen Export mehr schutz und Energie vom März 2007. Neben der Selbst- erlauben. Dieses Fondsmodell wird auch anderen Ölex- verpflichtung zur Minderung der CO2-Emissionen um portländern von Experten als Vorbild für die Gestaltung ein Fünftel bis 2020, soll auch der Anteil der Erneuer- der eigenen wirtschaftlichen Zukunft empfohlen. baren an der Energieerzeugung um ein Fünftel ausgeweitet werden. Jetzt geht es erst einmal um eine K L I M A D E B ATT E I N F R A N K R E I C H U N D I N D E N gerechte Lastenverteilung zwischen den einzelnen Mit- B E N E L U X- S TA AT E N gliedstaaten innerhalb der EU. Deutschland kann am ehesten Unterstützung für seine energie- und klima- In Frankreich gibt es einen offiziellen Klima-Plan, mit politischen Vorstellungen von den alten Kernländern dem die Vorgaben des Kyoto-Protokolls bis 2010 erfüllt der EU erwarten. Allerdings unterscheidet sich die werden sollen. Das Land hatte sich 1997 verpflichtet, energiepolitische Landschaft insbesondere in Frankreich seine Emissionen auf dem Stand von 1990 zu halten, von der in Deutschland, was den Umfang der Liberali- ein Ziel, das dank einer Steigerung der Energieproduk- sierung und die Einstellung zur Kernenergie betrifft. tivität und nicht zuletzt wegen der intensiven Nutzung Somit sind die nationalen Interessenlagen nicht immer der CO2-neutralen Kernenergie noch weit unterboten kongruent, was zu Abstimmungsproblemen führen wird (minus neun Prozent). Nun ist die französische kann. Die Benelux-Staaten sind da schon etwas näher Politik ehrgeiziger geworden und will die EU-Vorgaben an der deutschen Klimapolitik, obwohl sich Belgien noch übertreffen. Mit konkreten Maßnahmen will die kürzlich zum „Ausstieg aus dem Ausstieg” entschieden Regierung den CO2-Ausstoß reduzieren und den Folgen hat und wieder auf die Kernenergie setzt. Diese wird, des drohenden Klimawandels begegnen. Die Produkti- wie auch in Frankreich, als klimafreundliche Technolo- on von Biokraftstoffen wird stark gefördert, aber auch gie gesehen, äquivalent zu erneuerbaren Energien. die Kernenergie soll weiter ausgebaut werden. Daneben gibt es ein nationales Programm zur Verbesserung der K L I M A D E B ATT E I N S P A N I E N U N D I TA L I E N Energieeffizienz. Eigentlich steht das Land beim Klimaschutz ganz gut da: es produziert weniger Kohlendioxyd Themen wie Umweltpolitik und Klimawandel spielen pro Kopf der Bevölkerung als Deutschland und seine in der spanischen Politik nur eine untergeordnete Rolle. CO2-Emissionen betragen insgesamt nur die Hälfte des Erst mit Al Gore’s Film „Eine unbequeme Wahrheit” Nachbarn, nicht zuletzt dank der massiv eingesetzten beschäftigte sich die spanische Öffentlichkeit mit den Kernenergie bei der nationalen Stromproduktion. Sie Auswirkungen des globalen Klimawandels. Das Thema macht einen Anteil von 80 Prozent aus; 15 Prozent des ist nach dem Stern-Report und den IPCC-Berichten in Stroms kommen aus Wasserkraftwerken. Atomstrom den Medien momentan präsent, wie lange noch, bleibt wird auch in erheblichem Umfang nach Deutschland abzuwarten. Nach einem Treffen mit Al Gore verkün- und in die anderen Nachbarländer exportiert. dete der spanische Ministerpräsident Zapatero, der Klimawandel stelle die größte Herausforderung der Obwohl das öffentliche Umweltbewusstsein in Frank- Menschheit dar. So wurde Klimaschutz in Spanien zur reich noch defizitär ist, geht die Politik verbal in die Chefsache erklärt. In der Energiepolitik setzt man aber Offensive, sowohl im nationalen wie im internationalen weiterhin auf fossile Energieträger, die Erneuerbaren Rahmen. Dort will die neue Regierung den Klimaschutz kommen erst allmählich in Fahrt. Spanien ist einer der offensiv betreiben. Sie unterstützt die deutsche und großen „Klimasünder” weltweit, weil es seine Kyoto- europäische Politik dabei und wirbt auch im Ausland, Verpflichtungen auf eklatante Weise verfehlt und viel insbesondere bei den USA, um Aktivitäten im Kampf mehr CO2 emittiert als erlaubt: erlaubt waren plus gegen die Erderwärmung und den Klimawandel. Man 15 Prozent, 2004 waren es tatsächlich aber schon plus macht sich auch zum Fürsprecher für die Entwicklungs- 49 Prozent. Die gute Wirtschaftskonjunktur soll nach länder und bietet Hilfe bei den notwendigen Anpas- Auffassung von Politikern und Industriellen nicht durch sungsmaßnahmen an. Bei der konkreten Energiepolitik strikte Umwelt- und Klimaauflagen abgewürgt werden. verfolgt das Land aber eher einen an nationalen Interessen orientierten Kurs, der vorrangig die eigenen Die iberische Halbinsel ist auf Grund ihrer exponierten Unternehmen unterstützt und eine gemeinsame euro- geografischen Lage eine der am stärksten vom Klima- päische Politik in Energiefragen sicherlich nicht erleich- wandel bedrohten Regionen Europas. Der prognosti- tert. zierte Temperaturanstieg wird große Probleme für die beiden wichtigsten Wirtschaftszweige Spaniens, den Tourismus und Landwirtschaft, mit sich bringen. Wenn 114 die Touristen aus dem Ausland wegen der unerträgli- aus Afrika nach Italien wird mit großer Sorge gesehen. chen Sommertemperaturen und der Wasserknappheit Eine für den Zweck des Klimaschutzes angepasste wegbleiben oder die Landwirtschaft wegen der Dürre Energiestrategie hat die italienische Regierung noch große Ernteausfälle erleidet, wird auch Spaniens Volks- nicht beraten. Bei den sauberen Energien, wie Wasser-, wirtschaft gravierende Devisenverluste zu beklagen Wind- und Solarenergie, kommt Italien erst auf einen haben. Verteilungskämpfe um Wasser sind bereits zwi- Anteil von 2,5 Prozent am Primärenergieverbrauch. schen den spanischen Regionen zu beobachten. Kon- Der Strommonopolist ENEL investiert aber in Forschung sens besteht zwischen Politik und Umweltverbänden, und Entwicklung auf diesem Gebiet. Energiesparen dass dringend gehandelt werden muss, um die Emis- scheitert häufig an der schlechten Infrastruktur: man- sionen auf ein erträgliches Maß zu reduzieren. Die gelhafte Wärmedämmung bei Gebäuden, veraltete Wirtschaft soll nicht Schaden nehmen, da jetzt auch Heizungs- und Kühlanlagen sowie marode Wasser- die wirtschaftlichen Vorteile einer Energiewende – hin leitungen. Die nationale Debatte über das bislang um zu mehr Energieeffizienz und erneuerbaren Energien – Längen verfehlte Kyoto-Ziel erregt die Öffentlichkeit. erkannt sind und genutzt werden sollen. Dem Land drohen Strafzahlungen, wenn es den Ausstoß von Treibhausgasen nicht im versprochenen Maß Der im Jahr 2001 gegründete Nationale Klimarat soll reduziert. Deshalb ist der nationale Allokationsplan für eine spanische Strategie für den Klimaschutz ausarbei- den Emissionshandel gegen den Widerstand des Indus- ten und Aktionspläne vorschlagen. Seit 2006 existiert trieverbandes Confindustria zwar verschärft worden, ein vom Umweltministerium verkündeter „Nationaler aber der EU-Kommission reicht diese Beschränkung Anpassungsplan an den Klimawandel”. Als erstes noch nicht aus. Insbesondere der zehnprozentige Kohle- wurden die Emissionsrechte für die Handelsperiode anteil am nationalen Energiemix steht zur Debatte. 2008–2012 gegenüber der Vorperiode um 16 Prozent Dieser liegt aber weit unter dem EU-Durchschnitt von gesenkt. Allerdings bleiben die Boombranchen wie 30 Prozent. Insbesondere die osteuropäischen Mit- Transport, Haushalte und Infrastruktur vom Emissions- gliedsländer haben einen weit höheren Kohleanteil bei handel ausgenommen. Ein nationaler Aktionsplan der Verstromung. „Energiesparen durch mehr Energieeffizienz” soll in der Energiewirtschaft und bei den Privathaushalten zum K L I M A D E B ATT E I N I N O S T- U N D Einsatz kommen. Ferner soll der Anteil der erneuer- SÜDOSTEUROPA baren Energien von derzeit sechs auf zwölf Prozent bis 2010 verdoppelt werden. Spanien hat das Fördermo- In Tschechien und in der Slowakei hat sich die Öffent- dell des deutschen EEG mit garantierten Strompreis- lichkeit mit der Klimadebatte bisher eher am Rande vergütungen übernommen. Das Land ist weltweit beschäftigt. Der Umwelt- und Klimaschutz haben es führend im Umgang mit CDM-Maßnahmen, wie es das schwer in Ländern, die sich noch mitten in der wirt- Kyoto-Protokoll vorsieht. Das betrifft Investitionen schaftlichen Umbruchphase befinden, was insbesonde- in klimafreundliche Technologien und Wiederauffors- re die Energiewirtschaft betrifft. Die Schwefeldioxid- tungsprojekte, insbesondere in den lateinamerikani- Emissionen aus den nordböhmischen Braunkohlekraft- schen Staaten. Fazit: Es fehlt in Spanien nicht an werken sind nach Einbau von Filteranlagen geringer Absichtserklärungen in der Umwelt- und Klimapolitik, geworden und aus den Fabriken gelangen heute weni- vielmehr mangelt es an der notwendigen Umsetzung. ger giftige Chemikalien in die Umwelt als noch 1990. Trotz gewissen Fortschritten beim Umweltschutz hat In Italien befasst sich die Klimadebatte vor allem mit in der Öffentlichkeit die wirtschaftliche Entwicklung den Wetterextremen und seinen Auswirkungen, die das und die industrielle Modernisierung eindeutig Vorrang. Land in den letzten Jahren unmittelbar gespürt hat, Klimaschutz wird weitgehend als Modethema gesehen, wie Spitzentemperaturen, Dürren und Wasserknappheit. das auch von politischer Seite offensichtlich nicht Insbesondere der heiße Sommer von 2003 bleibt in ernst genommen wird. Staatspräsident Vaclav Klaus schlechter Erinnerung. Niedrige Pegelstände der großen hat in einem national viel beachteten Buch mit dem Flüsse wie Po, Arno und Tiber führten zu Stromausfällen Titel „Der blaue und nicht der grüne Planet” abgelehnt, mit Produktionseinbrüchen in Industrieunternehmen die fortschreitende Erderwärmung überhaupt als Pro- und der Wassermangel verursachte Missernten in der blem zu sehen. Klimawandel habe es schon immer Landwirtschaft. Der Stern-Report und die IPCC-Berichte gegeben und es habe keinen Sinn, dagegen anzu- sind bei den Medien und, in der Politik auf großes In- kämpfen und Milliarden sinnlos auszugeben. Das The- teresse gestoßen. Besonders alarmiert reagieren viele ma diene lediglich zur Profilierung gewisser politischer auf die Vermutung, dass das heiße Wetter in Italien zu Kreise, zu den auch die tschechischen Grünen zählen. einem Rückgang des internationalen Tourismus führen könne, weil Touristen in den kühleren Norden abwandern. Auch die mögliche Zunahme von Klimaflüchtlingen 115 Deren Parteivorsitzender und derzeitige Umweltminis- noch kaum, Umweltbildung und Umweltbewusstsein ter, Martin Bursik, möchte, dass die Tschechische auch bei jungen Menschen steckt noch in den Kinder- Republik sich beim Klimaschutz aktiver in die EU ein- schuhen. Die Folgen des Klimawandels werden nicht bringt und dort für gemeinsame ökologische Ziele als bedrohlich wahrgenommen. Folglich reagiert die einsetzt. Die Entwicklung erneuerbarer Energiequellen Politik auch nur zögerlich in dieser Frage. und alternativer Treibstoffe sei für das Land wichtig, um sich von Energieimporten unabhängiger zu machen Die Lage in den beiden jüngsten Mitgliedsstaaten der und um Zukunftsmärkte für die heimische Wirtschaft EU, Bulgarien und Rumänien, ist ähnlich schwierig und zu erschließen. Doch er steht mit dieser Meinung poli- es gibt noch viel Nachholbedarf, sowohl in wirtschaft- tisch ziemlich allein da. Die Politiker sehen sich nicht licher wie in politischer Hinsicht. Beide Länder konzen- genötigt, öffentlich Stellung zu beziehen oder gar trieren sich vor allem auf den wirtschaftlichen Aufbau nationale Maßnahmen für den Klimaschutz vorzuschla- des Landes. Trotz der enormen Umweltverschmutzung gen oder in Angriff zu nehmen. Wegen dieser Passivi- ist das Thema Umweltschutz wenig präsent, ganz zu tät der beiden Regierungen im Bereich des aktiven schweigen vom Klimaschutz. Obwohl klimabedingte Klimaschutzes ist zu erwarten, dass sich schon bald Auswirkungen auf das Wetter auch hier zu beobachten Kontroversen mit der EU-Kommission und anderen sind und zu Naturkatastrophen führen, findet darüber Nachbarländern auftun werden. keine öffentliche oder politische Debatte statt. Die Sorglosigkeit verwundert, denn immerhin sind auch In Polen wird der Klimawandel in Politik und Medien hier Landwirtschaft und Tourismus als Schlüsselbe- nur selten diskutiert und augenscheinlich nicht ernst reiche der Volkswirtschaft vom Klimawandel bedroht. genommen. Die Entwicklung der Wirtschaft und die Frage einer sicheren und unabhängigen Energieversor- In den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien gung stehen im Vordergrund. Bislang hat die polnische auf dem Balkan haben die Menschen und die Regierun- Regierung zu den befürchteten Folgen des Klimawan- gen andere Prioritäten als das Klimathema. In Bosnien dels für das eigene Land noch keine offizielle Stellung und Herzegowina etwa geht es um Probleme der staat- bezogen. Maßnahmen zur Minderung der polnischen lichen Souveränität, der ethnischen und religiösen CO2-Emissionen im Rahmen der nationalen Zuteilungs- Minderheiten, des wirtschaftlichen Wiederaufbaus nach pläne für den Emissionshandel innerhalb der EU stoßen den Bürgerkriegen, soziale und politische Spannungen auf heftige Widerstände von Seiten der Energiewirt- sowie dem Kampf gegen Kriminalität, Armut und Ar- schaft und der Politik. Immerhin ist das Land dritt- beitslosigkeit. Umwelt- und Klimaschutz bleiben dabei größter Emittent in der Europäischen Union, nicht zu- auf der Strecke. Das ist bedauerlich, denn die regiona- letzt, weil Kohle der wichtigste Energieträger bei der len Auswirkungen des Klimawandels machen sich na- Verstromung bleibt und die polnischen Kraftwerke ver- türlich auch in den Balkan-Staaten bemerkbar mit ne- altet sind. Hier baut sich eine Konfliktebene mit der gativen Folgen für die Landwirtschaft und den Touris- Europäischen Kommission auf. Ein aktuelles Beispiel mus. Daneben gibt es viele ungelöste Umweltprobleme ist die Auseinandersetzung über ein ökologisch um- von Luft- und Wasserverschmutzung bis zur ungere- strittenes Autobahnprojekt mit einer Trassenführung gelten Müllentsorgung. Industrieanlagen, Maschinen mitten durch ein wertvolles Naturschutzgebiet. Die und Autos sind veraltet, dadurch sehr energieaufwän- Kommission hat Polen wegen Verletzung von Umwelt- dig und emissionsträchtig. Vom Einsatz erneuerbarer auflagen vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt. Energien mit Ausnahme der Wasserkraft ist kaum zu Ferner gilt es, Umweltsünden aus der Vergangenheit reden. Bislang ist aus dieser Ländergruppe nur Slowe- zu beseitigen; so gibt es zehntausende von ungesicher- nien Mitglied der EU, doch Kroatien ist ein ernsthafter ten Mülldeponien im Lande, teilweise mit toxischen Kandidat und befindet sich an der Schwelle zur Mit- Abfällen, die das Grundwasser verschmutzen und die gliedschaft. Die restlichen Staaten werden offiziell Trinkwasserversorgung gefährden. nicht ausgeklammert bei diesen Überlegungen, doch sie müssen nach Ansicht der Europäischen Kommission Auch in den baltischen Ländern Estland, Lettland und das nächste Jahrzehnt nutzen, um wirtschaftlichen und Litauen, wird der Klimawandel nicht als vordringliches politischen Anschluss an das restliche Europa zu finden. Problem gesehen. Vorrang hat vielmehr die Verbesserung der eigenen ökonomischen Lage durch kräftiges Wirtschaftswachstum. Angesichts der starken Abhängigkeit von Energielieferungen aus Russland spielt die Frage der Energiesicherheit eine weit größere Rolle als die Frage des Klimaschutzes. Das Thema wird in erster Linie von Experten und Umweltaktivisten diskutiert. Die breite Öffentlichkeit interessiert sich für dieses Thema 116 K L I M A D E B ATT E I N R U S S L A N D U N D I N D E R Devisenbestände erwirtschaftet. Dank seiner Energie- UKRAINE ressourcen ist Russland wirtschaftlich wie politisch wieder erstarkt. Der Wirtschaftsboom kommt aber nur Die Ukraine und Russland sind wichtige Akteure im glo- einer kleinen Elite zugute, die große Masse der Bevöl- balen Klimaprozess und verdienen besondere Beachtung kerung lebt in bescheidenen Verhältnissen mit hohen wegen besonderer landesspezifischer Merkmale. Im Umweltbelastungen und Gesundheitsrisiken. Ein gra- Jahre 1990, als die Schwerindustrien noch produzierten, vierendes Problem ist die unkontrollierte Lagerung von nahm die Ukraine eine Spitzenposition bei den Treib- Nuklearabfällen aus Russland und der ganzen Welt, hausgasemissionen in der Welt ein (Rang 10) – gleich- denn abgebrannte Brennstäbe werden gegen Geld bedeutend mit der industriellen Wirtschaftskraft des sogar aus dem Ausland importiert. Damit verbunden Landes. Doch mit dem Zerfall der Sowjetunion und dem ist die radioaktive Verseuchung ganzer Landstriche. industriellen Niedergang der Ukraine wies sie negative Zuwachsraten beim Energieverbrauch und auch bei Der Klimawandel wird bislang nur in Fachkreisen disku- den Emissionen auf. So wurde das Land unter den Be- tiert und in der Öffentlichkeit eigentlich nicht als ernste stimmungen des Kyoto-Protokolls vom Schuldner zum Bedrohung wahrgenommen. Man sieht das Land insge- Gläubiger in Sachen Emissionsbeschränkungen. Die samt sogar auf der „Gewinner”-Seite, weil im arktischen Ukraine spielt jetzt im EU-Emissionshandel eine Rolle, Norden, insbesondere in Sibirien, mit längeren Vege- weil sie eigene Emissionsrechte mit Gewinn an Nachfra- tationsperioden und größeren landwirtschaftlichen ger aus dem Westen verkaufen kann und wirtschaftliche Nutzflächen zu rechnen ist. Ferner werden riesige Roh- Vorteile aus dem Klimaschutz-Abkommen zieht. Somit stoffvorkommen in den Polarregionen vermutet, die wird die Politik für das Klimathema sensibilisiert. Die mit wachsender Erwärmung leichter zu erschließen sein Öffentlichkeit ist dagegen schlecht informiert und weit- werden. Das Auftauen der Permafrost-Böden setzt aber gehend desinteressiert. Allerdings darf ein anderer große Mengen von Methan frei, das eines der aggres- wichtiger Faktor nicht in Vergessenheit geraten: 1986 sivsten Treibhausgase ist, und erschwert den Bau von erlebte das Land einen Umwelt-GAU durch die Reak- Straßen und Leitungen zur Erschließung der vermu- torkatastrophe von Tschernobyl, dessen radioaktive teten Vorkommen. Die Ausbeutung von Energievor- Verstrahlung sich heute noch regional bemerkbar räten auch zu Lasten der Natur ist übliche Wirtschafts- macht. Außerdem gibt es gravierende Gesundheitsbe- praxis und sie wird sich auch nicht so schnell ändern. lastungen der Bevölkerung durch große Umweltschä- Bedenkenswert ist aber die Neuordnung des eigenen den. Fast alle Lebensbereiche, wie Trink- und Fluss- Energieversorgungssystems, denn in allen Sektoren wasser, Luft und Boden sind extrem stark mit Emissio- sind hohe Einsparpotentiale vorhanden. Experten nen von Schadstoffen belastet. Trotzdem ist das Um- sprechen von einer Größenordnung, die den jährli- weltbewusstsein in der ukrainischen Bevölkerung nur chen Energieexporten entspricht. Die sprichwörtliche schwach ausgeprägt, die langjährige Ausbeutung der Verschwendung von Energie könnte durch eine effi- Natur in der Sowjetzeit hat physische und psychische zientere Nutzung und moderne Technologien gestoppt Spuren hinterlassen. Ansätze zur Veränderung zeigen werden. Diese Investitionen würden sich wirtschaft- sich aber: zwei Drittel der Befragten sagten in einer lich allemal lohnen. Russland hat als Energielieferant Umfrage, dass die globale Klimaerwärmung eine Gefahr eine große strategische Bedeutung für die gesamte für die nationalen Interessen darstelle. Die Dringlich- EU. Deswegen ist die Gemeinschaft an einem Part- keit des Problems wird unterschiedlich eingestuft: nur nerschaftsabkommen mit Russland interessiert, das ein Drittel hält sofortige Maßnahmen für erforderlich. auch die strittigen Energiethemen einbeziehen soll. Polens Verweigerung wegen eines schwelenden Han- Russland hat mit seiner Ratifizierung des Kyoto-Proto- delskonflikts mit Russland hat den bilateralen Ver- kolls erst dessen Inkrafttreten im Jahre 2005 ermög- handlungsprozess erst einmal auf Eis gelegt. Auch licht. Heute kann das Land, ähnlich wie die Ukraine, beim globalen Klimaschutz wird der Westen ohne daraus wirtschaftlichen Profit schlagen, indem es über- Russlands aktive Unterstützung nicht weiterkommen. schüssige Emissionsrechte, die ihm wegen der massiven De-industrialisierung nach dem Zerfall der Sowjetunion, zugestanden worden waren, meistbietend an Nachfrager aus dem Ausland versteigert. Russland hat im Zeitraum von 1990–2005 rund 25 Prozent weniger Kohlendioxyd emittiert. Allerdings sind Energieverbrauch und Emissionen auf Grund des sich beschleunigenden Wirtschaftswachstums jetzt wieder im Steigen begriffen. Das Energieland Russland hat diese Zusatzeinnahmen eigentlich gar nicht nötig, denn mit seinen Öl- und Gasexporten nach Westeuropa werden hohe 117 K L I M A D E B ATT E I N N O R D A M E R I K A Energieeffizienz, sowohl auf der Angebots- wie auf der Nachfrageseite. Dabei soll Technik, aber auch geänder- Steigende Energiepreise und klimabedingte Wetter- tes Verbraucherverhalten zum Durchbruch verhelfen. ereignisse, wie Wirbelstürme, Überschwemmungen, Die Bush-Administration weigert sich verbindliche Zu- Dürre und Waldbrände, haben dazu geführt, dass sagen zu Emissionsbeschränkungen zu geben, weil sie das Thema Klimawandel auch in den USA in aller die amerikanischen Wirtschaftsinteressen mit Blick auf Munde ist. Die Politik sieht sich auch auf nationaler die aufstrebenden Wirtschaftsmächte China und Indien Ebene genötigt, das Problem anzunehmen und nicht benachteiligt sehen möchte. Diese sind bislang Handlungsvorschläge zu unterbreiten. Allerdings ist als „Entwicklungsländer” dem Kyoto-Regime nicht das ein komplexer und langwieriger Prozess auf verpflichtet. Das soll sich erst ändern, bevor sich die Grund der föderalen Staatsordnung und des Systems USA zu politischen Zugeständnissen bereit erklären. der Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative. Während einzelne Bundesstaaten Kanada ist von der Flächenausdehnung betrachtet und Kommunen in den USA schon erste Gesetze zum nach Russland das zweitgrößte Land der Welt und Klimaschutz und zur Energiewende verabschiedet weist unterschiedliche Klimazonen auf, die durch den haben, zögern die Administration und der Kongress Klimawandel tangiert werden. Wirtschaftlich ist das noch mit Entscheidungen unter dem vielfältigen Druck Land eng an den Nachbarn USA ausgerichtet; insbeson- von gut organisierten Interessenlobbys. Wirtschafts- dere in Energiefragen geht man weitgehend konform, unternehmen und Umweltschützer bekämpfen sich da die Interessenlagen sehr ähnlich sind. Kanada einerseits, andererseits gehen sie aber auch Zweck- exportiert viele Rohstoffe ins Nachbarland und wird bündnisse ein und kämpfen gemeinsam für Umwelt- durch die Erschließung von ölhaltigen Sanden zum und Klimaschutz. Das Thema scheint politisch mitten neuen Öllieferanten der USA. Dabei rentieren sich die im Wahlkampf um das nächste Präsidentenamt ange- Investitionen in diese Form der Energiewirtschaft nur kommen zu sein. jenseits der 70 Dollar per barrel-Marke. Außerdem ist der dort betriebene Tagebau alles andere als umwelt- Klimaschutz steht aber auf der politischen Agenda freundlich: Er verbraucht extrem viel Fläche, Wasser noch zurück hinter der nationalen Sorge um Energie- und Energieeinsatz, um die im Sand gebundenen sicherheit. Viele energiepolitische Maßnahmen werden Ölvorräte herauszulösen. Das Land zählt zu den zehn nicht so sehr zur Reduzierung von CO2-Emissionen größten Wirtschaftsmächten und gehört dem G8-Kreis diskutiert, sondern aus Sorge um die Abhängigkeit an. Aber auch in Sachen Energieverbrauch und Kohlen- von Energieimporten aus instabilen Weltregionen, dioxyd-Emissionen gehört es zu den Top Ten. Die Pro- wie dem Nahen Osten, Iran und jetzt auch Venezuela. Kopf-Werte liegen in Kanada ähnlich hoch wie in den So soll Mineralöl im Verkehrssektor durch Bioethanol USA, nämlich bei rund 20 Tonnen pro Einwohner, und aus heimischer Produktion mittels Mais bzw. aus sind damit doppelt so hoch wie in den europäischen Exporten von Ethanol aus Brasilien teilweise ersetzt Industriestaaten. Da die Energiepolitik im Verantwor- werden. Der Anteil von erneuerbaren Energien, vor tungsbereich der Provinzen liegt, sind hier zuerst Fort- allem bei der Windenergie und im Bereich Biomasse, schritte in Richtung Energieeinsparung und Klimaschutz steigt zwar stetig, ein echter Durchbruch lässt aber zu erwarten. Insbesondere die Windenergie ist in eini- noch auf sich warten. Die nationale Kohleindustrie und gen Provinzen in einem starken Wachstum begriffen. Elektrizitätswirtschaft setzen auf den Durchbruch bei Dort entwickelte sich auch mit Hilfe von Technologie neuen Technologien für CO2-arme Kraftwerke, nämlich und Know-how aus Deutschland eine eigene Energie- der Abtrennung und Lagerung von Kohlendioxid. branche. Das zeigt, dass wirtschaftliche Interessen Experten rechnen noch mit ein bis zwei Jahrzehnten und Perspektiven auch den Klimaschutz antreiben. In für Forschung und Entwicklung bis zur Anwendung. der internationalen Klimapolitik ist Kanada allerdings Es wäre ein wichtiger Beitrag zum globalen Klima- noch stark auf die USA fixiert. Erst wenn sich beim schutz, denn die amerikanische Stromerzeugung ba- großen Nachbarn etwas in Richtung Emissionsminde- siert zur Hälfte auf Kohle als Energieträger, und dieser rung, vorzugsweise mit Hilfe neuer Technologien, kommt weltweit zum massiven Einsatz in den großen bewegt, wird man wohl oder übel nachziehen müssen. Schwellenländern, sei in China, Indien oder Russland. Momentan sind die Weichen aber noch nicht in diese Nach amerikanischen Vorstellungen soll auch die Richtung gestellt; das Land profitiert vom neuen Öl- Kernenergie noch eine wichtige Rolle in der Zukunft boom im Westen des Landes. Kanada fühlt sich als spielen. So hat die Politik die Laufzeit von vielen Atom- Gewinner der weltweiten Nachfrage nach mehr Energie, kraftwerken in den USA von bisher vierzig auf maximal wenngleich fossilen Ursprungs. sechzig Jahre verlängert und es gibt auch schon Pläne für diverse Neubauten. Als neue vielversprechende Energiequelle wird das Energiesparen entdeckt. Politik und Wirtschaft setzen auch eine Steigerung der 118 K L I M A D E B ATT E I N L AT E I N A M E R I K A knappen und verteuern. Außerdem seien bei einer Ausweitung der Anbauflächen ökologische Folgeschä- In der aktuellen Klimadiskussion in Brasilien wird in den nicht zu vermeiden, z. B. durch Brandrodung und erster Linie die positive Rolle gesehen, die das Land als Vernichtung von wertvollen Waldbeständen. Umwelt- potentieller Lieferant von weltweit nachgefragten Bio- schützer warnen bereits vor riesigen Plantagen in der treibstoffen spielen kann. Brasilien sieht sich auf der Amazonasregion. Zuckerrohr-Monokulturen seien um- Gewinnerseite des weltweiten Klimawandels und nicht weltschädlich. Die Wassernachfrage aus der Landwirt- mehr auf der Anklagebank wegen der massiven Ab- schaft würde durch den Anbau von Energiepflanzen holzung und Brandrodung der tropischen Regenwälder noch massiv gesteigert. Die Ökobilanz einer Energie- im Amazonasgebiet. Die wirtschaftlichen Phantasien gewinnung aus erneuerbaren Rohstoffen sei nicht des Landes sind beflügelt durch die boomende Nach- immer positiv und unbedenklich, sondern könne frage nach Bioethanol, insbesondere aus den USA, als durchaus negativ sein. Auch seien die ökonomischen Ersatz für teures und knappes Erdöl, das in Raffinerien Nutznießer selten die Kleinbauern, sondern meist die zu Benzin und Diesel weiterverarbeitet wird. Alkohol großen Agro-Konzerne zu Lasten der dort Beschäftig- aus Zuckerrohr ersetzt bereits jetzt einen erheblichen ten. Außerdem ergeben sich ethische Fragen: ob es Teil (knapp 40 Prozent) des für den PKW-Verkehr im vertretbar sei, den Ärmsten dieser Welt die Nahrungs- eigenen Land benötigten Treibstoffs. Die Mehrzahl der mittel wegzunehmen, nur damit die Menschen in den neuen Autos sind mit sogenannten „Flex-Fuel”-Motoren reichen Ländern ihre Autos mit Biosprit fahren könnten. ausgestattet, die sowohl normalen als auch biologischen Eine schwierige Gewissensfrage oder nur widerstrei- Kraftstoff nutzen können. Die heimische Produktion tende ökonomische Interessen? von Bioethanol spart Devisen, reduziert die Abhängigkeit von Energieimporten und nutzt dem Klimaschutz. Der öffentliche Diskurs zum Klimawandel wurde in Obendrein eröffnet die seit Jahrzehnten im Land er- Argentinien wie in Uruguay zwar durch die Veröffentli- probte Technologie der brasilianischen Volkswirtschaft chung der IPCC-Berichte kurzfristig belebt, doch haben ein lukratives Geschäftsfeld für vermehrte Exporte diese keinen bleibenden Eindruck auf das ohnehin defi- in andere Länder. Derzeit produziert Brasilien rund zitäre Umweltbewusstsein im Land hinterlassen. Auch 45 Prozent des weltweiten Angebots an Biokraftstoff. die Regierungen nehmen sich dieses Themas kaum Eine Produktionssteigerung ist leicht möglich, denn ernsthaft an, obwohl die damit verbundenen Risiken bisher wird nur ein kleiner Teil der 100 Millionen An- durchaus gesehen werden. Allenfalls werden sporadi- baufläche landwirtschaftlich genutzt, und Brasilien ist sche Aktionen ins Auge gefasst, die aber ohne erkenn- 24mal so groß wie Deutschland. Die Produktionskos- bares Konzept und nationales Engagement zum Klima- ten sind konkurrenzlos niedrig: ein Liter Bioethanol schutz bleiben. Das ist bei mangelndem Druck von lässt sich für umgerechnet 0,20 US-Dollar herstellen, Seiten der Medien, der Umweltverbände und der brei- in den USA und Europa ist die Herstellung aus Mais ten Öffentlichkeit auch nicht verwunderlich. Wirtschaft- und anderen Energiepflanzen deutlich teurer. Es ist liche Entwicklung und Umweltschutz werden als sich aber auch der Einsatz dieser Technik zur Herstellung gegenseitig ausschließende Bereiche wahrgenommen von Biotreibstoffen in anderen Ländern denkbar mit und dabei genießen wirtschaftliche Erwägungen immer Hilfe von brasilianischem Geschäftskapital und Know- den Vorrang. How. Insbesondere die lateinamerikanischen Nachbarländer, die über keine eigenen Energieressourcen ver- Das Umweltbewusstsein ist in Chile – ähnlich wie in fügen, sind potentielle Märkte und eignen sich gut für Argentinien und Uruguay – weit unter dem Stand derartige brasilianische Investitionen. Aber auch China europäischer Länder, trotz der wachsenden Berichter- und Japan sind schon in den Blickwinkel der brasiliani- stattung über eigene Umweltprobleme. Die Klima- schen Investoren geraten. Berichte des IPCC wurden in der chilenischen Öffentlichkeit kaum beachtet, anders als der Film von Al Dieser vom brasilianischen Staatspräsidenten Lula auch Gore, der dank seiner Stippvisite im Land große Auf- politisch geförderten Entwicklung steht vor allem das merksamkeit erhielt. Zwar hat die chilenische Regie- energiereiche Venezuela unter seinem ehrgeizigen rung schon 2006 ein Aktionsprogramm zum Klima- Präsidenten Chávez ablehnend gegenüber, nicht nur schutz verabschiedet, doch davon ist bisher nichts aus ökonomischen, sondern auch aus machtpoliti- umgesetzt worden. Mit dieser Zielsetzung soll jetzt schen Motiven. Es geht für Chávez um die politische offiziell auch der Einsatz von erneuerbaren Energie- Vormachtstellung auf dem südamerikanischen Konti- quellen, insbesondere der Ausbau der Wasserkraft im nent und ist somit auch gegen die Interessen der USA Süden des Landes, gefördert werden. Doch vorrangig gerichtet. Er stellt sich an die Spitze der Kritiker, die bleibt das eigentliche energiepolitische Ziel, nämlich eine Herstellung von Bioethanol aus Zuckerrohr wie in Brasilien oder aus Mais wie in den USA als „Perversion” ablehnen, weil sie damit Grundnahrungsmittel ver- 119 die Sicherung der nationalen Energieversorgung, die lichen Debatte kaum vor, und es ist weder ein Engage- stark vom Ausland abhängig ist. Die Gasimporte aus ment der Politik noch ein schlüssiges politisches Kon- dem Nachbarland Argentinien sind unzuverlässig und zept zum Klimaschutz erkennbar. Was eine nationale von dort schon häufiger unterbrochen worden, wenn Strategie zur nachhaltigen Entwicklung betrifft, gibt es der Nachbar selbst knapp ist. Zudem verweigert Boli- sogar Rückschritte gegenüber früher zu vermelden, seit vien den direkten und indirekten Verkauf seiner Gas- im Jahr 2002 das Umweltministerium als eigenständi- lieferungen an den Nachbarn Chile, mit dem es keine ges Ressort abgeschafft und wirtschaftlichen Interessen diplomatischen Beziehungen unterhält. Andauernder geopfert wurde. Beleg dafür ist das umstrittene Wald- Streitpunkt ist der fehlende Zugang zum Pazifik, den gesetz von 2005, das weniger die natürlichen Res- Bolivien durch einen vor vielen Jahrzehnten verlore- sourcen schützt als die ökonomischen Interessen der nen Krieg an Chile eingebüßt hat. Auch das von Vene- Holzindustrie und der Minengesellschaften. Der mas- zuela angestoßene Projekt einer über 8000 km langen sive Einsatz von Pestiziden zur Vernichtung von Coca- Gaspipeline in den Süden des Kontinents wird auf ab- Anbauflächen aus der Luft, der von den USA mit finan- sehbare Zeit für Chile keine Abhilfe schaffen, wobei ziellen Mitteln im Drogenkrieg unterstützt wird, führt die Umsetzung des Vorhabens noch sehr ungewiss ist. zur Zerstörung von Ökosystemen und gefährdet den Es wird sogar erwogen, Flüssigerdgas aus Asien zu Artenreichtum des Landes. Die Kolumbianer leben in importieren. Allerdings erfordert dies hohe Investitions- einem der artenreichsten, tropischen Länder der Erde, kosten für die nötige Infrastruktur. dort sind auf Grund der verschiedenen Höhenlagen fast alle Klimazonen zu finden. Deren Flora und Fauna Chile befürchtet ein Abschmelzen der Eisfelder im reagieren sehr empfindlich auf den globalen Klima- Süden auf Grund der globalen Erwärmung und dass wandel. Der Schutz der Artenvielfalt ist ein Ziel, dem die dadurch verursachten Veränderungen in der Glet- sich auch die internationale Staatengemeinschaft ver- scherlandschaft zu Konflikten mit dem Nachbarn Argen- pflichtet fühlt. Kolumbien könnte von dort Unterstüt- tinien führen. Dieser fordert auch Mitsprache beim zung erwarten, doch die Regierung verfolgt offensicht- geplanten Ausbau der chilenischen Wasserkraft in der lich andere Prioritäten. betroffenen Region. Der Mercosur, dem Chile als assoziiertes Mitglied angehört, scheint in sich zerstritten Peru trägt zwar nur wenig zu den globalen Klimabelas- und bewegungsunfähig zu sein, weswegen viele Länder tungen bei, doch das Land selbst ist stark verwundbar nach bilateralen Lösungen für ihre Energieprobleme gegenüber Klimaschwankungen. Die Zahl der klima- suchen. So schaut man wegen einer möglichen energie- bedingten Naturkatastrophen hat in den letzten Jahr- und klimapolitischen Kooperation eher in Richtung zehnten dramatisch zugenommen. Die auf Land- und Europa und Amerika. Grundlage wären Emissionszerti- Forstwirtschaft sowie Fischerei und Viehzucht basieren- fikate, die europäische und später auch amerikanische de Volkswirtschaft Perus hatte als Folge des „El Niño”- Energieunternehmen brauchen, um ihren Verpflichtun- Phänomens schon mehrfach hohe Schäden zu beklagen, gen zur CO2-Minderung nachzukommen. Investitionen die das arme Land in seiner Entwicklung immer wieder in klimaverträgliche Energieprojekte bzw. Maßnahmen zurückwarfen. Auch in den Bergregionen gibt es Pro- zur Wiederaufforstung oder Waldschutz in Lateiname- bleme: Die Andengletscher verlieren zunehmend an rika wären im Rahmen von CDM-Gutschriften möglich Substanz und gefährden damit die Wasserversorgung und diese erfolgen in einigen Ländern auch schon. Die in der Millionen-Stadt Lima und im übrigen Land. Über Bedingungen für erneuerbare Energien sind in Chile 90 Prozent der peruanischen Bevölkerung leben näm- günstig für eine diversifizierte und umweltschonende lich in Trockengebieten. Peru ist aber nicht nur Opfer Energieversorgung. Die Geologie des Landes begüns- des Klimawandels, sondern auch ein Mitverursacher, tigt die Erdwärmenutzung. Daneben stehen Wind- und denn die Hälfte seiner Emissionen resultiert aus der Sonnenenergie sowie Biomasse in ausreichendem Um- fortschreitenden Entwaldung des Landes. Etwa zwei fang zur Verfügung. Eine Diversifizierung der Energie- Drittel der Landesfläche besteht aus tropischem Regen- quellen und die Stromverteilung bei 6000 km Nord- wald im Amazonasbecken. Die Regierung erlaubt we- Süd-Ausdehnung bleiben ein dringliches Problem. gen des hohen Siedlungsdrucks aus der Andenregion Allerdings ist der heimische Markt auf eine staatliche und aus Gründen der Armutsbekämpfung die gezielte Anschubfinanzierung angewiesen. So will die chileni- Ansiedlung von Kleinbauern in den Waldgebieten. Nach sche Regierung die Stromversorgung durch erneuer- groben Schätzungen gibt es alle zwei Minuten weniger bare Energien fördern und sich dabei am deutschen Wald, etwa in der Größe eines Fußballfeldes. Das macht EEG orientieren. 30 Fußballfelder pro Stunde oder 720 am Tag, die durch Kahlschlag oder Brandrodung verschwinden. Damit In Kolumbien verdrängen Armut und Gewalt drän- unterläuft das Land die dem Ausland gegebenen Zusa- gende Umweltfragen. Die Medien sind auf nationale gen zum Klimaschutz. Themen wie den bewaffneten Konflikt und den Drogenkrieg fokussiert. Der Klimawandel kommt in der öffent- 120 Ecuador hat mit einem viel beachteten Angebot an Mexikaner sicherlich davon einen Vorteil hätte. Ein die internationale Staatengemeinschaft bei der UN- Viertel der mexikanischen Bevölkerung lebt im Bal- Vollversammlung in New York auf sich aufmerksam lungsraum der Hauptstadt Mexiko-City, der für rund gemacht. Staatspräsident Correa möchte 920 Millionen 90 Prozent der landesweiten CO2-Emissionen verant- Barrel Öl im Osten des Landes im Boden lassen und wortlich ist. Hier müsste angesetzt werden, um die damit der Atmosphäre 110 Millionen Tonnen CO2 er- Umweltbelastungen zu reduzieren und eine effizientere sparen. Dafür verlangt er nicht den vollen Gegenwert Energie- und Wasserversorgung für das gesamte Land in Höhe von 700 Millionen USD jährlich, sondern eine zu organisieren. Die Stadtregierung von Mexiko-City einmalige Kompensation in etwa dieser Größenord- unternimmt erste Schritte im Rahmen der C40-Klima- nung. Eine Hälfte des Staatsgebiets von Ecuador ist inititative der großen Weltmetropolen. Es bleibt abzu- Teil des großen grenzüberschreitenden Amazonas- warten, ob die angekündigten Aktionspläne auch wirk- beckens, dem größten tropischen Regenwald der Welt. lich umgesetzt werden. Vielleicht führt jetzt die durch Die Waldgebiete Amazoniens produzieren einen Groß- riesige Überschwemmungen verursachte Naturkata- teil des Sauerstoffs auf unserem Planeten. Sie beher- strophe im Bundesstaat Tabasco zu einem Umdenken bergen auch das weltweit größte Süßwasserreservoir. – im nationalen Interesse. Zudem leben im Regenwald die Hälfte aller bekannten Tier- und Pflanzenarten der Erde, eine unermessliche K L I M A D E B ATT E I N A S I E N biologische Vielfalt. Außerdem ist er die Heimat von indigenen Völkern. Noch sind zwei Drittel der Regen- China ist aufgrund der gigantischen Wachstumsprozes- waldgebiete intakt, doch zunehmend werden sie, wie se im letzten Jahrzehnt zu einer der führenden Wirt- in Ecuador, durch Brandrodung und Erdölförderung schafts- und Handelsnationen aufgestiegen, gewisser- zerstört. Vielleicht ist der Vorschlag, das Öl besser im maßen als verlängerte „Werkbank der Welt”, weil es Boden zu lassen, ein erstes Signal für ein Umdenken Massenprodukte konkurrenzlos billig herstellt. Mit dem in Richtung von mehr Ressourcen-, Arten- und Klima- Wirtschaftswachstum geht ein ungestillter Energiehun- schutz. Das eingeschränkte „Recht auf Entwicklung” ger einher, der sich durch schnell wachsenden Emis- könnte zur echten Überlebenschance für Menschen, sionen von Treibhausgasen bemerkbar macht. Mittler- Tiere und Natur werden. weile hat China mit den USA als weltgrößter Emittent von Kohlendioxyd in absoluten Zahlen gleichgezogen, Auch Bolivien leidet unter den Folgen des periodisch wenngleich die Pro-Kopf-Emissionen nur ein Fünftel wiederkehrenden Klimaphänomens „El Niño”, welcher der amerikanischen Werte betragen. Der internatio- die gesamte Westküste Südamerikas beeinflusst. nale Druck auf China wächst, sich auch der globalen Erst im Februar 2007 machten starke Regenfälle und Verpflichtung für den Klimaschutz zu stellen und nicht Überschwemmungen mit Erdrutschen große Teile des weiter hinter dem im Kyoto-Protokoll zugestandenen Landes unpassierbar, verwüsteten Häuser, Ernten und Status als „Entwicklungsland” zu verstecken. Zahlrei- Anbauflächen und führten zu Epidemien mit Todes- che Entwicklungsländer – allen voran China – verwer- fällen. Doch die Regierung schiebt die Schuld für die fen ökologische Vorgaben wie den Klimaschutz als Erderwärmung und die dadurch ausgelösten Naturka- unzulässige Einmischung in ihre inneren Angelegen- tastrophen pauschal auf die Industriestaaten und sieht heiten oder, schlimmer noch, als Versuch des Westens, Bolivien als Opfer des Klimawandels. Weder Umwelt- ihren mühsam erkämpften wirtschaftlichen Aufschwung noch Katastrophenschutz erhalten die erforderliche abzubremsen. Doch jetzt ist ein Schwenk in der chine- politische Unterstützung zur Sicherheit der eigenen sischen Politik festzustellen, nachdem auch die USA Bevölkerung. erkennen ließen, dass sie sich für Klimapolitik engagieren wollen. Die chinesische Regierung präsentierte Mexiko zählt zu den Ländern, die nach Expertenmei- am 4. Juni einen eigenen Klima-Aktionsplan, wohl auch nung besonders schwer unter den Folgen der Erder- um sich ein gutes Image in der internationalen Öffent- wärmung leiden werden. Das zweitgrößte Land Latein- lichkeit zu verschaffen. Zwar werde China keine ver- amerikas ist in den Rang eines etablierten Schwellen- pflichtenden Quoten für die Reduktion des CO2-Aus- lands und eines Schlüsselstaats für den Kontinent auf- stoßes akzeptieren, doch man wolle freiwillig bis 2010 gestiegen. Seine enge wirtschaftliche Verflechtung mit rund 950 Millionen Tonnen Kohlendioxid durch diverse dem nördlichen Nachbarn USA im Rahmen des NAFTA- energiepolitische Maßnahmen einsparen. Gegenüber Wirtschaftsbündnisses prägt auch die Orientierung 2005 wäre das immerhin eine Reduktion um 18 Pro- seiner Eliten, die sich eng am amerikanischen Vorbild zent, was eine sehr beeindruckende Zielvorgabe ist. orientieren und oftmals persönlich davon profitieren. Die Auffassung ist weit verbreitet, dass Klimaschutz und wirtschaftliches Wachstum nicht miteinander vereinbar wären. Es fehlt oftmals der politische Wille zum Umwelt- und Klimaschutz, obwohl die Mehrzahl der 121 Erreicht werden soll dieses Ziel durch eine Modernisie- Der befürchtete Anstieg des Meeresspiegels durch rung der Kraftwerke, eine Steigerung der Energiepro- Abschmelzen der Gletscher insbesondere in der arktik- duktivität um 20 Prozent, durch den weiteren Anteil Region würde große Küstenflächen und Städte sowie der erneuerbaren Energien und eine Wiederaufforstung Mündungsgebiete von Flüssen überschwemmen und in großen Stil. Ferner soll mehr in Forschung und Ent- Millionen von Menschen in die Flucht und auf die Suche wicklung von umweltschonenden und energiesparen- nach anderen Lebensorten treiben. Insbesondere Ban- den Technologien investiert werden. Diese Ankündi- gladesh ist hiervon bedroht, wie die Überschwemmun- gungen werden im Ausland – insbesondere in Deutsch- gen dieses Sommers bereits nachdrücklich zeigten. land und in den USA – gern gehört, doch Skepsis ist Migrationen von Armuts- und Klimaflüchtlingen stellen angesagt, was die konkrete Umsetzung dieser Maß- auch ein hohes Sicherheitsrisiko mit Gewaltpotential in nahmen betrifft. Wenngleich die Parteiführung ein den betroffenen Regionen und Ländern dar. Auf jeden gesteigertes Interesse an wirksamen Maßnahmen zum Fall würden sie die nationalen Kapazitäten zum Katas- Umwelt- und Klimaschutz hat, schon um ihre eigene trophenschutz und zur Katastrophenhilfe strapazieren. Machtposition zu sichern, hängt die Umsetzung von Eine Verschiebung der Hauptregenzeiten (Monsun) auf regionalen und lokalen Behörden ab, die nur schwer zu dem südasiatischen Subkontinent hätte wohl ähnlich kontrollieren sind. Diese bringen immer häufiger auch gravierende Auswirkungen und würde die Lebensgrund- eigene Interessen ins Spiel und widersetzen sich offen lagen von Millionen Menschen zerstören. Die einheimi- oder versteckt den zentralen Vorgaben. Teilweise gibt sche Landwirtschaft könnte die Versorgung der Men- es in der chinesischen Provinz auch kriminelle Mafia- schenmassen mit Grundnahrungsmitteln in Dürrezeiten ähnliche Strukturen, auf deren Konto schwere Umwelt- wie bei Überschwemmungen vermutlich nicht länger sünden gehen. Die von Menschen verursachten Um- gewährleisten. Die Ärmsten wären dann noch ärmer weltschäden in China werden von eigenen Experten dran. in einer Größenordnung taxiert, die die jährlichen wirtschaftlichen Wachstumsgewinne wieder aufzehren. Von Die IPCC-Klimaberichte haben in Indien das öffentliche offizieller Seite wird jetzt anerkannt, dass Wirtschafts- Interesse am Klimawandel aufleben lassen, zumal der wachstum durch Raubbau an der Natur nicht nachhaltig Vorsitzende des UN-Wissenschaftsrats ein Inder ist, ist und die eigene Zukunft gefährdet. Verschwiegen Dr. Rajendra Kumar Pachauri. Die offizielle indische werden aber Berichte über Opferzahlen durch Umwelt- Sichtweise besagt, dass das Land nur für einen Bruch- belastungen. teil der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich ist Oft wird Indien in einem Atemzug mit China genannt, China) und weder gewillt noch in der Lage sei, für die wenn es um die Entwicklung der großen Schwellenlän- hohen CO2-Vermeidungskosten selbst aufzukommen. der geht. Trotz einiger Gemeinsamkeiten wie einer Außerdem würden sie die Bemühungen um höheres großen Landmasse von den Ausmaßen eines Subkon- Wirtschaftswachstum und um Armutsbekämpfung in tinents und einer ähnlich beeindruckenden Bevölke- Indien beeinträchtigen. Die befürchteten Folgen des rungszahl gibt es wichtige Unterschiede in politischer, Klimawandels werden mit Besorgnis zur Kenntnis wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht, die eine diffe- genommen, doch die Verantwortung dafür wird den renzierte Betrachtung angeraten lassen. Die prognos- westlichen Industrieländern zugewiesen. (anders als die Industrieländer und neuerdings auch tizierten Auswirkungen des globalen Klimawandels auf den indischen Subkontinent sind erschreckend: Das Von der Weltöffentlichkeit weitgehend unbemerkt ist schon jetzt beobachtbare Abschmelzen der Gletscher Indonesien nach den USA und China zum drittgrößten im Himalaya-Gebiet durch den Temperaturanstieg CO2-Produzenten der Welt aufgestiegen. Allerdings würde die meisten der in diesem Quellgebiet entsprin- ist diese negative Entwicklung nicht einem überdurch- genden großen Flüsse der Region erst ansteigen und schnittlichen Wirtschaftswachstum mit hohem Energie- später versiegen lassen. Überschwemmungen und einsatz zu verdanken, sondern resultiert aus einer Dürren wären die Folgen. Gletscher stellen ein natür- überdimensionalen Ausbeutung der eigenen Naturre- liches Vorhaltesystem dar, das Wasser im Sommer serven, nämlich der Abholzung des tropischen Regen- abgibt, wenn es am meisten benötigt wird. Es speichert waldes auf seinen großen Inseln und der Brandrodung im Winter und in großen Höhen die monsunverursach- abgeholzter Waldflächen. Nach einer Studie von Green- ten Niederschläge als Schnee und Eis. Ein Abschmelzen peace entstünden dort durch die Urwaldzerstörung hätte also gravierende Folgen für den Wasserhaushalt jedes Jahr 2,6 Mrd. Tonnen Kohlendioxyd, mehr als von Südasien und könnte in der Folge nationale und die Emissionen von Deutschland, Frankreich und Groß- internationale Verteilungskämpfe um Wasserzugang, britannien zusammen. Paradoxerweise trägt das west- möglicherweise auch bewaffnete Konflikte, auslösen. liche Ausland dafür eine Mitverantwortung, denn auf den durch Abholzung neu gewonnenen Anbauflächen werden Palmöl-Plantagen angepflanzt. Das Produkt wird in alle Welt exportiert und kommt in den westli- 122 chen Industriestaaten u.a. als Biotreibstoff für Fahr- Trotz der übertriebenen Erwartungen und Befürchtun- zeuge und als Brennstoff in Kleinkraftwerken zum Ein- gen, die sich mit den asiatischen Boom-Staaten China satz. Das „grüne Gewissen” wird dort einerseits be- und Indien als potentiellen Weltmächten verbinden, friedigt, wenn es gilt, Ersatz für den fossilen Energie- darf die zentrale Rolle von Japan in Asien und weltweit träger und CO2-Verursacher Öl zu finden, doch anderer- nicht übersehen werden. Der dicht bevölkerte Insel- seits wird weit mehr Kohlenstoff durch Brandrodungen staat ist die zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt und Entwaldungen freigesetzt als durch die Nutzung und einer der führenden Industrienationen auf einem von Biodiesel eingespart wird. Eine absurde Situation, hohen technologischen Entwicklungsstand. Das Land die es im Sinne eines nachhaltigen Klimaschutzes zu ist in vieler Hinsicht ein global player, der die Entwick- korrigieren gilt. Der indonesische Urwald ist nämlich lungen auch im Energie- und Klimabereich maßgeblich einer der wichtigsten CO2-Speicher der Welt. Der Moor- beeinflusst. Japan droht seine im Kyoto-Protokoll fest- Torf-Boden speichert mehr Kohlenstoff als andere gelegten Klimaschutzziele zu verfehlen. Das Land sollte Landökosysteme. Die feuchten Torfschichten sind bis seine Emissionen von Treibhausgasen um 6 Prozent zu zehn Meter tief und bis zu 10.000 Jahre alt. Zum gegenüber dem Stand von 1990 mindern, aber bis 2005 Plantagenanbau werden Kanäle gezogen, um den Bo- stiegen diese um fast acht Prozent an. Deshalb will die den zu entwässern. Dann trocknet der Torf aber aus Regierung in Tokio ihre Anstrengungen zur Reduzierung und setzt CO2 frei. Außerdem gerät der ausgetrocknete von Treibhausgasen verstärken. Es sollen 100 Millionen Boden wesentlich leichter in Brand, was jedes Jahr in Dollar für den Klimaschutz aufgewendet werden, wo- der Trockenzeit zu gewaltigen Bränden mit riesigen von ein Großteil über die Asiatische Entwicklungsbank Rauchwolken führt, die nicht nur monatelang das Son- zur Förderung von nachhaltigen Entwicklungsprojekten nenlicht in der ganzen Region trüben, sondern auch in asiatischen Nachbarstaaten verwendet werden soll. die Gesundheit der Menschen gefährden. Greenpeace Die Steigerung der Energieeffizienz, bei der das Land forderte die indonesische Regierung auf, die Einschläge weltweit führend ist, soll auch international mit japa- in den Torf-Moor-Wäldern zu verbieten. Die Vereinten nischer Unterstützung gefördert werden, desgleichen Nationen sollten die Urwälder weltweit unter Schutz der Ausbau von erneuerbaren Energien. Tokio sieht stellen. Ein solcher Schritt wäre ein echter Durchbruch sich mit dem G8-Vorsitz im kommenden Jahr in der für den globalen Klimaschutz. Denn zurzeit produziert Verantwortung, auch die USA, China und Indien in ein Indonesien zusammen mit Malaysia rund 80 Prozent Nachfolgeabkommen für das 2013 auslaufende Kyoto- des gesamten Weltbedarfs an Palmöl. Internationale Protokoll einzubeziehen. Der Klimaschutz steht in Energiekonzerne sitzen in den Startlöchern, um mit Japan auf der politischen Agenda derzeit weit oben. Milliarden-Investitionen die Produktion noch weiter auszubauen, zumal der weltweite Bedarf steigt. Die indo- Auf Rang 10 der größten Verursacher von CO2-Emis- nesische Regierung unterstützt diese Vorhaben und sionen ist Südkorea anzutreffen. Zwar erscheint Koreas verdient am Export und der Vergabe von Konzessionen. Beitrag mit 1,7 Prozent der weltweiten Emissionen Als Zugeständnis an die in dieser Frage zunehmend relativ klein zu sein, doch es ist die Zuwachsrate von kritische Weltöffentlichkeit werden Projekte zur Wie- 104 Prozent im Zeitraum von 1990–2004 die Sorgen deraufforstung in Aussicht gestellt. Indonesien erwägt macht, denn sie bewegt sich auf ähnlich hohem Niveau auch gewisse Einschränkungen beim Plantagenbau wie Chinas Wachstum beim Energieverbrauch und den gegen entsprechende finanzielle Entschädigungen. Dies daraus resultierenden Emissionen (110 Prozent). Auch wird als wichtiger Beitrag Indonesiens zur Reduzierung die Pro-Kopf-Emissionen steigen rasant und liegen des Anstiegs der globalen Erwärmung gesehen. Image- mittlerweile auf dem Niveau der westeuropäischen pflege ist angesagt, zumal Bali im Dezember 2007 der Industriestaaten. Die Koreaner nehmen den Klimawan- Konferenzort der nächsten UN-Klimaverhandlungen del ernst und sind auch bereit, notwendige Maßnah- sein wird und Indonesien dort als Gastgeber auftritt. men mit zu tragen. Als Reaktion auf den IPCC-Bericht wurde von der koreanischen Regierung ein Plan vor- Eine aktuelle energiepolitische Kontroverse im bevöl- gestellt, der Klimakatastrophen vorbeugen soll und kerungsreichsten muslimischen Staat betrifft die Kern- geeignete Gegenmaßnahmen aufzeigt. Zur Reduktion kraft. Ausgerechnet am Fuß eines schlafenden Vulkans von Treibhausgasen setzt man weiter auf die Kern- soll das erste Atomkraftwerk des Landes gebaut wer- energie – Südkorea hat zurzeit zwanzig Atomkraft- den, noch dazu auf Java, einer der am dichtesten be- werke in Betrieb – sowie auf erneuerbare Energien. siedelten Inseln der Welt, wo zwei Drittel der indonesi- Deren Einsatz soll von derzeit 2,3 auf 10 Prozent im schen Bevölkerung leben. Trotz der immensen Risiken Jahr 2020 gesteigert werden. Damit soll auch die bei möglichen Störfällen und trotz der Proteste der große Abhängigkeit von Energieimporten reduziert Bevölkerung hält die Regierung an den Plänen fest. Die werden. Frage ist, ob eine klimaverträgliche Stromerzeugung nicht auch durch erneuerbare Energien garantiert werden könnte. 123 Vietnam zählt zu den Ländern in Asien, die wegen ihrer land gehört zu den größten bilateralen Gebern, denn Topographie am stärksten vom Klimawandel bedroht Kambodscha ist ein Schwerpunktland deutscher Ent- sind: Das Land hat eine 3.600 km lange Küste und zwei wicklungshilfe. große Flussdeltas, den Mekong im Süden und den Roten Fluss im Norden. In beiden Flusstälern leben In Thailand überragt die Hauptstadt Bangkok als zusammen rund drei Viertel der Bevölkerung und er- wuchernde Megacity das nationale Geschehen. Hier wirtschaften 80 Prozent des Volkseinkommens. Knapp wird die meiste Energie der Nation verbraucht und hier zehn Millionen Vietnamesen leben in unmittelbar be- muss auch politisch angesetzt werden, um Einsparer- drohten Küstenregionen oder im Deltagebiet der beiden folge und CO2-Minderungsziele zu erreichen. So zählt großen Flüsse. Diese Gebiete sind auch die „Reisschüs- die Stadt zu einer der 16 ausgewählten Megacities seln” des Landes und ernähren den Großteil der Be- weltweit, die sich am Klimaschutz-Programm des ehe- völkerung. Die Anrainerstaaten am Mekong (China, maligen amerikanischen Präsidenten Clinton beteiligen. Thailand, Burma, Laos und Kambodscha) versuchen In Bangkok wurde auch der dritte Teil des diesjährigen seit längerer Zeit sich über eine gemeinsame Fluss- IPCC-Berichts, der konkrete Maßnahmen zum Klima- nutzung und Flussregulierung zu einigen; bislang aber schutz vorschlägt, der Weltöffentlichkeit präsentiert. vergeblich. Das mögliche Abschmelzen der Gletscher im Himalaya könnte dazu führen, dass den Flüssen Singapur hat als bevölkerungsreicher und dicht besie- riesige Schmelzwassermengen zugeführt werden, was delter Stadtstaat sowie als „Wohlstandsinsel” im durch- die Pegelstände noch erhöhen würde. Schnee könnte weg armen Südost-Asien einen besonderen Stellen- möglicherweise auch in den Höhen künftig als ergiebi- wert. Einmal ist das Stadtgebiet selbst vom Klimawan- ger Regen fallen. An der Meeresküste sind Korallen- del bedroht, denn ein Ansteigen des Meeresspiegels riffe und Mangrovenwälder in ihrer Existenz bedroht, um nur 15 cm würde die halbe Inselrepublik unter was bei einem Absterben dieser ökologischen Schutz- Wasser setzen. Zum anderen bedeuten die durch Brand- barrieren den Küstenschutz schwächen und Erosion rodungen in den Nachbarländern Indonesien und Ma- begünstigen würde. Auch die Trinkwasserversorgung laysia verursachte Smogwolken gravierende Gesund- wäre gefährdet, weil verstärkt Salzwasser in die Delta- heitsprobleme in der eigenen Bevölkerung. So setzen gebiete eindringen würde. Klimaschutz konkurriert mit sich Wissenschaft und Politik zwangsläufig mit diesen Themen wie Wirtschaftswachstum, Infrastrukturpro- Probleme auseinander, wobei die internationalen Ver- blemen, Armutsbekämpfung, sozialer Sicherheit und bindungen intensiv zu Kooperationen genutzt werden. Bildungsreform. Für konkrete Maßnahmen fehlen oft An den finanziellen Ressourcen für eventuell notwen- die finanziellen Mittel und der politische Wille. Auch dige Anpassungsmaßnahmen, wie den Deich- und fehlt es in der Regel am notwendigen Wissen auf allen Schleusenbau als Schutz vor Überschwemmungen wird politischen Ebenen. In den großen Städten wie Saigon es sicher nicht mangeln. Im Gegensatz zu den armen und Hanoi gibt es keine Kläranlagen und keine sanitäre Nachbarn kann sich Singapur diesen „Luxus” leisten, Trinkwasseraufbereitung. Das Umweltbewusstsein ist wenn es denn sein muss. in der Bevölkerung Vietnams noch wenig ausgeprägt. Folglich sieht auch die Politik keine Veranlassung, sich Die zentralasiatischen Binnenstaaten Kasachstan, mit diesem Thema zu befassen. Usbekistan, Kirgisistan, Tadschikistan und Turkmenistan leiden unter zunehmender Wüstenbildung und In Kambodscha gibt es zwar eine gewisse Besorgnis Wasserknappheit. Das fügt der in dieser Region domi- über Umwelt- und Klimaprobleme, die mit den periodi- nierenden Landwirtschaft großen wirtschaftlichen schen Dürren und Überschwemmungen sowie dem Schaden zu. Insbesondere der bewässerungsintensive Absinken des Grundwasserspiegels wahrgenommen Baumwollanbau trägt zur Wüstenbildung und zum werden. Doch als ernsthafte politische Herausforde- Austrocknen des Aralsees bei, dessen Bilder die Welt- rung werden diese Probleme nicht gesehen. Das Land öffentlichkeit kennt. Trotzdem spielt der globale Klima- verbraucht insgesamt sehr wenig Energie, da es kaum wandel in der politischen Debatte kaum eine Rolle. industrialisiert ist und eine Subsistenzwirtschaft die Diese Länder befinden sich noch mitten im Transfor- Regel ist. Die in Land- und Forstwirtschaft verursach- mationsprozess, so dass eher damit verbundene wirt- ten Emissionen von Treibhausgasen fallen eher ins schaftliche und politische Probleme öffentlich thema- Gewicht, insbesondere durch die Abholzung und Brand- tisiert werden. Allenfalls in Kasachstan als dem wirt- rodung von Wäldern. Die kambodschanische Regierung schaftlich am weitesten entwickelten Land in Zentral- wird von internationalen Entwicklungshilfeorganisatio- asien gibt es Ansätze einer Umweltdebatte. Auch hier nen unterstützt, weil es intern am nötigen Fachwissen dominieren regional begrenzte Probleme, wie die Was- und finanziellen Mitteln mangelt. Das Land zählt zu serversorgung oder Altlasten aus der Sowjetzeit. Die den am wenigsten entwickelten und damit ärmsten Ländern der Welt. Rund die Hälfte des Staatsbudgets zahlt die internationale Gebergemeinschaft. Deutsch- 124 Überwindung der weitverbreiteten Armut ist die Haupt- Pro-Kopf-Ausstoß wird in der Reihe der Industrienatio- sorge in diesen Ländern. Die Mitarbeit in internatio- nen nur noch von den USA und Kanada überboten. nalen Organisationen sowie die Hilfe von Industrie- Dabei hätte der Kontinent mit 300 Tagen Sonnenschein staaten könnten zu mehr Wissen und Bewusstsein im Jahr günstige Voraussetzungen, um mindestens die über die klimatischen Zusammenhänge und die kon- Hälfte des Energiebedarfs mit Solarenergie zu decken. kreten Umwelt- und Klimaprobleme führen. Bislang tragen erneuerbare Energien erst acht Prozent zur Stromversorgung bei. Auch ein Programm zum Die aktuelle Kriegs- und Bedrohungssituation in Afgha- Energiesparen ist nicht in Sicht, der nationale Energie- nistan führt dazu, dass Klimaschutz nicht auf der poli- verbrauch steigt jährlich um fast 2 Prozent. Auf Druck tischen Agenda steht. Andere Probleme und Sorgen einer zunehmend kritischen öffentlichen Meinung be- überwiegen, auch akute Umweltprobleme in der Haupt- ginnt die Regierung jetzt zu handeln. Programme zur stadt Kabul, die ohne Kanalisation und Müllabfuhr Erforschung von Clean-Coal-Technologien werden auskommt. Gesundheitsrisiken durch verpestete Luft staatlich finanziert und ab 2011 soll sich das Land am und verschmutztes Wasser sind an der Tagesordnung. Handel mit Emissionszertifikaten beteiligen. Überhaupt stellt die Wasserversorgung im ganzen Land ein ernstes Problem dar. Dass dies auch mit der Erd- Die australische Regierung, die ebenso wie die USA erwärmung zu tun haben könnte, wird offiziell nicht das Kyoto-Protokoll nicht ratifiziert hat und eigene gesehen. Die Zusammenarbeit der Regierung mit UNEP Emissionsbeschränkungen bisher als wirtschaftsfeind- sowie mit anderen internationalen Gremien und huma- lich ablehnt, hat sich jetzt einer Initiative von Präsident nitären Hilfsorganisationen ist wichtig für das Land, Bush angeschlossen und einen gemeinsamen Aktions- doch dafür muss auch die Sicherheit der Mitarbeiter plan für Atomenergie vereinbart. Vorgesehen ist eine garantiert werden. Zusammenarbeit bei Forschung und Entwicklung sowie technischer Ausbildung. Australien betreibt selbst Die Mongolei ist vom globalen Klimawandel stark be- keine eigenen Atomkraftwerke, weil Atomenergie von troffen, wie Naturkatastrophen durch extreme Kälte weiten Teilen der Bevölkerung abgelehnt wird. Aber und große Dürre belegen, die jedoch zum Teil auch das Land hält 40 Prozent der bekannten Uranvorkom- „hausgemacht” sind. Die Überweidung der Steppen men weltweit und exportiert den Rohstoff in 36 Länder. sowie der Umwelt belastende Bergbau führen zur Wüs- Die USA haben natürlich ein strategisches Interesse tenbildung, zum Austrocknen von Flüssen und generell an den Uranressourcen des australischen Kontinents. zu Problemen im Wasserhaushalt des Landes. 80 Pro- Ob die beiden gleichgesinnten Staaten allerdings inner- zent des Landes sind von der Trockenheit betroffen, halb des asiatisch-pazifischen Wirtschaftsraumes auf auch durch die fortschreitende Gletscherschmelze im Unterstützung und Zustimmung treffen, ist fraglich. Altai-Gebirge mit verursacht. Trotzdem spielt das Klima- Nach ihren Vorstellungen soll der globale Klimaschutz thema noch keine Rolle in der politischen und öffent- ist erster Linie durch Forschung und Entwicklung von lichen Debatte. neuen Technologien und nicht durch wirtschaftliche Einschränkungen erfolgen. K L I M A D E B ATT E I N A U S T R A L I E N Neuseeland hat sich dagegen andere, ehrgeizige Ziele Australien ist vom Klimawandel besonders stark be- gesetzt: es will die erste wirklich „nachhaltige Nation” troffen. Sichtbarste Folge ist der notorische Wasser- der Welt werden. Die Regierung konkretisierte jetzt die mangel. Die Dürre hat das Land schon seit vielen nationalen Klimaschutzpläne. Schrittweise soll bis 2013 Jahren im Griff. Die Folgen für die Land- und Viehwirt- ein Emissionshandelssystem für alle Wirtschaftssekto- schaft sind verheerend. Die niedrigen Pegelstände der ren, wie Land- und Forstwirtschaft, Verkehr und Trans- Flüsse im Osten des Kontinents, wo ein Drittel aller portwesen, Energieerzeugung und Industrie, eingeführt Lebensmittel produziert werden, erlauben keine künst- werden. Daneben setzt die Klimastrategie auf mehr liche Bewässerung mehr. Missernten und Viehsterben Energieeffizienz und den stärkeren Einsatz von erneu- sind an der Tagesordnung, so dass viele Farmerfamilien erbaren Energien bei der Stromversorgung. Ihr Anteil mittlerweile hoch verschuldet sind. Finanzielle Notpro- soll bis 2025 auf 90 Prozent steigen. Staatliche För- gramme der Regierung sollen Abhilfe schaffen. Die dermittel fließen außerdem in Entwicklung neuer schwierige Situation ist freilich auch zu gehörigen Teilen Biokraftstoffe aus heimischen Ressourcen, d. h. nach- selbst geschaffen durch eigene „Umweltsünden”. Aust- wachsenden Rohstoffen aus der Land- und Forstwirt- ralien deckt 85 Prozent seines Energiebedarfs mit der schaft. reichlich vorhandenen heimischen Kohle ab und ist nebenbei auch noch der größte Kohleexporteur der Welt. Aufgrund seiner kohlebasierten Stromerzeugung ist das Land einer der weltweit führenden Emittenten, sein 125 K L I M A D E B ATT E I N D E R R E G I O N N A H O S T / Ägypten ist kein klassisches Beispiel für ein Land, bei NORDAFRIKA dem das Interesse zur Nutzung von alternativen Energien auf ökonomischen Zwängen zu beruhen scheint. In dieser Region sind die Mittelmeer-Anrainer außer- Das Land fördert Erdöl und Erdgas, allerdings deckt halb Europas im Nahen Osten und in Nordafrika zusam- die Produktion nur noch knapp den Eigenbedarf. Die mengefasst. Diese Gruppe von Staaten mit überwie- Stromerzeugung aus Wasserkraftwerken (Assuan- gend islamisch geprägter Bevölkerung wird angeführt Staudamm) und Gaskraftwerken, die fast alle ägypti- von Ägypten (79 Millionen) und der Türkei (70 Millio- schen Haushalte versorgt, soll mit ausländischer Hilfe nen) als den beiden größten Ländern in der Region. künftig auf der Basis von Sonnen- und Windenergie Der Staat Israel nimmt auf Grund seiner außenpoliti- erfolgen. Es sind nicht allein Klimaschutzerwägungen, schen Isolierung und dem fortdauernden Konflikt mit sondern auch ökonomische Überlegungen, die teuren seinen Nachbarn eine exponierte Sonderstellung ein. und knapper werdenden Öl- und Gasvorräte langfristig Zu erwähnen sind ferner die Maghreb-Staaten Algerien zu ersetzen. Ägypten zählt zu den am dichtesten be- und Marokko mit jeweils 33 Millionen Einwohnern und siedelten Ländern der Welt, weil sich fast die gesamte Tunesien mit 10 Millionen Alle Staaten dieser Region Bevölkerung im Niltal und Nildelta konzentriert, wobei haben mit ähnlichen klimatischen Problemen wie Tro- die großen Metropolen Kairo und Alexandria bei einem ckenheit, Wüstengebieten und Wasserknappheit zu potentiellen Anstieg des Meeresspiegels durch den Kli- kämpfen. So verwundert es nicht, dass die möglichen mawandel akut bedroht wären. So macht eine umwelt- Auswirkungen einer weiteren Erderwärmung hier mit gerechte Energieversorgung auch für ein armes Land großer Besorgnis gesehen werden, weil sie die ohnehin Sinn, selbst wenn es nur ein bescheidener Anfang ist. bestehenden Probleme in Zukunft noch verschärfen könnten. Im Allgemeinen liegen die Länder der Region Israel hat bewiesen, dass es auch mit Wasserknappheit mit ihren CO2-Emissionen weit unterhalb der Werte der und Wüstenbesiedlung gut umgehen kann. Wegen sei- Europäischen Union und der gesamten Welt. Der Anteil ner politischen Isolierung in der Region muss der Staat der einzelnen Länder an den Emissionen hängt stark aber überwiegend mit eigenen Ressourcen auskommen, von der Bevölkerungszahl und der Wirtschaftskraft so auch bei der Wasser- und Energieversorgung. Auf- ab. So steht die Türkei dank ihrer zunehmenden Wirt- grund der intensiven Bewässerung in der Landwirtschaft schaftsleistung in absoluten Zahlen bei weitem an ers- ist der Wasserpegel im See Genezareth seit Jahrzehn- ter Stelle in der Region. Ägypten hat dagegen als Ent- ten kontinuierlich gefallen, weil mehr Wasser entnom- wicklungsland bei vergleichbarer Bevölkerungszahl nur men wird als durch den Jordan wieder zufließt. Regen- die Hälfte der türkischen Emissionen zu verzeichnen. fälle sind spärlich und auch der Grundwasserspiegel sinkt. Die Entsalzung von Meerwasser könnte eine In der Türkei berichten die Medien seit einigen Jahren Option zur Wasserversorgung sein, doch diese ist sehr zwar regelmäßig über den globalen Klimawandel und energieaufwändig und extrem kostspielig. Erneuerbare seine möglichen Auswirkungen auf das Land, doch die Energien könnten zumindest für eine geregelte Strom- Bevölkerung und auch die Politik nimmt dieses Thema versorgung in Angriff genommen werden. Ins interna- nicht wirklich ernst. Die eigenen Wasserprobleme sind tionale Klimageschäft ist die israelische Regierung erst überwiegend hausgemacht durch exzessive Bewässe- kürzlich eingestiegen: Sie will im Rahmen von CDM- rung in einer intensiven Landwirtschaft und Wasserver- Projekten Emissionszertifikate an Deutschland veräu- schwendung durch undichte Leitungen. Die Großstädte ßern. Davon sollen gemeinsame Forschungsprojekte Istanbul, Ankara und Izmir müssen sich schon ferne zum Umwelt- und Klimaschutz finanziert werden. Trinkwasserquellen erschließen und Fernleitungen bauen. Die türkische Regierung lehnt Emissionsbeschrän- Marokko und Algerien sind von den Auswirkungen des kungen bisher ab, weil das Land sich wirtschaftlich Klimawandels betroffen, vor allem wegen des Nieder- erst noch entwickeln müsse und es die Kosten für den schlags- und Wassermangels mit negativen Auswirkun- Umwelt- und Klimaschutz nicht tragen wolle. Dabei gen auf die Land- und Forstwirtschaft. Es ist jedoch kann die Türkei durchaus in die Gruppe der schnell schwer zu trennen zwischen externen Klimafolgen und wachsenden Schwellenländer einklassifiziert werden. hausgemachten Umwelt- und Ressourcenproblemen, Die Emissionswerte steigen im Zuge der energiegetrie- z. B. durch Überfischung oder Wasserverschwendung. benen Industrialisierung und Motorisierung ständig an, Auch dem Tourismus als wirtschaftlichem Standbein wobei die heimische Braunkohle der Hauptenergieträ- und wichtigem Devisenträger Marokkos droht durch ger ist. Erneuerbare Energien werden trotz der vorhan- höhere Temperaturen und geringere Niederschläge denen Potentiale – mit Ausnahme der großen Wasser- ein Einbruch. Der Druck zum Handeln wächst, doch er kraftwerke – bislang kaum genutzt. kommt weniger von innen als von außen. Internationale Partner versuchen Umwelt- und Ressourcenschutz im Bewusstsein der Menschen zu verankern, doch die 126 Alltagssorgen der Bevölkerung lassen wenig Raum für Modernisierung der Landwirtschaft. Allerdings kann umweltgerechtes Verhalten. Eine öffentliche Debatte nicht der in den Industriestaaten ausgelöste Nachfrage- über diese Dinge findet kaum statt. Die marokkanische boom nach Bioethanol als Ersatz für Erdöl eine befrie- Regierung ist sich der Problematik bewusst, die auch digende Lösung für die afrikanische Landwirtschaft die nationale Energieversorgung betrifft, welche sich sein. Denn weltweit betrachtet ist die starke Expansion überwiegend auf fossile Energieträger (Öl und Gas) von Biotreibstoffen eine akute Gefahr für die biologi- stützt. Mit deutscher Unterstützung wird der Ausbau sche Vielfalt und den Artenschutz. Forscher warnen von Solar- und Windenergie betrieben, wobei neben davor, die Treibhausgasemissionen auf Kosten der Klimaschutz die Reduzierung der Importabhängigkeit Natur in Entwicklungsländern zu senken. das Hauptmotiv ist. In Algerien sind die Umwelt- und Klimaprobleme ähnlich wie im Nachbarland Marokko, Nigeria, das bevölkerungsreichste Land Schwarzafrikas doch es hat als OPEC-Staat eine ganz andere Energie- mit rund 140 Millionen Einwohnern, steht klimapolitisch basis und exportiert Öl und Gas gegen Devisen ins Aus- vor einem Dilemma. Einerseits muss das Land eigene land, nach Europa und Amerika. Der auch dort mög- Anstrengungen schon im eigenen Interesse unterneh- liche Ausbau von erneuerbaren Energien wird noch nicht men, um seine Bevölkerung nicht weiter zu gefährden; so ernsthaft betrieben wie in Marokko, aber auch Alge- andererseits produziert und exportiert es in großen rien wird sich in naher Zukunft wohl auf seine heimische Umfang Erdöl- und Erdgas für den Weltmarkt, zuneh- Sonnen- und Windenergie besinnen. mend auch nach China. Nigeria ist auf diese Exporteinnahmen angewiesen, um seine nationale Entwicklung K L I M A D E B ATT E I N A F R I K A voranzutreiben. Jegliche Klimaschutzstrategie, die auf (SÜDLICH DER SAHARA) einen weitgehenden Verzicht auf fossile Energieträger, wie Erdöl, setzt, schadet dem Staat in finanzieller Hin- Die Länder Westafrikas (zumeist in der Sahelzone) sicht und beeinträchtigt notwendige Investitionen in zählen zu den ärmsten Ländern der Welt, wo die ele- Bildung und Gesundheit, aber auch in Industrie- und mentare Grundversorgung mit Lebensmitteln, Wasser Infrastrukturprojekte. und Energie oft nicht gewährleistet ist. In einer Region, in der die Lebenserwartung der Menschen gerade Die in Zentralafrika gelegene Demokratische Republik mal 45 Jahre im Schnitt beträgt und viele Kinder an Kongo ist flächenmäßig das größte afrikanische Land Malaria sterben, stehen naturgemäß andere Themen mit einer überwältigenden Biodiversität, die allerdings auf der Tagesordnung als der Klimawandel. Doch ist durch Abholzung und Brandrodung akut bedroht ist. nicht zu übersehen, dass der Klimawandel bereits Mit einer Bevölkerungszahl von knapp 65 Millionen ist heute in Afrika – und viel direkter als in Europa – die es der drittgrößte afrikanische Staat. Er zählt zu den Lebensgrundlagen der meisten Menschen bedroht, ärmsten der Welt und ist gleichzeitig Opfer und Mit- insbesondere aber in den ländlichen Regionen. Fakto- verursacher des Klimawandels, wenn der heimische ren, die den Klimawandel in Afrika verschärfen, sind tropische Regenwald als globaler Kohlenstoffspeicher die Praktiken der Brandrodung und die Herstellung von zunehmend verschwindet. Das gesamte Kongobecken, Holzkohle. Mit dieser wird fast die gesamte Energie- das eine ähnliche Schutzfunktion erfüllt wie das Ama- versorgung auf dem Land abgedeckt. Die Stromver- zonasbecken in Südamerika, ist von Entwaldung be- sorgung ist insbesondere auf dem Land – aber auch droht. Die Auswirkungen des Klimawandels können in den Städten – mangelhaft. In den wuchernden nur durch eine schnelle Wiederaufforstung gemildert Städten greift die Luftverschmutzung durch den Auto- werden, damit die Wasserversorgung auch zukünftig verkehr und dieselgetriebene Stromgeneratoren die gewährleistet werden kann. Eine nachhaltige Bewirt- Gesundheit der Bevölkerung an. Die Stromproduktion schaftung der Waldgebiete erfordert die Einbeziehung ist ökologisch alles andere als nachhaltig und muss aller Akteure, einschließlich der holzverarbeitenden dringend auf eine klimaverträgliche Basis umgestellt Industrie und der Nachfrageseite in den Industriestaa- werden. ten. Auch die Gesundheitsrisiken durch ganzjährige Malaria in vielen afrikanischen Staaten bedürfen einer Von allen Kontinenten trägt Afrika am wenigsten zum internationalen Zusammenarbeit und einer finanziellen Klimawandel bei, wird darunter aber am meisten zu und technischen Unterstützung von außen. Die politi- leiden haben. Westafrika benötigt also dringend inter- sche Elite muss für diese Projekte erst noch gewonnen nationale Partner, um die Region gegen die Folgen des werden. Klimawandels zu wappnen. In armen Entwicklungsregionen kann häufig mit viel weniger Geld ein größerer In Ostafrika ist der Klimawandel kein neues Phänomen. Beitrag zum Klimaschutz erzielt werden als in reichen Extreme Trockenheit und starke Überschwemmungen Industrienationen. So ist Hilfe bei der Substitution von wechseln periodisch und gehören zum Alltag in Kenia, Holzkohle durch andere, vorzugsweise erneuerbare, Uganda und Tansania. Doch dass die Pegelstände am Energiequellen dringend erforderlich, ebenso bei einer Victoria-See, dem größten Süßwasserreservoir Afrikas, 127 seit Jahren bedrohlich sinken, ist schon besorgniserre- und Lateinamerikas (Brasilien und Mexiko) repräsen- gend. Auch die jüngsten Überschwemmungen in wei- tiert es dort allein den afrikanischen Kontinent. Diese ten Teilen Afrikas auf Grund monsunartiger Regenfälle besondere Auszeichnung entspringt seiner wirtschaftli- haben große Schäden angerichtet. Dass das Wetter chen und politischen Vormachtstellung in der Region. die Ernten beeinflusst ist wenig überraschend. Aber Diese beruht auf seinem Reichtum an mineralischen nicht die Dürre oder Überschwemmungen, die Ernten und energetischen Ressourcen, seiner vergleichsweise vernichten, sind die eigentlichen Probleme Afrikas. Die gut ausgebildeten Arbeiterschicht und einer demokra- Erträge der Landwirtschaft hängen nicht allein vom tisch legitimierten, westlich orientierten Regierung. Klima und seinen Folgen ab, sondern auch von den Allerdings gibt es auch Problembereiche, wie die fast politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. ausschließlich auf Kohle basierte Energieversorgung des Oftmals fehlen Recht und Ordnung, um – selbst bei Landes mit hohen CO2-Emissionswerten, die jene des widrigen klimatischen Bedingungen – nachhaltig wirt- viermal größeren Brasilien in absoluter Höhe noch über- schaften zu können, sowie in vielen Staaten Afrikas der treffen. Trotzdem bleibt die nationale Stromversorgung notwendige Frieden und die staatliche Stabilität. Nur unzureichend für den industriellen wie privaten Bedarf. starke Regierungen, die bereit sind zum Wohle ihrer So soll auch die Kernkraft zum Einsatz kommen, mög- Bürger zu handeln, sind verantwortungsvolle Partner licherweise mit der ursprünglich in Deutschland ent- der internationalen Staatengemeinschaft beim Klima- wickelten und später dort ausrangierten Hochtempera- schutz. turtechnologie. Von Südafrika wird eine Vorreiterrolle in Sachen Klima- und Umweltschutz sowie nachhaltige In dieser Rolle versucht sich das Schwellenland Süd- Entwicklung für die Nachbarstaaten erwartet. Mit Blick afrika im Rahmen eines politischen Dialogs mit den auf die Fußballweltmeisterschaft 2010 versucht das G8-Staaten zu präsentieren. Zusammen mit den weit Gastgeberland sein internationales Image entsprechend größeren Schwellenländern Asiens (China und Indien) aufzupolieren. D I E Z E H N G R Ö S S T E N C O2 - E M I T T E N T E N I N D E R W E L T Anteil in % an weltweiten energiebedingten Werten, 2006 Land CO2-Emissionen Energieverbrauch Bruttoinlandsprodukt Erdbevölkerung USA 21,8 20,7 20,5 4,6 China 17,9 14,5 13,8 20,5 Russland 5,8 5,7 2,5 2,3 Japan 4,6 4,8 6,6 1,9 Indien 4,2 5,1 5,9 17,1 Deutschland 3,2 3,1 4,1 1,3 Kanada 2,1 2,4 1,8 0,5 Großbritannien 2,1 2,1 3,2 0,9 Südkorea 1,8 1,9 1,8 0,8 Italien 1,7 1,6 2,9 0,9 Weltanteil 65,2 61,9 63,1 50,8 Quelle: Spiegel online/Germanwatch/IEA 128 SCHLUSSFOLGERUNGEN effizienz sowie den Ausbau von Erneuerbaren Energien muss auch international glaubwürdig durch eigene Deutschlands internationale Rolle beim Klimaschutz: Vorleistungen und Erfolge unterstrichen werden. Die Deutschland hat im Jahr 2007 eine doppelte Verantwor- Unterstützung der anderen Mitgliedsstaaten in der EU tung in Europa und der Welt geschultert. Im ersten ist unabdingbar, häufig aber schwierig einzufordern. Halbjahr hatte die deutsche Bundesregierung den Vor- Das Problem ist, dass die Interessen und die Meinun- sitz im Europäischen Rat und konnte so die Verabschie- gen der 27 Mitgliedsstaaten zu weit auseinander gehen, dung eines ehrgeizigen Zielkatalogs zur gemeinsamen außerdem blockieren schwerfällige Abstimmungs- und Energie- und Klimapolitik der EU-27 maßgeblich beein- Entscheidungsprozesse die Formulierung einer gemein- flussen. Nun gilt es, diese Ziele durch geeignete Maß- samen Politik gegenüber wichtigen Drittstaaten, wie nahmen auch auf nationaler Ebene zu konkretisieren. z. B. Russland, USA und China. Zum anderen war Deutschland in diesem Jahr der Gastgeber der sogenannten G8-Staaten in Heiligendamm, Energiedialog mit Russland: Obwohl ein Gesamtinte- wo die größten Wirtschaftsmächte der Welt zusammen resse der EU an einer strategischen Partnerschaft mit mit den fünf größten Schwellenländern konferierten, Russland besteht, gibt es viele Probleme auf dem Weg. u.a. zum Thema globaler Klimawandel und Klimaschutz. Die gegenseitige Wahrnehmung ist schwierig gewor- Somit war Deutschland mit Bundeskanzlerin Angela den, weil Russland sich noch nicht an die neue, um Merkel in einer wichtigen Führungsposition, um Bewe- ehemalige sowjetische Satellitenstaaten erweiterte EU gung in die internationalen Klimaverhandlungen zu gewöhnt hat, ebenso wenig wie die EU das neue, wirt- bringen und einen Durchbruch zu einem Kyoto-Nach- schaftlich wieder erstarkte und politisch selbstbewusste folgeabkommen zu erzielen. Das ist zumindest ansatz- Russland richtig einzuschätzen vermag. Beide Seiten weise gelungen, denn es besteht im Kreis der wich- müssen lernen miteinander vernünftig umzugehen. tigsten Staats- und Regierungschefs ein Grundkonsens Auf dem Spiel steht die vertrauensvolle Partnerschaft darüber, dass gemeinsam und schnell gehandelt wer- mit dem wichtigsten Nachbarn in Europa, ohne den den muss, um die möglichen Folgeschäden eines man in absehbarer Zeit nicht auskommen kann und globalen Klimawandels zu begrenzen. Im Detail wird den man zur Lösung vieler gemeinsamer Probleme, wie über die dazu erforderlichen Maßnahmen aber noch Energiesicherheit und Klimaschutz, dringend braucht – politisch gerungen. auch in der Ära nach Putin. Der EU-Russland-Dialog muss wieder belebt und intensiviert werden. Er sollte Der Klimawandel ist ein globales Problem, das nur aber bilateral und nicht vielstimmig geführt werden: gemeinsam von allen Ländern gelöst werden kann. Es die EU muss lernen, mit einer Stimme nach außen zu bedarf dazu internationale Vereinbarungen, die Staaten sprechen, z.B. in Energiefragen. Deshalb empfiehlt zum Handeln verpflichten, um ihre Bevölkerung vor die Kommission den Mitgliedsstaaten eine gemeinsame den möglichen Folgen angemessen zu schützen. Vor- Energieaußenpolitik zu formulieren. leistungen der wirtschaftlich starken Staaten und zwischenstaatliche Kooperationen mit Technologie- und Transatlantische Zusammenarbeit: Die Partnerschaft Kapitaltransferleistungen sind auch erforderlich, damit mit den USA ist in den letzten Jahren einigen schwie- auch die armen Länder wegen mangelnder Ressourcen rigen Belastungsproben unterzogen worden. Insbe- nicht auf der Strecke bleiben. Es gilt weltweit die Ener- sondere das amerikanische Engagement im Irak-Krieg giesysteme nachhaltig umzubauen und deren Abhän- hat die Beziehungen mit Deutschland und anderen gigkeit von fossilen Energieträgern zu reduzieren. Der EU-Staaten zeitweilig getrübt und einen Keil in die EU Emissionshandel könnte dazu ein nützliches Instrument getrieben, als in den US-Medien zwischen den Befür- sein. Ebenso wichtig ist es der unkontrollierten Abhol- wortern und den Gegnern des Kriegskurses nach einem zung und der Brandrodung weitweit Einhalt zu gebieten „neuen” und einem „alten” Europa unterschieden wur- und in Waldschonung sowie Wiederaufforstung zu in- de. Auch dass die amerikanische Administration unter vestieren. Ferner wird es wohl ohne geeignete Anpas- George Bush das Kyoto-Protokoll nicht unterzeichnet sungsmaßnahmen, z. B. zum Küsten- und Gewässer- hat, und damit nach deutscher und EU-Sichtweise die schutz bis hin zur möglichen Umsiedlung von Menschen internationalen Bemühungen um einen globalen Klima- aus gefährdeten in sichere Zonen, auf Dauer nicht ge- schutz behinderte, war in der Sache nicht förderlich. hen. Im Zuge einer internationalen Solidarität müssten Ermuntert durch inneramerikanische Entwicklungen die reichen Staaten die armen Länder mit finanziellen in einzelnen Bundesstaaten und Kommunen, setzen und technischen Mitteln dabei unterstützen. Deutschland und die EU mittelfristig auf die Mitwirkung der USA an Maßnahmen zum internationalen Klima- Die deutsche und europäische Klimadiplomatie hat noch schutz im Rahmen eines Kyoto-Nachfolgeabkommens. viele Herausforderungen zu meistern. Die eigene Vor- Vieles hängt wohl auch von der wirtschaftlichen Rivali- reiterrolle in Bezug auf eine radikale Energiewende tät der USA mit China ab und dem Entgegenkommen durch verstärktes Energiesparen und erhöhte Energie- der großen dynamischen Wachstumsregionen beim 129 Umwelt- und Klimaschutz. Wenn das Eigeninteresse LÖSUNG DES KLIMAPROBLEMS DURCH DIE an solchen Schutz- und Vorbeugemaßnahmen auch in I N T E R N AT I O N A L E S TA AT E N G E M E I N S C H A F T ? den großen Schwellenländern überwiegt, wird eine globale Zusammenarbeit bei diesen Fragen leichter zu Globale Klimapolitik kann man nur in engem Zusam- erzielen sein. menhang mit internationaler Diplomatie und Weltpolitik sehen. Auf dieser Bühne zählt nationale Größe, was Politischer Dialog mit Schwellen- und Entwick- Ressourcenausstattung, Bevölkerungszahl und Flächen- lungsländern: Die Frage, ob der exklusive Kreis der ausdehnung, vor allem aber die Wirtschafts-, Kapital- G8-Wirtschaftsmächte um eine Gruppe von wenigen und Militärmacht von Staaten betrifft. Zweifellos kann großen Schwellenländern, wie China, Indien, Brasilien, aber auch das Technologie- und Innovationspotential Mexiko und Südafrika oder noch einige andere, aufge- von Industriestaaten als positiver Einflussfaktor in den stockt werden sollte, mag vielleicht verfrüht sein. Doch internationalen Beziehungen gesehen werden. Bislang sie weist auf den Kern des Problems hin: ohne diese spielen Nordamerika, d.h. die USA und Kanada sowie aufstrebenden dynamischen Wachstumsländer werden die großen Staaten Europas hier eine herausragende die Energie- und Klimaprobleme der Welt nicht zufrie- Rolle. Als einziger asiatischer Staat gehört Japan zu den denstellend gelöst werden können. Man muss sie weltweit führenden Wirtschaftsmächten. Auch andere künftig in gemeinsame Aktionen einbinden und dazu große asiatische Staaten streben nun in die Rolle von ist ein fachlicher und politischer Dialog unerlässlich – Führungsmächten, allen voran die beiden bevölkerungs- in welchem internationalen Rahmen auch immer. Die reichsten Länder der Welt, China und Indien, beflügelt Entwicklungsländer sehen sich in ihrer Mehrzahl als durch anhaltendes dynamisches Wirtschaftswachstum. „Opfer” der Klimaveränderungen, die hauptsächlich Dieser Kreis kann sicherlich noch um einige andere von den Industrieländern verursacht wurden. Die gro- Staaten in der Region wie Südkorea oder Indonesien ßen Schwellenländer sind dabei, diese wirtschaftliche erweitert werden. Gleichwohl werden diese wirtschaft- Entwicklung mit ähnlichen Fehlern, wie sie von den lichen Boom-Staaten in internationalen Verträgen wie Industrieländern gemacht wurden, in rasantem Tempo der UN-Klimarahmenkonvention und dem Kyoto-Proto- nachzuholen, wobei sie nach ähnlich energieaufwen- koll noch als „Entwicklungsländer” klassifiziert ohne digem Muster verfahren wie die bereits entwickelten die gleichen Verpflichtungen zur Emissionsminderung Volkswirtschaften. Für sie hat das Ziel der Energie- wie die Gruppe der Industrieländer. Den in Medien ge- sicherheit einen Vorrang vor dem Klimaschutz. Sie bräuchlichen Begriff „Schwellenländer” gibt es offiziell vertreten den Standpunkt, dass erst einmal die Indus- nicht. Diese müssen aber neben der Gruppe der Indus- trienationen in Vorleistung beim Klimaschutz treten triestaaten in einem künftigen Klimaschutzregime mehr müssen, bevor sie ähnliche Leistungen von ihnen er- internationale Verantwortung übernehmen, wenn zähl- warten und fordern können. So blockieren sich beide bare Erfolge bei der Begrenzung der Erderwärmung Seiten auf der politischen Verhandlungsebene. verzeichnet werden sollen. Die große Gruppe der armen und ärmsten Entwick- Asien wird auf Grund der in vielen Ländern zu beob- lungsländer, vor allem in Afrika, aber auch in Asien und achtenden demografischen und wirtschaftlichen Wachs- Lateinamerika, darf darüber aber nicht vergessen wer- tumsdynamik als „Kontinent der Zukunft” wahrgenom- den. Dort haben rund 1,6 Milliarden Menschen auf der men. Die EU und ihre Mitgliedsstaaten werden zwar Welt immer noch keinen Zugang zu einer Versorgung von den großen Veränderungen in Asien betroffen sein, mit Elektrizität. Häufig sind diese auch die Opfer eines sie aber kaum aktiv gestalten können. Das betrifft ungezügelten Klimawandels, dem sie aus Gründen der auch die Lösung globaler Probleme, wie den Klima- Armut wenig entgegen zu setzen haben und für dessen schutz. Die Vorreiterrolle von Deutschland und der EU Bewältigung sie auf finanzielle und technische Unter- ist lobenswert, aber nur bedingt erfolgversprechend. stützung von außen angewiesen sind. Voraussetzung Denn der deutsche und europäische Beitrag zur Ener- ist jedoch, dass die Regierungen dieser Länder sich gieeinsparung und Emissionsminderung ist einfach zu auch wirklich um die Belange der eigenen Bevölkerung gering, um globale Wirkung entfalten zu können. Dafür kümmern und nicht bloß Eigeninteressen vertreten. müssen andere „global players”, wie die USA und China, Diese Menschen und Staaten tragen jedoch mit ihren erst einmal gewonnen werden. Vielleicht setzt sich Handlungen auch selbst zum Klimawandel bei – häufig auch dort bald die Erkenntnis durch, dass klimapoliti- unwissentlich oder aus purer Not, manchmal aber auch sches Handeln im ureigenen Interesse ist. aus wirtschaftlicher Gier und Unvernunft. Abholzung und Brandrodung sind in diesen Ländern die Hauptur- Die internationale Staatengemeinschaft mit über sachen für die Emissionen von Treibhausgasen, die den 190 Mitgliedern unter dem UN-Dach ist gefordert, dem weltweiten Klimawandel antreiben. Nachhaltige Ent- globalen Klimaschutz einen herausregenden politischen wicklung muss in vielen Regionen der Welt erst wieder Stellenwert einzuräumen und sich auf gemeinsame erlernt werden. Regeln und Maßnahmen zu verständigen. Das geschieht 130 bei den internationalen Klimakonferenzen, wie in Bali, Trotz des von manchen Ländern ausgesprochenen nach dem in multilateralen Gremien üblichen Abstim- Bekennnisses zu einer Energiewende werden die fossi- mungsprinzip „ein Land, eine Stimme”. Fortschritte bei len Energieträger, insbesondere die Kohle, auch in den diesen Verhandlungen sind mühselig und langsam, weil nächsten Jahrzehnten bei weltweit steigender Nach- viele Regierungen nicht bereit oder nicht handlungs- frage voraussichtlich noch den Löwenanteil (zur Zeit fähig sind, um sich für die Belange der eigenen Bevöl- 80 Prozent) der globalen Energienutzung stellen. Des- kerung, geschweige denn für globale Ziele, entschieden halb ist die Entwicklung von klimafreundlichen Kraft- einzusetzen. Von schwachen, unterentwickelten oder werkstechnologien, wie die Abtrennung und Deponie- gar „zerfallenden” Staaten mit hohem inneren Konflikt- rung von Kohlendioxyd aus Kohle und Gas (CCS) von und Gewaltpotential und instabilen Regierungen sind großer Bedeutung für Wirtschaft und Politik. Auf diesen kaum Entscheidungen und Handlungen zu erwarten, die Technologiepfad setzen die USA und andere Industrie- zur Lösung von globalen Problemen – wie den Folgen staaten in Europa und Asien. Hier bietet sich auf inter- des Klimawandels – beitragen. Sie sind oft noch nicht nationaler Ebene eine Brücke zur Kooperation in For- einmal in der Lage, ihre eigenen Probleme zu lösen. schung und Entwicklung zum Wohle aller Staaten, wenn diese Erkenntnisse und Erfindungen auch den Schwel- Fortschritte sind eher von einer Gruppe handlungs- len- und Entwicklungsländern zur Verfügung gestellt bereiter und handlungsfähiger Staaten zu erwarten, werden. die sich auf gemeinsame Regeln und Maßnahmen verständigen und diese kontrollieren. Diese zweite infor- Eine internationale Einigung auf das so genannte Zwei- melle Verhandlungsebene, auf der sich die wichtigsten Grad-Ziel bei der Erderwärmung ist insofern wichtig, Industrie- und Schwellenländer begegnen, sollte die als sich daraus eine große Anzahl von Unterzielen und erste nicht ersetzen, kann sie aber sinnvoll ergänzen. Maßnahmen zur Reduzierung von Treibausgasen ablei- Deshalb sollte der 2005 im G8-Rahmen gestartete ten lassen. Es muss endlich auch der finanzielle und „Gleneagles-Prozess” fortgeführt werden. technische Rahmen für die erforderlichen Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel in den am stärks- Ausblick auf die Bali-Klimakonferenz: Es geht dort in ten betroffenen Regionen, häufig in armen Entwick- erster Linie darum, bis 2009 einen verbindlichen Fahr- lungsländern, gesetzt werden. Dass der Klimawandel plan zur Aushandlung eines Nachfolgeabkommens für enorme sicherheitspolitische Risiken wie durch Umwelt- das Kyoto-Protokoll, das Ende 2012 auslaufen wird, zu und Wetterkatastrophen verursachte Flüchtlingswellen vereinbaren. Dabei müssen die bisher abseits stehenden verursachen kann, ist in einem Gutachten des Wissen- Industrienationen USA und Australien sowie die auf- schaftlichen Beirats der Bundesregierung (WBGU) erst strebenden Schwellenländer wie China und Indien kürzlich betont worden. Schon in unserem eigenen ins gemeinsame Boot geholt werden. Ob die von der nationalen Interesse ist entschiedenes Handeln ange- Bundeskanzlerin angebotene Formel einer Pro-Kopf- sagt. Besser sind natürlich international koordinierte Zuteilung von Emissionsrechten unter dem Gebot der Maßnahmen. Deutschland und die EU-Staaten leisten globalen Gerechtigkeit von allen Staaten anerkannt beim Klimaschutz eine wichtige Vorreiter-Funktion. wird und zu einem Durchbruch bei den Verhandlungen Diese kann aber nur dann glaubhaft erfüllt werden, führt, bleibt abzuwarten. Gleiche Emissionsrechte be- wenn auch die politisch vereinbarten oder selbst gesetz- deutet für Industrienationen einen drastischen Umbau ten Ziele größtenteils erreicht werden. ihrer Energie- und Wirtschaftssysteme. Für die Entwicklungs- und Schwellenländer bedeutet dieses Zuge- Klimaschutz ist nicht zum Nulltarif zu haben. Es kostet ständnis einen erweiterten nationalen Entwicklungsrah- allen Bürgern und der Wirtschaft viel Geld, rechnet men mit mehr Wirtschaftswachstum und Energiever- sich aber unter dem Strich, wie viele Studien und Gut- brauch, aber auch Einkommen für nicht selbst benötig- achten belegt haben. Die Kosten- und Nutzenfrage te und ans Ausland veräußerte Emissionsrechte. Das wird immer wieder gestellt und muss von Wirtschaft alles setzt die Entwicklung eines globalen Markts für und Politik beantwortet werden. Denn letztlich geht Emissionsrechte voraus, den es bislang erst in Ansät- es auch um die gesellschaftliche Akzeptanz und politi- zen in Europa und Teilen Nordamerikas gibt. Auch sche Durchsetzbarkeit von bestimmten Maßnahmen von CDM-Maßnahmen würden Entwicklungsländer pro- zum Klimaschutz. Dafür ist eine öffentliche Klimade- fitieren, wenn ausländische Unternehmen aus Indus- batte, zumindest in Demokratien, unerlässlich. Wie der trieländern in Aufforstungsprojekte und Klima scho- vorliegende Klimareport aufzeigt, gibt es international nende Energietechniken investieren. In einem zu betrachtet noch große Defizite, so dass der Boden für vereinbarenden Klimaabkommen sollte ein effektiver einen globalen Klimaschutz noch längst nicht vorberei- Wald- und Meeresschutz neu bewertet werden, um tet ist. Das Thema ist zwar in Deutschland und einigen auch die Nichtausbeutung von Naturressourcen finan- anderen Staaten in der Öffentlichkeit und auch in der ziell zu honorieren. Politik „angekommen”, doch es bleibt noch viel Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit weltweit zu leisten. 3 | V O R W O RT IMPRESSUM 5 | EINLEITUNG Herausgeber Konrad-Adenauer-Stiftung 9 | EUROPA UND NORDAMERIKA Internationale Zusammenarbeit Klingelhöferstraße 23 43 | L AT E I N A M E R I K A 10907 Berlin 57 | A S I E N Verantwortlich Dr. Gerhard Wahlers 85 | N A H E R O S T E N U N D N O R D A F R I K A Redaktion 93 | A F R I K A S Ü D L I C H D E R S A H A R A Dr. Nino Galetti, Dr. Hartmut Grewe 109 | R E S Ü M E E Texte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Konrad-Adenauer-Stiftung Gestaltung und Realisierung SWITSCH KommunikationsDesign, Köln workstation gmbh | produktionsservice für analoge und digitale medien, Bonn Fotos KAS, gmp-architekten, dpa Picture-Alliance, fotolia gedruckt auf Planoart, FSC-Zertifiziert © 2007 Konrad-Adenauer-Stiftung KLIMAREPORT INTERNATIONAL K L I M A R E P O RT I N T E R N AT I O N A L www.kas.de ISBN 978-3-939826-67-5