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KLIMAREPORT INTERNATIONAL
K L I M A R E P O RT
I N T E R N AT I O N A L
www.kas.de
ISBN 978-3-939826-67-5
3 | V O R W O RT
IMPRESSUM
5 | EINLEITUNG
Herausgeber
Konrad-Adenauer-Stiftung
9 | EUROPA UND NORDAMERIKA
Internationale Zusammenarbeit
Klingelhöferstraße 23
43 | L AT E I N A M E R I K A
10907 Berlin
57 | A S I E N
Verantwortlich
Dr. Gerhard Wahlers
85 | N A H E R O S T E N U N D N O R D A F R I K A
Redaktion
93 | A F R I K A S Ü D L I C H D E R S A H A R A
Dr. Nino Galetti,
Dr. Hartmut Grewe
109 | R E S Ü M E E
Texte
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
der Konrad-Adenauer-Stiftung
Gestaltung und Realisierung
SWITSCH KommunikationsDesign, Köln
workstation gmbh | produktionsservice
für analoge und digitale medien, Bonn
Fotos
KAS, gmp-architekten,
dpa Picture-Alliance, fotolia
gedruckt auf Planoart, FSC-Zertifiziert
© 2007 Konrad-Adenauer-Stiftung
3
V O R W O RT
Extreme Wetterphänomene in der ganzen Welt, die Berichte des Weltklimarats der Vereinten Nationen (IPCC) und der Report von Sir Nicolas
Stern sowie der Dokumentarfilm „Eine unbequeme Wahrheit” des ehemaligen US-Vizepräsidenten und Friedensnobelpreisträgers Al Gore haben den
globalen Klimawandel in den Fokus des öffentlichen Interesses gerückt.
Die Intensität von Überflutungen, Orkanen und Dürren sowie das rasante
Abschmelzen von Gletschern zeigen, dass der Klimawandel im Gange ist.
Die deutsche Bundesregierung hat den Klimaschutz zu einem Schwerpunkt
ihrer Arbeit erklärt. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Bemühungen um
den Klimaschutz in den Mittelpunkt der deutschen EU-Ratspräsidentschaft
im ersten Halbjahr 2007 und des deutschen Vorsitzes im Kreis der G8-Staaten gestellt.
Auf ihr Betreiben hin beschlossen die 27 Staats- und Regierungschefs beim EU-Gipfel im
März 2007 in Brüssel, bis 2020 den Ausstoß der Treibhausgasemissionen um 20 Prozent
gegenüber 1990 zu senken. Beim Gipfeltreffen der G8-Staaten im vergangenen Juni
in Heiligendamm einigten sich die Staats- und Regierungschefs auf das Ziel, die globalen
CO2-Emissionen bis 2050 um die Hälfte zu verringern. Dies waren wichtige Signale im
Vorfeld der Weltklimakonferenz im Dezember 2007 in Bali, wo die Zukunft der im KyotoProtokoll festgelegten Regelungen im Mittelpunkt der Verhandlungen stehen wird.
Die Gefahren, die vom Klimawandel ausgehen, sind erkannt. Auch wenn es unter Wissenschaftlern noch vereinzelt Zweifel an den Ursachen der globalen Erderwärmung gibt,
gelten die weltweiten Klimaveränderungen selbst inzwischen als eine Tatsache, der
Politik, Wirtschaft und Gesellschaft auf der ganzen Welt rasch durch wirkungsvolle Maßnahmen begegnen müssen. Es gilt als sicher, daß die durch den Klimawandel provozierten Veränderungen weitreichende Auswirkungen auf Stabilität und Sicherheit in vielen
Regionen der Welt haben werden. Für Bundeskanzlerin Angela Merkel ist die Reduktion
von Treibhausgasen im Rahmen einer aktiven Klimaschutzpolitik daher eine „moralische
und wirtschaftliche Notwendigkeit”. Deutschland und die EU können und müssen eine
Vorreiterrolle und eine Vorbildfunktion in der Welt einnehmen.
Zwar gehört die Klimaschutzpolitik nicht zu dem Kernaufgaben der Internationalen
Arbeit Politischer Stiftungen. Da Klimaschutz und Energieversorgung jedoch zu den
großen politischen Herausforderungen unserer Zeit zählen und in Zukunft erhebliche
Auswirkungen auf das friedliche Zusammenleben der Menschen haben können, befasst
sich die Konrad-Adenauer-Stiftung auch mit diesem Thema. Die Stiftung kann einen
Beitrag dazu leisten, die politischen Eliten in den Einsatzländern für das Thema zu sensibilisieren und im Rahmen des politischen Dialogs Wege aufzuzeigen, wie nachhaltiger
Umwelt- und Klimaschutz praktiziert werden können.
Beim vorliegenden „Klimareport International” hat die Konrad-Adenauer-Stiftung eine
Bestandsaufnahme gemacht. Wir haben unsere Auslandsmitarbeiter in über 50 Ländern
gefragt, wie der Klimawandel vor Ort wahrgenommen wird. Unser Ziel war es, einen
Überblick über die Auswirkungen des Klimawandels und den Umgang mit dem Klimaschutz zu erstellen. An fünf Leitfragen konnten sich die Auslandsmitarbeiter der KAS
dabei orientieren: Wie verläuft der Diskurs zum Klimawandel im Einsatzland? Welche
folgen des Klimawandels werden als akute Probleme gesehen? Welche Reaktionen gab
es auf den Bericht von Sir Nicolas Stern und auf den Bericht des IPCC? Wie geht die
Politik mit der Problematik um? Wer sind die Akteure?
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Keiner der Auslandsmitarbeiter der Konrad-Adenauer-Stiftung ist ausgewiesener Klimaexperte. Insofern sind die in diesem Report versammelten Beiträge keine klimatologisch fundierten Artikel über Ursachen und Auswirkungen des Klimawandels. Aber alle
Auslandsmitarbeiter sind versierte Kenner des politischen Umfelds in ihren Einsatzländern. Jeder kann eine genaue Einschätzung darüber abgeben, welchen Stellenwert
die Maßnahmen zum Klimaschutz jenseits der feierlichen Deklarationen im Rahmen
internationaler Konferenzen im politischen Tagesgeschäft wirklich haben. Insofern
dienen die einzelnen Länderberichte zur Information über die Wahrnehmung und die
nationalen Befindlichkeiten in der Frage von Klimawandel und Klimaschutz.
Das Ergebnis ist mitunter ernüchternd. Während der Klimawandel in Deutschland in
den vergangenen Monaten die öffentliche Debatte beherrscht hat, stehen in zahlreichen
Ländern im Bereich der Umweltpolitik die Lösung ganz konkreter Probleme wie der
Versorgung mit sauberem Trinkwasser, der Gesundheitsrisiken durch Smog und Abgase
sowie der geregelten Müllentsorgung auf der Tagesordnung. Gegenüber solchen
drängenden, das alltägliche Leben und Überleben betreffenden Fragen erscheint die
Minderung von Treibhausgasemissionen nachrangig.
Für zahlreiche Staaten scheint die eigene wirtschaftliche Entwicklung wichtiger zu sein
als der Schutz des Weltklimas. Der wirtschaftliche Aufbau, die Verbreitung von Wohlstand und die Abfederung sozialer Verwerfungen überragen die Sorge um Klima- und
Umweltschutz in der öffentlichen Wahrnehmung und letztlich im politischen Stellenwert. Im Grunde genommen sind es nur die west- und nordeuropäischen Nachbarn
Deutschlands, die die klare Haltung der Bundesregierung im Bereich der Klimaschutzpolitik teilen. Selbst ein Land wie Spanien gehört zu den weltweit großen Klimasündern und überschreitet die im Kyoto-Protokoll zugestandenen Emissionswerte um
über 35 Prozent.
Konsequenz für die internationale Arbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung ist, daß wir
stärker als bisher die Aspekte des Umwelt- und Klimaschutzes in unseren Maßnahmen
thematisieren und damit die internationale Klimaschutzpolitik der Bundesregierung
flankierend unterstützen werden. Die Konrad-Adenauer-Stiftung lädt den Leser ein,
die Klimaschutzpolitik einzelner Ländern besser kennenzulernen. Nach einem kurzen
Einstieg in die Historie der internationalen Bemühungen um den Klimaschutz folgen –
aufgeteilt nach Kontinenten und Regionen – die Berichte der Auslandsmitarbeiter. In
einem ausführlichen Resümee werden die Erkenntnisse zusammengefaßt und Schlußfolgerungen gezogen.
Für die redaktionelle Betreuung dieser Studie danke ich besonders unseren Mitarbeitern Dr. Nino Galetti aus der Grundsatzabteilung der Internationalen Zusammenarbeit
und Dr. Hartmut Grewe, Koordinator für Energie- und Umweltpolitik in der Hauptabteilung Politik und Beratung.
Ich wünsche Ihnen eine interessante und aufschlußreiche Lektüre.
Dr. Gerhard Wahlers
Stv. Generalsekretär
der Konrad-Adenauer-Stiftung
EINLEITUNG
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Z U R E N T W I C K L U N G D E R I N T E R N AT I O N A L E N
KLIMAPOLITIK
Nino Galetti
Die UNEP initiierte in den folgenden Jahren zahlreiche
Verträge zu spezifischen Umweltbereichen, etwa die
Die Diskussion über die Erwärmung der Erdatmos-
Konvention über den Handel mit bedrohten Tierarten
phäre ist nicht neu. Seit über 35 Jahren wird vor einem
(1973) oder ein Abkommen zum Schutz des Mittel-
möglichen Klimawandel gewarnt. Der politische Pro-
meers (1975). Gleichzeitig entstanden einer Reihe völ-
zess zum Klimaschutz nahm seinen Beginn mit der
kerrechtlich nicht bindender Erklärungen wie etwa die
Umweltkonferenz der UNO in Stockholm 1972. Seit
1982 von der UN-Generalversammlung verabschiedete
den 1960er Jahren führten zunehmende Industriali-
Weltnaturcharta. Im Verlauf der 1980er Jahre zeigte
sierung, steigende Bevölkerung und wachsender Pro-
sich aber, daß die Umsetzung dieser Erklärungen und
Kopf-Verbauch zu erheblichen Belastungen der Um-
Abkommen häufig defizitär blieb, da es keine Sanktio-
welt. Schweden hatte aufgrund des „sauren Regens”,
nierungsmechanismen bei Verfehlungen gab.
der in Skandinavien als Resultat weiträumiger Luftverschmutzung für gravierende Schäden an Wäldern,
1982, zehn Jahre nach Stockholm, kamen zahlreiche
Böden und Seen sorgte, die Einberufung einer UN-
Mitgliedsstaaten der UNEP zu einem ernüchternden
Konferenz gefordert.
Ergebnis. Unter diesem Eindruck berief die UN-Generalversammlung 1983 eine Kommission unter Leitung
Da die Verschmutzung von Erdreich, Luft und Gewäs-
der norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem
sern zunehmend grenzüberschreitende Dimensionen
Brundtland ein, deren Ziel es war, der internationalen
annahm, schien politisches Handeln nicht mehr nur
Umweltpolitik neue Impulse zu verleihen. Der als
auf staatlicher oder regionaler Ebene sondern zuneh-
„Brundtland-Bericht” bekannt gewordene Abschlußbe-
mend auch auf globaler Ebene erforderlich. Zwar hatte
richt trug den Titel „Unsere gemeinsame Zukunft” und
es Regelungen zum Umgang mit der Umwelt schon
wurde auf der UN-Generalversammlung 1987 vorge-
zuvor gegeben, doch waren diese bis in die 1960er
legt. Der Bericht griff erneut den Gegensatz zwischen
Jahre hinein auf die Nutzung der Umwelt ausgerichtet.
Umwelt und Entwicklung auf und prägte den Begriff
Durch wachsende ökologische Missstände trat zuneh-
der „nachhaltigen Entwicklung”. Wirtschaftliches Wachs-
mend der Schutz der Umwelt in den Vordergrund.
tum wurde positiv betrachtet, solange dieses umweltgerecht und nachhaltig war.
Im Dezember 1968 beschloß die UN-Generalversammlung, eine internationale Umweltkonferenz im Jahr
Zur Umsetzung des Berichts beschloss die UN-General-
1972 in Stockholm einzuberufen. Ergebnis dieser Kon-
versammlung 1989, im Juni 1992 eine Weltkonferenz
ferenz, an der die Ostblockstaaten nicht teilnahmen,
über Umwelt und Entwicklung (United Nations Confe-
war der Abschluß eines Grundsatz-Katalogs zum
rence on Environment and Development – UNCED)
Umgang mit der Umwelt. Bereits damals stand der
in Rio de Janeiro einzuberufen. Die Konferenz sollte
Grundwiderspruch zwischen Umweltschutz und wirt-
Strategien und Maßnahmen entwickeln, mit denen die
schaftlicher Entwicklung zur Debatte. Die Länder der
Auswirkungen der Umweltzerstörung gebremst und
Dritten Welt äußerten die Befürchtung, die von den
eine nachhaltige Entwicklung gefördert werden. Die
Industriestaaten geforderten Umweltschutzmaßnah-
zunehmend von der Wissenschaft wahrgenommene
men könnten sie an der eigenen wirtschaftlichen Ent-
und nachgewiesene Erderwärmung und Zerstörung
wicklung hindern.
der Ozonschicht verlieh den Umweltfragen eine noch
größere und weltumspannende Dimension, die eine
Um diesen Widerspruch zu überbrücken, formulierten
globale Handlungsweise notwendig machte. Gleichzei-
die Konferenzteilnehmer den Grundsatz, daß Umwelt-
tig hatten zahlreiche Unfälle und Havarien zu Lasten
schutz nicht zu einer Behinderung der wirtschaftlichen
der Umwelt und nicht zuletzt der verheerende Super-
Entwicklung führen dürfe. Ein weiteres Ergebnis der
GAU im Atomkraftwerk Tschernobyl den Glauben an die
Umweltkonferenz von Stockholm war die Gründung des
technische Beherrschbarkeit der Natur erschüttert und
Umweltprogramms der Vereinten Nationen – UNEP, das
zu einer Sensibilisierung für Umweltbelange geführt.
fortan den institutionellen Rahmen für die Koordination
der Umweltaktivitäten der UNO bildete. Das Sekre-
Bei den rund zweieinhalb Jahre andauernden Vorberei-
tariat der UNEP nahm 1973 seine Arbeit in Nairobi auf.
tungen zur Konferenz von Rio wurden in Vertreter der
Zivilgesellschaft – NROs aus dem Umwelt- und Entwicklungsbereich – einbezogen. Mit rund 5000 Teilnehmern war Rio die bis dahin größte völkerrechtliche Kon-
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ferenz aller Zeiten. Entsprechend groß waren die Inte-
Risiken des Klimawandels zu beurteilen und Strategien
ressengegensätze. Wieder brach der Grundkonflikt auf:
zur Bekämpfung des Klimawandels zu entwickeln. Die
während die Industriestaaten an der Lösung globaler
wissenschaftlichen Erkenntnisse des IPCC sind seither
Umweltprobleme interessiert waren, befürchteten die
eine entscheidende Grundlage für die internationale
Entwicklungsländer durch verbindliche Regelungen
Klimaschutzpolitik.
zum Umweltschutz in ihren Entwicklungsmöglichkeiten
eingeschränkt zu werden. Ein Kompromiß wurde im
Die Klimarahmenkonvention war der Startpunkt für
Leitbild der nachhaltigen Entwicklung gefunden, das
einen kontinuierlichen internationalen Verhandlungs-
im Rahmen der „Rio-Deklaration” in 27 – rechtlich
prozess zum Schutz des globalen Klimas. Es war von
nicht verbindlichen – Prinzipien konkretisiert wurde.
Anfang an vorgesehen, daß nach dem Erdgipfel von
An erster Stelle steht darin das „Recht auf Entwicklung”.
Rio jährlich eine Konferenz aller Vertragsstaaten stattfindet, auf der das weitere Vorgehen beim internatio-
Ein wichtiges Ergebnis der später als „Erdgipfel von Rio”
nalen Klimaschutz behandelt wird. Die erste Folgekon-
bezeichneten Konferenz war die Klima-Rahmenkon-
ferenz fand im Februar 1995 in Berlin statt. Ihr Ziel
vention, die die völkerrechtliche Vertragsgrundlage
war es, die Verpflichtungen aus der Klimarahmenkon-
für den internationalen Klimaschutz bildet und von
vention umzusetzen. Ergebnis dieser Konferenz, auf
189 Staaten unterzeichnet worden ist. Sie verfolgt das
dem die kurz zuvor ins Amt gekommene Bundesum-
Ziel, die globale Erwärmung zu verlangsamen und auf
weltministerin Angela Merkel den Vorsitz innehatte,
einem Niveau zu halten, auf dem der Klimawandel
war die Einigung, im Rahmen eines Zusatzprotokolls
noch keine extremen Störungen verursachen. Alle Un-
bis 1997 verbindliche Reduktionsziele und -fristen für
terzeichner des Klimarahmenschutzabkommens haben
die Industrienationen festzulegen. Dank des Verhand-
sich verpflichtet, die geeigneten Maßnahmen zum
lungsgeschicks der späteren Bundeskanzlerin verlieh
Schutz des Klimas einzuleiten. Da die Industriestaaten
diese als „Berliner Mandat” bekannte Regelung dem
zu den Hauptverursachern der Treibhausgase zählen,
internationalen Klimaschutzengagement einen neuen
obliegt ihnen auch die Hauptverantwortung für die
Impuls. Die Bundesrepublik Deutschland versprach
Maßnahmen gegen den Klimawandel. Zwar lässt die
bereits damals, den größten Beitrag zur Reduktion der
Klimarahmenkonvention offen, ab wieviel Grad Erwär-
Treibhausgase in den Industriestaaten leisten zu wollen.
mung ernsthafte Störungen verursacht werden, doch
geht die Wissenschaft davon aus, daß schon bei einer
In dem 1997 auf der Weltklimakonferenz von Kyoto
Erwärmung des Weltklimas von etwa 2 Grad ernsthafte
beschlossenen Protokoll wurden schließlich erstmals
Konsequenzen nicht mehr auszuschließen sind.
rechtlich verbindliche Emissionshöchstmengen für
dieIndustrieländer festgelegt. Die Industriestaaten
Zu Beginn der 1990er Jahre waren die wissenschaft-
verpflichteten sich, bis 2012 ihre Emissionen von Treib-
lichen Erkenntnisse über den Klimawandel und die
hausgasen um 5,2 Prozent gegenüber 1990 zu verrin-
Methoden, ihm zu begegnen, noch wenig gesichert.
gern. Dabei galten für die einzelnen Industriestaaten
Aus diesem Grunde und wegen politischer Differenzen
ganz unterschiedliche Reduktionsziele: Während sich
wurde die UN-Klimakonvention als Rahmenabkommen
Deutschland verpflichtete, insgesamt 21 Prozent weni-
ausgestaltet. Diese Form erlaubte es den Verhand-
ger Treibhausgase zu produzieren als 1990, verspra-
lungspartnern, mit zunehmendem Wissen über den
chen die USA eine Verminderung um 7 Prozent, Japan
Klimawandel und mit wachsendem politischem Pro-
und Kanada jeweils um 6 Prozent. Diese Reduktions-
blembewußtsein das Instrumentarium für einen globa-
ziele gelten bis zum Auslaufen des Kyoto-Protokolls im
len Klimaschutz anzupassen.
Jahr 2012.
Um die weltweiten Erkenntnisse der Wissenschaft über
Zur Erreichung dieser Ziele sieht das Kyoto-Protokoll
den Klimawandel zu bündeln und ein einheitliches Bild
flexible Instrumente vor: Neben Emissionshandel und
über die drohenden Gefahren zu erhalten, hatten die
Clean Development Mechanism (CDM) sind dies Joint
Vereinten Nationen bereits 1988 gemeinsam mit der
Implementation und die Anrechnung von Kohlenstoff-
Weltorganisation für Meteorologie (WMO) einen aus
Senken. Diese flexiblen Instrumente ermöglichen es
rund 450 Wissenschaftlern aus 35 Staaten zusammen-
allen Staaten, die zu einer Verminderung der Treibhaus-
gesetzten Internationalen Sachverständigenrat für
gasemissionen verpflichtet sind, zusätzliche Emissions-
Klimawandel, das „Intergovernmental Panel on Climate
rechte durch die Realisierung von Klimaschutzprojekten
Change” (IPCC) ins Leben gerufen. Ziel des IPCC ist es,
in anderen Ländern zu erlangen. Der Emissionshandel
das Phänomen des Klimawandels zu erforschen, die
nutzt ökonomische Instrumente zur Erreichung ökologischer Ziele und bindet auf diese Weise die Wirtschaftsunternehmen, die Emissionen verursachen, in
die Maßnahmen zum Klimaschutz ein.
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Damit das Kyoto-Protokoll in Kraft treten konnte,
cierten Verbrauch fossiler Brennstoffe sowie durch
mußten mindestens 55 Staaten, auf die mindestens
eine veränderte Landnutzung und die Landwirtschaft
55 Prozent der weltweiten Emissionen entfallen, das
verursacht ist. Regionale Klimamuster verändern sich,
Abkommen ratifizieren. Nach der Ratifikation Rußlands
extreme Wetterphänomene häufen sich. Die Intensität
im Jahr 2005 war die 55er-Schwelle in beiderlei Hin-
von Stürmen, Überschwemmungen oder Dürren hat
sicht überschritten und damit der Weg für einen global
zugenommen. Die weltweite Schneebedeckung ver-
organisierten Klimaschutz frei. Deutschland ratifizierte
ringert sich immer mehr. Gerade die Schnelligkeit der
das Protokoll 2002. Insgesamt haben über 150 Staaten
Klimaveränderungen erscheint dem IPCC als unge-
das Kyoto-Protokoll unterzeichnet.
wöhnlich.
Nach Kyoto folgten Konferenzen in Buenos Aires (1998),
Die Bundesregierung hat den Klimaschutz zu einem
Bonn (1999), Den Haag (2000), Marrakesch (2001),
Schwerpunkt ihrer Arbeit erklärt und in den Mittel-
Neu Delhi (2002), Mailand (2003), Buenos Aires (2004),
punkt der deutschen EU-Ratspräsidentschaft und des
Montreal (2005) und Nairobi (2006). Diese Konferen-
deutschen G8-Vorsitzes im Jahr 2007 gestellt. Auf Be-
zen werden im Fachjargon auch als COP 1–12 (Con-
treiben von Bundeskanzlerin Angela Merkel beschlos-
ference of the Parties) bezeichnet. Sie beschäftigten
sen die 27 Staats- und Regierungschefs beim EU-
sich mit der konkreten Ausgestaltung der nicht unum-
Gipfel im März 2007 in Brüssel, bis 2020 den Ausstoß
strittenen flexiblen Mechanismen für den Klimaschutz.
der CO2-Emissionen um 20 Prozent gegenüber 1990
Die Auswahl der Städte zeigt, daß der Klimaschutz als
zu senken. Beim Gipfeltreffen der G8-Staaten im ver-
globales Problem wahrgenommen wird.
gangenen Juni in Heiligendamm einigten sich die führenden Staats- und Regierungschefs auf das Ziel, die
Einen wichtigen Impuls erhielt die internationale Klima-
globalen CO2-Emissionen bis 2050 um die Hälfte zu
schutzpolitik durch den am 30. Oktober 2006 veröffent-
verringern. Dies waren wichtige Signale im Vorfeld
lichten Report des früheren Chefökonomen der Welt-
der Weltklimakonferenz im Dezember 2007 in Bali. Die
bank und derzeitigen Wirtschaftsberaters der britischen
wichtigste Aufgabe der Klimakonferenz von Bali wird
Regierung, Sir Nicolas Stern. Der von der britischen
es sein, die Verhandlungen über ein Klimaschutzab-
Regierung in Auftrag gegebene Bericht untersucht die
kommen für die Zeit nach 2012 einzuleiten. Bis 2009
wirtschaftlichen Auswirkungen des Klimawandels.
soll ein neues Abkommen ausgehandelt werden, das
Dabei stützt sich Stern auf bestehende klimatologische
nahtlos an die Regelungen des Kyoto-Protokolls an-
Modelle, die eine durchschnittliche Erwärmung der
schließt. Auf Bali müssen sich die Staaten über ein
Erdatmosphäre um 2–5 Grad bis zum Jahr 2100 prog-
Verhandlungsziel klar werden. Vor der UN-Klimaschutz-
nostizieren.
konferenz im September 2007 erklärte Bundeskanzlerin Merkel: „Der Klimawandel wird zu dramatischen
Stern kommt zu dem Ergebnis, daß der Klimawandel
Schäden führen, wenn wir nicht entschlossen handeln”.
eine Bedrohung für die Grundelemente des menschlichen Lebens – etwa den Zugang zu Trinkwasser, die
Dessen sind sich auch Staaten wie die USA bewusst.
Lebensmittelproduktion, oder die Gesundheit – darstellt.
Präsident George Bush und seine Administration lehnen
Die Gefahr von Hungersnöten, massenhafter Migration,
jedoch das Kyoto-Protokoll und die damit verbundenen
Dürren, Überschwemmungen und Seuchen ist hoch.
Verpflichtungen zur Reduktion von Treibhausgasen ab.
Diese Auswirkungen des Klimawandels sind mit hohen
Noch im September 2007 erklärte US-Außenministerin
Kosten verbunden. Stern ist überzeugt: Wenn die
Condoleeza Rice, dass die USA freiwillige, individuelle
Menschheit rasch reagiert, können die schlimmsten
und völkerrechtlich nicht bindende Vereinbarungen
Auswirkungen vermieden werden.
im Kampf gegen den Klimawandel favorisieren. Lange
Zeit schien es, daß es das Ziel der US-Politik sei, die
Auch die im Februar, April und Mai 2007 vorgestellten
aufstrebenden Schwellenländer für dieses Modell zu ge-
Berichte des IPCC sorgten in der öffentlichen Wahrneh-
winnen und damit ein Gegenmodell zum Kyoto-Prozess
mung für Aufmerksamkeit. Die Berichte geben Auf-
zu etablieren. Inzwischen sichern die USA jedoch ihre
schluß über den aktuellen wissenschaftlichen Kenntnis-
Unterstützung für eine internationale Klimaschutzpoli-
stand, über die sektorale und regionale Verwundbarkeit
tik unter dem Dach der Vereinten Nationen zu. Klar
sowie über politische und wirtschaftliche Handlungs-
ist, dass sich ohne die Einbindung von China, Indien
optionen. Danach lassen die jüngsten wissenschaft-
und Brasilien kaum etwas in der Frage des globalen
lichen Beobachtungen und Messungen keinen Zweifel
Klimaschutzes bewegen wird. Ob sich andere aufstre-
daran, dass der Klimawandel im Gange ist. Eine Erwär-
bende Schwellenländer wie Südkorea, Saudi-Arabien
mung der Erde um durchschnittlich 0,2 Grad pro De-
oder Mexiko in das von den Europäern angestrebte
kade ist wahrscheinlich. Bis 2050 prognostiziert der
System des Kyoto-Protokolls einordnen oder sich für
IPCC-Bericht eine durchschnittliche Erderwärmung von
das Konzept der USA gewinnen lassen, ist derzeit aber
rund 0,7 Grad. Es gilt als gesicherte Erkenntnis, daß
noch eine offene Frage.
der Klimawandel durch den seit rund 200 Jahren for-
EUROPA UND NORDAMERIKA
10
G R O S S B R I TA N N I E N :
D A S M U TT E R L A N D D E S K L I M A S C H U T Z E S ?
Thomas Bernd Stehling
Regenfälle, insbesondere im Herbst und Winter. Die
direkten Folgen sind eine zu erwartende Knappheit
WIE VERLÄUFT DER DISKURS ZUM
von Trinkwasser während der Sommermonate, Verän-
K L I M A W A N D E L I N I H R E M E I N S AT Z L A N D ?
derungen bei Arten und Anbau von Agrarprodukten,
eine hohe Zahl von Toten bei Hitzewellen, Stürmen
Mit der Vorlage des Reports des britischen Regierungs-
oder Überschwemmungen. Darüber hinaus wird vor
beraters Sir Nicholas Stern im Oktober 2006 ist der
dem Ausbrechen neuer Krankheiten oder der „Zufuhr”
Klimawandel eines der zentralen Themen der öffentli-
von in Europa bislang nicht auftretenden Krankheiten
chen Debatte in Großbritannien geworden. Premiermi-
gewarnt. Unstreitig ist auch, dass insbesondere die
nister Blair nannte die Analysen und Bewertungen von
ärmeren Teile der Bevölkerung betroffen sein werden.
Sir Nicholas Stern „das wichtigste Dokument”, das in
seiner Amtszeit auf seinen Schreibtisch gekommen sei.
WELCHE REAKTIONEN GAB ES AUF DIE
Stern hatte in seinem Papier gewarnt, der Klimawandel
BEREITS VERÖFFENTLICHTEN TEILE DES
könne die Welt in eine Wirtschaftskrise bringen, wie sie
IPCC-BERICHTS?
nur mit den zwei Weltkriegen vergleichbar sei.
Nach dem Vorlauf in der öffentlichen Debatte durch den
Kritiker nannten den nahezu 700 Seiten umfassenden
Stern-Report ist der IPCC-Bericht weitgehend nüchtern
Bericht „alarmistisch und inkompetent”. Zu den Ein-
aufgenommen und diskutiert worden. Mehrheitlich wird
wänden zählt, dass die Computersimulationen, mit
in ihm die Bestätigung von bekannten Grundannahmen
denen der CO2-Ausstoß der nächsten Jahrzehnte und
gesehen, die es jetzt zu akzeptieren gelte. Die Bericht-
seine Folgen für die Erderwärmung berechnet wurden,
erstattung und Kommentierung behandelt dabei in
die Komplexität der Entwicklungen nicht berücksichtig-
erster Linie die globalen Folgen des Klimawandels und
ten würden und lediglich von einer begrenzten Zahl
befasst sich nur wenig mit den konkreten Konsequen-
von Grundannahmen ausgingen. Stern selbst hat die
zen für Großbritannien. Unstreitig ist dabei allerdings,
Einwände mit dem Hinweis zurückgewiesen, sein
dass das Land seinen Beitrag zur Eindämmung der
Bericht sei lediglich ein Beitrag zur Klima-Diskussion,
Folgen leisten will und muss. Dazu zähle auch eine
andere könnten ihren leisten. Sein Team und er hätten
Informationskampagne, die die Kenntnisse zum Klima-
wahrscheinliche Entwicklungen beschrieben und die
wandel verbreite. Umweltminister Miliband will dafür
Probleme, die daraus folgen könnten, nicht notwendi-
den Film von Al Gore „An Inconvenient Truth” an allen
gerweise müßten.
Schulen des Landes vorführen lassen.
Spätestens mit der Vorlage des IPCC-Reports sind
Weitgehende Übereinstimmung besteht unter den Par-
wesentliche Grunddaten und Annahmen heute über-
teien. Eine deutliche Mehrheit erkennt die Ergebnisse
einstimmende Auffassung einer Mehrzahl von Wissen-
des IPCC-Berichtes an. „Grüne Themen” sind in der
schaftlern. Mit der Beschreibung der Probleme, ihrer
Spitzengruppe der politischen Agenda, und die Tories
Ursachen und Konsequenzen, steigen zugleich Hoff-
führen ihren Kommunalwahlkampf 2007 unter dem
nungen und Chancen auf eine sachgerechte Lösung.
Motto „Vote blue, go Green 07”.
Dies ist heute die mehrheitlich angesehene Grundlage,
von der aus Entscheidungen für die Zukunft getroffen
W I E G E H T D I E P O L I T I K M I T D E R P R O B L E M AT I K
werden müssen. Bei aller bekannten Zurückhaltung
UM? WER SIND DIE AKTEURE?
der Briten gegenüber der Idee eines geeinten Europas:
In dieser Frage besteht Konsens, dass nur länderüber-
Die Konservativen unter David Cameron haben den
greifend wirksame Instrumente zum Klimaschutz ge-
Umweltschutz zu einem wichtigen Bestandteil ihres
funden werden können.
Versuches gemacht, der Partei ein neues Image zu
verschaffen und sie für neue Wählerschichten zu öff-
WELCHE FOLGEN DES KLIMAWANDELS WERDEN
nen. Mit Bob Geldof für Themen der internationalen
ALS AKUTE PROBLEME GESEHEN?
Armutsbekämpfung und Zac Goldsmith für Umwelttheen hat sich Cameron externe Berater geholt, die
Für Großbritannien wird übereinstimmend eine Erwär-
Bestandteil dieses Bemühens sind. Inhaltlich sind
mung von 2–3,5 Grad bis 2080 vorausgesagt, ein
die Forderungen der Tories von der Absicht geprägt,
Anwachsen des Meeresspiegels um 10–70 cm sowie
mehr und heftigere Stürme, Hitzewellen und starke
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die Regierung als entscheidungsschwach, reaktiv und
zögerlich erscheinen zu lassen. Die Tories verlangten
unmittelbar nach Vorlage des Stern-Reports ein Gesetz zur Bekämpfung des Klimawandels. Den von Umweltminister Miliband vorgelegten Entwurf bewerteten
sie als verwässert und unzureichend.
Die britische Regierung hat ihren Gesetzentwurf im
März 2007 vorgelegt. Er ist seither Gegenstand von
Anhörungen, Stellungnahmen und Diskussionen, die
am 12. Juni abgeschlossen wurden. Ziel des Gesetzes
ist die Verpflichtung, die Kohlendioxidemissionen „durch
nationale und internationale Maßnahmen” gegenüber
1990 bis 2020 um 26–32 Prozent und bis 2050 um
60 Prozent zu reduzieren. Ein unabhängiges Komitee
soll eingerichtet werden, das die Regierung bei der
England erlebte im Sommer 2007 Überschwemmungen
in bisher unbekannten Ausmaß.
Umsetzung ihrer Ziele zum Klimawandel beraten soll
und dabei die Entwicklungen der Umwelttechnologie,
der Wirtschaft, der Finanzen sowie sozialer und inter-
pflichtet der Gesetzentwurf die Regierung, dem Parla-
nationaler Faktoren und die Energiepolitik im Auge
ment regelmäßig zum Stand der Umsetzung der
haben soll. Das Gesetz soll der Regierung ferner die
Klimaziele zu berichten.
Möglichkeit geben, neue Systeme beim Handel mit
Emissionen einzuführen, die es ihr erlauben, die Rah-
Die Regierung hat ferner umfangreiche Maßnahmen in
menvorgaben des Haushalts und der Emissionsziele
ihrem „UK Climate Change Programme” zusammenge-
zu beachten. Das Komitee soll dem Parlament einmal
fasst. Es enthält die einzelnen Schritte zur Reduzierung
jährlich einen Bericht vorlegen, der mit einer Stellung-
der Treibhausgas-Emissionen und beschreibt die Pläne
nahme der Regierung zu versehen ist. Daneben ver-
der britischen Regierung national wie international.
DÄNEMARK: IN VORBEREITUNG AUF DIE
W E LT K L I M A K O N F E R E N Z 2 0 0 9 I N K O P E N H A G E N
Thomas Bernd Stehling
auch im Rest der Welt” einzutreten. Dänemark zeige,
dass „Wirtschaftswachstum ohne Erhöhung von Treib-
WIE VERLÄUFT DER DISKURS ZUM
hausemissionen” möglich sei.
KLIMAWANDEL IN DÄNEMARK?
Und in der Tat hat Dänemark eine unaufgeregte und
Die Dänen erfreuen sich an der internationalen Aner-
zugleich entschlossene Veränderung seiner Energie-
kennung, die ihre Umwelt- und Klimapolitik erfährt.
politik auf den Weg gebracht, die Früchte trägt. Die
So haben die Vereinten Nationen entschieden, die Welt-
Nutzung erneuerbarer Energien, insbesondere der
klimakonferenz 2009 mit rund 10.000 Delegierten und
Windkraft und Biomasse, nimmt bereits seit geraumer
Beobachtern aus 170 Ländern in Kopenhagen durch-
Zeit einen festen Platz in der Diskussion über die Alter-
zuführen. Er ist Teil der UN „Framework Convention
nativen zu Gas und Öl ein. Im Mai wurde in Nakskov
on Climate Change (FCCC)” und soll die Debatte über
auf Lolland das erste Wasserstoff-Kraftwerk eingeweiht.
eine Anschluss-Vereinbarung zum Kyoto-Protokoll für
Die Anlage soll nicht genutzte Produktionen der Wind-
die Zeit nach 2012 aufnehmen.
kraftwerke nutzen, die sonst verloren gingen.
Der frühere US-Präsident Bill Clinton hat in einer Rede
Umweltbewusstsein und die Sorgen um die Folgen
im dänischen Arhus das Land für seinen „Kampf gegen
des Klimawandels sind grundsätzlich in Dänemark bei
die globale Erwärmung” gelobt und Bevölkerung und
Bevölkerung und den Verantwortlichen in Politik und
Regierung aufgefordert, für „eine CO2-Reduzierung
12
Wirtschaft seit langem verankert. Gleichwohl hat Umweltministerin Connie Hedegaard ihre Landsleute noch
einmal daran erinnert, dass es in den 70iger und 80iger
Jahren möglich war, durch Energiesparkampagnen den
Energieverbrauch auf dem Stand von 1970 zu halten,
während sich das Bruttosozialprodukt in der selben Zeit
verdoppelt habe. Dies sei weitgehend durch energiebewusstes Verhalten im privaten Bereich möglich geworden. Gleiches müsse heute geschehen, wenn die CO2Emissionen deutlich gesenkt werden sollen. Eine aktuel-
Dänemark möchte 30 Prozent seines Energiebedarfs mit
erneuerbaren Energien decken.
le Umfrage hatte zuvor gezeigt, dass die Dänen ihren
persönlichen CO2-Verbrauch um rund ein Drittel unterschätzen.
Inhalte an Schulen und Hochschulen als Teil einer breiteren Unterrichtung zu Themen des Umweltschutzes
WELCHE FOLGEN DES KLIMAWANDELS WERDEN
und der Energieversorgung diskutiert.
ALS AKUTE PROBLEME GESEHEN?
W I E G E H T D I E P O L I T I K M I T D E R P R O B L E M AT I K
Die dänische Regierung hat in ihrem Bericht
UM? WER SIND DIE AKTEURE?
„Denmark’s Fourth National Communication on Climate
Change” folgendes festgestellt:
■
Die Regierung hat bereits mit
■
der „Nationalen Klima Strategie” für Dänemark (2003),
Nach den vorliegenden Analysen wird der generelle
■
der Abfall Strategie (2003),
Trend für Dänemark im Zeitraum 2071–2100 im
■
der Energie Strategie bis 2025 (2005),
Vergleich zum Zeitraum 1961–1990 einen Tempe-
■
dem Aktionsplan für energiesparende Maßnahmen
raturanstieg von 3–5 Grad ergeben. Die stärkste
(2005)
Erwärmung nachts, keine wesentlichen Unter-
■
■
schiede zwischen den Entwicklungen im Sommer
wesentliche Grundlagen für eigene Schritte zum Klima-
oder Winter, allerdings mit weniger Frost und
und Umweltschutz getan. Die Einführung einer CO2-
Schnee.
Quote dient darüber hinaus der Umsetzung der Verein-
10–40 Prozent mehr Niederschläge im Winter und
barungen in der EU. Teil des Energie-Plans bis 2025
ein Rückgang von Niederschlägen im Sommer von
ist die Steuerbefreiung von Wasserstoff-betriebenen
10–25 Prozent. Längere Trockenzeiten im Sommer,
Autos, die Erhöhung von Forschungsmitteln von 64 Mil-
dafür heftiger Regen, insbesondere im Herbst.
lionen auf 127 Millionen Euro pro Jahr, die Festlegung,
Trend zu mehr regulärem westlichen Wind und
den Anteil der erneuerbaren Energien auf 30 Prozent
leichter Anstieg von Stürmen über Dänemark,
zu erhöhen und den Energieverbrauch um durch-
verbunden mit einem Anstieg des Meeresspiegels
schnittlich 1,25 Prozent pro Jahr zu senken. Bis 2020
in extremen Wetterbedingungen um 5–10 Prozent
sollen 10 Prozent des Treibstoffes aus Biomasse ge-
(0,3 m an der Westküste) zusätzlich zu dem vom
wonnen werden.
IPCC erwarteten generellen Anstieg von 0,1–0,9 m
über heutigem Meeresspiegel.
Die Regierung hat zur Kontrolle und kostensparenden
Umsetzung ihrer Beschlüsse ein „Klima-Komitee”
Nur wenige Unterlagen gibt es bislang zu Nebenfolgen
eingerichtet, dem Vertreter des Finanzministers, des
des Klimawandels für Dänemark, also z.B. den Auswir-
Wirtschaftsministers, des Landwirtschaftsministers, des
kungen für den Tourismus, „Umweltflüchtlinge”, die
Außenministers, des Verkehrs- und Energieministers
Preise bzw. den Subventionsbedarf für Agrarprodukte
und des Umweltministers angehören. Hinzu kommen
oder die Kosten für die Sicherung der 7400 km Kü-
die dänische Energiebehörde und die Umweltschutz-
stenlinie.
agentur (EPA), die auch den Vorsitz führt. Das Komitee
überwacht mögliche Abweichungen von den Zielen zum
W E LC H E R E A K T I O N E N G A B E S A U F D I E B E R E I T S
Abbau von Treibhausgasen und koordiniert die natio-
V E R Ö F F E N T L I C H T E N T E I L E D E S I P C C- B E R I C H T S ?
nalen Politiken sowie die Einhaltung der internationalen
Verpflichtungen Dänemarks.
Die dänische Regierung trägt den IPCC-Bericht mit
und fühlt sich seinen Vereinbarungen und Zielen verpflichtet. Die Reaktionen darauf waren im Lande selbst
positiv und unterstützend. Neben der politischen Debatte nimmt die bürgerschaftliche Beteiligung breiten
Raum ein. Darüber hinaus werden die wesentlichen
13
FINNLAND:
FA L L E N D E H E I Z K O S T E N D U R C H D E N K L I M A W A N D E L ?
Thomas Bernd Stehling
WELCHE REAKTIONEN GAB ES AUF DIE
BEREITS VERÖFFENTLICHTEN TEILE DES
WIE VERLÄUFT DER DISKURS ZUM
IPCC-BERICHT ?
K L I M A W A N D E L I N I H R E M E I N S AT Z L A N D ?
Die Reaktionen in Finnland enthalten nach Angaben
Die erste umfangreiche finnische Studie zum Klima-
der öffentlichen finnischen Rundfunkgesellschaft YLE
wandel zeigt, dass eine deutliche Mehrheit der Fin-
eine nachdrückliche Warnung vor Überschwemmungen
nen, unabhängig von Alter, Geschlecht oder Herkunft,
und starken Regenfällen. Der dafür im Ministerium
davon ausgeht, dass der Klimawandel ein vom Men-
für Land- und Forstwirtschaft eingesetzte Koordinator
schen verursachtes Problem ist. Kaum ein anderes
kündigte bereits 2006 sofortige „Anpassungsmaßnah-
Thema findet vergleichbaren Konsens. Die besondere
men” an, um Überschwemmungen und starkem Re-
Verbundenheit der Finnen zu ihrem natürlichen Um-
genfall gewachsen zu sein. Der kürzlich veröffentlichte
feld sowie der durch die langen, kalten Wintermonate
Bericht wurde bei einem Seminar an der Universität
und durch die Überwindung der Distanzen bedingte
Helsinki vorgestellt, die mit einem auf fünf Jahre an-
hohe Bedarf an Brenn- und Treibstoff haben ein star-
gelegten Forschungsprojekt die finnischen Reaktionen
kes Bewusstsein für die Probleme von Klimawandel
auf den Klimawandel begleitet (Climate Change Adap-
und Energieversorgung geschaffen. Allein die 1300
tation Research Programme, ISTO).
Kilometer lange Grenze mit Russland fördert dabei
die Einsicht, dass nationale Alleingänge keine Antwort
W I E G E H T D I E P O L I T I K M I T D E R P R O B L E M AT I K
geben können.
UM? WER SIND DIE AKTEURE?
In diesem Zusammenhang richten sich große Erwar-
In Finnland ist das Umweltministerium für Strategien,
tungen an die Handlungsfähigkeit der Europäischen
Maßnahmen und Kontrolle der Maßnahmen im Um-
Union. Gäbe es die EU noch nicht, müsste sie eigens
weltbereich zuständig. 13 regionale Umweltzentren
für diesen Zweck gegründet werden. Die Studie zeigt,
unterstützen das Ministerium dabei vor Ort, ergänzt
dass sich die Finnen einig sind: Wird nichts unternom-
um die zuständigen kommunalen Stellen.
men, sieht die Zukunft düster aus.
Ministerien wie auch private und unversitäre EinrichtunWELCHE FOLGEN DES KLIMAWANDELS WERDEN
gen sind nicht erst seit Veröffentlichung der jüngsten
ALS AKUTE PROBLEME GESEHEN?
Berichte mit den Problemen des Klimawandels und
seinen Folgen für Finnland beschäftigt. So haben bereits
Es besteht die Sorge, dass insbesondere Lapplands
unter der Koordinierung durch das Finnische Umwelt
natürliche Umgebung von einer Klimaerwärmung
Institut (SYKE) elf Forschungsinstitute und mehr als
schwerwiegend betroffen sein könnte. Obwohl eine
60 Wissenschaftler an dem Projekt FINADAPT gearbei-
kontinuierliche Klimaerwärmung auch zu einer vorerst
tet, der ersten umfassenden Studie zu den Auswirkun-
längeren Vegetationszeit und zu fallenden Heizkosten
gen des Klimawandels und den notwendigen Reaktionen
führen würde, werden jedoch langfristig regelmäßige
in Finnland darauf. Der im März dazu vorgelegte Bericht
Überschwemmungen vorausgesagt. Sie werden be-
gibt den Entscheidungsträgern des Landes, aber auch
dingt durch starke Niederschläge sowie das Schmelzen
der Bevölkerung selbst, umfangreiche Bewertungen und
von Eis und Schnee. Nach den Prognosen werden
Empfehlungen.
die Temperaturen zwischen 1990 und 2100 zwischen
1,4 und 5,8 Grad ansteigen. Dies wird erheblichen Ein-
Das vom finnischen Landwirtschaftsministerium, dem
fluss auf viele Tier- und Pflanzenarten haben.
Umweltministerium und dem Ministerium für Verkehr
und Kommunikation geförderte „Climate Change
Auch für die urbanen Teile des Landes gelten Vorbe-
Adaption Research Programme” hat weitere 15 For-
reitungsmaßnahmen. Architekten und Städteplaner
schungsprojekte gestartet. Sie befassen sich u.a. mit
arbeiten an Konzepten zum besseren Umgang mit
der Zukunft von Landwirtschaft, Forsten, Trinkwas-
starken Niederschlägen und Überflutungen.
serversorgung, Bau, Stadt- und Regionalplanung
sowie der biologischen Vielfalt. Ziel ist dabei, präzise
Auskünfte zu erhalten, die den politisch Verantwortlichen wie auch jedem finnischen Bürger beim Umgang mit dem Klimawandel weiterhelfen.
14
NORWEGEN: DAS DILEMMA EINES
U M W E LT B E W U S S T E N E R D Ö L F Ö R D E R E R S
Thomas Bernd Stehling
und im Meer feststellen können. Zugvögel kehren früher aus ihren Winterquartieren zurück, Tiere sind
WIE VERLÄUFT DER DISKURS ZUM
früher geschlechtsreif, Produktions- sowie die Repro-
KLIMAWANDEL IN NORWEGEN?
duktionsraten sind höher, Bäume blühen früher.
Norwegen hat vom 3.–5. Juni 2007 in Tromso den
Besonders auffällig sind die Temperatursteigerungen
„World Environment Day” der Vereinten Nationen aus-
in den arktischen Gegenden von Norwegen. Während
gerichtet. Besondere Aufmerksamkeit fanden dabei die
die Temperaturen im Lande insgesamt 2003 1,3 Grad
auch für Norwegen relevanten Themen wie die Folgen
über dem Durchschnitt lagen, waren es auf Spitz-
des Abschmelzens von Eis und Schnee sowie die Zu-
bergen 2,3 Grad, 2004 1,4 zu 2,3 Grad, 2005 1,5 zu
kunft der Polarbären. Wie auch die anderen Nordischen
3,6 Grad. 2006 lag die Temperatur in Norwegen ins-
Länder ist Norwegen in besonderer Weise engagiert,
gesamt um 1,8 Grad über dem Durchschnitt, auf
wenn es um den Schutz der natürlichen Umwelt geht.
Spitzbergen waren es beachtliche 5 Grad über der
Anders verläuft indes die Debatte über einige der Maß-
Durchschnittstemperatur, der höchste Wert, der seit
nahmen zur Bekämpfung des Klimawandels.
1934 gemessen wurde.
Bevorzugt durch das Nordsee-Erdöl ist Norwegen zur
Die Anhebung des Meeresspiegels wird auch in Norwe-
Zeit weniger als andere Länder bei der Entwicklung
gen zu erhöhtem Risiko für Überschwemmungen führen
und Nutzung alternativer Energien beteiligt. Darüber
und wertvolle Ökosysteme am Meer beeinflussen und
hinaus ist die Regierung in Oslo ein entschiedener
gefährden.
Gegner der Atomkraft und hat jüngst zusammen mit
Irland, Island und Österreich die britische Regierung
WELCHE REAKTIONEN GAB ES AUF DIE
nachdrücklich aufgefordert, ihre Pläne zur Nutzung
BEREITS VERÖFFENTLICHTEN TEILE DES
der Atomenergie als Alternative zu fossilen Brennstof-
IPCC-BERICHTS?
fen zu überdenken.
Nach Auffassung der Umweltministerin Helen Bjørnøy
Norwegen, das zu den Unterzeichnerstaaten des
stellt der IPCC-Bericht eine wichtige Dokumentation
Kyoto-Protokolls gehört und zugesagt hat, die CO2-
für den Bedarf an politischem Handeln dar. Der Bericht
Emissionen bei 1 Prozent über dem Stand von 1990
bestätige, dass der Klimawandel vom Menschen verur-
zu stabilisieren, muss einräumen, dass die Emissionen
sacht wird und die Folgen gravierender sein werden,
zwischen 1990 und 2004 um 10 Prozent gestiegen sind
als bisher erwartet. Die IPCC-Untersuchung werde
und ohne einschneidende Maßnahmen bei 22 Prozent
großen Einfluss auf internationale Verhandlungen zur
über den Kyoto-Vereinbarungen für den Zeitraum von
Verringerungen von Emissionen haben. Die Umweltmi-
1990–2010 liegen werden. Eine Steigerung um 34 Pro-
nisterin bestätigt, dass Norwegen und die EU ein Ziel
zent ist sogar denkbar, wenn die gasbetriebenen Heiz-
zur Begrenzung des Anwachsens der Temperaturen
kraftwerke in ihrer bisherigen Form weitergenutzt
von maximal 2 Grad vereinbart haben. Die norwegische
werden.
Regierung ist der Auffassung, dass die bestehenden
Vereinbarungen unter dem Kyoto Protokoll als Antwort
WELCHE FOLGEN DES KLIMAWANDELS WERDEN
auf die Herausforderung bei weitem nicht ausreichend
ALS AKUTE PROBLEME GESEHEN?
ist. Sie fordert „ambitioniertere Vereinbarungen”, die
bedeutendere und nachhaltigere Verringerungen von
Die Effekte des Klimawandels auf die norwegische
Emissionen sicherstellen. Norwegen werde seinen Teil
Umwelt sind bereits zu beobachten und bedeutende
der Verantwortung übernehmen.
Veränderungen der Lebensräume und Spezies’ sind
zu erwarten. Traditionelle Freizeitaktivitäten werden
W I E G E H T D I E P O L I T I K M I T D E R P R O B L E M AT I K
ebenfalls von den klimatischen Veränderungen beein-
UM? WER SIND DIE AKTEURE?
flusst.
Wie auch andere Länder will Norwegen den eingeDurchschnittstemperaturen in Norwegen werden wei-
tretenen und für die nähere Zukunft zu erwartenden
terhin ansteigen, das gleiche gilt für Treibhausgas-
Folgen des Klimawandels begegnen und begrenzen.
emissionen. In Norwegen hat man bereits die Auswir-
Dahinter steht die Einsicht, dass sich der Klimawandel
kungen von steigenden Temperaturen sowohl an Land
fortsetzen wird, selbst wenn es gelänge, vom Men-
15
schen verursachte Treibhausgase sofort zu stoppen.
Wegen ihrer langen Lebenszeit werden die bereits in
der Atmosphäre befindlichen Gase weiterhin Einfluss
auf unsere Umwelt haben.
Die Norweger verfügen mit einem im zweiten Halbjahr 2005 von der „Norwegischen Kommission für
geringe Emissionen” vorgelegten Bericht über eigenes Datenmaterial zu den Folgen des Klimawandels.
In Ergänzung dazu ist es Aufgabe der „State of the
Environment Norway”-Agentur, regelmäßig aktuelle
Informationen und Erkenntnisse zur Entwicklung der
Umwelt in Norwegen vorzulegen. Sie sind Grundlage
für Entscheidungen und Strategien der Regierung
und der ihr nachgeordneten Behörden.
Der Klimawandel ist auch eine Bedrohung für die Tierwelt am Nordpol.
SCHWEDEN: BIS 2020 ERDÖLFREI?
Thomas Bernd Stehling
WELCHE FOLGEN DES KLIMAWANDELS WERDEN
ALS AKUTE PROBLEME GESEHEN?
WIE VERLÄUFT DER DISKURS ZUM
K L I M A W A N D E L I N I H R E M E I N S AT Z L A N D ?
Zwischen 1990 und 2005 hat es im Vergleich zum Zeitraum 1961–1990 eine Erwärmung um ca. 1 Grad gege-
Aktuelle Studien zeigen, dass die Debatte über den
ben. Ein bedeutenderer Anstieg ist im Winter mit rund
Klimawandel zu einem zentralen Bestandteil der politi-
2 Grad in den zentralen und nördlichen Teilen des Landes
schen und gesellschaftlichen Agenda in Schweden
zu verzeichnen. Der Niederschlag hat in den meisten
geworden ist. So äußern laut Sifo-Forschungsinstitut
Landesteilen zugenommen, in einigen Teilen des Landes
mehr als 60 Prozent der Schweden ihre Besorgnis
zwischen 15 Prozent und 20 Prozent. 2003 und 2004
über die Klimaveränderungen, darunter mehr Frauen
wurde Südschweden im Sommer von schweren Regen-
als Männer und mehr Jüngere als Ältere. Eine Mehr-
fällen heimgesucht. Die Zunahme der Regenfälle über-
zahl von ihnen, so die Demoskopischen Institute, wäre
steigt die errechneten Erwartungen.
zur Senkung des eigenen Lebensstandards bereit, um
die globale Erderwärmung zu senken.
Szenarios zu den Folgen eines globalen Temperaturanstieg für Schweden sind vom Rossby Centre des „Swedish
Die schwedische Regierung hat den Umweltschutz und
Meteorological and Hydrological Institute (SMHI)” erarbei-
den Kampf gegen den Klimawandel zu einem zentra-
tet worden. Diese Szenarios zeigen, wie sich die Tempera-
len Bestandteil ihrer Politik gemacht. So hält sie auch
tur, der Niederschlag, die Schneedecke und Vegetation
an der Absicht fest, die Kohlendioxidemissionen bis
verändern wird, sollte die Kohlendioxidkonzentration in
zum Jahr 2020 um mindestens 30 Prozent zu verrin-
der Atmosphäre weiter zunehmen. Für Schweden lägen
gern. Die EU-Umweltminister hatten sich für den glei-
die Konsequenzen über dem weltweiten Durchschnitt.
chen Zeitraum auf eine Reduzierung um 20 Prozent
So würde eine globale Temperaturzunahme von 2,6 Grad
geeinigt.
zu einem durchschnittlichen Temperaturanstieg von ca.
3,5 Grad in Schweden führen. Voraussichtlich wird bis
Kontrovers verläuft auch in Schweden die Diskussion
2100 die Durchschnittstemperatur in Schweden zwischen
über den künftigen Energieformen. Die Tageszeitung
2,5 und 4,5 Grad zunehmen. Die Temperaturzunahme ist
Dagens Nyheter berichtete am 11. Mai 2007, dass
im Winter bedeutender als in den Sommermonaten.
gemäß einer Studie des WWF 16 der „schmutzigsten”
Kraftwerke Europas vom schwedischen Unternehmen
Es werden folgende Auswirkungen erwartet: Überflutun-
Vattenfall betrieben werden. Diese Kraftwerke befin-
gen werden an den Küsten als auch in Seegebieten und
den sich zwar in Deutschland, das Unternehmen geriet
Flusslandschaften ernsthafte Gefahren verursachen. In
jedoch auch in Schweden unter heftige Kritik.
Nordschweden sind zunehmende Regenfälle zu erwarten,
16
in Südschweden dagegen Dürre und Wassermangel.
zurückgegangen. Nach Angaben der schwedischen Re-
Die Temperaturzonen werden sich in Richtung Norden
gierung liegt der Anteil an erneuerbaren Energien bei
verlagern und die Vegetationsperiode wird sich um
heute 28 Prozent. Dahinter verbergen sich überwie-
2 bis 3 Monate verlängern.
gend Biomasse und Windkraft.
WELCHE REAKTIONEN GAB ES AUF DIE BEREITS
Bereits die Vorgänger-Regierung hatte Erfolge mit
V E R Ö F F E N T L I C H T E N T E I L E D E S I P C C- B E R I C H T S ?
ihrer Energie-, Transport-, Umwelt- und Steuerpolitik,
die 2005 als „Sweden’s demonstrable progress report”
Die schwedische Regierung sieht den IPCC-Bericht als
als Teil der „Convention on Climate Change” veröf-
eine Bestätigung des von der Koalition beschlossenen
fentlicht wurden. Neue Entscheidungen sind seither
umweltpolitischen Kurses. Zugleich weist sie auf die
hinzugetreten, etwa die Besteuerung von Kraftfahr-
internationale Verknüpfung des Problems hin. Da nicht
zeugen gemessen an ihren CO2-Emissionen, die
alle Länder die Möglichkeit oder den politischen Willen
Steuerbefreiung von biologischen Kraftstoffen oder
hätten, bis zum Jahr 2050 auf erneuerbare Energien
die Verlängerung von Zuschüssen für „Climate
zu wechseln, werde bei einem Verzicht auf Kohle und
Investment Programmes (KLIMP)”.
Öl die Atomkraft eine wichtige Rolle spielen. Der IPCCBericht enthalte die positive Botschaft, dass bei ent-
Die schwedische Regierungskommission für die Unab-
sprechendem politischem Willen die Mittel gegeben
hängigkeit von Öl hat 2006 Maßnahmen und Richt-
seien, mit dem Problem fertig zu werden.
ziele vorgeschlagen, um Schweden in den Bereichen
Transport und Heizung unabhängig vom Öl zu machen.
Ebenso zuversichtlich äußern sich schwedische Wis-
Mitglieder der Kommission sind neben dem Premier-
senschaftler. Sie erwarten einen Preisanstieg bei fossi-
minister Vertreter aus Wissenschaft und Wirtschaft.
len Brennstoffen, sehen zugleich aber einen positiven
Ziel ist, bis 2020 das erste „ölfreie” Land zu sein.
Trend zu einem höheren Lebensstandard durch neue
Technologien, z.B. für energieeffizientere Häuser und
Die Treibhaus-Emissionen sollen bis 2050 um bis zu
nicht zuletzt veränderte Lebensgewohnheiten.
50 Prozent verringert werden. Die schwedische Umweltschutz-Agentur arbeitet an einem Bericht, der
W I E G E H T D I E P O L I T I K M I T D E R P R O B L E M AT I K
die vorhandenen Daten aktualisiert. Dazu gehört eine
UM? WER SIND DIE AKTEURE?
Vorausschau zu den Emissionen im den Jahren 2010,
2015 und 2020, eine Bewertung der bisherigen Instru-
Bereits heute ist die Elektrizitätsgewinnung in Schwe-
mente und Maßnahmen zur Reduzierung der Treib-
den nahezu vollständig frei von fossilen Brennstoffen.
hausgase, die Darstellung des aktuellen Wissensstan-
Die Nutzung von Öl am Gesamtenergieverbrauch ist
des zum Klimawandel und der Zielsetzung, den globa-
von ca. 70 Prozent im Jahre 1970 auf ca. 30 Prozent
len Temperaturanstieg auf 2 Grad zu beschränken.
D I E B E N E L U X- S TA AT E N :
A M B I T I O N I E RT E Z I E L E I M K L I M A S C H U T Z
Melanie Frank
Einsatz erneuerbarer Energie und zur Reduzierung
des CO2-Ausstoßes. So sollen bis 2020 der Ausstoß
In den drei Benelux-Staaten steht der Klimawandel
von Treibhausgasen im Rahmen einer Selbstverpflich-
aufgrund des Berichts von Sir Nicholas Stern und der
tung um 20 Prozent sinken und 20 Prozent der benö-
Berichte des IPCC auf der politischen Tagesordnung.
tigten Energie aus regenerativen Quellen stammen.
Auf dem Gipfeltreffen des Europäischen Rates im März
Die Europäische Kommission wurde dazu aufgefor-
2007 haben Belgien, die Niederlande und Luxemburg
dert, bis zum dritten Quartal gemeinsam mit den
den dort beschlossenen ehrgeizigen Aktionsplan für
Mitgliedsstaaten nationale Energiebilanzanalysen zu
Klimaschutz und Energie (EPE) von Anfang an unter-
erstellen, mit deren Hilfe eine gerechte Lastenvertei-
stützt. Der Plan setzt ambitionierte Ziele zur Energie-
lung zwischen den Mitgliedsstaaten anhand vergleich-
einsparung und -effizienz für die Mitgliedsstaaten
barer sozioökonomischer Indikatoren ermöglicht
der Europäischen Union, bindende Vorgaben für den
werden soll.
17
BELGIEN
Energie bezieht. Die ältesten Kernkraftwerke müssten
Belgien unterstützte bereits in einem frühen Stadium
investiert werden. Gleichzeitig möchte Verhofstadt eine
die Ziele der Europäischen Kommission im Bereich
„vierte Atom-Generation” schaffen und greift damit
der Klima- und Energiepolitik, welche dann durch
Empfehlungen einer Expertenkommission vom Novem-
den Europäischen Rat im März 2007 bestätigt wurden.
ber 2006 auf. Unterstützung erhielt der Premierminis-
Bei den nun anstehenden Verhandlungen zwischen
ter in dieser Frage aus der Opposition: Die christdemo-
der Kommission und den Mitgliedstaaten zur Errei-
kratische CD&V möchte ebenfalls die Diskussion um
chung der o.g. Ziele, vertritt Belgien – gemeinsam mit
den geplanten Atomausstieg neu eröffnen.
geschlossen und mehr in erneuerbare Energieträger
den Niederlanden und Luxemburg – einen kosteneffizienten Ansatz, der die belgischen Interessen ausrei-
NIEDERLANDE
chend vertritt.
In Bezug auf den für den Herbst 2007 vorgesehenen
Die im Februar 2007 neugebildete Regierung unter
Vorschlag der Kommission zur Aufteilung (burden-
Ministerpräsident Balkenende aus einer Koalition von
sharing) der CO2-Emissionen, besteht zur Zeit die
CDA, ChristenUnie und sozialdemokratischer PvdA
größte belgische Priorität darin, diesen Plänen der
sieht in ihrer Koalitionsvereinbarung vor, den Energie-
Kommission „gewappnet” gegenüber zu stehen. Dies
verbrauch in den Niederlanden um 2 Prozent pro Jahr
bedeutet, dass entsprechende Argumente zu verschie-
zu verringern, den Anteil von erneuerbaren Energien
denen Szenarien zu entwickeln sind, um die wichtig-
insgesamt auf 20 Prozent bis 2020 zu erhöhen und
sten Punkte herauszufiltern. Weiterhin sieht die belgi-
den Ausstoß von CO2-Emissionen um 30 Prozent bis
sche Politik in dieser Hinsicht vor, auch weiterhin eng
2020 zu verringern. Somit hatte die neue niederländi-
mit den Niederlanden und Luxemburg zu kooperieren.
sche Regierung bereits vor dem europäischen Gipfel
im März 2007 Richtlinien für den Klimaschutz fest-
In diesem Zusammenhang wurde bereits im März in
gelegt, die damit weiter gehen als die einen Monat
den belgischen Regionen beschlossen, die durchge-
später beschlossenen europäischen Rahmenbestim-
hende Beleuchtung der Autobahnen in Belgien, das
mungen.
traditionelle gelb-orange Laternenlicht, bei Nacht
abzuschaffen. Damit soll auch der CO2-Ausstoß ver-
Die Regierung ist auch Teil der sogenannten „Koalition
ringert werden. Im nördlichen Landesteil Flandern
für den Energiewechsel”, bestehend aus Nichtregie-
wurde die Stromsparmaßnahme schon eingeführt,
rungsorganisationen, Vertretern des Industriesektors,
in der Wallonie allerdings sind derzeit noch rund
Oppositionsparteien, wissenschaftlichen Instituten
750 Autobahn-Kilometer großzügig beleuchtet. In
sowie Umweltorganisationen und Entwicklungshilfeor-
Flandern wurde zudem wegen zu hoher Feinstaub-
ganisationen, die für die Weiterführung der Klima-
werte zum ersten Mal Tempo 90 verordnet. Diese
schutzdebatte von zentraler Bedeutung ist. Die aktu-
Geschwindigkeitsbegrenzung wird jedoch weitgehend
elle Debatte ist vor allem dadurch charakterisiert, wie
ignoriert.
diese angestrebten Ziele realisiert werden können.
So etwa, welche Instrumente für die anvisierten Ener-
Im Wahlkampf für die belgischen Parlamentswahlen
gieeinsparungen notwendig sind oder welches der
im Juni 2007 spielte der Klimawandel eine eher unter-
effektivste Weg zur Erhöhung des Anteils von nach-
geordnete Rolle, innenpolitische Themen wie die Um-
haltigen Energien (on-shore Wind oder off-shore Wind,
strukturierung der Steuerabgaben und die Reform der
Solarenergie etc.) sei.
Arbeitsmarktpolitik bestimmen die Diskussion. Allein
das Thema Atomstrom findet in den Medien regelmäßig
In der öffentlichen Diskussion steht zwar vornehmlich
einen Platz, wobei der im Jahre 2003 beschlossene
die Frage im Vordergrund, wie man die globale Erwär-
Ausstieg aus der Atomenergie zur Diskussion steht.
mung reduzieren kann, es geht aber auch immer mehr
Wahrscheinlich ist, dass der Ausstieg nicht zu dem
darum, wie man sich der neuen (bzw. zukünftigen)
geplanten Zeitpunkt kommen wird. Eigentlich sollten
Situation anpassen kann. Der Klimawandel wird auch
die belgischen Kernkraftwerke ab 2015 schrittweise
in den Niederlanden nicht mehr nur als Umweltproblem
vom Netz gehen. Inzwischen plädiert Premierminister
gesehen wird, sondern auch als Herausforderung für
Guy Verhofstadt für neue Kernkraftwerke und hat sich
andere Politikbereiche. Als eine wichtige Folge des
dafür ausgesprochen, den Atomausstieg rückgängig
Klimawandels wird der Einfluss der globalen Erwärmung
zu machen, während die Sozialisten und die Grünen
auf Entwicklungsländer gesehen. Denn gerade die
am Atomausstieg festhalten. Das vor vier Jahren ver-
Niederlande, in denen etwa 25 Prozent des Landes
abschiedete Gesetz zur Schließung der sieben Atom-
unter dem Meeresspiegel liegen, sehen die Gefahr für
meiler zwischen 2015 und 2025 sei nicht zu halten,
ähnlich tiefliegende Gebiete wie z.B. Bangladesh umso
so der Premierminister. Es mangele an Alternativen für
deutlicher. Der Schutz dieser Länder vor Naturkatas-
die Kraftwerke, aus denen Belgien 60 Prozent seiner
trophen hat somit höchste Priorität auf der klimapoliti-
18
schen Agenda. Daneben konzentrieren sich Bedenken
LUXEMBURG
auf den Rückgang der Biodiversität in den Niederlanden. Da eine Folge des Klimawandels die Migration vor
Der luxemburgische Staatsminister Jean-Claude Juncker
allem aus Afrika nach Europa sein könnte, beschäftigt
räumte bereits Anfang 2006 der Verantwortung für den
sich die niederländische Diskussion auch mit Fragen
Erhalt des Weltklimas einen herausragenden Stellenwert
der Immigrationspolitik.
ein. Anfang Mai 2006 stellte Umweltminister Lucien Lux
den ersten Aktionsplan zur CO2-Reduktion vor. Darauf
Der Bericht von Sir Nicholas Stern hat – wie auch in
folgte der „Nationale Allokationsplan für 2008-2012”
vielen anderen europäischen Staaten – zur verstärk-
zur Reduktion der Treibhausgasemissionen. Die beiden
ten Diskussion um die notwendige Verringerung des
Pläne enthalten unter anderem eine steuerliche Verteue-
Klimawandels beigetragen, indem er herausstellte,
rung des Individualverkehrs. Dieser Schritt war im Zu-
dass die Kosten des durch den Klimawandel entstan-
sammenhang mit dem ansteigenden Tanktourismus im
denen Schadens so hoch sein werden, dass es nicht
Transportsektor wichtig.
nur effektiver, sondern auch ökonomisch sinnvoller
ist, so schnell wie möglich in die Reduzierung des
Neue Strategien zur Energienutzung sehen eine – ver-
Klimawandels zu investieren. Folgend auf die letzte
stärkte Einbindung erneuerbarer Energien vor und ste-
Veröffentlichung des IPCC-Berichts stehen die Nieder-
hen in engem Zusammenhang mit dem CO2-Minderungs-
lande mit dem Rest Europas vor der Herausforderung
plan „Changement climatique: Agir pour un défi majeur”
die richtigen Instrumente zur Verminderung des Kli-
sowie den auf europäi-scher Ebene vorgegeben Rahmen.
mawandels zu finden. In den Niederlanden stimmt
Mit dem Forum „Klimaschutz schafft Chancen” von An-
man mit der Ansicht des IPCC-Berichts überein, dass
fang Mai 2007, verdeutlicht Umweltminister Lucien Lux,
das Potential zur Reduzierung des Klimawandels zwar
dass auch auf Regierungsebene schnellstmöglich auf den
vorhanden ist, dass nun aber die Politik gefragt ist,
neuesten Teil des IPCC-Berichts reagiert wurde.
um die richtigen Impulse in den verschiedenen Politikbereichen zu setzen.
F R A N K R E I C H : U M W E LT P R O B L E M E H A B E N N I C H T
DIE OBERSTE PRIORITÄT
Beatrice Gorawantschy | Katharina Leuthner
verwendet und die Klimasysteme verbessert. Diese Maßnahmen werden noch ergänzt durch eine Informations-
1. WIE VERLÄUF T DER DISKURS ZUM KLIMA-
kampagne des ADEME („Agence de l’Environnement et
WANDEL IN FRANKREICH?
de la Maîtrise de l’Energie”) – ein Büro, das sich eigens
mit Umwelt- und Energiefragen beschäftigt- zum Klima-
Zur Erfüllung der Vorgaben des Kyoto-Protokolls hat
wandel und zu den Beiträgen, die jeder Einzelne leisten
Frankreich einen Klima-Plan („Plan climat”) aufgestellt.
kann.
Dieser hat das Ziel, die Emissionen in verschiedenen
Bereichen bis 2012 zu verringern. Er bereitet Frank-
Frankreich gibt bereits 300 Millionen Euro pro Jahr für
reich auf fundamentale Veränderungen vor, die auf
den Kampf gegen den Klimawandel aus und plädiert
lange Sicht getroffen werden müssen, um die Folgen
außerdem für eine Zusammenlegung der Kooperati-
des drohenden Klimawandels einzudämmen. Zum ers-
ons- und Entwicklungspolitik mit dem Kampf gegen
ten Mal gibt es hiermit einen speziellen Leitfaden, der
den Klimawandel. Im Jahr 2000 wurde ein nationales
Frankreich dabei helfen soll, Maßnahmen zu ergreifen.
Programm zum Kampf gegen den Klimawandel („Plan
national de lutte contre le changement climatique”,
In seiner Rede vom 11. Mai 2006 sprach der delegierte
PNLCC) ausgearbeitet, das vorsah, die Ziele des Kyoto-
Botschafter für Umwelt im französischen Außenminis-
Protokolls ohne Verzögerung zu erfüllen. Dieses
terium („ambassadeur délégué à l’environnement”),
wurde 2001 ergänzt durch ein nationales Programm
Denys Gauer, vom Ziel Frankreichs seine Treibhaus-
zur Verbesserung der Energie-Effizienz („Programme
gasemissionen bis zum Jahr 2050 um das vierfache
National d’Amélioration de l’Efficacité Energétique”,
zu reduzieren, indem es beispielsweise Biokohlenstoffe
PNAEE).
19
Insgesamt muss bemerkt werden, dass die Umwelt-
Bedrohung der einheimischen Arten durch die Lufterwär-
problematik für die französische Bevölkerung nicht an
mung und die Ausbreitung schädlicher Insekten. Ein
erster Stelle der Prioritäten steht. Dies zeigt sich nach
wichtiger Faktor der Debatte zum Klimawandel in Frank-
einem Artikel von Le Monde vom 24. Mai 2007 sehr
reich sind die französischen Überseegebiete, die auch
deutlich am Recycling-Verhalten der Bevölkerung.
stark vom Klimawandel betroffen sein werden: Der WWF
Nur eine sehr geringe Menge an Haushaltsabfällen
berichtet vor allem von der drohenden Gefahr für die
wird recycelt. Eine Mitarbeiterin des „Centre national
Korallenriffe aufgrund der Erwärmung des Meeres. Es
d’information indépendante sur les déchets” beziffert
wird weiterhin von der Gefahr für die Meeresschildkröte
die Menge der recycelten Abfälle in Frankreich auf
gesprochen und von Zyklonen, die dem gesamten Öko-
13 Prozent und die der kompostierten auf 6 Prozent.
system schaden könnten. Ebenso wird der Klimawandel
Im Vergleich dazu wird Österreich mit 59 Prozent und
starke Auswirkungen auf den Menschen haben. Viele
Belgien mit fast 70 Prozent genannt. Beispielsweise
lebenswichtige Faktoren sind von den klimatischen Be-
wird im Gegensatz zu Deutschland in Frankreich keine
dingungen abhängig, wie beispielsweise die Landwirt-
Mülltrennung bei Plastikerzeugnissen durchgeführt.
schaft, die Wasserversorgung und die Energiegewinnung.
Am wenigsten motiviert seien junge Erwachsene und
Stadtbewohner. Verantwortlich sei unter anderem das
In einem Artikel in Le Figaro vom 9. April 2007 wird
fehlende Interesse der Politik. Die Prioritäten der fran-
explizit über die Folgen für den Champignon gesprochen.
zösischen Bevölkerung bezüglich politischer Themen
Durch die Erwärmung des Klimas kann bereits seit eini-
lassen sich anhand einiger ausgewählter Umfragen von
gen Jahren eine Veränderung im Wachstum der Pilzart
Meinungsforschungsinstituten zeigen. Vor der Präsi-
festgestellt werden. Die Champignons wachsen viel
dentschaftswahl befragte „Ifop” Bürger zu den Themen,
schneller als normal aufgrund der CO2- Erhöhung und
über die während der Wahlkampagne vorzugsweise
des Temperaturanstiegs. Dies sei die bisher schlimmste
gesprochen werden soll. An erster und zweiter Stelle
Beobachtung in der Tier- und Pflanzenwelt. Auch hat
ergaben sich die Themen „Beschäftigung” und „Kauf-
sich bereits eine Champignonart, die normalerweise in
kraft und Gehälter”, wohingegen sich das Thema
den Mittelmeerregionen angesiedelt ist, in mehreren
„Umwelt” nur an siebter Stelle (16 Prozent) befand,
Regionen Frankreichs ausgebreitet.
noch hinter „Schule und Ausbildung” oder „Renten”.
Bei einer Umfrage unter Jugendlichen durch „Ipsos”
In seiner Rede vom 29. Januar 2007 anlässlich des
bezüglich der Prioritäten des künftigen Präsidenten,
Treffens der Experten für den IPCC-Bericht in Paris,
steht die Aussage „Bewahrung der Umwelt” auf Platz
betonte der im französischen Umweltministerium ange-
drei (31 Prozent), hinter „Kampf gegen die Arbeitslosig-
siedelte interministerielle Beauftragte für Ökologie und
keit” (45 Prozent) und „Steigerung des Lebensstan-
nachhaltige Entwicklung, Christian Brodhag, die Gefahr
dards” (36 Prozent). Einer Umfrage von „TNS-Sofres”
für Frankreich bestünde unter anderem in den Folgen
im April 2007 zufolge, steht das Thema „Arbeitslosig-
des Klimawandels für die französischen Skigebiete, was
keit” mit 71 Prozent an oberster Stelle des Interesses
gravierende Auswirkungen für die Tourismusindustrie
der Bürger, gefolgt von „Finanzierung der Renten”
habe. Außerdem erwähnte Brodhag die Gefahr für die
(46 Prozent), „Gesundheit” (45 Prozent) und „Schule”
Korallenriffe, vor allem in Polynesien. Darüber hinaus
(43 Prozent). „Umwelt und Umweltverschmutzung”
mache sich Frankreich große Sorgen um die Nachbar-
befindet sich mit 41 Prozent an fünfter Stelle.
staaten der Überseegebiete, oft kleinere Inselstaaten,
die über geringe Ressourcen für den Kampf gegen den
2. WELCHE FOLGEN DES KLIMAWANDELS
Klimawandel verfügen.
WERDEN ALS AKUTE PROBLEME GESEHEN?
3. WELCHE REAKTIONEN GAB ES IN
Auf der Internetseite des Ministeriums für Umwelt und
FRANKREICH AUF DEN STERN-BERICHT UND
nachhaltige Entwicklung werden als Folgen des Klima-
AUF DIE IPCC-BERICHTE?
wandels genannt: Anstieg des Meeresspiegels, Veränderung des natürlichen Kreislaufs, Rückgang der Glet-
Als Reaktion auf den Bericht von Nicholas Stern im
scher, Schäden an Korallenbänken. Der WWF („World
Oktober 2006, verkündete die ehemalige französische
Wide Fund For Nature”) berichtet auf seiner französi-
Ministerin für Umwelt und nachhaltige Entwicklung,
schen Seite von Tierarten – vor allem Vögel –, die ihren
Nelly Olin, am 31. Oktober, dass auch Frankreich dem
Lebensraum aufgrund der Temperaturerhöhung in Rich-
Bericht voll und ganz zustimme. Sie sei der gleichen
tung Norden und in die Höhenlagen verlassen müssen.
Meinung wie ihr britischer Kollege und sie würde dieses
Des Weiteren wird von der Temperaturerhöhung des
Thema auf der nächsten Klimakonferenz in Nairobi am
Mittelmeeres und dem Anstieg des Meeresspiegels be-
15. November 2006 zur Sprache bringen.
richtet. Auch auf die Folgen für die Pflanzenwelt – vor
allem die Wälder – wird eingegangen, wie beispiels-
Am 13. November 2006 machte der ehemalige Premier-
weise die Ausbreitung mediterraner Pflanzenarten, die
minister Dominique de Villepin vor dem Ausschuss für
20
nachhaltige Entwicklung zur Aktualisierung des Klima-
aktuelle ökologische Situation zum Ziel. Es nahmen
plans 2004–2012 den Vorschlag einer CO2-Abgabe für
mehr als 200 Teilnehmer aus über 60 Ländern teil.
Produkte aus Ländern, die sich der Umsetzung des
Jacques Chirac sprach von den Zielen, die gemeinsam
Kyoto-Protokolls verweigern. Es sollte somit eine Kon-
erreicht werden sollen. Es soll eine nationenübergrei-
kurrenzsituation vermieden werden. In seiner Botschaft
fende Organisation für die Umwelt (UNEO) gegründet
an die Teilnehmer der Klimakonferenz in Nairobi im
werden, deren Machtbefugnisse über die der bereits
November 2006 rief der damalige Präsident Jacques
bestehenden UNEP hinausgehen sollen.
Chirac dazu auf, dass unverzügliches Handeln dringend
geboten sei. Frankreich habe Verantwortung übernom-
5. WIE GEHT DIE POLITIK MIT DER
men und ist darauf bedacht die Verpflichtungen ernst
P R O B L E M AT I K U M ?
zu nehmen. Bis zum Jahre 2050 strebt Frankreich an,
die Emissionen um 75 Prozent senken. Weiterhin schlägt
In seiner Rede anlässlich seiner Wahl zum Präsidenten
Frankreich zusammen mit der Europäischen Union ein
Frankreichs am 6. Mai 2007 wandte sich Nicolas Sarkozy
wirksames, verstärktes multilaterales System vor.
an die US-amerikanische Nation, um ihr die Unterstüt-
Chirac kündigte weiterhin an, dass er im Februar 2007
zung Frankreichs zu versichern. Er wies die USA aber
in Paris all diejenigen zusammenbringen werde, die
darauf hin, dass der Kampf gegen den Klimawandel,
zur Avantgarde eines internationalen Engagements
gerade in einer so großen Nation wie den Vereinigten
gehören wollen.
Staaten, oberste Priorität haben müsse. Sarkozy forderte die USA auf, eine Vorreiterrolle im Kampf gegen
4. MASSNAHMEN IN FRANKREICH
die Erderwärmung zu übernehmen. Bereits am nächsten Tag reagierte Washington auf die Aufforderung
Als Antwort auf die Bedrohungen durch den Klima-
des neuen französischen Präsidenten, indem es Frank-
wandel hat Frankreich 2002 das „Observatorium der
reich versicherte, den Kampf gegen den Klimawandel
Auswirkungen der Klimaerwärmung” („Observatoire
gemeinsam aufzunehmen und voranzutreiben. Mit der
des effets du réchauffement climatique”, ONERC) ge-
Erwähnung der Problematik des Klimawandels in seiner
gründet, das die Auswirkungen des Klimawandels be-
ersten Rede als Präsident wollte Sarkozy ein deutliches
obachtet und den Auftrag hat, Informationen, Studien
Zeichen setzen.
und Forschungen über die Risiken des Klimawandels
und dessen Phänomene zu sammeln und der Öffent-
In seinem Wahlprogramm anlässlich der Präsident-
lichkeit zugänglich zu machen. Dieses Observatorium
schaftswahlen widmete Nicolas Sarkozy dem Themen-
hat Empfehlungen für Maßnahmen gegen die Risiken
bereich Umwelt und nachhaltige Entwicklung einen
des Klimawandels formuliert, die aufgegriffen wurden,
eigenen Punkt. Er kündigte an, ein großes Ministerium
um die „Französische Strategie zur Anpassung an den
für nachhaltige Entwicklung gründen zu wollen, um
Klimawandel” („Stratégie française d’adaptation au
der Thematik Umwelt gerecht zu werden. Dieses Mini-
changement climatique”) zu formulieren.
sterium soll die Bereiche Umwelt, Energie und Verkehrswesen in sich vereinen. Der Energiepolitik räumt
Im Juni 2003 wurden in der nationalen Strategie für
er einen hohen Stellenwert ein. Frankreich werde unter
nachhaltige Entwicklung sowie im Gesetz des 13. Juli
seiner Regierung erneuerbare Energien fördern, aber
2005 über die Energie das Ziel festgelegt, die Treib-
auch weiterhin an der Atomenergie festhalten. Diejeni-
hausgasemissionen bis 2050 um das Vierfache zu
gen, die zur Umweltverschmutzung beitragen, sollen
reduzieren. Ein weiteres Zeichen für das Engagement
zur Verantwortung gezogen werden. Sarkozy will bei-
Frankreichs im Bereich der Umweltpolitik ist die soge-
spielsweise den Mehrwertsteuersatz auf französische
nannte Umweltcharta („Charte de l’environnement”),
umweltfreundliche Produkte reduzieren und schlägt
die am 1. März 2005 von Präsident Chirac erlassen
vor, dass Produkte aus Ländern, welche sich nicht für
wurde. Es handelt sich hierbei um einen Text, der in
den Erhalt der Umwelt einsetzen, besteuert werden.
der Verfassung verankert ist.
Außerdem schlägt Sarkozy die Gründung einer weltweiten Umweltorganisation vor und unterstützt damit
Im Januar 2006 wies Frankreich in einem Memorandum
den Vorschlag von Chirac, eine UNEO zu gründen.
zur europäischen Energiepolitik auf die Notwendigkeit
gemischter Energien, einschließlich erneuerbarer Ener-
Im Programm der UMP wird die Notwendigkeit des
gien hin. Gleichzeitig unterstützt Frankreich auch die
Kampfes gegen den Klimawandel hervorgehoben.
Erfassung und Lagerung von CO2 in Wärmekraftwerken.
Nach dem Beispiel Schwedens soll ein nationaler Plan
ausgearbeitet werden, der alle Franzosen und alle
Vom 2. bis 3. Februar 2007 fand in Paris eine Konfe-
Wirtschaftssektoren dazu aufruft, auf dieses Ziel hin-
renz mit dem Titel „Citoyens de la Terre” auf Einladung
zuarbeiten. An jährlichen Indikatoren soll der Zieler-
des damaligen Präsidenten statt. Diese Konferenz hat-
reichungsgrad festgestellt werden. Die Entscheidungen
te die internationale Mobilisierung in Hinblick auf die
werden anhand öffentlicher Debatten mit allen Betei-
21
ligten, Bürgern, Unternehmen, Vereinigungen und na-
Die UMP zeigt ihre Entschlossenheit auf internationalem
türlich den Überseegebieten getroffen. Die Strukturen
Niveau zu agieren, mehr Schutzgebiete zu gründen
müssen neu organisiert werden, beispielsweise in der
und vor allem die Artenvielfalt in den Überseegebieten
Gründung eines strategischen Rates der nachhaltigen
zu bewahren. In jedem der Überseegebiete soll ein lo-
Entwicklung und des Kampfes gegen den Klimawandel
kaler Plan zur nachhaltigen Entwicklung auf Basis einer
an der Seite des Präsidenten. Zudem ist die Gründung
Gebietsanalyse ausgearbeitet werden. Zudem sollen
eines Umweltethik-Komitees zur Aufklärung der Bürger
denjenigen Gebieten, die zur Erhaltung der Artenvielfalt
und die Verbesserung der Umweltbildung in Schulen
beitragen, die Schulden erlassen werden. Insgesamt
und höheren Bildungsstätten geplant.
fordert die UMP eine „ökologische Revolution”. Die
wichtigste Maßnahme des Programms von Sarkozy ist
Um eine Reduktion der Treibhausgasemissionen zu
die Verdoppelung der Umweltsteuern.
erreichen, sollen alte Gebäude besser isoliert und das
öffentliche Verkehrswesen ausgebaut werden: die Bür-
DIE NEUE REGIERUNG
ger sollen ermutigt werden zusätzliche Fahrgemeinschaften zu bilden, die öffentlichen Verkehrsmittel oder
Als Präsident Nicolas Sarkozy seine neue Regierung
Fahrrad zu benutzen. Es sollen Gebühren für Wasser,
vorstellte, stand auch der Minister für Umwelt, nach-
Elektrizität und Müll eingeführt werden und überdies
haltige Entwicklung und Raumplanung fest. Es han-
soll in die Forschung investiert werden, vor allem auf
delte sich um den ehemaligen Premierminister Alain
europäischer Ebene, beispielsweise zur Entwicklung
Juppé. Das zuständige Superministerium trägt den
von Biokohlenstoff. Um diese Ziele zu erreichen soll
Namen „Ministerium für Ökologie, nachhaltige Ent-
das Steuersystem zugunsten der Ökologie verschoben
wicklung und Raumplanung”. Minister Juppé trat von
und eine Umweltsteuerrückerstattung eingeführt wer-
diesem Posten jedoch genau einen Monat später zu-
den. Außerdem soll auf bestimmte Energien, wie Bio-
rück, da er bei den Parlamentswahlen kein Mandat
kohlenstoffe, eine Steuersenkung zukommen und die
erringen konnte. Das Ziel von Präsident Sarkozy, mit
Preise von Bioprodukten sollen gesenkt werden.
Juppé der Umweltpolitik ein prominentes Gesicht zu
verleihen, war damit gescheitert. Neuer Umweltminis-
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Bewahrung der
ter wurde Jean-Louis Borloo.
Artenvielfalt, die durch den Klimawandel bedroht ist.
I TA L I E N : W A S S E R K N A P P H E I T W I R D Z U M P R O B L E M
Stefan von Kempis
Der Pegel des Flusses Po, der durch das wirtschaftlich
wichtige Norditalien fließt und von vielen Fabriken und
1. DER DISKURS ZUM KLIMAWANDEL
Wasserkraftwerken gesäumt ist, ist in mehreren, aufeinander folgenden Jahren der Dürre immer niedriger
Die italienische Debatte über den Klimawandel geht vor
geworden; im April dieses Jahres lag er nun wegen aus-
allem von den Wetterextremen aus, die das Land in
bleibendem Schmelzwasser und frühem Einsetzen des
den letzten Jahren ganz unmittelbar gespürt hat: Spit-
Frühlings stellenweise sechseinhalb Meter unter dem
zentemperaturen im Sommer, Dürre, austrocknende
Normalwert. Damit gelangt – und die Medien berichten
Flüsse, Wasserknappheit und abrupte Wetterwechsel.
ausführlich darüber – bei Flut Meerwasser ins Landesin-
Vor allem der heiße Sommer 2003 wird immer wieder
nere, und das Kraftwerk von Porto Tolle, eines der
als Beleg für einen Wandel des Klimas zum Schlechten
größten von Norditalien, muss über Tanklastzüge mit
hin genannt. Die Medien berichten auch dieses Jahr
Süßwasser versorgt werden. Die durchschnittliche Tem-
wieder ausführlich über tropische Vögel, die in römi-
peratur im April lag übrigens landesweit bei 17,2 Grad –
schen Parkbäumen nisten, eine verfrühte Mandelblüte
im Vergleich zum Mittelwert 12,9 der Jahre 1970–2000.
auf Sizilien und die wachsenden Schwierigkeiten, die
der Wassermangel (nach Italiens wärmstem Winter seit
Auch Arno und Tiber in Mittelitalien führen viel weniger
etwa zwei Jahrhunderten) für Landwirte und Unter-
Wasser als für diese Jahreszeit üblich. Die Regierung
nehmer bedeutet.
hat darum Anfang Mai den Wassernotstand für Nordund Mittelitalien ausgerufen; damit können ohne administrative Verzögerungen Wasser sparende Maßnahmen
22
lich schon an Temperaturen zwischen -10 und +40 Grad
gewöhnt und an Lebensräume, die von den Polen bis
zu den trockensten Wüsten reichen.”
3 . F U R C H T V O R K ATA S T R O P H A L E N F O L G E N
F Ü R I TA L I E N
Vor allem interessieren sich die Italiener dafür, was
die jüngsten großen Klima-Berichte für ihr eigenes
Land vorhersagen – dass nämlich Teile Italiens versteppen könnten, dass die Zahl der Hitzetoten im
Sommer wohl zunehmen wird, dass es zu häufigeren
Wechseln von Dürre und Überschwemmungen kommt
und dass vor allem der Nordosten des Landes von einem Anstieg des Meeresspiegels betroffen wäre. BeDer Pegelstand des Po lag im April 2007 6,5 m unter
dem Normalwert.
sonders alarmiert reagieren viele auf die Vermutung,
dass angesichts des Klimawandels die Touristen in der
zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts in nördlichere Regionen abwandern werden. Allerdings hat sich bisher
bzw. Rationierungen verhängt werden und Geldhilfen
noch keine direkte Auswirkung des Klimawandels auf
etwa an Landwirte schneller ausgezahlt werden. Von
den Tourismus gezeigt. Intensiv wird auch über die
Palazzo Chigi aus, dem römischen Amtssitz von Minis-
Frage diskutiert, ob der Klimawandel zu einem Anstieg
terpräsident Romano Prodi, soll ein Komitee („cabina di
der Zahl von Flüchtlingen aus Afrika führen wird – ein
regia”) das Thema im Auge behalten. Für den kommen-
Phänomen, mit dem Italien heute schon konfrontiert
den Sommer befürchten die Behörden Stromausfälle
ist und dessen Ausweitung viele fürchten.
und Missernten, Produktionsschwierigkeiten bei Unternehmen, und dass Wasserkraftwerke nur noch mit hal-
Der Nationale Forschungsrat sagt für Italien einen An-
ber Kraft arbeiten können. Sie rechnen auch mit Streit
stieg der Sommertemperaturen um drei bis fünf Grad
um das Wasser zwischen Unternehmern und Landwir-
sowie häufigere, abrupte Wechsel im Klima voraus;
ten; die Schäden, die der Landwirtschaft durch den
die Forschungs-Behörde für Neue Technologien, Ener-
heißen Sommer 2006 entstanden sind, sollen bis zu
gie und Umwelt sieht ein Drittel des Landes „von Aus-
einer Milliarde Euro betragen haben. Norditalien ist an-
trocknung und Bodenverarmung bedroht”. Energie-
fälliger für Wassermangel als der Süden („Mezzogiorno”),
spar-Vorsätze scheitern in Italien jedoch nicht selten
weil seine intensive Landwirtschaft stärker auf ein aus-
an mangelnder Infrastruktur: Schlechte Wärmedäm-
differenziertes Bewässerungssystem angewiesen ist.
mung der Häuser, Zentralheizungen in großen Wohnhäusern, viel Wasserverlust durch veraltete Wasserlei-
2. REAKTIONEN AUF DEN STERN-BERICHT
tungen.
SOWIE AUF DIE BEREITS VERÖFFENTLICHTEN
TEILE DES IPCC-BERICHTS
4. WIE GEHT DIE POLITIK MIT DER
P R O B L E M AT I K U M ? W E R S I N D D I E A K T E U R E ?
Die neuesten Klima-Berichte sind bei Politikern und
Medien auf großes Interesse gestoßen. In der Bericht-
Das Wirtschaftsministerium hat kürzlich eine Kommis-
erstattung dominieren alarmierende Töne, und in Um-
sion eingerichtet, die ermitteln soll, welche Kosten
fragen taucht der „cambio climatico” auf einmal in der
sich aus dem Klimawandel für Italien ergeben und wie
Liste der Probleme auf, die dem italienischen Bürger
geeignete Gegenmaßnahmen aussehen könnten; au-
am meisten am Herzen liegen.
ßerdem plant die Regierung unter Ministerpräsident
Prodi noch für 2007 einen nationalen Klima-Gipfel.
Allerdings gibt es auch in Italien vereinzelt kritische
Ministerpräsident Prodi hat im März 2007 die deutsche
Stimmen, die den Szenarien der Klimawandel-Berichte
EU-Ratspräsidentschaft deutlich im Einsatz für ver-
keinen Glauben schenken wollen. So meint z.B. der
bindliche Klimaziele der Gemeinschaft und für eine
Florentinische Politiker und Demographie-Professor
Einbindung der USA unterstützt. Umweltminister
Massimo Livi Bacci in einem Interview in der Zeitung
Alfonso Pecoraro Scanio will die von ihm geführte Par-
„La Repubblica”, man solle die Fähigkeit des Men-
tei der Grünen bis Ende 2008 zu einer „Klima-Partei”
schen, sich auch extremen Umweltbedingungen anzu-
ausbauen, die über eine (künftige) 5-Prozent-Hürde
passen, nicht unterschätzen: „Wir haben uns schließ-
kommen soll. Häufig genannte Namen in der italienischen Klima-Debatte sind der Generaldirektor des
Umweltministeriums, Corrado Clini, und der Klimaex-
23
perte Filippo Giorgi aus Triest, einer der wenigen ita-
ber 2006 einen Kyoto-Aktionsplan 2008–2012 vorge-
lienischen Wissenschaftler, die zum IPCC gehören.
stellt, der den jährlichen CO2-Ausstoß auf 209 Millionen
Weitere wichtige Stimmen in der öffentlichen Debatte
Tonnen begrenzt; die EU will dem Land hingegen nur
sind außerdem der nationale Umweltverband Legam-
eine Obergrenze von 195,8 Millionen Tonnen zugeste-
biente sowie Greenpeace und WWF. Auch der Papst
hen, das bedeutet eine Reduktion der italienischen
hat sich kürzlich zum Klimawandel geäußert und Ende
CO2-Emissionen um 6,3 Prozent. Der Wirtschafts-
April im Vatikan (unter Federführung seines Friedens-
Staatssekretär Paolo Cento (Grüne) beziffert die finan-
rates) eine Konferenz mit 80 Experten aus 20 Ländern
zielle Last, die italienischen Unternehmen dadurch
zum Thema Klimawandel ausgerichtet.
entsteht, auf ca. 600 Millionen Euro pro Jahr, und
sollte es Italien nicht gelingen, seinen Verpflichtun-
Einen umfassenden Energieplan für die Zukunft hat
gen nachzukommen, könnte die Summe wegen der
Italien noch nicht; so genannte „saubere” Energien
dann fälligen Strafzahlungen an die EU sogar auf
kommen in Italien derzeit nur auf einen Anteil von ca.
ca. 3,5 Milliarden Euro steigen.
2,5 Prozent. Der frühere Strommonopolist „ENEL” investiert aber bis 2011 vier Milliarden Euro in Forschung
Von den Plänen sind etwa 1.200 Unternehmen in
und Entwicklung auf dem Gebiet der erneuerbaren
Italien betroffen, vor allem die Mineralöl-, Gas- und
Energien – eine Summe, die in etwa den Investitionen
Kohle-Industrie. Der Industrieverband „Confindustria”
von „General Electric” (USA) auf diesem Gebiet ent-
reagiert empört auf die Äußerungen der Grünen und
spricht. Ein erstes ENEL-Projekt sieht auf den Äolischen
auf das „Brüsseler Diktat”: „So schadet man der
Inseln vor Sizilien Biodiesel-, Photovoltaik- und klei-
Wirtschaft und legt dem Wirtschaftswachstum Fesseln
nere Wind-Anlagen vor, um dort den CO2-Ausstoß um
an.” Und auch Bersani widerspricht seinem Kabinetts-
70 Prozent zu reduzieren.
kollegen aus dem Umweltressort: „Wir wollen den
Kohle-Sektor nicht bestrafen, er ist auch mit den EU-
5. NEUESTE ENTWICKLUNG:
Änderungswünschen am italienischen Anti-Emissions-
D E B ATT E Ü B E R K Y O T O
plan vereinbar.” Italien könne durchaus einen rund
10 Prozent hohen Kohle-Anteil am Energiemix behalten,
Eine eingehende Diskussion hat sich im Frühjahr 2007
wenn man in Rechnung stelle, dass der Mittelwert für
um die Verpflichtungen entwickelt, die sich aus dem
den Kohle-Anteil in Europa (die östlichen EU-Staaten
Kyoto-Protokoll für Italien ergeben; dem Land drohen
mitgerechnet) bei ca. 30 Prozent liege. Überhaupt
Strafzahlungen, wenn es den Ausstoß von Treibhaus-
findet Bersani es „ungerecht, dass ein italienisches
gasen nicht im versprochenen Maß reduziert. Die Minis-
Unternehmen, das weniger die Luft verschmutzt als
ter Pierluigi Bersani (Wirtschaftliche Entwicklung) und
das Unternehmen in einem anderen EU-Land, dennoch
Alfonso Pecoraro Scanio (Umwelt) hatten im Dezem-
vergleichsweise mehr bezahlen muss.”
SPANIEN: ERNTEAUSFÄLLE DURCH KLIMAWANDEL
Michael Däumer | Adriaan Kühn
Nach Ratifizierung des Kyoto-Protokolls und der Veröffentlichung des Berichts von Sir Nicholas Stern sowie
1. DISKURS IN SPANIEN ZUM KLIMAWANDEL
des dritten Teils des IPCC-Reports stellten verschiedene staatliche Stellen Maßnahmenkataloge mit dem
Das Thema Klimawandel, wie Umweltpolitik im Allge-
Ziel vor, die spanischen Treibhausgasemissionen zu
meinen, stellt eine neuere Erscheinung in der spani-
verringern. Mehrere im Umweltbereich tätige NROs
schen Politik dar. Das spanische Umweltministerium
lancierten zu dieser Zeit zudem Kampagnen, um die
räumt ein, in den 1990er Jahren „zu wenig” im Bereich
Thematik in der Bevölkerung präsent zu machen.
Klimawandel unternommen zu haben. Ökologische
Themen spielten auf der politischen Agenda der Regie-
Einer breiteren Öffentlichkeit wurde das Thema aber
rung und der Parteien lange Zeit eine untergeordnete
erst mit dem Besuch des ehemaligen amerikanischen
Rolle. Eine auf ökologische Themen konzentrierte Partei
Vizepräsidenten Al Gore im Februar 2007 in Madrid
gibt es in Spanien nicht. Bei den „Grünen” handelt es
und der Premiere seines Films „Eine unbequeme
sich überwiegend um Postkommunisten.
Wahrheit”, der die Folgen der globalen Erderwärmung
beschreibt, zugänglich. In diesem Monat gingen auch
24
erstmals mehrere tausend Menschen in verschiedenen
2. FOLGEN DES KLIMAWANDELS ALS AKUTE
spanischen Städten gegen den Klimawandel auf die
PROBLEME IN SPANIEN
Straße. Auf diesen Demonstrationen wurden eine
weitergehende Reduzierung der Treibhausgasemis-
Die iberische Halbinsel ist auf Grund ihrer exponierten
sionen sowie eine stärkere Förderung regenerativer
geografischen Lage und soziökonomischen Vorausset-
Energien gefordert.
zungen eine der am stärksten durch den Klimawandel
betroffenen Regionen Europas. In Studien zu den Aus-
Nach seinem Treffen mit Al Gore betonte Spaniens
wirkungen des Klimawandels auf Spanien wird das
Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero (PSOE),
Land als durch den Klimawandel besonders „verwund-
der Klimawandel stelle die „größte Herausforderung der
bar” bezeichnet. Das Umweltministerium hat dazu im
Menschheit” dar. Im November 2006, auf dem Ibero-
Jahr 2005 eine 840-Seiten-starke Studie veröffentlicht.
amerikanischen Gipfel in Montevideo (Uruguay), sprach
Zapatero davon, dass der Klimawandel bereits mehr
Der Studie zufolge ergeben sich die dringlichsten Pro-
Opfer als der internationale Terrorismus gefordert hätte.
bleme des Landes durch den Anstieg des Temperaturniveaus. Während global die Temperatur laut Stern-
Die Auseinandersetzung mit dem Klimawandel (spa-
Report im Durchschnitt um 2 bis 3 Grad ansteigen soll,
nisch: „cambio climático”) wurde daraufhin zur Chef-
trifft es Spanien laut Umweltministerin Cristina Narbona
sache erklärt und ein Maßnahmenkatalog der Regie-
mit Temperaturanstiegen von 5 bis 8 Grad bis zum
rung verabschiedet. Dies bedeutet jedoch nicht, dass
Ende des 21. Jahrhunderts besonders hart. Als sich
kurzfristig auf fossile Energieträger verzichtet werden
daraus ergebende zentrale Problemfelder werden
soll. So sprach der Ministerpräsident Ende Februar
genannt: Wasserknappheit, Landverlust an Küsten-
2007, also unmittelbar nach dem Besuch Gores und
gebieten, Verlust von Biodiversität, verstärkte Boden-
der Vorstellung der Regierungsmaßnahmen gegen
erosion. Dies hat erhebliche Implikationen auf die
den Klimawandel, vor Bergarbeitern von einer „stra-
beiden wichtigsten spanischen Wirtschaftsbereiche:
tegischen Rolle” des spanischen Steinkohleabbaus.
Landwirtschaft und Tourismus.
Es handle sich um einen „unentbehrlichen” Bestandteil
des spanischen Energiemixes, der die Importabhän-
Im Hitzerekord-Sommer 2006 fiel in einigen Regionen
gigkeit Spaniens im Energiesektor verringern würde.
im Süden des Landes die Ernte komplett aus. Somit
konnten nicht nur die „klassischen” Exportgüter Wein
Eine ähnlich ambivalente Haltung nimmt die oppositio-
und Oliven nicht ins Ausland geliefert werden, die
nelle Volkspartei (PP) ein. Obwohl deren Chef Mariano
spanischen Bauern waren noch nicht einmal in der
Rajoy betont, dass es sich beim Klimawandel um ein
Lage, die Binnennachfrage zu decken. Studien sagen
Problem handle, „das der PP sehr ernst nimmt”, ist
bei einer weiteren Erhöhung der Treibhausgase in der
man sich über die Mittel keineswegs einig. Gerade aus
Atmosphäre voraus, dass die Erträge des landwirt-
der PP werden immer wieder Befürchtungen geäußert,
schaftlichen Sektors in Spanien nicht nur zurückgehen
die gute spanische Konjunkturentwicklung durch eine
werden, sondern in einigen Regionen Zentralspaniens
allzu restriktive Umweltgesetzgebung abzuwürgen.
ganz ausbleiben werden.
Die Unvereinbarkeit zwischen weiterem Wirtschaftswachstum und Senkung der CO2-Emissionen ist dabei
Der prognostizierte Anstieg des Meeresspiegels wird an
ein Argument, das in der spanischen Debatte über den
den spanischen Küsten zu erheblichen Problemen füh-
Klimawandel immer wieder auftaucht.
ren. Vor allem die in Strandnähe errichteten Hotel- und
Wohnanlagen werden davon betroffen sein. Beliebten
Es bleibt festzuhalten, dass sich durch die starke me-
Tourismuszielen wie den Regionen Murcia, Valencia und
diale Präsenz des Klimawandels in den letzten Monaten
den Kanarischen Inseln droht durch Bodenerosion die
die spanische Öffentlichkeit für die Thematik zuneh-
Verwüstung. Doch auch schon jetzt sind die Auswir-
mend sensibilisiert zeigt. Neben den „klassischen”, die
kungen des Klimawandels erkennbar. Die hohen Tem-
öffentliche Diskussion dominierenden Themenfeldern
peraturen und die damit verbundene Trockenheit im
Antiterror- und Wirtschaftspolitik hat sich die Debatte
Sommer führen zu einer noch stärkeren Waldbrandge-
um den Klimawandel zumindest kurzfristig auf der
fahr als bisher. Durch das erwärmte Wasser kam es
politischen und medialen Agenda etabliert. Inwieweit
in den vergangenen Jahren an den Mittelmeerstränden
dies auch mittel- bzw. langfristig der Fall sein könnte,
des Festlands und auf den Balearen zu einer Nessel-
wird in entscheidendem Maße von den Maßnahmen
quallenplage, die das Baden am Strand vielerorts un-
der Regierung auf diesem Gebiet abhängig sein.
möglich machte. Die Bild-Zeitung warnte im Sommer
2007 die Urlauber vor der „Malle-Qualle”.
25
Die ohnehin schon angespannte Situation der Wasser-
die IPCC Berichte und spezifische Länderinformationen
versorgung in Spanien wird sich in Zukunft noch zu-
zu Spanien über die Internetseite des Umweltministe-
spitzen. Schon jetzt sind jedes Jahr Verteilungskämpfe
riums verfügbar.
um Wasser zwischen den spanischen Regionen zu beobachten. Die Stauseen füllen sich durch geringere
Der Stern-Report vom Oktober 2006, der vor allem
Niederschläge und weniger werdenden Zufluss aus den
die volkswirtschaftlichen Kosten der globalen Erwär-
Bergen jedes Jahr weniger; der Verteilungsspielraum
mung behandelt, gab Klimaschützern die Möglichkeit,
wird somit immer kleiner. Die Region Murcia kann ihren
den Vorwurf des wirtschaftlichen Schadens einer Um-
Wasserbedarf seit einigen Jahren nicht mehr aus eige-
weltgesetzgebung, die auf drastische Verringerung
nen Ressourcen decken.
des CO2-Ausstoßes setzt, anzugehen. So wird in den
Maßnahmenkatalogen der Regierung seit dem Stern-
Die extreme Hitze fordert im Sommer darüber hinaus
Report darauf hingewiesen, dass die Bekämpfung des
auch Menschenleben. Letztes Jahr starben im Schnitt
Klimawandels auch eine Strategie für mehr Wachstum
6.000 Spanier mehr als in einem Sommer mit „norma-
sein kann. So werden beispielsweise Märkte für Tech-
len” Temperaturen. In Cordoba und Sevilla wurden bis
nologien zur CO2-neutralen Energieerzeugung und für
zu 55 Grad gemessen. Unvorstellbar, dass diese Maxi-
CO2-effizientere Waren und Dienstleistungen geschaf-
maltemperaturen in Zukunft noch weiter ansteigen
fen, von denen spanische Firmen durch Bereitstellung
werden, ohne das Leben dort massiv zu beeinflussen.
dieser Technologien oder durch Wettbewerbsvorteile
bei Verwendung neuer Technik profitieren können.
3. REAKTIONEN AUF DEN STERN-BERICHT UND
AUF DIE IPCC-BERICHTE
4. MASSNAHMEN GEGEN DEN KLIMAWANDEL
Von einer breiten gesellschaftliche Resonanz in Spanien
Maßnahmen zur Reduktion des spanischen CO2-Aus-
auf die ersten beiden Teile des IPCC-Berichts, die 1990
stoßes sind laut Umweltministerium dringend erfor-
bzw. 1995 veröffentlicht wurden, kann nicht gespro-
derlich. Dies ist auch deshalb notwendig, um das im
chen werden. Die Ergebnisse dieser Berichte wurden
Kyoto-Protokoll festgelegte Ziel der EU-Staaten, die
zwar in den Tageszeitungen behandelt; neben Zweifeln
Emissionen im Vergleich zum Referenzjahr 1990 um
über die Richtigkeit der Modelle konnte sich die Thema-
8 Prozent zu senken, nicht zu gefährden. Spaniens
tik wegen der Dominanz anderer Politikfelder in der
Emissionen dürfen laut Kyoto-Protokoll im Stichjahr
spanischen Diskussion jedoch nicht behaupten. Rezipiert
2012 15 Prozent über denen des Jahres 1990 liegen,
wurden die Ergebnisse vornehmlich in Fachkreisen, in
2004 waren es aber 49 Prozent. Dies ist nach der
Umweltorganisationen sowie im Umweltministerium.
Türkei der höchste Wert innerhalb der Annex-I-Staaten.
Die Gründung des „Nationalen Klimarates” (CNC) in-
Laut IPCC-Studie gehört Spanien damit zu den Staa-
nerhalb des Umweltministeriums ist u.a. auch auf den
ten, die für „weitere substanzielle Reduktionen sorgen
ergänzenden IPCC-Report 1992 zurückzuführen.
müssen oder ergänzend auf die flexiblen Mechanismen
des Kyoto-Protokolls zurückgreifen sollen.”
Der weltweit kontrovers diskutierte und viel zitierte
dritte IPCC-Report aus dem Jahr 2001 sorgte dann
Eine Studie der Universidad Politécnica de Madrid geht
für eine zunehmend verstärkte Auseinandersetzung
davon aus, dass die Emissionen sich 2008 bis 2012 auf
mit dem Klimawandel auf spanischer Seite. Als Multi-
einen Wert von 50 Prozent über denen von 1990 einpen-
plikatoren fungierten zunächst wieder Umwelt-NROs,
deln werden, wenn sich am jetzigen Kurs nichts verän-
die durch unterschiedliche Kampagnen auf die Folgen
dern wird. Die spanische Wirtschaft befindet sich zurzeit
des Klimawandels national wie auch international hin-
in einer Boom-Phase, die sich vor allem in Investitionen
wiesen. Institutionell wurde mit der Schaffung des
im Infrastruktur- und Wohnungsbausektor bemerkbar
„Spanischen Büros für den Klimawandel” (OECC) auf
macht. Diese Bereiche sorgen zum einen für einen hohen
die Ergebnisse des Reports reagiert. Hierbei handelt
Anteil an CO2; auf der anderen Seite werden Befürchtun-
es sich zum einen um eine Koordinierungsstelle spani-
gen geäußert, das Wirtschaftswachstum durch Einschrän-
scher Institutionen, die sich gegen den Klimawandel
kungen auf Grund von Umweltbedenken zu belasten.
engagieren, zum anderen fungierte es aber auch als
Unter Federführung des Umweltministeriums wurden
„Aushängeschild” für das Engagement der damals am-
seit der Ratifikation des Kyoto-Protokolls Maßnahmen-
tierenden konservativen Regierung unter José María
kataloge erstellt, um den spanischen CO2-Ausstoß zu
Aznar im Bereich Klimapolitik.
verringern. Diese wurden nach Veröffentlichung der
ersten Teile des IPCC-Berichts aktualisiert und erwei-
Die Ergebnisse des dritten IPCC-Reports stellen zudem
tert. Hier ist zuerst die „Spanische Strategie für Klima-
die wissenschaftliche Grundlage dar, auf dessen Basis
wandel und saubere Energie” (EECCEL) vom 09. Feb-
die Regierung die spanische Klimapolitik koordiniert.
Entsprechend wird hieraus umfassend zitiert. So sind
26
ruar 2007 zu nennen. Sie stellt die Fortführung der
nach der Ratifikation des Kyoto-Protokolls verabschiedeten „Spanische Strategie zur Erfüllung des KyotoProtokolls” dar. In diesem Dokument werden zwei Ziele definiert: Zum einen sollen öffentliche und private
Initiativen vernetzt werden, um die im Kyoto-Protokoll
eingegangenen Verpflichtungen zu erfüllen, zum anderen ein „nachhaltiges Wachstum” der spanischen Wirtschaft ermöglicht werden.
Im Sommer 2006 fiel in einigen Regionen Spaniens die Ernte
aufgrund der anhaltenden Hitze komplett aus.
Als konkretes Mittel ist hier der innerhalb der flexiblen Mechanismen des Kyoto-Protokolls der Emissionshandel zu nennen. Dieser läuft seit dem Inkraft-
Spanien macht weiterhin vom „Mechanismus für um-
treten eines entsprechenden Gesetzes seit März 2005.
weltverträgliche Entwicklung” als Teil der flexiblen
Der „Nationale Anpassungsplan” (PNA) sieht für den
Mechanismen des Kyoto-Protokolls Gebrauch. So nutzt
Zeitraum 2008 bis 2012 vor, Emissionsrechte in weiter
das Land seine historisch gewachsenen Beziehungen
limitierten Umfang zu vergeben, so dass der spani-
zu Lateinamerika, um dort Projekte zur Treibhausgas-
sche Ausstoß nicht über 37 Prozent gegenüber dem
reduktion zu unterstützen. Entsprechend dem „Clean
Basisjahr 1990 steigt (das wären 16 Prozent weniger
Development Mechanism” werden Emissionseinspa-
als im PNA 2005–2007). Da allerdings verschiedene
rungen dann Spanien gutgeschrieben. Seit 2004 exis-
Boomsektoren wie Transport, Wohnungen und Infra-
tiert das „Iberoamerikanische Netz der Klimabüros”,
struktur von diesem Handel ausgenommen sind und
das spanisch finanzierte Projekte in 21 lateinamerika-
diese Sektoren im Vergleich zum Industriesektor
nischen Ländern koordiniert und überwacht.
seit 1990 doppelt so schnell wachsen, droht dies das
Instrument insgesamt erheblich zu schwächen.
Es ist anzumerken, dass, mit Ausnahme des Emissionshandels und der Entwicklungszusammenarbeit, bis jetzt
Für diese Bereiche, in denen es keinen Handel mit
keine dieser Maßnahmen legislativ verankert ist. In vie-
Emissionszertifikaten gibt, sind weitere Maßnahmen
len Bereichen wird auf die Notwendigkeit hingewiesen,
im Rahmen der flexiblen Mechanismen vorgesehen: So
zuerst Evaluierungen und Forschungsarbeiten vorzu-
sieht der „Aktionsplan Energiesparen und effizientere
nehmen, bevor konkrete Maßnahmen zu ergreifen sind.
Verwendung von Energie in Spanien” verschiedene Maß-
In diesem Sinne handelt es sich bei den Maßnahmenka-
nahmen zu Energieeinsparung und Effizienzsteigerung
talogen, insbesondere der Regierungsveröffentlichung
im Energiesektor sowie in den privaten Haushalten vor.
EECCEL, um Versuche, das Thema dauerhaft auf der
Vor allem soll hier Forschung im Bereich neuer Tech-
politischen Agenda zu etablieren. Spanien wird deswe-
nologien von Seiten des Staates unterstützt werden.
gen vorerst wohl nicht umhinkommen, Emissionszertifikate von sparsameren Ländern zu kaufen.
Das Ziel der spanischen Regierung ist es außerdem, den
Anteil erneuerbarer Energien bis 2010 auf 12,1 Prozent
5. SCHLUSSBEMERKUNG
der Primärenergien zu steigern (zum Vergleich: 2004
waren dies 6 Prozent) und 12,1 Prozent des Elektrizi-
Absichtserklärungen, den Klimawandel entschlossen
tätsverbrauches durch regenerative Energiearten zu
entgegentreten zu wollen, lassen sich parteiübergrei-
decken (2004: 6,9 Prozent). Zudem sollen zu diesem
fend in der spanischen Politik finden. Nichtsdestotrotz,
Zeitpunkt 5,8 Prozent der verwendeten Kraftstoffe Bio-
und dabei handelt es sich um ein Phänomen, das sich
kraftstoffe sein (2004: 0,74 Prozent). Instrumente, um
nicht nur im Hinblick auf Umweltpolitik beobachten
diese ehrgeizigen Ziele zu erreichen, sind dabei laut
lässt, mangelt es an der Umsetzung. Wenig konkrete
Regierung weniger direkte Subventionen, als vielmehr
Gesetzesvorhaben, weitgehende Befreiung von wichti-
die Gewährung von Steuervorteilen bei der Errichtung
gen Wirtschaftssektoren beim Emissionsregime und
von Anlagen zur Produktion von regenerativen Energien.
vor allem kein greifbarer Finanzierungsplan bei Zukunftsprojekten zur erneuerbaren Energie bzw. der
Weitere Möglichkeiten, den spanischen CO2-Ausstoß
Entwicklung effizienter Technologien kennzeichnen im
im Vergleich zum Jahr 1990 zu senken, sieht die spa-
Moment den Status quo in der spanischen Klimapoli-
nische Regierung in der Lagerung von CO2 in der Erde.
tik. In Anbetracht des anlaufenden Vorwahlkampfes
Im Hinblick auf diese Technik sei aber noch Forschungs-
für die Parlamentswahlen, die spätestens im März
arbeit zu leisten. Ein zusätzliches Einsparpotential
2008 stattfinden werden, wird sich in dieser Hinsicht
von 2 Prozent gegenüber dem Wert von 1990 wird in
bis zum Wahltag wohl nicht mehr viel tun.
der Absorptionskraft von Wäldern und entsprechender Fauna gesehen.
27
P O L E N : W I RT S C H A F T L I C H E R A U F H O L P R O Z E S S
A U F K O S T E N V O N K L I M A U N D U M W E LT
Stephan Raabe | Janina Härtel
kungen auf die Wirtschaft befürchtet. Denn die Kür-
Der Klimawandel wird in Polen in Politik und Medien
Berechtigungen führen, so dass eventuell die Produk-
nur selten diskutiert und nicht als akute Gefahr wahr-
tion in einigen polnischen Anlagen, insbesondere in
genommen. Die Entwicklung der Wirtschaft und die
der Energiewirtschaft und der Zementindustrie, ge-
Frage der Energieversorgung stehen im Vordergrund.
drosselt werden muss. Polen, so die Regierung, würde
Dementsprechend gering ist das Interesse in der
in seiner wirtschaftlichen Aufholjagd behindert, dage-
Gesellschaft an der Thematik.
gen gewönnen Länder außerhalb der Europäischen
zungen werden zu Preissteigerung bei den CO2-
Union Vorteile.
Zu den veröffentlichten drei Teilen des IPCC-Berichts
wie auch zum Bericht des britischen Ökonomen und
Für Polen hat die wirtschaftliche Entwicklung derzeit
Regierungsberaters Sir Nicholas Stern gab es kaum
einen wesentlich höheren Stellenwert als der Umwelt-
Reaktionen in Polen. Die Ergebnisse der Studien und
und Klimaschutz. Ein aktuelles Beispiel für den Um-
einzelne Passagen wurden zwar in einigen Zeitungsbe-
gang mit der Umwelt bietet der Streit um den Ausbau
richten erwähnt und auch auf den polnischen Inter-
einer Teilstrecke der „Via Baltica” zur Autobahn quer
netseiten von Greenpeace, vom WWF und den Befür-
durch das Rospuda-Tal bei Augustów sowie durch den
wortern der Windenergie veröffentlicht, jedoch hat
Biebrza-Nationalpark im Nordosten Polens. Das ein-
die polnische Regierung dazu keine offizielle Stellung
malige Ökosystem des Sumpfgebietes im Rospuda-
bezogen.
Tal, mit einem in Europa einzigartigen unberührten
Niedermoor, droht durch den Straßenbau zerstört zu
Diese distanzierte Haltung zeigt sich auch in der aktu-
werden. 20.000 Bäume sollen gefällt, massive Stahl-
ellen Umfrage des Eurobarometers „Einstellungen zu
betonpfeiler aufgestellt werden. Der Lebensraum
Fragen der europäischen Energiepolitik” vom Februar
bedrohter Pflanzen, Tiere und zahlreicher seltener
2007. Auf die Frage, ob der Klimawandel und die glo-
Vogelarten wird damit vernichtet. Das Straßenprojekt
bale Erwärmung sie beunruhigen würde, verneinten
wurde trotz heftigster Proteste von polnischen und
27 Prozent der polnischen Bevölkerung. Damit weist
ausländischen Naturschützverbänden durch den polni-
Polen den höchsten Prozentwert auf im Vergleich zu
schen Umweltminister Jan Szyszko abgesegnet. Einer
den anderen EU-Mitgliedsstaaten, wo im Durchschnitt
der führenden Köpfe der Protestaktionen in Polen
12 Prozent mit „nein” antworten. Nur 32 Prozent der
ist der Journalist der liberalen großen Tageszeitung
polnischen Gesellschaft finden den Klimawandel be-
Gazeta Wyborcza, Adam Wajrak. Der Vorschlag einer
sorgniserregend; in der EU insgesamt sind es 50 Pro-
alternativen Autobahnstrecke über Łomża, die stre-
zent. 52 Prozent der polnischen Befragten sehen für
ckenweise fast deckungsgleich mit der schon vorhan-
die Zukunft keine Notwendigkeit, ihr bisheriges Ver-
denen Schnellstraße Nr. 61 ist, kein Naturschutzgebiet
halten beim Verbrauch von Energie zu ändern. Ander-
durchschneidet sowie ca. 40 km kürzer wäre als die
seits würden ebenfalls 52 Prozent Geld für Energie-
kontroverse Variante, wurde von offizieller Seite abge-
spargeräte ausgegeben und immerhin 38 Prozent
lehnt.
wünschen sich mehr Informationen und eine bessere
Aufklärung durch die polnische Regierung über die
Nachdem die polnische Regierung das ihr gestellte
Folgen des Klimawandels. Mit diesem Wunsch ist Polen
Ultimatum der Europäischen Kommission ignorierte,
führend unter den EU-Mitgliedsstaaten.
die Genehmigung für den Bau der Umgehungsstrecke
um die Stadt Augustów binnen einer Woche zurück-
Politisch wird befürchtet, dass sich die Klimaschutz-
zuziehen, reichte die Kommission am 20. März Klage
politik zum Nachteil von Polens Entwicklung auswirkt,
gegen Polen beim Gerichtshof der Europäischen Ge-
wie zum Beispiel im Fall der Entscheidung über die
meinschaften in Brüssel ein mit der Begründung, dass
jährliche Zuteilungsmenge der Emissionsberechtigun-
die Entscheidung der polnischen Regierung nicht kon-
gen. Polen als drittgrößter CO2-Emittent in der Euro-
form mit den EU-Regelungen sei und Umweltschäden
päischen Union forderte ursprünglich Zertifikate für
solchen Ausmaßes nicht kompensiert werden könnten.
284,6 Millionen Tonnen, diese wurden jedoch auf dem
Im Falle einer Niederlage vor dem Gerichtshof drohen
EU-Frühjahrsgipfel im März 2007 auf 208,5 Millionen
Polen Bußgelder in Millionenhöhe sowie der Verlust
Tonnen festgesetzt, was die polnische Regierung
der versprochenen Zuschüsse für den Bau der Auto-
heftig kritisierte, weil man dadurch negative Auswir-
bahn.
28
Am 20. Mai fand zeitgleich mit außerordentlichen
kehrsanbindung für die wirtschaftliche Zukunft Polens
Kommunalwahlen in der Wojewodschaft Podlasie ein
unterstrich. Im Auslandsdienst des polnischen Rund-
Referendum statt, in dem die Bevölkerung über den
funks sagte er: „Es gibt keine Gründe, hier nicht zu
Verlauf der geplanten Umgehungsstraße abstimmen
bauen. Die Einwände sind alle konstruiert, aber wenn
konnte. Das Referendum hatte die Regierungspartei
wir uns ihnen anschließen, dann erklären wir uns ein-
Recht und Gerechtigkeit PiS auf den Weg gebracht,
verstanden damit, unsere Chancen nicht zu nutzen.”
die die dafür notwendigen 50.000 Unterschriften in
der Region sammelte. 90 Prozent der Teilnehmer an
Da allerdings nur 20 anstatt der benötigten 30 Prozent
dem Referendum stimmten dem geplanten Bau der
der Wahlberechtigten an dem Referendum teilnah-
„Via Baltica” durch das Rospuda-Tal zu, vor allem um
men, hat das Referendum keine Gültigkeit. Auch bei
eine schnellstmögliche Entlastung des innerstädti-
Erreichen des Quorums hätte es jedoch keine bin-
schen Straßenverkehrs zu erreichen, der eine große
dende Wirkung gehabt. Die endgültige Entscheidung
Belastung und Gefahrenquelle für die Bevölkerung
durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs über
darstellt. Sie unterstützten damit Premierminister
den Bau der Teilstrecke steht noch aus.
Jarosław Kaczyński (PiS), der die Bedeutung der Ver-
D I E B A LT I S C H E N L Ä N D E R : E S T L A N D, L E TT L A N D
U N D L I TA U E N – D I E E N E R G I E A B H Ä N G I G K E I T V O N
RUSSLAND STEHT IM VORDERGRUND
Andreas von Below
langfristige Auswirkungen auf Wasserqualität und Ökosysteme abzuschätzen. Ebenso sollen Anpassungs-
KLIMAWANDEL WIRD NICHT ALS
strategien und Maßnahmen zum Erhalt des Ökogleich-
VORDRINGLICHES PROBLEM GESEHEN
gewichts entwickelt werden. Im Interview mit einer
Expertin des lettischen Umweltministeriums sind die
Das Thema des Klimawandels und dessen Folgen ge-
Hauptgesichtspunkte zusammengefasst: Der Klima-
winnt in den Baltischen Ländern Estland, Lettland und
wandel wird wahrscheinlich marine hydrodynamische
Litauen erst nach und nach mehr Aufmerksamkeit. Es
und littorale Faktoren beeinflussen (z.B. Wellenforma-
steht aber eindeutig nicht an der vorderster Stelle der
tion, Meeresspiegel, Schlickbewegungen). Dies ist
politischen Agenda. Vielmehr hat die Verbesserung der
von besonderer Wichtigkeit, da mehr als die Hälfte der
ökonomischen Situation durch kräftiges Wirtschafts-
Bevölkerung Lettlands in Küstennähe lebt. Der Klima-
wachstum bei den meisten Bürgern und bei den politi-
wandel würde außerdem den Salzhaushalt der Ostsee
schen Akteuren eindeutige Priorität. Es wird eine An-
beeinflussen. Abwasser- und Regenwasserkanalisatio-
gleichung der Lebensverhältnisse an das hohe Niveau
nen könnten durch heftige Regenfälle, Hochwässer
Westeuropas angestrebt. Darüber hinaus spielt die
und erhöhte Grundwasserspiegel sehr viel regelmäßi-
Frage der Energiesicherheit vor dem Hintergrund der
ger überlaufen. Diese Probleme wiederum könnten
sehr starken Anhängigkeit der Energielieferungen von
dazu führen, dass Abwasser unbehandelt in Flüsse und
Russland eine weit größere Rolle als die Frage des
Seen abläuft. Außerdem könnten Wohnhäuser und
Klimaschutzes.
Verkehrswege gefährdet sein. Die Wasserversorgung
durch Oberflächengewässer und oberflächennahes
K L I M A W A N D E L I S T E I N T H E M A F Ü R E X P E RT E N
Grundwasser könnte vom Klimawandel aufgrund möglicher Überflutungen bzw. Trockenperioden besonders
Die Problematik des Klimawandels wird überwiegend
betroffen sein. Dies würde insbesondere die dicht be-
von Experten, einigen aktiven Nichtregierungsorgani-
siedelte Hauptstadt Riga betreffen, die zum Teil durch
sationen und einen kleinem Kreis von engagierten
Oberflächenwasser versorgt wird. Die Trinkwasser-
Politikern diskutiert. Beispielhaft sei eine Zusammen-
versorgung aus tiefem Grundwasser, der häufigsten
fassung von lettischen Experten erwähnt, die sich aus
Trinkwasserquelle in Lettland, wird hingegen weniger
einem staatlichen Forschungsprogramm zur Abschät-
vom Klimawandel beeinflußt werden.
zung der Klimawandels für Lettland ergeben: Man
bemüht sich dabei, kurzfristige, mittefristige sowie
29
experten stimmen der Ansicht der UN-Experten zu,
dass es nicht genug sei, nur 1 Prozent des globalen
BIP in den Klimaschutz zu investieren. Nötig seien
vielmehr Investitionen in Höhe von 5 Prozent des globalen BIP.
Die litauischen Klimaforscher und Finanzexperten schließen sich der Ansicht Sir Nicholas Sterns an, dass der
Prozess des Klimawandels in einer rasanten Geschwindigkeit verlaufe, gefährlich sei und die nötigen Maßnahmen möglichst schnell eingeleitet werden müssten.
Allerdings gibt es bisher nur wenige Projekte und Gesetzesinitiativen zur Schadstoffreduzierung der Luft, die
über die von der EU geforderten Standards hinausgehen.
Die starke Abhängigkeit von Energielieferungen aus Russland
spielt in der öffentlichen Wahrnehmung eine größere Rolle
als der Klimawandel.
Immerhin wurde Mitte Mai 2007 mit Unterstützung der
EU in Riga unter Anwesenheit des EU-Kommissars für
Energie, des Letten Andris Piebalgs, die erste lettische
Energieagentur eingerichtet, mit deren Hilfe eine Verbesserung der Energieeffizienz bei öffentlichen und privaten
Im Mai 2007 hat das litauische Institut für Ökologie
Energieverbrauchern erzielt werden soll.
die erste Studie zu den potentiellen Folgen des Klimawandels für Litauen vorgelegt. Eine Veränderung der
U M W E LT B E W U S S T S E I N W Ä C H S T E R S T L A N G S A M
Temperatur lässt sich vor allem im Winter feststellen.
Die mittlere Jahrestemperatur ist im Rahmen der zwei
Für das Bewusstsein der breiten Bevölkerungsschich-
letzten Jahrzehnten um 0,6 Grad angestiegen, und
ten ist eine Umfrage von Interesse, die in diesem Jahr
die Temperatur während der kalten Jahreszeit – um
in Litauen durchgeführt wurde. Aus ihr geht hervor,
1,0 Grad. Darüber hinaus gibt es im Winter mehr
dass sich die überwiegende Mehrheit kaum für Um-
Niederschläge, hingegen sind die Niederschläge im
weltprobleme und den Klimawandel interessiert. Weni-
Sommer geringer geworden. Die reale Gefahr einer
ger als 6 Prozent der litauischen Bevölkerung zeigen
Erhöhung des Wasserstandes und damit einhergehend
nach dieser Umfrage Interesse an Unweltschutzthe-
die Gefahr einer Küstenerosion steht auch in dieser
men. Die Eltern veranlassen etwa ihre Kinder in der
Studie im Vordergrund.
Regel nicht dazu, sich für Umwelt- und Klimaschutz
zu interessieren. Nicht nur der älteren Generation
Einige estnische Wissenschaftler können der Erwär-
sondern auch der Jugend fehlt das Grundwissen zum
mung aber durchaus auch positive Seiten abgewinnen.
Unweltschutz, zu umweltfreundlichen Industrie etc.
So erhofft man sich in diesem nördlichen Land Einspa-
Aus diesem Grund wurden erstmals in Litauen Initiati-
rungen bei den Heizkosten und bessere Ernten durch
ven zur Umweltbildung von Kindern und Jugendlichen
eine Verlängerung der Vegetationszeiten.
gestartet. Ende Mai 2007 wurde in den litauischen Schulen erstmalig ein Umweltprojekt durchgeführt, mit dem
REAKTIONEN AUF DEN STERN-BERICHT
Ziel, die Grundsätze der nachhaltigen Entwicklung vorzustellen sowie die Schüler zu veranlassen, die Umwelt
Was den Bericht der britischen Regierungsberaters
zu schützen und einen Beitrag zur Verbesserung von
Sir Nicholas Stern und die veröffentlichten Teile des
Umweltwissen zu leisten. Die Träger dieses Projektes
IPCC-Berichts anbetrifft, so werden die Ergebnisse
waren das Umweltministerium, das Ministerium für
unterschiedlich gewertet. Bezüglich des Stern-Reports
Bildung und Wissenschaft sowie die litauische Indus-
heben die Wirtschaftsexperten des litauischen „Insti-
trieinitiative „die Grüne Generation”.
tuts des Freien Marktes” hervor, dass es sich hier um
eine quantitative Analyse handelt, bei der aber nur
Ein ähnliches Bild ergibt sich auch in den Ländern
die ungefähren Angaben, Zahlen etc. vorgelegt werden.
Estland und Lettland, auch wenn hier in den Schulen
Kritisiert wird besonders, dass trotz der Ungenauigkeit
schon mehr Umweltbildung etabliert ist. Die Folgen
der Analyse exakte Zahlen bei den Ausgaben für den
des Klimawandels werden von der breiten Bevölkerung
Klimaschutz genannt werden. Die Wirtschaftsexperten
noch nicht als bedrohlich wahrgenommen. Allerdings
des „Instituts des Freien Marktes” kritisieren den Vor-
wird gerade in jüngster Zeit das Thema in den Medien
schlag von Stern, 1 Prozent des globalen BIP heute
verstärkt aufgegriffen und auf die akuten und langfris-
in den Klimaschutz zu investieren, um in der Zukunft
tigen Gefahren hingewiesen.
die Aufzehrung von 20 Prozent des globalen BIP durch
die Klimaerwärmung zu vermeiden. Die Wirtschafts-
30
TSCHECHISCHE REPUBLIK:
PRÄSIDENT KLAUS STREITET KLIMAWANDEL AB
Dr. Stefan Gehrold | Anne Klemm
Die tschechischen Grünen äußerten sich als bisher einzige Regierungspartei konkret zum Thema. Der Partei-
Der öffentliche Diskurs um den Klimawandel kommt in
vorsitzende der Grünen, Umweltminister Martin Bursik,
Tschechien nur langsam ins Rollen. Zwar kommt das
vertritt dabei eine andere Meinung als Staatspräsident
Thema nicht erst jetzt auf die Tagesordnung, die Öffent-
Klaus: Während dieser die IPCC-Bericht vom Februar
lichkeit hat sich mit der Klimadebatte bisher eher nur am
und April 2007 für unglaubwürdig hält, sieht Bursik ihn
Rande beschäftigt. Laut Eurobarometer sind Umweltthe-
als längst überfällige Bestätigung seines Kampfes ge-
men für 85 Prozent der EU-Bürger genauso wichtig wie
gen den Klimawandel. Er sieht darin auch die Chance
ökonomische oder soziale Themen. Anders die Gewich-
für Tschechien, sich aktiver in der EU einzubringen und
tung in Tschechien: Eine aktuelle Umfrage der Tsche-
dort für gemeinsame ökologische Interessen einzuste-
chischen Akademie der Wissenschaften zum Thema kam
hen. In den letzten zwei Jahren steigt seiner Meinung
zu folgenden Ergebnissen: Auf die Frage „Wovor haben
nach auch in Tschechien wieder das Interesse an Um-
Sie Angst?” führten 27 Prozent der Befragten Arbeits-
weltthemen. Das ist nicht unwichtig. Denn auch Bursik
losigkeit und Krankheit auf. Vor einer Verschlechterung
weiß: Zur Umsetzung seiner Politik benötigt er die
der Umweltbedingungen fürchten sich hingegen nur zwei
Unterstützung der breiten Öffentlichkeit.
Prozent. Die gute wirtschaftliche Entwicklung und die
Modernisierung sind die vorherrschenden Themen.
Welche Rahmenbedingungen bestimmen die tschechische Diskussion? Die Wirtschaftstransformation hält
Z U M I N N E RT S C H E C H I S C H E N D I S K U R S :
nach wie vor an. Daher ändert sich die Struktur der
KLAUS GEGEN BURSIK
Energieversorgung fortwährend, die Laufzeit der Kraftwerke in Nordböhmen geht zu Ende, die Industrie wird
Den bisher am meisten beachteten Beitrag zur Klima-
modernisiert. Die Chance, im Zuge der Modernisierung
debatte lieferte niemand anders als Staatspräsident
gleichzeitig auch die Umweltbedingungen zu verbes-
Vaclav Klaus. In seinem Buch „Der blaue und nicht der
sern, muß nach Ansicht von Umweltminister Bursik
grüne Planet” streitet der Präsident die fortschreitende
jetzt ergriffen werden. Themen, die bisher stark ver-
Erderwärmung als Problem rundweg ab und bewirbt
nachlässigt wurden – wie etwa erneuerbare Energie-
auf Großflächenplakaten die Publikation vielmehr mit
quellen oder alternative Treibstoffe – seien ernsthaft
der Frage: „Was ist bedroht? Unsere Freiheit oder die
zu diskutieren. Bereiche, die nicht nur aus Sicht des
Umwelt?”. Dafür wird er von Umweltschützern und den
Umweltschutzes wichtig sind, sondern auch Zukunfts-
den tschechischen Grünen kritisiert. Laut Klaus miss-
märkte für die Wirtschaft erschließen können, böten
brauchten Politiker und „Öko-Extremisten” die Klima-
die Möglichkeit, Tschechien zunehmend von Energie-
debatte nur zur Eigenprofilierung. „Global Warming” sei
importen unabhängig machen.
ein Mythos und ein ihn beunruhigendes „Modethema”,
keinesfalls aber ein akutes Problem. Er beruft sich auf
Den wirklich großen Wurf wollen die Grünen aber im
gegenteilige Darstellungen von Wissenschaftlern, die
Bereich der Steuerpolitik erzielen. „Unser Flaggschiff
den Klimawandel abstreiten, etwa auf den Autor des
ist und bleibt die ökologische Steuerreform. Wir wollen
Buches „The skeptical Environmentalist”, Björn Llom-
Mindeststeuersätze für die Verwertung fossiler Ener-
borg. Erderwärmung, so die gemeinsame These, gab
gieträger einführen”, so Bursik. Gleichzeitig soll eine
es schon immer. Wenn sich seit Mitte des 19. Jahrhun-
neue CO2-Steuer eingeführt werden. Tschechische Um-
derts die Erde um 0,6 Grad erwärmt habe, dann sei das
weltschützer betrachten die grünen Pläne jedoch mit
recht wenig. Und es sei längst nicht wissenschaftlich
einer gehörigen Portion Skepsis. Die politischen Ver-
erwiesen, daß der Mensch daran schuld sei. Das Klima
hältnisse (nur zwei Stimmen Mehrheit für die Regie-
ändere sich immer. Es sei daher nicht sinnvoll, dagegen
rung im Parlament) würden die Umsetzung der Pläne
anzukämpfen und dafür Milliarden auszugeben.
zusätzlich erschweren.
Es ist nicht leicht zu beantworten, ob dies lediglich die
U M W E LTT H E M A B E S TA N D T E I L D E R „ S A M T E N E N
Haltung politischer Einzelgänger ist oder ein geringes
REVOLUTION”
Umweltbewusstsein der Bevölkerung widerspiegelt.
Auch zum bereits im Oktober 2006 veröffentlichten
Die Prager Sektion von Greenpeace ist ebenfalls der
Stern-Bericht gab es kaum Reaktionen. Er wurde
Meinung, dass im Land das Ökologiebewusstsein in
lediglich in diversen Zeitungsberichten erwähnt.
den letzten Jahren stark zugenommen hat. Allerdings
rangierten 1989, als das kommunistische Regime
gestürzt wurde, Umweltthemen von der Wertigkeit
her noch im Spitzenfeld, so Karel Dolejsi, Sprecher von
Greenpeace Prag. Mehr noch: Der desolate Zustand
ganzer Landstriche sei damals sogar eines der wichtigsten Argumente gegen die Politik der kommunistischen Machthaber gewesen.
Seither wendete sich Vieles zum Besseren. Augenfällig
etwa die Situation in Nordböhmen, wo die Umwelt
durch Braunkohlekraftwerke und die chemische Industrie viel stärker belastet war als heute. Die Schwefeldi-
In den mittel- und osteuropäischen Staaten hat
der wirtschaftliche Aufholprozess Vorrang gegenüber
Klima- und Umweltschutz.
oxid-Emissionen von Kraftwerken sind weit geringer,
aus den Fabriken gelangen erheblich weniger Chemikalien in die Umwelt als noch vor 1990. Dennoch zahlt
lichkeit und – so wörtlich – das Geld stehen müssten.
die Umwelt nach wie vor den Preis des Fortschritts:
Einwürfe des Direktors der tschechischen Energieagen-
Dass etwa die Landschaft durch den intensiven Ausbau
tur Jan Bubenik, dass Umweltschutz durchaus auch
von Autobahnen zerstört würde, gälte heute kaum
wirtschaftlich sein könnte, riefen den Spott der Klima-
mehr als Problem, so Dolejsi.
schutzgegner hervor. Unverständlich angesichts dieser
Kontroverse das Schweigen des früheren Umweltminis-
DENKWÜRDIGES BEIM ENERGIE- UND
ters und derzeitigen Vorsitzenden des Umweltausschus-
U M W E LT F O R U M D E R A D E N A U E R- S T I F T U N G
ses im tschechischen Parlament, Libor Ambrozek von
den Christdemokraten (KDU-CSL). So war es bezeich-
Die „Krusovicer Gespräche”, das Jahreswirtschaftsforum
nenderweise zum Schluss der Vertreter des deutschen
der KAS Prag, widmete sich im April 2007 der Energie-
Energieversorgers E.on, Magnus Brandau, der die Be-
und Umweltproblematik. Die Diskussion verlief aus der
deutung des Themas Umweltschutz als Teil der Firmen-
Sicht eines externen Beobachters teilweise abstrus: Der
strategie unterstrich.
Staatssekretär im Präsidialamt, Ladislav Jakl, bestritt in
einem denkwürdigen Beitrag, dass die gesamte Termi-
Der Umwelt- und Klimaschutz hat es schwer in Tsche-
nologie (z.B. „alternative Energien”) sachgerecht wäre.
chien. Das Thema hat die Tschechen noch lange nicht
Die irreführende Terminologie würde mit Absicht ge-
erreicht, abgesehen von einer kleinen, städtischen
wählt, um zu verschleiern, dass es beim Thema Klima-
Elite. Als Reaktion auf das Buch von Staatspräsident
schutz in Wirklichkeit um reine Ideologie ging. Andere
Klaus kündigte Greenpeace einen fiktiven Fortsetzungs-
Beiträge, wie der des Energieexperten der Prager Wirt-
band des präsidialen Werkes an: „Der flache, und nicht
schaftsuniversität Zajicek, wiederholten gebetsmühlen-
der runde Planet”, so der Titel.
artig, dass im Zentrum aller Überlegungen Wirtschaft-
BOSNIEN UND HERZEGOWINA: KOMPLEXER
S TA AT S A U F B A U E R S C H W E RT K L I M A S C H U T Z
Christina Catherine Krause | Alma Subasic
wird auch die Klimapolitik des Landes durch unklare Zuständigkeiten erschwert. So wurde das Kyoto-Protokoll
Auch wenn das Thema Klimawandel die breite Öffent-
erst am 15. Mai 2007 unterzeichnet; die Ratifizierung
lichkeit in Bosnien und Herzegowina noch nicht erreicht
durch das Parlament steht noch aus.
hat, haben Experten eine signifikante Veränderung des
Wetters auch hier festgestellt. Weitgehend unbekannt
1. WIE VERLÄUF T DER DISKURS ZUM KLIMA-
für die Bevölkerung ist, dass sich die zuständigen Mi-
WANDEL IN BOSNIEN UND HERZEGOWINA?
nisterien mit Aktionsplänen an Vorhaben für eine Stabilisierung des Klimas einsetzen. Doch aufgrund des
Der Diskurs um den Klimawandel wird kaum in der
komplexen Staatsaufbaus, der sich in zwei Entitäten,
breiten Öffentlichkeit geführt. Zwar wurde allgemein
zehn Kantonen und einem Sonderdistrikt untergliedert,
bemerkt, dass das letzte Jahr zu heiß war und zu we-
32
nig Schnee brachte, doch Berichte in Tageszeitungen,
3. WELCHE REAKTIONEN GAB ES AUF DEN
Magazinen, in Radio und Fernsehen sind sehr selten
STERN-BERICHT SOWIE AUF DIE BEREITS
tiefgreifend. Klimawandel ist vielmehr bislang ein The-
V E R Ö F F E N T L I C H T E N T E I L E D E S I P C C- B E R I C H T S ?
ma für Spezialisten. Dazu gehören Wissenschaftler und
Vertreter des Nichtregierungssektors. Allgemeine und
Besorgte Reaktionen gab es aus den Reihen der we-
landesspezifische Informationen über klimatische Ver-
nigen Umweltaktivisten und Klimaexperten in Bosnien
änderungen werden in Spezialzeitschriften, die quar-
und Herzegowina. Doch diese fanden kaum Echo in
talsmäßig erscheinen, veröffentlicht und Diskussionen
den zentralen Medien.
über eine umweltfreundliche Wirtschaft in kleineren
Kreisen geführt.
4. WIE GEHT DIE POLITIK MIT DER
P R O B L E M AT I K U M ? W E R S I N D D I E A K T E U R E ?
Folgende Daten stehen für den Klimawandel in Bosnien
und Herzegowina:
Bosnien und Herzegowina ist einer von 189 Staaten,
die die UN-Rahmenkonvention über den Klimawandel
Bosnien und Herzegowina liegt am Schnittpunkt von
(UNFCCC) unterzeichnet haben. Der Vertrag wurde im
drei Hauptklimazonen: der mediterranen, mittelkonti-
Jahr 2000 unterzeichnet. Vorteile, die dem Land aus
nentalen und kontinentalen. Daher zeichnet sich das
der Konvention und dem Kyoto-Protokoll entstehen,
Wetter durch häufige gravierende Schwankungen
werden kaum genutzt.
aus. Dennoch macht sich auch hier ein Klimawandel
bemerkbar und kann statistisch belegt werden:
Aufgrund des komplexen Staatsaufbaus und der limitierten Zuständigkeiten des Gesamtstaates wird das
■
■
■
■
Die Dekade 1996–2005 gilt als die wärmste in den
Thema des Klimawandels kaum auf Staatsniveau be-
letzten 50 Jahren;
handelt. Zwar wäre das Ministerium für Außenhandel
Drei Jahre dieser Dekade wurden als die wärmsten
und Wirtschaft auch für Fragen des Umweltschutzes
seit dem Jahr 1888 identifiziert;
auf Gesamtstaatsebene federführend, doch halten
Die Durchschnittstemperaturen erreichen Höchstwerte.
die zwei Entitäten des Landes, die Föderation Bosnien-
In der letzten Dekade wurden über 100 Rekordwerte
Herzegowina (FBuH) und die Republika Srpska (RS)
festgestellt. Mehr als ein Drittel dieser Werte gelten
an ihrer Zuständigkeit fest und arbeiten weitgehend
sogar als neue Jahrhundertrekorde in der Region;
getrennt an der Umsetzung der Bestimmungen der
Ein Temperaturanstieg von 2–3 Grad wird in Bosnien
Rahmenkonvention.
und Herzegowina innerhalb der nächsten
10–20 Jahren erwartet;
■
So wurde kürzlich die „Umweltschutz Strategie der
Die Menge der Niederschläge schwankt extrem in
FBuH” initiiert, die einen Arbeitsplan für die nächsten
kurzen Intervallen.
zehn Jahre vorsieht und Zuständigkeiten definiert. Für
die Vorbereitung der Strategie war die Firma Bosna-S
2. WELCHE FOLGEN DES KLIMAWANDELS
Consulting tätig. In der FBuH fehlt es jedoch an einer
WERDEN ALS AKUTE PROBLEME GESEHEN?
Strategie für den Energieverbrauch. Zwar wurde im
Januar 2005 ein „Plan für den Aufbau neuer leistungs-
Für Bosnien und Herzegowina stehen grundlegende
fähiger elektroenergetischer Kapazitäten in der FBuH”
Fragen wie die der Reform der Staatsstrukturen und
angenommen, doch dieses Dokument enthält keine
des Wirtschaftsaufbaus im Vordergrund. Bei einer ge-
Hinweise auf Modelle der Energiesparsamkeit. Zurzeit
schätzten Arbeitslosigkeit von 45 Prozent und einer
werden in der FBuH 57 Prozent der elektrischen Ener-
entsprechend hohen Armutsziffer, sind die Folgen des
gie aus Wärmekraftwerken und 43 Prozent aus Was-
Krieges als auch des Systemwandels überragend. So
serkraftwerken gewonnen.
wird der Klimawandel noch nicht als Belastung bemerkt.
Die Chancen, die dem Land aus dem Handel mit Emissi-
In der Republika Srpska (RS) beschäftigt sich das
onslizenzen entstehen, werden kaum wahrgenommen.
Umweltministerium mit Fragen des Klimaschutzes.
Eine Strategie für den Energieverbrauch gibt es noch
Im Jahre 1990 betrug die CO2-Emission in Bosnien und
nicht. 1998 wurde zwar eine „Entwicklungsstrategie
Herzegowina 30,7 Millionen Tonnen. 2004 nur noch
der Energetik in der RS im Zeitraum 1999–2010” an-
17,6 Millionen Tonnen. Dies drückt die Situation der
genommen, doch man konzentriert sich darin primär
Wirtschaft aus, in der Industriebetriebe brachliegen,
auf den Bedarf der Elektroindustrie der RS. Derzeit
der Privatisierungsprozess schleppend verläuft und
werden in der RS 45 Prozent der elektrischen Energie
sich das Investitionsklima aufgrund des gespaltenen
aus Wärmekraftwerken und 55 Prozent aus Wasser-
Wirtschaftsraumes kaum positiv entwickeln konnte. So
kraftwerken gewonnen.
geht der Verbrauch von fossilen Brennstoffen primär
von Privathaushalten aus.
33
Ernsthafte Überlegungen über eine zukünftige Deckung
gien vor dem Hintergrund des steigenden Bedarfs.
des Energiebedarfs und über umweltfreundliche und
Das Zentrum für Energie, Umwelt und Ressourcen
sparsame Methoden werden von den Regierungen
(CENER 21) in Sarajevo berät Städte in Bosnien und
Bosnien-Herzegowinas nicht angestellt. Weder für die
Herzegowina in Fragen der wachsenden Energieeffizienz
FBuH noch für die RS liegen Daten über die Nutzung
und setzt sich für die Vernetzung der Stadtverwaltun-
von erneuerbaren Energien vor. In diesem Bereich sind
gen in diesem Fragen ein. Doch auch dieses Projekt
vereinzelt Wissenschaftler, internationale Organisationen
leidet unter fehlender Unterstützung der Regierungen,
und lokale NROs tätig. Die Diskussion befindet sich
der schwerfälligen Verwaltung und dem Kompetenzge-
jedoch noch in einer Anfangsphase. UNDP, REC (The
rangel der Akteure. Derzeit wird am Ersten Nationalen
Regional Enviromental Center for Central and Eastern
Bericht über Klimawandel unter den UNFCCC-Bestim-
Europe) und SIDA (Swedish International Development
mungen gearbeitet, es wird sich dabei herausstellen,
Cooperation Agency) unterstützen Projekte für einen
ob die Zusammenarbeit zwischen den zwei Entitäten
sparsamen und umweltfreundlichen Umgang mit Ener-
ein professionelles Niveau erreichen kann.
R U M Ä N I E N : U M W E LT B E W U S S T S E I N S T E C K T N O C H
IN DEN KINDERSCHUHEN
Holger Dix | Lavinia Andrei
Wirbelwinde, Überschwemmungen, starke Winde usw.
gesehen. Diese alle verursachen Schäden wirtschaftli-
Rumäniens Diskurs zum Thema Klimawandel scheint
cher Art – durch Zerstörung der Infrastruktur (Wege,
erst zu beginnen. Ein umfassendes öffentliches Be-
Häuser, Stromleitungen usw.) – und greifen direkt in
wusstsein für die Ursachen und Folgen des Klimawan-
die persönlichen Lebensverhältnisse der betroffenen
dels besteht noch nicht. In den vergangenen drei bis
Menschen ein. Betroffen ist auch der Tourismussektor:
vier Jahren hat die Öffentlichkeit aber ein größeres
Schneelose Winter führen zu sinkenden Touristenzah-
Interesse für das Thema entwickelt, insbesondere in-
len in den Gebirgsgegenden und das unbeständige
folge der Überschwemmungen aus den Jahren 2005
Wetter in den Sommermonaten schadet der Schwarz-
und 2006 sowie der ab dem Herbst 2006 eingetrete-
meerküste als beliebtem Reiseziel. In der Landwirt-
nen Dürre, die vor allem Tourismus und Landwirtschaft
schaft wird insbesondere die anhaltende Trockenheit
beeinträchtigen. Die Massenmedien berichten relativ
zum Problem. Im Frühjahr 2007 waren im Süden und
regelmäßig über den Klimawandel, wobei eher die Fol-
Südosten Rumäniens 210.000 Hektar Ackerland von
gen als die Ursachen dargestellt werden. An den Uni-
einer Dürre betroffen. Angesichts fehlender oder de-
versitäten wird dieses Thema allmählich in die Lehrplä-
fekter Bewässerungssysteme werden hier erhebliche
ne aufgenommen sowie Gegenstand von wissenschaft-
Ernteausfällen erwartet.
lichen Abhandlungen. In der Forschung befassen sich
einzelne Fachinstitute damit, so z.B. die Landesverwal-
Thematisiert werden desweiteren die Veränderung der
tung für Meteorologie oder Forschungsinstitute für den
Vegetationsperioden, eine sich verstärkende Boden-
Agrarbereich. Die Ergebnisse ihrer Forschungen wer-
erosion, die Abnahme der Waldflächen und eine begin-
den meistens nicht veröffentlicht. Auch auf internatio-
nende Desertifikation im Süden Rumäniens. Im Bereich
nale Berichte gibt es kaum Reaktion. So wurden der
der Biodiversität wird eine beginnende Migration der
Bericht des britischen Ökonomen Sir Nicholas Stern
Arten in Richtung Norden beobachtet.
überhaupt nicht und der IPCC-Bericht nur sehr vage
bekannt gemacht. Allmählich gewinnt der Klimawech-
Studien über notwendige Reaktionen auf den Klima-
sel allerdings Bedeutung als ein vermarktbares Thema.
wandel fehlen, obwohl hier bereits konkreter Bedarf
So greifen Unternehmen das „Mode-Thema” Klima-
besteht. So musste etwa das Kernkraftwerk Cernavodă
wechsel auf und laden zu Veranstaltungen, die sich
im Jahr 2003 vorübergehend stillgelegt werden, weil
mit ökologischen Themen beschäftigen.
es durch die niedrige Wasserführung der Donau am
nötigen Kühlwasser fehlte. Trotzdem werden die Arbei-
Die akutesten Folgen des Klimawandels werden in den
ten beim KKW Cernavodă fortgesetzt, um Block 2
meteorologischen und hydrologischen Erscheinungen
in Betrieb zu setzen. Gebaut werden sollen auch die
sowie in den extremen Erscheinungen – tornadoartige
Blöcke 3 und 4.
34
Die politischen Entscheidungsträger behandeln den Kli-
Einen wichtigen Beitrag zur Förderung des Bewußt-
mawandel und seine Folgen eher am Rande. Politische
seins in der Öffentlichkeit leisten Nichtregierungsorga-
Parteien, die sich ökologischen Fragen besonders wid-
nisationen (NRO), beispielsweise durch Bildungsmaß-
men, gibt es in Rumänien nicht. Aus dem Parlament
nahmen in Schulen sowie durch Aufklärungsprogram-
kommen keine wesentlichen Initiativen zu diesem The-
me oder -kampagnen. Immer mehr Umwelt-NROs
ma. Auf Regierungsebene wurde die Nationale Strate-
haben sich in den letzten Jahren mit dieser Problema-
gie Rumäniens betreffend den Klimawandel 2005–2007
tik beschäftigt, was zur Gründung eines Netzwerks
erstellt, deren Implementierung durch den Nationalen
(„Netzwerk für das Klima”) geführt hat, dem inzwi-
Aktionsplan für Klimawandel 2005–2007 unter der
schen zehn NRO angehören.
Koordinierung des Umweltministeriums erfolgt.
Umwelt-NROs haben Arbeitsgruppen zu den Themen
Das Umweltminister selbst verfügt zur Implementie-
Energie, Transport und Landwirtschaft gegründet, die
rung der Gesetzgebung nur über relativ wenig Personal.
jeweils landesweit oder auf örtlicher Ebene Informati-
Insgesamt wird der Problematik innerhalb des Regie-
ons- und Aufklärungskampagnen zu den betreffenden
rungskabinetts zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt.
Themen durchführen. Zu den wichtigsten dieser NROs
Ein aktuelles Beispiel hierfür ist die Energiestrategie
gehören Infoterra Romania – eine selbständige NRO,
Rumäniens, die vom rumänischen Wirtschafts- und
die im Umweltministerium untergebracht ist und einen
Finanzministeriums entwickelt wurde, ohne die von
Informationsknotenpunkt für Umweltfragen bildet, so-
der EU vorgeschlagenen Maßnahmen zur Reduzierung
wie Terra Mileniul III, die unter anderem das regionale
der Treibhausgase zu enthalten. Ähnlich verhält es
Netzwerk „Climate Action Network Central and Eastern
bei den Strategien für die Bereiche Landwirtschaft und
Europe” koordiniert.
Transportwesen.
UKRAINE: TROTZ TSCHERNOBYL NUR GERINGES
U M W E LT B E W U S S T S E I N
Nico Lange | Igor Plaschkin
POLITISCHE UND ZIVILGESELLSCHAFTLICHE
AKTEURE
UKRAINE: TROTZ TSCHERNOBYL NUR
G E R I N G E S U M W E LT B E W U S S T S E I N
Im Jahre 1990 nahm die Ukraine den zehnten Platz im
Ranking der größten Treibhausgas-Emittenten der Welt
Das Problemfeld des Klimawandels nimmt im politi-
ein, hinter den USA, Japan, Deutschland, Kanada und
schen und öffentlichen Diskurs der Ukraine nur eine
anderen hochindustrialisierten Ländern. Bereits 1992
randständige Position ein. Sowohl die Berichterstattung
schloss sich die Ukraine der UNO-Rahmenkonvention
in den Medien als auch die offizielle staatliche Informa-
zum Klimawandel an, die erst 1996 vom ukrainischen
tionsarbeit zum Thema erfolgen sporadisch und meist
Parlament ratifiziert wurde. Gemäß dieser Konvention
nur im Zusammenhang mit Naturkatastrophen. Im
verpflichtete sich die Ukraine, dem Konventionssekreta-
Land der größten anthropogenen Katastrophe der Neu-
riat jährlich einen Bericht über Treibhausgasemissionen
zeit ist das Umweltbewusstsein nach wie vor schwach
und -absorptionen und die Besonderheiten des natio-
ausgeprägt und das alte sowjetische Verständnis der
nalen Klimawandels vorzulegen. Die zuständige Institu-
Naturausbeutung vorherrschend. Die internationalen
tion ist das ukrainische Ministerium für Umweltschutz.
Verpflichtungen im Rahmen des Kyoto-Protokolls zwingen die Ukraine jedoch, ihre Treibhausgas-Emissionen
In der ukrainischen Zivilgesellschaft schlossen sich
zu reduzieren. Dadurch tritt der internationale Handel
Umweltgruppen und Nichtregierungsorganisationen
mit so genannten Emissionsquoten in den Vordergrund
zu einem organisationsübergreifenden Arbeitskreis
ukrainischer Umweltpolitik. Die wirtschaftlichen Anreize
zum Thema Klimawandel zusammen, dessen Tätigkeit
des Kyoto-Protokolls führen in Ansätzen zum Umden-
aber bisher kaum öffentlichkeitswirksamen Charakter
ken in der ukrainischen Politik.
entfalten konnte. Ihre Aufgabe sehen die Vertreter der
35
Zivilgesellschaft vorrangig in der Mitwirkung an den
offiziellen Jahresberichten zum Klimawandel und
Einflussversuchen auf diesbezügliche staatliche Politik.
Paradoxerweise gibt es in dem Land, das durch den
Tschernobyl-GAU zu einem Symbol der vom Menschen
ausgelösten Umweltkatastrophen geworden ist, weder
eine konsolidierte grüne Bewegung noch klar formulierte umweltpolitische Programmatik in den politischen Parteien. Die ukrainische Partei der Grünen
schaffte nur einmal 1998 den Sprung ins Parlament
und ist seitdem wieder bedeutungslos. Die etablierten
politischen Parteien beschäftigen sich zwar aktuell intensiver mit Themen wie erneuerbaren Energien und
Energieeffizienz, praktische Schritte für Reformen
Die Ruine des Atomreaktors von Tschernobyl.
auf diesem Gebiet oder zur Einführung wirkungsvoller
Kontrollmechanismen im Bereich des Umweltschutzes
gibt es jedoch nicht.
Die Berichterstattung zum Problemfeld des Klimawandels in den ukrainischen Medien erfolgt sporadisch und
In der Ukraine ist fast jeder Lebensbereich, Trink- und
oberflächlich, meist lediglich im Zusammenhang mit
Flusswasser, Luft und Boden extrem stark belastet.
Berichten über Naturkatastrophen. Die Ergebnisse des
So beträgt beispielsweise die Emission von Schad-
IPCC-Berichtes wurden nur in sehr wenigen Zeitungen
stoffen in Kiew 10,1 Tonnen pro Quadratmeter Stadt-
und Zeitschriften in verkürzter Form wiedergegeben.
fläche pro Jahr. Im Donbass, dem Rückgrat der ukrai-
Abgesehen von schwach besuchten Internetseiten von
nischen Wirtschaft, liegt diese Zahl um das 1,5-fache
Umweltorganisationen blieb das Dokument in der brei-
höher. Der Gehalt von Stickstoffdioxid in der Luft
ten ukrainischen Öffentlichkeit unbeachtet und ver-
der ukrainischen Hauptstadt übersteigt die für die
mochte es nicht, signifikante gesellschaftliche Diskus-
menschliche Gesundheit erträgliche Norm um das
sionen anzustoßen.
2,5-fache.
D U R C H W I RT S C H A F T L I C H E A N R E I Z E Z U E I N E R
Dass die Diskussion über die Umweltthematik in der
A U S G E W O G E R E N U M W E LT P O L I T I K ?
Ukraine nur am Rande stattfindet, ist im Wesentlichen
auf ein in der ukrainischen Bevölkerung nur schwach
Die wirtschaftlichen Vorteile, die die Ukraine im Rah-
ausgeprägtes Umweltbewusstsein zurückzuführen,
men des Kyoto-Protokolls vom internationalen Handel
das seinerseits durch die langjährige Ausbeutung der
mit Treibhausgas-Emissionsquoten gewinnen kann,
Natur in der Ex-Sowjetunion und die dadurch gepräg-
lassen die ukrainische Regierung über die Programme
ten Verbrauchermentalität zu erklären ist.
zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen intensiver nachdenken. Für die Ukraine eröffnet der Handel
D E R K L I M A W A N D E L G E F Ä H R D E T N AT I O N A L E
mit Emissionsquoten eine attraktive und relativ pro-
INTERESSEN
blemlose Einnahmequelle: der starke Abbau von Emissionen in der Ukraine durch Produktionssenkung und
Das aktuelle öffentliche Meinungsbild der Ukrainer zum
teilweise Schließungen in der Kohlenindustrie machen
Klimawandel zeigt jedoch Ansätze der Veränderung:
dieses Land zu einem der attraktivsten auf diesem
67 Prozent der befragten Ukrainer glauben, dass die
sich rasch entwickelnden Markt. Nach Einschätzungen
globale Klimaerwärmung eine Gefahr für nationale
von Experten könnte der Quotenverkauf ab 2008 den
Interessen darstellt. Die Dringlichkeit dieses Problems
ukrainischen Haushalt jährlich um knapp 2 Mrd. Euro
wird allerdings unterschiedlich eingestuft. 37 Prozent
bereichern.
der Befragten meinen, da die globale Klimaerwärmung
erst allmählich auftrete, sollten auch entsprechende
Eine weitere Einkommensquelle im Rahmen der
Maßnahmen nur schrittweise und ohne erhebliche
Regelungen des Kyoto-Protokolls bilden Investitionen
Haushaltsausgaben ergriffen werden. Weitere 30 Pro-
industriell hoch entwickelter Länder in emissionsein-
zent sprechen sich für sofortige Maßnahmen aus. Etwa
dämmende Projekte in der Ukraine, die dann wieder-
14 Prozent sind der Auffassung, dass das Problem nur
um mit den erteilten Gutschriften gemäß dem EU-
dann gelöst werden muss, wenn es zu einem „wirk-
Emissionshandelssystem in Emissionsberechtigungen
lichen Problem” wird.
umgewandelt werden können. Auf diese Weise könn-
36
ten Projekte zum Abbau von Treibhausgasemissionen
unterzeichnet. Das Dokument zielt auf die gemeinsa-
als Gegenleistung für die Übergabe von Emissions-
me Umsetzung des Kyoto-Protokolls ab und sieht Pro-
quoten in der Ukraine zur längst überfälligen Moderni-
jekte zum Abbau von Treibhausgasemissionen und die
sierung der ukrainischen Wirtschaft und zur Steigerung
Entwicklung von Investitionsmechanismen vor. Diese
der Energieeffizienz beitragen.
Absichtserklärung stellt eine Liste möglicher gemeinsamer Investitionsprojekte und potentieller Käufer von
Die Haupthindernisse zur Umsetzung des Kyoto-
Emissionsquoten dar. Kurz darauf wurde im März 2007
Protokolls bleiben nach Meinung einer internationa-
ein Regierungsabkommen zur Umsetzung gemeinsamer
len Expertengruppe, die im Frühjahr diesen Jahres
Investitionsprojekte im Rahmen des Kyoto-Protokolls
Beratungen im ukrainischen Umweltministerium
zwischen der Ukraine und Frankreich unterzeichnet.
durchführte, die unsystematische und unvollständige
Darüber hinaus bestehen bilaterale Abkommen mit den
Bestandsaufnahme der Treibhausgasemissionen und
USA und Kanada.
das Fehlen einer ukrainischen Initiative zur Erarbeitung und Umsetzung gemeinsamer Projekte.
Die ukrainische Regierung gründete am 04. April 2007
eine Nationale Agentur für Ökologische Investitionen,
I N T E R N AT I O N A L E A B K O M M E N U N D
welche die Aufgabe hat, die Umsetzung der UNO-
INVESTITIONSPROJEKTE
Rahmenkonvention und des Kyoto-Protokolls zu verfolgen. Diese Agentur soll die Vorschläge der interna-
Während des Besuchs von Ministerpräsident Viktor
tionalen Expertengruppe auswerten, ein systematisches
Janukowytsch in Berlin am 28. Februar 2007 unter-
Verzeichnis schädlicher Emissionen erarbeiten und
zeichneten das Umweltschutzministerium der Ukraine
Maßnahmen zum Abbau von Treibgasemissionen in
und die Deutschen Bank AG eine Absichtserklärung
verschiedenen Industriebereichen durchsetzen.
über die Zusammenarbeit im Bereich Klimawandel
R U S S L A N D : S T E L L E N W E RT D E S U M W E LT S C H U T Z E S
DURCH DAS KYOTO-PROTOKOLL GESTÄRKT
Thomas Kunze
Von staatlicher Seit hat der Umweltschutz in Russland
erste Impulse mit den Folgen der Katastrophe von
Das Thema „Klimawandel” wurde in Russland bis vor
Tschernobyl erhalten. Legislative Initiativen wurden
kurzem nur in Fachkreisen diskutiert. Der überdurch-
jedoch erst in den 90er Jahren im Zusammenhang mit
schnittlich warme Winter 2006/2007 hat jedoch eine
der UNO-Rahmenkonvention über den Klimawandel
neue Diskussion über die Folgen des Klimawandels
(1992) ergriffen. Heute sind die wichtigsten Umwelt-
auch in der Öffentlichkeit bewirkt. Obwohl in den ver-
normen festgeschrieben im Föderalen Gesetz Nr. 7
gangenen zehn Jahren die ökologischen Auswirkungen
vom 10.1.2002 „Über den Umweltschutz” und in
der sowjetischen Industrialisierung erkannt und im
der „Umweltdoktrin der Russischen Föderation” vom
Zuge der weltweiten Umweltaktivitäten unter Führung
31.8.2002. Daneben ist bei der Umsetzung von staat-
der UNO staatliche Umweltnormen eingeführt wurden,
lichen Projekten der Präsidial-Erlass Nr. 24 „Zum Kon-
fehlt bei Entscheidungsträgern noch der Umsetzungs-
zept des Übergangs Russlands zur stabilen und nach-
wille. Gleichfalls vermisst man eine vorausschauende,
haltigen Entwicklung” vom 01.4.1996 zu berücksich-
transparente Entwicklungsplanung, die die Bedenken
tigen. Die gesetzgeberische Funktion in diesem Bereich
der örtlichen Bevölkerung und der Bürgergesellschaft
hat der Duma-Ausschuss für Umwelt inne.
integriert. Als Folge der UN-Klimaberichte und des
verstärkten internationalen Drucks, insbesondere von
Obwohl die diesjährigen Berichte des IPCC in politi-
Seiten der Europäischen Union, gibt es 2007 jedoch
schen Kreisen vereinzelt mit Skepsis aufgenommen
erste ermutigende Signale Moskaus, Umweltaspekte
wurden, intensivieren Exekutive und Legislative mitt-
im Zuge der wirtschaftlichen Öffnung des Landes erns-
lerweile Bemühungen zur Umsetzung internationaler
ter zu nehmen.
Umweltschutzstandards: Im Jahr 2007 sind im russischen Parlament 30 umweltrelevante Gesetzentwürfe
anhängig. 2006 hat der Umweltausschuss insgesamt
48 entsprechende Gesetzentwürfe erörtert, zwei davon
sind vom Parlament bereits verabschiedet und vom
russischen Präsidenten unterzeichnet worden.
Allerdings moniert der Vorsitzende der Kommission der
Gesellschaftskammer Russlands, Wladimir Sacharow,
die unkoordinierte Kompetenzverteilung der staatlichen Behörden im Umweltbereich: „In den vergangenen zehn Jahren ist uns zuerst das Ministerium für die
Umweltschutz und Ökologie, dann das Staatskomitee
Rußland gehört weltweit zu den größten CO2-Verursachern.
verloren gegangen, jetzt werden diese Funktionen
durch das Ministerium für die Nutzung von Naturressourcen erfüllt. Wir brauchen heute eine einheitliche
heitsgefährdende Verschmutzungspegel werden regel-
Behörde, die für die Lösung ökologischer Probleme zu-
mäßig auch in kleineren Industriestädten gemessen,
ständig wird”. Seit 2003 ist seitens der Exekutive das
wo Umweltauflagen nur selektiv umgesetzt werden.
Ministerium für Naturressourcen unter Jurij Trutnjew
Umweltbelastend sind zudem die immer wieder auf-
federführend. Ihm untergeordnet sind die beiden Um-
tretenden Defekte an der Transportinfrastruktur bei
weltschutzbehörden, das Departement für Staatspolitik
Öl- und Gaspipelines in der Konfliktregion Nordkauka-
im Umweltschutzbereich und der Bundesaufsichts-
sus sowie massive Ölbohrungen am Kaspischen Meer.
dienst im Bereich der Naturnutzung.
Beides hat zu nachhaltigen Schäden in den betroffenen
Gebieten beigetragen.
Seit den 90er Jahren wird in russischen Fachkreisen
in der Regel der menschliche Einfluss auf Umweltver-
Ein weiteres Problem, für das man in Russland im
änderungen anerkannt; jedoch gehen – wie auch im
Moment keine Lösung hat, ist die Frage der Lagerung
Westen – die Meinungen über das Ausmaß und seine
von Nuklearabfällen und, damit verbunden, die radio-
Folgen für das Weltklima weit auseinander. Der WWF
aktive Verseuchung umliegender Gebiete. Seit 2001
geht aber davon aus, dass sogenannte „südliche”
werden auf dem Territorium Russlands nicht nur Reste
Krankheiten und die damit verbundenen Todesfälle
aus der eigenen Atomindustrie gelagert, sondern auch
durch die Temperaturensteigerung ihren Weg nach
Brennstäbe aus dem Ausland, überwiegend aus West-
Russland gefunden haben und ihre Verbreitung weiter
und Mitteleuropa. Auch die USA sind in Verhandlungen
zunehmen wird.
über eine eventuelle Atommülllagerung mit Moskau
getreten. Betroffene Gebiete sind insbesondere die
Wichtige nichtstaatliche Umweltschutzinstitutionen
Gebiete Magnitogorsk, Morschansk, Perm, die Weiß-
sind das „Zentrum für die Umweltpolitik Russlands”,
meerregion und die Kurilen. Das Gebiet um den am
das „Zentrum für die Umwelt und die Produktivität der
Karatschaj-See gelegenen Majak-Nuklearkomplex in
Wälder” der Russischen Akademie der Wissenschaften,
der Nähe von Tscheljabinsk zählt zu den am meisten
das „Russische Regionale Ökologische Zentrum”, sowie
verseuchten Gebieten weltweit. Lokale und regionale
diverse regionale Umweltschutzvereine und überre-
Vereine in den betroffenen Regionen protestieren regel-
gionale Foren. Abgesehen vom WWF hat bisher kein
mäßig gegen bestehende und potentielle Gesundheits-
(staatlicher oder nicht-staatlicher) Umweltschützer
gefährdungen und gegen die fehlende Umsetzung
die Medien zu einer nachhaltigen Auseinandersetzung
von Umwelt- und Sicherheitsvorschriften. Vorerst bleibt
mit Umweltthemen veranlassen können. Neben verein-
offen, wie lange der finanziell lukrative „Atommüll-
zelten Meldungen über lokale Umweltskandale oder
Import” von den örtlichen Bewohnern toleriert wird.
-katastrophen fehlt eine umfassende Berichterstattung
und Auseinandersetzung über die weiterreichenden
Mit der Ratifizierung des Kyoto-Protokolls am 5. Novem-
Implikationen des Klimawandels. Im russischen Alltag
ber 2004 begann jedoch eine neue Etappe der Wahr-
gibt es in der Bevölkerung noch kein nennenswertes
nehmung der Umwelt- und Klimaprobleme auf staatli-
Umweltbewußtsein.
cher Ebene. Im Mai 2005 wurde die „Interbehördliche
Kommission für die Realisierung der Verpflichtungen
Vor dem Hintergrund des Klimawandels gehört zu
Russlands gemäß Kyoto-Protokoll zwecks der Koordi-
den akuten Umweltproblemen des Landes die Luftver-
nierung der föderalen Organe der Exekutive der Russi-
schmutzung, die nicht nur in Großstädten wie Moskau,
schen Föderation” gegründet. Die Hauptkontrolle der
St. Petersburg und Nowosibirsk infolge des Wirt-
Umsetzung des Kyoto-Protokolls unterliegt dabei nicht
schaftsaufschwungs und dem zunehmenden Schad-
dem Ministerium für Naturressourcen, sondern dem
stoffausstoß durch die „Automobilisierung”. Gesund-
Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Handel.
38
Aktuelles Beispiel für neue staatliche Umweltschutz-
russischen Stadt Tichwin haben z.B. das Bauprojekt
bemühungen ist die Schwerbetonfabrik in der Stadt
einer neuen Ferrochromproduktion einer offiziellen
Podolsk, die als erstes Projekt seiner Art mit neu fest-
Öko-Prüfung unterzogen, bei der man auch als Krite-
gesetzten und verstärkten Verpflichtungen für 2008–
rien die Anforderungen des Kyoto-Protokolls berück-
2012 einer technischen Modernisierung unterzogen
sichtigen wird. Im Gebiet Pskow wurde im Rahmen
wird. Gleichzeitig werden die Anforderungen des Kyoto-
der Verwirklichung des Kyoto-Protokolls mit der Ein-
Protokolls bereits bei der Planung von neuen Produk-
pflanzung der so genannten Kyoto-Wälder (Fichten
tionsanlagen berücksichtigt. Die Einwohner der mittel-
und Tannenbäume, ca. 40 Hektar) begonnen.
U S A : P O L I T I K- U N D K L I M A W A N D E L
Roman Sehling
Mit steigenden Energiepreisen und der wachsenden
Gefahr durch die zahlreicher werdenden Wirbelstürme
ist das Thema Klimawandel nun auch in den USA in
aller Munde. Zusammen mit den ersten Gegenmaßnahmen auf regionaler Ebene, weiteren wissenschaftlichen Studien wie dem Intergovernmental Panel on
Climate Change (IPCC) und dem viel gezeigten Film
„An inconvenient truth” des ehemaligen Vizepräsidenten Al Gore scheint das Thema in den USA endlich
den „tipping point” erreicht zu haben, an dem diese
Herausforderung Politiker auf nationaler Ebene zum
Handeln veranlasst.
Präsident George W. Bush hat das Thema Klimawan-
Al Gore, ehemaliger US-Vizepräsident und
Friedensnobelpreisträger 2007.
del dann auch in seiner „State of the Union”-Ansprache im Januar 2007 erwähnt und einige Maßnahmen
angekündigt. Den Demokraten ist dies nicht genug.
dieser Enthusiasmus anhält und wie sich die Befürwor-
Sie haben den Klimawandel kurzerhand zu einem Top-
tung der Maßnahmen seitens der Bevölkerung entwi-
Thema gemacht. Eine Reihe von Ausschüssen und
ckelt, sobald sich ihre Energiekosten kurzfristig erhö-
Unterausschüssen befasst sich nun damit, umfassende
hen und Arbeitsplätze weiter ins Ausland verlagert
Gesetzesinitiativen zum Klimawandel zu entwickeln.
werden.
Es wird auch untersucht, ob die Regierung Bush wissenschaftliche Studien zum Klimawandel in der Ver-
B U S H : C L I M AT E C H A N G E A S E R I O U S C H A L L E N G E
gangenheit redigiert hat, um dessen Gefahr zu überspielen.
In seiner „State of the Union” Ansprache vor der
amerikanischen Nation sprach Präsident Bush dann
Allerdings sollte nicht zu viel erwartet werden: auch
auch von einer „ernsthaften Herausforderung” durch
innerhalb der Demokratischen Partei formieren sich
den Klimawandel. Bereits im Vorjahr hatte der Präsi-
alteingesessene Interessengruppen, um die Belange
dent gefordert, die Ölimporte aus dem Nahen Osten
des Automobil-, Energie- und Kohlesektors sowie der
bis 2025 um 75 Prozent zu senken und dabei verspro-
Landwirtschaft zu verteidigen. Die Industrie selbst hat
chen, einheimische alternative Energiequellen zu för-
erkannt, daß die Obstruktionsphase vorbei ist und es
dern. In diesem Jahr kündigte er die Initiative „20 in
nun gilt, ihre Interessen vor anderen nationalen und
10” an, mit der innerhalb der nächsten zehn Jahre der
internationalen Industriezweigen zu verteidigen und
Treibstoffbedarf um 20 Prozent gesenkt warden soll.
die Kosten einer Klimawandelpolitik so viel wie möglich
Dabei sollen bis 2017 jährlich insgesamt 35 Milliarden
von anderen tragen zu lassen. Auch eine Reihe von
Gallonen Treibstoff aus erneuerbaren Energiequellen
Präsidentschaftskandidaten berücksichtigt das Thema
bereits. Es bleibt allerdings abzuwarten, wie lange
wie zum Beispiel Ethanol produziert werden, was knapp
15 Prozent des jährlichen Treibstoffbedarfs ausmachen
würde und ein Fünffaches des für 2012 geplanten Ziels
darstellt. Momentan werden jährlich rund 5 Milliarden
Gallonen Ethanol verbraucht, was die 2005 beschlossene Quote um 25 Prozent übertrifft.
Die insgesamt relativ versöhnlichen Töne aus dem
Weissen Haus zum Thema Klimawandel begründete
der Talk Show Host Jay Leno allerdings ganz einfach
mit dem Mangel an anderen Gesprächsthemen. Wenn
Präsident Bush nicht etwas zum Klimawandel gesagt
hätte, dann hätte er über den Irakkrieg sprechen müs-
In den kommenden Jahren werden Orkane so stark an Kraft
zunehmen, dass das Ausmaß der Zerstörungen – wie hier
in New Orleans – erheblich steigen wird.
sen, und im Vergleich dazu war ihm der Klimawandel
als Thema doch wesentlich angenehmer.
rung Bush es ihnen erlaubt, kostenfrei die Umwelt zu
C L I M AT E C H A N G E V S . E N E R G Y I N D E P E N D E N C E
verschmutzen, so der Demokratische Abgeordnete Jay
Inslee. David Hawkins vom Natural Resources Defense
Laut Thomas D. Shope, Principal Deputy Assistant
Council warnte dann auch, daß die Kohlekraftwerke,
Secretary des Energy Department kann erst im Jahr
die in den nächsten 25 Jahren ohne „clean coal tech-
2045 mit Technologien zur Absorption und Aufbewah-
nology” gebaut werden sollen, in ihrem Lebenszyklus
rung von Kohlendioxid zu rechnen sein. Momentan
30 Prozent mehr Kohlendioxid ausstossen, als alle frü-
wird ungefähr die Hälfte des U.S. Energiebedarfs durch
heren Emissionen durch Kohlenutzung in den USA zu-
Kohle gedeckt. Sollte aufgrund von Kohlendioxidemis-
sammen. Die regulative Unklarheit hat auf jeden Fall
sionsbeschränkungen die Nachfrage nach Kohle abrupt
bereits die Elektrizitätsfirma TXU Corporation dazu
verringert werden und Kohle durch andere Treibstoffe
veranlasst, ihre geplanten acht neuen Kohlekraftwerke
ersetzt werden müssen, wird es zu starken Preisanstie-
nicht zu bauen und stattdessen 400 Millionen Dollar für
gen bei den alternativen Brennstoffen kommen.
Energieeffizienz und Einsparung auszugeben.
Rick Boucher vom Energy and Air Quality Subcommit-
Ein ähnliche Herausforderung, sich zwischen Energieun-
tee verkündete dann auch, daß er eventuell den Klima-
abhängigkeit und Klimawandel zu entscheiden,besteht
wandelgesetzesinitiativen Änderungen beifügen würde,
auch, was den alternativen Treibstoff Ethanol angeht.
die es Kohleverbrauchern erlauben würde, einige For-
Hier trifft die bedeutende Interessengruppe der Agrar-
derungen erst erfüllen zu müssen, sobald die Techno-
industrie auf die Anhänger des Klimaschutzes. Um das
logie für Absorbtion und Aufbewahrung von Treibhaus-
Ziel des Präsidenten zu erreichen, innerhalb der nächs-
gasen auf dem Markt ist. Shope erklärte, daß es bei
ten zehn Jahre den Treibstoffbedarf um 20 Prozent zu
gleichen staatlichen Fördermitteln unwahrscheinlich
senken und mit jährlich 35 Milliarden Gallonen an er-
ist, daß bezahlbare Technologien vor 2025 auf dem
neuerbaren Energiequellen zu ersetzen, muss langfris-
Markt wären. Eine Verdopplung der Fördermittel würde
tig Ethanol aus Brasilien und andern Ländern importiert
deren Entwicklung beschleunigen. Nach dem heutigen
werden. Dafür müsse allerdings der Importzoll von
Erkenntnisstand würde ein emissionsvermindertes
54 Cent pro Gallone (3,9 Liter) eventuell aufgehoben
Kohlekraftwerk im Jahr 2025 knapp 10 Prozent über
werden, so Samuel Bodman, Secretary of Energy. Das
den Kosten eines regulären Kohlekraftwerkes liegen
jedoch ist nicht unbedingt im Interesse der Senatoren
und erst gegen 2045 würde die Technologie soweit
des mittleren Westens der USA, der zu den größten
sein, daß die Kosten ungefähr gleich seien.
Maisanbaugebieten der Welt zählt. Der Vorsitzende des
Agriculture Committees, Senator Tom Harkin aus Iowa,
Senator Bingaman äußerte sich skeptisch, was die
war daher begeistert von Präsident Bushs Intitiative,
Chancen der viel gepriesenen „coal to liquids” Techno-
den Anteil an Ethanol am Treibstoffverbrauch zu erhö-
logie angeht. Umweltschützer sehen das ähnlich und
hen. Er hat daher seinen eigenen Gesetzesvorschlag
wiesen in der Vergangenheit darauf hin, daß diese
eingebracht, nachdem 60 Milliarden Gallonen von er-
Technologie einerseits nicht unbedingt technisch mög-
neuerbaren „biofuels” wie Ethanol, bis 2030 jährlich
lich sein muss und andererseits wahrscheinlich zu teu-
verbraucht werden sollen. Eine Senkung oder Abschaf-
er wird, um praktikabel zu sein. Kritiker weisen dabei
fung des Einfuhrzolls jedoch würde die Entwicklung von
auch darauf hin, daß eine Emissionseinschränkung
einheimischen Kapazitäten nur bremsen, so Senator
gerade wirksam ist, um erhöhte Investitionen in neue
Bingaman vom Senate Energy and Natural Resources
Technologien zu fördern. Warum sollte eine Firma frei-
Ausschuss.
willig auf diese Technologien setzen, wenn die Regie-
potenziell die Entwicklung von erneuerbaren Energien
behindern, da Einsparungsmaßnahmen günstiger wären
als neue Technologien.
Resultate einer Studie des American Solar Energy
Society besagen ebenfalls, daß existierende Technologien (wie Solartechnik, Photovoltaics, Wind, Biomasse
und geotheermische Energiequellen) gemeinsam mit
Die Lebensweise der meisten US-Bürger ist nicht
ressourcenschonend.
einer verbesserten Energienutzung der Industrie, in
Gebäuden und im Verkehr Treibhausgasemissionen um
1,2 Milliarden Tonnen bis 2030 verringern koennten.
Henry Waxman vom House Oversight and Government
E N E R G I E V E R B R A U C H E F F I Z I E N T E R G E S TA LT E N
Reform Ausschuss betonte jedoch, daß sowohl Emissionsrechtehandel als auch Investitionen in neue Techno-
Nachdem Jimmy Carter in den 70iger Jahren unange-
logien auch trotz des Einsatzes von bereits nutzbaren
nehme Erfahrungen mit der Bereitschaft der Amerika-
Technologien erforderlich sind. Beide Aspekte wären
ner, Energie zu sparen, machen musste, entdeckt man
wichtig – viel könnte ohne Emissionshandelsrechte
diesen Ansatz jetzt wieder „neu.” Auch wenn Vizepräsi-
geschafft werden, jedoch wären diese notwendig, um
dent Dick Cheney Sparsamkeit noch 2001 als eine Tu-
auf dem richtigen Weg zu bleiben. Ebenso warnten
gend bezeichnete, so wird nun Energieeffizienz mittler-
Mitarbeiter der Demokraten, daß die Führungsriege im
weile als „fünfter Treibstoff” gehandelt und ist damit
Senat zwar an solchen „efficiency standards” interes-
ein wichtiger Aspekt in der Klimawandeldebatte. Nach-
siert wäre, diese jedoch nicht ihre Betrebungen gefähr-
dem der amerikanische Kongress in der Vergangenheit
den dürften, einen „renewable portfolio” Standard
hauptsächlich auf Steuervergünstigungen gesetzt hat-
einzuführen. Auch warnt man davor, daß diese Vor-
te, erörtern Politiker nun die Möglichkeit, Elektrizitäts-
schläge im House Energy and Commerce Ausschuss
und Gaswerke zu zwingen, den steigenden Energiebe-
ihr Ende finden könnten, wie bereits mit ähnlichen
darf der Verbraucher durch Produktivitätssteigerungen
Gesetzesinitiativen im Jahr 2005.
ihrerseits zu erfüllen. Dan Reicher, Direktor für Klimawandelinitiativen bei Google.org und ehemals beim
A C T L O C A L LY, T H I N K G L O B A L LY
Department of Energy, rief den Kongress dazu auf,
es nicht bei Sparsamkeitsdeklarationen zu belassen.
Das man auch auf lokaler Ebene aktiv werden kann,
Stattdessen sollte ein Energieeffizienzstandard einge-
zeigt die Stadt Seattle im Bundesstaat Washington.
führt werden, der Elektrizitäts- und Gaswerke veran-
Bürgermeister Greg Nickels versucht seine Kollegen
lassen würde, Energiebedarfswachstum mit höherer
davon zu überzeugen, auf städtischer Ebene das Kyoto-
Produktivität auszugleichen und damit weniger Kraft-
Protokoll zu erfüllen. Im Jahr 2005 präsentierte er
werke bauen zu müssen, was letztendlich emissions-
gemeinsam mit acht weiteren Bürgermeistern das
verringernd wirkt. Laut Reicher hätten bereits acht
U.S. Mayors Climate Protection Agreement. Das Ziel
Bundesstaaten verschiedene Versionen dieses Kon-
war damals, innerhalb eines Jahres 141 Bürgermeister
zepts eingeführt.
davon zu überzeugen, das Dokument zu unterschreiben. Bisher haben sich insgesamt bereits 435 Bürger-
Der American Council for an Energy-Efficient Economy
meister dazu verpflichtet. Auch in Boulder, Colorado
schlägt vor, daß die Elektrizitätswerke ihre prognosti-
„scheut” man sich nicht vor umweltfreundlichen Maß-
zierten Verbrauch um knapp 10 Prozent bis 2020 ver-
nahmen: Mit einem Stimmenvorsprung von 60 Prozent
ringern und damit ihr prognostiziertes Wachstum um
haben sich die Bewohner der Stadt bei den letzten
die Hälfte verkleinern. Bill Prindle, der stellvertretende
Wahlen für eine „carbon tax” ausgesprochen. Diese
Direktor des Councils wies dabei auf eine Studie für die
Kohlendioxidsteuer wird ihnen nun zur Stromrechnung
Bundesstaaten des Nordostens der USA hin, die ergab,
hinzuberechnet und macht die Stadt zur ersten in den
daß eine Kombination von Sparsamkeit bzw. geringe-
USA, die eine Steuer auf Strom aus fossilen Brenn-
rem Verbrauch und dem Erschließen erneuerbarer
stoffen erhebt.
Energiequellen bis 2020 zu einem verringerten Wachstum der Emissionen und danach zu deren Sinken füh-
Ob dieses Prinzip jedoch auch auf landesweiter Ebene
ren könne (und dies ohne Emissionsrechtehandel bzw.
akzeptabel ist, wird sich noch zeigen. In einer Insider
Emissionssteuern). Wie das allerdings mit einem pri-
Umfrage des renommierten National Journal, wurde
vatwirtschaftlichem Geschäftsmodell realisierbar sein
eine Auswahl an Demokratischen und Republikanischen
soll, wurde noch nicht beantwortet. Die Profite der
Elektrizitätswerke sind in aller Regel an den Verbrauch
gekoppelt. Auch würde ein Vorrang der Energieeffizienz
41
Abgeordneten und Senatoren zu verschiedenen Optio-
humanitäre Missionen in diesen Gebieten verwickelt
nen befragt. Sowohl bei den Demokraten als Republi-
werden, während das schmelzende Eis der Polkappen
kanern war eine direkte Steuer im Namen des Klima-
generell Territorialkonflikte über Schiffahrtsgebiete und
wandels relativ unbeliebt.
Rohstoffe ausbrechen lassen kann. Die Studie stuft den
Andererseits fordert auch der Gouverneur von Oregon
der bedrohliche Umstände und Situationen nur noch
seine Kollegen im dortigen Landtag auf, Gesetzgebung
gefährlicher macht. Der Chairman des Senate Foreign
zu veranlassen, so daß bis 2025 25 Prozent des Ener-
Relations Committees und Demokratischer Präsident-
gieverbrauchs durch erneuerbare Energiequellen
schaftskandidat, Joe Biden, plant daher auch eine Anhö-
gedeckt wird. Um dies zu bewerkstelligen, müssten
rung zu diesem Problem abzuhalten.Bereits vor einem
Klimawandel dann auch als Gefahrenmultiplikator ein,
Kraftwerke erneuerbare Energie selber generieren,
von anderen Anbietern kaufen oder Zertifikate vom
Staat akquirieren. Im Februar unterzeichnete Minnesotas Republikanischer Gouverneur ein ähnliches Gesetz,
was die Kraftwerke in seinem Bundesstaat veranläßt,
ebenfalls 25 Prozent des Energiebedarfs bis zum Jahr
2025 durch erneuerbare Energiequellen zu decken.
Da auf nationaler Ebene bisher noch kein solches Gesetz beschlossen wurde, sind in mittlerweile insgesamt
24 Bundesstaaten verschiedene freiwillige oder vorgeschriebene Standards über den Anteil an erneuerbaren
Energieträger in Kraft. Judi Greenwald vom Pew Center
on Global Climate Change weist aber auch darauf hin,
daß die Motivation oft in der Hoffnung auf Schaffung
neuer Arbeitsplätze und einer saubereren Umwelt liegt.
Die USA sind die weltweit höchsten CO2-Verursacher.
Bereits 1975 wurde ähnliche Anstrengungen den Ölpreis
mit einer Steuer anzuheben berwältigend von den damaligen Abgeordneten abgelehnt. Bill Clintons Versuche
Monat hatte der Demokratische Senate Majority Whip
eine Energiesteuer einzuführen, starben ebenfalls noch
Dick Durbin und der Republikanische Senator Chuck
im legislativen Kinderbett. Dabei zeigen lokale Anstren-
Hagel einen Gesetzesvorschlag initiert, der die Regie-
gungen wie in Boulder bzw. regionale Versuche den
rung veranlassen würde, die Klimawandelrisiken offiziell
Klimawandel zu mildern wie in Kalifornien, Washington,
zu untersuchen.
Oregon, New Mexico und Arizona, daß es durchaus Rückhalt in der Bevölkerung gibt. Interessant wird allerdings
E L E C T I O N S 2 0 0 8 – T H E H E AT I S O N
wenn die Emissionsverringerungsmodelle, die sich
gegen Fahrzeugs- und Kraftwerksemissionen richten
Eine Anhörung des Senate Environment und Public
(und wahrscheinlich clean-coal,Wind, Solar, Biomasse
Works Ausschusses am 30. Januar dieses Jahres brach-
und andere alternative Energiequellen fördern werden)
te zwar keine geladenen Wissenschaftler und Experten
zu den ersten nachteiligen Auswirkungen auf dem Ar-
vor den Ausschuss, bot aber dafür einer Reihe von Prä-
beitsmarkt führen bzw. sich im Wirtschaftswachstum
sidentschaftsanwärtern, die Möglichkeit ihre Positionen
negativ ausschlagen. Die Republikaner warnen bereits
darzustellen. Die Senatoren Biden, Clinton, McCain und
jetzt vor China und India, die zwar auch auf Atom-
Obama nutzten die Chance dann auch, sich den Wäh-
kraftwerke setzten, aber auch zahllose veraltete Koh-
lern zu präsentieren. Senator Larry Craig aus Idaho
lekraftwerke betreiben.
brachte es dann aber auch auf den Punkt: „eine überstürzte Klimawandelpolitik wäre nur ein Ansturm zur
K L I M A W A N D E L A L S N AT I O N A L E B E D R O H U N G
nächsten Wahl, Senatorin Clinton.”
Aber auch aus der Perspektive der Nationalen Sicher-
Es ist allerdings tatsächlich bemerkenswert, wie die
heit versuchen Wissenschaftler und andere Gruppen
Demokraten versuchen, mit dem Thema Klimawandel
die Aufmerksamkeit, die dem Problem des Klimawan-
(und entsprechender Rhetorik) gerade auch bei reli-
dels gewidmet wird, aufrecht zu erhalten. Laut einer
giösen Wählern Punkte zu sammeln. In der Vergangen-
Studie des Center for Naval Analysis, welche vom
heit gab es bereits vermehrt christliche Organisationen,
Rockefeller Family Fund und anderen Stiftungen finan-
die ihr politisches Betätigungsfeld nicht mehr nur auf
ziert wurde, droht der Klimawandel den Krieg gegen
den Terror zu verlängern sowie politische Instabilität
generell zu fördern. Zum Beispiel könnten die USA in
42
Abtreibung und Homo-Ehe konzentrieren, sondern
verantwortlich sind. Die Tatsache, daß die Zukunfts-
sich auch aktiv um den Schutz von Gottes Erde küm-
szenarien des IPCC sich bis ans Jahrhundertende er-
mern wollten. Gerade bei den Evangelikalen wird
strecken, sollte den Amerikanern (die Zeit) zu denken
das Interesse für dieses Thema immer größer. Richard
geben. Sowohl Präsident Bush als auch Speaker Pelosi
Cizik, Vice President for Governmental Affairs der
und Majority Leader Harry Reid wollen Innovations-
National Association of Evangelicals (NAE) startete
technologien fördern, um einerseits die Wettbewerbs-
bereits 2006 eine Initiative, um den Klimawandel zu
fähigkeit und Energiesicherheit der USA zu sichern
verlangsamen. Die Organisation gehört mit 45000 pro-
und andererseits den Klimawandel zu verlangsamen.
testantischen Kirchengemeinden und knapp 30 Millio-
Während einer Debatte zwischen dem Demokratischen
nen Mitgliedern zu den größten in den USA.
Senator John Kerry und dem ehemaligen Sprecher der
Republikaner im Abgeordnetenhaus Newt Gingrich ist
Während den Demokraten vorgeworfen wird, bereits
einer der traditionellen Gegensätze zwischen den bei-
an die nächsten Wahlen im Jahr 2008 zu denken,
den Parteien wieder klar geworden: die Republikaner
haben Basisorganisationen schon längst damit ange-
vertrauen auf die Kraft von market based incentives,
fangen, Klimawandel als Thema für die Präsident-
das Problem schneller und günstiger beheben zu kön-
schaftsvorwahlen zu positionieren. Die League of
nen, als die von den Demokraten favorisierte staatli-
Conservation Voters ist bereits vor Ort in Iowa, New
che Lösung via eines Emissionsrechtehandels. Als
Hampshire, South Carolina und Nevada, um lokale
jedoch Präsident Bush noch Gouverneur von Texas
Medien und Parteifunktionäre zu ermutigen, Fragen
war, führte er ohne weiteres ein Kohlendioxidemissions-
zum Klimawandel an die Kandidaten zu stellen. Die
limit ein. Auch versprach er während des Präsident-
Tatsache, daß eine Reihe von Präsidentschaftsanwär-
schaftswahlkampfes im Jahr 2000 die Kohlendioxidemis-
tern bereits zehn Monate vor den Vorwahlen sich
sionen auf nationaler Ebene zu beschränken. Letztend-
gegenseitig mit Gesetzesinitiativen überbietet, ist auf
lich wandte er sich von seinem Versprechen ab, aller-
jeden Fall ein Zeichen dafür, daß Klimawandel ein
dings aus guten Gründen – laut dem ehemaligen Direk-
top Thema im Wahlkampf werden wird, so Tiernan
tor der EPA. Dieser schrieb vor kurzem in der Washing-
Sittenfeld von der League of Conservation Voters.
ton Post, dass die Zeit für Gesetzesinitiativen gekom-
Kein Wunder dann, dass Senatorin Barbara Boxer erste
men sei und weiterer Aufschub keine Option mehr
Gesetzesinitiativen bereits in diesem Jahr im Senat
darstellte. Ein Kompromiss sollte also zu finden sein.
diskutieren will und nicht darauf warten wird, bis eine
klare Mehrheit von 60 Stimmen im Senat erreicht
Dies ist die gekürzte Fassung eines Berichts, der auf
werden kann. Diese ist notwendig, um einen filibuster
www.kas.de abrufbar ist.
zu vermeiden bzw. das wahrscheinliche Veto des
Präsidenten zu brechen. Damit soll das Thema Klimawandel für den bevorstehenden Wahlkampf im Jahr
2008 aktuell gehalten werden: Senatoren und Abgeordnete sollen für ihre Abstimmungsentscheidungen
dann zur Rechenschaft gezogen werden.
SEA CHANGE?
Auch wenn es momentan erscheinen mag, daß ein
„tipping point” erreicht wurde und nun die Politiker
beider Seiten zum Handeln veranlasst sind, so ist das
Gesprächsklima ein überraschend kompliziertes. Beide
Seiten scheinen in extremen Lagern zu kampieren,
so daß eine Konsensbildung nur schwer zu vollbringen
ist. Man kann sich scheinbar nur zwischen dem sofortigen Handeln, um die Erde zu retten und einem
„Idiotendasein” als Klimawandelskeptiker entscheiden.
Nicht jeder der zu behutsamer Analyse der Kosten
für die Wirtschaft aufruft, ist auch der korrupte Klimawandelskeptiker für den man ihn hält. Eine Mehrheit
der Bevölkerung akzeptiert die Tatsache, daß die Erde
sich in einer Wärmephase befindet und das Menschen
zumindest teilweise via Treibhausgasemissionen dafür
L AT E I N A M E R I K A
44
BRASILIEN:
AUF DER GEWINNERSEITE DES KLIMAWANDELS?
Klaus Hermanns
BRASILIEN ALS DAS ZUKÜNFTIGE
SAUDI-ARABIEN DER AGROENERGIE
Z U S A M M E N FA S S U N G
Brasilien und die USA haben zusammen einen Anteil
Brasilien beteiligt sich rege national und international
von 70 Prozent an der Weltproduktion von Bioethanol.
an der Diskussion zum Klimawandel. Aufgrund der
Während die Basis der Produktion in den USA Mais bil-
aktuellen Prognosen werden vor allem für den Nord-
det, beruht die Produktion in Brasilien auf Zuckerrohr.
osten und sowie den Norden mit Amazonien negative
Im Jahre 2006 wurden 17,7 Millionen Kubikmeter Bio-
Auswirkungen wie die Ausweitung der Savannen und
ethanol aus Zuckerrohr produziert. 15 Prozent wurden
bzw. Wasserknappheit bis zum Ende des 21. Jahrhun-
davon exportiert. 80 Prozent wurden als Kraftstoff
derts vorhergesagt. Das Kyoto-Protokoll verpflichtet
in Brasilien eingesetzt – dies sind rund 40 Prozent des
Brasilien nicht zur Reduktion von Kohlendioxidemis-
gesamten Kraftstoffverbrauchs in Brasilien.
sionen. In der aktuellen Klimadiskussion wird vornehmlich die positive Rolle Brasiliens als potentieller
Das unter der Militärregierung im Jahre 1975 gestartete
globaler Lieferant von Biokraftstoffen gesehen. Öko-
Programm PROÁLCOOL zur Nutzung von Bioethanol
logische und soziale Risiken durch eine massive Aus-
wurde damals hauptsächlich zur Importsubstitution von
dehnung der Agrarflächen werden dabei noch zu
teuerem Erdöl nach dem ersten Erdölpreisschock ein-
wenig wahrgenommen. Es zeichnen sich Konfliktlinien
gesetzt. Nach seinem Niedergang in den 90er-Jahren
von Biodiversität versus Biokraftstoffe sowie Nah-
befindet sich die Produktion von Bioethanol seit den
rungsmittelsicherheit versus Biokraftstoffe ab. Für
letzten Jahren in einem besonderen Aufwind. Die der-
den Nach-Kyoto-Prozess gewinnen vermiedene Koh-
zeitige Anbaufläche von Zuckerrohr beträgt rund 5,3
lendioxidemissionen durch verminderte Abholzungen
Millionen Hektar. Jeweils zur Hälfte ging die Ernte im
in Amazonien eine größere Bedeutung. Aus europäi-
Jahre 2006 in die Zuckerherstellung bzw. in die Produk-
scher Sicht gilt es, gemeinsam mit Brasilien Standards
tion von Bioethanol. An günstigen Standorten im Bun-
für einen zertifizierten Anbau von Energiepflanzen
desstaat São Paulo kann die Produktion an 9.000 Liter
festzulegen, um negative ökologische und soziale
Bioethanol pro Hektar heranreichen. Der Export von
Effekte in Brasilien zu vermeiden.
Bioethanol ist im Zeitraum von 2001 bis 2006 um das
Neunfache gestiegen. Im Jahre 2006 wurde ein Export-
1. DISKURS ZUM KLIMAWANDEL IN BRASILIEN
erlös im Werte von 1,6 Milliarden US-Dollar erzielt. Im
Jahre 2005 waren dies noch 765,5 Millionen US-Dollar.
Brasilien ist seit dem Erdgipfel von Rio de Janeiro von
1992, auf dem die UN-Klimarahmenkonvention be-
Brasiliens Ex-Präsident Fernando Henrique Cardoso
schlossen wurde, unmittelbar mit der Diskussion zum
vertritt die Meinung, dass sich Brasilien unter den
Klimawandel verbunden. Die Klimadebatte wird in
Schwellenländern als Führer in Klimafragen etablieren
Brasilien seither in breiter Form von allen Segmenten
sollte. Aufgrund des hohen Anteils an Erneuerbaren
der Gesellschaft geführt. Allerdings steht dabei vor-
Energien an der Energiematrix sei Brasilien hierfür
nehmlich die Produktionsausweitung von Biokraftstof-
prädestiniert. Cardoso ist neben Al Gore im Beirat des
fen im Mittelpunkt. Dabei wird Brasiliens Beitrag zum
World Resources Institute (WRI). Die Klimadebatte
Klimaschutz vor allem in der Bereitstellung von CO2-
verschafft also nicht nur Al Gore wieder eine politische
neutralen Biokraftstoffen gesehen, die fossile Treib-
Bühne.
stoffe langfristig ersetzen sollen. Die Medienberichterstattung über das ökonomische Potential der Biokraft-
Das als Gesetz festgelegte brasilianische Biodieselpro-
stoffe für Brasilien ist entsprechend intensiv. Treiben-
gramm (PNPB) sieht ab 2008 die Zumischung von
de Kraft in der Diskussion ist Präsident Luiz Inácio
2 Prozent Biodiesel zum normalen Dieselkraftstoff vor.
Lula da Silva. Dieser ist unermüdlich dabei, Werbung
Hierzu wird eine Produktion von einer Milliarde Liter
für die Biokraftstoffe zu machen. Beim Brasilien-Besuch
Biodiesel erforderlich sein. Im Jahre 2013 soll dieser
von Papst Benedikt XVI. im Mai 2007 erläuterte Lula
Anteil auf fünf Prozent erhöht werden. Dann muss die
im Rahmen einer Audienz das aktuelle Biodieselpro-
Produktion von Biodiesel 2,4 Milliarden Liter betragen.
gramm für Kleinbauern, das auch zur Armutsminderung
dienen soll.
Das brasilianische Landwirtschaftsministerium spricht
in seinem nationalen Plan für Agroenergie von einem
Flächenpotential von 200 Millionen Hektar Land, das
45
BRASILIANISCHER EXPORT VON BIOETHANOL
in Mio. Liter pro Jahr
4000
3500
3000
2500
2000
1500
1000
500
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
Zeitraum von 1996–2006 | Quelle: TORQUATO & PEREZ 2007
sich potentiell für die Energiegewinnung eignen könnte.
SOZIALE UND ÖKOLOGISCHE BILANZIERUNG
Dies entspricht rund einem Viertel der Fläche Brasiliens.
DER BIOKRAF TSTOFFE ERFORDERLICH
Aufgrund der gestiegenen Nachfrage nach Mais, besonders durch die USA mit ihrer auf Mais basierenden
Nicht unbegründet sind Befürchtungen, dass beson-
Bioethanolproduktion, wurde die Anbaufläche von Mais
ders das brasilianische Biodiesel-Förderprogramm für
um 13 Prozent erhöht. Brasilien ist bereits der dritt-
Kleinbauern die Produktion von Grundnahrungsmitteln
größte Maisexporteur weltweit. In den nächsten acht
beeinträchtigen könnte. Zu rund 70 Prozent ist die
Jahren soll die Anbaufläche von Zuckerrohr um rund
kleinbäuerliche Produktion für die Nahrungsmittelver-
3 Millionen Hektar erweitert werden, um die Produktion
sorgung Brasiliens verantwortlich. Die brasilianische
von Zuckerrohr um rund 50 Prozent zu steigern. Die
Regierung wird daher unter anderem von der Landlo-
Flächen sollen vor allem im Nordosten entstehen.
senbewegung kritisiert, falsche Anreize für die Klein-
Heute konzentriert sich die Produktion von Zucker und
bauern zugeben. Auch die Welternährungsorganisation
Bioethanol zu rund 85 Prozent auf den Mitte und den
FAO macht auf die Chancen und Risiken der Bioenergie
Süden Brasiliens. Aufgrund der Flächenausweitungen
für die Ernährungssicherheit aufmerksam. Empfohlen
für die Zuckerrohrproduktion der letzten Jahre im Bun-
wird ein freiwilliger Verhaltenskodex für die Produktion
desstaat São Paulo sind dort die Preise für landwirt-
und Nutzung von Bioenergie. Hierfür wird ein verstärk-
schaftlich genutzte Flächen zwischen 2001 und 2006
ter Dialog aller Akteure angeregt. Die Ausbreitung von
um durchschnittlich 113,4 Prozent gestiegen. Für die
Monokulturen wird eine deutliche Auswirkung auf die
Ernte 2012/2013 sollen genügend Produktionskapazi-
Biodiversität v.a. in Amazonien haben. Entsprechend
täten für die Verarbeitung von 610 Millionen Tonnen
wird der Ruf nach einer stärkeren Kontrolle des Pro-
Zuckerrohr zu rund 36,6 Millionen Tonnen Zucker und
zesses vor allem von Seiten der Umweltschützer grö-
27,4 Milliarden Litern Bioalkohol geschaffen werden.
ßer. Mit Interesse wird die aktuelle Diskussion der EU
Die Haupthoffnungen Brasiliens liegen allerdings auf
zur Zertifizierung der Biokraftstoffe verfolgt. Im April
dem Biodiesel, das die größte Flächenausdehnung er-
2007 hat das Nationale Institut für Metrologie, Nor-
laubt. Als Energiepflanzen können dabei Soja, Sonnen-
mung und Industriequalität (INMETRO) die Arbeit an
blumen, Rizinus, Erdnuss, Baumwolle, Mais, Palmen,
einem Regelwerk zur Zertifizierung von Biokraftstoffen
Raps und Pinien dienen. Am ertragreichsten sind Palm-
aufgenommen. Der Kritik von Menschenrechtsgruppen
pflanzungen der Dendê mit 3 bis 6 Tonnen Pflanzenöl
zur Sklavenarbeit auf Zuckerrohrfarmen sowie den
pro Hektar.
ökologischen Bedenken soll damit Rechnung getragen
werden. Die Diskussion zum Fair Trade wird sicherlich
Für Rizinus, das vor allem im semi-ariden Nordosten
zukünftig auf internationaler Ebene unter Beteiligung
Brasiliens die empfohlene Ölpflanze ist, werden Erträge
brasilianischer Akteure intensiviert werden.
von 0,5 bis 0,9 Tonnen Öl pro Hektar erwartet. Für
Amazonien wurde eine potentielle Fläche von 5 Millionen
KOHLENDIOXIDEMISSIONEN UND DER BEITRAG
Hektar für die Nutzung der Dendê-Palme ermittelt. Die
BRASILIENS
Landwirtschafts- und Industrieverbände treiben gemeinsam mit der Regierung die Agroenergiedebatte voran.
Der aktuelle „Rausch” nach dem „grünen Gold” der
Agroenergie verstellt leider noch politisch den Blick auf
den Ausbau der Solar- und Windenergien, die gewiss
46
einen positiveren ökologischen Beitrag leisten als die
Vergleicht man die CO2-Produktion bezogen auf das Brut-
Agroenergien. Der geplante massive Flächenverbrauch
tosozialprodukt so steht Brasilien im Vergleich zu Deutsch-
wird eine Bedrohung der großen Ökosysteme Brasi-
land schlechter da. Brasilien produzierte im Jahre 2003
liens (z.B. Amazonien) darstellen. Das Thema Energie-
0,55 Kilogramm CO2 für 95 US-Dollar des Bruttosozial-
sparen bzw. Energieeffizienz ist in der aktuellen Dis-
produkts. In Deutschland waren es entsprechend 0,45
kussion sehr unterrepräsentiert – heißt es doch, in
Kilogramm CO2. Allerdings ist die -deutsche Pro-Kopf-
moderne Technologien zu investieren.
Kohlendioxidproduktion rund fünf Mal höher als in Brasilien. Nach Projektionen der OECD soll der CO2-Ausstoß
Die globalen, anthropogen induzierten Kohlendioxid-
Brasiliens (ohne den Brandrodungseffekt) bis zum Jahre
emissionen setzen sich zu rund 80 Prozent aus Emis-
2030 um 70 Prozent auf 551 Millionen Tonnen ansteigen.
sionen der Verbrennung fossiler Energieträger. Die
Zum Vergleich: Im Jahre 1990 hatte Brasilien noch einen
restlichen 20 Prozent werden durch die Brandrodungen
Kohlendioxidausstoß von 193 Millionen Tonnen.
der Tropenwälder verursacht. Brasilien hat die größten
Flächen an Tropenwald und ist gleichzeitig seit vielen
Brasilien kann sich freiwillig an den Clean Develpment
Jahren der Rekordhalter im Abholzen des Tropenwal-
Mecanism (CDM) der Klimarahmenkonvention betei-
des. Allerdings ist die Abholzung in Amazonien in den
ligen und Projekte zur Kompensation von Kohlendi-
letzten beiden Jahren signifikant zurückgegangen, vom
oxidemissionen der Industrieländer mit Reduzierungs-
Rekordjahr 2004 mit 27.429 Quadratkilometern über
verpflichtung anbieten. Nach Angaben der brasiliani-
18.793 Quadratkilometern (2005) zu 14.000 Quadrat-
schen Regierung sind bisher 221 brasilianische Projek-
kilometern im Jahre 2006.
te registriert. Indien und China liegen mit 623 bzw.
446 vor Brasilien. Nach Berechnungen der brasiliani-
Die Reduzierung der Abholzung der tropischen Regen-
schen Regierung wird für Brasilien eine jährliche Betei-
wälder stellte einen wichtigen Beitrag Brasiliens zum
ligung am CDM-Handel von rund 400 Millionen US-
globalen Klimaschutz dar. Es wird mit einer Minderung
Dollar erwartet. Hiervon sollen 160 Millionen US-Dollar
der CO2-Freisetzung in den beiden letzten Jahren von
dem Agrobusiness zugute kommen.
430 Millionen Tonnen gerechnet. Allerdings dürfte für
das Jahr 2006 immer noch 200 Millionen Tonnen Koh-
2. FOLGEN DES KLIMAWANDELS FÜR BRASILIEN
lendioxid durch die Brandrodungen in Amazonien emitiert worden sein. Nach Angaben der Internationalen
Brasilien hat mit 8,5 Millionen Quadratkilometern fast
Atomenergie Agentur (IAEA) hat Brasilien im Jahr 2003
kontinentale Ausmaße und verfügt über eine diverse
351,46 Millionen Tonnen Kohlendioxid (energiebezogen)
Geographie mit unterschiedlichen Ökosystemen. Das
freigesetzt. Bisher sind die positiven Beiträge der Min-
Land ist flächenmäßig etwas größer als die USA ohne
derung der Abholzung und damit der Freisetzung von
Alaska. In den letzten Jahren haben Wirbelstürme und
CO2 noch nicht Bestandteil der Klimarahmenkonvention.
außergewöhnliche Trockenperioden im Süden und im
Dieser Punkt wird eine sehr wichtige Rolle für die Ver-
Südosten des Landes sowie in Amazonien den Verdacht
handlungen über die Nach-Kyoto-Phase spielen, und
aufkommen lassen, dass es sich hier um erste Anzei-
Brasilien wird ihn gemeinsam mit anderen tropischen
chen einer globalen Klimaänderung handeln könnte.
Ländern auf die Tagesordnung bringen.
Im Fokus der wissenschaftlichen Diskussion sind die
BRANDRODUNG IM BRASILIANISCHEN TEIL AMAZONIENS
in km2 pro Jahr
35.000
30.000
25.000
20.000
15.000
10.000
5.000
’88
’89
’90
’91
Quelle: INPE (zweijähriges Mittel)
’92
’94
’95
’96
’97
’98
’99
’00
’01
’02
’03
’04
’05
’06
möglichen Auswirkungen auf den semi-ariden Nordosten
sowie auf Amazonien. Im Nordosten Brasiliens leben
rund 50 Millionen Menschen. Die Region wird je nach
Stärke des El-Niño-Effektes sporadisch von Dürrephasen
heimgesucht. Im kollektiven Gedächtnis sind katastrophale Dürren wie die aus den Jahren 1877–1879
mit über 100.000 Toten noch gegenwärtig. Die letzte
größere Dürre 1997–1998 machte die Notversorgung
von Millionen Menschen erforderlich.
Brandrodung von Urwäldern trägt erheblich zum
weltweiten CO2-Ausstoß bei.
Durch die bereits natürliche Anfälligkeit der Region
sind die Forscher alarmiert. In Klimaprognosen wird
nalen Umweltfonds als Antwort auf die Klimaheraus-
in der pessimistischen Variante von einer durchschnitt-
forderungen, der sich aus einer einprozentigen Steuer
lichen Erwärmung zwischen 2–4 Grad und einem Rück-
auf alle Importe weltweit speisen solle.
gang der Niederschläge von 15–20 Prozent, in der
optimistischen Variante von einer durchschnittlichen
In allen wichtigen nationalen Zeitungen sowie im Fern-
Temperaturzunahme von 1–3 Grad bzw. einem Rück-
sehen fanden die Klimaberichte des IPCC Erwähnung.
gang von 10–15 Prozent der mittleren Niederschlags-
Offensichtlich unter dem Eindruck der aktuellen Klima-
menge ausgegangen. Die Region des Nordostens ist
diskussion wurde bei der Bildung der neu gewählten
trotz der starken Abwanderung in den letzten Jahr-
Regierung am 25. April diesen Jahres im brasiliani-
zehnten immer noch bevölkerungsreich. Entsprechend
schen Umweltministerium die Abteilung „Klimawandel
wird befürchtet, dass durch eine stärkere Desertifika-
und Umweltqualität” mit Thelma Krug als Staatssekre-
tion eine neue Welle der Migration, in diesem Fall von
tärin neu eingerichtet.
„Umweltflüchtlingen”, ausgelöst wird.
Im Parlament wurde im März 2007 im Umweltausschuss
Für die Amazonasregion wird bis zum Ende des Jahr-
die Unterkommission Klimawandel gebildet. Daneben
hunderts eine deutliche Ausweitung der Savannen prog-
wurde eine Sonderkommission unter Beteiligung des
nositziert. Es wird damit gerechnet, dass sich rund
Senats installiert. Vize-Präsident dieser Sonderkommis-
18 Prozent des tropischen Regenwaldes in Trocken-
sion ist Senator Fernando Collor, der als brasilianischer
steppen verwandeln werden. In der noch dünn besie-
Staatspräsident den Erdgipfel von Rio 1992 eröffnete
delten Amazonasregion sind weniger Menschen betrof-
und kurz darauf aufgrund einer Korruptionsaffäre seines
fen, allerdings wird von massiven Änderungen in der
Amtes enthoben wurde. Die Klimadiskussion verschafft
biologischen Artenvielfalt sowie einer Erhöhung der
ihm nun eine neue politische Bühne.
natürlichen Waldbrände auszugehen sein. Einen Hinweis hierzu geben die Trockenjahre 1997–1998, wo
4 .P O L I T I S C H E W A H R N E H M U N G E N U N D A K T E U R E
zusätzlich rund 13.000 Quadratkilometer Regenwald
I N D E R B R A S I L I A N I S C H E N K L I M A D E B ATT E
verbrannten.
Die Klimarahmenkonvention wurde am 3. Februar
Ebenfalls wird das Augenmerk auf die über 8.500 km
1994 vom brasilianischen Nationalkongress ratifiziert.
lange Küste zu richten sein, da mit einem ansteigen-
Das ergänzende Protokoll von Kyoto wurde am 29.
den Meeresspiegel diese Gebiete betroffen sein könn-
April 1998 unterzeichnet und am 21. Juni 2002 ratifi-
ten. Rund 70 Prozent der brasilianischen Bevölkerung
ziert. Am 16. Februar 2005 trat das Kyoto-Protokoll als
leben in der Küstenzone.
bisher einzige verbindliche internationale Vereinbarung
zur Verringerung der klimaschädlichen Treibhausgase
3. REAKTIONEN AUF DEN STERN-BERICHT UND
in Kraft. Brasilien ist als Schwellenland nicht zur Re-
DIE LETZTEN IPCC-BERICHTE
duktion der Kohlendioxidemissionen verpflichtet. Allerdings kann es freiwillige Beiträge leisten.
Der zuerst im Oktober 2006 publizierte Stern-Bericht
fand in Brasilien aufgrund der zeitgleich verlaufenden
Seit dem Jahre 1999 existiert die interministerielle Ar-
Präsidentschaftswahlen wenig Beachtung. Auf Websei-
beitsgruppe „Globaler Klimawandel” unter Federführung
ten von einigen Umwelt-NROs sind in dieser Zeit Hin-
des Ministeriums für Wissenschaft und Technologie. Ver-
weise vor allem auf die Kosten des Klimawandels zu
treter der Regierung sowie der Zivilgesellschaft nehmen
finden. Eine stärkere Beachtung des Stern-Berichtes
regelmäßig an den Konferenzen der Klimarahmenkonven-
ist erst mit dem Aufkommen der drei IPCC-Berichte
tion teil. Per Dekret wurde am 20. Juni 2000 das Brasilia-
im Februar, April und Mai diesen Jahres zu beobachten.
nische Forum zum Klimawandel (FBMC) als eine Plattform
Im April 2007 forderte Senator Aloizio Mercadante von
von Regierung, staatlichen Unternehmen, Forschungsein-
der Arbeiterpartei (PT) die Schaffung eines internatio-
richtungen, Privatwirtschaft und der Zivilgesellschaft
48
gegründet. Ziel des Forums sind vor allem eine Mobilisie-
Die Wirtschaft ist in die landesweiten Umweltforen ein-
rung zu Klimaschutzfragen sowie Projektvorschläge im
gebunden. Die Industrieverbände bieten aktuell Veran-
Rahmen des Clean Development Mecanism (CDM). Am
staltungen zum Klimawandel an. Der Brasilianische
19. April 2007 fand aktuell eine Sitzung des FBMC statt,
Unternehmerrat für Nachhaltige Entwicklung (CEBDS)
wo über einen Nationalen Aktionsplan zum Umgang mit
hat am 24. April 2007 gemeinsam mit Greenpeace und
dem Klimawandel diskutiert wurde.
WWF einen Umweltpakt zum Klimaschutz in São Paulo
anlässlich des Ibero-Amerikanischen Kongresses zur
Daneben dürfen die Kommunen als wichtige Akteure in
Nachhaltigen Entwicklung geschlossen. U.a. verpflich-
der Klimadebatte nicht vergessen werden. Brasilianische
tete sich der Energieanbieter Petrobrás im Zeitraum von
Kommunen wirken in internationalen Klimanetzwerken
2007 bis 2011 die Emission von 18,5 Millionen Tonnen
wie der „Cities for Climate Protection (CCP)” Kampagne
Kohlendioxid zu vermeiden. Der CEBDS wurde 1997 ge-
mit. Als Vertreter Brasiliens nahmen die Bürgermeister
gründet und vereint Unternehmen, die zu rund 40 Pro-
der Megacities São Paulo und Rio de Janeiro sowie der
zent des brasilianischen Bruttosozialprodukts beitragen.
Bürgermeister der Stadt Curitiba als assoziiertes Mit-
International ist der CEBDS im World Business Council
glied am zweiten „Large Cities Climate Summit C40”
for Sustainable Development (WBCSD) vertreten.
vom 14. bis 17. Mai 2007 in New York teil.
Die Katholische Bischofskonferenz Brasiliens (CNBB)
Auch die brasilianische Zivilgesellschaft beteiligt sich
widmete ihre jährliche österliche Kampagne der Brüder-
rege an der öffentlichen Debatte zum möglichen
lichkeit in diesem Jahr Amazonien mit seinen besonde-
Klimawandel. Unter den brasilianischen Nichtregie-
ren Umweltproblemen. Seit dem Jahr 2002 unterhält
rungsorganisationen ist Vitae Civilis zu nennen, die
die CNBB eine spezielle Kommission für Amazonien. Als
auch in der Koordination des internationalen NRO-
Meinungsbilder und Institution mit hoher moralischer
Netzwerkes Climate Action Network (CAN) mitwirkt.
Glaubwürdigkeit spielt die katholische Kirche eine wich-
Als weitere brasilianische NRO sind das Instituto
tige Rolle in der brasilianischen Gesellschaft.
Socioambiental (ISA) und Netzwerke wie Amigos da
Terra sowie das „Brasilianische Forum von NROs und
Auf der Seite der Wissenschaft bzw. der Klimaforschung
sozialen Bewegungen für eine nachhaltige Entwick-
ist vor allem das Nationale Institut zur Raumforschung
lung und Umwelt (FMBOS)” zu nennen. Außerdem
Brasiliens (INPE) sowie das Institut für Ingenieurwissen-
beteiligen sich internationale Umweltorganisationen
schaften (COPPE) der Universität von Rio de Janeiro
mit ihren nationalen Ablegern wie Greenpeace und
zu nennen. Das interdisziplinäre und internationale For-
der World Wildlife Fund (WWF) mit öffentlichkeits-
schungsvorhaben zur Biosphäre und Klima der Amazo-
wirksamen Kampagnen.
nasregion (Large Scale Biosphere-Atmosphere Experiment in Amazonia, LBA) wurde in den 90er Jahren ins
Leben gerufen. Die brasilianische Klimaforschung hat
einen guten Ruf und ist international vernetzt.
CHILE:
G R E N Z K O N F L I K T E D U R C H TA U E N D E G L E T S C H E R ?
Helmut Wittelsbürger
der Energieeffizienz werden Anreize in der Bauwirtschaft für Wärmedämmung gesetzt. Unter anderen
Wegen der Einleitung giftiger Substanzen einer Cellu-
werden diese Initiativen mit einer Verringerung der
losefabrik im Süden des Landes in zwei Flüsse mit
Erderwärmung begründet. Deutsche Stellen, insbeson-
Fisch- und Vögelsterben einerseits und der brisanten
dere die bilaterale Auslandskammer, aber auch die
Debatte zur Energiepolitik mit dem geplanten Ausbau
GTZ mit Programmen für technische Beratung der
der Wasserkraft andererseits, hat die Stellung der
Nationalen Energiekommission und des Wirtschaftsmi-
ökologischen Bewegung in Chile in den letzten Jahren
nisteriums, bemühen sich, das Bewusstsein für den
zugenommen. Dennoch ist das Umweltbewusstsein im
Einsatz erneuerbarer Energiequellen zu steigern. Auch
Land weit unter dem Stand europäischer Länder. Im
diese Programme werden u. a. mit Argumenten aus der
Rahmen eines Regierungsprogramms zur Steigerung
Klimaschutzdebatte begründet.
49
Der Stern-Report und die IPCC-Berichte fanden in
jetzt erhebt Argentinien seine Stimme und fordert
Chile nur wenig Aufmerksamkeit. Bedeutender für die
Mitspracherechte beim geplanten Ausbau der chileni-
Medienberichterstattung war die Vortragsreise des
schen Wasserkraft im Süden. So führt der Klimawan-
ehemaligen Vizepräsidentschaften der Vereinigten
del auch zu einer zusätzlichen Belastung im bilatera-
Staaten, Al Gore. Sein Film und seine Veröffentlichung
len Verhältnis.
werden in den hiesigen Medien breit diskutiert; sein
Buch ist in Teilen als Sonderdruck einer Tageszeitung
beigelegt.
Die intermediären Strukturen des Landes haben das
Thema Klimaschutz noch nicht in seiner Bedeutung bei
öffentlichen Verlautbarungen aufgegriffen. Dies gilt für
Gewerkschaften, Unternehmerverbände aber auch für
die politischen Parteien. Derweilen wird bei der Berichterstattung in den Medien über die Lieferkürzungen
von Erdgas an Chile durch Argentinien und den Wasserkraftreserven, die Chile als Alternative für Energieerzeugung besitzt, auch das Thema Erderwärmung
gestreift. Als eigenständiges Thema ist es jedoch noch
nicht in der öffentlichen Debatte. Einige private Initiativen greifen die Möglichkeit des Kyoto-Protokolls auf
und handeln mit Verschmutzungsrechten, die sich für
Chile durch Aufforstung und Umweltschutzinvestitionen
ergeben und dafür ausländische Nachfrage besteht.
Chile ist Mitglied der Kyoto-Vereinbarung von Anfang
an. Ex Staatspräsident Ricardo Lagos wurde kürzlich in
das internationale Gremium zum Klimaschutz der Vereinten Nationen als Mitglied aufgenommen.
Die chilenische Regierung hat ein Aktionsprogramm
2006 mit dem Titel „Bedrohungen und Chancen des
Klimawandel für Chile” veröffentlicht. Außer der Gründung von Beratungsgremien für die Regierung und der
Formulierung von angestrebten Zielen (Bewusstseinssteigerung in der Bevölkerung, Förderung von Erziehung und Wissenschaft im Themenbereich Klimawandel; Verbesserung der Beobachtung des Phänomens;
Informationsaufbereitung zur Entscheidungsfindung;
Schaffung von spezialisierten Institutionen; Technologieförderung; aktive Teilnahme an der internationalen
Debatte; Aufnahme des Themas als Priorität für die
bilaterale technische Zusammenarbeit) ist bisher davon nichts umgesetzt worden.
Die Geografie im Süden des Landes umfasst durch
große zusammenhängende Gletschergebiete (Campos
de Hielo Norte y Sur) das größte Süßwasserreservoir
der Erde. Die Bedrohung für die Erdatmosphäre durch
den mit der Emission von schädlichen Gasen verursachten Anstieg der Durchschnittstemperatur, führt
zu einem bedrohlichen Abschmelzen der Eisfelder.
Da die Grenzziehung zwischen Argentinien und Chile
auf wandernden Gletschern nicht möglich ist (Kriterium des Wasserscheide), führt die mit der Erderwärmung verbundene Veränderung der Gletscherlandschaft zu gegenseitigen Gebietsansprüchen. Schon
Schmelzende Gletscher in Patagonien erhöhen Meeresspiegel.
Ein undatiertes Bild zeigt den Calvo-Gletscher im Süden
von Chile. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass
Patagoniens schmelzende Gletscher mehr zur Erhöhung des
Meeresspiegel beitragen, als die abtauenden Gletscher Alaskas.
Die größten 63 Eisfelder auf den Bergzügen Chiles und
Argentiniens seien zwischen 1995 und 2000 im Schnitt jährlich
doppelt so stark geschmolzen wie in den rund 25 Jahren
zuvor, berichtet ein Forscherteam aus den USA, Chile und
Großbritannien im Fachmagazin «Science». Insgesamt tragen
die Gletscher Südamerikas überproportional zur Erhöhung
des Meeresspiegels bei.
50
KOLUMBIEN:
A R M U T U N D G E W A LT V E R D R Ä N G E N U M W E LT F R A G E N
Carsten Wieland
deren drängenden Themen des Landes auseinanderzusetzen, die bisher von keiner Regierung gelöst wur-
Die Kolumbianer, die in einem der artenreichsten Län-
den. Der Umweltschutz gehört allerdings nicht dazu.
der der Erde leben, zeigen im Verhältnis zu ihrer Umwelt viele Widersprüche. Einerseits wird in Bogotá und
Bei seinem Amtsantritt fusionierte Uribe das Umweltmi-
in anderen Städten seit mehreren Jahren ununterbro-
nisterium mit dem Ministerium für Wohnungsbau und
chen jeden Sonntag die halbe Stadt für Autos gesperrt,
Infrastruktur zu einem Großministerium (Ministerio
und Arme wie Reiche, Junge wie Alte radeln auf den
de Ambiente, Vivienda y Desarollo Territorial). Kritiker
breiten Betonpisten, wo sonst die rauchenden Schlote
bemängeln, dass seither die Grundversorgung der
überalterter Busse täglich den Himmel verdunkeln. Die
Bevölkerung und das Wirtschaftswachstum die Umwelt-
inzwischen legendäre Ciclovía hatte in den 90er Jahren
politik verdrängt hätten. Regionale und nationale Um-
der konservative Bürgermeister Bogotás und spätere
weltbehörden lassen Führung und Kohärenz vermissen.
Außenminister Augusto Ramírez Ocampo eingeführt.
Das Fehlen eines Umwelt-Informationssystems (das
eigentlich 1993 beschlossen wurde) hat zur Folge, dass
Weitere grüne Maßnahmen, die im Alltag auffallen,
der Verbrauch der natürlichen Ressourcen nicht gemes-
sind strengere Abgasregeln für Autos seit diesem Jahr,
sen werden kann. Haushaltsmittel, die für Umweltbe-
rotierendes Fahrverbot für Privatfahrzeuge mit geraden
hörden bestimmt sind, verzeichnen eine rückläufige
und ungeraden Ziffern auf dem Nummernschild (Pico
Tendenz.
y Placa), der steigende Einsatz von Gasantrieb in Taxis,
der Abriss von schäbigen Stadtvierteln und das Anlegen
Keine der traditionellen oder neuen politischen Partei-
von Parks, der Bau von Fahrradwegen, zumindest sym-
en des Landes hat bisher den Umweltschutz für sich
bolische Mülltrennungen in einigen Gebieten und erste
als Thema entdeckt. Der Versuch, eine Art Grüne
Aufforderungen von Supermarktketten, weniger Plastik-
Partei zu etablieren, scheiterte dramatisch mit der
tüten zu verbrauchen.
Entführung der Franco-Kolumbianerin Ingrid Betancourt durch die Revolutionären Streitkräfte Kolum-
K L I M A - D E B ATT E O H N E P R I O R I T Ä T
biens (FARC) im Februar 2002 während des Präsidentschaftswahlkampfes. Betancourt war Vorsitzende und
Diese einzelnen Fortschritte lassen jedoch nicht auf
Gründerin der Partei Oxígeno (Sauerstoff), die nach
ein politisches Gesamtkonzept schließen, in dem der
Betancourts Entführung jedoch in der politischen
Umweltschutz eine herausgehobene Rolle spielen
Bedeutungslosigkeit versank.
würde. Weder in der Tagespolitik noch in der öffentlichen Debatte wird der drohende Klimawandel sichtbar.
P R O B L E M - FA K T O R E N
Die Medien berichten spärlich über das Thema. Wenn
über Umweltschutz diskutiert wird, dann meist über
Ein großer Streitpunkt in der Naturschutz-Debatte Ko-
lokale Probleme wie über Maßnahmen zur Reduzierung
lumbiens ist der massive Einsatz des Pestizids Glifosat,
von Abgasen in Großstädten oder über die Reinigung
das seit Jahren in Sprühaktionen aus der Luft zur
von stark verschmutzten Gewässern.
Vernichtung von Coca-Pflanzen genutzt wird. Umweltexperten halten diesen Stoff nicht nur für die Flora,
Dominierende Sorgen der Kolumbianer sind weiterhin
sondern auch für Menschen für schädlich. In weiten
der seit 50 Jahren andauernde bewaffnete Konflikt
Gebieten werde der Naturhaushalt zerstört und der
und die drängende soziale Frage. Die Prioritäten ha-
Artenreichtum des Landes gefährdet. Die europäischen
ben sich jedoch verschoben. Seit dem Amtsantritt
Staaten haben dieses Vorgehen der kolumbianische
von Präsident Alvaro Uribe 2002 ist die Sorge um die
Regierung mehrheitlich kritisiert, die zwar die Anbau-
soziale Kluft in der Gesellschaft gewachsen; Themen
fläche, nicht jedoch die Drogenproduktion deutlich re-
wie Armut, Erziehung, Gesundheitsfürsorge stehen für
duzieren konnte, während die US-amerikanische Regie-
92 Prozent der Kolumbianer an erster Stelle. Vor fünf
rung den Einsatz von Glifosat im Hilfspaket für Kolum-
Jahren waren es nach einer Umfrage der Zeitschrift
bien (Plan Colombia) gezielt unterstützt.
Semana vom Mai 2007 noch 51 Prozent. Die Gewalt
im Land stellt nur noch für 76 Prozent eine große Sor-
Innenpolitische Kritik hat das Waldgesetz von 2005
ge da (statt 92 Prozent vor fünf Jahren). Das ist ein
hervorgerufen, das weniger die natürlichen Ressourcen
klarer Erfolg für Uribes Sicherheitspolitik, die nun den
schützt als die ökonomischen Interessen der Holzin-
politischen Freiraum schafft, sich endlich mit den an-
dustrie und der Minengesellschaften. Besonders die
indigene und afro-kolumbianische Bevölkerung haben
sich gegen dieses Gesetz gewehrt, da der Großteil der
Waldflächen in ihren Lebensräumen existiert.
Der größte Anteil an Treibhausgasen macht in Kolumbien die Verfeuerung von Brennstoffen zur Energiegewinnung aus. Im Jahr 2000 pustete das Land insgesamt 117.000 Tonnen CO2 in die Luft. 80 Prozent davon
wurden zur Gewinnung von Energie verbraucht. Eine
schwache staatliche Zentralmacht, die bergige und oft
unzugängliche Geografie des Landes haben dazu ge-
Die umfangreichen Rodungen der Regenwälder in Lateinamerika
trägt zur Erderwärmung bei.
führt, dass viele kleine und mittlere Kraftwerke im Land
verstreut sind. Das hat den Vorteil, dass die Stromversorgung durch Anschläge der bewaffneten Gruppen
Kolumbien in den Sitzungen die Länder an, welche die
weniger flächendeckend gefährdet ist, führt jedoch auch
Notwendigkeit der Walderhaltung als Bestandteil des
dazu, dass Umweltstandards schwierig durchzusetzen
Klimaschutzes einbrachten. Außerdem unterstützte
und zu kontrollieren sind. Verbrannt werden Erdöl, Gas,
Kolumbien zusammen mit Brasilien die Initiative, Bio-
Kohle und zum privaten Gebrauch Holz. Der Einsatz
kraftstoffe als Faktor zur Verringerung der Treibhaus-
von erneuerbaren Energien ist noch sehr gering.
gase anzuerkennen. Die anderen Länder unterstützten
diesen Vorschlag, der ins Abschlussdokument aufge-
Die internationale Autoindustrie drängt verstärkt auf
nommen wurde.
den kolumbianischen Markt, da die Fahrzeugdichte im
Land pro Einwohner mit 1 zu 17 noch relativ niedrig
VERWUNDBARKEIT
ist. Die Stadtplaner sind jedoch schon jetzt mit dem
wachsenden Verkehr überfordert. Im Jahr 2002 fuh-
Obwohl Kolumbien lediglich 0,025 Prozent des welt-
ren 2,6 Millionen Fahrzeuge auf Kolumbiens Straßen,
weiten Kohlendioxids produziert, ist sein Ökosystem
davon 52 Prozent Pkw. Durch die Verschärfung von
durch den Klimawandel besonders verwundbar. Im
Kontrollen des rotierenden Fahrverbots seit Septem-
kolumbianischen Territorium, das 0,77 Prozent der
ber 2006 konnten zumindest für die Einwohner von
Erdoberfläche bedeckt, existiert zwischen 10 und 15
Bogotá eine leichte Verbesserung der Luftqualität
Prozent der weltweiten Biodiversität. In dem Land
erreicht werden.
sind fast alle Klimazonen zu finden, von Tropen über
Wüste bis Dauergletscher. Bei einem Anstieg der glo-
N AT I O N A L E A N S T R E N G U N G E N U N D
balen Temperaturen von durchschnittlich ein bis zwei
I N T E R N AT I O N A L E A B K O M M E N
Grad und einer Veränderung der Niederschläge um
plus/minus 15 Prozent bis 2050 würden nach Schät-
Kolumbien unterzeichnete das Abkommen zum Klima-
zungen 78 Prozent der Gletscher verschwinden.
wandel, das auf dem UN-Gipfel 1992 verabschiedet
Experten warnen nicht nur vor einer Zerstörung der
wurde, im Jahre 1994. Das anknüpfende Kyoto-
Artenvielfalt, sondern auch vor Versorgungsproblemen
Protokoll (1997) wurde von Kolumbien 2000 ratifiziert.
bei der Ressource Wasser. Andererseits, würde der
Das damalige Umweltministerium hatte die Inhalte
Meeresspiegel bis 2050 um 40 Zentimeter in der Kari-
der Abkommen aufgegriffen und verschiedene Maßnah-
bik und um 60 Zentimeter im Pazifik steigen, wären
men angestoßen. Darunter sind unter anderem eine
64 bzw. 83 Prozent der Küstenstreifen von Überflu
Studie zum sauberen Wirtschaften, Forst-Projekte zur
tungen bedroht. Krankheiten wie Dengue und Malaria
Steigerung der Absorbierung von CO2 und Maßnahmen
würden auch in den Landstrichen zunehmen, die bis-
zur Weiterbildung und Sensibilisierung. Mit Mitteln
her davon verschont sind.
der Weltbank und der Schweizer Regierung kam 1999
die Nationale Strategie-Studie zur Nachhaltigen Ent-
FA Z I T
wicklung zu Stande.
Das Thema Umweltschutz wird stark von innenpolitiKolumbien trug im Jahr 2000 zum dritten Bericht des
schen Problemen überlagert. Die Medien des Landes
Intergovernmental Panel of Climate Change (IPCC, ein
sind generell sehr national orientiert und auf den be-
Bestandteil des UN-Systems von Rio) einige wichtige
waffneten Konflikt fokussiert. Internationale Nachrich-
Initiativen bei. Darunter ist der Vorschlag, Steuern für
ten werden ungenügend reflektiert. Das mag zusätz-
Betriebe zu senken, die umweltfreundliche Technolo-
lich dazu beitragen, dass der Klimawandel bisher kein
gien verwenden, den Einsatz von Gas in Pkw und den
großes Thema in der kolumbianischen Debatte gewor-
Gebrauch von alternativen Energien zu fördern. Zu-
den ist und kein geschlossenes Politikkonzept zu die-
sammen mit Kanada, Belgien und Australien führte
sem Problem erkennbar ist.
52
PERU: ALLE ZWEI MINUTEN EIN FUSSBALLFELD
WALD WENIGER
Markus Rosenberger
DIE POLITISCHE WAHRNEHMUNG
BEÄNGSTIGENDE ZAHLEN
Der politische Diskurs zum Klimawandel unterscheidet
sich kaum vom politischen Diskurs anderer Umwelt-
Peru mit seinen 27 Millionen Einwohnern trägt mit
themen in Peru: Es gibt bei wichtigen Akteuren der
etwa 0,4 Prozent nur wenig zu den globalen Klimabe-
Umweltinstitutionen durchaus eine detaillierte Wahr-
lastungen bei. Der Beitrag entspricht ungefähr den
nehmung der Probleme und der generellen Handlungs-
Anteilen Dänemarks oder Neuseelands, die jedoch
notwendigkeiten. So verfügt der bereits erwähnte
daraus ein vier- bzw. fünffach höheres Bruttoinlands-
CONAM als zentrale Umweltinstitution der Regierung
produkt erzielen. Ungefähr die Hälfte des peruanischen
sogar über eine eigene Website zum Klimawandel
Beitrages resultiert aus der Entwaldung. Nach Aussa-
(http://www.conam.gob.pe/cambioclimatico/index.asp).
gen des nationalen Instituts für natürliche Ressourcen,
In der Öffentlichkeit wird das Thema Klimawandel je-
INRENA, wird alle zwei Minuten die Fläche eines Fuß-
doch nur sehr wenig beachtet. Eine öffentliche Diskussi-
ballfeldes entwaldet.
on etwa als Folge auf den Stern-Report oder den IPCCBericht war nicht festzustellen.
Andererseits wird Peru unter den Konsequenzen besonders leiden. Nach einer Studie des „Tyndall Centre
Die staatliche Politik konzentriert sich derzeit eindeutig
for Climate Change Research” ist Peru gegenüber den
auf Anpassungsmaßnahmen, bei denen die regionalen
klimabedingten Veränderungen das drittempfindlichste
und lokalen Klimaszenarien erkannt, die aktuellen und
Land der Welt. Die Naturkatastrophen haben sich
künftigen Verwundbarkeiten identifiziert, die Anpas-
zwischen 1990 und 2000 versechsfacht. Laut CONAM,
sungsvorschläge entwickelt und in die Planung und das
dem nationalen Rat für Umweltfragen, waren sieben
Management der regionalen und lokalen Politiken inte-
von zehn dieser Naturkatastrophen klimabedingt und
griert werden sollen.
lassen eine Verschärfung durch den Klimawandel befürchten.
In den Wassereinzugsgebieten des Mantaro in der
Region Junín, des Urubamba in der Region Cuzco, des
Ein Großteil der wirtschaftlichen Tätigkeit Perus ba-
Río Piura und in der Region Piura wurde diesem Kon-
siert auf Landwirtschaft, Fischerei und Viehzucht
zept mit Mitteln der Weltbank bereits gefolgt. Weitere
und ist deshalb durch Klimaveränderungen gefährdet.
Projekte befinden sich in der Vorbereitung.
Insbesondere die wachsende Häufigkeit des Phänomens „El Niño” drückt die Bedrohungslage für Peru
Im Verhältnis zu den Handlungsnotwendigkeiten er-
aus. Der „Niño” des Jahres 1997/98 hat in Peru zu
scheinen die bisherigen Schritte jedoch unzureichend.
Schäden von 3,5 Milliarden US-Dollar geführt. Das
Die Verteilung der Umweltzuständigkeiten auf diejeni-
entspricht etwa 4,5 Prozent des Bruttoinlandsproduk-
gen Institutionen, die für Umweltbelastungen verant-
tes.
wortlich sind und die schwache personelle und institutionelle Rolle von CONAM führen dazu, dass im praktischen
Die Anden-Gletscher haben in den letzten 25 Jahren
Handeln zu wenige Konsequenzen erkennbar sind.
22 Prozent ihrer Substanz verloren. Diese dramatische
Zahl entspricht dem zehnfachen des Jahresverbrau-
Besonders deutlich wird das bei der für die Klimabelas-
ches an Wasser der 8-Millionen-Stadt Lima. Derzeit
tung bedeutsamen Politik zur Entwaldung. Etwa zwei
wird das Gletscherabschmelzen als willkommene Erhö-
Drittel der Landesfläche Perus besteht aus tropischem
hung des Zuflusses aus den Bergen in die trockenen
Regenwald im Amazonasbecken. Diese Fläche ist mit
Küstenregionen wahrgenommen. Nach Abschmelzen
ungefähr einer Million Einwohnern nur sehr dünn besie-
der Gletscher, die eine bedeutende Speicherfunktion
delt. Entsprechend hoch ist der Siedlungsdruck auch
für Süßwasser innehaben, werden dann jedoch die aus
aus den Andenregionen, der auch vor ausgewiesenen
den Bergen in die Küstenwüste abfließenden Wasser-
Schutzgebieten nicht Halt macht. Während aber die
mengen dramatisch zurückgehen. Über 90 Prozent der
staatliche Institution INRENA im Landwirtschaftsministe-
peruanischen Bevölkerung leben in den Trockengebie-
rium für den Schutz dieser Gebiete zuständig ist, verteilt
ten und werden deshalb die Konsequenzen zu tragen
das gleiche Ministerium Landtitel an diejenigen Siedler,
haben.
die dort nachweisen können, Wald abgeholzt und zwei
Jahre lang Landwirtschaft betrieben zu haben. Diese aus
Gründen der Armutsbekämpfung verständliche Praxis
53
wird so direkt zu einem perversen Anreiz zur Waldver-
Damit lässt sich beispielhaft das Grundproblem – ver-
nichtung. Die Infrastruktur für illegalen Holzeinschlag
mutlich nicht nur der peruanischen – Klimaschutzpolitik
bahnt den ebenfalls illegalen Landbesetzungen dabei
erläutern. Die Klimabelastungen entstehen praktisch nie
oft den Weg in die sonst recht unwegsamen Gebiete.
als Folge von Handlungen, die auf Klimaschädigung abzielen. Zumeist sind es durchaus legitime Absichten, die
Während so auf der einen Seite zwar ein nationaler
hinter den belastenden Aktivitäten stehen: Der Wunsch
Plan zur Wiederaufforstung die Notwendigkeit der Wie-
nach einem Stückchen Land, die wirtschaftliche Nutzung
derherstellung von abgeholzten Waldflächen u.a. auch
von Naturressourcen sowie der Wunsch nach Mobilität.
zur Sicherung von Grundwasserressourcen beschwört,
Politisches Handeln müsste deshalb danach streben, die
geht auf der anderen Seite der massive Waldverlust
legitimen Ziele anzuerkennen und Strategien entwickeln,
unter dem Druck der Armutsmigration praktisch unge-
diese auf weniger schädlichem Wege zu erreichen. Dazu
bremst weiter.
würde jedoch ein Maß von politischer Kohäsion gehören,
welches in Peru nicht anzutreffen ist.
BOLIVIEN: ZU WENIG SCHNEE IM HÖCHSTEN
SKIGEBIET DER ERDE
Daniela Casabona
Auch im Hochland macht sich der Klimawandel bemerkbar. Auf dem (bislang) höchsten Skigebiet der Welt,
Der Diskurs über den Klimawandel wird in Bolivien
der Chacaltaya (5375 m), gibt es nicht mehr genügend
emotional und anlassbezogen geführt. Er flammt im-
Schnee, da die Gletscherschmelzgrenze in den letzten
mer nur dann auf, wenn sich außerordentliche klimati-
Jahren stark zurückgegangen ist. Trotz der mittlerweile
sche Ereignisse präsentieren. Ein solches, mittlerweile
gehäuften Ansammlung außerordentlicher klimatischer
periodisch wiederkehrendes Ereignis ist das Klima-
Ereignisse – dazu gehören speziell Überschwemmun-
Phänomen „El Niño”, welcher die gesamte Westküste
gen, lange Trockenzeiten, Kälteeinbrüche mit schwer-
Südamerikas beeinflußt. Erst im Februar 2007 hat ihn
wiegenden Konsequenzen für Vieh- und Landwirtschaft
Bolivien zu spüren bekommen: Starke Regenfälle,
– gibt es in Bolivien bislang keine wissenschaftlichen
Überschwemmungen und Hochwasser, sowie Gruben-
Studien darüber, worauf die Phänomene der letzten
einstürze belasteten West- und Zentralbolivien. Am
Jahre zurückzuführen sind. Die Vermutung, daß diese
meisten von der Katastrophe war die nördliche Tief-
Ereignisse und vor allen das Phänomen „El Niño” auf
landregion Beni betroffen. Selbst der Präfekt des Beni,
den menschlich verursachten Klimawandel zurück-
Ernesto Suarez Sartori, meinte, dass diese Region
zuführen sind, liegt nahe und wird von den boliviani-
zwar jährlich mit der Regenzeit zu kämpfen hätte, die-
schen Behörden auch immer wieder bemüht – ernstzu-
se Klimakatastrophe jedoch das schlimmste gewesen
nehmende Hinweise darauf gibt es jedoch noch nicht.
sei, was er je miterlebt habe. Einen Monat lang regnete es ununterbrochen. „El Niño” zerstörte in diesem
Die bolivianische Regierung verfolgt das Thema des
Gebiet Tausende von Häusern, fast 20.000 Einwohner
Klimawandels bislang nur sehr sporadisch und nicht
mussten ihr Heim verlassen und über 100.000 Kühe
ohne populistischen Unterton: Präsident Evo Morales
verendeten. Die Verunreinigung des Trinkwassers
schiebt die Schuld des Klimawandels pauschal auf die
führte zu Epidemien. Weiterhin können fast 10.000
Industriestaaten, sie seien für die Erderwärmung und
Einwohner noch immer nicht in ihre Häuser zurück-
die Folgen des „El Niño” verantwortlich. Obwohl das
kehren und leben in Flüchtlingslagern. Obwohl mit den
Phänomen „El Niño” schon lange im Voraus ange-
Wiederaufbauarbeiten begonnen wurde, wird es noch
kündigt wurde, wurden keine vorzeitigen Krisenpläne
eine längere Zeit dauern, bis die Häuser wieder be-
erstellt. Erst nach der Katastrophe reagierte der Staat
wohnbar sind. In den letzten Wochen wurden zudem
und bat die internationale Gemeinschaft um 9 Millio-
verstärkt Epidemiefälle des Dengue- und des Gelbfie-
nen US-Dollar Hilfe für die Aufräumarbeiten und den
bers mit tödlichen Folgen gemeldet.
Wiederaufbau. Zudem wurde lediglich akuter Katastrophenschutz in Form von Evakuierungen geleistet.
Eine vorausschauende Krisenplanung wird von der
Regierung Morales bislang nicht bemüht.
54
G U AT E M A L A : K L I M A W A N D E L I N A L L E R M U N D E –
ABER AUCH IN DEN KÖPFEN?
Tjark Egenhoff
nicht bedeutend zunehmen wird, so wird deren Intensität und Zerstörungskraft deutlich ansteigen. Katastro-
Zu Beginn des Winters, der die Regenzeit in Guatemala
phen im Ausmaß von „Stan” werden somit keine Einzel-
einleitet, zitiert die bekannteste Tageszeitung des Lan-
fälle bleiben. Dabei sprechen Studien des guatemalte-
des eine Studie zu den Auswirkungen des Klimawan-
kischen Umweltministeriums von einer Erwärmung des
dels, die die Zahl der von den Tropenstürmen betroffe-
Klimas bis 2020 von bis zu 1,7 Grad, was zu extremen
nen Menschen für dieses Jahr auf knapp eine halbe
Dürreperioden insbesondere im Hochland Guatemalas
Million schätzt. Seit der Wirbelsturm Stan im Jahr 2005
führen könnte.
über die Region ging, ist das Thema Umwelt- und
Katastrophenschutz endgültig in Guatemala angekom-
Vor dem Hintergrund der von einem Großteil der
men. Durch die starke Präsenz der internationalen
Bevölkerung betriebenen Subsistenzwirtschaft bergen
Gebergemeinschaft bekommen Einschätzungen inter-
solche Szenarien auch politischen Sprengstoff: Fragen
nationaler Organisationen einen vergleichsweise pro-
der Ernährungssicherheit und der Wasserversorgung,
minenten Platz in den Medien. Auch wenn die Berichte
die in Guatemala seit jeher auf der Tagesordnung
des IPCC und des britischen Regierungsberaters Sir
stehen, rücken damit weiter in den Vordergrund.
Nicholas Stern relativ unbekannt sind, konnte sich in
Darüber hinaus rechnet das Umweltministerium mit
den letzten Jahren eine reifere Debatte über Umwelt-
einem Anstieg an Infektionskrankheiten wie Malaria
schutz und Klimawandel entwickeln.
und Dengue-Fieber, die in einigen Departments bereits
jetzt Hauptursache für Sterblichkeit geworden ist.
Traditionell wurde in der Region Umweltschutz als
Internationale Teams der Weltgesundheitsorganisation
Hemmfaktor für die notwendige wirtschaftliche Entwick-
sind derzeit im Landesinneren unterwegs, um auf be-
lung angesehen und damit politisch kaum wahrgenom-
stehende Gefahren aufmerksam zu machen.
men. Das öffentliche Meinungsbild wandelt sich jedoch
Diese Auswirkungen werden zunächst die ärmsten Gua-
angesichts konkreter Bedrohungen: Obwohl die Region
temalteken zu spüren bekommen. Der Zugang zu saube-
nur minimal zur Erderwärmung beiträgt (Lateinamer-
rem Wasser kann durchaus zu einer neuen Konfliktlinie
ika ist für lediglich 7 Prozent des weltweiten Ausstoßes
in der guatemaltekischen Gesellschaft werden. Proble-
von Treibhausgasen verantwortlich), werden Guatemala
matisch erscheint dabei Experten, dass in Guatemala
und Zentralamerika in Zukunft stärker von den Folgen
keine kohärente Umweltagenda implementiert wird.
des Klimawandels betroffen sein als viele andere Regio-
Dabei existieren die gesetzlichen und institutionellen Vo-
nen der Erde. Dies liegt vor allem an der ungeschützten
raussetzungen bereits: In Guatemala ist der Schutz der
geographischen Lage zwischen zwei Ozeanen.
Umwelt verfassungsrechtlich in Art. 67 und Art. 97 festgeschrieben, wobei insbesondere auf den Schutz der
In den politisch turbulenten Zeiten des Wahlkampfes
Wälder und die Aufforstung (Art. 126) eingegangen wird.
2007 spielt das Thema Klimawandel und Umweltschutz
Im Forstgesetz wurde 1996 auch explizit die Bedeutung
jedoch bisher keine Rolle. Dies könnte sich schnell
der Wälder in Bezug auf den Klimaschutz aufgenommen.
ändern, falls ein schwerer Sturm das Land erreichen
sollte. Der Katastrophenschutz insbesondere auf Ge-
Institutionell ist das Ministerium für Umweltschutz und
meindeebene hat sich seit Wirbelsturm Stan 2005 nicht
natürliche Ressourcen (MARN) für die Umsetzung der
substantiell verbessert. Guatemala wird vermutlich wie-
Politiken zuständig: Mit der Fertigstellung des ersten
der von internationaler Hilfe abhängig sein. Bis heute
nationalen Berichts zum Klimawandel 2001 wurde ein
ist die Infrastruktur in den damals besonders betroffe-
Referat im Umweltministerium eingerichtet, das die
nen Gebieten nicht vollständig wieder aufgebaut.
Umsetzung der Klimarahmenkonvention begleiten soll,
die Guatemala 1999 unterzeichnete. Es existiert daher
Eindeutig ist, dass sich die Bevölkerung in Zentralame-
bereits eine Aufstellung der Treibhausgasemissionen
rika und speziell in Guatemala auf extreme Wetterphä-
in Guatemala, die Zielformulierungen und Implemen-
nomene einstellen muss. Dabei ist der Isthmus in zwei-
tierung im Bereich der Klimapolitik ermöglicht. Guate-
erlei Hinsicht betroffen: Auf Dürreperioden folgen kur-
mala kam auch seinen Verpflichtungen aus dem Kyo-
ze, aber kräftige Regenphasen: Das Phänomen des
to-Protokoll nach und richtete ein nationales Büro für
„Niño”, der zu ausgeprägten Trockenzeiten führt, wird
saubere Entwicklung ein, das seit 2005 – allerdings
von der „Niña” abgelöst, die die verspätete Regenzeit
ohne ausreichende Finanzierung – operiert. Interna-
einleitet und ganze Landstriche überschwemmt. Obwohl
tional von Interesse ist das enorme Potential Guate-
davon ausgegangen wird, dass die Anzahl der Stürme
malas zur Aufforstung und damit zur Reduzierung des
55
CO2-Gehaltes in der Atmosphäre. Das Land verfügt
Wirbelsturms Stan niemand mehr. Positiv ist auch,
über große Waldflächen, die momentan ca. 14 Millionen
dass Guatemala seinen internationalen Verpflichtun-
Tonnen CO2 in einem 5-Jahres-Rhytmus neutralisieren.
gen nachzukommen sucht. Dennoch beunruhigt die
Durch Instrumente des Clean Development Mechanism
Tatsache, dass sowohl in der Prävention von umwelt-
des Kyoto Protokolls kann dieser Effekt auf 89 Millionen
schädlichem Verhalten, als auch im Bereich des Kata-
gesteigert werden.
strophenschutzes nur vereinzelte Fortschritte zu verzeichnen sind. Die Folgen des Klimawandels können
Allerdings wäre dafür die Implementierung einer über
in diesem Wahljahr durchaus noch zu einem bedeut-
eine Wahlperiode hinaus andauernde umweltpolitische
samen Thema werden, wenn die Menschen – wie von
Agenda notwendig. Dass die Auswirkungen des Klima-
Meteorologen angekündigt – von langandauernden
wandels in Zentralamerika bereits schwerwiegende
Regenfällen und Unwettern existentiell bedroht wer-
sowohl humanitäre, als auch wirtschaftliche und sozia-
den. Zu hoffen bleibt, dass die Bedeutung von Umwelt-
le Folgen haben, bezweifelt nach der Katastrophe des
politik auch ohne weitere Katastrophen erkannt wird.
DAS KLIMA IM SPIEGEL DER MEDIEN
L AT E I N A M E R I K A S : U M W E LT B E R I C H T E H A B E N
AUFWIND – ABER KEIN ANSEHEN
Karla Sponar | Eva Bohn
Heutzutage kommt kaum ein Medium in Brasilien mehr
am Thema Umwelt vorbei. Dies ist zum einen eine
Umweltschutz und Umweltzerstörung haben globale und
Antwort auf das öffentliche Interesse, auf das Umwelt-
lokale Dimensionen. Das machen Berichte über die Erder-
fragen stoßen. Zum anderen sorgen sich die Menschen
wärmung insbesondere nach den diesjährigen Berichten
auch, welche ökonomischen Folgen Umweltschäden
des IPCC deutlich. Dass Lateinamerika die Auswirkungen
haben können. Zahlreiche Zeitungen haben Sonder-
der Klimaerwärmung stärker zu spüren bekommen wird,
beilagen zur Thematik oder berichten zumindest
haben einige lateinamerikanische Medien nicht verschwie-
regelmäßig. Zero Hora aus Puerto Alegre ist ein gutes
gen. Sie haben speziell nach den letzten Berichten der
Beispiel. Diese Zeitung publiziert einmal wöchentlich
Vereinten Nationen über die Prognosen der Forscher für
eine eigene Umweltrubrik, in der die Herausforderun-
Klimawandel informiert: die Verbreitung oder den Wie-
gen des 21. Jahrhunderts mit lokalem Bezug diskutiert
derausbruch von Cholera, Malaria und anderen Seuchen,
werden. Auf diese Weise wird den Menschen vor
die Versteppung des Amazonasbeckens und das Ab-
Augen geführt, was jeder Einzelne tun kann, um die
schmelzen der Gletscher im Süden. Wie sind diese War-
Umwelt zu schützen. Darüber hinaus gibt es in Brasi-
nungen einzuschätzen, wie müssen Verbraucher, wie Poli-
lien zwei Fachzeitschriften, die ausschließlich das
tik und Wirtschaft reagieren? Hier ist ein lange vernach-
Thema Umwelt behandeln. Aber auch andere Medien
lässigtes Gebiet des Journalismus gefragt: der investi-
sind in diesem Bereich aktiv. Vor allem kleine Bürger-
gative Umweltjournalismus. Ein Blick auf die Medienland-
radios senden spezielle Berichte. Der Fernsehsender
schaft am Beispiel zweier Länder des Subkontinents.
TV Cultura, der sich vor allem als Bildungseinrichtung
versteht, sendet zwei Mal in der Woche das umwelt-
Vor allem im Ursprungsland der Klimarahmenkonven-
bezogene Programm Repórter Eco, zu dem auch ein
tion, in Brasilien, wo 1992 der Erdgipfel von Rio de
umfangreiches Internetangebot gehört. Hier ist die
Janeiro stattfand, der als erster Umwelt- und Entwick-
Problematik der Klimaerwärmung seit Herbst letzten
lungsfragen als eine gemeinsam zu bewältigende Auf-
Jahres ein Dauerthema.
gabe begriff, ist der professionelle Umweltjournalismus
relativ weit gediehen. Bereits 1989 gab es Bemühungen,
Das greift auch die Politik im Lande auf. So verkün-
mit Hilfe von kleineren regionalen Zentren eine natio-
dete Präsident Lula da Silva gegenüber der Nach-
nale Entität zum Themenfeld Umweltjournalismus zu
richtenagentur Reuters unlängst: „Ich werde zum
schaffen. Tatsächlich überlebt hat aber nur das Zentrum
G8-Gipfel gehen und wenn sie anfangen, über globale
in der Region Rio Grande do Sul (Nejrs – Nucleo de
Erderwärmung zu reden, werde ich da sein und mein
Ecoperiodistas de Rio Grande do Sul), das bis heute
Biodiesel-Paket präsentieren.”
sehr aktiv ist und den Kontakt zu rund 300 Journalisten
im ganzen Land pflegt.
56
Dies darf jedoch nicht darüber hinweg täuschen, dass
Solche Initiativen sind in Lateinamerika umso wertvoller,
der Umweltjournalismus trotzdem in Brasilien immer
zumal hier in einigen Gebieten – wo ärmere Bevölke-
noch ein Ressort ist, das mit wenig Prestige verbunden
rungsgruppen oft keinen Schulabschluss erhalten – Mas-
ist und außerdem über wenig ausgebildete Spezialisten
senmedien für einen Großteil bisweilen zur einzigen In-
verfügt. Ein Großteil der Presse reagiert nur auf Kata-
formations- und Bildungsquelle werden. Ohne eine breit
strophenmeldungen oder Beschuldigungen von Um-
gestreute Information ist allerdings wenig Veränderung
weltorganisationen aus dem Ausland. Diese werden
zu erwarten, meint der brasilianische Autor, Professor
vor allem im Bezug auf die Abholzung des Regenwal-
und Umweltschützer Vilmar Berna: „Um wirklich etwas
des im Amazonasgebiet immer wieder laut. Internatio-
zu ändern, ist die Beteiligung der Bevölkerung notwen-
nale Organisationen dienen als Richtlinie der Bericht-
dig. Ohne die Menschen kann man nichts Neues schaf-
erstattung, was zur Folge hat, dass wenig eigene in-
fen.” Um aber diese Menschen zu erreichen, müssen
vestigative Arbeit geleistet wird und selten Bezug zur
Journalisten die komplizierten Sachverhalte der Wissen-
lokalen Bevölkerung hergestellt wird. So steigt zwar
schaft allgemein verständlich übersetzen können. Dazu
das Volumen der Nachrichten, doch nicht die Qualität
bedarf es einer fundierten Ausbildung, die in den meisten
der Berichterstattung.
Fällen nicht angeboten wird. Unter den Verlegern ist
noch immer die Ansicht weitverbreitet, jeder Journalist
Ein ähnliches Bild zeigt sich in Peru. Dort wurde vor
könne eine Nachricht zur Umweltthematik schreiben.
wenigen Jahren eine nationale Gesellschaft für Um-
Eine Umfrage unter Journalisten ergab, dass die wenigs-
weltjournalismus gegründet, deren Präsident Juan-
ten, die auf diesem Gebiet tätig sind, über das nötige
Pablo Chirito Susanibar sich für die Belange der Um-
Spezialwissen verfügen. Einige engagierte Vertreter
welt und der Umweltjournalisten einsetzt. Sein beson-
eignen es sich neben ihrer regulären Arbeit in Fortbil-
deres Engagement ist ein Beispiel dafür, dass investi-
dungen an. Doch eine tiefer reichende Spezialisierung
ger Umweltjournalismus in Peru von der treibenden
lohnt sich für die meisten nicht, da es derzeit undenk-
Kraft weniger Aktivisten abhängig ist. So gab es in der
bar scheint, den Lebensunterhalt allein mit der Be-
Zeitung El Comercio in den 90er Jahren solange eine
richterstattung für ein Umweltressort zu finanzieren.
wöchentliche Seite zum Thema, bis deren Initiatorin
Auch Verleger sind einem wirtschaftlichen Druck aus-
von Mitgliedern der terroristischen Gruppe Sendero
gesetzt. Es ist besonders schwierig, Werbeanzeigen
Luminoso ermordet wurde. Ihre Stelle wurde nicht
beispielsweise für Zeitungsseiten zu verkaufen, die
ersetzt.
sich der Umweltproblematik widmen. Unternehmen
scheuen sich, eine Werbung neben negativen Meldun-
Ähnlich wie in Brasilien bestehen Meldungen über um-
gen über industrielle Wasser- oder Luftverschmutzung
weltbezogene Themen in Peru häufig nur aus bloßen
zu platzieren.
Nachrichten. Kommentare werden, wenn überhaupt,
von Gastautoren geschrieben, um Konflikte mit Minen-
So überrascht die kritische Haltung zahlreicher Wis-
betreibern und der Energiewirtschaft zu vermeiden, die
senschaftsexperten nicht. Sie betonen, dass vor allem
im Zentrum der Kritik stehen. So sagt der Journalist
kleine Zeitungen fehlerhafte Meldungen veröffentli-
Jorge Riveros über El Comercio: „Sie sterben vor Angst.
chen und diese Fehler nicht berichtigen. Journalisten
Die Zeitung hat viel Einfluss, aber keinen journalisti-
zitieren Quellen, ohne sie zu verstehen oder zu hinter-
schen Charakter.”
fragen. Beiträge zum Thema Umwelt bestehen des-
Ein populäres Thema ist der Ökotourismus. Aber
ßige Hintergrundberichte findet man nur selten.
halb oft aus Nachrichten. Kommentare und regelmäMedienangebote, die sich umfassend mit der Umweltproblematik beschäftigen, unterliegen einer ständigen
Einige Ausbildungsstätten haben allmählich begonnen,
Finanzierungsnot. In Peru hat eine Umweltinitiative
dieses Defizit aufzuarbeiten: so z. B. Universitäten in
Erfolg, die landesweit Medienangebote unter dem Titel
Mexiko oder Brasilien. Sie bieten vermehrt Kurse an,
Te quiero verde anbietet. Diese Informationen gehen
die Nachwuchsjournalisten das nötige Wissen und
über die bloße Darstellung von Sachverhalten hinaus.
Werkzeug an die Hand geben, um im Spannungsfeld
Für dieses Engagement in Form einer wöchentlichen
zwischen Politik, Wirtschaft, Entwicklung und Umwelt-
Radiosendung erhielt die Initiative kürzlich zum zwei-
schutz investigativ zu arbeiten.
ten Mal einen Umwelt-Preis. Zusätzlich werden auf
einer Internetseite Hintergrundinformationen und ein
Umwelt-Wörterbuch angeboten.
Kasachsatan
Mongolei
Usbekistan Kirgisistan
Turkmenistan
Tadschikistan
Süd-Korea
China
Afghanistan
Indien
Thailand
Vietnam
Kambodscha
Singapur
Indonesien
ASIEN
58
C H I N A : E H R G E I Z I G E K L I M A S C H U T Z- Z I E L E
AUSSERHALB DES KYOTO-PROTOKOLLS
Thilo Diefenbach
die China bis zum Jahre 2010 zu verwirklichen gedenkt. Viele Einzelpunkte in diesem letzten Abschnitt
Spätestens seit der Veröffentlichung des vierten IPCC-
deuten jedoch eher auf Absichtserklärungen hin, so
Berichts steht der Klimawandel auf der politischen
zum Beispiel die Ankündigung, vermehrt in die Erfor-
Agenda Deutschlands. Bundeskanzlerin Angela Merkel
schung und Entwicklung umweltschonender und ener-
hat die deutsche EU-Ratspräsidentschaft im ersten
giesparender Technologien investieren bzw. diese ver-
Halbjahr 2007 dazu genutzt, verbindliche Richtlinien
stärkt einsetzen zu wollen. Aber auch konkrete Selbst-
bei den 27 Ländern der Gemeinschaft durchzusetzen;
verpflichtungen sind zu finden. So sollen bis 2010
daneben hat sie ihre Gastgeberrolle bei dem diesjährigen G8-Gipfel dazu genutzt, für ein weltweit gemein-
■
sames Vorgehen gegen die drohenden Folgen exzessi-
der Energieverbrauch pro Einheit des Bruttoinlandsprodukts im Vergleich zum Jahre 2005 um 20 Pro-
ver Umweltverschmutzung und Ressourcennutzung zu
zent sinken,
werben.
■
Ihr Eintreten für Maßnahmen wie die freiwillige Verrin-
■
der Anteil erneuerbarer Energien an der EnergieGesamtproduktion auf 10 Prozent anwachsen,
der Anteil bewaldeter Flächen an der Gesamtfläche
des Landes von 18 auf 20 Prozent steigen.
gerung des Ausstoßes von Treibhausgasen stößt jedoch nicht überall auf Gegenliebe. Die USA, die das
Kyoto-Protokoll nicht ratifiziert haben, wehren sich
Darüber hinaus sollen bis 2010 folgende Reduzierun-
entschieden gegen jegliche ökologischen Vorgaben.
gen bei den CO2-Emissionen erreicht werden:
Zahlreiche Entwicklungsländer – China vorneweg –
verwerfen diese als unzulässige Einmischung in ihre
■
inneren Angelegenheiten oder, schlimmer noch, als
500 Millionen Tonnen durch den Ausbau von Wasserkraftwerken,
Versuch des Westens, ihren mühsam erkämpften Auf-
■
200 Millionen Tonnen durch Kohlegaswerke,
schwung abzubremsen.
■
110 Millionen Tonnen durch den Einbau moderner
Im Laufe der vergangenen Monate hat sich das Bild
■
Technik in Kohlekraftwerke,
Solar- und Gezeitenkraftwerke,
jedoch unerwartet gewandelt: Zuerst schwenkte die
Bush-Regierung im Mai 2007 um und legte einen
■
50 Millionen Tonnen durch die Errichtung von neuen
Kernkraftwerken und
eigenen Klimaplan vor, den sie als ersten Vorschlag
für eine Fortsetzung des 2012 auslaufenden Kyoto-
60 Millionen Tonnen durch den Ausbau von Wind-,
■
30 Millionen Tonnen durch die Nutzung von Biomasse.
Protokolls verstanden wissen will. Kurz darauf kündigte
die chinesische Regierung an, einen eigenen Klima-
Diese Zahlen sind in der Tat beeindruckend. Wenn
Aktionsplan präsentieren zu wollen, was dann am
man bedenkt, dass China im Jahre 2005 ca. 5,3 Milli-
4. Juni 2007 im Rahmen einer Pressekonferenz auch
arden Tonnen Kohlendioxid in die Atmosphäre emittiert
tatsächlich geschah.
hat, dann würde die hier angekündigte Verringerung
um insgesamt 950 Millionen Tonnen bis 2010 eine
Der zuständige Direktor der Nationalen Kommission für
Reduktion um ca. 18 Prozent im Vergleich zum Jahre
Entwicklung und Reform, Ma Kai, erklärte, dass China
2005 bedeuten – eine im Vergleich zu den Forderun-
keine konkreten und verpflichtenden Quoten für die
gen des Kyoto-Protokolls sehr beeindruckende Zahl.
Reduktion des CO2-Ausstoßes akzeptieren werde. Auf
Auch die geplante Aufforstung nimmt sich, in absolu-
diese eher ernüchternde Feststellung folgten jedoch
ten Zahlen ausgedrückt, eindrucksvoll aus: sie würde
einige Aussagen, die durchaus positiv zu werten sind.
mehr als 191.000 km2 umfassen (was in etwa der
Das von der chinesischen Regierung vorgelegte Konvo-
Fläche Syriens oder Kirgisiens entspricht). Trotzdem
lut besteht aus folgenden Teilen: Eine umfangreiche
scheint Skepsis angebracht, ob dieses ehrgeizige Pro-
Begründung für die Notwendigkeit, den Klimawandel
gramm rein technisch tatsächlich innerhalb von nur
als globales Problem zu begreifen und entsprechend
drei Jahren umgesetzt werden kann.
zu handeln; eine Schilderung der Auswirkungen des
Klimawandels auf China; eine Aufstellung der bisher
In der offiziellen chinesischen Presse wurden die
geleisteten Arbeit auf diesem Gebiet; des weiteren die
Verlautbarungen Ma Kais sehr positiv aufgenommen.
Probleme und Widersprüche, die sich aus Chinas Enga-
Aber auch in der Hongkonger Presse, die sonst nicht
gement für den Klimaschutz ergeben und schließlich
mit Kritik an Peking spart, fanden sich viele lobende
eine ausführliche Liste von Maßnahmen und Vorhaben,
Bewertungen. Allerdings konnte man dort auch lesen,
59
wie Kishan Khoday, ein Mitarbeiter des UN-Entwick-
ebenso wie die Erfolgsmeldungen, die man Anfang
lungsprogramms in Peking, vorsichtige Skepsis äußer-
2011 zu lesen und zu hören bekommen wird.
te: „Die große Herausforderung wird darin bestehen,
diese ehrgeizigen Ziele umzusetzen.” Damit wollte er
Wenn man die Umstände der Pressekonferenz des
jedoch nicht nur den technischen bzw. quantitativen
4. Juni näher betrachtet, drängt sich der Eindruck auf,
Aspekt ansprechen.
dass es der chinesischen Regierung zwar durchaus um
einen Beitrag zur Lösung des Klimaproblems ging, da-
China hat in den letzten Jahren eine kaum noch über-
rüber hinaus aber auch um eine gute Öffentlichkeitsar-
schaubare Anzahl von sehr fortschrittlichen Gesetzen
beit. So war der Zeitpunkt dafür geschickt gewählt;
und Verordnungen zum Umweltschutz erlassen, außer-
man könnte auch sagen, der Vorstoß von Präsident
dem gestattet es mittlerweile bis zu einem gewissen
Bush brachte die Chinesen, die weltweit – neben den
Grad eine Berichterstattung über Umweltprobleme. Die
USA – als die größten Verursacher von Treibhausgas-
Pekinger Führung hat begriffen, dass ein Entwicklungs-
emissionen bekannt sind, in Zugzwang. Was Ma Kai
modell, das einseitig auf Wachstum und Profitstreben
auf der Pressekonferenz an künftigen Vorgaben für die
setzt und Umweltaspekten wenig Beachtung schenkt,
chinesische Wirtschaft verkündete, waren allerdings
fatale Folgen für die Gesundheit der Bevölkerung nach
keine Neuigkeiten – sie sind schon in ähnlicher Form
sich ziehen kann, wobei die Umweltprobleme, mit de-
im elften Fünf-Jahres-Plan zu finden, der im März 2006
nen sich China konfrontiert sieht, um ein Vielfaches
verabschiedet wurde. Dass die chinesische Regierung
größer sind als diejenigen der Bundesrepublik Deutsch-
diese Richtlinien nun als Neuheit an die Weltöffentlich-
land in den 60er und 70er Jahren. Das eigentliche Defizit liegt vielmehr in der Umsetzung der wohlmeinenden
Regulierungen. Die scheinbar allmächtige Zentrale versagt regelmäßig, wenn es darum geht, die Anwendung
von Gesetzen und – bei Nichtbefolgen derselben – von
Sanktionen auf lokaler Ebene durchzusetzen. Unterhalb
der Provinzebene agieren nicht wenige Kader auf
eigene Rechnung bzw. auf die ihrer Verwandten oder
Freunde. So werden teilweise gravierende Umweltsünden verschwiegen und – wenn überhaupt – nur leicht
bestraft. Jonathan Lash, der Vorsitzende des World Resources Institute, sagte kürzlich der New York Times:
„Die Zentralregierung hat überhaupt keine Kontrolle
mehr darüber, was wo gebaut wird. Die Stahlindustrie
lässt sich von illegalen Kokereien versorgen, die kurz
nach ihrer erzwungenen Schließung anderswo wieder
aufgebaut werden.” Die offizielle Einstellung dazu kann
Chinas rasanter wirtschaftlicher Aufschwung hat erhebliche
Umweltbelastungen zur Folge.
man einem Kommentar in der China Daily entnehmen:
„Viele fordern, die Staatliche Behörde für Umweltschutz
(SEPA) so zu stärken, dass sie unfolgsame Lokalbehör-
keit verkauft (offiziell hieß es, die Erstellung des Plans
den maßregeln kann. Die Kernfrage besteht allerdings
habe zwei Jahre in Anspruch genommen), spricht für
immer noch darin, ob das Umweltbewusstsein in allen
das taktische Geschick der Regierung im Vorfeld des
Prozessen der Entscheidungsfindung gegenwärtig ist.”
G8-Gipfels von Heiligendamm, wo die Thematik des
Im Klartext: eine Kompetenzerweiterung der schwa-
Klimawandels ganz oben der Agenda stand. Denn, so
chen SEPA scheint keine hohe Priorität zu haben; statt
erkannte Zhang Ailun, die Sprecherin der chinesischen
auf Kontrolle und Sanktionen setzt man lieber weiterhin
Greenpeace-Vereinigung: „Dieser Plan bringt Präsi-
auf moralische Appelle.
dent Hu in eine gute Verhandlungsposition bei den G8Gesprächen.”
Der Erfolg des vorgelegten Klima-Aktionsplans wird
deshalb ganz entscheidend davon abhängen, ob die
Durchführung der umrissenen Vorhaben konsequent
überwacht wird. Nach den bisherigen Erfahrungen ist
dies jedoch nicht zu erwarten, auch wenn die Führung
der KPCh ein gestiegenes Interesse an weitergehenden
Maßnahmen im Bereich des Umwelt- und Klimaschutzes hat (allein schon aus Sorge um die Stabilität des
Landes und damit ihre eigene Machtposition). Daher
sind die Ankündigungen mit Vorsicht zu genießen –
60
INDIEN:
AKTIV BEI DER NUTZUNG ERNEUERBARER ENERGIEN
Jörg Wolff
Jedoch ist erst in den letzten zwei Jahren die Klimadiskussion parallel zur internationalen Debatte über die
„There is no such policy in place in India. Ministers
Fachkreise hinaus in die breitere Öffentlichkeit und da-
even at the highest levels don't understand that it is of
mit in den innerindischen Diskurs gelangt. Sie bezieht
prime importance. Each one passes on the buck. We
sich auf die vermuteten Folgen des Klimawandels für
may be a poor country, but it is time for us to take this
Indien, unterstreicht die Besorgnisse seiner Auswir-
fairly seriously and implement a policy, a kind of wake-
kungen auf den Subkontinent und weist die Verantwor-
up call.”
tung den Industrieländern zu.
Dr. Rajendra Kumar Pachauri, Vorsitzender des Welt-
Die gegenwärtige Diskussion enthält folgende Schwer-
klimarats der UN, Direktor des indischen KAS-Partners
punkte:
„The Energy and Resources Institute” (TERI) und
Friedensnobelpreisträger 2007
■
Die Folgen des Klimawandels für Indien und den
Subkontinent werden mit den prognostizierten Problemen dargestellt und diskutiert.
1. DER INDISCHE DISKURS ZUM KLIMAWANDEL
■
Die Verantwortung für die kumulative Konzentration
Die Anfang Mai 2007 in Bangkok veröffentlichte Zu-
von Treibhausgasen in der Atmosphäre, den gegen-
sammenfassung („Summary for Policy Makers”) des
wärtig hohen Kohlendioxid-Ausstoß und damit für
dritten und letzten Teils der drei Weltklimaberichte des
den Klimawandel liege bei den entwickelten Länder
Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC)
des Westens und ihrer Industrialisierung in den letz-
hat auch in Indien den öffentlichen Diskurs zum Klima-
ten 150 Jahren (Überschrift einer Zeitung: „Paying
wandel aufleben lassen. Der Bericht stellt u. a. fest,
for the Sins of West?”). Insoweit bestehe eine
daß nicht nur die Industrie-, sondern vor allem auch
(Bring-) Schuld der entwickelten an die sich ent-
die Schwellenländer, darunter auch Indien, in großem
Umfang am Anstieg des Treibhausgas-Ausstoßes und
wickelnde Welt.
■
Daher hätten die Industrieländer die Verpflichtung,
damit an den vermuteten Ursachen des Klimawandels
einen wesentlich höheren Anteil als die Entwick-
beteiligt sind.
lungsländer an der Reduzierung der Abgase bei Festlegung möglicher künftiger Grenzwerte zu leisten
Die indische Naturwissenschaft hatte sich bereits Ende
und sich darüber hinaus maßgeblich an der Finanzie-
der achtziger und Anfang der neunziger Jahre mit dem
rung alternativer Energien bzw. moderner Klima-
Klimawandel und seinen Folgen für den indischen Sub-
technologien in den Entwicklungsländern zu beteili-
kontinent befasst, darunter auch der renommierte
KAS-Partner „The Energy and Resources Institute”
gen.
■
Obwohl Indien zu den großen CO2-Verursachern ge-
(TERI). Der OECD-Bericht „Climate Change: Indias
höre, liege die Pro-Kopf-Emission erheblich niedriger
Perceptions, Positions, Policies and Possibilities” führte
als in den Industrieländern (0,25 Tonnen gegenüber
die Fachdiskussion fort. Ein Jahr später, 2002, veran-
den USA mit 5,60 Tonnen). Indien verursache nur
stalteten die VN zur Vorbereitung der Ratifizierung des
4 Prozent der Treibhausgase, obwohl es 17 Prozent
Kyoto-Protokolls in Neu Delhi eine Konferenz zu den
Klimaveränderungen. Der damalige Ministerpräsident
der Weltbevölkerung stelle.
■
Es fehlt in diesem Zusammenhang selten der Hin-
Atal Behari Vajpayee beschrieb auf ihr die skeptische
weis, dass China, im Gegensatz zu Indien, in drei
indische Sicht: Indien sei nur für einen Bruchteil der
Jahren die USA als Hauptverursacher von Kohlen-
weltweiten Treibhausgase verantwortlich, die Kosten
dioxid überholen könnte, ein Jahrzehnt früher als
einer Reduktion wären zu hoch und würden nur die
Bemühungen um ein höheres Wachstum zur Armuts-
angenommen.
■
Zwischen Wirtschaftswachstum, dem Verbrauch
bekämpfung beeinträchtigen. An dieser offiziellen
fossiler Energie und dem Ausstoß von Kohlendioxid
Haltung hat sich bis heute nur wenig geändert. Indien
bestehe ein direkter Zusammenhang. Indien werde
unterzeichnete das Kyoto-Protokoll von 1997 im Jahre
sich zu nichts verpflichten, was das Wirtschafts-
2002 und wurde von seinen Bestimmungen freige-
wachstum bremse und damit seine weiteren Ent-
stellt.
wicklungsanstrengungen und die Armutsbekämpfung
mindere. Maßnahmen zur Reduktion des Ausstoßes
von CO2 würden daher für Indien ausgeschlossen.
61
■
Viele Länder seien ohnehin weit von ihren im KyotoProtokoll zugesagten CO2-Minderungen entfernt.
■
Die Schwellenländer würden die Energie effizienter
als die Industriestaaten nutzen. Gegenüber einer
Reduktion von Emissionen hätten daher Strategien
für CO2-arme Wirtschaftsformen Vorrang.
Die öffentliche Diskussion bewegt sich einerseits also
um die Frage, welchen Anteil Indien an der Verminderung des Kohlendioxids, für das es sich nicht als Verursacher sieht, übernehmen soll und muss, anderseits
um die Finanzierung der hohen Lasten die das Land
dafür aufzuwenden hat. Dabei herrscht die Meinung
vor, dass Indien weder ein signifikanter Verursacher
des Klimawandels ist, noch es in der vorhersehbaren
Zukunft sein wird.
Indien ist bei der Unterstützung erneuerbarer Energien aktiv.
Eine interessante Stimme mit Gehör im innerindischen
Diskurs kommt von Dr. Amit Mitra, Generalsekretär
des KAS-Partners „Federation of Indian Chambers of
■
nachweisbarer Schmelzprozess der Himalaya-
Commerce and Industry” (FICCI), der davor warnt, in
Gletscher mit umfassenden Auswirkungen auf
extreme Positionen zu verfallen. Er stellte in einem
den Wasserhaushalt Südasiens, Verschärfung der
bestehenden Wasserknappheit und -versorgung,
vielbeachteten Leitartikel der Times of India fest, daß
es weltgeschichtlich immer wieder extreme Klimaperi-
■
zunehmende Wetterextreme mit Änderung des
oden gab. Die Wissenschaft sei sich noch nicht einig,
Monsunverhaltens, der Wettermuster (Trockenzeiten,
ob gegenwärtig tatsächlich eine Klimakatastrophe be-
Monsune) und Veränderungen des ökologischen
Gleichgewichts, und dadurch
vorstehe und wenn ja, ob die Wirtschaftsentwicklung
bzw. die Industrialisierung ihre Ursache wäre. Jedoch
■
Dürren und Landverwüstung in weiten Teilen Indiens,
müssten alle Länder gleichermaßen aggressiv ihre
welche die landwirtschaftlichen Flächen mit Aus-
Emissionen kontrollieren. Für Indien empfiehlt er eine
wirkungen auf die Versorgung der Bevölkerung mit
technologische Lösung für die Reduzierung von Treib-
Grundnahrungsmitteln beeinträchtigen dürfte.
hausgasen durch alternative Energien, bei denen Indien mit Europa zusammen ohnehin führend sei. Dafür
Bei diesen Folgerungen kommt dem Abschmelzen der
sei aber eine enge und starke Partnerschaft mit den
Gletscher im Himalayagebiet durch den Temperatur-
westlichen Ländern notwendig.
anstieg eine besondere Bedeutung zu. Alle lebenswichtigen Flüsse Südasiens, wie der Indus, der Ganges
Auch die aktiven zivilgesellschaftlichen Gruppen In-
und der Brahmaputra (aber auch der Mekong und der
diens haben sich des Themas, insbesondere nach der
Jangtse), entspringen dort und werden von seinen
Flutkatastrophe in Mumbai im Jahre 2006, angenom-
Gletschern gespeist. Der Himalaya ist das Hauptreser-
men. Sie weisen darauf hin, dass zusätzlich zu den be-
voir der Wasserversorgung Südasiens, aber auch Chi-
stehenden Umweltproblemen der Klimawandel das in
nas. Seine Gletscher stellen ein natürliches Vorhalte-
Indien bereits bestehende ökologische Ungleichgewicht
system dar, das dann Wasser abgibt, wenn es am
mit der Folge einer Zerstörung der Einkommens- und
meisten benötigt wird – in den heißen Sommermona-
Lebensgrundlage vieler Menschen, vor allem von be-
ten. Bei einer Beschleunigung des Schmelzprozesses
nachteiligten Gruppen und Kasten, beeinflusse. Eine
wären verheerende Überschwemmungen in Indien,
nachhaltige Entwicklung in Indien werde vor diesem
Bangladesh (insbesondere im Ganges-Brahmaputra-
Hintergrund unmöglich.
Delta) und Pakistan die Folge, die von einer signifikanten Abnahme des Wassers der Flüsse (genannt wird
2. DIE ANGENOMMENEN FOLGEN DES
eine Verminderung um 50 Prozent) begleitet wäre.
KLIMAWANDELS FÜR INDIEN
Daher verfolgt Indien auch mit großer Besorgnis inAls akute Folgen des Klimawandels werden bezeichnet:
nerchinesische Diskussionen, die Flussumleitungen in
Tibet (z.B. des Brahmaputra) zugunsten westchinesi-
■
Erhöhung des Wasserspiegels der Meere mit anstei-
scher Gebiete und Provinzen vorsehen.
gender Migration aus den Küstenregionen des Subkontinents in das Hinterland,
Weite Küstengebiete Indiens, Bangladeshs und Pakistans liegen auf Meereshöhe oder nur wenig darüber.
62
Es wird befürchtet, dass der durch den Klimawandel
Jedoch verstärkte sich erst im Vorfeld der IPCC-Berich-
vorhergesagte Anstieg der Meereshöhe eine potentielle
te der öffentliche innerindische Diskurs. Zivilgesell-
Bedrohung für die Küstenlandschaften darstellt. Nach
schaftliche Organisationen bilden gegenwärtig entspre-
indischer Darstellung wäre eine hohe Bevölkerungsmi-
chende Initiativen und Bewegungen, die Zeitungen be-
gration (auch von Bangladesh nach Indien) die Folge.
richteten ausführlich über die Bangkok-Konferenz und
gegenwärtig über die Behandlung des Klimawandels
Bereits 1992 und 1994 haben unabhängige indische
auf den bevorstehenden Treffen von ASEM und der G8.
Studien auf Verschiebungen der Hauptregenzeiten auf
Indiens Parlament setzte am 8. Mai 2007 eine Debat-
dem südasiatischen Subkontinent verwiesen. Danach
te über den Klimawandel an, die aber über wenige
sind Verschiebungen des Südwestmonsuns (Sommer)
Stellungnahmen vereinzelter Abgeordneter (darunter
und des Nordostmonsuns (Winter) durch Monsunzirku-
zwei Teilnehmer des KAS-Besuchsprogramm für jün-
lationen mit kurzen, aber heftigen Regenfällen, Stür-
gere Politiker von 2005, Manvendra Singh, BJP, und
men, Zyklone und Dürreperioden möglich. Diese ku-
Sandeep Dixit, AIC) nicht hinauskam, da sie wegen
mulativen Wettertrends werden, so die Autoren, die
lautstarker Meinungsunterschiede zu themenfremden
Lebensgrundlage der südasiatischen Bevölkerungs-
innenpolitischen Fragen vorzeitig beendet werden
massen, die durch einheimische Landwirtschaft ernährt
musste.
wird, nachhaltig verändern. Neuere Berechnungen
unterstützen diese These und bezeichnen Nepal, Ban-
Wenn auch einige Kommentare in den Zeitungen for-
gladesh und die indischen Staaten Assam, Bihar sowie
dern, dass Indien vor dem Hintergrund der es selbst
weite Teile Mittelindiens als betroffene Gebiete.
betreffenden Auswirkungen des Klimawandels die Führung bei der globalen Suche nach Antworten überneh-
Prof. Brahma Chellaney, der zum KAS-Partnernetzwerk
men müsse, bleiben dies jedoch nur vereinzelte Stim-
in Indien gehört und sich als einer der wenigen Sicher-
men, die in der Politik ohne Wirkung bleiben.
heitsexperten auch mit Energie- und Klimafragen befasst, prognostiziert für den Fall einer dramatischen
Auch die indische Wirtschaft, die bei vielen Produkten
Verschlechterung des Klimawandels in Südasien eine
zur Erzeugung erneuerbarer Energie in Asien führend
Zunahme von inner- und zwischenstaatlichen Wasser-
ist, hat sich nach dem Stern-Bericht zu Wort gemeldet.
konflikten. Diese könnten gefährliche Dispute über
Einer der bedeutenden IT-CEOs, C.A. Mittal, hat die
Territorien entstehen lassen, die entweder die Haupt-
Bereitschaft der indische Wirtschaft hervorgehoben,
wasserquellen Südasiens beinhalten oder durch welche
sich an der internationalen Debatte zu beteiligen und
die wichtigsten subkontinentalen Flüsse fließen und
freiwillige Verpflichtungen und Beschränkungen zu
damit ungelöste Grenzfragen im Himalaya-Gebiet, den
übernehmen - Voraussetzung sei allerdings, dass ein
südlichen Teilen von Tibet und dem Raum Jammu und
Zugang zu modernster Technologie eröffnet werde,
Kaschmir verschärfen.
welche tatsächlich auch Klimagase vermindere.
3. REAKTIONEN AUF DEN STERN-BERICHT
4. MASSNAHMEN DER POLITIK
UND DIE VERÖFFENTLICHUNGEN DES
UND IHRE AKTEURE
IPCC-BERICHTS
Die indische Politik reagierte Mitte März 2007 auf die
Der Stern-Bericht vom November 2006 hat zunächst
zunehmende Klimadiskussion mit der Einsetzung eines
nur vereinzelt zu Reaktionen in den Medien, zu politi-
neunköpfigen Expertenkomitees, das die Auswirkungen
schen Stellungnahmen oder zur öffentlichen Diskussion
der Erderwärmung und des Klimawandels auf Indien
geführt. Der Bericht begründet u.a. die Notwendigkeit
untersuchen und Maßnahmen zur ihrer Verminderung
der sich schnell entwickelnden Länder wie China und
vorschlagen soll. Es wird von R. Chidambaram, dem
Indien, aktiv an globalen Initiativen zur Lösung des
wichtigsten Wissenschaftsberater (Principal Scientific
Klimawandels teilzunehmen.
Advisor) der Zentralregierung, geleitet und unter seinen Mitgliedern befinden sich zwei Partner der KAS
Die Reaktionen in den Fachkreisen waren demgegen-
(Dr. R.K. Pachauri, TERI, Frau Dr. Ligia Norohna,
über intensiv. Eine Artikelserie über den Klimawandel
TERI). Wie Frau Norohna dazu ausführt, beträgt das
und seine Auswirkungen auf Indien, die Ende 2006 in
Mandat des Komitees drei Jahre und danach „... wird
der Fachzeitschrift Current Science erschien, wurde
eine realistische und konkrete Bewertung darüber vor-
in wissenschaftlichen Zirkeln stark beachtet. Weitere
liegen, was Indien tun sollte.”
naturwissenschaftliche Institutionen, wie das „Centre
of Atmospheric and Oceanic Science”, Indiens „Institu-
Weitere politische Maßnahmen im Bereich des Klimawan-
te for Science”, das „Indian Agricultural Research Insti-
dels sind derzeit nicht erkennbar. Insoweit wird auf das
tute” und das „Indian Institute of Tropical Meteorology”
Eingangszitat von Dr. R. K. Pachauri verwiesen. Allerdings
griffen Themen des Klimawandels auf.
ist Indien jedoch auf dem Gebiet der Energiepolitik (Effi-
63
zienzsteigerung des Energieeinsatzes) und bei der Unter-
logie sowie in der Planungskommission. Beteiligt sind
stützung erneuerbarer Energien recht aktiv.
weiterhin das Ministerium für Strom (Power), das Ministerium für Kohle, das Ministerium für Petroleum und Gas
Die Zuständigkeiten für Umwelt- und Energiefragen und
sowie das Ministerium für Neue und Erneuerbare Ener-
damit auch für den Klimawandel sind zersplittert und
gien. Eine koordinierende Funktion für die Umwandlung
liegen im federführenden Ministerium für Umwelt und
von Vorschlägen in konkrete Regierungsprogramme
Forsten, im Ministerium für Erdwissenschaften (Earth
kommt der Planungskommission zu, welche die nationa-
Science), im Ministerium für Wissenschaft und Techno-
len Entwicklungspläne aufstellt und vorlegt.
INDONESIEN:
D E R D R I TT G R Ö S S T E C O 2 - P R O D U Z E N T D E R W E LT
Winfried Weck
HAUPTPROBLEM ENTWALDUNG
Die Diskussion um den Klimawandel hat mit den
Von den 44 Staaten, die über 90 Prozent aller Wälder
jüngsten Berichten von Sir Nicholas Stern und dem
verfügen, ist Indonesien das Land mit der höchsten
IPCC auch Indonesien, den mittlerweile drittgrößten
Entwaldungsrate. Die Waldzerstörung erreicht etwa 2
CO2-Produzenten weltweit, erreicht. Der indonesische
Prozent pro Jahr, was 51 Quadratkilometern pro Tag
Archipel wird zu den am meisten betroffenen Ländern
oder 300 Fußballfeldern pro Stunde entspricht. Damit
des Klimawandels gehören. Die Hochwasserkatastro-
ist Indonesien heute der weltweit schnellste Waldzer-
phe, die Jakarta im Februar 2007 getroffen hat, ist
störer, gefolgt von Brasilien und einigen zentralafrika-
nur ein Vorgeschmack dessen, was auf die Menschen
nischen Staaten. Bis jetzt sollen bereits 72 Prozent des
in Indonesien zukommen wird. Den möglichen Kata-
gesamten ehemaligen Urwaldbestandes Indonesiens
strophenszenarien müssen sich die Verantwortlichen in
zerstört worden sein, die Hälfte des noch existierenden
Politik und Wirtschaft spätestens jetzt stellen.
Bestandes ist unmittelbar bedroht. Allein von 1990 bis
2006 hat das Land ein Viertel seines Waldbestandes
Indonesien ist Gastgeber der 13. Weltklimakonferenz im
verloren. Die Zerstörung erfolgt durch legale und ille-
Dezember 2007 auf Bali, an der Tausende Delegierte
gale Abholzung sowie durch (meist gelegte) Waldbrän-
aus aller Welt teilnehmen, um den Nachfolger des 2012
de.
auslaufenden Kyoto-Protokolls auf den Weg zu bringen.
Dies ist die polierte Seite der Medaille. Die andere,
Besonders kritisch ist die Waldsituation auf Sumatra
stumpfe Seite zeigt folgendes Bild: Indonesien ist heu-
sowie in Kalimantan, dem indonesischen Teil der Insel
te nach den USA und China der drittgrößte CO2-Produ-
Borneo. Auf beiden Inseln fielen bis jetzt 43 Prozent
zent der Welt!
der Wälder der Säge oder dem Feuer zum Opfer. Noch
krasser stellt sich die Situation auf Java mit einer
Nicht zuletzt aufgrund dieses Spannungsverhältnisses
Bevölkerung von ca. 110 Millionen und Sulawesi (ehe-
zwischen Realität und Anspruch haben der Bericht des
mals Celebes) dar, wo bereits vier Fünftel aller Wälder
IPCC und der Bericht von Sir Nicholas Stern, den die-
zerstört sind. Einzig West-Papua ist noch zu 70 Prozent
ser im April 2007 persönlich in Jakarta vorstellte, in
von Urwäldern überzogen.
ganz Indonesien hohe Wellen geschlagen und erstmals
ein reges öffentliches Interesse am Weltproblem Kli-
Unmittelbare Folgen der Entwaldung sind die giganti-
mawandel geweckt. Stern wies bei seinem Besuch in
schen, sogar auf Satellitenbildern erkennbaren Rauch-
Jakarta ausdrücklich darauf hin, dass der indonesische
wolken, die bereits mehrfach wochenlang über Borneo,
Archipel zu den am meisten betroffenen Ländern des
Singapur und Malaysia hingen und die Lebensqualität
Klimawandels zählen werde. Umweltminister Rachmat
in den Nachbarländern Indonesiens erheblich beein-
Witolaer beeilte sich daraufhin zu erklären, die Regie-
trächtigten. Aber auch Überflutungen und Erdrutsche
rung Indonesiens nehme den Stern-Bericht ausgespro-
in der Regenzeit sowie Wassermangel während der
chen ernst. Indonesien auf die Auswirkungen der Kli-
zusehends wärmeren Trockenzeit stellen ein direktes
maerwärmung vorzubereiten, sei mittlerweile eines der
Bedrohungspotenzial für die Menschen in Indonesien
Hauptgesprächsthemen im Kabinett.
dar und fordern immer mehr Todesopfer.
64
Als hauptsächliche Ursache für die Waldzerstörung gelten dabei Landgewinnungsmaßnahmen im großen Stil,
auf die etwa 76 bis 80 Prozent der gesamten Waldzerstörung zurückgeführt werden. Die Zerstörung erfolgt
in Form von legaler Abholzung in industriellem Stil
sowie durch Waldbrände von gigantischen Ausmaßen.
Die Kleinbauern und Viehzüchter, die noch in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts die Hauptakteure der Waldzerstörung zur Landgewinnung darstellten,
spielen heute keine wesentliche Rolle mehr. Land wird
Brandrodungen in Indonesien tragen erheblich zum
globalen CO2-Ausstoß bei.
heute vor allem für den Aufbau von Palmölplantagen
zur Produktion von Biokraftstoffen benötigt. Der Begriff „Biodiesel” hat sich in jüngster Zeit zu einer Zau-
Temperaturen und von einer Anhebung des Meeres-
berformel für die Lösung vieler wirtschaftlicher Proble-
spiegels. Die Folgen, die in dem Bericht beschrieben
me des Landes entwickelt. Indonesien produziert zu-
werden, haben allerdings keinen Neuigkeitswert: Eine
sammen mit Malaysia bereits 80 Prozent des gesam-
immer höhere Anfälligkeit für Überflutungen und dra-
ten Weltbedarfs an Palmöl. Jetzt stehen 59 internatio-
matische Hochwassersituationen in den küstennahen
nale Energieunternehmen mit einem Finanzvolumen
Metropolen (wie zuletzt im Februar 2007, als nach
von 12,4 Milliarden US-Dollar sowie nationale Inves-
ergiebigen Regenfällen 70 Prozent der Gesamtfläche
toren mit weiteren 5 Milliarden US-Dollar in den Start-
Jakartas unter Wasser standen) geht einher mit einem
löchern, um die Palmölproduktion in Indonesien erst
verstärkten Einsickern von Meerwasser ins Grundwas-
richtig auf Hochtouren zu bringen. Die indonesische
ser, das bereits seit vielen Jahrzehnten die Hauptquelle
Regierung unterstützt mit allen Mitteln diese Vorha-
für Trinkwasser in den urbanen Zentren darstellt. In
ben, nicht nur zur Reduzierung der Treibstoffknapp-
Jakarta beispielsweise ist Meerwasser noch 15 km
heit im eigenen Land, sondern vor allem auch zur Be-
von der Küste entfernt im Grundwasser nachweisbar.
friedigung der steigenden Nachfrage nach alternativen
Die Anhebung des Meeresspiegels um einen Meter
Kraftstoffen in den USA und Europa. Palmöl stellt in
würde die 81.000 km Küstenlinie des 17802 Inseln
der Tat die günstigste Variante aller Biokraftstoffe dar
umfassenden Landes dramatisch verändern. 405.000
und ist - trotz der weiten Transportwege – um 20 bis
Hektar Land würden verloren gehen, und das völlige
30 Eurocent pro Liter günstiger als europäisches
Verschwinden von bis zu 2000 kleiner Inseln hätte de
Rapsöl.
facto auch Auswirkungen auf die nationalen Grenzen
des Landes. Ein für die Sicherheitspolitik und nationale
Derzeit bestehen bereits 5,6 Millionen Hektar Palmöl-
Integrität Indonesiens durchaus wichtiger Aspekt!
plantagen. Weitere 3 Millionen sollen nach offizieller
Aussage hinzukommen. Umweltorganisationen haben
Im Rahmen großer Wiederaufforstungsprogramme
aber bereits errechnet, dass zur Auslastung der ge-
sollen zwei Milliarden Bäume gepflanzt werden. Vize-
planten Großraffinerien bis zu 18 Millionen Hektar be-
präsident Jusuf Kalla ließ verlauten, dass künftig durch
nötigt werden. Die Absurdität der Situation liegt in der
die Nutzung neuer Pflanzungsmethoden jährlich 2 Mil-
Tatsache, dass der in Europa als höchst umweltfreund-
lionen Hektar Brachlandes anstatt der bisherigen einen
liche, weil erneuerbare und saubere Biokraftstoff in
Million Hektar wiederaufgeforstet werden sollen. Dies
den großen Erzeugerländern jegliche positive Umwelt-
entspräche dann allerdings nur der Fläche, die jährlich
bilanz auf den Kopf stellt, denn Brandrodungen setzen
allein durch Abholzungsmaßnahmen zerstört wird.
weitaus mehr Kohlenstoff frei als im Gegenzug durch
Deshalb soll zugleich die Abholzung auf eine Million
die Nutzung von Biodiesel eingespart werden kann.
Hektar pro Jahr reduziert werden, um so in den kommenden 50 Jahren einen Waldbestand aufzubauen, der
MASSNAHMEN DER REGIERUNG
dem der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts gleichkäme.
Die verantwortlichen Politiker Indonesiens sind sich
Der zuständige Titel im diesjährigen Staatshaushalt ist
dieser prekären Situation und ihrer Mitverantwortung
gegenüber dem Vorjahr um ein Viertel auf 4 Trillionen
durchaus bewusst und bereits auch aktiv geworden. So
Rupiah (ca. 320 Millionen Euro) angehoben worden.
hatte die Regierung Indonesiens einen umfangreichen
Der Minister für Forstwirtschaft, Malam Sambat Kalam,
Bericht zum Thema „Climate Variability and Climate
ließ verlauten, dass es der Regierung in den vergange-
Change and their Implications in Indonesia” am 23.
nen vier Jahren bereits gelungen sei, die Entwaldung
Mai 2007 der Öffentlichkeit vorgestellt. Dieser erste of-
zu reduzieren und die Rehabilitation von Forstland in
fizielle Regierungsbericht zum Klimawandel überhaupt
kritischem Zustand voranzubringen. Dies wird seitens
geht von einer immer länger andauernden Trockenpe-
der Regierung auch als wichtiger Beitrag Indonesien
riode aufgrund des el-niño-Effekts aus, von erhöhten
zur Reduzierung des Anstiegs der globalen Erwärmung
65
betrachtet. Das Bedrohungsszenario für den verbliebe-
die dabei entstehende immense Rauch- und Geruchs-
nen Waldbestand auf Kalimantan und Sumatra hat sich
entwicklung verschwendet wird – und zwar weder von
damit in keiner Weise entspannt, denn an den Rodun-
den Verursachern noch von den Geschädigten.
gen lässt sich in verschiedenen Formen verdienen:
Zunächst mit dem Tropenholz selbst, das immer noch
Grundlegende Aufklärungsarbeit und Bewusstseins-
genügend internationale Abnehmer findet, dann mit
bildung ist daher vonnöten, doch der hierfür veran-
den weniger edlen Hölzern, die an die Zellstoffindustrie
schlagte Haushaltsposten im Umweltetat sieht hierfür
verkauft werden, und schließlich, indem man Gelder
nur ca. 4,5 Millionen Euro jährlich vor. Nun will sich
aus den Wiederaufforstungsprogrammen der Regie-
das Ministerium an junge Künstler wenden und sie
rung zieht.
dafür gewinnen, im Rahmen ihrer Shows oder Konzerte das Thema Klimawandel aufzugreifen und zu einem
Der mit dem Kyoto-Protokoll eingeführte internationale
Bewusstwerdungsprozess in breiteren Bevölkerungs-
Mechanismus zur Reduktion des weltweiten CO2-Aus-
schichten beizutragen. Zugleich werden in den Medien
stoßes durch den Handel mit Kohlenstoff-Zertifikaten
bereits Möglichkeiten diskutiert, wie jeder einzelne im
findet in Indonesien allerdings nahezu keine Anwen-
alltäglichen Leben Beiträge zur Reduzierung der Klima-
dung. Der Handel mit diesen Zertifikaten, die Unterneh-
erwärmung leisten kann, beispielsweise durch die zu-
men in den Industrieländern die Erlaubnis zum Ausstoß
nehmende Nutzung sauberer Techniken bei Klimaanla-
von Treibhausgasen in einer bestimmten Höhe erlau-
gen und Kühlschränken. In einem heißen Land wie
ben, hat heute immerhin ein Volumen von 10 Milliarden
Indonesien stellen Klimaanlagen einen durchaus ernst-
US-Dollar erreicht. 600 Projekte über den Handel mit
zunehmenden Faktor für Umweltbelastungen dar. Da-
Emissionszertifikaten sind bis jetzt bei der zuständigen
her hat die Regierung mit Unterstützung der Weltbank
Behörde, dem „Clean Development Mechanism (CDM)
ein Programm aufgelegt, das die Erneuerung veralteter
Executive Board” in Bonn, registriert worden, davon
Klimaanlagen mit hoher Schadstoffbelastung in 600
226 aus Indien, 99 aus Brasilien, 78 aus Mexiko und 71
Großgebäuden in Jakarta vorsieht. Es verdient Aner-
aus China. Weitere 1000 Projekte mit einem Finanzvo-
kennung, dass die Medien ihre Informationspflicht
lumen von 20 Milliarden US-Dollar stehen bis 2012 zur
ernst nehmen, indem sie auch derartige Einzelmaß-
Registrierung an. Obwohl Indonesien ein hohes Poten-
nahmen thematisieren und so einen wichtigen Beitrag
zial für einen lukrativen Handel mit Emissionszertifika-
zur Bewusstseinsbildung in der breiten Öffentlichkeit
ten insbesondere im Energie-, Minen- und Forstsektor
leisten.
aufweist, konnte der Inselstaat bisher nur 8 Projekte
umsetzen und registrieren lassen.
Indonesien hat sich – ohne dabei die besondere Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf sich zu ziehen
ÖFFENTLICHE WAHRNEHMUNG UND ROLLE DER
– in den vergangenen Jahren zu einem zentralen
MEDIEN
Akteur der globalen Klimapolitik entwickelt. Die internationale Klimakonferenz auf Bali im Dezember 2007
In den Medien haben der IPCC-Bericht und der Besuch
wird Zeugnis davon geben, inwieweit sich die indonesi-
von Sir Nicholas Stern deutliche Spuren hinterlassen.
sche Regierung ihrer besonderen Verantwortung
Insbesondere in den Printmedien häufen sich Berichte
bewusst ist und nachkommt, indem sie ihre Anstren-
und Reportagen, die die verschiedensten Aspekte der
gungen gegen die Waldzerstörung und CO2-Emission
Klimaerwärmung beleuchten. „Global warming” ist
glaubhaft machen kann und internationale Partner für
damit in kürzester Zeit zu einem Begriff geworden,
Implementierung groß angelegter Waldschutz- und
mit dem viele Indonesier erstmals konfrontiert worden
Aufforstungsprogrammen findet. „The center of gravity
sind, aber noch kaum etwas anfangen können. Eine
of climate-change politics has moved to China, India
Umfrage im April 2007 hat gezeigt, dass 28 Prozent
and Indonesia. Their decisions will shape the world we
der erwachsenen Bevölkerung in den urbanen Zentren
live in.”
Indonesiens sich des Klimawandels bewusst sind, aber
nur die Hälfte davon glaubt, dass damit ein ernsthaftes Problem verbunden sei. Naturkatastrophen wie die
jüngste Überschwemmung Jakartas werden nur von
ganz wenigen, gut informierten Bürgern mit der Klimaerwärmung in einen Zusammenhang gebracht. Viele
Menschen wissen überhaupt nicht, was Kohlendioxid
ist. So ist es beispielsweise in der Megastadt Jakarta
ebenso üblich wie in den anderen urbanen Zentren,
die durch Gartenarbeiten anfallende Biomasse, sprich
Gartenabfälle, nicht zu kompostieren, sondern zu verbrennen, ohne dass dabei auch nur ein Gedanke an
66
KOREA: ANPASSUNG AN KLIMAWANDEL STEHT IM
FOKUS DER POLITIK
Marc Ziemek
Des Weiteren wird Korea zukünftig erwartungsgemäß
verstärkt durch Hitzewellen belasten werden. Nach
Laut dem aktuellen IPCC-Bericht ist Asien besonders
Schätzungen des „Korea Environment Institute” (KEI)
anfällig für Folgen des Klimawandels. Auf der koreani-
werden in der Stadt Seoul im Jahre 2033 ca. 322 Men-
schen Halbinsel ist dies bereits spürbar. Vor allem
schen an den Folgen von Hitzewelle sterben, während
Taifune und Überschwemmungen stellen dabei akute
es im Jahre 2051 bereits 640 sein werden. In den Jah-
Probleme dar, welche neben den verheerenden Folgen
ren 1994 bis 2003 starben, nach Angaben des gleichen
für die Menschen auch große wirtschaftliche Probleme
Institutes, insgesamt 1.245 Menschen in Seoul an den
mit sich bringen. Aktuelle Forschungsergebnisse des
Folgen von übermäßiger Hitze.
„Samsung Economic Research Institute” (SERI) weisen
auf eine rapide Zunahme des durch klimatische Verän-
KOREAS ANTEIL AM KLIMAWANDEL
derungen entstandenen Schadens seit Ende der
1980er Jahre hin.
Hauptursache für den Treibhausgaseffekt und damit
den Klimawandel sind Treibhausgase, im speziellen
So kamen durch den Taifun „Lusa” (2002) 124 Men-
CO2 und Methan-Emissionen. Als ein Land, dessen
schen ums Leben und 88.625 Menschen wurden obdach-
Wirtschaft maßgeblich von der verarbeitenden Indus-
los. Auch im darauf folgenden Jahr starben 117 Men-
trie abhängig ist, ist Südkoreas Beitrag zu diesen
schen durch den Taifun „Maemi” und 10.975 Menschen
Emissionen nicht unerheblich. Mit dem Ausstoß von
verloren ihr Heim. Der finanzielle Schaden belief sich
582,2 Millionen Tonnen rangierte Korea 2003 bereits
dabei auf 5,5 Billionen Won (ca. 4,3 Mrd. Euro) im
auf dem 9. Platz der größten Treibhausgaserzeuger
Falle „Lusa” und 4,8 Billionen Won (ca. 3,8 Mrd. Euro)
der Welt. In den Jahren 1990 bis 2003 stiegen die
im Falle „Maemi”.
Emissionen des Landes um mehr als 90 Prozent von
310,6 Millionen Tonnen auf 582,2 Millionen Tonnen an.
Auch die Niederschlagshäufigkeit hat in den letzten
Vergleicht man aber die Menge an Treibhausgasen
Jahren stark zugenommen. Die Anzahl der Regentage
mit dem Bruttoinlandsprodukt des Landes im jeweiligen
im Sommer ist im Zeitraum 1970 bis 1999 von 5,3 auf
Zeitraum, so ist der Anstieg der Treibhausgasemissio-
8,8 angestiegen. Bei den durch hohe Niederschläge
nen im Vergleich zum Anstieg des Bruttoinlandsproduk-
bedingten Überschwemmungen kamen auf der Insel
tes insgesamt rückläufig. Dies lässt darauf schließen,
Ganghwa in der Nähe des Incheon Flughafens westlich
dass der erhöhte Treibhausgasausstoß nicht zwingend
von Seoul 1998 insgesamt 259 Menschen ums Leben,
nur auf wirtschaftliches Wachstum zurückzuführen ist.
63 werden vermisst. Ein Jahr später kamen bei Über-
Zwar fällt Südkorea bisher nicht unter die Annex-I
schwemmungen im Paju Gebiet, nordwestlich von Se-
Länder, die durch das Kyoto-Protokoll dazu verpflichtet
oul, 40 Menschen ums Leben und 24 werden vermisst.
sind, ab 2008 ihre Emissionen an Treibhausgasen zu
Insgesamt regnete es in Ganghwa 17 Tage und in Paju
reduzieren. Experten gehen jedoch davon aus, dass
5 Tage. Die Regenmengen entsprachen dabei zusam-
Korea in der zweiten Stufe ab 2013 ebenfalls zu dieser
men ungefähr 70 Prozent des jährlichen durchschnittli-
Gruppe gerechnet wird.
chen Niederschlags auf der Halbinsel.
Der Begriff Treibhausgasemissionen bezieht sich damit
Das „Meteorological Research Institute in Korea” ist
auf alle Emissionen, die zum Treibhausgaseffekt bei-
der Ansicht, dass die Durchschnittstemperatur bis zum
tragen. Dies sind vor allem CO2 und Methan. Was
Jahre 2080 um mehr als 5 Grad ansteigen wird. Bei
CO2-Emissionen anbelangt, ist Korea mittlerweile der
einem Anstieg um über 6 Grad hätte das verheerende
zehntgrößte Verursacher. Die Menge beträgt laut IPCC-
Folgen für das koreanische Ökosystem. Zudem erwartet
Bericht 1,7 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen.
das koreanische „National Oceanographic Research
Diese Menge scheint zwar relativ klein, betrachtet man
Institute”, dass der der Meeresspiegel rund um die ko-
allerdings die Zuwachsrate in den Jahren 1990–2004
reanische Halbinsel bis zum Ende des Jahrhunderts
von 104,3 Prozent, welche auf einem ähnlich hohen
um mehr als 50 cm ansteigen wird. Im Gebiet der Insel
Niveau wie in China (109,8 Prozent) verlief, so sind dies
Jeju wurde bereits ein durchschnittlicher jährlicher
erschreckende Zukunftsaussichten. Im Vergleich zu
Anstieg um 0,5 cm festgestellt.
Japan (20 Prozent), den USA (19,8 Prozent), Europa
(1,6 Prozent) und England (-4,1 Prozent) im gleichen
Zeitraum, ist der Zuwachs ohne Zweifel sehr groß.
67
EMISSION VON TREIBHAUSGASEN IN KOREA
Jahr
Treibhausgase
BIP
Emissionen
Treibhausgase
Treibhausgase /
pro Person in
BIP
in Mio. t CO2
in 1000 Mio. Won
t CO2 /Person
t CO2 /Mio. Won
1990
310,6
320.696
7,24
0,97
1995
452,8
467.099
10,04
0,97
2000
528,6
578.665
11,25
0,91
2003
582,2
662.655
12,17
0,88
2004*
590,6
693.424
12,28
0,85
* geschätzt
Quelle: Korea Energy Economics Institute
WIRTSCHAFTLICHER SCHADEN DURCH KLIMAKATASTROPHE IN KOREA
Jahresdurchschnitt in 100 Mio. Won
27000
7300
4900
1200
1960 – 1969
2300
1970 – 1979
1980 – 1989
1990 – 1999
nach 2000
Quelle: Korea Meteorological Administration, 2006
Werden keine geeigneten Gegenmaßnahmen ergriffen,
Plan umfasst den Zeitraum 1999 bis 2001, der zweite
wird der CO2-Ausstoß laut IPCC-Bericht im Jahre 2080
die Jahre 2002 bis 2004 und der dritte 2005 bis 2007.
relativ zum Jahre 2000 um 80 Prozent ansteigen. Die
Ein vierter Plan soll 2008 folgen. Insgesamt werden
CO2-Emissionen pro Kopf werden im gleichen Zeitraum
dabei folgende Strategien verfolgt: Die Einführung
voraussichtlich um 82,4 Prozent (Indien 47,5 Prozent,
eines Systems zur nationalen Messung der gesamten
Japan 11,1 Prozent, Australien 16 Prozent) steigen.
Treibhausgasemissionen, die Steigerung der öffentlichen Aufmerksamkeit, die Forschung und Entwicklung
Bereits 1998 wurde das „Inter-Ministerial Committee
zur Treibhausgasreduktion und die Durchführung sek-
on Climate Change” gegründet, welchem der Premier-
toraler Projekte zur Emissionsreduktion.
minister vorsteht. Die Aufgabe des Komitees besteht in
der Vorbereitung und Implementierung der übergrei-
Sektorale Maßnahmen waren ein integriertes Energie-
fenden Verordnungen der Regierung zum Klimawandel.
bedarfsmanagement, das auf freiwilliger Basis der
Alle drei Jahre wird ein neuer Plan vorgelegt. Der erste
Energie erzeugenden Firmen beschlossen wurde und
eine finanzielle Unterstützung zur Verbesserung der
Energieeffizienz vorsah. Weiterhin wurde speziell in
68
der Energieversorgung die Emission an Treibhausgasen
Weiterführung der bisherigen Politik dar, die um neu
reduziert. Die Energielieferanten mussten sich weiter-
erforschte Maßnahmen ergänzt werden soll. Weiterhin
hin verpflichten erneuerbare Energien zu verwenden
soll zum einen die Ausbildung von Experten im Bereich
und der Grad an nuklearer Energie wurde optimiert.
Klimawandel gefördert und zum anderen die Öffentlichkeit für das Thema sensibilisiert werden.
Zur Verbesserung der Energieeffizienz wurde eine
Durchschnittseffizienz für Automobile eingeführt, der
Um die Treibhausgase zu reduzieren, setzt man vor
Stand-by Verbrauch vieler Produkte reduziert und
allem auf erneuerbare Energien. Die südkoreanische
spezielle Auszeichnungen für Produkte geschaffen,
Regierung hat sich zum Ziel gesetzt, die Nutzung von
deren Energieeffizienzgrad besonders hoch ist. Auch
erneuerbaren Energie von derzeit 2,28 Prozent auf
für Gebäude wurde ein neuer Effizienzstandard für
10 Prozent bis zum Jahre 2020 zu steigern. Ein wichti-
Neubauten sowie ein spezielles Energiesparzertifikat
ger Schritt in diese Richtung stellt auch der Bau einer
eingeführt. Des Weiteren wurden Abwasseraufberei-
Solaranlage bei Shinan im Südwesten Südkoreas dar.
tungsanlagen gebaut, Deponiegase und Kompost als
Die Anlage ist die größte ihrer Art in Asien und wird
Dünger weiterverwertet und neue Technologien zur
von einer deutschen Firma gebaut. Nach Fertigstellung
Lachgas- und Methangasreduktion auf dem Farmland
im Jahre 2008 wird sie bis zu 27.000 Megawattstunden
entwickelt. Insgesamt werden etwa 17 Milliarden Won
an Elektrizität erzeugen und somit in der Lage sein
(~13,6 Millionen Euro) in der dritten Stufe des Plans
6.000 bis 7.000 Haushalte mit Energie zu versorgen.
investiert.
Insgesamt sollen hierdurch die CO2-Emissionen um ca.
20.000 Tonnen pro Jahr reduziert werden. Der Bau der
REAKTION KOREAS AUF DEN IPCC- UND AUF
Anlage wird schätzungsweise 170 Millionen Dollar kos-
DEN STERN-BERICHT
ten. Diese Maßnahme ist Teil des Programms der südkoreanischen Regierung, das darauf abzielt, die Indus-
Direkte Reaktionen der koreanischen Regierung auf
trie für erneuerbare Energien zu fördern. Allein im Jah-
den Stern-Bericht blieben bislang aus. Als direkte Re-
re 2006 flossen umgerechnet rund 444 Millionen US
aktion auf den IPCC-Bericht wurde von der koreani-
Dollar in dieses Vorhaben.
schen Regierung ein Plan festgelegt um Klimakatastrophen vorzubeugen und geeignete Gegenmaßnahmen
KLIMAWANDEL UND DIE MEINUNG DER
einzuleiten. Zudem ist geplant, ein Komitee zur Anpas-
ZIVILGESELLSCHAFT
sung an den Klimawandel zu gründen, das eine gemeinsame Vorgehensweise verschiedener relevanter
Eine durch das Umweltministerium Ende April 2007 in
Akteure zur Umsetzung des Regierungsplans erarbei-
der südkoreanischen Bevölkerung durchgeführte Mei-
ten soll. Das Komitee wird sich aus dem Ministerium
nungsumfrage kam zu folgendem Ergebnis: Die meis-
für Umwelt, verschiedenen Experten, Nichtregierungs-
ten Koreaner nehmen den Klimawandel ernst; 97 Pro-
organisationen sowie den zuständigen Behörden zu-
zent der Befragten sind über die Problematik des Kli-
sammensetzen. Die Absicht der Regierung ist es, die
mawandels sehr gut informiert; 92,6 Prozent sind der
Zusammenarbeit zwischen diesen Organisationen zu
Ansicht, dass der Klimawandel eine ernsthafte Gefahr
verbessern. Der Regierungsplan definiert hierbei zwei
für Korea darstellt. Auf die Frage, wer die Verantwor-
Schwerpunktthemen.
tung für den Klimawandelschutz tragen muss, haben
45,2 Prozent der Befragten die Bevölkerung selbst be-
1.Erforschung der Folgen des Klimawandels für Umwelt
nannt, gefolgt von der Regierung mit 33 Prozent sowie
und Bevölkerung auf der koreanischen Halbinsel so-
den Unternehmen mit 12 Prozent. Über die Rolle der
wie Bestimmung der möglichen Gegenmaßnahmen
Regierung bei der Bekämpfung des Klimawandels spra-
und die Festlegung einer Roadmap zu diesem Zweck;
chen sich 36,4 Prozent für die Entwicklung erneuerba-
2.Erstellen eines Plans für politische Gegenmaßnahmen zum Klimawandel.
rer Energie und 24 Prozent für die „Schaffung politischer Maßnahmen zur CO2-Reduzierung” aus. Diese
Umfrageergebnisse zeigen nicht nur, dass sich die Be-
Die Forschung soll dabei explizit in den Bereichen
völkerung durchaus der Problematik des Klimawandels
durchgeführt werden, welche am anfälligsten für die
bewusst ist, sondern auch, dass die Bereitschaft be-
Folgen von Klima Veränderungen sind. Dies betrifft
steht, aktiv Maßnahmen dagegen umzusetzen.
vor allem den Agrar- und Forstbereich sowie die Stauseen. Das angestrebte Ziel besteht darin, ein System
Auch Zivilorganisationen setzen sich in Zusammen-
zu entwickeln, durch das die gefährdeten Bereiche
arbeit mit der Regierung für eine Treibhausgasreduktion
an das sich verändernde Klima angepasst werden kön-
ein. So hat die „Korea Green Foundation” gemeinsam
nen. Diese Klimawandelpolitik stellt vor allem eine
mit der Tageszeitung Korea Times und dem Seouler
Bürgermeister Se-Hun Oh die Kampagne „Regeln für
ein Umweltbewusstes Alltagsleben” bekannt gegeben.
69
Ziel der Aktion ist es, die Bürger von Seoul zu ermu-
onslage könnte dahingehend verbessert werden, dass
tigen durch bestimmte Maßnahmen einen Beitrag zur
Umweltindustrien (erneuerbare Energien, derivative
CO2-Reduktion zu leisten.
Industrie z.B. CO2-Emissionsgeschäft, etc.) zukünftig
eine größere Rolle in Koreas Wirtschaft spielen.
Die „Korea Green Foundation” spricht sich zudem
dafür aus, dass „Umwelt” als ein festes Lehrfach in der
Koreanische Umweltexperten sind sich darüber einig,
Schule eingeführt wird. Außerdem sind die Unterneh-
dass es dem bisherigen Plan der Regierung an Umset-
men dazu aufgefordert dauerhafte, umweltfreundliche
zungswillen fehlt. So kritisierte Sang-Hun Lee von der
Managementsystem zu etablieren und einen aktiven
Energie und Klima Abteilung der „Korea Federation
Beitrag zur Lösung des Umweltproblems zu leisten.
For Environmental Movement”: „Im Komitee (InterMinisterial Committee on Climate Change) existiert
FA Z I T
keine Kontrollabteilung und deshalb gibt es im Plan
immer noch kein klares Ziel zur Reduzierung von
Der Diskurs um den Klimawandel wird von Nichtregie-
Treibhausgas bzw. sind Ziel und Bewertungsgrund-
rungsorganisationen und privaten Forschungsinstituten,
lagen unklar. Erst ab 2008 soll konkret auf den Inhalt
die stärkere Aktivitäten von Seiten der Regierung for-
des IPCC-Bericht eingegangen werden”. Vor allem
dern, sowie von den zuständigen Regierungsbehörden
im Bezug auf den IPCC-Bericht scheint es eher so, als
geführt. Die Regierung hat mittlerweile konkrete Pläne
wolle die koreanische Regierung die gefährdeten
und Maßnahmen für eine Reduktion der Treibhausgas-
Bereiche an die unvermeidliche Änderung des Klimas
emissionen verabschiedet. Es fehlt jedoch noch die de-
anpassen, als Maßnahmen zur Verhinderung dieser
taillierte Zielformulierung und die Initiierung und Um-
anzustreben.
setzung von notwendigen Investitionen. Die Investiti-
VIETNAM:
ALS KÜSTENLAND BESONDERS BEDROHT
Willibold Frehner
Es gab schon immer Überschwemmungen in den niedrig gelegenen Flussgebieten, insbesondere entlang
In Asien sind fünf Länder aufgrund ihrer Topographie
des Mekong und des Roten Flusses. Diese wurden seit
vom Klimawandel sehr stark bedroht: China, Indien,
Jahrhunderten genutzt und bis heute in den Wirt-
Bangladesh, Indonesien und Vietnam. Vietnam mit sei-
schaftskreislauf einbezogen, um eine florierende Reis-
nen rund 85 Millionen Einwohnern hat eine 3.600 km
produktion aufzubauen und zu betreiben. Das Mekong-
lange Küste und zwei große Flussdeltas. Im Süden
delta und das Tal des Roten Flusses, waren und sind
mündet der Mekong (er entspringt in China und ist
die Reisschüsseln Vietnams. Insbesondere im Mekong-
knapp 5.000 km lang) mit neun riesigen Flussarmen
delta wurden auch viele Fischponds angelegt, um
ins Meer. Im Norden ist es der Rote Fluss, der ebenfalls
Fische und Schrimps zu züchten. Die jährlichen Über-
in China entspringt und vielgliedrig in einem großen
schwemmungen des Roten Flusses wurden dadurch
Delta, in der Nähe der Hafenstadt Hai Phong, ins Meer
reduziert, dass am Oberlauf und bei den Zuflüssen
mündet. In den beiden Flusstälern leben rund 75 Pro-
Stauseen gebaut wurden, welche auch zur Erzeugung
zent der Menschen in Vietnam. Dort werden über
von Elektrizität genutzt werden. Die Mekong-Anrainer-
80 Prozent des nationalen BSP erwirtschaftet.
staaten China, Thailand, Burma, Laos, Kambodscha
und Vietnam, versuchen seit längerer Zeit gemeinsam
Jeder zehnte Vietnamese (knapp zehn Millionen Men-
zu beraten, wie der Fluss genutzt, geschützt, reguliert
schen) lebt in der unmittelbar bedrohten Küstenregion
und sauber gehalten werden kann. Bei den widerstrei-
oder im unmittelbar gefährdeten Deltagebiet der beiden
tenden Interessen der verschiedenen Länder, waren
großen Flüsse. Wenn sich der Klimawandel fortsetzt
die bisher erzielten Resultate eher dürftig.
und in dessen Gefolge der Meeresspiegel steigt, werden
rund 20 Millionen Menschen davon bedroht sein.
Bei einem zunehmenden Klimawandel ist davon auszugehen, dass die Gletscher im Himalaya teilweise abschmelzen und die teilweise ergiebigen jährlichen Nie-
70
derschläge in der Gebirgsregion vermehrt als Regen
V I E T N A M G E H T D AV O N A U S , D A S S S I C H D E R
fallen und somit sofort den Flüssen zugeführt werden.
KLIMAWANDEL BESCHLEUNIGT
Das könnte zu neuen Formen des Hochwassers führen,
welche die bisher bekannten Schwankungen des Me-
Wissenschaftler des Umweltministeriums und anderer
kong, aber auch des Roten Flusses, weit übersteigen.
Institute, haben Aufzeichnungen von wichtigen Daten
Städte wie Hai Phong, sind davon unmittelbar betrof-
gemacht und kommen zu folgender Analyse:
fen und haben schon heute periodisch Hochwasser.
Aber auch Ho Chi Minh Stadt, das ebenfalls schon bis-
■
hat, wird noch verstärkt davon betroffen sein. Bei
■
einem gravierenden Anstieg des Mekong wären rund
zehn Provinzen (mit rund 15 Millionen Menschen) des
In den letzten 40 Jahren ist in Vietnam die Temperatur um 0,6 Grad angestiegen,
her mit Hochwasser des Saigonflusses zu leben gelernt
der Meeresspiegel ist in den letzten 20 Jahren
bereits um 6 cm angestiegen,
■
Landes betroffen, die sich im Süden Vietnams befinden.
die Taifune sind in den letzten Jahren stärker geworden und zielen nun vermehrt auch auf den Süden
des Landes (das gab es vor zehn Jahren noch nicht),
Der absehbare Klimawandel könnte die gesamte Küste
■
die Regenintensität hat sich verändert. Die Regenzeit
Vietnams direkt beeinflussen, wenn die Vorhersage
ist stärker ausgeprägt (mehr und stärkere Nieder-
eintrifft, dass der Meeresspiegel weiterhin steigt. Die
schläge), die Trockenperioden werden heißer und
3.600 km lange Küste Vietnams ist intensiv besiedelt,
länger (in einigen südlichen Teilen des Landes hat
bildet doch das Meer eine gute Einkommensquelle für
es in den vergangenen zwei Jahren überhaupt nicht
Fischer und Züchter von Meerestieren. Ein Anstieg des
mehr geregnet).
Meeresspiegels dürfte viele flach gelegene Küstengebiete und einige Inseln, die als Siedlungsgebiete ge-
Mit der Unterstützung australischer Wissenschaftler
nutzt werden, bedrohen und könnte Korallenriffe und
wurden für Vietnam Prognosen erstellt, die alles ande-
gewachsene Mangrovenwälder in ihrer Existenz gefähr-
re als optimistisch sind und folgendes beinhalten:
den. Wenn der natürliche Schutz der Küste durch einen
höheren Wasserstand beschädigt wird, könnte es zu
■
starken Erosionen kommen.
Vietnams um 2 – 4 ºC ansteigen;
■
■
Bis zum Jahr 2050 wird der Meeresspiegel um
weitere 33 cm ansteigen;
Deltagebiete eindringt und dort das Trinkwasser für die
Bevölkerung gefährdet, das meist aus dem Süßwasser
Bis zum Jahr 2070 wird die Temperatur im Süden
Vietnams um 2 – 3 ºC ansteigen;
Ein Anstieg des Meeresspiegels könnte auch für viele
Regionen bedeuten, dass verstärkt Salzwasser in die
Bis zum Jahr 2070 wird die Temperatur im Norden
■
Bis zum Jahr 2070 wird der Meersspiegel, vom
der Flüsse gewonnen wird. Auch der Anbau von Reis
heutigen Stand aus gesehen, um weitere 50 cm
ist dann gefährdet, da dieser bisher mit Süßwasser aus
ansteigen.
den Flüssen bewässert wird.
DAS THEMA KLIMAWANDEL IST NICHT NEU
Es ist normal, dass jedes Jahr in einer bestimmten
IN VIETNAM
Jahreszeit Taifune in Vietnam auf das Festland treffen.
Damit haben die Vietnamesen gelernt zu leben. Bei
Bereit 1993 wurde in Vietnam ein Gesetz erlassen,
Taifunwarnung werden kurzfristig die betroffenen Küs-
das Vorschriften im Zusammenhang mit dem Umwelt-
tenbereiche durch zusätzliche Dämme befestigt. Die
schutz formuliert (Nutzung von Ressourcen, Luftver-
Fischer werden gewarnt, nicht aufs offene Meer zu
schmutzung, Wasser, Müllentsorgung) und die Nicht-
fahren, manchmal werden ganz Dörfer kurzzeitig eva-
einhaltung dieser Vorschriften mit Strafen bedroht. Vor
kuiert. Trotzdem gibt es jährlich fast 100 Tote im Zu-
rund zehn Jahren wurden aus einem anderen Ministeri-
sammenhang mit Taifunen. Sollte sich das Wasser im
um zwei Bereiche (Bodenschätze und Umwelt) ausge-
Pazifik in den kommenden Jahren stärker erwärmen,
gliedert und daraus ein Umweltministerium geformt.
ist damit zu rechnen, dass die Häufigkeit und die In-
Vietnam gehört zu den Gründungsmitgliedern, die das
tensität der Taifune steigen werden. Das alleine lässt
Kyoto-Abkommen geplant und vorbereitet haben. Das
schon absehen, dass der materielle Schaden zuneh-
Thema Klimawandel und Umweltschutz ist also nicht
men wird und dass noch mehr Menschenleben gefähr-
neu in Vietnam. In einer Konferenz 1990 hat Vietnam
det wären. Wenn noch ein Anstieg des Meeresspiegels
mit Unterstützung von UNEP, UNDP, SIDA und JUCN
dazukommt, könnten sich die negativen Auswirkungen
bereits einen ersten „National Plan for Environment
potenzieren.
and Sustainable Development 1991–2000: Framwork
for Action” verabschiedet.
71
Vietnam nahm an der im Mai 2007 stattfindenden Glo-
klärt in den Saigon-Fluss. In Hanoi wurde im Trinkwas-
bal Conference on Sustainable Development and Ener-
ser ein hoher Gehalt an Arsen festgestellt. Auch im
gie Conservation (CDS – 15) in New York teil. Die Re-
ländlichen Bereich wird es durch Überdüngung, un-
gierung hatte schon 2005 zum Schutz der Umwelt eine
sachlichen Gebrauch von Pestiziden und durch unge-
„Strategie zur effektiven Energienutzung” für die Jahre
klärte Abwässer immer schwieriger, sauberes Trink-
2006 bis 2015 beschlossen.
wasser zu finden.
Vietnam hat sich also schon sehr früh und sehr aktiv
Allerdings werden von Zeit zu Zeit einschneidende
beteiligt an einer Reihe von Projekten, um dem Klima-
Maßnahmen ergriffen: Am 1. Juli 2007 sollen die EU-
wandel zu begegnen. Eine Reihe von Studien wurden
Standards (CO2-Abgaswerte) für Autos eingeführt wer-
in Vietnam durchgeführt (meist unterstützt von der
den. Für Motorräder folgen ähnliche Vorschriften ein
UN oder der ADB). Die Regierung der Niederlande hat,
Jahr später. Durch die neuen Standards werden Autos
in einer gemeinsamen Studie mit Vietnam, die Auswir-
in Vietnam um rund 350 bis 500 Euro teurer werden.
kungen des Klimawandels explizit auf die Küstenbe-
Die Vorzüge von Energiesparlampen werden darge-
reiche untersucht. Mit dem Landwirtschaftsministerium
stellt, die massive Nutzung von Leuchtreklame wird
arbeitet die holländische Regierung an Programmen,
hinterfragt, Industrieunternehmen wurden aufgefor-
um Biogaserzeugung wirtschaftlich zu machen. Auch
dert, Einsparungen vorzunehmen, um der Energie-
die GTZ arbeitet mit der Regierung Vietnams zusam-
knappheit vorzubeugen. Trotzdem hat die Regierung
men (Schutz der natürlichen Ressourcen) und behan-
noch nicht die politische Kraft, neue Energieerzeuger
delt dabei auch Themen wie Windenergie, ökologische
mit teuren Filtern auszurüsten oder die Energiekosten
Waldnutzung, Solarenergie, Biogas oder Energiespar-
insgesamt zu verteuern, um einen verstärkten Anreiz
programme. TÜV-Rheinland hat sich ebenfalls stark
zum Energiesparen zu schaffen.
engagiert, Energiesparprogramme populär zu machen
und alternative Energien als praktikable Lösungen vor-
G E R I N G E S U M W E LT B E W U S S T S E I N D E R B E V Ö L-
zustellen.
KERUNG
S T E L L E N W E RT D E R T H E M AT I K I N V I E T N A M
Bei der Bevölkerung Vietnams ist das Umweltbewusstsein noch wenig ausgeprägt. Es wird auch durch Regie-
Auch wenn die Thematik in Vietnam nicht neu ist,
rungsprogramme oder Aufklärungskampagnen noch
steht Klimaschutz sicher nicht in der Prioritätenliste an
nicht ausreichend geschärft und gefördert. Solarener-
oberster Stelle. Klimaschutz konkurriert heute mit
gie wird noch als zu teuer angesehen, Windenergienut-
Themen wie Wirtschaftswachstum, Infrastrukturausbau,
zung oder die Nutzung von Erdwärme sind noch wenig
Armutsbekämpfung, Soziale Sicherheit und Bildungsof-
bekannt. Biogas beginnt derzeit ein Thema in Vietnam
fensive und hat sicher nicht ganz den gleichen Stellen-
zu werden.
wert, wie die genannten Themen. Die Regierung Vietnams bekennt sich zwar prinzipiell zu den Zielen des
Im Alltag der Vietnamesen spielt der Umweltschutz noch
Klimaschutzes und propagiert den Schutz der Umwelt
eine untergeordnete Rolle. Alternative Energiequellen,
– für konkrete Projekte fehlen oft die finanziellen Mittel
wie die Sonnenenergie, werden im Alltag kaum genutzt.
und der politische Wille. Die ausführenden Organe und
Die Energiekosten sind für den Verbraucher noch so
Institute der Regierung haben oft ungenügendes Wis-
niedrig, dass Verschwendung, zumindest bei den wohl-
sen und Kenntnisse und auf der Ebene der Provinzen
habenden Bevölkerungsteilen, normal ist und die Suche
oder auf der Ebene der Gemeinden fehlen ebenfalls der
nach Alternativen wirtschaftlich noch nicht attraktiv ge-
politische Wille und das Know-How.
nug ist. Der Großteil der Armen verbraucht wenig Energie. Die Landwirtschaft ist fast noch gar nicht mechani-
Vom Ministerium für Umwelt werden Naturschutzgebie-
siert und wird in Handarbeit und mit Ochsengespannen
te ausgewiesen, die dann aus Geldmangel von den
betrieben. Bei den Großverbrauchern in den Servicebe-
Provinzen nicht umgesetzt werden. Die Vorhaben wer-
reichen (Hotels) oder den produzierenden Betrieben ist
den oft nicht mit anderen Ministerien (Planungsminis-
das Thema als Kostenfaktor noch nicht ernsthaft ange-
terium oder Bauministerium) abgestimmt und schei-
kommen. Auch im Transportwesen sind die Energiekos-
tern deshalb. Gerade in den Großstädten wie Ho Chi
ten von untergeordneter Bedeutung.
Minh Stadt und Hanoi, nimmt die Luftverschmutzung
und die Abwasserproblematik dramatisch zu. In Hanoi
mit seinen vier Millionen Einwohnern gibt es keine
Kläranlagen, alle Abwässer werden direkt dem Roten
Fluss zugeführt. In Ho Chi Minh Stadt mit sieben Millionen Einwohnern geht die Hälfte des Abwassers unge-
72
L Ä S S T S I C H D E R K L I M A W A N D E L A U F H A LT E N ?
und mit Schadensbilanzen versehen. Es sollten auch
Schätzungen aufgestellt werden, über die Kosten
Es ist, trotz vieler politischer Bekundungen, derzeit
von erforderlichen Präventionsmaßnahmen und diese
nicht absehbar, dass Vietnam gravierende praktische
müssten dann mit den Schadensbilanzen verglichen
Schritte jetzt, oder in naher Zukunft einleiten wird,
werden. Heute wird die wirtschaftliche und politische
um einen wesentlichen Beitrag zu leisten, den globalen
Dimension und Brisanz des Themas in Vietnam noch
Klimawandel aufzuhalten.
nicht aufgezeigt und von einem Großteil der Regierung
und der Bevölkerung auch nicht diskutiert.
Das Thema Klimawandel hat in Vietnam noch kein
breites Publikum erreicht. Noch sind es einige wenige
Erst wenn solche Schadensbilanzen gemacht werden
Experten, die sich mit dem Thema befassen. Diese
und diese ein breiteres Publikum erreichen, kann davon
Experten werden eher als Exoten angesehen. Die Prog-
ausgegangen werden, dass sich die Bevölkerung, die
nosen werden als ungesicherte Visionen behandelt.
Wirtschaft und die Politik in Vietnam verstärkt und mit
Noch sind die absehbaren, negativen Entwicklungen
praktischen Schritten dem Thema Umweltschutz und
eher abstrakt dargestellt. Sie werden, von den Politi-
Klimawandel zuwenden wird. Erst dann kann mit einem
kern und von den Bürgern, noch immer nicht als akute
echten Beitrag Vietnams gerechnet werden, den Klima-
Bedrohung angesehen. Noch werden die gemachten
wandel aufzuhalten, oder wenigstens zu begrenzen.
Prognosen nicht mit Kostenschätzungen verbunden
KAMBODSCHA: DIE ENTWALDUNG DES LANDES
IST DAS GROSSE PROBLEM
Wolfgang Meyer
jahreszeitlicher Migration und regional immer wieder
zu Nahrungsmittelhilfen. In der hiesigen Diskussion
Die drei Berichte des Weltklimarats der Vereinten
werden die Probleme der rasch fortschreitenden Ent-
Nationen (IPCC) von 2007 zu den erwarteten Klima-
waldung des Landes zugeschrieben, nicht globalen
änderungen durch den „Treibhauseffekt” und seine
Effekten.
Folgen sind in den Medien Kambodschas nicht behandelt worden. Die allgemeine Öffentlichkeit ist über
Die globale Klimaerwärmung ist für die kambodscha-
die Berichte und das Phänomen des globalen Kilma-
nische Regierung ein „emerging issue”. Dies manifes-
wandels nicht informiert. Der Bericht des englischen
tiert sich in dem im Oktober 2006 vom Umweltministe-
Regierungsberaters Sir Nicholas Stern wurde nicht
rium vorgelegten und vom Kabinett verabschiedeten
zur Kenntnis genommen. In Kambodscha werden kaum
„National Adaptation Programme of Action to Climate
ausländischen Printmedien vertrieben.
Change” (NAPA). Der Aktionsplan konzentriert sich auf
reaktive Maßnahmen auf mögliche Gefahren. Ein Plan
Allein kleine universitäre Fachzirkel und Fachministe-
zur Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen
rien befassen sich seit kürzester Zeit mit Fragen des
steht nicht im Vordergrund.
globalen Klimawandels und seiner möglichen Auswirkungen auf Kambodscha. Die Sensibilisierung über-
Der Energieverbrauch der Kambodschaner ist niedrig.
nahm in erster Linie das Entwicklungsprogramm der
Während Industrie und Kraftwerke im globalen Durch-
Vereinten Nationen (UNDP).
schnitt rund 20 Prozent bzw. 30 Prozent für die CO2Emissionen verantwortlich sind, beanspruchen diese
Dennoch besteht in der allgemeinen Öffentlichkeit
beiden Sektoren in Kambodscha nur 0,8 Prozent des
Besorgnis über die spürbaren Klimaveränderungen
gesamten Energieverbrauchs. 80,6 Prozent der Ener-
der letzten Jahre. Die Regelmäßigkeit des jährlichen
gie werden in privaten Haushalten verbraucht und
Klimageschehens wird als weniger verlässlich wahrge-
17,3 Prozent von Transportmitteln. Kohledioxyd trägt
nommen. Dürren, Überschwemmungen, das Absinken
weltweit mit 72 Prozent zu den Treibhausgasemissionen
des Grundwasserspiegels und Trockenfallen von Brun-
bei. Die stärker bei landwirtschaftlicher Tätigkeit er-
nen in einigen Landesteilen werden als Umweltprobleme wahrgenommen, zwingen in manchen Gebieten zu
73
zeugten Treibhausgase wären in Kambodscha durch
Einschränkung der Abholzung der heimischen Wälder
zu beeinflussen.
3. Analyse der bestehenden institutionellen Rahmenbedingungen für die Analyse der Probleme und die
Durchführung von Anpassungsmaßnahmen;
4. Aufstellen einer Prioritätenliste von Anpassungs-
Kambodscha hat die Klimarahmenkonvention der Ver-
maßnahmen.
einten Nationen (UNFCCC), die 1994 in Kraft getreten
ist, 1995 ratifiziert. Das Königreich hat sich offiziell zur
Die vorgeschlagenen vorrangigen Maßnahmen bezie-
freiwilligen Beteiligung an Projekten zur Verringerung
hen sich auf die folgenden Interventionsbereiche:
der Treibhausgasemission bereit erklärt und das KyotoProtokoll 2002 unterzeichnet. Der aktuelle Nationale
1. Querschnittsbereiche: Verbesserung der meteorolo-
Strategische Entwicklungsplan (NSDP) nennt Klima-
gischen Dienste, Bewusstseinsbildung in der Bevöl-
wandel als Herausforderung für Kambodscha und lädt
kerung, Erstellung von Bildungsmedien zum Klima-
Entwicklungshilfegeber zur Unterstützung bei der Ab-
wandel und seinen Gefahren, Organisation von
wehr negativer Konsequenzen für das Land ein. Vor
wenigen Wochen hat Premierminister Hun Sen zum
Basisgruppen;
2. Land- und wasserwirtschaftliche Maßnahmen: An-
ersten Mal in einer öffentlichen Rede den Klimawandel
pflanzen von flut- und windbrechender Vegetation,
thematisiert. Seine öffentlichen Reden werden im Fern-
Aufforstung, Verbesserungen von Be- und Entwäs-
sehen und Rundfunk ausgestrahlt und dienen als wich-
serungsanlagen, Deichbau, Bildung von Wassernut-
tigstes Kommunikationsmittel des Regierungschefs mit
zergemeinschaften, Brunnenbau, Anlage von Tei-
weitreichendem Einfluss. Interessierte Fachkreise ha-
chen, Bereitstellung von Wassertanks, Bereitstel-
ben die Rede intensiv wahrgenommen. Ein bleibender
lung von Booten, Verbesserung der Nahrungsmittel-
Effekt auf weitere Kreise erfordert wiederholte Thema-
vorsorge, Intercropping, Einführung neuer Reissor-
tisierung des Sachverhalts.
ten mit kürzerer Reifezeit;
3. Küstenschutz: Schutz oder Rehabiliterung von
Seit 1999 unterstützt das UNDP die kambodschanische
Mangroven, Kanal- und Drainageanlagen, Sicherung
Regierung bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben bei
der Trinkwasserversorgung, Agroforstwirtschaft;
der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen.
4. Gesundheitswesen: Moskito-Habitat-Säuberung,
So wurde eine kambodschanische „Initial National
Produktion von Biopestiziden, Malaria-Aufklärungs-
Communication” zur UN Konferenz ermöglicht. UNDP
kampagnen, Malaria-Monitoring-System, Gesund-
hat im Umweltministerium die Einrichtung eines „Cam-
heitsstationen.
bodian Climate Change Office” befördert (2006) und
die Schaffung eines „National Climate Change Commit-
Die kambodschanische Bevölkerung hat zahlreiche alltäg-
tee” mit der Beteiligung mehrerer Ministerien ist ge-
liche Herausforderungen zu meistern. Umweltschutz stellt
plant. Nunmehr steht die Förderung der Vorbereitung
sich vor diesem Hintergrund als „Luxus-Problem” dar. Die
der Zweiten Stellungnahme für die UNFCCC auf dem
Regierung hingegen legt großen Wert auf die Beteiligung
Arbeitsplan. Dabei stehen vier Arbeitsbereiche im Vor-
an internationalen Organisationen und Vereinbarungen
dergrund:
und wird sich nach Kräften an der internationalen Debatte
und an Maßnahmen in diesem Bereich bemühen. Erste
■
■
eine Bestandsaufnahme der in Kambodscha erzeug-
Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor möglichen
ten Treibhausgase;
Risiken als Folge des Klimawandels haben begonnen.
die Erstellung von Maßnahmeplänen zur Reaktion
auf Umweltschäden durch den Klimawandel;
■
Erstellung eines Katalogs von Maßnahmen zur
Erreichung der Ziele der UNFCCC;
■
die Vorbereitung der Zweiten Nationalen Stellungnahme zur UN Konferenz.
Der NAPA als manifestes Regierungsdokument folgt
den Richtlinien für die Aufstellung Nationaler Aktionspläne und stellt folgende Ziele in den Vordergrund:
1. Bestandsaufnahme der größten Risiken in der Folge
von Klimawandel (Überschwemmungen, Dürren,
Stürme, Anstieg des Meeresspiegels und Eindringen
von Salzwasser, Malariaausbreitung);
2. Erarbeitung von Anpassungsmaßnahmen auf Dorfebene;
74
THAILAND: LICHTER AUS FÜR DEN KLIMASCHUTZ
Lars Peter Schmidt
Am 1. Juli 2003 regte das Kabinett die Schaffung eines
Nationalen Komitees zum Klimawechsel (National
Committee on Climate Change) an, das dem Minister
Thailand übt den Klimaschutz: am 9. Mai 2007 ver-
of Natural Ressources and Environment (MNRE), res-
löschten in einigen Bezirken Bangkoks für eine Viertel-
pektive dem ONEP, unterstellt ist. Das MNRE gilt als
stunde von 19 bis 19:15 Uhr die ‚unnötigen’ Beleuch-
‚Ausführende Nationale Autorität', Designated National
tungen an den Geschäftshäusern und Werbetafeln.
Authority (DNA). Als Ansprechstelle schuf das MNRE
Die Ersparnis: Der CO2-Bedarf sank um 143 Tonnen.
die ONEP (Office of Natural Ressources and Environ-
Und es gab hierfür einen guten Grund. Denn am
ment Policy and Planning), die ihrerseits thailändische
4. Mai 2007 unterzeichneten in der thailändischen
CDM-Projekte (Climate Change Coordinating) struktu-
Hauptstadt Bangkok die Vertreter der IPCC-Staaten
rell koordiniert. Im August 2006 eröffnete die damalige
den 3. Bericht des Weltklimareports.
Thaksin-Regierung ein National Board on Climate
Change Policy und Climate Change Coordinating Office
Unter Leitung von Ogunlade Davidson, dem Vorsitzen-
unter Leitung des Office of Natural Resources and En-
den des 3. Workshops, befasst sich dieser Report
vironment (ONEP) und der Thailand Greenhouse Gas
nur mit Lösungen zum anstehenden Klimaverhalten.
Management Organization, einer öffentlich-rechtlichen
468 Autoren aus aller Welt haben mitgewirkt. In Thai-
Organisation.
land selbst ist der Bericht in den englischsprachigen
Zeitungen wie Bangkok Post und The Nation, aber auch
Die ONEP als Sekretariat ernennt den Direktor der
in thaisprachigen Medien ausführlich erklärt worden.
Climate Change Coordinating Unit. Ihm unterstellt sind
Thailand selbst befasst sich seit 1992 mit Klimafragen.
Verwaltung und Seniorexperten, sowie die Abteilungen
Climate Change Policy Sector, CDM-Sektor sowie Re-
Im Juni 1992 unterzeichnete die damalige Regierung
search and Development, Forschung und Entwicklung.
Thailands bereits bei der UNCED (United Nations
Insbesondere ist die ONEP angehalten, eine nationale
Conference on Environment and Development) das
Strategie zu Klimaveränderungen zu erstellen. Dabei
UNFCCC-Papier (United Nations Framework Convention
gilt es vor allem auch, eine Annäherung zum Nationa-
on Climate Change) und ratifizierte diesen Akt im
len Sozialen und Wirtschaftlichen Entwicklungsplan
Dezember 1994. Das Kyoto-Protokoll wurde im Februar
(National Social and Economic Development Plan) ein-
1999 unterzeichnet und am 28. August 2002 mit dem
zuarbeiten. Details werden zum Aufbau von Kapazitä-
Eintrittsdatum 16. März 2005 ratifiziert.
ten für die Klimaveränderungen, die Reduzierung von
Treibhausgasen, die Herstellung öffentlichen Interesses
Insgesamt unterlagen die klimapolitischen Aktionen
sowie die Steigerung der Erforschungs- und Entwick-
Thailands in der Vergangenheit einem starken Wandel.
lungsaufgaben erwartet.
So unterlag etwa die Beachtung und Verwaltung des
UNFCCC und des Kyoto-Protokolls dem Office of Envi-
Gleichzeitig organisiert das Büro gemeinsam mit dem
ronment Policy and Planning (OEPP), das dem MOSTE
Thailand Environment Institute (TEI) und der Danish
(Ministry of Science, Technology and Environment) un-
International Development Agency (DANIDA) ein Pilot-
terstand. Unter Wahrung der administrativen Reform-
projekt „Schools for Better Climate (SBC)”. Jeweils vier
aktivitäten der thailändischen Regierung des Jahres
Schulen aus fünf Bezirken werden hierzu ausgerüstet
2002 unter dem 2006 bei einem Militärputsch gestürz-
und mit Geldern versorgt. So fand bereits 2006 der
ten Ministerpräsidenten Thaksin wurde das Ministerium
„Thai Environment Day” mit diesen Schulen statt. Die
für Nationale Ressourcen und Entwicklung (MNRE oder
entsprechenden Lehrer erhalten eine zusätzliche Schu-
MONRE) geschaffen. Die Aktivitäten der OEPP nahm
lung, um auch andere Institute zu beraten. Diese Auf-
das Office of the Permanent Secretary (MNRE) wahr.
gabe entspricht dem Artikel 6 der UNFCCC. Parallel
Im September 2004 entschied der Minister des MNRE,
dazu gibt es eine Ausbildung für Erwachsene im Office
dieses Office of Environmental Policy and Planning zu
of the Non-Formal Education Commission (ONFEC) des
schaffen, das bei gleichen klimapolitischen Aufgaben
Erziehungsministeriums. Das TGM Management Board
nun für UNFCCC und Kyoto-Protokoll zuständig war.
wird, so der letzte Stand, CDM-Projekte als One-Stop-
Laut einer Regierungserklärung vom 10. September
Organisation entscheiden und genehmigen. Dabei wird
2002 ist sich der thailändische Staat der anstehenden
der Nationale Erhaltungsplan (National Sustainable
Klimaprobleme bewusst und fördert nach damaliger
Aussage in Zukunft nur solche Projekte, die die Treibhausgasemission zu reduzieren helfen.
75
Development Plan) ebenso zu Hilfe genommen wie der
Technologie- und der Kapazitätsplan. Die Bedürfnisse
der einzelnen Behörden sollen berücksichtigt und das
Vorhaben in den thailändischen CER-Ausgleichsplan
(Certified Emission Reductions) eingearbeitet werden.
Neben der regierungsseitig präsentierten, politischen
Lösung stellten sich aber auch örtliche Wegbereiter in
der Sache. So organisierte etwa der Bangkok-Verwalter Apirak Kosayothin den Stromspar-Lights-Out am
9. Mai 2007, der künftig an jedem 9. Tag eines Monats
die Bevölkerung an die offenen Fragen zum Klimaschutz erinnern soll. Die Berichterstattung fand sowohl
in den Printmedien wie Bangkok Post und The Nation,
aber auch in thailändischen Erzeugnissen entsprechende Berichterstattung und wurde auch live vom thailän-
Der Verzicht auf übermäßige Beleuchtung führt bereits
zur Minderung des CO2-Ausstoßes.
dischen Fernsehen übertragen. Allerdings, wie etwa bei
Kanal 11, mit einer Bildführung, die schon eher an die
ersten Anfänge bundesdeutschen Fernsehens erinnert
Eine politische Veränderung dieses Themas hat sich
– eine überbelichtete Darstellung der gezeigten Grafi-
durch den Militärputsch im September 2006 nicht er-
ken sowie schwache Kommentarbilder der Verantwort-
geben. Eher, so scheint es, habe die königliche Familie
lichen. Dennoch: Dieses Ereignis hat sich fest in die
das Thema aufgegriffen, etwa zur Frage des Bio-Diesel,
Hirne der Thais eingeprägt. Unabhängig von dieser
der seit mehreren Jahren intensiv gefördert wird.
aktuellen Entwicklung wurde aber schon vorher in der
Immerhin, Bangkok ist nach Angaben aus The Nation
Fernsehlandschaft ein thailändisches Buch zur Diver-
eine der Hauptquellen von Treibhausgasen in Thailand.
sifizierung und Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft
Rund 30 bis 50 Prozent des vollständigen Energiever-
beworben.
brauchs sind hier konzentriert. Der Bedarf der Bürger
Bangkoks lässt sich auch an allgemeinen Statistiken
Ein Blick in das Internet zeigt, dass sich auch in diesem
ablesen. So betrugen die monatlichen Durchschnitts-
südostasiatischen Land viele Aktivitäten und Hinweise
kosten pro Haushalt in Bangkok umgerechnet etwa
der nationalen Eliten aufzeigen lassen. Eine grobe Un-
52 Euro, in der Zentralregion und im Süden rund
terteilung zeigt eine Aufsplitterung in staatliche Stellen,
34 Euro und im Norden und Nordosten nur rund
allgemeine Behörden städtischer oder ländlicher Aus-
22 Euro. Wie das Nationale Statistikbüro Thailands
richtung, NROs und Medien. So sind etwa der ONEP
mitteilt, ist der Energiebedarf in den Jahren von 2004
mehrere Büros untergeordnet, die sich jeweils mit
auf 2006 durchschnittlich um 16 Prozent gestiegen.
Einzelproblemen wie etwa der Entwicklung von umwelt-
Von 2002 auf 2004 lag er bei knapp 7 Prozent.
schützenden Projekten oder Produkten oder der
Behandlung von Flutungsregionen und Sumpfgebieten
Statistiken auch des National Statistical Office zeigen,
befassen. Auch hier finden sich kleinere Hinweise
dass Bangkoks Einwohner im vergangenen Jahr 206
auf die Klimaveränderungen, die im Mai offiziell ins
Millionen Kilowattstunden verbraucht haben. Dazu
Bewusstsein der Welt rückten.
kommen 34 Millionen Liter Öl, 400.000 Liter Gasohol
und 25.000 Kilogramm natürliche Gase. Aber die Stadt-
Wenige, bis fast gar keine Hinweise allerdings findet
verantwortlichen sind sich der Lage bewusst: So wer-
der Besucher zum Report von Sir Nicholas Stern, der
den etwa 50.000 frei auszugebende Energiesparlampen
am 30. Oktober 2006 in Großbritannien veröffentlicht
verteilt. Dazu kommen weitere fünf Millionen „Thin
wurde. Zu diesem Bericht gibt es – mit größerer zeit-
Bulbs”, die von der Bangkok Metropolitan Administration
licher Verzögerung und Ausrichtung auf die USA –
vermarktet werden. Und zum 12. August – dem
lediglich in den Pressearchiven etwa der Nation kurze
Geburtstag der Königin und thailändischem Muttertag –
Abhandlungen. Auch auf den offiziellen Seiten der
werden in und um Bangkok eine Million Bäume in Parks
Verwaltung und der Behörden ist der Name nicht auf-
und öffentlichen Grünanlagen gepflanzt.
geführt. Mehrere Gespräche mit Thai führen zu der
Einschätzung, dass zwar die Problematik der Klima-
Die Administration der thailändischen Metropole selbst
veränderung bekannt sei, dass sich die Thai aber
ist mittlerweile in diesem Bereich auch international
eher um wirtschaftliche Belange kümmern und die
aktiv. So wurde Bangkok am 18. Mai 2007 zu den
Auswirkungen der Klimaerwärmung nicht als aktuelle
ersten 16 Megacities ernannt, die am Clinton Klima-
Frage sehen.
Initiativprogramm (C40) zur Aufarbeitung bestehender
76
Gebäude und der Verringerung der CO2-Emission ein-
Zu kämpfen haben auch die Umweltorganisationen wie
gesetzt werde. Bannasopit Mekvichai, der Gouverneur
etwa Greenpeace Thailand oder der World Wildlife
Bangkoks, bestätigte gegenüber der Nation, dass vor-
Fund (WWF). Sie sind zwar im Internet vertreten und
erst die Hauptgebäude der BMA ausgestattet würden.
auch aktiv an der Thematik dran, gewinnen jedoch nur
sehr wenig Aufmerksamkeit in der breiten Öffentlich-
Schwach stellt sich die Situation der Unternehmen dar.
keit. Hier stehen aktuelle Probleme wie etwa das ge-
Eine Untersuchung des Grant Thornton International
plante Verbot zweier großer Parteien (Thai-Rak-Thai
Business Report (IBR) mit 7.200 Unternehmen aus 32
und Demokraten), die Verfassungsdiskussion sowie
Ländern ergab unter dem Aspekt des Energie-Reviews,
auch die aktuellen wirtschaftlichen Fragen im Vorder-
der Reduktion der Energiekonsums, des Abschaltens
grund. Immerhin, Schilder an den Strassen zum Ein-
eher ungenutzter Energie, der Investition in Energie-
satz anderer Energiequellen beim Kfz-Verkehr wie
Sparmaßnahmen und der Energierückgewinnung bei
etwa Bio-Diesel, des besseren Einsatzes öffentlicher
möglichen 600 Punkten für Thailand den Wert von
Verkehrsmittel oder auch der Mülltrennung weisen die
178 Punkten und platziert Thailand an das Schlussfeld
Thai zumindest im Großraum Bangkok auf die Gefah-
in Klimafragen. Deutsche Unternehmen erzielten
ren dauerhaft hin. Die Praxis sieht aber meistens noch
306 Punkte und liegt im Mittelfeld.
anders aus.
SINGAPUR:
BRANDRODUNG LÄSST DEN HIMMEL VERDUNKELN
Colin Dürkop
Die Integration von ökologischen Aspekten in die internationale Handelspolitik ist eines der Ziele nach-
Nicht erst seit der Tagung des Weltklimarates IPCC in
haltiger Entwicklung. So wird auf regionaler und inter-
Bangkok 2007 wird der Umgang mit dem Klimawandel
nationaler Ebene mittlerweile diskutiert, wie sich han-
in der Region diskutiert, wenn auch vielen asiatische
dels- und umweltpolitische Maßnahmen gegenseitig
Schwellen- und Entwicklungsländer bislang nur geringe
ergänzen können. Während manche westliche Länder
konkrete Anstrengungen unternommen haben. Im
bemüht sind, umweltpolitische Themen in die Handel-
Januar 2006 beispielsweise beschlossen China, Japan,
politik zu integrieren, treten einige asiatische Staaten
Indien, Südkorea, Australien und USA, die zusammen
diesem Ansatz eher skeptisch gegenüber und vermei-
für die Hälfte der weltweiten Treibhausgase verant-
den Umweltthemen in den zahllosen Verhandlungen
wortlich sind, die Schaffung eines Fonds zur Reduzie-
über Freihandelsabkommen. Im Vergleich zum Finanz-
rung der Treibhausgase durch die Förderung „sauberer
und Handelsdialog konnten die asiatischen Regie-
Technologien”. Die „Asia-Pacific Partnership on Clean
rungs- und Staatschefs mit der Verabschiedung einer
Development” basiert allerdings auf einem Konsens
Klimaschutzerklärung in Helsinki (ASEM 6 Declaration
der beteiligten Staaten, dass es dabei keine verbind-
on Climate Change 2006) ihr gemeinsames Hand-
lichen Ziele für die Verringerung der Treibhausgase
lungspotenzial vergrößern. In der entsprechenden
oder Zeitpläne geben sollen. China, Indien und die
Erklärung einigten sich die 25 europäischen und 13
anderen ärmeren Ländern dürfe der Weg zu mehr Wohl-
asiatischen Staaten auf die Stärkung und volle Umset-
stand und somit zu einem höheren Maß an Umwelt-
zung der UNO-Klimakonvention von 1992 sowie des
schutz nicht durch rigide globale Regeln verwehrt
Kyoto-Abkommens zur Reduktion von Treibhausgasen.
werden. Somit steht dies den verbindlichen Zielen des
Bemerkenswert ist die Bereitschaft der insbesondere
Kyoto-Protokolls und des Programms zur Klimakon-
der asiatischen Teilnehmerseite der ASEM, das Kyoto-
trolle von 1997 diametral entgegen. Australien und die
Abkommen auch nach seinem Auslaufen im Jahre
USA haben das Kyoto-Protokoll nicht unterzeichnet.
2012 fortzuführen. Dies deutet auf einen bestandfähi-
Gleichzeitig will der Fonds die Erforschung erneuerba-
gen Klimakonsens hin, der sich auch in gemeinsamen
rer Energien durch private Unternehmen unterstützen.
Verhandlungspositionen bei den Weltklimakonferenzen
in Montreal und Nairobi manifestierte. Das strategische Potenzial einer euro-asiatischen Allianz liegt auf
der Hand: ASEM kann mit seinem politischen und
wirtschaftlichen Einfluss die Agenda der internationa-
77
schaft einzurichten, die sich dann auch gezielter des
Themas globale Erwärmung und Klimawandel annehmen wird. U.a. wird diese AG Informationen über den
vom Menschen verursachten Klimawandel untersuchen, einschließlich der Folgen und Risiken der globalen Klimaveränderungen.
Aber auch andere Kooperationspartner der KonradAdenauer-Stiftung in Asien beschäftigen sich mit
diesem Themenumfeld:
Die „ASEAN People’s Assembly” (APA) wird bei ihrem
bereits 6. Forum in Manila im Oktober 2007 dem
Thema Klimawandel und Erderwärmung ein eigenes
Podium sowie eine Arbeitsgruppensitzung widmen.
Der jährliche durch Brandrodung in Indonesien und Singapur
verursachte „Haze” (Dunst), führt zu gravierenden Gesundheitsproblemen.
APA ist ein vergleichsweise einzigartiges regionales
Forum zur Artikulation sozialer und politischer Interessen. APA fördert seit dem Jahr 2000 den regionalen Dialog und vertrauensbildende Maßnahmen zwischen Meinungsführern, Regierungs- und Parteien-
len Klimakonferenzen beeinflussen und die Klimapoli-
vertretern mit Gruppen der Zivilgesellschaft. Über
tik aktiv mitgestalten. ASEM wird in seinen Aktivitäten
300 Teilnehmer aus den verschiedensten Gesellschafts-
auch unterfüttert von dem Asia-Europe Environment
bereichen, wie z.B. Politiker, Aktivisten, Leiter von
Forum, einem Dialogforum der Asia-Europe Foundation
Regierungsberatungsinstitutionen und Think-Thanks
(ASEF) mit finanzieller Förderung durch die HSS und
sowie Medienvertreter kommen jeweils zusammen.
fachlicher Unterstützung seitens des HWWA.
Die KAS unterstützt neben einigen anderen Kooperations-organisationen dieses Forum seit drei Jahren.
Insbesondere seit der jüngsten Sitzung des Weltklima-
Erstmals bei dem 12. Gipfeltreffen der ASEAN Staaten
rates IPCC in Bangkok und dem UNO-Klimabericht so-
(Cebu 2007) konnte den anwesenden Staats- und
wie dem Stern-Report vom Oktober 2006 – aber auch
Regierungschefs der Bericht des APA-Forums vorge-
nach der verheerenden Tsunami-Katastrophe und dem
tragen werden. Eine Integration in den politischen
vielbeachteten Dokumentarfilm „An Inconvenient Truth”
Entscheidungsprozeß ist somit gewährleistet.
von Al Gore – wird der Klimawandel in der Region sowohl in der Presse (The Straits Times u.v. a.) als auch
Auch die „Asian Political and International Studies
in den unterschiedlichsten Gremien, Instituten und
Association” (APISA) hat mittlerweile die Dringlichkeit
Think-Tanks der Region immer intensiver diskutiert.
dieses Themas erkannt. APISA gilt als ein wichtiges
Forum für den Austausch von Politikwissenschaftlern
In Singapur würde beispielsweise ein Ansteigen des
und anderen Vertretern der sog. „epistemic communi-
Meeresspiegels um 15 cm die halbe Inselrepublik
ties”. Es handelt sich um eine renommierte internatio-
unter Wasser versinken lassen. Der jährliche durch
nale „Wissensgemeinschaft” von politikwissenschaftli-
Brandrodung in Indonesien und Malaysia verursachte
chen Instituten und Fakultäten, die soziale und gesell-
weiträumige „Haze” (trübe Dunstglocke) führt in Süd-
schaftspolitische Analysen und Studien betreiben.
ostasien zu immer gravierenderen Gesundheitsproblemen. Die Entwaldung in Indonesien ist die größte
Das ASEAN-Sekretariat koordiniert die Umweltpoliti-
nicht nur in Asien sondern weltweit überhaupt: 300
ken der ASEAN Mitgliedsstaaten in verschiedenen im
Fußballfelder pro Stunde. Der „Singapore Green Plan”
Umweltschutz tätigen Arbeitsgruppen. Politisches Ziel
der Regierung, der periodisch fortgeschrieben wird
lautet „a clean and green ASEAN with fully established
(2012), behandelt u. a. das Thema Klimawandel unter
mechanisms for sustainable development to ensure
den Gesichtspunkten Energieeffizienz, saubere Ener-
the protection of the region’s environment, the sustai-
gie (z. B. Erdgas) und erneuerbare Energie.
nability of its natural resources, and the high quality
of life of its peoples”. Zahlreiche Beschlüsse und De-
Am intensivsten hat sich in der Region der langjährige
klarationen mündeten in einer Reihe von Vereinbarun-
KAS-Partner „Institute of Southeast Asian Studies”
gen (Declarations and Resolutions on Environment
(ISEAS) mit dieser Problematik auseinandergesetzt.
and Development) sowie einem ASEAN Environmental
ISEAS plant, eine Umwelt- & Energie-Arbeitsgemein-
Action Plan 2000 bis 2005. Auf der Prioritätenliste
stehen an erster Stelle „global environmental issues
und transboundary haze pollution”.
78
MONGOLEI:
DER KLIMAWANDEL IST KEIN ÖFFENTLICHES THEMA
Thomas Schrapel
■
1. EINFÜHRUNG
■
lang anhaltende Dürre in den Monaten Juni bis
September;
von der Trockenheit sind nicht mehr nur die Wüstengebiete, sondern bis zu 80 Prozent der gesamten
Eine nennenswerte öffentliche Diskussion zum Thema
Fläche des Landes betroffen.
Klimawandel gibt es in der Mongolei gegenwärtig
nicht. Es sind keine offiziellen Stellungnahmen aus
Hinzu kommt, dass seit einigen Jahren von Wissen-
der mongolischen Politik zu den IPCC- bzw. zum Stern-
schaftlern auf das rasant voran schreitende Abschmel-
Bericht bekannt. Weder die Regierungs- noch die
zen der Gletscher insbesondere im Altai-Gebirge hin-
Oppositionsparteien befassen sich mit dem Thema.
gewiesen wird und ein Zusammenhang zum weltwei-
Eine für die Politik zu beachtende Umweltbewegung
ten Klimawandel als erwiesen gilt. Zuletzt wurde dies
als potentieller Träger einer solchen Diskussion gibt
im Kontext mit einer archäologischen Sensation im
es nicht, von vereinzelten Aktivitäten abgesehen.
Sommer 2006 diskutiert, als ein Team unter Leitung
Umweltbewegungen existieren zwar in rudimentärer
des Präsidenten des Deutschen Archäologischen Insti-
Form. Deren Aktivitäten richten sich aber gegen die
tuts, Prof. Dr. H. Parzinger, die fast vollständig erhalte-
unmittelbaren umweltschädlichen Auswirkungen des
ne Mumie eines skythischen Kriegers im mongolischen
Bergbaus, vor allem das Austrocknen von Flüssen und
Teil des Altai-Gebirges fand. In diesem „Sog” versuch-
Seen als Folge der Abbaumethoden der Unternehmen.
ten Geologen darauf aufmerksam zu machen, dass
Der Frage, ob es einen direkten Zusammenhang zwi-
das Abschmelzen der Gletscher im Altai-Gebirge noch
schen weltweitem Klimawandel und dem veränderten
viel rasanter voranschreite als beispielsweise in den
Wasserhaushalt in der Mongolei gibt, wird seitens der
Alpen, wo ein direkter Zusammenhang mit dem globa-
Politik und Umweltbewegungen nicht nachgegangen.
len Klimawandel als erwiesen gilt. Es gab kaum nennenswerte Reaktionen auf diese Hinweise.
2. DIE MONGOLEI IST VOM GLOBALEN
K L I M A W A N D E L S TA R K B E T R O F F E N
3. AUCH „HAUSGEMACHTE” PROBLEME FÜHREN
ZU ERHEBLICHEN VERÄNDERUNGEN DES
Die weitestgehende „Teilnahmslosigkeit” von Politik
BIOLOGISCHEN GLEICHGEWICHTS
und Medien steht im starken Kontrast zu den Ergebnissen von wissenschaftlichen Untersuchungen. Seit
Hingegen wurde und wird über zwei hintereinander
den 90er Jahren werden sowohl in mongolischen For-
folgende, extreme Winter – so genannte „Zuds” – in
schungseinrichtungen als auch durch Initiative von
den Jahren 1999 und 2000 diskutiert. Im Gegensatz
internationalen Organisationen Studien über die Aus-
dazu waren die Sommer überdurchschnittlich heiß und
wirkungen des weltweiten Klimawandels auf das Öko-
trocken. Im Frühjahr tobten ungewöhnlich lang anhal-
system der Mongolei angefertigt. Eine der wichtigsten
tende und starke Sandstürme. Dadurch reduzierte
Studien wurde 2003 vorgestellt. Es handelt sich um
sich der Viehbestand von 33,6 Millionen Stück Vieh
die von UNDP geförderte Untersuchung in mongoli-
(1999) auf ca. 23,5 Millionen Stück Vieh (2002). Die
scher Sprache mit dem Titel „Auswirkungen der Ver-
landwirtschaft-liche Produktion ist in dieser Zeit um
änderungen des Weltklimas auf die Nomadenwirt-
ca. 25 Prozent zurückgegangen. Die Verluste bei der
schaft”. Nach dieser Studie werden die Naturkatastro-
Fleisch- und Milchproduktion betrugen 30 Prozent bzw.
phen seit 1999 mit extremen Auswirkungen auf die
42 Prozent. Im Jahre 2002 verzeichnete das Land pro
Landwirtschaft und die gesamte Ökonomie auf die
Kopf der Bevölkerung den niedrigsten Viehbestand
Veränderungen des Weltklimas zurückgeführt. Die
seit Einführung der offiziellen Statistik 1940. Extreme
Untersuchung nimmt teilweise Bezug auf den ersten
Auswirkungen hatten diese Klimaveränderungen auch
IPCC-Bericht von 2001. Demnach sind folgende Indi-
auf die Weideflächen, wobei zu beachten ist, dass Fach-
katoren eines veränderten Klimas im Land zu regis-
leute in diesem Zusammenhang auch auf die „haus-
trieren, die als Folge des weltweiten Klimawandels
gemachten” Probleme der Überweidung insbesondere
gelten:
durch die Spezialisierung auf Mono-Ziegenherden hinweisen. Nach der Privatisierung der Vieherden in der
■
Erhöhung der durchschnittlichen Jahrestemperatur;
zweiten Hälfte der 90er Jahre wurde es für viele Vieh-
■
Rückgang der Niederschläge und damit der Boden-
züchter ausgesprochen attraktiv, große Mono-Ziegen-
feuchtigkeit;
herden zu züchten, weil durch den Verkauf der aus
79
dem Bauchhaar gewonnenen Kaschmirwolle schnelle
sammenhang zwischen diesen Naturkatastrophen und
und vergleichsweise hohe Gewinne erzielt werden kön-
der Änderung des Weltklimas ist nicht zu erkennen.
nen. Jedoch ist die rasch voranschreitende Desertifika-
Auch in den Medien ist das Thema allenfalls als Mar-
tion der Weideflächen in der Mongolei ein unmittelbares
ginalie besetzt. Unter diesen Umständen ist es äu-
Ergebnis dieser veränderten Viehzuchtmethoden.
ßerst schwierig, Berichte wie den oben erwähnten zu
den „Auswirkungen der Veränderungen des Weltkli-
Extreme Auswirkungen hatte diese Entwicklung auf
mas auf die Nomadenwirtschaft” zu verifizieren. Im
die Sozialstruktur der Bevölkerung. Mehr als 12.000
öffentlichen Bewusstsein scheint dieser keine Rolle
Familien verloren in dieser Zeit ihren gesamten Vieh-
zu spielen. Es gibt auch keine außerparlamentarische
bestand. Bei weiteren 20.000 Viehzüchterfamilien re-
Lobby, die sich die Kommunikation der Ergebnisse
duzierte sich der Bestand so extrem, dass dieser nicht
und Warnsignale des Berichts auf die Fahnen ge-
einmal mehr zur reinen Subsistenzwirtschaft fähig
schrieben hätte. Eine öffentliche Diskussion findet
war. Zwischen 1999 und 2003 siedelten überwiegend
de facto nicht statt.
aus diesen Gründen fast 30.000 Familien vom Land in
die Stadt, vornehmlich in die Hauptstadt Ulan Bator
4. DIE JAHRE 1999 –2000 ALS ZÄSUR –
über. Jedoch ist der Zuzug in die Hauptstadt schon
W E LT W E I T E R K L I M A W A N D E L O D E R
seit Mitte der 90er Jahre zu beobachten, ist also nicht
D I S P R O P O RT I O N A L E E N T W I C K L U N G E N
nur eine Folge der „Zuds”. Innerhalb von rund zehn
I M P O L I T I S C H E N U N D W I RT S C H A F T L I C H E N
Jahren hat sich die Einwohnerzahl der Hauptstadt Ulan
T R A N S F O R M AT I O N S P R O Z E S S ?
Bator verdoppelt! Die Verwaltungen und die Infrastrukturen der Stadtbezirke waren auf eine solch dras-
Zwar muss auf der einen Seite beachtet werden, dass
tische Zunahme der Bevölkerung in keiner Weise vor-
der so genannte „Zud” in den Jahren 1999 und 2000
bereitet. Auch bietet der Arbeitsmarkt viel zu geringe
im gegenwärtigen Bewusstsein der Mongolen eine
Möglichkeiten, die Zugezogenen in Lohn und Brot zu
Zäsur darstellt. Die Viehzüchter denken in den Kate-
bringen. Die Statistik verzeichnet eine extreme Zu-
gorien „vor” und „nach” dem „Zud” in diesen Jahren.
nahme der Anzahl von Menschen, die deutlich unter
Auf der anderen Seite ist zu bedenken, dass es solche
der offiziellen Armutsgrenze leben.
Winter in der Mongolei im Abstand von ca. 7–10 Jahren
schon immer gegeben hat. Das Wort „Zud” ist ein sehr
Eine weitere nennenswerte Auswirkung dieser zumin-
altes mongolisches Wort, seit Jahrhunderten ist diese
dest teilweise auf den weltweiten Klimawandel zurück-
Naturerscheinung bekannt.
geführten Folgen ist die Veränderung des Wasserhaushaltes in diesem Steppenland. Eine große Anzahl von
Auch im 20. Jahrhundert hatte die periodische Wieder-
kleineren und mittleren Flüssen ist vom Austrocknen
kehr dieses extrem strengen Winters, in dem die Tem-
bedroht, mehr als tausend Handbrunnen sind versiegt,
peraturen wochenlang zum Teil deutlich unter minus
was für dieses dünn besiedelte Land ausgesprochen
50 Grad fallen, zu erheblichen Verlusten des Tierbe-
viel ist. Allerdings muss auch hier ergänzt werden, dass
standes geführt. Jedoch befanden sich die Viehherden
derartige Veränderungen offenkundig nicht in erster
in Gemeinschafts- bzw. Genossenschaftseigentum.
Linie auf den globalen Klimawandel zurückzuführen
Die besonders stark betroffenen Familien erhielten ent-
sind, sondern auch bereits erwähnte, „hausgemachte”
sprechenden Ausgleich, so dass unmittelbare soziale
Probleme bei einer Analyse hinzugezogen werden
Folgen zumindest „abgefedert” werden konnten. Nach
müssen. Nach der Privatisierung der Herden in der
der Privatisierung der Viehherden hatte sich diese
zweiten Hälfte der 90er Jahre gab es keine durchgrei-
Situation fundamental geändert. Unter diesem Aspekt
fenden Regelungen über die vormals gemeinschaftlich
kann jedenfalls ein direkter Zusammenhang zwischen
betreuten Brunnen und Wasserstellen, die funktions-
globalem Klimawandel und disproportionalen Entwick-
unfähig wurden, weil sich keiner für den Erhalt und
lungen in der Viehwirtschaft mit deutlichen Auswirkun-
die Pflege verantwortlich fühlte. Gleichwohl sind sich
gen auf die soziale Situation von Betroffenen nicht
Wissenschaftler darin einig, dass sowohl der globale
hergestellt werden.
Klimawandel als auch subjektive Bedingungen im Land
zu den Veränderungen geführt haben.
Allerdings fällt es vor diesem Hintergrund auch ausgesprochen schwer, eine komplexe Diskussion über
Wie bereits angedeutet, ist eine bemerkenswerte In-
mögliche Auswirkungen des weltweiten Klimawandels
aktivität seitens der Politik und der Medien gegenüber
auf direkte, relativ kurzfristige Veränderungen des
den angemahnten Problemen festzustellen. Zwar wird
biologischen Gleichgewichts in der Mongolei zu füh-
in der Politik teilweise über die Auswirkungen der
ren. In ähnlicher Weise verhält es sich mit den Dis-
oben beschriebenen Naturkatastrophen gelegentlich
kussionen über den in den letzten Jahren sich rasant
diskutiert. Aber eine generelle Debatte über den Zu-
veränderten Wasserhaushalt des Landes, der am Aus-
80
trocknen ganzer Flüsse und Seen deutlich sichtbar ist.
über Umweltschäden, die in den letzten Jahren sichtbar
Vereinzelte Umweltschutzbewegungen verweisen fast
geworden sind. Jedoch werden hier die Ursachen eher
ausschließlich auf die umweltfeindlichen Abbaumetho-
in den „hausgemachten” Problemen seit Beginn der poli-
den der großen Bergbauunternehmen. Wie schon
tischen und wirtschaftlichen Transformation gesucht,
erwähnt, wird ein Zusammenhang mit dem globalen
allerdings auch ohne nennenswerte Konsequenzen für
Klimawandel nicht hergestellt. Hinzu kommt, dass
entsprechendes politisches Handeln. Es ist in der gegen-
in der jetzigen Situation die Politik großes Interesse
wärtigen Situation kaum möglich, vereinzelte Berichte
daran hat, den Bergbausektor weiter auszubauen,
zu Umwelt- und Klimaveränderungen in der Mongolei
weil Abbau und Verkauf der reichlich vorhandenen
dahin gehend zu verifizieren, ob globale oder nationale
Rohstoffe als Schlüssel zur Armutsbekämpfung ange-
Entwicklungen als Ursache benannt werden müssen,
sehen werden.
geschweige denn, dass solche Berichte Voraussetzung
für eine breite gesellschaftliche Diskussion sein könnten.
5 . P O L I T I K E R , U M W E LT B E W E G U N G E N U N D
W I S S E N S C H A F T L E R O H N E K O O R D I N AT I O N
Auch wenn entsprechende Einzeluntersuchungen von
Wissenschaftlern vorliegen, findet eine Kommunikation
Das Thema globaler Klimawandel spielt in der gegen-
mit den Politikern und Umweltbewegungen nur unzu-
wärtigen politischen Diskussion in der Mongolei keine
reichend statt. Damit ist offenkundig keine ausrei-
nennenswerte Rolle. Keine der in der öffentlichen Wahr-
chende Diskussionsgrundlage vorhanden, um dieses
nehmung relevanten politischen Parteien hat dieses
komplexe Thema in der öffentlichen Wahrnehmung
Thema auf der Agenda. Auch in den Medien spielt das
entsprechend zu „plazieren”.
Thema keine Rolle. Zwar gibt es vereinzelte Berichte
A F G H A N I S TA N : I N K A B U L E N T S P R I C H T D E R
T Ä G L I C H E I N G E AT M E T E S M O G 5 5 Z I G A R E TT E N
Babak Khalatbari | Asgar Abbaszadeh
„Umweltschutz” (‫ )تسيز طيحم‬oder „Klimawandel”
(‫ )ميلقا تاريغت‬kommt in der Verfassung nicht vor.
Die Umweltdiskussion in Afghanistan erscheint durch
die Aus- und Nachwirkungen von rund zwei Dekaden
Im Zeitraum Mai 2007 wurden die führenden Print-
kriegerischer Auseinandersetzungen nicht sonderlich
medien Afghanistans auf das Schlagwort „Klimawandel”
vordergründig oder komplex geführt zu werden.
ausgewertet: Es gab keinen einzigen Beitrag zum Thema „Klimawandel”. Gegenwärtig scheint das Thema
Formell wird das Thema in der afghanischen Verfas-
in Afghanistan keine Aufmerksamkeit zu erregen. Ein
sung berücksichtigt. Insgesamt kommt das Schlag-
für Afghanistan mittlerweile typisches Stigma. Denn
wort „Umwelt” (‫ )تسيز طيحم‬zwei Mal in der Verfassung
obwohl das Land am 17. Juni 2004 zahlreiche völker-
vor. In der Präambel der Verfassung findet es von
rechtliche Vereinbarungen zum Klima- und Umwelt-
11 Punkten an zehnter Stelle wie folgt Berücksichti-
schutz unterzeichnet hat, scheint sich Afghanistan mit
gung: „Wir, das Volk von Afghanistan, haben zur
der praktischen Umsetzung der politischen Inhalte
Sicherung von Wohlstand und gesunder Umwelt für
noch nicht sehr intensiv auseinandergesetzt zu haben.
alle Bewohner dieses Landes, die Verfassung unter
Dies liegt zum einen sicherlich an dem Sachverhalt,
Berücksichtigung der historischen, kulturellen und
dass es erst seit Ende 2005 ein Parlament gibt und
sozialen Realitäten des Landes sowie der Erforder-
zum anderen aber auch an den teilweise nur subopti-
nisse der Zeit durch unsere gewählten Vertreter in der
malen Arbeitsvorgängen in den Ministerien.
Großen Ratsversammlung (Loya Dschirga) am 14. Jadi
1382 Hidschra (04.01.2004) in der Stadt Kabul ver-
Letztendlich erschwert die sich verändernde Sicher-
abschiedet.” Die zweite Verwendung des Begriffes
heitslage nicht nur den Wiederaufbauprozess, sondern
„Umwelt” wird in Artikel 15 aufgegriffen, in dem fest-
auch die politische Auseinandersetzung um andere
gehalten wird, dass „der Staat verpflichtet ist, zum
Schutz und zur Gesundung der Wälder und der Umwelt
notwendige Maßnahmen zu ergreifen.” Der Begriff
81
wichtige Themen wie etwa dem „Klimawandel”. Wie
singulär der Diskurs zu dem Thema bislang verlaufen
ist, verdeutlicht der Sachverhalt, dass es seit 2001
lediglich eine wissenschaftliche Auseinandersetzung
mit dem Thema gab. Die englischsprachige Veröffentlichung hat den Titel „Afghanistan’s Environment in
Transition” und wurde von Ali Azimi und David
McCauley verfaßt. Herausgeber, der im Dezember
2002 erschienen 39seitigen Publikation, ist die Asian
Development Bank.
Der Klimawandel in Afghanistan erscheint vielschichtig
und auf verschiedenen Ursachen zu basieren: Neben
der weltweiten Erderwärmung, dem Ausstoß von
Treibhausgasen und immer extremeren Trockenheitsperioden kommen in Afghanistan schwere Kriegsverwüstungen mit einhergehender Umweltverschmutzung
Das Dorf Deh Sabz mitten in der Wüste. In der Sprache
der Einheimischen bedeutet der Name „Das grüne Dorf”
und deutet auf frühere Vegetationszonen hin.
und die unkontrollierte Abholzung der noch verbleibenden Wälder hinzu. Dies führt vermehrt zu schweren Bodenerosionen, Desertifikation und Überflutun-
Auf die Berichte von Sir Nicholas Stern und vom IPCC
gen. Zu den allgemeinen Trends kommt der negative
gab es bislang keine bekanntgewordenen direkten
Indikator hinzu, dass die wieder ansteigenden kriege-
oder indirekten Reaktionen. Der Begriff „IPCC-Report”
rischen Auseinandersetzungen speziell im Süden und
musste bei allen Gesprächs- und Projektpartnern
Südosten des Landes zu Binnenmigration führen oder
erläutert werden, auch konnten beispielsweise weder
verstärkt führen kann, was über einen längeren Zeit-
afghanische Wissenschaftler noch Journalisten die
raum hinweg mit großer Wahrscheinlichkeit zu der
Herleitung zu „Intergovernmental Panel on Climate
Verwaisung und Verkarstung des kultivierten Bodens
Change Report” bilden.
führt. Diese Landflucht führt zu einer Konzentration
der Bevölkerung in städtischen Gebieten und führt
Studien der letzten Zeit haben ergeben, dass 80 Pro-
dort zu ernstzunehmenden Umweltverschmutzungen
zent der afghanischen Bevölkerung direkt auf natür-
durch Gas- und Dieselemissionen sowie der generellen
liche Ressourcen zurückgreift, um tägliche Bedürfnisse
Verschlechterung der Lebensverhältnisse und der Le-
zu befriedigen. Mehr als zwei Jahrzehnte Krieg, Flücht-
benserwartung. Veraltete Maschinen, Geräte und Au-
lingsbewegung, der Kollaps jeglicher Form von Regie-
tos vermehren zusätzlich kontinuierlich den CO2-Aus-
rungsgewalt, der Mangel an Management und letztlich
stoß. Darüber hinaus gestaltet sich ebenfalls die Müll-
Raubbau haben die Basis der natürlichen Ressourcen
entsorgung höchst problematisch: So leben beispiels-
nachhaltig geschädigt. Die in noch vielen Gegenden
weise 3,5 Millionen Einwohner ohne Kanalisation und
fehlende Gesetzgebung stellt eine große Herausforde-
offizielle Müllabfuhr in der Hauptstadt Kabul, die für
rung für das Umwelt- und Ressourcenmanagement
maximal 400.000 Einwohner konzipiert ist. Dies trägt
dar. Um diese Lücken zu schließen, arbeitet das United
zu einer generellen Absenkung des Grundwasserspie-
Nations Environment Programme (UNEP) eng mit der
gels sowie zur Erhöhung der Nitratwerte bei. Nach
Regierung, der „World Conservation Union” (IUCN)
einer Studie der Vereinten Nationen soll der in der
und internationalen Experten an der Entwicklung eines
afghanischen Hauptstadt Kabul pro Tag eingeatmete
neuen Umweltschutzgesetzes. Professor Klaus Töpfer,
Smog der Schadstoffmenge von 55 Zigaretten ent-
der ehemalige Direktor des UNEP, sagte in Bezug auf
sprechen.
das gemeinsame Kooperationsprojekt: „Without laws,
environmental treaties and agreements are mere paper
Als das größte und elementarste Problem der letzten
tigers.” Das Umweltschutzgesetz stellt ein Rahmen-
Jahre wird in Afghanistan die humanitäre und land-
werk dar, das darauf abzielt, die geschädigte Umwelt
wirtschaftliche Wasserversorgung angesehen. Hierbei
zu rehabilitieren und ist Teil eines Dreijahresprogramms
ist jedoch nocht nicht ganz klar, ob das Abfallen des
zur Förderung von Capacity-building. Dieses Rahmen-
Grundwasserspiegels mit den Intervallbewegungen
werk ist die erste Gesetzgebung in Afghanistan, welche
außerordentlicher Dürreperioden zusammenhängt
insbesondere den Schutz wildlebender Tiere und Pflan-
oder aber mit den Auswirkungen des Klimawandels.
zen, des Wassers und der Wälder, der Luft und des
Der ehemalige UN-Nothilfe-Koordinator, Kenzo Oshi-
Bodens zum Inhalt hat.
ma, bezeichnete schon im Jahr 2001 Afghanistan auf
Grund der oben genannten Umstände als „one of the
worst places in the world to try to live.”
82
Kurzfristige Aktivitäten konzentrieren sich auf die Grün-
bei vielen Transformationsstaaten, da oftmals die
dung von Institutionen auf nationaler Ebene. Langfris-
ministerielle Infrastruktur neu entstandener Staaten
tig ist ein stärkeres Engagement seitens der Legislative
solche komplexen Themen nicht im erwünschten
und der Justiz angestrebt. Es ist geplant, Nichtregie-
Zeitrahmen aufgreifen kann. Allerdings haben sich bis
rungsorganisationen, religiöse Gruppen und Medien
dato in Afghanistan keine hervorstechenden Akteure
dabei einzubeziehen. Innerhalb eines Rahmens von 10
herausgebildet und kein Politiker und keine Partei
Jahren sollen weitere Maßnahmen umgesetzt werden:
setzen sich öffentlichkeitswirksam mit der Thematik
des Klimawandels auseinander.
■
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das Etablieren von Strategien für Umweltund Ressourcenmanagement;
Eine Organisation, die in diesem Zusammenhang
Verbinden von Umweltbelangen mit nationaler
genannt werden sollte, ist die „Afghan Organization
und regionaler Wirtschaftsplanung;
of Human Rights and Environmental Protection”
Organisation nationaler Mitwirkung an und Einhal-
(AOHREP). Die Organisation, wurde im Jahr 2000
tung von multilateralen Umweltabkommen;
gegründet und ist landesweit aktiv. Die Organisatoren
Einhalten eines Minimums an Umweltstandards hin-
kamen erstmals im Mai 2007 mit Vertretern des
sichtlich der Qualität der Umwelt auf nationaler Ebene;
afghanischen Parlamentes in Kontakt, um in der
Übernahme von Verantwortung für spezielle
„Arbeitsgruppe Umwelt” über Umweltprobleme und
Systeme wie z.B. Naturschutzgebiete, den Abbau
speziell auch den Mohnanbau zu diskutieren. Abschlie-
von Mineralien.
ßend kann festgestellt werden, dass das Thema
„Klimawandel” von afghanischen Entscheidungs-
Viele der genannten Aktivitäten wurden von interna-
trägern noch nicht ernsthaft aufgegriffen wurde und
tionalen Akteuren angestoßen und vorangetrieben.
daher auch noch keine bedeutenden Akteure ins
Dies ist jedoch nicht nur in Afghanistan so, sondern
sozio-politische Geschehen eingegriffen haben.
Z E N T R A L A S I E N : A LT L A S T E N A U S D E R S O W J E T Z E I T
B E S T I M M E N D I E U M W E LTA G E N D A
Michael Winzer
Jahresmitteltemperaturen von +1,15 Grad bis +2,1
Grad. Die Erwärmung des Klimas im Innern des asiati-
Die Bezeichnung Zentralasien bezieht sich im folgen-
schen Kontinents fällt somit drei bis vier Mal stärker
den Text auf die Länder Usbekistan, Kasachstan,
aus als im globalen Mittel.
Kirgisistan, Tadschikistan und Turkmenistan.
Aufgrund der schwachen Industrialisierung und des
Als globales Phänomen ist der Klimawandel auch in Zen-
noch geringen Grads wirtschaftlicher Entwicklung ins-
tralasien nachweisbar. Seit Anfang der 1970er Jahre gibt
besondere der Länder im Süden Zentralasiens sind
es in der Region einen deutlich messbaren Anstieg der
diese noch weit von den durchschnittlichen Pro-Kopf-
Jahresmitteltemperaturen, der sich von den vorherge-
Emissionen von Treibhausgasen der zehn Länder mit
henden Entwicklungen abhebt. Aufgrund der langjähri-
den höchsten Pro-Kopf-Emissionen entfernt. Bei den
gen Entwicklung ist daher eine systematische Erwär-
CO2-Emissionen steht insbesondere zunächst für Ka-
mung auch in Zentralasien feststellbar. Die zusätzlich
sachstan aufgrund seiner in Zentralasien am weitesten
eingetretene Gletscherschmelze und der verstärkte
fortgeschrittenen wirtschaftlichen Entwicklung in Zu-
Wasserabfluss in der Region bestätigen diesen Befund.
kunft eine Diskussion zur Verringerung von CO2-Emissionen an. Bei der Verursachung von Treibhausgasen
Die Erwärmung in Zentralasien ist deutlich stärker
spielt die Region insgesamt im Vergleich zu den Indus-
als im globalen Mittel. Der durchschnittliche globale
trieländern keine herausragende Rolle. Erst eine stark
Temperaturanstieg betrug nach Schätzung des Welt-
wachsende und über mehrere Jahre nachhaltige wirt-
klimarats +0,47 Grad. Für Zentralasien ergibt sich
schaftliche Entwicklung in der Region würde eine breite
hingegen für den gleichen Zeitraum ein Anstieg der
Diskussion über Maßnahmen zur Reduktion von Treibhausgasen anstoßen können und müssen.
83
Durch die Austrocknung des Aralsees, was insbesonde-
A K T U E L L E R S TA N D D E R D I S K U S S I O N Z U M
re auf die Intensivierung des Bewässerungsfeldbaus
KLIMAWANDEL
zurückzuführen ist, sind bisher schätzungsweise bis zu
52.000 Quadratkilometer ehemaliger Seefläche – jetzt
Die Länder Zentralasiens befinden sich immer noch
Sandfläche – freigelegt. Diese führen nun zu vermehr-
im Transformationsprozess. Die damit einhergehenden
ten Sand- und Staubstürmen. Auf diese Weise wurden
politischen und wirtschaftlichen Problemstellungen
in der Zeit von 1970–1990 aus dem Trockenboden des
dominieren die Diskussionen im politischen und zivil-
Aralsees und des Karabaz-Gols (Bucht am Kaspischen
gesellschaftlichen Bereich. Dies führt dazu, dass der
Meer) schätzungsweise bis zu 2,8 Milliarden Tonnen
Klimawandel nahezu nur auf Fachexpertenebene dis-
Feinstaub und Feinsalz in die Atmosphäre der Nordhalb-
kutiert wird, das Thema insgesamt aber noch keinen
kugel befördert. Da diese Aerosole sehr leicht sind,
Platz in der breiten politischen oder zivilgesellschaft-
können sie in sehr große Höhen gelangen und so einen
lichen Diskussion gefunden hat. Ein Umweltbewusst-
Beitrag zum Treibhauseffekt leisten. Der Beitrag die-
sein, wie es in einigen Industrieländern existiert, hat
ses Phänomens zum globalen Treibhauseffekt dürfte
sich in Zentralasien noch nicht entwickelt.
jedoch sehr gering sein.
In Zentralasien ist im Bereich der Wahrnehmung von
WAHRGENOMMENE AUSWIRKUNGEN DES
Umweltproblemen ein Nord-Süd-Gefälle festzustellen.
KLIMAWANDELS IN ZENTRALASIEN
Im wirtschaftlich am stärksten entwickelten Kasachstan wurde beispielsweise bereits ein Koordinationszen-
Als Hauptfolge des Klimawandels in Zentralasien wird
trum zu Fragen des Klimawandels eingerichtet. Dieses
vielfach die zunehmende Wüstenbildung und die damit
Zentrum ist aus der Arbeitsgruppe der von der kasa-
einhergehende Vernichtung von fruchtbarem Ackerland
chischen Regierung gegründeten Kommission zu den
gesehen. Hauptursache der Wüstenbildung ist jedoch
Fragen der Ratifizierung des Kyoto-Protokolls heraus
in erster Linie der oft nicht nachhaltige Umgang mit
entstanden. Weiterhin gibt es in Kasachstan und Usbe-
Ressourcen und insbesondere die teilweise mangelhaf-
kistan nationale Umweltprogramme. Im kasachischen
te Wasserwirtschaft. So wurde beispielsweise in den
nationalen Umweltprogramm ist die Vorbeugung des
1960er Jahren der bewässerungsintensive Baumwoll-
Klimawandels als eine der wichtigsten Herausforderun-
anbau in Usbekistan stark ausgeweitet, was mit ein
gen genannt. Auch befassen sich in Kasachstan bereits
Grund für die Austrocknung des Aralsees ist. Eine Mit-
verschiedene lokale Nichtregierungsorganisationen mit
schuld des Klimawandels bei der Wüstenbildung wird
dem Thema Klimawandel.
vermutet. Bisher gibt es jedoch noch keinen wissenschaftlichen Nachweis für eine mit dem Klimawandel in
Das südlich gelegene Tadschikistan ist mit einem Pro-
Zentralasien generell zusammenhängende Verände-
Kopf-Bruttoinlandsprodukt von 346 US-Dollar pro Jahr
rung der Niederschlagsmengen.
zusammen mit Turkmenistan das Schlusslicht in Zentralasien. Armut und wirtschaftliche Not sind hier in
Die wirtschaftlichen Folgen des Klimawandels werden
verschiedenen Regionen noch sehr verbreitet. So leben
in den zentralasiatischen Staaten vor allem in der Land-
beispielsweise in Tadschikistan mindestens zwei Drittel
wirtschaft gesehen. Vielfach ist der Landwirtschafts-
der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze. Daher
sektor ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor in den zen-
spielt die Diskussion um den Klimawandel hier auch
tralasiatischen Volkswirtschaften und beispielsweise
nahezu keine Rolle, da ein Großteil der Bevölkerung
im Bereich des Baumwollanbaus auch ein wichtiger
damit beschäftigt ist, konkrete persönliche wirtschaft-
Devisenbringer. Daher würden durch den Klimawandel
liche Probleme zu lösen. Es ist daher nicht zu erwarten,
bedingte Änderungen der Niederschlagsmengen, wei-
dass in naher Zukunft hier eine Bereitschaft und eine
tere Wüstenbildung und Unwetter den Volkswirtschaf-
Möglichkeit für den Großteil der Bevölkerung bestehen
ten Zentralasiens teilweise großen Schaden zufügen
wird, sich mit globalen und relativ abstrakt erschei-
können.
nenden Umweltthemen zu beschäftigen.
Ein durch den Klimawandel bedingter möglicher Anstieg des Meeresspiegels hingegen hat keine direkten
Auswirkungen auf Zentralasien: Keines der zentralasiatischen Länder verfügt über einen Zugang zum
Meer – Usbekistan ist sogar ein so genanntes „doppeltes Binnenland”, es hat weder einen direkten noch
einen indirekten Zugang zu den Weltmeeren.
84
DIE ROLLE DER POLITIK UND ANDERER
Bericht, als auch die veröffentlichten Teile des IPCC-
AKTEURE BEIM KLIMASCHUTZ
Berichts haben weder in der Politik noch in der Zivilgesellschaft eine in der Bevölkerung wahrnehmbare
Nach über 15 Jahren Unabhängigkeit befindet sich die
Diskussion ausgelöst.
Zivilgesellschaft in den meisten zentralasiatischen
Staaten noch im Aufbau. Wichtige Themen werden oft
AUSBLICK
von führenden Politikern in die gesellschaftliche und
politische Diskussion eingebracht. Insgesamt betrach-
Aufgrund des weiter fortschreitenden Transformations-
tet, überlagern in der Politik in Zentralasien andere
prozesses in Zentralasien, der auch in den kommen-
Themen den Klimawandel. Treibende Kraft zur Stär-
den Jahren in vielen Regionen weitgehende soziale,
kung des Themas Klimawandel im politischen Bereich
politische und wirtschaftliche Veränderungen mit sich
ist die Mitgliedschaft der zentralasiatischen Staaten in
bringen wird, ist nicht zu erwarten, dass der Klima-
internationalen Organisationen, insbesondere bei den
wandel in naher Zukunft zu einem bestimmenden The-
Vereinten Nationen und deren Unterorganisationen.
ma in der Politik und Zivilgesellschaft wird. Lediglich
Diese Organisationen sind ein wirksames Mittel, um
einzelne konkrete ökologische Probleme, wie beispiels-
die internationale Diskussion um den Klimawandel
weise die Austrocknung des Aralsees oder das noch zu
auch weiterhin nach Zentralasien zu tragen. Grund-
Sowjetzeit durch Nuklearmaterial belastete ehemalige
sätzlich stehen die zentralasiatischen Staaten den in-
Atomwaffentestgelände bei Semipalatinsk in Kasachs-
ternationalen Bemühungen zum Klimaschutz sehr of-
tan, die direkt nachvollziehbare Auswirkungen auf
fen und positiv gegenüber, gehören jedoch meist nicht
die Lebensbedingungen der dort lebenden Menschen
zu der Gruppe der Länder, die wichtige Initiativen aktiv
haben, werden im gesellschaftlichen Diskurs beachtet.
vorantreiben. Kasachstan hat beispielsweise das Kyo-
Vor allem in ärmeren Gebieten Zentralasiens stehen
to-Protokoll unterzeichnet, das kasachische Parlament,
konkrete Nöte der Bevölkerung, wie beispielsweise
das dies grundsätzlich unterstützt, hat eine Ratifizie-
Unterbeschäftigung und Armut der Entwicklung eines
rung jedoch bisher verschoben. Im Bereich der Um-
Umweltbewusstseins entgegen. Daher ist trotz des
weltpolitik stehen grundsätzlich andere konkrete und
messbaren Anstiegs der Durchschnittstemperatur seit
regional begrenzte Probleme, wie beispielsweise die
den 1970er Jahren in Zentralasien nicht mit einer bal-
Wasserversorgung in bestimmten Regionen oder Alt-
digen breiten Thematisierung des Klimawandels in Poli-
lasten aus der Sowjetzeit auf der politischen Agenda.
tik und Zivilgesellschaft zu rechnen. Das bisher bestehende Nord-Süd-Gefälle wird vermutlich zumindest
Trotz der noch nicht voll entwickelten Zivilgesellschaft,
mittelfristig bestehen bleiben. Im wirtschaftlich stärker
gibt es im Umweltbereich Nichtregierungsorganisatio-
entwickelten Kasachstan wird sich vermutlich zuerst
nen, die sich mit dem Thema Klimawandel auseinan-
eine breite Diskussion zum Klimawandel entwickeln.
dersetzen. In Kasachstan sind beispielsweise 28 Nicht-
In den wirtschaftlich schwächer entwickelten Ländern
regierungsorganisationen im Umweltbereich tätig. Eine
Tadschikistan und Turkmenistan wird es voraussichtlich
in allen zentralasiatischen Staaten agierende Umwelt-
am längsten dauern, bis der Klimawandel in der Politik
organisation ist CAREC, die im Jahr 1999 durch die Re-
und Zivilgesellschaft breit diskutiert wird.
gierungen der Länder in Zentralasien, die Europäische
Kommission und UNDP gegründet wurde. CAREC ver-
Wichtig für die weitere Bewusstseinsbildung zum Kli-
sucht beispielsweise durch die Verteilung von Informa-
mawandel in Zentralasien erscheint auch in Zukunft
tionsmaterialien an Schulen und Universitäten, mehr
die Integration und Mitarbeit der zentralasiatischen
Menschen in Zentralasien über den Klimawandel zu
Staaten in entsprechenden internationalen Organisa-
informieren und das Thema in die gesellschaftliche
tionen sowie der Austausch und die Unterstützung mit
Diskussion einzubringen. Allerdings ist bei diesem Pro-
und von Industrieländern, die bereits über ein breites
jekt aufgrund der finanziellen Restriktionen die Reich-
Know-how in diesem Bereich verfügen. Die Bildung
weite begrenzt. Weiterhin wird auch bei regelmäßig
eines Umweltbewusstseins in den neuen unabhängigen
in verschiedenen zentralasiatischen Staaten, oft in
Staaten hat gerade erst begonnen und ist ein längerer
Zusammenarbeit mit ausländischen Institutionen, statt-
Prozess, der nur zusammen mit anderen Entwicklun-
finden Konferenzen und Seminaren das Thema Klima-
gen im Transformationsprozess einhergehen kann und
wandel thematisiert.
noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird.
Insgesamt lässt sich zusammenfassen, dass das Thema Klimawandel sowohl in der Politik als auch in der
Zivilgesellschaft noch nicht vollständig aufgegriffen
wurde und noch Ausbaupotential hat. Sowohl der Stern-
Türkei
Palästinensische
Autonomiegebiete
Marokko
Israel Jordanien
Algerien
NAHER OSTEN
UND NORDAFRIKA
86
T Ü R K E I : U M W E LT B E W U S S T S E I N I S T N O C H
U N T E R E N T W I C K E LT
Jan Senkyr | Dirk Tröndle
Türkische Medien berichten seit einigen Jahren regelmäßig über den weltweiten Klimawandel und seine
Auswirkungen insbesondere auf die Türkei. Dem Thema angenommen haben sich auch diverse nationale
und internationale Umweltschutzorganisationen, sowie
das türkische Umweltministerium und das Ministerium
für Landwirtschaft und Dorfangelegenheiten. Vom Bildungsministerium wurden neue Lehrinhalte ausgearbeitet, in denen auch auf den Schutz der Umwelt und
die Folgen des Klimawandels schon in den Grundschulklassen hingewiesen werden soll.
Vor den möglichen dramatischen Folgen des Klimawandels für die Türkei wird in den Medien oft gewarnt.
Intensive Bewirtschaftung und exzessive Bewässerung führen
zunehmend zu Wassermangel.
Die Dürren der vergangenen Jahre, Missernten und
die Wasserknappheit vor allem in Zentralanatolien
werden von den Menschen wahrgenommen und mit
trachtet die Reduktionsverpflichtungen als schädlich
Sorge verfolgt. Teilweise ist diese ernsthafte Lage
für die türkische Wirtschaft. Die Zivilgesellschaft übt
hausgemacht, weil die intensive Bewirtschaftung mit
zwar zunehmend Druck auf die Regierung aus, das
exzessiver Bewässerung, die den Bauern bisher zwei
Kyoto-Protokoll zu unterzeichnen, bisher allerdings
Ernten jährlich ermöglichte, zu einer Senkung des
ohne Erfolg.
Grundwasserspiegels geführt hat. Von den verantwortlichen Behörden in Zentralanatolien wurden z. B.
Für einen Großteil der Bevölkerung ist das Thema
über 35.000 illegale Brunnen aufgedeckt, aus denen
Klimawandel nur von ganz geringer Bedeutung. Viele
unkontrolliert Wasser abgeschöpft wurde. Es werden
Bevölkerungsteile wollen erst einmal am Wohlstand
eine Reihe von Maßnahmen durchgeführt, darunter
über einen längeren Zeitraum teilhaben, bevor sich
auch von der EU teilfinanzierte Projekte, mit denen
eine ausreichende Konsumsättigung ergeben könnte,
die Wasservergeudung durch undichte Leitungen oder
die zu einer Veränderung im Umweltbewusstsein füh-
der Verlust durch illegale Entnahmen um bis zu 50
ren würde. Umweltgerechtes Verhalten, bzw. Sensibi-
Prozent verhindert werden soll. Etliche Organisationen
lität für die Umwelt, sind bei vielen Menschen noch
der Zivilgesellschaft, die sich mit Umweltfragen befas-
nicht ausreichend entwickelt. So ist z.B. ein traditionell
sen, fordern die Bürger zum sparsamen Umgang mit
beliebtes Mittel der Müllbeseitigung das Verbrennen.
Wasser auf, sie bieten dafür auch Dienstleistungen
im Internet an und führen Aufklärungsaktionen durch.
Aber auch die türkische Industrie ist sich noch nicht
Dies wird jedoch nur ungenügend durch die Lokalver-
der notwendigen Verantwortung bewusst, es mangelt
waltungen und die Zentralregierung in Ankara unter-
sowohl an Abwasseranlagen als auch an Luftfilteranla-
stützt.
gen. Zudem wird das Angebot an recyclebaren Produkten, Glasflaschen etc. von Seiten der türkischen Indus-
Städte und Gemeinden, wie z. B. Istanbul, Ankara und
trie nicht forciert, sondern weiter Plastik favorisiert.
Izmir, suchen nach alternativen Wasserressourcen und
Zwar wurde eine umfangreiche Umweltschutznovelle
verlegen Rohrsysteme zum Wassertransport aus Hoch-
verabschiedet, die alle türkischen Kommunen in einem
niederschlagsregionen. In einigen Regionen des Lan-
3–10 jährigen Zeitraum zum Bau von Kläranlagen und
des ist Wasser ausreichend vorhanden.
umweltverträglichen Mülldeponien verpflichtet. Für die
nächsten 15 Jahre wird voraussichtlich eine Gesamtin-
Die türkische Regierung lehnt aber weiterhin die Un-
vestition von mindestens ca. 60 Mrd. Euro erforderlich
terzeichung des Kyoto-Protokolls zur Ausgestaltung
sein, damit das Land die umweltrechtlichen Standards
der Klimakonvention ab. Sie verweist darauf, dass die
der EU erfüllen kann. Woher die dafür notwendigen
Türkei mit ihrem Ausstoß von Treibhausgasen lange
Finanzmittel kommen sollen, ist allerdings bislang
nicht zu den größten Emittenten gehöre, und sie be-
nicht geklärt.
87
Als ein akutes Problem wird das Ausbleiben der Nie-
Meeresspiegels um einige Meter als Gefahr wahrge-
derschläge in einigen Regionen und eine fortschrei-
nommen zu werden, obwohl das Land fast 8000 Kilo-
tende Versteppung und Verwüstung erkannt. Damit
meter Meeresküste hat.
einher geht das Aussterben bzw. Abwandern von
einigen Pflanzen- und Tierarten. Ebenso thematisiert
Auf den Stern-Bericht gab es keine Reaktionen, weil
werden in den Medien extreme Wettereinbrüche,
er in der Türkei nicht bekannt ist. Über den IPCC-
Überschwemmungen und die immer wärmeren Win-
Bericht jedoch wurde in den Medien berichtet und
ter. Am wenigsten scheint in der Türkei das Ab-
dessen Empfehlungen sind ein Thema für Diskussionen
schmelzen der Polargletscher und der Anstieg des
in Fachkreisen und Umweltforen.
ISRAEL:
DAS THEMA WASSER STEHT IM VORDERGRUND
Lars Hänsel | Catherine Hirschwitz
Israel ist seit 1996 Mitglied im United Nations Framework Convention on Climate Change (UNFCCC) und
hat 2004 das Kyoto-Protokoll unterzeichnet. Da Israel
nur wenige Treibhausgase emittiert, kann das Land
Emissionszertifikate verkaufen. Im Juni 2006 unterzeichnete Israel mit Deutschland ein Abkommen zum
Handel mit Emissionszertifikaten im Rahmen des
Clean Development Mechanism.
Seit zwei Jahren ist die israelische Regierung im Klimaschutz aktiv und finanziert vor allem Forschungsprojekte in diesem Bereich. Außerdem fand im letzten
Jahr eine zentrale nationale Konferenz mit mehr als
Israel hat mit längeren Trockenperioden zu kämpfen.
250 Wissenschaftlern und Vertretern von Umweltorganisationen statt, auf der die Auswirkungen des Klimawandels diskutiert wurden.
Israel hat zwei akute Hauptprobleme in diesem Zusammenhang: Auf dem Wassersektor geht es um die
Anfang 2007 rief das Umweltministerium ein Treffen mit
knapper werdenden Ressourcen in den Wasserreser-
anderen relevanten Ministerien ein, um einen nationalen
voirs (Aquifier, See Genezareth), welche direkt von
Strategieplan zum Klimawandel zu entwickeln. Auf
den jährlichen Regenmengen abhängig sind. Wesent-
diesem Treffen wurden Arbeitsgruppen vereinbart, um
lich ist hier der Einfluss auf die Landwirtschaft Israels.
Forschungen zu speziellen Fragen des Klimawandels zu
initiieren. Die ersten beiden Forschungsgruppen konzen-
Im Bereich des Energiesektors geht es darum, dass Israel
trierten sich darauf, Daten zu erfassen und speziell die
aufgrund der politischen Situation an kein Netz mit den
Beziehung von Wasserressourcen und Klimawandel zu
Nachbarn angeschlossen ist und die gesamten Energiever-
erforschen. In den nächsten Monaten ist die Einrichtung
brauch selbst absichern muss. Derzeit nutzt Israel 90 Pro-
weiterer Arbeitsgruppen geplant.
zent der Kapazitäten und ist damit sehr anfällig für klimatische Einflüsse wie kalte Winter oder heiße Sommer. Im
Die Politik in Israel ist in dieser Konfliktregion generell
letzten Sommer kam es zu großflächigen Energieausfällen.
mit anderen Problemen als dem Umweltschutz befasst. Das Umweltministerium ist wohl der einzig wirk-
Zu einem geringen Teil spielt auch das Ansteigen des
liche Akteur in diesem Themenbereich, wobei nun
Meeresspiegels eine Rolle: während das Rote Meer
ein interministerieller Plan ausgearbeitet werden soll.
kaum Infrastruktur gefährden könnte, sieht man In-
Auch befassen sich einige Universitätsinstitute mit
frastruktur und das Rekreationspotential von Stränden
dem Klimawandel.
an der Mittelmeerküste durchaus als gefährdet an.
88
Die IPCC-Berichte sowie der Bericht von Sir Nicholas
gebieten und Gefahr von Waldbränden durch längere
Stern zur Ökonomie des Klimawandels wurden in der
Trockenperioden und stärkere Hitzewellen.
Öffentlichkeit kaum diskutiert. Das Umweltministerium hat diese Berichte zwar intensiv studiert, ist über
Weil Israel gerade auf den letztgenannten Gebieten
die Ergebnisse sehr besorgt und schenkt diesem
Expertise aufgebaut hat, soll nun ein regionales Zen-
Thema hohe Aufmerksamkeit. Allerdings stehen akute
trum für die Verbreitung dieses Wissens aufgebaut
Umweltprobleme höher auf der Agenda, wie etwa
werden, insbesondere zum Kampf gegen Desertifika-
akuter Wassermangel und Umgang mit knappen Was-
tion, Wald- und Buschbrände sowie für einen optimalen
serressourcen, Ausbreitung von Wüsten und Trocken-
Wasserverbrauch.
PALÄSTINENSISCHE AUTONOMIEGEBIETE:
E S G I BT E X I S T E N T I E L L E R E T H E M E N A L S D E N
KLIMAWANDEL
Thomas Birringer
Die derzeit aktuelle Diskussion in Europa und anderen
westlichen Ländern über den Klimawandel spielt im
politischen und medialen Diskurs in den Palästinensischen Autonomiegebieten keine Rolle. Das Desinteresse
an diesem Thema liegt hauptsächlich in drei Punkten
begründet:
Zum einen ist die politische Situation in den palästinensischen Gebieten derzeit äußerst angespannt. Eine
bürgerkriegsähnliche Situation im Gazastreifen, tägliche militärische Auseinandersetzungen in der West
Bank und die schwierige politische und finanzielle Lage
der Autonomiebehörde; dies sind die Themen, auf die
sich die Medien fokussieren und die im innerpalästinensischen Diskurs wenig Raum für Diskussionen las-
Die Umweltproblematik wird meist nur auf der Mikroebene
wahrgenommen. So ist die Abfallbeseitigung in den
palästinensischen Autonomiegebieten häufig ein Problem.
sen, die als weniger existenziell erachtet werden. Der
Klimawandel fällt nach palästinensischer Einschätzung
in diese Kategorie.
Gleiches gilt für Lösungsversuche, wie z.B. die Entwicklung einer ökologisch verträglichen und nachhal-
Zum zweiten ist die politische Führung auf Grund der
tigen Abfallentsorgung durch die GTZ.
innerpalästinensischen Kämpfe und auf Grund der
Tatsache, dass fast die Hälfte aller Parlamentsabgeord-
Ein weiteres umweltpolitisches Thema, das in den
neten und mehrere Minister sich in israelischer Haft
Palästinensischen Autonomiegebieten eine Rolle im
befinden, weitestgehend handlungsunfähig. Das Parla-
politischen und medialen Diskurs einnimmt, ist die
ment hat keine beschlussfähige Mehrheit und tritt daher
Wasserversorgung der Bevölkerung und die nachhalti-
nicht zu Sitzungen zusammen. Vor diesem Hintergrund
gen Schäden, die das Tote Meer durch eine übermäßige
ist es nahe liegend, dass sich die politische Führung
landwirtschaftliche Nutzung seines hauptsächlichen
nicht mit den Folgen des Klimawandels befasst.
Wasserzuflusses, des Jordan, erleidet. Darüber hinaus
finden jedoch andere umweltpolitische Problematiken,
Letztendlich ist das Thema Umweltschutz im Allgemeinen nur sehr schwach im Bewusstsein der palästinensischen Bevölkerung verankert und wird zumeist
nur auf der Mikroebene (Müll, etc ...) wahrgenommen.
wie auch der Klimawandel, kaum Beachtung.
89
JORDANIEN: EINES DER WASSERÄRMSTEN
L Ä N D E R D E R W E LT
Hardy Ostry | Gerrit Schlomach
In möglichen Szenarien des Klimawandels zeichnet sich
die Region Nahost/Mittelmeer durch eine hohe Betroffenheit und Verletzlichkeit aus. Dies liegt zum einen darin, dass bis auf wenige Ausnahmen die meisten Länder
direkten Zugang zum Mittelmeer haben und so unmittelbar vom Anstieg der Weltmeere betroffen wären.
Ein anderer Grund findet sich in der steigenden Wasserknappheit, die über verunreinigtes Wasser eine Reihe
von Krankheiten hervorrufen kann und weitere sozioökonomische Konsequenzen in sich birgt.
Der Ende der 90er Jahre begonnene internationale
Prozess, dem Klimawandel einen hohen politischen
Stellenwert einzuräumen, ging zunächst an den Län-
Eine klimabedingte Verringerung der Regenmenge kann
katastrophale Folgen für Jordanien haben.
dern der Region vorbei. Verspätet setzte in der gesamten Region eine Debatte über Klimawandel als Teil der
übergeordneten Umweltdiskussion ein. Nachdem die
Der Klimawandel wird Jordanien vor allem durch stei-
regionale Diskussion im Lauf der letzten sieben Jahre
gende Temperaturen und die Verknappung der Wasser-
an Schwung gewann, entwickelten sich sehr heteroge-
ressourcen treffen. In diesem Zusammenhang gilt es,
ne innerstaatliche Politikansätze.
die Arbeit internationaler Geber und hier besonders die
Aktivitäten deutscher Organisationen – Gesellschaft für
Auf der einen Seite stehen Staaten, die im Rahmen in-
technische Zusammenarbeit (GTZ) und Bundesantalt
ternationaler Vereinbarungen mit institutionellen Maß-
für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) – positiv
nahmen fortgeschritten sind; dabei lassen sich Israel,
zu erwähnen. Seit 1974 arbeitet die GTZ in Jordanien
Marokko, Tunesien und Ägypten als Beispiele anführen.
und engagiert sich seit den frühen 90er Jahren ver-
Dieser heterogenen Gruppe steht eine andere Gruppe
stärkt im Wassersektor. Im Rahmen dieser Anstren-
gegenüber, in der das Thema Klimawandel keine große
gungen konnte 2004 ein digitaler „Water Master Plan”
Berücksichtigung erfährt. Hierunter fallen Länder wie
auf den Weg gebracht werden, der als ein integriertes
beispielsweise Libyen, Algerien und Jordanien. Auffällig
Planungs- und Überwachungsinstrument für die Was-
ist in der gesamten Region, dass nationalstaatliche
sernutzung in Jordanien dient. Die BGR verfolgt in
Politikinitiativen in Folge internationaler Debatten ein-
einem 2002 begonnen Projekt zum Grundwasser-
setzen. Darüber hinaus gelingt es in den wenigsten
Ressourcen-Management das Ziel, den Schutz der jor-
Ländern, die Reduktionsvorgaben im nationalen Kon-
danischen Wasserressourcen durch die Ausarbeitung
text so umzusetzen, um bei breiten Bevölkerungs-
und Umsetzung geeigneter Maßnahmen zu verbes-
schichten einen Bewusstseinswandel zu erreichen.
sern. Darüber hinaus engagieren sich beide Organisationen im Rahmen von Öffentlichkeitskampagnen,
Obwohl seit den 80er Jahren das Thema Umweltschutz
die Wahrnehmung der sich verschärfenden Wasser-
auf der innenpolitischen Agenda Jordaniens steht, kom-
situation zu erhöhen.
men die Initiativen im Umgang mit dem Klimawandel
vor allem aus dem internationalen Bereich. Dies spie-
Jordanien rangiert unter den 10 wasserärmsten Län-
gelt insgesamt die Vernachlässigung dieses Themas
dern der Welt. Bedingt durch den weltweiten Klima-
bei Bürgern und bei politischen Verantwortungsträgern
wandel, die steigende Bevölkerungszahl und die fort-
wider. Demnach nimmt die Umsetzung internationaler
gesetzte Übernutzung der Wasserressourcen sowie der
Konventionen in der politischen Arena einen großen
Wasserverschmutzung wird erwartet, dass sich diese
Raum ein, wobei diese in der nationalen Gesetzgebung
Situation bei steigender Nachfrage kurz- bis mittel-
nur unzureichend implementiert werden.
fristig fortsetzen wird und eine klimabedingte Verringerung der Regenmenge katastrophale Folgen („disastrous impact”) für Jordanien haben wird.
90
Das durchschnittliche Klima beträgt im Jordantal zwi-
größere saisonale Schwankungen die Hochrisikogrup-
schen 22 und 30 Grad und 8 bis 25 Grad in höheren
pen mit Atemwegserkrankungen zunehmend beein-
Lagen. Die jährliche durchschnittliche Zahl von Tagen
trächtigen werden. Der Klimawandel könnte auch indi-
mit Regen liegt bei 5–45 und mit Schnee bei 0–8, wo-
rekt die Gesundheit in Verbindung mit lokal verursach-
bei zunehmend extreme Klimaschwankungen erkenn-
ter Luftverschmutzung einschränken.
bar sind. Insgesamt beschränkt sich die unzureichende
Informationslage über mögliche Konsequenzen des
Am 12. Juni 1992 unterzeichnete Jordanien die Kon-
Klimawandels auf Jordanien auf die Verknappung der
vention über Klimawandel und ratifizierte sie 1993. Im
Wasserressourcen. Es wird vorhergesagt, dass die ver-
gleichen Jahr formulierte die Regierung einen nationa-
fügbare Wassermenge von 150 m3/pro Kopf/Jahr aus
len Umweltaktionsplan, über dessen Umsetzung seit
dem Jahr 2003 auf 90 im Jahr 2025 sinken wird. Über
1996 eine interministerielle Arbeitsgruppe wacht. In-
Wasser-Aufbereitung kann eine zusätzliche Wasser-
nerhalb der UN-Klimawandelkonvention erfolgte im
menge von 200 Mm3 pro Jahr bis 2020 zur Verfügung
Jahr 1997 der erste Mitteilungsbericht. Ein zweiter Be-
gestellt werden. Aufgrund dieser Situation hat das jor-
richt in Form des „National Capacity Self Assessment
danische Wasserministerium eine Strategie zur Bewah-
for Global Environmental Management Project (NCSA)”
rung des Wassers und zur Suche nach Alternativen
wird derzeit erarbeitet. Das nationale Umweltministeri-
erlassen. Das Landwirtschaftsministerium Jordaniens
um wurde mit der Umsetzung dieser Studie des Um-
verabschiedete eine Strategie, um die Nutzung von
weltprogramms der Vereinten Nationen beauftragt.
Brauchwasser zu erhöhen.
Darüber hinaus wurde der im Jahr 2003 erlassene gesetzliche Rahmen (bspw. Umweltpolizei und dezentrale
Umweltbestandsaufnahmen) kürzlich vom Parlament
angenommen. Im gleichen Jahr unterzeichnete Jordanien das Kyoto-Protokoll.
Der NCSA Prozess wurde im August 2004 in Jordanien
begonnen. Im September 2005 wurde ein Treffen
betroffener Gruppen einberufen, um die Lage zu evaluieren und nationale Prioritäten in den Bereichen Biodiversität, Klimawandel und Wüstenbildung festzulegen. Folgende Mängel wurden im Bereich Klimawandel
festgestellt: Mangel an wirtschaftlichen Anreizen, um
dem Klimawandel nachhaltig zu begegnen; unzureichende institutionelle wie technische Ausstattung beim
Umweltministerium sowie mangelhafte und unsystema-
Die Ausweitung der Wüsten wird zu vermehrten Sandund Staubstürmen führen.
tische Integration der Konzepte der UN Klimakonvention in nationale Politikprogramme. Diese Mängelliste
lieferte die Vorlage für eine Prioritätenliste, die die
Grundlage für die Erarbeitung des NCSA Aktionplans
Eine Studie über mögliche Konsequenzen des Klima-
bildete. An erster Stelle gilt es demnach, das Bewusst-
wandels auf die Gesundheit der Menschen in Jordanien
sein der Bürger für Umweltschutz insgesamt und für
zeichnet ein düsteres Bild. Der Klimawandel kann in
den Klimawandel im Besonderen zu stärken. Ferner
Jordanien insbesondere in wasserarmen Gebieten zu
wird das Ziel verfolgt, internationale Rahmenabkom-
einer großen Anzahl von gesundheitlichen Risiken füh-
men zielgerichteter und nachhaltiger in bestehende
ren. Der Wassermangel in Verbindung mit der Verunrei-
Gesetze zu integrieren. Obwohl sektorale gesetzliche
nigung dieser Lebensressource birgt die Gefahr einer
Grundlagen in Kraft sind, müssen weitere Schritte zur
Zunahme von durch Parasiten übertragenen Krankhei-
Umsetzung und Beachtung dieser Regelungen ergriffen
ten, wie Epidemien, Malaria, Cholera und Ruhr oder den
werden. Auf institutioneller Ebene liegt ein Schwer-
West-Nil Virus in sich.
punkt darin, die Fähigkeiten und den Kenntnisstand
bei Mitarbeitern der betroffenen Behörden zu erhöhen.
Klima verursachte Krankheiten und Todesfälle können
besonders in der Bevölkerungsgruppe älterer Menschen und bei Kindern zunehmen. Die erwartete
Zunahme von Sand- und Staubstürmen werden verstärkt zu Lungenerkrankungen führen. Es wird angenommen, dass extreme Witterungsänderungen und
91
M A R O K K O U N D A L G E R I E N : V E R A N T W O RT U N G S BEWUSSTSEIN OHNE POLITISCHE KONSEQUENZEN
Thomas Schiller
Sowohl in Algerien wie in Marokko haben die zuständigen Regierungsbehörden die Gefahren für ihre Länder
Marokko und Algerien sind von den Auswirkungen des
durch die Erderwärmung und den Klimawandel sowie
Klimawandels in vielfacher Weise betroffen: Deserti-
die damit verbundenen Konsequenzen (Wassermangel,
fikation, Niederschlags- und Wassermangel, Gefähr-
Desertifikation) erkannt. Nationale Akteure sind in
dung der Landwirtschaft durch Rückgang der Nutzflä-
beiden Ländern in erster Linie die beiden Umwelt- und
chen und der Ernten, Minderung der Fischereierträge.
Landesentwicklungsministerien sowie deren nachge-
Dies sind nur einige Phänomene, die in beiden Ländern
ordnete Behörden. Da beide Länder historisch zentral-
mit dem globalen Klimawandel in Zusammenhang
staatlich geprägt sind, treten lokale bzw. regionale
gebracht werden. Selbstverständlich kann es aber hier
Behörden in Umsetzung und Diskurs weniger in Er-
keine monokausalen Erklärungen geben. Für beide
scheinung.
Länder gilt, dass für die genannten Umweltprobleme
auch hausgemachte Ursachen, wie der Rückgang der
In Algerien und Marokko nehmen nationale Medien
Wälder, die Überfischung, die Folgen des Tourismus
und Akteure der Zivilgesellschaft eine bedeutende
(dies gilt insbesondere beim Umgang mit Wasser) und
Rolle bei der Sensibilisierung der Bevölkerung für The-
mangelndes Umweltbewusstsein der Bevölkerung ver-
men des Umwelt- und Ressourcenschutzes ein. So
antwortlich sind. Die Regierungen beider Länder sind
wird beispielsweise in einer Broschüre der marokkani-
sich der Problematik auf nationaler wie globaler Ebene
schen Initiative Daba2007, deren Ziel die Förderung
allerdings bewusst und zählen eine aktive und enga-
bürgerschaftlichen Engagements mit Blick auf die
gierte Umweltpolitik zu ihren politischen Prioritäten.
Wahlen im September 2007 ist, ausdrücklich auch
Besonders in Marokko wird deshalb im offiziellen
für umweltgerechtes Verhalten geworben (Beispiel:
Diskurs auf den Begriff und die Idee der „nachhaltigen
Energie- und Wassersparen wird propagiert). Eine
Entwicklung” großen Wert gelegt.
breite Debatte fehlt jedoch, nicht zuletzt weil die Alltagssorgen der Bevölkerung (Arbeitslosigkeit, Woh-
POLITIK UND KLIMAWANDEL:
nungsmangel, Armut) aus nachvollziehbaren Gründen
W E L C H E A K T E U R E U N D I N I T I AT I V E N ?
im Zentrum der entwicklungspolitischen Debatte stehen. Dennoch ist festzuhalten, dass in beiden Ländern
In beiden Ländern wird die Debatte im wesentlichen
Medien und Zivilgesellschaft die Bedeutung einer
bestimmt von drei Akteuren: (1) internationalen Orga-
nachhaltigen Entwicklung erkannt haben.
nisationen und NROs, (2) den Regierungen und in
geringerem Maße von (3) lokalen Medien und Akteuren
WAHRNEHMUNG DES KLIMAWANDELS IN
der Zivilgesellschaft.
MAROKKO UND ALGERIEN
Es sind vor allem die internationalen Akteure, welche
Marokko ist stolz, im Jahr 2001 mit der 7. Vertrags-
die Debatte und Initiativen zum Klimawandel und
staatenkonferenz der Klimarahmenkonvention in
zum Umwelt- und Ressourcenschutz in beiden Ländern
Marrakesch (COP VII) eine zentrale internationale
vorantreiben. Hierbei sind in erster Linie Weltbank,
Weichenstellung in der Klimadebatte beherbergt zu
UNDP und EU, aber auch deutsche Entwicklungsorga-
haben. Die in den „Übereinkommen von Marra-
nisationen wie KfW und GTZ (in Marokko) zu nennen,
kesch” niedergelegten Verhandlungsergebnisse
die in Partnerschaft mit den lokalen Behörden rele-
hatten den Weg für das in Kraft treten des Kyoto-
vante Maßnahmen durchführen. Gefördert werden sei-
Protokolls freigemacht. Es existieren in Marokko
tens internationaler Geber etwa die umweltschonende
eigene Webseiten zum Thema (u. a. www.ccmaroc.ma
Energieproduktion (z. B. KfW-Geförderter Windpark in
sowie www.cdmmorocco.ma), die das Engagement
Essaouira/Marokko) oder Aufforstungsprojekte. Auch
des Königreichs mit Blick auf den globalen Klimawan-
internationale Nichtregierungsorganisationen sind im
del unterstreichen und internationale wie nationale
Maghreb aktiv. Allerdings lässt sich eine gewisse Dis-
Aktivitäten darstellen. Mit Gründung der „Stiftung
krepanz zwischen Marokko und Algerien feststellen:
Mohamed VI für den Umweltschutz” im Jahr 2001
Marokko ist in vielerlei Hinsicht in der internationalen
haben die Verantwortlichen des Landes ein weiteres
Kooperation – nicht allein im Umweltsektor – weiter
Zeichen für ihr Umweltengagement gesetzt.
als Algerien. Dies wird auch in der stärkeren internationalen Präsenz in Marokko deutlich.
92
Das marokkanische Umweltministerium hat in einer
EU unterstützte zivilgesellschaftliche Initiative ist die
Klimastudie Tendenzen der Klimaentwicklung für das
„Association de recherche sur le climat et l’environne-
Land aufgezeigt. Die Studie geht von einer Erwär-
ment” (http://www.arce.asso.dz/), die sich mit den
mung und Verringerung der Niederschlagshäufigkeit
Auswirkungen des Klimawandels auf Algerien ausei-
in Marokko aus und bezieht sich hierbei auch aus-
nandergesetzt hat.
drücklich auf die Arbeiten des IPCC. Diese Studie unterstreicht die Befürchtung vieler Marokkaner, zu den
AUSBLICK
Hauptverlierern des globalen Klimawandels zu zählen,
ist das Land doch in erster Linie von sehr klimasensi-
In Marokko wie in Algerien fehlt nach wie vor eine
blen Sektoren (Landwirtschaft und Tourismus) abhän-
breite öffentliche Debatte zum Thema Klimawandel, ja
gig. Weniger Niederschläge und höhere Temperaturen
selbst zu grundlegenden Fragen des Umweltschutzes.
würden diese beiden Branchen der marokkanischen
Die breite Masse der Bevölkerung ist über die globalen
Wirtschaft deutlich treffen.
umweltpolitischen Herausforderungen und deren Auswirkungen auf Nordafrika nur wenig informiert und
In Marokko, einem Land, das fast zur Gänze von Ener-
sensibilisiert. Beispielsweise herrscht trotz Wasser-
gieimporten (Kohle, Öl, Gas) abhängt, wird eine zu-
knappheit vielfach ein sorgloser Umgang mit dieser
kunftsgerichtete Energiepolitik auch mit Blick auf den
natürlichen Ressource vor. Auch haben die PKW-
Klimawandel diskutiert. Hierzu gehören der Ausbau
Neuzulassungen in den letzten Jahren in beiden Län-
der Solar- und Windenergie (mit deutscher Unterstüt-
dern und damit die Abgasemissionen deutlich zuge-
zung), aber auch bereits sehr weit fortgeschrittene
nommen, ohne dass dies zu einer umweltpolitischen
Überlegungen, den Einstieg in die Nuklearenergie zu
Debatte geführt hat, beispielsweise mit Blick auf den
suchen. Überlegungen zur Verringerung der Import-
kümmerlichen öffentlichen Personennahverkehr.
abhängigkeit verbinden sich deshalb in der politischmedialen Debatte mit dem Ausbau „umwelt- und klima-
Insgesamt steht zu befürchten, dass beide nordafrika-
schonender” Energieträger.
nische Länder zu Hauptleidtragenden des Klimawandels werden: fortschreitende Desertifikation, Wasser-
Zusammenfassend lässt sich mit Blick auf Marokko
mangel, Rückgang der landwirtschaftlichen Nutzflä-
sagen, dass den politisch Verantwortlichen die Bedeu-
chen und Erträge sind die Ängste, die mit den Auswir-
tung des Themas durchaus bewusst ist, eine breite
kungen des Klimawandels verbunden sind. Marokko
Sensibilisierung der Bevölkerung allerdings noch nicht
und Algerien haben deshalb ein großes Interesse da-
festzustellen ist. Eine umfassende Sensibilisierung ist
ran, dass auf globaler Ebene das Thema Erderwär-
deshalb folgerichtig auch Teil der Anstrengungen von
mung und Klimawandel engagiert angegangen wird.
Behörden, internationalen Organisationen und Akteu-
Allerdings bedarf es in beiden Ländern auch weiterer
ren der Zivilgesellschaft.
Anstrengungen, die hausgemachten Probleme zu
meistern.
Auch in Algerien wird die Debatte über den Klimawandel beherrscht durch Befürchtungen rund um die
Verringerung der Niederschläge und drohende Wasserknappheit. So hat zuletzt Präsident Bouteflika die
Algerier zu einem sparsamen Umgang mit der Ressource Wasser aufgerufen und ausdrücklich auf die
schwierigen Herausforderungen der kommenden Jahre
bei der Trinkwasserversorgung hingewiesen.
In Algerien ist die öffentliche Debatte rund um den
Klimawandel insgesamt jedoch weniger entwickelt. Als
Ursachen hierfür dürften zum einen die „schwarzen”
90er Jahre, als Algerien durch blutige Auseinandersetzungen zwischen Staat und islamistischen Untergrundkämpfern in seiner internationalen Einbindung und
nationalen Entwicklung zurückgeworfen wurde, zum
anderen die geringere Präsenz internationaler Akteure
verantwortlich sein. Dennoch sind auch in Algerien die
staatlichen Institutionen wie auch Medien und Zivilgesellschaft seit einigen Jahren das Thema Klimawandel
engagiert angegangen. Ein Beispiel für eine durch die
Niger
Mali
Senegal
Burkina
Faso
Nigeria
Elfenbeinküste
TogoBenin
DR Kongo
Uganda
Namibia
Mosambik
Südafrika
AFRIKA
SÜDLICH DER SAHARA
94
REPUBLIK SÜDAFRIKA:
V E R L E I H T D I E F U S S B A L L- W M 2 0 1 0 D E M
U M W E LT B E W U S S T S E I N E I N E N S C H U B ?
Werner Böhler | Andreas Söntgerath
notwendig. Dennoch kündigte ESCOM an, den Anteil
der Energiegewinnung aus Kohle von 86 Prozent auf
DER DISKURS ZUM KLIMAWANDEL IN
70 Prozent zu reduzieren, ließ jedoch den Zeitraum
SÜDAFRIKA
offen.
Präsident Thabo Mbeki beschrieb die Republik Südafri-
Derzeit werden allerdings nur 1,2 Prozent des Strom-
ka einmal als Land der zwei Volkswirtschaften. Die
bedarfs aus regenerierbaren Energiequellen gedeckt.
eine Volkswirtschaft sei die eines Industrielandes und
Südafrika stehen für die alternative Energiegewinnung
die andere die eines Entwicklungslandes, da es immer
vor allem Wind, Sonne oder die Nutzung der Gezeiten
noch viel Armut und soziale Ungerechtigkeit im Land
zur Verfügung. Aufgrund der Wasserknappheit und
gebe. Dieses Bild aufgreifend diskutiert die Tageszei-
dem Nahrungsmittelbedarf auf dem Kontinent scheidet
tung „Business Day” in einer Beilage die Frage, an wel-
die Energiegewinnung durch nachwachsende Pflanzen
cher Volkswirtschaft sich die Umweltpolitik zu orientie-
aus. Monopolstrukturen und langwierige Verwaltungs-
ren habe? Die Verfassung des Landes sichert jedem
verfahren erschweren jedoch privaten Investoren den
das Recht zu, dass die Umwelt zum Wohl heutiger und
Zugang zum Energiemarkt. Ein Windfarmprojekt der
künftiger Generationen geschützt wird. Nach dem Ende
„Oelsner Group” etwa wurde erst nach sieben Jahren
der Apartheid verabschiedete die Regierung im Dezem-
genehmigt. Andererseits ist die aus alternativen Quel-
ber 1998 das „White Paper on the Energy Policy of the
len gewonnene Energie zu den von ESCOM angebo-
Republic of South Africa”, durch das der Zugang zu
tenen Preisen nicht konkurrenzfähig. Dieses Problem
bezahlbarer Energie für benachteiligte Haushalte,
ließe sich wohl nur mit Einstiegssubventionen behe-
kleine Bauernhöfe und kleine Geschäfte erhöht werden
ben. Hier könnten Beispiele aus Deutschland sinnvoll
sollte. Mittelfristig wurde vereinbart die Entwicklung
übernommen werden.
nachhaltiger und erneuerbarer Energien zu fördern.
Gleichzeitig entschied die Regierung im Frühjahr 2007,
Im März 2007 gab das Ministerium für Umwelt und
den Bau eines zweiten Kernkraftwerks in Western Cape
Tourismus unter der Leitung von Minister Marthinius
zu verwirklichen. Auch die zusätzliche Nutzung der
van Schalkwyk ein Weißpapier mit dem Titel „Integra-
reichlich vorhandenen, preiswerten Kohle ist vorge-
ted pollution and waste management for South Africa”
sehen. Dafür sollen mit moderner Umwelttechnik aus-
heraus. In dem Papier bemisst das Ministerium der
gestattete Kraftwerke gebaut werden.
Prävention von Umweltverschmutzung und der Vermeidung von Verschwendung und Verschmutzung eine
Mit Blick auf die im Jahr 2010 stattfindende Fußball-
besondere Rolle zu.
WM beabsichtigt sich Südafrika der Welt als ein Land
zu präsentieren, das Umweltfragen ernst nimmt und
Die politische Realität orientiert sich jedoch eher an
eine nachhaltige Wirtschaftspolitik betreibt. Allerdings
wirtschaftlichen Notwendigkeiten. Durch die jüngsten
sind die noch zu bewältigenden Herausforderungen
Ereignisse bzgl. der Energieversorgung gewann die
groß: Stadien müssen neu oder ausgebaut werden, die
Diskussion neue Bedeutung. Südafrika bezieht nahezu
Kapazitäten der Flughäfen in Durban, Kapstadt und
90 Prozent seiner Energie aus Kohle. Als Folge der ge-
Johannesburg werden angepasst, Verkehrsinfrastruk-
stiegenen Energienachfrage verdoppelte sich der CO2-
turprojekte sind in großem Umfang in Angriff genom-
Ausstoß zwischen 1980 und 2004. Südafrika emittiert
men, neue Hotelkomplexe entstehen und Investitionen
damit mehr CO2 als Brasilien, dessen Bevölkerung fast
im Bereich von Wasserversorgung und Abfallbeseiti-
viermal größer ist. Die Stromproduktion bleibt dennoch
gung sind zu tätigen. Ein Indikator für den daraus
unzureichend und unkontrollierte Stromabschaltungen
resultierenden Nachfrageboom mag die Zementknapp-
nehmen vor allem in der Winterzeit in den urbanen
heit sein, die inzwischen Importe notwendig macht.
Zentren besorgniserregend zu. Der staatliche Energiekonzern ESKOM beabsichtigt deshalb in den kommen-
In der öffentlichen Diskussion findet das Thema Klima-
den fünf Jahren die derzeitige Kraftwerkskapazität
wandel durchaus Anklang und wird durch die Bericht-
(knapp 40.000 MW) um zusätzlich 52.000 MW zu er-
erstattung über konkrete Ereignisse beflügelt. Anfang
höhen und damit mehr als zu verdoppeln. Bei einem
Mai 2007 flog ein südafrikanisches Team, an dessen
kalkulierten Wirtschaftswachstum von durchschnittlich
Spitze der Minister für Landwirtschaft stand, zu Kon-
4 Prozent ist bis 2027 ein Ausbau auf 168.000 MW
sultationen nach New York um dort über die Herausfor-
95
nicht speziell im südafrikanischen Kontext. Die Zeitung
„Mail & Guardian” berichtet etwa in der Ausgabe vom
4. Mai 2007 über die Folgen des Klimawandels im Kontext des Konfliktes in Darfur.
2005 benannte das südafrikanische Institut für internationale Beziehungen (SAIIA) in dem Online Magazin
„eAfrica” Folgen des Klimawandels, die sich auf ganz
Südafrika beabsichtigt, Umweltfragen bei der
Fußball-WM 2010 ernst zu nehmen.
Afrika beziehen:
1. Knappe Wasserressourcen stellen Konfliktpotential
dar und erfordern eine einheitliches Management,
derungen des Klimawandels zu sprechen. Die Delegation setzte sich aus Regierungsbeamten, Gewerkschaftern, Vertretern halbstaatlicher Organisationen und
Nicht-Regierungsorganisationen zusammen. Verfügbare Gutachten belegen, dass die Provinz Western Cape
am stärksten vom Klimawandel durch Erwärmung und
2. Ernteausfälle werden sich aufgrund der unstabilen
Wetterbedingungen häufen,
3. Naturreservate und Lebensräume für spezielle Tier
werden unwiderruflich verloren gehen,
4. Die Infrastruktur an den Küsten leidet unter dem
steigenden Meeresspiegel.
einem Anstieg der Meere betroffen wäre. In den zuständigen Fachministerien werden Szenarien und mög-
REAKTIONEN AUF DEN STERN-BERICHT SOWIE
liche vorbeugende Maßnahmen diskutiert. Konkrete
AUF DIE BEREITS VERÖFFENTLICHTEN TEILE
politische Entscheidungen und Maßnahmen sind aller-
DES IPCC-BERICHTS
dings noch nicht erkennbar.
Der Stern-Bericht fand in den Medien Anklang, setzte
Die öffentliche Meinung verweist gerne auf die Verant-
sich bislang jedoch noch nicht in konkretes Regie-
wortung der Industrieländer für den Klimawandel und
rungshandeln um. Auch das Medieninteresse verebbte
fordert entsprechend wegweisende Anstrengungen der
nach nur wenigen Tagen. Ohnehin setzten sich eher
Industrienationen. Es besteht Übereinstimmung darin,
die anspruchsvolleren Tageszeitungen mit dem Stern-
dass die ärmsten Nationen Afrikas von dem sich wan-
Bericht auseinander, was den Leserkreis begrenzt. Das
delnden Klima am stärksten betroffen sein werden,
südafrikanische Institut für internationale Beziehungen
ohne dass sie hieran den größten Anteil haben. Süd-
(SAIIA) und Partner des Länderprogramms kommen-
afrika wird aber auch als wirtschaftlicher Motor des
tiert den Sternbericht so: Afrika sei teilweise vor den
Kontinents gesehen und nimmt seit dem Jahr 2000 an
Folgen des Klimawandels ungeschützt, der eine Bedro-
den Gipfeltreffen der G8-Staaten teil. Von Südafrika
hung für alle Punkte der politischen Agenda darstelle.
wird folglich eine Vorreiterrolle für die Nachbarstaaten
erwartet, wenn es darum geht, mit gutem Beispiel hin-
DIE AKTEURE DER POLITISCHEN DISKUSSION
sichtlich Klima- und Umweltschutz voran zu gehen.
Die Diskussion um den Klimawandel wird zum einen
AKUTE PROBLEME ALS FOLGEN DES
innerhalb der zuständigen Ministerien geführt und zum
KLIMAWANDELS
anderen in den Kreisen fachspezifischer NROs. Am
22. Mai 2007, dem „World Biodiversity Day”, stellte die
Der Klimawandel ist gerade in der jüngsten Vergan-
Bewegung „Indalo Yethu” die nationale Umweltkam-
genheit stärker ins Bewusstsein der Bevölkerung Süd-
pagne „Save Tomorrow, Today" vor. Die Gründung von
afrikas gerückt. Der Sommer 2006/07 war überdurch-
Indalo Yethu, die auf das „World Summit on Sustaina-
schnittlich trocken, was dazu führte, dass vielen Bau-
ble Development” im Jahr 2003 zurückgeht, hatte die
ern insbesondere in der Free-State-Provinz die Ernte
„Mobilisierung Südafrikas für umweltpolitische Ziele”
vertrocknete. Das jedoch beschreibt nur akute Folgen
zum Ziel. Bei der Veranstaltung von Indalo Yethu rief
von kurzfristiger Natur. Oftmals werden sie auch nicht
der zuständige Minister Marthinius van Schalkwyk zu
als Folgen des Klimawandels verstanden, sondern
einem „umweltpolitischen Aktivismus von Individuen
als Ausnahmeerscheinungen. In der Provinz Western
und Privatwirtschaft” auf. Zielsetzung dieser Kampagne
Cape, die für ihre Weinanbaugebiete bekannt ist, stel-
ist es, eine Bewusstseinsänderung in der Bevölkerung
len sich die Winzer schon sehr konkret auf den Klima-
gegenüber dem Schutz der Umwelt und dem Erhalt der
wandel ein, indem sie sich in der Wahl ihrer Rebsorten
Schöpfung für künftige Generationen zu erzeugen. Tat-
den sich ändernden Wetterbedingungen anpassen.
sächlich ist ein Umweltbewusstsein in Südafrika wenig
ausgeprägt. Für die Menschen in den Slum-artigen
Die Presse berichtet in Beilagen oder längeren Repor-
Armensiedlungen (Squatter Camps) ist verständlicher
tagen über die Folgen der Erderwärmung, jedoch
Weise das tägliche Überleben prioritär. Bei wohlhaben-
96
deren Südafrikanern ist die Übernahme von Verantwor-
die erste WM auf dem afrikanischen Kontinent „grün”
tung für die Umwelt eher von nachrangiger Bedeutung,
zu gestalten. Unter dem Arbeitstitel „Greening 2010”
zumal die Preise für Benzin, Wasser und Gas erschwing-
finden derzeit Planungen statt, die die umweltpoliti-
lich sind und nicht zu sparsamen Umgang zwingen.
schen Vorgaben der FIFA noch übertreffen sollen.
Südafrika erhofft sich davon nicht nur gesteigerte in-
Die Fußball-WM könnte dem Umweltbewusstsein in
ternationale Anerkennung als „Sustainable Developing
Südafrika und darüber hinaus in den Ländern der
Country”. Beabsichtigt ist auch, neue Marktchancen
Region einen wichtigen Schub geben. Entsprechend der
mit umweltfreundlichen Technologien auf internationa-
„German Green Goal Initiative” besteht die Absicht,
ler Ebene zu erschließen.
NAMIBIA: KLIMAWANDEL BEDROHT SENSIBLES
Ö K O S Y S T E M D E S W Ü S T E N S TA AT S
Anton Bösl
Gerade das südliche Afrika gilt als eine der am stärksten vom Klimawandel betroffenen Regionen der Welt.
Afrika mit seinen mehr als 700 Millionen Menschen
Zwar verdankt Namibia seine einzigartige Schönheit
erlebt die Auswirkungen des derzeitigen Klimawandels
wie die älteste Wüste der Welt, die Namib, jenen Kli-
in massiver Weise, ohne diesen durch seinen Energie-
maveränderungen, die vor mehreren Millionen Jahren
verbrauch und seinen verhältnismäßig geringen Aus-
stattgefunden haben. Auch gilt Namibia für Forscher
stoß an CO2 in dieser Form zu verursachen. Zwar wur-
verschiedener Disziplinen als besonders gutes Bei-
den Hitze und Dürre, Fluten und Wirbelstürme seit
spiel, wie jene urzeitlichen Klimaveränderungen gera-
jeher quasi als natürliche Erscheinungen in vielen afri-
de die geologischen Bedingungen der Erde verändert
kanischen Ländern wahrgenommen. Seit einigen Jah-
haben. Darüber hinaus können für Namibia extreme
ren vermehren und intensivieren sich aber die Klima-
klimatische Unterschiede zwischen einerseits der
katastrophen mit immer verheerenden Folgen. Durch
Atlantikküste, an der der Benguelastrom kaltes Was-
Klimaveränderungen hervorgerufene Dürren oder
ser aus der Antarktis nach Norden trägt und zu küh-
Überflutungen zerstören das Leben von Menschen und
lem und oft sehr nebligem Wetter führt und anderer-
Tieren, vernichten Anbauflächen, Ernten und damit die
seits dem von Wüsten und extremen Temperaturen
Lebensgrundlagen, zerstören wichtige Infrastruktur
gekennzeichneten Landesinneren festgestellt werden.
(Straßen und Wege, Energieversorgung) und oft mühsam erarbeitete Entwicklungsfortschritte. Die zuneh-
Unter diesen natürlichen klimatischen bzw. klimabe-
mende Desertifikation großer Gebiete in Afrika, die
dingten Gegebenheiten sowie wegen regelmäßig aus-
vor allem (aber nicht nur) durch die Klimaveränderung
bleibender Regenzeiten hat sich ein sehr fragiles Öko-
hervorgerufen wird, die Ausweitung bestehender und
system entwickelt, das Namibia stark anfällig für die
das Entstehen neuer Wüstenregionen vernichtet land-
Auswirkungen des Klimawandels macht. So fällt in
wirtschaftliche Anbauflächen und Weidegebiete, führt
Namibia insgesamt sehr wenig Regen und dieser
zu Konflikten um die natürlichen Ressourcen von Land
auch noch sehr ungleich verteilt. Auch ist die Verduns-
und Wasser. Derzeit hat ohnehin nur etwa die Hälfte
tungsrate so hoch, dass nur ein Prozent des Regens
der Menschen in Afrika Zugang zu sauberem Trink-
ins Grundwasser gelangt. Die zunehmende Erwärmung
wasser, mit verheerenden Auswirkungen auf deren
und eine nur geringfügige Steigerung der Verduns-
Gesundheit und Lebensbedingungen.
tungsrate um 5 Prozent – Namibia hat in den letzten
Jahren seine höchsten Temperaturen seit Beginn der
Afrikanische Länder haben kaum die Mittel, um diese
Aufzeichnungen gemessen – führte und führt zum
Folgen zu bewältigen und sind nach klimabedingten
Verschwinden von ca. 30 Prozent der Tier- und Pflan-
Katastrophen stark auf rasche Nothilfe von außen
zenarten.
abhängig. Für präventive Maßnahmen stehen kaum
finanziellen Mittel zur Verfügung, nicht selten fehlt
die Einsicht in die Notwendigkeit, hier zu investieren.
97
Hinzu kommt, dass ein Großteil der Bevölkerung in
jenen Sektoren tätig ist, der vom Klimawandel besonders betroffen ist: Rund zwei Drittel aller Beschäftigten arbeiten in der Landwirtschaft. 75 Prozent des
Landes werden als Weidefläche genutzt, der durch die
Klimaveränderung bedingte Verlust an Vieh und Getreideerträgen führt zu Lebensmittelknappheit. Der
kalte Benguelastrom hatte bisher zu einem großen
Reichtum an Fischarten und deren Vorkommen vor der
Küste Namibias geführt. Die zunehmende Erwärmung
des Meeres – der Bericht der namibischen Regierung
an das UNFCCC geht von 2–6 Grad bis zum Jahr 2100
aus – führt bereits zu zunehmender Algenbildung und
geringerem Sauerstoffgehalt des Wassers, zu Artensterben, weniger Fischreichtum und damit einer starken Dezimierung der an der Küste brütenden und von
Das fragile Ökosystem der Namib-Wüste ist stark anfällig
für die Auswirkungen des Klimawandels.
Fischen lebenden Robben und Zugvögel. Die 2005
vom „Namibia Climate Change Programme" veröffentlichten Zahlen gehen ferner von einer Erhöhung des
sah sich das Entwicklungsprogramm der Vereinten Na-
Meeresspiegels um ca. 30 cm bis 2100 aus, was zur
tionen (UNDP) gezwungen, eine Aufklärungsinitiative
schleichenden Zerstörung der Infrastruktur der Küs-
über die Ursachen und Auswirkungen der Klimaverän-
tenstädte und zum Eindringen von Salzwasser in die
derungen in Namibia durchzuführen.
unterirdischen Süßwasserbecken führt. Für den Tourismus wichtige Küstenstädte wie Swakopmund und der
Die Medien Namibias tragen durch ihre Berichte über
für die Wirtschaft elementare Hafen in Walvis Bay
klimarelevante Themen zwar auch zu Information und
wären empfindlich in Mitleidenschaft gezogen. Neben
Wissensvermittlung bei, jedoch nicht kontinuierlich,
der Küste gilt das sogenannte „Sperrgebiet” im Süden
sondern nur erratisch und abhängig von Klimakata-
Namibias, wo auf einem für die Öffentlichkeit abge-
strophen oder größeren internationalen Vorkommnis-
sperrten riesigen Areal Gold und Diamanten abgebaut
sen, die sich dem Sujet widmen. Nur am Rande wird
werden, als ein Ort mit großer Biodiversität, der die
über die Berichte der namibischen Regierung disku-
Auswirkungen des Klimawandels besonders spüren wird.
tiert, die – als Unterzeichner des Kyoto-Abkommens
Das aride Klima, immer wieder auftretende Dürreperi-
veränderungen vorgelegt werden müssen. Experten-
oden und die zunehmende Wüstenbildung sowie das
gespräche und ähnliche Foren, die auch und gerade
fragile Ökosystem Namibias und die große Abhängig-
von den zuständigen Ministerien veranstaltet werden,
keit der Wirtschaft von den natürlichen und klimati-
finden indes kaum Widerhall in den Medien. Der Be-
schen Gegebenheiten haben zwar zu einem hohen
richt des britischen Ökonomen Sir Nicholas Stern hat
Maß an Sensibilität über das Klima und seine Verände-
weder in der deutschsprachigen Tageszeitung Namibi-
rungen bei den unmittelbar betroffenen, davon direkt
as, die aufgrund der Leserschaft häufig über Debatten
abhängigen Menschen und zuständigen Regierungs-
aus Deutschland berichtet, noch in anderen Medien
stellen geführt. Für den zuständigen Umweltminister
Namibias Widerhall gefunden. Lediglich der IPCC-
stellten der Klimawandel und seine Kosten sogar den
Bericht wurde in fast allen Medien des Landes aufge-
signifikantesten und kostspieligsten Faktor dar für die
griffen und in einigen Leserbriefen thematisiert. Von
Entwicklung des Landes. Die Regierung Namibias hat
einem breiten Medienecho zum Thema Klimaverände-
1997 die „Internationale Konvention über Biologische
rung kann indes nicht gesprochen werden, auch wenn
Diversität” ratifiziert und unterhält zahlreiche Natur-
seit Anfang dieses Jahres – einem globalen Trend
schutzgebiete. Darüber hinaus setzt sie stark auf er-
folgend – verstärkt über den Klimawandel berichtet
neuerbare Energien und hat deshalb eine „National
wird.
von 1995 – regelmäßig über CO2-Emission und Klima-
Renewable Energy Policy” und eine „Green Energy
Policy” verabschiedet sowie eine entsprechende Kommunikationsinitiative gestartet. Die Solarindustrie
Namibias erfreut sich inzwischen guter Zuwachsraten
und positiver, wenn auch nur sporadischer Berichterstattung. Aber paradoxerweise geht mit der großen
Sensibilität betroffener Kreise ein hohes Maß an Unwissenheit in der breiten Bevölkerung einher. Deshalb
98
D E M O K R AT I S C H E R E P U B L I K K O N G O :
OPFER UND VERURSACHER DES KLIMAWANDELS
Andrea E. Ostheimer
grenzenden Länder deckt, sich um bis zu einem Drittel
reduzieren wird. Für den Kivu-See kann bereits heute
Die Demokratische Republik Kongo (DR Kongo) gilt
ein sinkender Wasserspiegel und für den Kongo-Fluß
trotz ihres Ressourcenreichtums als eines der ärmsten
eine fortschreitende Versandung festgestellt werden.
Länder der Welt. Mit einem Human Development Index
von 0.391 rangiert das Land noch hinter Malawi auf
In den Regenwaldgebieten sind es vor allem die Rau-
der Rangliste des UNDP Human Development Reports
pen und Würmer, die sich von bestimmten Baumarten
auf Platz 167 der am wenigsten entwickelten Länder
nähren und die durch die fortschreitende Abholzung
der Welt (gesamt 177). Wie viele andere afrikanische
dezimiert werden. Problematisch ist dies für die ethni-
Staaten sieht sich die DR Kongo mit geographischen
sche Gruppe der Pygmäen, für die diese Raupen und
Nachteilen wie hoher Niederschlagsvarianz zwischen
Würmer eine wichtige Proteinquelle darstellen. Für die
einzelnen Regionen, einer hohen Abhängigkeit der Be-
Pygmäen geht nicht nur ein wichtiges Nahrungsmittel
völkerung von der klimasensitiven Agrarwirtschaft und
verloren sondern auch ein Handelsgut. Der Handel mit
unzureichender Gesundheitsversorgung in weiten Tei-
Würmern und Insekten wird auf ein jährliches Volumen
len des Landes konfrontiert. Insbesondere die kaum
von 13500 t und einem Wert von ca. 8 Millionen US-
anderswo anzutreffende Biodiversität des Landes, die
Dollar geschätzt.
sowohl Flora als auch Fauna umfasst, schreibt dem
zentralafrikanischen Land jedoch nicht nur eine regio-
Die Nahrungssicherheit in der Demokratischen Repu-
nale sondern auch eine internationale Bedeutung und
blik Kongo wird durch den Klimawandel vor allem im
Verantwortung im Umweltmanagement zu.
bevölkerungsreichen Savannenstreifen der Provinzen
Bas-Congo, Bandundu, und Katanga bedroht. Schät-
Nach Jahren des Bürgerkrieges und vier Jahren Über-
zungen für den gesamten Kontinent gehen von Ernte-
gangsregierung (2002–2006) fanden im Juli und Oktober
rückgängen in bestimmten Regionen von bis zu 50 Pro-
2006 erstmals freie Mehrparteienwahlen statt. Die anhal-
zent bis 2020 aus.
tenden militärischen Auseinandersetzungen im Osten des
Landes zwischen Milizen und den kongolesischen Streit-
In den Provinzen Katanga, Bas-Congo und Bandundu
kräften FARDC, sowie die erodierten und von Korruption
kann bereits heute ein Niederschlagsrückgang von bis
durchsetzten staatlichen Strukturen weisen die Demo-
zu 12 Prozent seit 1990 festgestellt werden. IPCC Mo-
kratische Republik Kongo als einen der sogenannten
dellrechnungen gehen bereits davon aus, dass sich bis
schwachen afrikanischen Staaten aus. Die Jahre des
2050 die Regenzeit in der Provinz Katanga von 6 Mo-
Bürgerkrieges reduzierten zwar auf der einen Seite die
nate auf 5 reduzieren wird. Problematisch für die Ern-
Rodungsaktivitäten in den von Rebellen kontrollierten
tezyklen in der DR Kongo wird nicht so sehr die allge-
Gebieten des tropischen Regenwaldes, führten jedoch
meine Niederschlagsmenge sein, die in ihrem Brutto-
auch zu Arrangements wie der Bezahlung der Militärhilfe
wert bisher nicht merklich zurückgegangen. Kritisch
Simbabwes für die Regierung Laurent Desiré Kabilas
für die Landwirtschaft ist vor allem der Rückgang der
durch 34 Millionen Hektar Forstkonzessionen.
Regentage verbunden mit heftigen Niederschlägen,
die wiederum zur Erosion des Bodens beitragen.
Trotz ihres Ressourcenreichtums und insbesondere
üppigen Regenwaldbestandes sieht sich die DR Kongo
In Bas-Congo führte insbesondere die Zerstörung des
von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen.
Waldgebietes von Mayombe zu einer Störung des kli-
Doch ist es gerade auch der tropische Regenwald in den
matischen Gleichgewichtes und die Auswirkungen des
nördlichen Provinzen Equateur und Orientale und des-
Klimawandels können lediglich durch eine schnelle
sen fortgesetzte Abholzung, die die DR Kongo nicht nur
Wiederaufforstung limitiert werden.
zum Opfer sondern auch zum Akteur werden lassen.
WASSERVERSORGUNG
N A H R U N G S M I TT E L S I C H E R H E I T
Der globale Klimawandel wird nicht nur den Bedarf an
Mit fortschreitendem Klimawandel werden sich die
Wasser, sondern auch dessen Verfügbarkeit und Zu-
Fischbestände in der Region der Großen Seen verän-
gänglichkeit bestimmen. Das Problem der Wasserknapp-
dern. Untersuchungen gehen heute davon aus, dass
heit wird sich voraussichtlich bei einem Temperaturan-
der Primärbestand des Tanganyika See, der heute 25–
stieg von 3 Grad innerhalb von 25 Jahren um 22 Pro-
40 Prozent des Proteinbedarfs der Bevölkerung der an-
zentpunkte verschärfen. Bereits heute leben 47 Prozent
99
der afrikanischen Bevölkerung mit dem Problem der
Opportunitätskosten zum Schutz der Regenwälder der
Wasserknappheit. Im Jahre 2025 werden dies mindes-
acht hauptverantwortlichen Staaten für die aus Land-
tens 65 Prozent sein. Auf den ersten Blick stellt die
nutzung resultierenden Emissionen liegen gemäß der
Verfügbarkeit von Wasser in der DR Kongo mit dem
dem Stern-Bericht zugrunde liegenden Berechnung zur
Kongo-Fluss und dessen Seitenarmen und weiteren
Zeit bei 5 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Ein Betrag, den
Flüssen zunächst kein Problem dar. Die allgemeine
die internationale Gemeinschaft bei der Konzeption
Wasserversorgung der kongolesischen Bevölkerung ist
ihrer Unterstützungsprogramme zur alternativen Land-
jedoch bei weitem nicht sichergestellt und führte da-
nutzung und zum Regenwaldschutz bedenken sollte.
zu, dass Präsident Joseph Kabila in seiner Antrittsrede
im Dezember 2006 eine flächendeckende Wasserver-
Die DR Kongo besitzt mit dem tropischen Regenwald
sorgung in der DR Kongo als eine der fünf wichtigsten
des Kongo-Beckens das zweitgrößte Regenwaldgebiet
politischen Zielvorgaben seiner Amtszeit anführte. Die
(172 Millionen Hektar) nach dem Amazonas-Waldgebiet.
Umsetzung dieser Vision bedarf allerdings weitreichen-
Wie ein im April veröffentlichter Greenpeace-Bericht
der struktureller Veränderungen in der Wasserversor-
darlegt, wird die DR Kongo bei unveränderter Abhol-
gungspolitik. Bisher steht lediglich aufbereitetes Fluss-
zung des Regenwaldes bis 2050 rund 40 Prozent seines
wasser als Trinkwasser der Bevölkerung zu Verfügung.
Regenwaldbestandes verlieren und damit mehr Koh-
Die fortschreitende Sedimentierung der Flüsse in Folge
lendioxid ausstoßen als Großbritannien in den vergan-
des Klimawandels sowie die Austrocknung ganzer Flüs-
genen 60 Jahren. Damit wird das Land nicht nur wie
se insbesondere im Grenzgebiet zu Sambia erfordert
die meisten anderen afrikanischen Staaten zu einem
eine zukünftige Nutzung des Grundwassers, das bisher
Opfer des Klimawandels sondern zu einem der Verur-
nicht in die Wasserversorgung einbezogen wurde.
sacher. Bereits heute rangiert die DR Kongo in der Weltrangliste der CO2 Emittenden auf Platz 21 vor Spanien
GESUNDHEIT
und den Niederlanden. Untersuchungen gehen davon
aus, dass ein Hektar Biomasse eines tropischen Regen-
Mit fortschreitendem Klimawandel werden sich auch die
waldes ca. 180 t Kohlenstoff speichert, von denen bei
Gesundheitsrisiken in den meisten afrikanischen Län-
Abholzung bereits bis zu 50 Prozent freigesetzt werden
dern erhöhen. In der DR Kongo lässt sich bereits heute
können.
ein ganzjähriges Malaria-Risiko konstatieren, da auch
während der Trockenzeit die Anopheles-Fliege in der
Bereits im Jahre 2002 drängte die Weltbank, die die
Lage ist, sich aufgrund erhöhter Temperaturen weiter
Regenwaldnutzung noch immer als Kernsäule ihres
zu verbreiten. Die stetige Zunahme von Atemwegser-
Entwicklungskonzeptes für die DR Kongo sieht, auf die
krankungen insbesondere Asthma und hier vor allem in
Verabschiedung eines neuen Forstgesetzes, im Rah-
den urbanen Gebieten der DR Kongo wird von Wissen-
men dessen Konzessionen annulliert und zur Neube-
schaftlern der stetigen Umweltverschmutzung und stei-
antragung verpflichtet wurden. Darüber hinaus wurde
gender Temperaturen zugeschrieben. Bisher weitge-
ein Moratorium für Neukonzessionen festgeschrieben,
hend unerforscht in der DR Kongo sind die Folgen eines
dessen Umsetzung allerdings an der von Korruption
sogenannten „stress thermique” durch steigende Tem-
durchsetzten Verwaltung scheiterte. Trotz des beste-
peraturen in Breitengraden, die bereits ohne Klimawan-
henden Moratoriums stieg die Gesamtfläche der ver-
del den menschlichen Organismus belastende Tempera-
gebenen Konzessionen zwischen 2002 und 2005 von
turen aufweisen. Die zunehmende Sedimentierung der
18 Millionen auf 20,4 Millionen Hektar an. Die zur Ab-
Flüsse und eine unterentwickelte Wasserversorgung
holzung und zum Abtransport notwendigen Schneisen
stellen darüber hinaus weitere Risiken für die Gesund-
und der Holztransport selbst tragen des weiteren zum
heit der kongolesischen Bevölkerung dar.
Anstieg der CO2 Emissionen bei. Wie eine Studie des
Forstwirtschaftsunternehmens IFIA zeigte, verbraucht
KONGOLESISCHER REGENWALD
das Unternehmen monatlich ca. 500 000 Liter Brennstoff für Rodung, Zuschnitt im Sägewerk und zum
Um die Auswirkungen des Gebrauchs fossiler Brenn-
Transport. Dies entspricht einem Kohlenstoffausstoß
stoffe auf das globale Klima zu limitieren, ist die exten-
von ca. 3800 t pro Jahr.
sive Bindung von Kohlenstoff notwendig. Schätzungen
gehen davon aus, dass bis 2050 noch die Hälfte des
Im Gegensatz zum Amazonas-Gebiet, wo davon aus-
globalen Energiebedarfs durch Kohlenwasserstoffe
gegangen wird, dass der Klimawandel und eine Erhö-
gedeckt werden wird. Dies bedeutet, dass insbesondere
hung der Temperaturen um 2–3 Prozent zu einer weit-
die Abholzung der für die Klimastabilisierung essentiel-
gehenden Austrocknung des Waldgebietes führen
len Regenwälder eingedämmt werden muss. Mehr als
wird, geht man im Fall der DR Kongo bisher eher von
8 Prozent der globalen Emissionen resultieren aus der
einer Zunahme der Regenfälle in tropischen Regen-
Waldrodung und liegen damit sogar über dem prozen-
waldgebieten aus. Doch wird gerade die Fragmentie-
tualen Anteil des weltweiten Transportsektors. Die
rung der bisher noch intakten Waldflächen durch
100
Schneisen und selektivem Kahlschlag diese anfällig für
zum Thema bestehen lediglich zwischen der nationalen
Austrocknung und Waldbrände machen. Auch ist der
Kommission und dem IPCC-Sekretariat auf Expertenni-
Effekt der Regenwaldrodung auf den regionalen Klima-
veau. Obgleich mit Hilfe des IPCC-Sekretariats eine
zyklus im Kongo-Becken und den angrenzenden Regio-
Bestandsaufnahme zu den Treibhausgaseffekten für
nen noch gänzlich unerforscht.
den Zeitraum 1995–2003 aufgestellt werden konnte,
ist das existierende Informationsmaterial aufgrund der
REAKTIONEN DER POLITIK
Schwierigkeiten in der Datenerhebung (unzugängliches
Terrain, mangelnde Expertise, fehlende Finanzmittel)
Wie bereits eingangs erwähnt, lässt sich die DR Kongo
rudimentär.
nicht nur sicherheitspolitisch als „weak state” charakterisieren. Zwar unterzeichnete die DR Kongo alle rele-
Da das neue Forstgesetz vor allem die Handschrift der
vanten UN-Deklarationen zum Klimawandel sowie das
Weltbank trägt und diverse Finanzhilfen der Weltbank
Kyoto-Protokoll, doch erweist sich die Umsetzung als
an dessen Ratifizierung und eine Moratoriumsverlänge-
äußerst schwierig und komplex. Bereits 1995 wurde
rung geknüpft wurden, scheint der politische Wille der
das „Comité National sur le Changement Climatic” ein-
Entscheidungsträger auch durch das Gefühl eines feh-
gerichtet, dessen Koordination dem einzigen im Kongo
lenden „ownership” beschränkt.
residierenden Klimatologen, Professor Ntombi, obliegt.
Trotz der Bedeutung einer regionalen Kooperation zur
Für die XII. Sitzung der „Conference of the Parties to
nachhaltigen Nutzung des grenzüberschreitenden Öko-
the Climate Change Convention” (COP 12), in Nairobi
systems ließ sich der Austausch und die Abstimmung
im November 2006 konnte die DR Kongo erstmals
mit Akteuren in der Region der Großen Seen und den
einen „Plan d’Action National Adaption au Changement
Nachbarstaaten der DR Kongo bisher nicht realisieren.
Climatique” (PANA) vorlegen. Schwerpunkt des PANA
Die DR Kongo ist Mitglied der zentralafrikanischen
stellt die Nahrungsmittelsicherheit und die Einführung
Forstkommission (COMIFAC) und der „Congo Basin
neuer Mais-, Maniok- und Reissorten dar. In Kooperati-
Forest Partnership” (CBFP) und hat sich in diesem Kon-
on mit dem „Institute National d’Etude et Recherche
text zur Umsetzung der Deklaration von Jaunde zum
Agronomique” wurde neues, an die sich verkürzenden
Walderhalt verpflichtet. Doch trotz der Existenz eines
Erntezyklen adaptiertes Saatgut entwickelt. Um dieses,
„Plan de Convergence” als regionalen Aktionsplan,
sich dem Klimawandel anpassendes Saatgut flächen-
zeigt die bilaterale Umsetzung der Maßnahmen erheb-
deckend in den betroffenen Gebieten (hier vor allem
liche Schwerfälligkeiten und auch die Zahlungsmoral
Mais und Maniok in Bas-Congo und Reis in den beiden
der Mitgliedsstaaten erwies sich bisher als niedrig. Die
Kasai Provinzen) einzuführen, werden schätzungsweise
Bundesrepublik Deutschland wird 2008 die Moderation
6 Millionen US-Dollar benötigt.
der CBFP übernehmen und auch im Rahmen der Zusammenarbeit mit COMIFAC sich aktiv und finanziell in
Als weitere Adaptationsmechanismen sieht der Akti-
den Prozess einbringen.
onsplan eine Diversifizierung in der Elektrizitätsversorgung vor, die sich bisher auf Wasserkraft und Treib-
Das kongolesische Umweltministerium ist zwar sehr
stoffgeneratoren beschränkt. Die Nutzung neuer Tech-
an einem finanziellen Ausgleich der globalen Umwelt-
nologien ist in der DR Kongo auf politischer Ebene bis-
dienstleistung von Wäldern und an einer Umsetzung
her kein Thema. Im Gegenteil – zur Elektrifizierung
der von der Weltbank vorgeschlagenen Forest Carbon
von Städten und Dörfern wird auf alte Technik zurück-
Partnership Facility (FCPF) interessiert, doch haben
gegriffen, die wiederum zur Verschärfung des Klima-
sich konkrete Umsetzungsmaßnahmen dessen bisher
wandels beitragen. Eine Politik zur Reduzierung von
nicht konkretisiert. Die Mittel der FCPF sollen vor allem
Treibhausgasemissionen besteht in der DR Kongo bis
der Kapazitätsstärkung in den betroffenen Ländern
zum heutigen Tage nicht.
zugute kommen und u. a. die Kontrollfähigkeit institutioneller Strukturen stärken. Doch wird auch hier wie
Auf politischer Ebene stellen insbesondere der Wechsel
bei so vielen anderen Initiativen der politische Wille
der Akteure (Transitionsregierung, Kabinettsumbildun-
oder vielmehr das Fehlen eines solchen zum Ausschlag
gen, neugewählte Regierung) und die mangelnde Ex-
gebenden Kriterium werden.
pertise ein Problem dar. Weder die politische Elite noch
die kongolesische Bevölkerung sind für das Thema
RESÜMEE
Klimawandel hinreichend sensibilisiert. Ein Dialog zwischen Akademia und Politik findet bisher nicht statt.
Wie der Stern-Bericht festhält, müssen Aktivitäten zur
Und auch die Zahl der Nichtregierungsorganisationen,
Limitierung des Klimawandels nicht die Entwicklungs-
die sich diesem Thema widmen, beschränkt sich auf
möglichkeiten armer Länder beschränken, sondern
einige wenige (so z.B. „Observatoire pour la gestion
können ganz im Gegenteil neue Wege eröffnen. Aller-
durable de l’eau du Congo” – OGEC). Diskussionen
dings müssen sich die politischen Eliten im Klaren da-
101
rüber sein, dass die Auswirkungen des Klimawandels
Trotz der theoretisch formulierten ehrgeizigen Ziele
insbesondere die ärmeren Staaten am heftigsten tref-
der Regierung Kabila bleibt abzuwarten, inwieweit es
fen werden, und damit die frühe Einführung von nach-
in der Ressourcennutzung wirklich zu einer rigiden
haltigen Adaptionsmechanismen notwendig wird, um
Korruptionsbekämpfung kommen wird und inwieweit in
sowohl die jeweiligen Gesellschaften als auch die Wirt-
Folge dessen, das bestehende Moratorium zur Bewilli-
schaft der betroffenen Länder zu schützen. Obgleich
gung von neuen Forstkonzessionen aufrechterhalten
die DR Kongo mit dem PANA einen Aktionsplan vorge-
werden wird. Insbesondere gilt es hier die schwachen
legt hat, befindet sich das Land weit von einer Imple-
staatlichen Kapazitäten zur Kontrolle der Moratoriums-
mentierung entfernt.
umsetzung und einer nachhaltigen Bewirtschaftung
zu stärken. Das 2002 auf Betreiben der Weltbank neu
Für die kongolesische Regierung ist es darüber hinaus
verabschiedete Forstwirtschaftsgesetz sieht zwar eine
essentiell, die fortschreitende Abholzung der Regen-
Verteilung von 40 Prozent der auf Forstkonzessionen
waldgebiete einzudämmen und damit die sogenannten
erhobenen Steuern an die betroffenen Gemeinden vor,
non-energy Emissionen zu reduzieren. Eine effektive
doch wurde zwischen 2002 und 2006 kein einziger
und effiziente Forstverwaltung stellt zunächst einmal
Franc Congolais an die Regenwaldbewohner gezahlt.
eine nationale Angelegenheit dar, beschränkt sich
Eine nachhaltige Bewirtschaftung des Waldes wird je-
jedoch nicht nur auf Regierungsinstitutionen sondern
doch langfristig nur durch die Einbindung aller Akteure
muss sowohl die Beteiligung der Forstbesitzer, anlie-
inklusive der holzverarbeitenden Industrie möglich
gender Gemeinden als auch der holzverarbeitenden
werden.
Industrie mit einschließen.
UGANDA: WENIGER KAFFEE DURCH KLIMAWANDEL?
Peter Girke
zu heiß wären, um Kaffee weiterhin anbauen zu können. Kaffee ist zurzeit Ugandas Exportgut Nummer
Klimawandel ist für Uganda ein Thema, das zuneh-
eins und erwirtschaftet einen großen Teil der Export-
mend an Bedeutung gewinnen sollte und wohl auch
einnahmen.”
wird. Zumindest in den mittleren und oberen Bildungsschichten werden die Folgen der Erderwärmung
Die „Gesellschaft für bedrohte Völker” hat im April
diskutiert. Dem Klimawandel wird beispielsweise zu-
2007 auf Konflikte und Gewaltausbrüche im Osten
geschrieben, dass sich in den vergangenen Jahren
Ugandas hingewiesen, deren Ursache auch in den
Regen- und Trockenzeiten verschoben haben, und die
Folgen des Klimawandels zu finden seien: „Aufgrund
Niederschläge insgesamt geringer ausgefallen sind.
der anhaltenden Dürre konkurrieren gerade in der
Dies hat zu verminderten Ernteerträgen geführt. Das
verarmten ugandischen Region Karamoja einzelne
Sinken des Wasserspiegels des Viktoriasees, des größ-
Gruppen von Viehhirten mit wachsender Gewalt um
ten Binnengewässers Afrikas und des zweitgrößten
Herden, Wasser und Weideland, darunter auch die
Süßwassersees der Welt, wird unter anderem dem
schwer bewaffneten Karimojong-Nomaden. Sie wei-
Klimawandel zugeschrieben. Geringere Regenfälle,
gern sich, die Waffen abzugeben, weil sie dann ihre
aber auch erhöhte Entnahme zur Trinkwassergewin-
Herden nicht mehr schützen können. Wer diesen Men-
nung und Stromerzeugung, lassen den See schrump-
schen die Waffen nimmt, muss ihnen angesichts des
fen – mit bisher nicht abschätzbaren Auswirkungen
Klimawandels auch andere Überlebens-Perspektiven
auf das Mikro- und Makroklima.
bieten.”
„Germanwatch” macht die hohe Verletzbarkeit von
In der ugandischen Politik spielt Klimaschutz eine eher
Entwicklungsländern durch den Klimawandel am Bei-
marginale Rolle, die Prioritäten liegen – auch für die
spiel Kaffeeanbau in Uganda deutlich: „Bei einem
Geberländer – in der sozialen und wirtschaftlichen Ent-
Temperaturanstieg von (nur) 2 Grad würde in Uganda
wicklung. Es fehlt aber nicht der Hinweis, dass Klima-
die für den Anbau von Robusta Kaffee geeignete
schutz zunächst in der Verantwortung der Industrie-
Fläche drastisch reduziert. Nur die höher gelegenen
länder läge, zumal sie für den Großteil der weltweiten
Gebiete im Südwesten des Landes wären noch nutz-
Emissionen verantwortlich seien. Gäbe es von Seiten
bar. Die restlichen Flächen lägen in Gebieten, die
der Industrieländer einen Lastenausgleich oder dien-
102
ten Klimaschutzmaßnahmen der allgemeinen Entwick-
gegen zu wirken und die Themen Umweltschutz und
lung des Landes, so könnte das Thema Klimaschutz
Klimawandel verstärkt auf die Agenda zu bringen. In
verstärkt vorangetrieben werden. Im Tourismussektor
den Medien wird das Thema regelmäßig aufgegriffen
beispielsweise könnten die starken Ausbaubestrebun-
und findet dadurch auch zunehmend in der Bevölkerung
gen Ugandas in diesem Bereich durch den Klimawan-
Beachtung. Im Frühjahr 2007 eskalierten Proteste
del, der starke Veränderungen in Flora und Fauna mit
gegen den Verkauf eines größeren staatlichen Areals
sich bringen wird, gedämpft werden.
Primärregenwaldes an einen Zuckerrohrfabrikanten
in Straßenschlachten mit mehreren Toten. Allerdings
Lokale Nichtregierungs- und Lobbyorganisationen aus
waren die Umweltschutzanliegen auch überlagert von
dem Umweltbereich versuchen durch Aufklärung und
fremdenfeindlichen und anderen politischen Motiven.
Politikbeeinflussung dem Desinteresse der Politik ent-
MOSAMBIK: FÖRDERUNG VON KLEINBAUERN ALS
BEITRAG ZUM KLIMASCHUTZ
Ingo Scholz
WIE REAGIEREN DIE MOSAMBIKANER AUF
DIESES PHÄNOMEN?
FA K T E N U N D A K U T E P R O B L E M E
Formal stimmt alles: Mosambik ist Mitglied des InterMosambik ist ein Land, in dem tropische Zyklone,
nationalen Abkommens über Klimawandel, Desertifi-
Dürren und Überschwemmungen durch Niederschlag
kation und Schutz der Ozon-Schicht. Das Land hat die
noch häufiger auftreten als im afrikanischen Durch-
UN-Konvention über Klimawandel (UNFCCC) im August
schnitt. Der ist schon hart genug und stellt die afrika-
1995 ratifiziert. Das Ministerium für die Koordination
nische Bevölkerung vor erhebliche Herausforderungen.
der Umweltangelegenheiten ist die federführende Institution. Das Nationale Meteorologische Institut (INAM)
Extrem und variabel war die Natur in Afrika immer: die
übernimmt die Koordination für das „Intergovernmen-
Regenfälle waren zeitlich und in ihrer Menge unbere-
tal Panel on Climate Change (IPCC)”. Und Mosambik ist
chenbar, die Dürren traten zyklisch auf. Bedenklich ist
Mitglied des „Southern Africa Climate Outlook Forum”
jedoch der Trend: Mosambik wurde wärmer. Zwischen
(SARCOF) für Zyklonwarnungen. Dennoch geschieht
1901 und 1995 stieg die Temperatur 0,5–1 Grad.
wenig aus eigener Anstrengung; das Thema „Klima-
Bis 2080 sollen es – je nach Szenario – noch einmal
wandel” wird vor allem von den Gebern angeschoben
1,6–1,9 Grad bzw. 5,1–6,4 Grad werden. Mosambik
und in der Diskussion gehalten. Dass die Geber überall
bekommt weniger Regen. Im Verlauf des letzten Jahr-
involviert sind, ist bei einem Geberanteil am Staats-
hunderts sank die Niederschlagsmenge um 10 Prozent.
haushalt von 54 Prozent nicht verwunderlich, ebenso-
Bei der Klimaänderung wirken drei Faktoren zusammen:
wenig allerdings das Phänomen, dass man sich auf
der geringere Niederschlag geht einher mit größerer
die Geber verläßt. Kürzlich hat Mosambik 405.000 US-
Variabilität und höherer Sonneneinstrahlung, die wie-
Dollar erhalten, um den 2. Nationalen Bericht über den
derum zu höherer Verdunstung führt. Die Effekte wirken
Klimawandel zu verfassen. Es wird betont, dass inzwi-
kumulativ.
schen die Kenntnisse dafür im Land vorhanden seien.
Er soll im ersten Quartal 2009 fertig werden. Ein wei-
Es ist nicht zu übersehen, dass die Menschen mit diesen
teres Phänomen ist, dass die fristgerechte Abgabe von
Veränderungen nicht mehr fertig werden. Der Wasser-
Berichten bereits als Indikator dafür genommen wird,
mangel beschleunigt die Desertifikation. Hiervon sind 8
dass die Regierung ihre Hausaufgaben gemacht hat.
von 11 Provinzen betroffen, ca. 30–40 Prozent der Landfläche Mosambiks. Hinzu kommen Bodenerosion, Ent-
Es gibt einige Pilotversuche, die die Möglichkeiten der
waldung, sinkende Grundwasserspiegel. Seit 1980 erlitt
Landbevölkerung erkunden sollen, wie sie mit der
Mosambik acht Dürreperioden, die das ganze Land oder
Erwärmung und ihren Begleiterscheinungen umgehen
den größeren Teil davon heimsuchten. Die „Erholung”
werden. Sie werden finanziert von verschiedenen
danach geht immer langsamer vonstatten. 60–80 Pro-
Organisationen der Gebergemeinschaft, von UNDP
zent der Mosambikaner sind unter- und fehlernährt.
bis zu Oxfam.
103
Nachhaltige Reaktionen auf den IPCC-Bericht waren
tiert. Da sie keine finanziellen Reserven besitzen und
nicht feststellbar. Man kann argumentieren, dass Mo-
schon gar keinen Eigentumstitel auf das Land haben,
sambik so viele andere wichtige und akute Probleme
bringt sie jede Ernteschwankung an den Rand der
habe, und das Land sich daher nicht um alle Heraus-
Hungersnot und in Abhängigkeit von der Nahrungsmit-
forderungen in gleicher Weise kümmern könne. Es
telhilfe. Man schätzt, dass ein Prozent des jährlichen
besteht auch die Gefahr, dass die Schuld am Klima-
Wachstums des Bruttoinlandsprodukts aufgezehrt wird
wandel ausschließlich dem Kohlendioxid-Ausstoß der
von den Verlusten infolge von Dürren und sonstigen
Industrieländer angelastet wird. Die Feststellung, dass
Wettereinflüssen.
der afrikanische Kontinent am wenigsten zum Klimawandel beigetragen habe, jedoch am härtesten von ihm
Die Regierung hat die Armutsbekämpfung zum obers-
getroffen werde, ist häufig zu hören. Aber sie darf nicht
ten Ziel erklärt. Investitionen in die kleinbäuerliche
von der Eigenverantwortlichkeit der Afrikaner ablenken.
Landwirtschaft sind der wichtigste Beitrag zur Anpassung der Landbevölkerung an den Klimawandel. An
Denn sie verbrennen im wahrsten Sinne ihr Zukunfts-
den Kleinbauern ist das Wachstum bisher vorbeigegan-
potential: 45.000–120.000 Hektar Wald verschwinden
gen. Mosambik verdankt seine eindrucksvollen Wachs-
in Mosambik jährlich, um Brennmaterial zu erhalten und
tumsraten einigen Enklaven-Industrien wie der Alumi-
neue Anbauflächen zu gewinnen. Der Mangrovenwald,
niumproduktion, den Strom- und Gasexporten, dem
immer noch der beste Küstenschutz gegen Überflutun-
Tourismus sowie zu einem geringen Teil der kommer-
gen von der See her, nimmt jährlich um 6 km2 ab.
ziellen Landwirtschaft. Es kommt darauf an, der großen
Mehrheit der Bevölkerung dabei zu helfen, ihre natür-
Der Druck auf die natürlichen Ressourcen steigt stän-
lichen Lebensgrundlagen zu sichern und zu stärken,
dig. Rund 70 Prozent der Mosambikaner leben von der
damit sie diese nicht mangels Alternativen zerstören.
Subsistenzwirtschaft ihrer marginalen ländlichen Exis-
Dann werden sie auch dem Klimawandel nicht mehr
tenzen. Ihr Überleben ist ausschließlich Biomasseorien-
hilflos ausgeliefert sein.
NIGERIA: IM DILEMMA DES KLIMAWANDELS
Klaus Pähler
Afrika produziert pro Jahr etwa eine Tonne CO2 pro
Person. Südafrika, das mit Abstand industrialisierteste
„Klimawandel in Nigeria ist eine tickende Zeitbombe
Land des Kontinents, produziert 8,44 t, während Mali
und es gibt wenig oder nichts, was zur Milderung sei-
am anderen Ende der Industrialisierungsskala weniger
ner Folgen getan wird!”
als 0,1 t pro Person und Jahr produziert. Die USA generieren im Vergleich etwa 16 t pro Person und Jahr,
Nnimmo Bassey, Vorsitzender von Environmental
insgesamt also 5,7 Mrd.t oder 23 Prozent der Weltpro-
Rights Action/Friends of the Earth Nigeria
duktion. Damit sind sie der größte Produzent. Der
E I N I G E FA K T E N
bald übertreffen. Diese Angaben stammen zwar aus
neue Stern am CO2-Himmel, China, wird die USA aber
2002, dürften sich aber in den Proportionen nicht weHäufig wird argumentiert, Afrika brauche sich um den
sentlich geändert haben. Sie dienen hier nur der gro-
Klimawandel nicht weiter zu kümmern, da von ihm nur
ben Einordnung Afrikas in die Problematik: Ganz Afrika
global vernachlässigbare Treibhausgase ausgehen. Da
produziert danach nur etwa 920.000 t CO2 pro Jahr,
der Klimawandel primär von den entwickelten Ländern
also weniger als 4 Prozent der Weltproduktion.
verursacht werde, sollten diese sich auch darum kümmern. Bittere Ironie des Schicksals: Von allen Kontinen-
Da Afrika einer Anzahl von ressourcenverzehrenden
ten trägt Afrika am wenigsten zum Klimawandel bei,
Stressoren ausgesetzt ist (von HIV über Korruption bis
wird darunter aber wohl am meisten leiden. Ein typi-
zu dauernden blutigen Konflikten), bleiben ihm ver-
scher Fall von negativen externen Effekten, einer Exter-
gleichsweise wenige Ressourcen, auf den Klimawandel
nalisierung von Kosten, würden Ökonomen sagen: Ein
proaktiv zu reagieren. Wenn der, wie dargelegt, für
Unbeteiligter trägt die Kosten der Handlungen anderer.
den Kontinent ein externer Schock ist, liegt hier aus
Sicht vieler Ökonomen ein vertretbarer Grund für
Kompensationszahlungen und/oder Hilfeleistungen.
104
Süden steigt. Dies könnte langfristig zu Binnenmigration und resultierenden Konflikten um die schrumpfenden Ressourcen (bebaubare Böden, Wasser) führen.
Auch internationale Konflikte sind zu erwarten, da Klimaflüchtlinge sich kaum durch die innerafrikanischen
Grenzen aufhalten lassen werden. Einige Quellen sprechen bereits jetzt von einem Anteil illegaler Immigranten in Südafrika oder Nigeria von ca. 30 Prozent. Um
eine Vorstellung zu geben: Steigt der Meeresspiegel um
20 cm, werden in Nigeria 740.000 Menschen verdrängt,
steigt er um 1 m, sind es 3,7 Millionen Personen, bei
2 m wären es schon 10 Millionen. Von der UNFCCC in
Nairobi war zu hören, Lagos (zwischen 7–14 Millionen
Einwohner) könne eines Tages ganz einfach im Meer
versinken. Vor dieser Hintergrundfolie müssen die BeIn Nigeria werden 2,5 Millionen Kubikfuß Erdgas pro Tag
abgefackelt. Das entspricht 40 Prozent des gesamten
Gasbedarfs Afrikas.
mühungen oder genauer: Nicht-Bemühungen Nigerias,
mit den absehbaren Problemen umzugehen, gesehen
werden.
K Y O T O U N D S E I N E W I RT S C H A F T L I C H E N
Auf dem vom deutschen Bundespräsidenten Professor
AUSWIRKUNGEN AUF NIGERIA
Horst Köhler initiierten deutsch-afrikanischen Gipfel im
Januar 2007 in Accra rief der nigerianische Präsident
Politiken, die dem Klimawandel durch Senkung des
Olusegun Obasanjo denn auch zu internationaler Hilfe
Verbrauches fossiler Brennstoffe wie Öl, Gas oder Kohle
zur Bewältigung der Folgen des Klimawandels auf und
Einhalt gebieten wollen, haben natürlich erhebliche
forderte, alle Länder sollten die entsprechenden inter-
wirtschaftliche Auswirkungen auf die Produzenten bzw.
nationalen Vereinbarungen einhalten.
Lieferanten dieser Brennstoffe. Nigeria ist achtgrößter
Öllieferant der Welt. Die neuntgrößten Gasvorräte
MÖGLICHE FOLGEN
lagern hier. Von einer nachhaltigen Senkung des Verbrauches dieser Energieträger wäre die nigerianische
Da etwa 40 Prozent des afrikanischen Bruttosozialpro-
Volkswirtschaft massiv betroffen. Sie ist praktisch
dukts in der Landwirtschaft erzielt werden, und wie-
eine Monokultur: Etwa 80 Prozent der Einnahmen der
derum etwa 70 Prozent aller afrikanischen Arbeits-
Regierung, 90–95 Prozent der Exporterlöse und über
kräfte auf oft marginalen Böden beschäftigt sind, wird
90 Prozent der Deviseneinnahmen stammen aus dem
deutlich, welche verheerenden sozio-ökonomischen
Ölsektor. Von 1970–1990 wurden insgesamt etwa
Folgen schon geringe klimatische Veränderungen ha-
200 Mrd. US-Dollar aus dem Erdölgeschäft erlöst.
ben können.
In den letzten Jahren versucht Nigeria daher zu diverFischbestände an den Küsten – Ghana verlor seit
sifizieren. In Kuppelproduktion mit dem Öl fällt auch
1970 etwa 50 Prozent – oder in langsam austrocknen-
Gas an, das bisher ganz überwiegend (ca. 75 Prozent)
den Seen nehmen ab, wie etwa im Tschad-See, der
einfach abgefackelt wird, weil es an technischen Anla-
bereits auf ein Zehntel seiner ursprünglichen Größe
gen zu seiner Nutzung fehlt. Dieses Gas wird nicht
geschrumpft ist und von dem die Wasserversorgung
etwa von hohen Türmen aus verbrannt sondern oft
von über 10 Millionen Menschen in den Anrainerstaa-
direkt auf der Erde, da, wo es aus dem Boden austritt.
ten abhängt. Durch das rapide Austrocknen des Sees
ist es inzwischen umstritten, ob Nigeria überhaupt
Die dadurch entstehenden Dioxine und anderen Karzi-
noch Anrainer des Sees ist.
nogene schädigen Einwohner und Umwelt. Das Land
fackelt mehr Gas ab als irgendein anderes Land:
Die Ernährung immer noch dramatisch wachsender
2,5 Millionen Kubikfuß pro Tag. Das entspricht 40 Pro-
Bevölkerungen – Nigerias Bevölkerung wuchs in den
zent des gesamten in Afrika genutzten (!) Gases und
letzten 15 Jahren von 89 Millionen auf 140 Millionen
trägt durch das enthaltene Methan und CO2 mehr
Menschen – wird gefährdet, weil mit zunehmender Ver-
zur globalen Erwärmung bei als die Emissionen ganz
wüstung oder Sahelisierung die natürlichen Ressourcen
SubSahara-Afrikas zusammen. Bis 2008 soll dieses
abnehmen, etwa im Norden Nigerias, während gleich-
Abfackeln beendet werden.
zeitig der Meeresspiegel an seiner tropischen Küste im
105
Die Befolgung des Kyoto-Protokolls ist für das Land
oder erst recht dem Bewußtsein des Landes so ferne
also ein zweischneidiges Schwert: Auf den Klimawan-
Fragen wie der Klimawandel außerhalb der Zirkel von
del dürfte sie sich langfristig positiv auswirken, auf sei-
Fachleuten oder Umwelt-NRO wirklich Aufmerksamkeit
ne wirtschaftliche Entwicklung aber kurzfristig negativ.
gefunden hätten. Entwicklungspolitisch hat man kurz-
Die Einhaltung des Kyoto-Protokolls würde die Ein-
fristig viel dringendere Sorgen und strategische Weit-
nahmen der OPEC-Staaten, zu denen Nigeria gehört,
sicht ist hier nicht unbedingt fester Bestandteil der
bis 2010 um 25 Prozent reduzieren. Für die nigeriani-
Politik. Zudem entziehen sich die mit dem Klimawandel
sche Entwicklungsplanung wäre dies eine Katastrophe:
verbundenen Probleme und Lösungsstrategien in ihrer
Dringend nötige Investionen in Bildung oder Infra-
Komplexität oberflächlichem Politgerede.
struktur könnten allenfalls zum Teil vorgenommen
werden, mit dauerhaft negativen Folgen für den Ent-
Die Entwicklungsplanung des Landes erkennt die wirt-
wicklungspfad des Landes.
schaftliche Bedrohung durch den Klimawandel und die
Gefahr durch verringerten Verbrauch fossiler Energie-
Eine wichtige Rolle dürfte hier auch Chinas Energiesi-
träger sinkender Öleinnahmen nicht einmal, geschwei-
cherungspolitik mit ihrem stark wachsenden Engage-
ge denn, daß sie Konzepte dafür vorlegt. In der dafür
ment in den extraktiven Industrien Afrikas spielen, und
zuständigen „National Planning Commission" soll das
am Rande sei erwähnt, daß Nigeria plant, in mittlerer
Thema allerdings künftig stärker beachtet werden. Hier
Zukunft ca. 4000 MW aus eigenen Kernkraftwerken zu
hat der soeben gewählte Präsident eine weitere wichti-
beziehen. Die Frage nach der Reaktorsicherheit mag
ge Aufgabe: Diversifizierung der Volkswirtschaft, Un-
man in einem Land, in dem es keine stabile herkömm-
abhängigkeit von fossilen Brennstoffen (in diesem Falle
liche Stromversorgung gibt und dessen Luftraum vom
Unabhängigkeit vom Verkauf dieser Brennstoffe), Wie-
Präsidenten als unsicher bezeichnet wurde, gar nicht
derbelebung der darniederliegenden Landwirtschaft,
erst stellen. Das ökologische Szenario des Landes
Industrialisierung (der Anteil der Industrieproduktion
könnte sich über Nacht grundlegend verändern.
am BSP ist hier im Lauf der Jahre auf etwa 6 Prozent
Nigeria hat das Kyoto-Protokoll zwar unterschrieben
zurückgegangen) und Entwicklung des kaum existie-
(es gehört zu den Nicht-Anhang-1-Staaten und ist also
renden Dienstleistungssektors sind einige Stichworte.
nicht zu Maßnahmen verpflichtet), doch glaubt das
In jedem Falle ist dem neuen Präsidenten Weitsicht zu
„Institute for Public Policy Analysis” (IPPA), Nigeria
wünschen, sonst könnte das Land von einem der bei-
käme mit eigenen Initiativen besser mit dem Klimawan-
den Hörner des Dilemmas aufgespießt werden: Klima-
del zurecht. Interessant ist, daß IPPA den Klimawandel
wandel oder sinkende Ölerlöse.
für den Alarmismus von Interessenten hält. Viele vorgeschlagene Politiken würden Nigeria eher schaden als
nützen. Nigeria solle stattdessen seine Anpassungskräfte stärken, zum Beispiel durch den Aufbau marktwirtschaftlicher Strukturen. Dadurch würden ausländische und inländische Investitionen, Handel und Wohlstand angeregt. Die Fähigkeit des Landes, mit Herausforderungen spontan umzugehen, werde dadurch
ebenfalls gestärkt. Das ist im Prinzip ein völlig richtiger
Ansatz. Aber so sehr der Verfasser mit marktwirtschaftlichen Strukturen sympathisiert – sie verbinden
ja die Desiderate Freiheit und Wohlstand – so skeptisch ist er hinsichtlich deren Realisierung in Nigeria.
Wie in so vielen Entwicklungsländern wird auch hier
„Kapitalismus für die Armen” mit „Sozialismus für die
Reichen” kombiniert.
„W A S T U N ? ” F R A G T N I G E R I A S I C H N I C H T
Die nigerianische Politik oder auch die öffentliche Diskussion befassen sich mit den angesprochenen Problemen so gut wie gar nicht. Zu sehr waren die beiden
letzten Jahren von der innenpolitischen Machtfrage
beherrscht, ob der gegenwärtige Präsident durch eine
Verfassungsänderung die Chance auf eine dritte Amtszeit bekommen würde, als daß inhaltlich politische
106
SENEGAL:
DISKREPANZ ZWISCHEN ABSICHTSERKLÄRUNGEN
UND POLITISCHEM HANDELN
Karsten Dümmel
ein Forschungszentrum für erneuerbare Energien geschaffen. Senegal nimmt an allen internationalen Kli-
Saint Louis im Ozean versunken, Dakar vom Wasser
makonferenzen teil. Mit Brasilien wurde ein Abkom-
zweigeteilt und große Bereiche der anderen Küsten-
men über die Produktion von Biodiesel abgeschlossen,
städte unter Wasser, das Hinterland eine Wüste: sol-
um mittel- und langfristig von der fossilen und ver-
che Katastrophenszenarios sind von Zeit zu Zeit in der
schmutzenden Energie unabhängig zu werden. Zahl-
senegalesischen Presse zu finden. Der Klimawandel
reiche Entwicklungsprojekte, u. a. auch von der GTZ,
macht nicht vor Senegal Halt und selbst, wenn diese
widmen sich der Verbreitung von energiesparenden
Szenarios überzogen klingen, ist die Klimaverände-
Brennmethoden (Energiesparbrennöfen, Solarplatten)
rung in vielen Landesteilen schon lange spürbar.
und der Wiederaufforstung. Sporadisch werden Sensibilisierungsaktionen in der Bevölkerung durchgeführt,
In den Küstenbereichen treten immer häufiger Über-
um sie zum Energiesparen und zum Engagement für
flutungen auf, in der Regenzeit stehen ganze Stadt-
eine saubere Umwelt zu motivieren. Mit der letzten
viertel unter Wasser. Die Wüste schreitet unaufhaltbar
Regierungsumbildung im März 2007 wurde eigens ein
südwärts. Die einst grünen Regionen des Ostens um
Ministerium für erneuerbare Energien geschaffen. Der
Tambacounda und Kolda sind in weiten Bereichen
Minister ist Professor Christian Sina Diatta, ehemaliger
völlig abgeholzt, zurück blieben Dornensavanne und
Forschungsminister und eminenter Nuklearphysiker,
eine deutliche Klimaerwärmung. Die wertvollen Tro-
der im Rahmen der Präsidentschaftswahlkampagne
penhölzer werden nicht nur für Möbel oder Skulpturen
ein Kernkraftwerk für die Casamance, eine der
ausgerottet, sie werden zu Brennholz und zu Holzkoh-
schönsten Naturzonen des Landes, versprach.
le verarbeitet. Die senegalesischen Hausfrauen kochen
mit Holz oder Holzkohle, Strom ist nur in den großen
Im Bereich der internationalen Zusammenarbeit wur-
Städten verfügbar und Gas ist zu teuer.
den schon 2005 die Grundlagen für eine intensive Kooperation zwischen Unternehmern der AKP-EU Länder
Die Umweltzerstörung greift in beunruhigender Weise
im Bereich der Produktion schadstoffarmer und erneu-
um sich. Wie das Haus- und Industriemüllentsorgungs-
erbarer Energie gelegt. Die senegalesischen Entschei-
problem gelöst wird, ist nicht erkennbar. Es gibt keine
dungsträger sind sich durchaus der Dringlichkeit des
Müllverbrennungsanlagen und nur wenige Steinbrüche,
Themas bewusst und organisieren in regelmäßigen
die zu Müllhalden umfunktioniert wurden. Die Stadt-
Abständen Konferenzen und Kongresse über den Kli-
und Dorfränder oder die stadtnahen Strände sind zu
mawandel.
Müllhalden umfunktioniert worden. Neben dem kommerziellen Holzraubbau tragen auch die umherzie-
Angesichts der Diskrepanz zwischen theoretischen
henden Rinderherden zur Zerstörung der Flora bei,
Überlegungen, Absichtserklärungen und der Realität
indem sie die wenigen grünen Bäume des Sahellandes
stellt sich die Frage nach dem politischen Willen im
„abernten”; mehr als die Hälfte der Bäume gehen ein.
Hinblick auf die Umsetzung dieser Ziele. Wie lässt sich
erklären, dass der Staatspräsident persönlich ein De-
Die Medien behandeln die Umweltfrage nur zögerlich.
kret unterzeichnete, nach dem mehrere hundert Hektar
Ein Umweltbewusstsein muss erst geschaffen werden.
Wald gerodet und für landwirtschaftliche Zwecke ge-
Innerhalb der Zivilgesellschaft gab und gibt es einige
nutzt werden dürfen? Diese Waldgebiete – wenn es
wenige Initiativen, die Bevölkerung für die Umwelt-
sich auch „nur” um dürftigen Sahelwald handelt, wur-
problematik zu sensibilisieren, beispielsweise durch
den vom Staatschef verschiedenen Führern der großen
„Set Setal” Aktionen, in denen die Jugendlichen ihr
muslimischen Bruderschaften übergeben. Die Umwelt-
Viertel sauber machen. Meist hält dies aber nicht lan-
schützer reagierten mit einem Aufschrei und warnten
ge an. In einem Land, in dem ein Großteil der Land-
vor einer ökologischen Katastrophe. Diese Reaktion
bevölkerung und viele Stadtbewohner in extremer
wurde indes in der Presse nicht weitergegeben.
Armut leben, steht die Umwelt nicht auf der Prioritätenliste.
Reaktionen auf den Stern-Bericht oder die bereits veröffentlichte Teile des IPCC-Berichtes sind in Senegal
Ist die Lage in Senegal also hoffnungslos? Die Regierung und das Parlament haben sich schon seit einiger
Zeit der Umweltproblematik angenommen. Es wurde
nicht bekannt.
Es ist eine Binsenwahrheit, in Senegal von einer wirklichen Trennung zwischen Staat und Religion zu sprechen. Wenn auch das Land formal eine moderne,
westlich ausgerichtete Demokratie ist, spielen doch
die traditionellen und vor allem religiösen Instanzen
(Khalifen, Marabouts) eine große Rolle. Sie werden
von der Mehrheit der Bevölkerung geachtet und verehrt und ihre Meinung ist häufig ausschlaggebend,
In vielen Regionen Afrikas sind Dürre und Wasserarmut ein großes Problem.
auch wenn sie diese nicht öffentlich machen. Wenn
auch die Marabouts in der Regel nicht selber Politik
betreiben und die Parteibildung nach religiösen Krite-
Die Entscheidung für nachhaltige Entwicklung und um-
rien verfassungsmäßig untersagt ist, verfügen sie
weltschonende Maßnahmen hängt also nicht nur von
dennoch über weitverzweigte und mächtige Bezie-
dem politischen Willen der Entscheidungsträger ab.
hungsnetze, die in der Lage sind, politische, wirt-
Eine Patentlösung gibt es nicht. Die Politik und die
schaftliche oder juristische Entscheidungsprozesse
Religion im Lande ignorieren die Problematik weitest-
zu beeinflussen.
gehend.
W E S TA F R I K A : B E N I N , T O G O , B U R K I N A FA S O ,
NIGER, MALI UND ELFENBEINKÜSTE
David Robert | Corinna Heuer
Die westafrikanischen Staaten sind natürlich nicht nur
Betroffene des Klimawandels, sie tragen auch dazu bei.
DAS TÄGLICHE ÜBERLEBEN STEHT FÜR DIE
Aufgrund fehlender Industrie sind es vor allem die
MEHRHEIT DER MENSCHEN IM VORDERGRUND
Landwirtschaft und der Straßenverkehr, der zur Schädigung der Erdatmosphäre beiträgt. Das fast vollständige
Die Auswirkungen des Klimawandels sind in Benin und
Fehlen öffentlicher Verkehrsmittel und dadurch bedingt
anderen Staaten Westafrikas bereits heute zu spüren.
die extrem starke Ausprägung des Individualverkehrs
Die Ausbreitung der Wüsten bedroht nicht nur die Sa-
stellen eine große Belastung dar. Zwar gehören die
helländer Mali, Niger und Burkina Faso, sondern auch
Großstädte der Region mit 500.000 bis 1.000.000 Ein-
bereits die Küstenländer Benin und Togo. Im Norden
wohnern nicht zu den größten Städten Afrikas, doch ist
der beiden Staaten sind eine zunehmende Verstep-
auch hier bereits die Luftverschmutzung ein großes Pro-
pung und ein Ausbleiben von Regen zu beobachten.
blem. Besonders die Tatsache, dass viele Mofas und vor
Schon seit einigen Jahren sinken die Niederschläge in
allem zwanzig und fünfundzwanzig Jahre alte Autos auf
den Sahelländern und führen vermehrt zu Dürren.
den Straßen fahren, sorgt für eine enorme Belastung
Die Küstenländer Benin und Togo sind darüber hinaus
mit CO2 und Rußpartikeln. Darüber hinaus ist die man-
von Küstenerosion bedroht, welche in Cotonou/Benin
gelhafte Stromversorgung in der Region die Ursache
bereits ganze Häuserzeilen ins Meer gespült hat. Ein
dafür, dass in der Wirtschaft und in Privathaushalten
Ansteigen des Meeresspiegels, wie in den Klimaprog-
dieselbetriebene Stromgeneratoren teilweise 16 Stun-
nosen vorhergesagt, hätte katastrophale Folgen für
den am Tag laufen. Weitere Faktoren, welche den Kli-
die Staaten an der westafrikanischen Küste. Die bei-
mawandel extrem verschärfen, sind auf dem Lande die
den wichtigsten Städte Benins, Cotonou und Porto
Praktiken der Brandrodung und die Herstellung von
Novo, würden größtenteils im Meer versinken.
Holzkohle. Die Energieversorgung auf dem Land wird
fast vollständig über Holzkohle abgedeckt.
Vor diesem Hintergrund haben die Staaten der Region
die internationalen Umweltabkommen, z.B. das Kyoto-
Obwohl alle Staaten Westafrikas die internationalen
Abkommen, unterzeichnet. Nationale Umweltagentu-
Klimaabkommen unterzeichnet haben und die Regie-
ren, wie das interdisziplinäre „Comité National des
rungen sich theoretisch den Herausforderungen durch-
Changements Climatiques” in Benin, übernehmen die
aus bewusst sind, gibt es um den Klimawandel und
Koordinierung und Umsetzung der internationalen
Abkommen in den nationalen Kontext.
108
seine Folge keine öffentliche Diskussion. Umweltorga-
und Beobachtungen versucht wird, Wolken abregnen
nisationen spielen in Westafrika keine Rolle. Parteien
zu lassen. Das „Saaga”-Programm stellt zwar bis jetzt
nehmen das Thema nicht auf und die Presse berichtet
nur die Behandlung von Symptomen dar, zeigt aber
über Umweltthemen nur aus gegebenem Anlass.
den Willen der betroffenen Staaten, sich nicht einfach
ihrem Schicksal zu ergeben. Gleichzeitig macht das
Weil die Länder Westafrikas zu den ärmsten Ländern
Programm deutlich, dass die staatlichen Vertreter für
der Welt gehören, stehen soziale und wirtschaftliche
Veränderungen des Klimas sehr sensibilisiert sind.
Themen im Mittelpunkt. Angesichts der Tatsache, dass
die Staaten Probleme haben, die Grundversorgung ih-
Angesichts der Tatsache, dass oft nur 6 bis 10 Prozent
rer Bevölkerung mit Wasser, Strom etc. sicher zu stel-
der Landbevölkerung sowie 20 bis 30 Prozent in den
len, entwickelt sich keine Diskussion darüber, ob Die-
Städten an Strom angeschlossen sind, macht deutlich,
selgeneratoren umweltschädlich sind. Die Menschen
welche Herausforderungen den Ländern bevorstehen.
sind froh, überhaupt Strom zu haben. Auf dem Lande
Die zunehmende Anbindung an die Stromversorgung
wird den Menschen zur Holzkohle keine Alternative.
und ein Bevölkerungswachstum von durchschnittlich
Die Solarenergie ist zu teuer und in der Anwendung
3 Prozent verdeutlichen, wie dringend notwendig eine
und Wartung noch nicht ausreichend auf die Verhält-
ökologisch „saubere” Stromproduktion für diese Länder
nisse in Afrika zugeschnitten.
ist. Sollten noch mehr Stromgeneratoren mit Diesel und
Kraftwerke mit Erdöl Strom erzeugen, steigern sich die
Die Situation in Westafrika zeigt, Armut setzt die Men-
CO2 Emissionen. Wenn man davon ausgeht, dass in den
schen auch bezogen auf den Umweltschutz größeren
nächsten 40 Jahren in den Ländern Benin, Togo, Burkina
Gefahren aus. Ursache ist jedoch nicht allein ein feh-
Faso, Niger und Mali mit einer Bevölkerungszunahme
lendes Umweltbewusstsein sondern der Zwang, Priori-
von rund 130 Millionen Menschen zu rechnen ist, wird
täten setzen zu müssen. Solange die Menschen froh
deutlich, dass die Herausforderungen für den Klimawan-
sind, überhaupt Nahrungsmittel zu haben, die sie auf
del in den unterentwickelten Ländern liegen. Nach Be-
Holzkohle zubereiten können, stellen sie sich nicht die
rechnungen des Potsdam-Instituts für Klimafolgenfor-
Frage, wie schädlich Holzkohle in der aktuellen Klima-
schung (PIK) würde selbst die Einstellung der Emissio-
debatte eingestuft wird. In einer Region, in der die
nen in den OECD Ländern die Erderwärmung nicht auf-
Lebenserwartung rund 45 Jahre beträgt und viele
halten können. Die Länder Westafrikas gehören auf-
Kinder an Malaria sterben, stehen in der politischen
grund ihrer schwachen wirtschaftlichen Aktivität derzeit
Diskussion andere Fragen im Vordergrund.
sicher nicht zu den Hauptverursachern, zeigen allerdings
exemplarisch, welche Bedeutung auch die unterentwi-
Bei akuten Klimaproblemen wie dem Ausbleiben des
ckelten Regionen für den Klimawandel haben.
Regens oder Abrutschen von Küstenlinien ins Meer,
berichten Medien eine Zeitlang über Umweltfragen.
Hilfe bei der Substitution von Holzkohle und der Mo-
Hieraus konnte sich aber bis heute keine dauerhafte
dernisierung der Landwirtschaft sind dringend notwen-
und tiefgehende Umweltdiskussion entwickeln. Ebenso
dig, um einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leis-
zeigen nationale „Monate des Baumes”, in dem es
ten zu können. Die Einführung von öffentlichen Ver-
überall zu Pflanzungen kommt, keine nachhaltige Wir-
kehrsmitteln sind kein Luxus, sondern eine Notwen-
kung auf den Charakter der öffentlichen Diskussionen.
digkeit. Hier werden nicht nur technologische Hilfen
sondern vor allem auch Finanzhilfen gefordert sein.
Klimawandel und Umweltschutz sind fürs erste noch
Angelegenheiten der zuständigen Fachbehörden,
Globaler Klimaschutz wird zukünftig so definiert sein
welche – gestützt auf UN-finanzierten Gutachten –
müssen, dass man sich überlegt, wo mit wie viel Geld
die Auswirkungen der Umweltbelastungen registrie-
der größte Effekt erzielt werden kann. Sollten sich die
ren. Kenntnisse über die Zusammenhänge und Aus-
Prognosen der Experten zum Klimawandel bewahrhei-
wirkungen liegen vor, aber eine Übertragung in die
ten, wird man es sich bald nicht mehr leisten können,
öffentliche Diskussion gibt es nicht.
in Europa Millionen auszugeben, um zwei Prozent
mehr Emissionen zu reduzieren, wenn man vergleich-
Ein Beispiel dafür, dass die Behörden agieren, ist der
bar in anderen Ländern mit dem gleichen Geld fünfzig
Zusammenschluss der Sahelländer im Verbund CILSS
Prozent Reduktion erreichen kann. Westafrika benötigt
(Comité Inter-Etats de lutte contre la sécheresse au
dringend eine solche Partnerschaft gegen den Klima-
Sahel). Mit diesem Staatenzusammenschluss will man
wandel, da ansonsten jeder Fortschritt in der Entwick-
der voranschreitenden Wüstenbildung begegnen. Im
lung der Länder, deren Lebensgrundlagen und über
Rahmen dieses Zusammenschlusses experimentieren
den Klimawandel auch die Lebensgrundlagen Europas
insbesondere Burkina Faso und Mali seit 1999 mit
in Frage stellen wird.
dem Programm „Saaga”. „Saaga” ist ein Programm,
bei dem mit Hilfe von meteorologischen Forschungen
RESÜMEE
110
D I E K L I M A D E B ATT E I N D E U T S C H L A N D ,
E U R O P A U N D D E R W E LT
Hartmut Grewe
märenergieversorgung Europas im gleichen Zeitraum
von derzeit 6,5 Prozent auf zwanzig Prozent aufge-
In Deutschland schlägt der Klimawandel in der Öffent-
stockt werden. Für den Einsatz im Verkehrssektor wird
lichkeit seit einiger Zeit hohe Wellen. Kaum ein Tag
ein zehnprozentiger Anteil von Biokraftstoffen ange-
vergeht, an dem dieses oder verwandte Themen wie
strebt. Zentral ist auch die Aufforderung an alle euro-
die Energiepolitik nicht von den Medien aufgegriffen
päische Staaten, dafür zu sorgen, dass die Energieeffi-
werden. Häufig veröffentlichen überregionale Tages-
zienz allgemein um zwanzig Prozent gesteigert wird.
und Wochenzeitungen umfangreiche Dossiers mit rele-
Damit will Europa ein Zeichen setzen für den Rest der
vanten Aufsätzen und Nachrichten über energie- und
Welt, denn viele andere Staaten müssen mitziehen,
klimapolitische Ereignisse, teilweise auch mit nütz-
damit globale Wirkung erzielt werden kann. Die EU-27
lichen Hintergrundinformationen und Dokumentatio-
ist gerade mal für ein Siebtel der weltweiten Emissionen
nen. Die deutsche Öffentlichkeit kann sich als hervor-
verantwortlich und Deutschland trägt nur einen Anteil
ragend informiert betrachten. Der weltweite Klimawan-
von 3,2 Prozent bei.
del wird als die größte Herausforderung des 21. Jahrhunderts gesehen. Auch die Politik unternimmt natio-
Nun gilt es, diese ehrgeizigen Ziele zügig mit geeigne-
nale wie internationale Anstrengungen, sich diesem
ten Maßnahmen anzugehen. Denn mit der selbst ge-
Thema anzunehmen. Sie lässt sich von renommierten
wählten Vorreiterrolle von Deutschland für Europa und
Klimaforschern und Expertengremien beraten, wie dem
die Welt steht die eigene Glaubwürdigkeit auf dem
Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung für
Spiel. Wenn es zuhause nicht gelingen sollte, die für
Globale Umweltveränderungen (WBGU) oder dem
notwendig und praktikabel erachteten Schritte politisch
Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Im
auf den Weg zu bringen, wie will man dann Gefolg-
Bundeskabinett ist insbesondere das Bundesministe-
schaft und Nachahmung von den Partnerstaaten er-
rium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
warten? Deshalb hat das Bundeskabinett auf seiner
(BMU) ein eifriger Fürsprecher für klimapolitische
Klausurtagung im August 2007 in Meseberg schnell
Belange. Es vertritt die Lobby der aufkommenden
gehandelt und ein Maßnahmenpaket mit 29 Punkten
erneuerbaren Energien gegenüber dem Wirtschafts-
verabschiedet, über das der Deutsche Bundestag im
ministerium (BMWI), das sich als eigentliches „Ener-
Herbst entscheiden wird. Damit soll der CO2-Ausstoß in
gieministerium” versteht und sich u. a. mit den tradi-
Deutschland bis 2020 um rund 35 Prozent gegenüber
tionellen fossilen Energieträgern befasst. Der von der
1990 gesenkt werden; erreicht sind schon 18 Prozent,
großen Koalition aus CDU/CSU und SPD bestätigte
vor allem aber wegen des Umbaus der Energiewirt-
Atomausstieg bleibt zumindest für die Dauer der Le-
schaft im Osten Deutschlands. Strittig war bis zuletzt
gislaturperiode unangetastet, obwohl die Kernenergie
die Kostenfrage. Die Mittel für den Klimaschutz werden
fast keine CO2-Emissionen verursacht.
von bislang 700 Millionen Euro auf 2,6 Milliarden Euro
aufgestockt. Daneben werden auch die Verbraucher
Deutschland hatte in diesem Jahr die einmalige Chance
zur Kasse gebeten, denn die zusätzlichen, staatlich
zu einer doppelten internationalen Führungsrolle mit
veranlassten Kosten werden von den Produzenten über
dem Vorsitz im Ministerrat der Europäischen Union
höhere Energie- und Produktpreise abgerechnet. Da-
während des ersten Halbjahrs und dem ganzjährigen
durch soll ein Anreiz zum vermehrten Energiesparen
Vorsitz in der Runde der acht größten Wirtschaftsmäch-
geschaffen werden, was unter dem Strich als Kosten
te der Welt (G8). Die Bundesregierung hat diese Chan-
entlastend und Klima schonend betrachtet wird. Eine
ce genutzt, Verantwortung übernommen, und sich bei
Kosten-Nutzen-Rechnung der einzelnen Maßnahmen
ihren Partnern unter anderem für einen globalen Klima-
steht noch aus, ist aber in Aussicht gestellt. Erwäh-
schutz eingesetzt. Der Bundeskanzlerin Angela Merkel
nenswert ist aber die geänderte Sichtweise beim Kli-
ist es im März 2007 gelungen, die Staats- und Regie-
maschutz: Was vor wenigen Jahren noch überwiegend
rungschefs der EU-Staaten zur Verabschiedung eines
als Belastung für die Wirtschaft und den Verbraucher
ambitionierten Klima- und Energiepakets zu bewegen.
gesehen wurde, wird heute als Chance und Neubeginn
So soll der CO2-Ausstoß bis 2020 europaweit um min-
für Wirtschaft und Gesellschaft betrachtet. Insbeson-
destens zwanzig Prozent gegenüber dem Stand von
dere die Branche der erneuerbaren Energien gilt als
1990 reduziert werden, um das vom UN-Weltklimarat
Jobmotor und Wachstumsmarkt der Zukunft mit gro-
(IPCC) für notwendig erachtete Zwei-Grad-Ziel zur Be-
ßen Exportanteilen.
grenzung der Erderwärmung nicht zu gefährden. Ferner
soll der Anteil der erneuerbaren Energien an der Pri-
111
Ob Deutschland mit seinem rigorosen klima- und ener-
besonderer Handlungsdruck auf Politik und Wirtschaft
giepolitischen Kurs (absoluter Vorrang für den Klima-
zu erwarten. Es sei denn, dass die regionalen Auswir-
schutz, auch ohne die Kernkraft, sowie Energiewende
kungen des Klimawandels sich auch im eigenen Land
mit Erneuerbaren und Energieeffizienz) international,
bemerkbar machen und zentrale Wirtschaftsbereiche
zumindest bei seinen europäischen Partnern Unter-
wie Landwirtschaft und Tourismus beeinträchtigen.
stützung finden wird, ist eine spannende, aber letztlich
offene Frage. Die Berichte aus den europäischen Aus-
Im Folgenden soll in groben Umrissen dargestellt wer-
landsbüros der KAS belegen, dass nur in den skandina-
den, wie sich die Klimadebatte in den einzelnen Regionen
vischen Ländern (mit Sonderfall Norwegen) und in den
Europas und den übrigen Kontinenten entwickelt hat.
westlichen Nachbarstaaten (Benelux, Großbritannien
und mit Einschränkungen Frankreich) das Klimathema
K L I M A D E B ATT E I N G R O S S B R I TA N N I E N
ähnlich ernst genommen wird und die Politik auch dort
U N D I N S K A N D I N AV I E N
zum Klimaschutz antreibt. Vergleichbares kann man von
den deutschsprachigen Nachbarn im Süden, Österreich
Die wissenschaftlichen Berichte zum Klimawandel wie
und der Schweiz, vermelden. Die Situation stellt sich
der von Sir Nicholas Stern und die vom Weltklimarat
im restlichen Europa ganz anders dar. In Spanien und
(IPCC) werden von der britischen Regierung sehr ernst
Italien ist zwar das Thema Klimawandel in der öffent-
genommen. Sie verpflichten die Regierung zum politi-
lichen und politischen Debatte angekommen. Doch die
schen Handeln, sowohl auf nationaler wie auch auf
Wirtschaft hat Vorrang und Klimaschutz wird vornehm-
internationaler Ebene. Für Großbritannien werden Aus-
lich als Kostenfaktor in Rechnung gestellt und nicht
wirkungen wie wärmere Temperaturen, Hitzewellen,
als Chance für einen Neubeginn im Energiesektor be-
stärkere Stürme und starke Regenfälle im Herbst und
trachtet. Spanien ist sogar einer der großen Klimasün-
Winter, sowie ein Anwachsen des Meeresspiegels vor-
der weltweit mit einer Überschreitung um 35 Prozent
hergesagt. Im Sommer 2007 waren es die katastropha-
über den vom Kyoto-Protokoll zugestandenen Emis-
len Überschwemmungen ganzer Landstriche aufgrund
sionswerten (plus 15). Deshalb wird dort jetzt in aller
der monsunartigen Regenfälle in Südwest-England, die
Eile auf die Karte „erneuerbare Energien” gesetzt.
die britische Öffentlichkeit beschäftigte und besorgt
In Südosteuropa sowie auf dem Balkan, aber auch in
machte. Neben der eigenen Bedrohungssituation wer-
Osteuropa und in den baltischen Staaten überlagern
den auch die globalen Dimensionen des Klimawandels
andere Probleme die Sorgen um Umwelt und Klima.
diskutiert. Das Land will einen signifikanten Beitrag zur
Dort sind Themen wie der volkswirtschaftliche und
Eindämmung der Folgen leisten. Eine deutliche Mehr-
energiewirtschaftliche Umbau bzw. Wiederaufbau,
heit der Bevölkerung erkennt die Ergebnisse des IPCC-
die Lösung aus der Abhängigkeit von Russland sowie
Berichtes an. Die Regierung Blair hatte im März 2007
Arbeitslosigkeit und soziale Verwerfungen von über-
einen Gesetzentwurf zur Reduzierung der CO2-Emissio-
ragender Bedeutung. Umwelt- und Klimaschutz wer-
nen um 26–32 Prozent bis 2020 (gegenüber 1990) und
den dabei von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft
bis 2050 um 60 Prozent vorgelegt. Ein neu einzurich-
vernachlässigt, obwohl es in diesen Ländern gravie-
tendes Sachverständigen-Gremium soll die Regierung
rende Umweltbelastungen gibt und Auswirkungen des
bei der Umsetzung ihrer Ziele zum Klimaschutz beraten
Klimawandels auf Landwirtschaft und Tourismus zu
und dem Parlament einen jährlichen Bericht vorlegen.
befürchten sind.
Das „UK Climate Change Programme” enthält alle Maßnahmen auf nationaler und internationaler Ebene zur
In vielen Ländern Mittel- und Osteuropas stehen ande-
Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen.
re Umweltprobleme als die energiebedingten Emissionen von Treibhausgasen auf der Agenda: die enorme
So ist der britische Beitrag zur CO2-Minderung bislang
Luftverschmutzung durch schwefelhaltige Abgase und
positiv: Großbritannien ist neben Deutschland der
Russpartikeln aus Kaminen und dem Straßenverkehr,
einzige EU-Staat, der sein Reduktionsziel nach dem
die Wasserverschmutzung wegen fehlender Kläranla-
Kyoto-Protokoll weitgehend erfüllt. Erreicht wurde
gen und unzureichender Trinkwasseraufbereitung so-
dieses durch einen „fuel switch”, d.h. den Ersatz von
wie die Müllentsorgung von Plastik und toxischen Ma-
Kohle durch Gas als Brennstoff bei der Stromerzeu-
terialien auf ungesicherten Deponien bereiten zuneh-
gung, allerdings um den Preis zunehmender Abhängig-
mend Gesundheitsrisiken für die Bevölkerung in Stadt
keit von Gasimporten aus Norwegen und Russland bei
und Land. Die Minderung von nicht sichtbarem Kohlen-
gleichzeitigem Rückgang der heimischen Produktion.
dioxid aus der Atmosphäre spielt in dieser Rechnung
Dieser Brennstoffwechsel ist teilweise wieder rückläufig
nur eine untergeordnete Rolle. Das CO2-Vermeidungs-
wegen des teurer gewordenen Importgases, was Kohle
thema ist noch längst nicht in der Öffentlichkeit ange-
und Kernenergie für den Kraftwerksbereich wieder
kommen und wird bestenfalls von Experten diskutiert
oder von den Medien als Modethema abgehandelt.
Deshalb ist aus der eigenen Bevölkerung auch kein
112
attraktiv macht. Bei erneuerbaren Energien setzt das
Energiestrategie in Deutschland stößt im eigenen Land
Land vornehmlich auf die Windkraft, vorzugsweise im
auf Unverständnis und Ablehnung. Die allgemein
offshore-Bereich. Außerdem gibt es Pläne zum Bau
akzeptierte Zielsetzung, den globalen Temperaturan-
des größten Gezeitenkraftwerks der Welt in Südwest-
stieg auf zwei Grad zu beschränken, erfordere eine
England in der Severn-Mündung. Als Hauptmotiv für
Minderung der eigenen Emissionen bis 2050 um bis
das Projekt wird der Klimaschutz genannt, wenngleich
zu 50 Prozent.
es unter ökologischen Vorbehalten steht. Weniger
strittig sind dagegen die staatlichen Bemühungen, mit
Dänemark hat gezeigt, dass Wirtschaftswachstum
Hilfe eines nationalen Fonds der britischen Wirtschaft
ohne eine Erhöhung der Treibhausemissionen möglich
finanzielle Unterstützung bei der Entwicklung und An-
ist. Energiesparen durch effizienteren Umgang mit
wendung klimaschonender Technologien zu gewähren.
Energie hat dies ermöglicht. In der Energiepolitik sind
Erklärtes Ziel ist eine kohlenstoffarme Wirtschaft.
außerdem die Weichen in Richtung einer Energiewende gestellt worden. Erneuerbare Energien, insbeson-
In Finnland geht eine deutliche Mehrheit der Bevölke-
dere Windenergie und Biomasse, gewinnen gegenüber
rung davon aus, dass der Klimawandel ein vom Men-
den fossilen Energieträgern Öl und Gas stärker an Be-
schen verursachtes Problem ist. Da nationale Allein-
deutung. Gerade eben wurde auf Lolland ein Wasser-
gänge keine Antwort geben können, setzt man große
stoff-Kraftwerk eingeweiht, das als Speichermedium
Erwartungen an die Handlungsfähigkeit der Europäi-
für nicht genutzte Windenergie-Kapazitäten genutzt
schen Union. Insbesondere die nördlichen Regionen,
werden soll. Umweltbewusstsein und die Sorgen um
wie Lappland, wären von den Auswirkungen des Klima-
den Klimawandel sind in der dänischen Bevölkerung
wandels negativ betroffen mit Überschwemmungen,
längst angekommen und werden von Politik und Wirt-
bedingt durch starke Niederschläge und das Schmelzen
schaft voll akzeptiert. Die dänische Regierung trägt
von Eis und Schnee. Das finnische Umweltministe-
den IPCC-Bericht mit und fühlt sich seinen Zielen ver-
rium koordiniert die zu treffenden Maßnahmen. Ver-
pflichtet. Neben der politischen Debatte ist auch die
schiedene Forschungsprojekte versuchen Antworten
Öffentlichkeit gut informiert und beteiligt sich an der
zu finden auf die zu erwartenden Anpassungen in der
Klimadebatte. Die prognostizierten Auswirkungen des
Land- und Forstwirtschaft, bei der Stadt- und Regional-
Klimawandels für das eigene Land werden ernst ge-
planung und bei der Trinkwasserversorgung. Auf
nommen. Ein nationales Energie- und Klimapaket soll
internationaler Ebene will man eine gemeinsame nordi-
Abhilfe schaffen: der Anteil der erneuerbaren Energien
sche Umweltpolitik, insbesondere in Bezug auf die Ost-
soll bis 2025 auf 30 Prozent erhöht werden, der Ener-
see, durchsetzen. Alle Anrainerstaaten, auch Russland,
gieverbrauch soll jährlich um 1,25 Prozent gesenkt
sollen dabei einbezogen werden.
werden, und 10 Prozent des Treibstoffs sollen durch
Biomasse ersetzt werden. Ein interministerielles Kli-
In Schweden ist die Debatte über den Klimawandel
makomitee soll die Durchführung dieser Maßnahmen
zu einem zentralen Bestandteil der politischen Agenda
überwachen und koordinieren. Kopenhagen wird im
geworden. 60 Prozent aller Schweden äußern ihre
Jahr 2009 Gastgeber der übernächsten UN-Weltklima-
Besorgnis über die zu erwartenden Klimaveränderun-
konferenz sein. Spätestens dann soll eine Anschluss-
gen. Die schwedische Regierung hat den Umwelt- und
vereinbarung zum Kyoto-Protokoll für die Zeit nach
Klimaschutz zu einem Schwerpunkt ihrer Politik ge-
2012 gefunden werden.
macht. Bis zum Jahr 2020 sollen die KohlendioxidEmissionen um mindestens 30 Prozent reduziert wer-
Norwegen ist als nennenswerter Öl- und Gasproduzent,
den (ein höheres Ziel als die 20-Prozent-Vorgabe der
anders als die übrigen skandinavischen Länder, weniger
EU). Schweden will als erstes Land der Welt bis 2020
mit dem Ausbau von erneuerbaren Energien befasst.
völlig unabhängig vom Erdöl werden. Heute werden
Es ist auch ein entschiedener Gegner der Atomkraft,
nur noch 30 Prozent des nationalen Energieverbrauchs
obwohl es seine eigenen im Kyoto- Protokoll zugesag-
durch Mineralöl gedeckt. Erreichen will man dieses
ten Minderungsziele um Längen verfehlt. Das Land
ehrgeizige Ziel durch die Entwicklung erneuerbarer
liegt derzeit um 22 Prozent darüber. Die Auswirkungen
Energien. Deren Anteil liegt heute schon bei 28 Prozent,
des Klimawandels sind in Norwegen bereits zu verspü-
wobei überwiegend Biomasse und Windenergie zum
ren. Besonders auffällig sind die Temperaturanstiege
Einsatz kommen. Allerdings wird bei einem Verzicht auf
in den arktischen Regionen Norwegens, z.B. auf Spitz-
Kohle und Öl die Atomkraft einen wichtigen Beitrag
bergen mit über 2 Grad. Die Anhebung des Meeres-
zur Elektrizitätserzeugung und zum Klimaschutz leis-
spiegels gefährdet ganze Küstenregionen und wertvolle
ten müssen. Deshalb hat in Schweden ein Umdenken
Ökosysteme. Norwegen akzeptiert das EU-Ziel, die
in dieser Frage stattgefunden. Vattenfall’s konträre
globalen Temperaturen auf maximal zwei Grad zu begrenzen und dafür CO2-Emissionen zu reduzieren. Das
Kyoto-Protokoll reiche aber bei weitem nicht aus, um
dieses Ziel zu erreichen. Die internationalen Anstren-
113
gungen müssten erhöht werden und Norwegen werde
In den drei Benelux-Staaten steht der Klimawandel
seinen Beitrag dazu leisten. Mit Hilfe eines nationalen
auf der politischen Tagesordnung ganz oben, nicht zu-
Ölfonds, in den ein Teil der durch den Öl- und Gasexport
letzt auf Grund der internationalen Klimaberichte. Die
erwirtschafteten Devisen eingezahlt werden, bereitet
Regierungen von Belgien, der Niederlande und Luxem-
sich das Land auf die Zeit danach vor, wenn die eigenen
burg unterstützen den Aktionsplan der EU für Klima-
Lagerstätten erschöpft sind und keinen Export mehr
schutz und Energie vom März 2007. Neben der Selbst-
erlauben. Dieses Fondsmodell wird auch anderen Ölex-
verpflichtung zur Minderung der CO2-Emissionen um
portländern von Experten als Vorbild für die Gestaltung
ein Fünftel bis 2020, soll auch der Anteil der Erneuer-
der eigenen wirtschaftlichen Zukunft empfohlen.
baren an der Energieerzeugung um ein Fünftel ausgeweitet werden. Jetzt geht es erst einmal um eine
K L I M A D E B ATT E I N F R A N K R E I C H U N D I N D E N
gerechte Lastenverteilung zwischen den einzelnen Mit-
B E N E L U X- S TA AT E N
gliedstaaten innerhalb der EU. Deutschland kann am
ehesten Unterstützung für seine energie- und klima-
In Frankreich gibt es einen offiziellen Klima-Plan, mit
politischen Vorstellungen von den alten Kernländern
dem die Vorgaben des Kyoto-Protokolls bis 2010 erfüllt
der EU erwarten. Allerdings unterscheidet sich die
werden sollen. Das Land hatte sich 1997 verpflichtet,
energiepolitische Landschaft insbesondere in Frankreich
seine Emissionen auf dem Stand von 1990 zu halten,
von der in Deutschland, was den Umfang der Liberali-
ein Ziel, das dank einer Steigerung der Energieproduk-
sierung und die Einstellung zur Kernenergie betrifft.
tivität und nicht zuletzt wegen der intensiven Nutzung
Somit sind die nationalen Interessenlagen nicht immer
der CO2-neutralen Kernenergie noch weit unterboten
kongruent, was zu Abstimmungsproblemen führen
wird (minus neun Prozent). Nun ist die französische
kann. Die Benelux-Staaten sind da schon etwas näher
Politik ehrgeiziger geworden und will die EU-Vorgaben
an der deutschen Klimapolitik, obwohl sich Belgien
noch übertreffen. Mit konkreten Maßnahmen will die
kürzlich zum „Ausstieg aus dem Ausstieg” entschieden
Regierung den CO2-Ausstoß reduzieren und den Folgen
hat und wieder auf die Kernenergie setzt. Diese wird,
des drohenden Klimawandels begegnen. Die Produkti-
wie auch in Frankreich, als klimafreundliche Technolo-
on von Biokraftstoffen wird stark gefördert, aber auch
gie gesehen, äquivalent zu erneuerbaren Energien.
die Kernenergie soll weiter ausgebaut werden. Daneben
gibt es ein nationales Programm zur Verbesserung der
K L I M A D E B ATT E I N S P A N I E N U N D I TA L I E N
Energieeffizienz. Eigentlich steht das Land beim Klimaschutz ganz gut da: es produziert weniger Kohlendioxyd
Themen wie Umweltpolitik und Klimawandel spielen
pro Kopf der Bevölkerung als Deutschland und seine
in der spanischen Politik nur eine untergeordnete Rolle.
CO2-Emissionen betragen insgesamt nur die Hälfte des
Erst mit Al Gore’s Film „Eine unbequeme Wahrheit”
Nachbarn, nicht zuletzt dank der massiv eingesetzten
beschäftigte sich die spanische Öffentlichkeit mit den
Kernenergie bei der nationalen Stromproduktion. Sie
Auswirkungen des globalen Klimawandels. Das Thema
macht einen Anteil von 80 Prozent aus; 15 Prozent des
ist nach dem Stern-Report und den IPCC-Berichten in
Stroms kommen aus Wasserkraftwerken. Atomstrom
den Medien momentan präsent, wie lange noch, bleibt
wird auch in erheblichem Umfang nach Deutschland
abzuwarten. Nach einem Treffen mit Al Gore verkün-
und in die anderen Nachbarländer exportiert.
dete der spanische Ministerpräsident Zapatero, der
Klimawandel stelle die größte Herausforderung der
Obwohl das öffentliche Umweltbewusstsein in Frank-
Menschheit dar. So wurde Klimaschutz in Spanien zur
reich noch defizitär ist, geht die Politik verbal in die
Chefsache erklärt. In der Energiepolitik setzt man aber
Offensive, sowohl im nationalen wie im internationalen
weiterhin auf fossile Energieträger, die Erneuerbaren
Rahmen. Dort will die neue Regierung den Klimaschutz
kommen erst allmählich in Fahrt. Spanien ist einer der
offensiv betreiben. Sie unterstützt die deutsche und
großen „Klimasünder” weltweit, weil es seine Kyoto-
europäische Politik dabei und wirbt auch im Ausland,
Verpflichtungen auf eklatante Weise verfehlt und viel
insbesondere bei den USA, um Aktivitäten im Kampf
mehr CO2 emittiert als erlaubt: erlaubt waren plus
gegen die Erderwärmung und den Klimawandel. Man
15 Prozent, 2004 waren es tatsächlich aber schon plus
macht sich auch zum Fürsprecher für die Entwicklungs-
49 Prozent. Die gute Wirtschaftskonjunktur soll nach
länder und bietet Hilfe bei den notwendigen Anpas-
Auffassung von Politikern und Industriellen nicht durch
sungsmaßnahmen an. Bei der konkreten Energiepolitik
strikte Umwelt- und Klimaauflagen abgewürgt werden.
verfolgt das Land aber eher einen an nationalen Interessen orientierten Kurs, der vorrangig die eigenen
Die iberische Halbinsel ist auf Grund ihrer exponierten
Unternehmen unterstützt und eine gemeinsame euro-
geografischen Lage eine der am stärksten vom Klima-
päische Politik in Energiefragen sicherlich nicht erleich-
wandel bedrohten Regionen Europas. Der prognosti-
tert.
zierte Temperaturanstieg wird große Probleme für die
beiden wichtigsten Wirtschaftszweige Spaniens, den
Tourismus und Landwirtschaft, mit sich bringen. Wenn
114
die Touristen aus dem Ausland wegen der unerträgli-
aus Afrika nach Italien wird mit großer Sorge gesehen.
chen Sommertemperaturen und der Wasserknappheit
Eine für den Zweck des Klimaschutzes angepasste
wegbleiben oder die Landwirtschaft wegen der Dürre
Energiestrategie hat die italienische Regierung noch
große Ernteausfälle erleidet, wird auch Spaniens Volks-
nicht beraten. Bei den sauberen Energien, wie Wasser-,
wirtschaft gravierende Devisenverluste zu beklagen
Wind- und Solarenergie, kommt Italien erst auf einen
haben. Verteilungskämpfe um Wasser sind bereits zwi-
Anteil von 2,5 Prozent am Primärenergieverbrauch.
schen den spanischen Regionen zu beobachten. Kon-
Der Strommonopolist ENEL investiert aber in Forschung
sens besteht zwischen Politik und Umweltverbänden,
und Entwicklung auf diesem Gebiet. Energiesparen
dass dringend gehandelt werden muss, um die Emis-
scheitert häufig an der schlechten Infrastruktur: man-
sionen auf ein erträgliches Maß zu reduzieren. Die
gelhafte Wärmedämmung bei Gebäuden, veraltete
Wirtschaft soll nicht Schaden nehmen, da jetzt auch
Heizungs- und Kühlanlagen sowie marode Wasser-
die wirtschaftlichen Vorteile einer Energiewende – hin
leitungen. Die nationale Debatte über das bislang um
zu mehr Energieeffizienz und erneuerbaren Energien –
Längen verfehlte Kyoto-Ziel erregt die Öffentlichkeit.
erkannt sind und genutzt werden sollen.
Dem Land drohen Strafzahlungen, wenn es den Ausstoß von Treibhausgasen nicht im versprochenen Maß
Der im Jahr 2001 gegründete Nationale Klimarat soll
reduziert. Deshalb ist der nationale Allokationsplan für
eine spanische Strategie für den Klimaschutz ausarbei-
den Emissionshandel gegen den Widerstand des Indus-
ten und Aktionspläne vorschlagen. Seit 2006 existiert
trieverbandes Confindustria zwar verschärft worden,
ein vom Umweltministerium verkündeter „Nationaler
aber der EU-Kommission reicht diese Beschränkung
Anpassungsplan an den Klimawandel”. Als erstes
noch nicht aus. Insbesondere der zehnprozentige Kohle-
wurden die Emissionsrechte für die Handelsperiode
anteil am nationalen Energiemix steht zur Debatte.
2008–2012 gegenüber der Vorperiode um 16 Prozent
Dieser liegt aber weit unter dem EU-Durchschnitt von
gesenkt. Allerdings bleiben die Boombranchen wie
30 Prozent. Insbesondere die osteuropäischen Mit-
Transport, Haushalte und Infrastruktur vom Emissions-
gliedsländer haben einen weit höheren Kohleanteil bei
handel ausgenommen. Ein nationaler Aktionsplan
der Verstromung.
„Energiesparen durch mehr Energieeffizienz” soll in der
Energiewirtschaft und bei den Privathaushalten zum
K L I M A D E B ATT E I N I N O S T- U N D
Einsatz kommen. Ferner soll der Anteil der erneuer-
SÜDOSTEUROPA
baren Energien von derzeit sechs auf zwölf Prozent bis
2010 verdoppelt werden. Spanien hat das Fördermo-
In Tschechien und in der Slowakei hat sich die Öffent-
dell des deutschen EEG mit garantierten Strompreis-
lichkeit mit der Klimadebatte bisher eher am Rande
vergütungen übernommen. Das Land ist weltweit
beschäftigt. Der Umwelt- und Klimaschutz haben es
führend im Umgang mit CDM-Maßnahmen, wie es das
schwer in Ländern, die sich noch mitten in der wirt-
Kyoto-Protokoll vorsieht. Das betrifft Investitionen
schaftlichen Umbruchphase befinden, was insbesonde-
in klimafreundliche Technologien und Wiederauffors-
re die Energiewirtschaft betrifft. Die Schwefeldioxid-
tungsprojekte, insbesondere in den lateinamerikani-
Emissionen aus den nordböhmischen Braunkohlekraft-
schen Staaten. Fazit: Es fehlt in Spanien nicht an
werken sind nach Einbau von Filteranlagen geringer
Absichtserklärungen in der Umwelt- und Klimapolitik,
geworden und aus den Fabriken gelangen heute weni-
vielmehr mangelt es an der notwendigen Umsetzung.
ger giftige Chemikalien in die Umwelt als noch 1990.
Trotz gewissen Fortschritten beim Umweltschutz hat
In Italien befasst sich die Klimadebatte vor allem mit
in der Öffentlichkeit die wirtschaftliche Entwicklung
den Wetterextremen und seinen Auswirkungen, die das
und die industrielle Modernisierung eindeutig Vorrang.
Land in den letzten Jahren unmittelbar gespürt hat,
Klimaschutz wird weitgehend als Modethema gesehen,
wie Spitzentemperaturen, Dürren und Wasserknappheit.
das auch von politischer Seite offensichtlich nicht
Insbesondere der heiße Sommer von 2003 bleibt in
ernst genommen wird. Staatspräsident Vaclav Klaus
schlechter Erinnerung. Niedrige Pegelstände der großen
hat in einem national viel beachteten Buch mit dem
Flüsse wie Po, Arno und Tiber führten zu Stromausfällen
Titel „Der blaue und nicht der grüne Planet” abgelehnt,
mit Produktionseinbrüchen in Industrieunternehmen
die fortschreitende Erderwärmung überhaupt als Pro-
und der Wassermangel verursachte Missernten in der
blem zu sehen. Klimawandel habe es schon immer
Landwirtschaft. Der Stern-Report und die IPCC-Berichte
gegeben und es habe keinen Sinn, dagegen anzu-
sind bei den Medien und, in der Politik auf großes In-
kämpfen und Milliarden sinnlos auszugeben. Das The-
teresse gestoßen. Besonders alarmiert reagieren viele
ma diene lediglich zur Profilierung gewisser politischer
auf die Vermutung, dass das heiße Wetter in Italien zu
Kreise, zu den auch die tschechischen Grünen zählen.
einem Rückgang des internationalen Tourismus führen
könne, weil Touristen in den kühleren Norden abwandern. Auch die mögliche Zunahme von Klimaflüchtlingen
115
Deren Parteivorsitzender und derzeitige Umweltminis-
noch kaum, Umweltbildung und Umweltbewusstsein
ter, Martin Bursik, möchte, dass die Tschechische
auch bei jungen Menschen steckt noch in den Kinder-
Republik sich beim Klimaschutz aktiver in die EU ein-
schuhen. Die Folgen des Klimawandels werden nicht
bringt und dort für gemeinsame ökologische Ziele
als bedrohlich wahrgenommen. Folglich reagiert die
einsetzt. Die Entwicklung erneuerbarer Energiequellen
Politik auch nur zögerlich in dieser Frage.
und alternativer Treibstoffe sei für das Land wichtig,
um sich von Energieimporten unabhängiger zu machen
Die Lage in den beiden jüngsten Mitgliedsstaaten der
und um Zukunftsmärkte für die heimische Wirtschaft
EU, Bulgarien und Rumänien, ist ähnlich schwierig und
zu erschließen. Doch er steht mit dieser Meinung poli-
es gibt noch viel Nachholbedarf, sowohl in wirtschaft-
tisch ziemlich allein da. Die Politiker sehen sich nicht
licher wie in politischer Hinsicht. Beide Länder konzen-
genötigt, öffentlich Stellung zu beziehen oder gar
trieren sich vor allem auf den wirtschaftlichen Aufbau
nationale Maßnahmen für den Klimaschutz vorzuschla-
des Landes. Trotz der enormen Umweltverschmutzung
gen oder in Angriff zu nehmen. Wegen dieser Passivi-
ist das Thema Umweltschutz wenig präsent, ganz zu
tät der beiden Regierungen im Bereich des aktiven
schweigen vom Klimaschutz. Obwohl klimabedingte
Klimaschutzes ist zu erwarten, dass sich schon bald
Auswirkungen auf das Wetter auch hier zu beobachten
Kontroversen mit der EU-Kommission und anderen
sind und zu Naturkatastrophen führen, findet darüber
Nachbarländern auftun werden.
keine öffentliche oder politische Debatte statt. Die
Sorglosigkeit verwundert, denn immerhin sind auch
In Polen wird der Klimawandel in Politik und Medien
hier Landwirtschaft und Tourismus als Schlüsselbe-
nur selten diskutiert und augenscheinlich nicht ernst
reiche der Volkswirtschaft vom Klimawandel bedroht.
genommen. Die Entwicklung der Wirtschaft und die
Frage einer sicheren und unabhängigen Energieversor-
In den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien
gung stehen im Vordergrund. Bislang hat die polnische
auf dem Balkan haben die Menschen und die Regierun-
Regierung zu den befürchteten Folgen des Klimawan-
gen andere Prioritäten als das Klimathema. In Bosnien
dels für das eigene Land noch keine offizielle Stellung
und Herzegowina etwa geht es um Probleme der staat-
bezogen. Maßnahmen zur Minderung der polnischen
lichen Souveränität, der ethnischen und religiösen
CO2-Emissionen im Rahmen der nationalen Zuteilungs-
Minderheiten, des wirtschaftlichen Wiederaufbaus nach
pläne für den Emissionshandel innerhalb der EU stoßen
den Bürgerkriegen, soziale und politische Spannungen
auf heftige Widerstände von Seiten der Energiewirt-
sowie dem Kampf gegen Kriminalität, Armut und Ar-
schaft und der Politik. Immerhin ist das Land dritt-
beitslosigkeit. Umwelt- und Klimaschutz bleiben dabei
größter Emittent in der Europäischen Union, nicht zu-
auf der Strecke. Das ist bedauerlich, denn die regiona-
letzt, weil Kohle der wichtigste Energieträger bei der
len Auswirkungen des Klimawandels machen sich na-
Verstromung bleibt und die polnischen Kraftwerke ver-
türlich auch in den Balkan-Staaten bemerkbar mit ne-
altet sind. Hier baut sich eine Konfliktebene mit der
gativen Folgen für die Landwirtschaft und den Touris-
Europäischen Kommission auf. Ein aktuelles Beispiel
mus. Daneben gibt es viele ungelöste Umweltprobleme
ist die Auseinandersetzung über ein ökologisch um-
von Luft- und Wasserverschmutzung bis zur ungere-
strittenes Autobahnprojekt mit einer Trassenführung
gelten Müllentsorgung. Industrieanlagen, Maschinen
mitten durch ein wertvolles Naturschutzgebiet. Die
und Autos sind veraltet, dadurch sehr energieaufwän-
Kommission hat Polen wegen Verletzung von Umwelt-
dig und emissionsträchtig. Vom Einsatz erneuerbarer
auflagen vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt.
Energien mit Ausnahme der Wasserkraft ist kaum zu
Ferner gilt es, Umweltsünden aus der Vergangenheit
reden. Bislang ist aus dieser Ländergruppe nur Slowe-
zu beseitigen; so gibt es zehntausende von ungesicher-
nien Mitglied der EU, doch Kroatien ist ein ernsthafter
ten Mülldeponien im Lande, teilweise mit toxischen
Kandidat und befindet sich an der Schwelle zur Mit-
Abfällen, die das Grundwasser verschmutzen und die
gliedschaft. Die restlichen Staaten werden offiziell
Trinkwasserversorgung gefährden.
nicht ausgeklammert bei diesen Überlegungen, doch
sie müssen nach Ansicht der Europäischen Kommission
Auch in den baltischen Ländern Estland, Lettland und
das nächste Jahrzehnt nutzen, um wirtschaftlichen und
Litauen, wird der Klimawandel nicht als vordringliches
politischen Anschluss an das restliche Europa zu finden.
Problem gesehen. Vorrang hat vielmehr die Verbesserung der eigenen ökonomischen Lage durch kräftiges
Wirtschaftswachstum. Angesichts der starken Abhängigkeit von Energielieferungen aus Russland spielt die
Frage der Energiesicherheit eine weit größere Rolle als
die Frage des Klimaschutzes. Das Thema wird in erster
Linie von Experten und Umweltaktivisten diskutiert. Die
breite Öffentlichkeit interessiert sich für dieses Thema
116
K L I M A D E B ATT E I N R U S S L A N D U N D I N D E R
Devisenbestände erwirtschaftet. Dank seiner Energie-
UKRAINE
ressourcen ist Russland wirtschaftlich wie politisch
wieder erstarkt. Der Wirtschaftsboom kommt aber nur
Die Ukraine und Russland sind wichtige Akteure im glo-
einer kleinen Elite zugute, die große Masse der Bevöl-
balen Klimaprozess und verdienen besondere Beachtung
kerung lebt in bescheidenen Verhältnissen mit hohen
wegen besonderer landesspezifischer Merkmale. Im
Umweltbelastungen und Gesundheitsrisiken. Ein gra-
Jahre 1990, als die Schwerindustrien noch produzierten,
vierendes Problem ist die unkontrollierte Lagerung von
nahm die Ukraine eine Spitzenposition bei den Treib-
Nuklearabfällen aus Russland und der ganzen Welt,
hausgasemissionen in der Welt ein (Rang 10) – gleich-
denn abgebrannte Brennstäbe werden gegen Geld
bedeutend mit der industriellen Wirtschaftskraft des
sogar aus dem Ausland importiert. Damit verbunden
Landes. Doch mit dem Zerfall der Sowjetunion und dem
ist die radioaktive Verseuchung ganzer Landstriche.
industriellen Niedergang der Ukraine wies sie negative
Zuwachsraten beim Energieverbrauch und auch bei
Der Klimawandel wird bislang nur in Fachkreisen disku-
den Emissionen auf. So wurde das Land unter den Be-
tiert und in der Öffentlichkeit eigentlich nicht als ernste
stimmungen des Kyoto-Protokolls vom Schuldner zum
Bedrohung wahrgenommen. Man sieht das Land insge-
Gläubiger in Sachen Emissionsbeschränkungen. Die
samt sogar auf der „Gewinner”-Seite, weil im arktischen
Ukraine spielt jetzt im EU-Emissionshandel eine Rolle,
Norden, insbesondere in Sibirien, mit längeren Vege-
weil sie eigene Emissionsrechte mit Gewinn an Nachfra-
tationsperioden und größeren landwirtschaftlichen
ger aus dem Westen verkaufen kann und wirtschaftliche
Nutzflächen zu rechnen ist. Ferner werden riesige Roh-
Vorteile aus dem Klimaschutz-Abkommen zieht. Somit
stoffvorkommen in den Polarregionen vermutet, die
wird die Politik für das Klimathema sensibilisiert. Die
mit wachsender Erwärmung leichter zu erschließen sein
Öffentlichkeit ist dagegen schlecht informiert und weit-
werden. Das Auftauen der Permafrost-Böden setzt aber
gehend desinteressiert. Allerdings darf ein anderer
große Mengen von Methan frei, das eines der aggres-
wichtiger Faktor nicht in Vergessenheit geraten: 1986
sivsten Treibhausgase ist, und erschwert den Bau von
erlebte das Land einen Umwelt-GAU durch die Reak-
Straßen und Leitungen zur Erschließung der vermu-
torkatastrophe von Tschernobyl, dessen radioaktive
teten Vorkommen. Die Ausbeutung von Energievor-
Verstrahlung sich heute noch regional bemerkbar
räten auch zu Lasten der Natur ist übliche Wirtschafts-
macht. Außerdem gibt es gravierende Gesundheitsbe-
praxis und sie wird sich auch nicht so schnell ändern.
lastungen der Bevölkerung durch große Umweltschä-
Bedenkenswert ist aber die Neuordnung des eigenen
den. Fast alle Lebensbereiche, wie Trink- und Fluss-
Energieversorgungssystems, denn in allen Sektoren
wasser, Luft und Boden sind extrem stark mit Emissio-
sind hohe Einsparpotentiale vorhanden. Experten
nen von Schadstoffen belastet. Trotzdem ist das Um-
sprechen von einer Größenordnung, die den jährli-
weltbewusstsein in der ukrainischen Bevölkerung nur
chen Energieexporten entspricht. Die sprichwörtliche
schwach ausgeprägt, die langjährige Ausbeutung der
Verschwendung von Energie könnte durch eine effi-
Natur in der Sowjetzeit hat physische und psychische
zientere Nutzung und moderne Technologien gestoppt
Spuren hinterlassen. Ansätze zur Veränderung zeigen
werden. Diese Investitionen würden sich wirtschaft-
sich aber: zwei Drittel der Befragten sagten in einer
lich allemal lohnen. Russland hat als Energielieferant
Umfrage, dass die globale Klimaerwärmung eine Gefahr
eine große strategische Bedeutung für die gesamte
für die nationalen Interessen darstelle. Die Dringlich-
EU. Deswegen ist die Gemeinschaft an einem Part-
keit des Problems wird unterschiedlich eingestuft: nur
nerschaftsabkommen mit Russland interessiert, das
ein Drittel hält sofortige Maßnahmen für erforderlich.
auch die strittigen Energiethemen einbeziehen soll.
Polens Verweigerung wegen eines schwelenden Han-
Russland hat mit seiner Ratifizierung des Kyoto-Proto-
delskonflikts mit Russland hat den bilateralen Ver-
kolls erst dessen Inkrafttreten im Jahre 2005 ermög-
handlungsprozess erst einmal auf Eis gelegt. Auch
licht. Heute kann das Land, ähnlich wie die Ukraine,
beim globalen Klimaschutz wird der Westen ohne
daraus wirtschaftlichen Profit schlagen, indem es über-
Russlands aktive Unterstützung nicht weiterkommen.
schüssige Emissionsrechte, die ihm wegen der massiven De-industrialisierung nach dem Zerfall der Sowjetunion, zugestanden worden waren, meistbietend an
Nachfrager aus dem Ausland versteigert. Russland hat
im Zeitraum von 1990–2005 rund 25 Prozent weniger
Kohlendioxyd emittiert. Allerdings sind Energieverbrauch und Emissionen auf Grund des sich beschleunigenden Wirtschaftswachstums jetzt wieder im Steigen
begriffen. Das Energieland Russland hat diese Zusatzeinnahmen eigentlich gar nicht nötig, denn mit seinen
Öl- und Gasexporten nach Westeuropa werden hohe
117
K L I M A D E B ATT E I N N O R D A M E R I K A
Energieeffizienz, sowohl auf der Angebots- wie auf der
Nachfrageseite. Dabei soll Technik, aber auch geänder-
Steigende Energiepreise und klimabedingte Wetter-
tes Verbraucherverhalten zum Durchbruch verhelfen.
ereignisse, wie Wirbelstürme, Überschwemmungen,
Die Bush-Administration weigert sich verbindliche Zu-
Dürre und Waldbrände, haben dazu geführt, dass
sagen zu Emissionsbeschränkungen zu geben, weil sie
das Thema Klimawandel auch in den USA in aller
die amerikanischen Wirtschaftsinteressen mit Blick auf
Munde ist. Die Politik sieht sich auch auf nationaler
die aufstrebenden Wirtschaftsmächte China und Indien
Ebene genötigt, das Problem anzunehmen und
nicht benachteiligt sehen möchte. Diese sind bislang
Handlungsvorschläge zu unterbreiten. Allerdings ist
als „Entwicklungsländer” dem Kyoto-Regime nicht
das ein komplexer und langwieriger Prozess auf
verpflichtet. Das soll sich erst ändern, bevor sich die
Grund der föderalen Staatsordnung und des Systems
USA zu politischen Zugeständnissen bereit erklären.
der Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative
und Judikative. Während einzelne Bundesstaaten
Kanada ist von der Flächenausdehnung betrachtet
und Kommunen in den USA schon erste Gesetze zum
nach Russland das zweitgrößte Land der Welt und
Klimaschutz und zur Energiewende verabschiedet
weist unterschiedliche Klimazonen auf, die durch den
haben, zögern die Administration und der Kongress
Klimawandel tangiert werden. Wirtschaftlich ist das
noch mit Entscheidungen unter dem vielfältigen Druck
Land eng an den Nachbarn USA ausgerichtet; insbeson-
von gut organisierten Interessenlobbys. Wirtschafts-
dere in Energiefragen geht man weitgehend konform,
unternehmen und Umweltschützer bekämpfen sich
da die Interessenlagen sehr ähnlich sind. Kanada
einerseits, andererseits gehen sie aber auch Zweck-
exportiert viele Rohstoffe ins Nachbarland und wird
bündnisse ein und kämpfen gemeinsam für Umwelt-
durch die Erschließung von ölhaltigen Sanden zum
und Klimaschutz. Das Thema scheint politisch mitten
neuen Öllieferanten der USA. Dabei rentieren sich die
im Wahlkampf um das nächste Präsidentenamt ange-
Investitionen in diese Form der Energiewirtschaft nur
kommen zu sein.
jenseits der 70 Dollar per barrel-Marke. Außerdem ist
der dort betriebene Tagebau alles andere als umwelt-
Klimaschutz steht aber auf der politischen Agenda
freundlich: Er verbraucht extrem viel Fläche, Wasser
noch zurück hinter der nationalen Sorge um Energie-
und Energieeinsatz, um die im Sand gebundenen
sicherheit. Viele energiepolitische Maßnahmen werden
Ölvorräte herauszulösen. Das Land zählt zu den zehn
nicht so sehr zur Reduzierung von CO2-Emissionen
größten Wirtschaftsmächten und gehört dem G8-Kreis
diskutiert, sondern aus Sorge um die Abhängigkeit
an. Aber auch in Sachen Energieverbrauch und Kohlen-
von Energieimporten aus instabilen Weltregionen,
dioxyd-Emissionen gehört es zu den Top Ten. Die Pro-
wie dem Nahen Osten, Iran und jetzt auch Venezuela.
Kopf-Werte liegen in Kanada ähnlich hoch wie in den
So soll Mineralöl im Verkehrssektor durch Bioethanol
USA, nämlich bei rund 20 Tonnen pro Einwohner, und
aus heimischer Produktion mittels Mais bzw. aus
sind damit doppelt so hoch wie in den europäischen
Exporten von Ethanol aus Brasilien teilweise ersetzt
Industriestaaten. Da die Energiepolitik im Verantwor-
werden. Der Anteil von erneuerbaren Energien, vor
tungsbereich der Provinzen liegt, sind hier zuerst Fort-
allem bei der Windenergie und im Bereich Biomasse,
schritte in Richtung Energieeinsparung und Klimaschutz
steigt zwar stetig, ein echter Durchbruch lässt aber
zu erwarten. Insbesondere die Windenergie ist in eini-
noch auf sich warten. Die nationale Kohleindustrie und
gen Provinzen in einem starken Wachstum begriffen.
Elektrizitätswirtschaft setzen auf den Durchbruch bei
Dort entwickelte sich auch mit Hilfe von Technologie
neuen Technologien für CO2-arme Kraftwerke, nämlich
und Know-how aus Deutschland eine eigene Energie-
der Abtrennung und Lagerung von Kohlendioxid.
branche. Das zeigt, dass wirtschaftliche Interessen
Experten rechnen noch mit ein bis zwei Jahrzehnten
und Perspektiven auch den Klimaschutz antreiben. In
für Forschung und Entwicklung bis zur Anwendung.
der internationalen Klimapolitik ist Kanada allerdings
Es wäre ein wichtiger Beitrag zum globalen Klima-
noch stark auf die USA fixiert. Erst wenn sich beim
schutz, denn die amerikanische Stromerzeugung ba-
großen Nachbarn etwas in Richtung Emissionsminde-
siert zur Hälfte auf Kohle als Energieträger, und dieser
rung, vorzugsweise mit Hilfe neuer Technologien,
kommt weltweit zum massiven Einsatz in den großen
bewegt, wird man wohl oder übel nachziehen müssen.
Schwellenländern, sei in China, Indien oder Russland.
Momentan sind die Weichen aber noch nicht in diese
Nach amerikanischen Vorstellungen soll auch die
Richtung gestellt; das Land profitiert vom neuen Öl-
Kernenergie noch eine wichtige Rolle in der Zukunft
boom im Westen des Landes. Kanada fühlt sich als
spielen. So hat die Politik die Laufzeit von vielen Atom-
Gewinner der weltweiten Nachfrage nach mehr Energie,
kraftwerken in den USA von bisher vierzig auf maximal
wenngleich fossilen Ursprungs.
sechzig Jahre verlängert und es gibt auch schon Pläne
für diverse Neubauten. Als neue vielversprechende
Energiequelle wird das Energiesparen entdeckt. Politik und Wirtschaft setzen auch eine Steigerung der
118
K L I M A D E B ATT E I N L AT E I N A M E R I K A
knappen und verteuern. Außerdem seien bei einer
Ausweitung der Anbauflächen ökologische Folgeschä-
In der aktuellen Klimadiskussion in Brasilien wird in
den nicht zu vermeiden, z. B. durch Brandrodung und
erster Linie die positive Rolle gesehen, die das Land als
Vernichtung von wertvollen Waldbeständen. Umwelt-
potentieller Lieferant von weltweit nachgefragten Bio-
schützer warnen bereits vor riesigen Plantagen in der
treibstoffen spielen kann. Brasilien sieht sich auf der
Amazonasregion. Zuckerrohr-Monokulturen seien um-
Gewinnerseite des weltweiten Klimawandels und nicht
weltschädlich. Die Wassernachfrage aus der Landwirt-
mehr auf der Anklagebank wegen der massiven Ab-
schaft würde durch den Anbau von Energiepflanzen
holzung und Brandrodung der tropischen Regenwälder
noch massiv gesteigert. Die Ökobilanz einer Energie-
im Amazonasgebiet. Die wirtschaftlichen Phantasien
gewinnung aus erneuerbaren Rohstoffen sei nicht
des Landes sind beflügelt durch die boomende Nach-
immer positiv und unbedenklich, sondern könne
frage nach Bioethanol, insbesondere aus den USA, als
durchaus negativ sein. Auch seien die ökonomischen
Ersatz für teures und knappes Erdöl, das in Raffinerien
Nutznießer selten die Kleinbauern, sondern meist die
zu Benzin und Diesel weiterverarbeitet wird. Alkohol
großen Agro-Konzerne zu Lasten der dort Beschäftig-
aus Zuckerrohr ersetzt bereits jetzt einen erheblichen
ten. Außerdem ergeben sich ethische Fragen: ob es
Teil (knapp 40 Prozent) des für den PKW-Verkehr im
vertretbar sei, den Ärmsten dieser Welt die Nahrungs-
eigenen Land benötigten Treibstoffs. Die Mehrzahl der
mittel wegzunehmen, nur damit die Menschen in den
neuen Autos sind mit sogenannten „Flex-Fuel”-Motoren
reichen Ländern ihre Autos mit Biosprit fahren könnten.
ausgestattet, die sowohl normalen als auch biologischen
Eine schwierige Gewissensfrage oder nur widerstrei-
Kraftstoff nutzen können. Die heimische Produktion
tende ökonomische Interessen?
von Bioethanol spart Devisen, reduziert die Abhängigkeit von Energieimporten und nutzt dem Klimaschutz.
Der öffentliche Diskurs zum Klimawandel wurde in
Obendrein eröffnet die seit Jahrzehnten im Land er-
Argentinien wie in Uruguay zwar durch die Veröffentli-
probte Technologie der brasilianischen Volkswirtschaft
chung der IPCC-Berichte kurzfristig belebt, doch haben
ein lukratives Geschäftsfeld für vermehrte Exporte
diese keinen bleibenden Eindruck auf das ohnehin defi-
in andere Länder. Derzeit produziert Brasilien rund
zitäre Umweltbewusstsein im Land hinterlassen. Auch
45 Prozent des weltweiten Angebots an Biokraftstoff.
die Regierungen nehmen sich dieses Themas kaum
Eine Produktionssteigerung ist leicht möglich, denn
ernsthaft an, obwohl die damit verbundenen Risiken
bisher wird nur ein kleiner Teil der 100 Millionen An-
durchaus gesehen werden. Allenfalls werden sporadi-
baufläche landwirtschaftlich genutzt, und Brasilien ist
sche Aktionen ins Auge gefasst, die aber ohne erkenn-
24mal so groß wie Deutschland. Die Produktionskos-
bares Konzept und nationales Engagement zum Klima-
ten sind konkurrenzlos niedrig: ein Liter Bioethanol
schutz bleiben. Das ist bei mangelndem Druck von
lässt sich für umgerechnet 0,20 US-Dollar herstellen,
Seiten der Medien, der Umweltverbände und der brei-
in den USA und Europa ist die Herstellung aus Mais
ten Öffentlichkeit auch nicht verwunderlich. Wirtschaft-
und anderen Energiepflanzen deutlich teurer. Es ist
liche Entwicklung und Umweltschutz werden als sich
aber auch der Einsatz dieser Technik zur Herstellung
gegenseitig ausschließende Bereiche wahrgenommen
von Biotreibstoffen in anderen Ländern denkbar mit
und dabei genießen wirtschaftliche Erwägungen immer
Hilfe von brasilianischem Geschäftskapital und Know-
den Vorrang.
How. Insbesondere die lateinamerikanischen Nachbarländer, die über keine eigenen Energieressourcen ver-
Das Umweltbewusstsein ist in Chile – ähnlich wie in
fügen, sind potentielle Märkte und eignen sich gut für
Argentinien und Uruguay – weit unter dem Stand
derartige brasilianische Investitionen. Aber auch China
europäischer Länder, trotz der wachsenden Berichter-
und Japan sind schon in den Blickwinkel der brasiliani-
stattung über eigene Umweltprobleme. Die Klima-
schen Investoren geraten.
Berichte des IPCC wurden in der chilenischen Öffentlichkeit kaum beachtet, anders als der Film von Al
Dieser vom brasilianischen Staatspräsidenten Lula auch
Gore, der dank seiner Stippvisite im Land große Auf-
politisch geförderten Entwicklung steht vor allem das
merksamkeit erhielt. Zwar hat die chilenische Regie-
energiereiche Venezuela unter seinem ehrgeizigen
rung schon 2006 ein Aktionsprogramm zum Klima-
Präsidenten Chávez ablehnend gegenüber, nicht nur
schutz verabschiedet, doch davon ist bisher nichts
aus ökonomischen, sondern auch aus machtpoliti-
umgesetzt worden. Mit dieser Zielsetzung soll jetzt
schen Motiven. Es geht für Chávez um die politische
offiziell auch der Einsatz von erneuerbaren Energie-
Vormachtstellung auf dem südamerikanischen Konti-
quellen, insbesondere der Ausbau der Wasserkraft im
nent und ist somit auch gegen die Interessen der USA
Süden des Landes, gefördert werden. Doch vorrangig
gerichtet. Er stellt sich an die Spitze der Kritiker, die
bleibt das eigentliche energiepolitische Ziel, nämlich
eine Herstellung von Bioethanol aus Zuckerrohr wie in
Brasilien oder aus Mais wie in den USA als „Perversion”
ablehnen, weil sie damit Grundnahrungsmittel ver-
119
die Sicherung der nationalen Energieversorgung, die
lichen Debatte kaum vor, und es ist weder ein Engage-
stark vom Ausland abhängig ist. Die Gasimporte aus
ment der Politik noch ein schlüssiges politisches Kon-
dem Nachbarland Argentinien sind unzuverlässig und
zept zum Klimaschutz erkennbar. Was eine nationale
von dort schon häufiger unterbrochen worden, wenn
Strategie zur nachhaltigen Entwicklung betrifft, gibt es
der Nachbar selbst knapp ist. Zudem verweigert Boli-
sogar Rückschritte gegenüber früher zu vermelden, seit
vien den direkten und indirekten Verkauf seiner Gas-
im Jahr 2002 das Umweltministerium als eigenständi-
lieferungen an den Nachbarn Chile, mit dem es keine
ges Ressort abgeschafft und wirtschaftlichen Interessen
diplomatischen Beziehungen unterhält. Andauernder
geopfert wurde. Beleg dafür ist das umstrittene Wald-
Streitpunkt ist der fehlende Zugang zum Pazifik, den
gesetz von 2005, das weniger die natürlichen Res-
Bolivien durch einen vor vielen Jahrzehnten verlore-
sourcen schützt als die ökonomischen Interessen der
nen Krieg an Chile eingebüßt hat. Auch das von Vene-
Holzindustrie und der Minengesellschaften. Der mas-
zuela angestoßene Projekt einer über 8000 km langen
sive Einsatz von Pestiziden zur Vernichtung von Coca-
Gaspipeline in den Süden des Kontinents wird auf ab-
Anbauflächen aus der Luft, der von den USA mit finan-
sehbare Zeit für Chile keine Abhilfe schaffen, wobei
ziellen Mitteln im Drogenkrieg unterstützt wird, führt
die Umsetzung des Vorhabens noch sehr ungewiss ist.
zur Zerstörung von Ökosystemen und gefährdet den
Es wird sogar erwogen, Flüssigerdgas aus Asien zu
Artenreichtum des Landes. Die Kolumbianer leben in
importieren. Allerdings erfordert dies hohe Investitions-
einem der artenreichsten, tropischen Länder der Erde,
kosten für die nötige Infrastruktur.
dort sind auf Grund der verschiedenen Höhenlagen
fast alle Klimazonen zu finden. Deren Flora und Fauna
Chile befürchtet ein Abschmelzen der Eisfelder im
reagieren sehr empfindlich auf den globalen Klima-
Süden auf Grund der globalen Erwärmung und dass
wandel. Der Schutz der Artenvielfalt ist ein Ziel, dem
die dadurch verursachten Veränderungen in der Glet-
sich auch die internationale Staatengemeinschaft ver-
scherlandschaft zu Konflikten mit dem Nachbarn Argen-
pflichtet fühlt. Kolumbien könnte von dort Unterstüt-
tinien führen. Dieser fordert auch Mitsprache beim
zung erwarten, doch die Regierung verfolgt offensicht-
geplanten Ausbau der chilenischen Wasserkraft in der
lich andere Prioritäten.
betroffenen Region. Der Mercosur, dem Chile als assoziiertes Mitglied angehört, scheint in sich zerstritten
Peru trägt zwar nur wenig zu den globalen Klimabelas-
und bewegungsunfähig zu sein, weswegen viele Länder
tungen bei, doch das Land selbst ist stark verwundbar
nach bilateralen Lösungen für ihre Energieprobleme
gegenüber Klimaschwankungen. Die Zahl der klima-
suchen. So schaut man wegen einer möglichen energie-
bedingten Naturkatastrophen hat in den letzten Jahr-
und klimapolitischen Kooperation eher in Richtung
zehnten dramatisch zugenommen. Die auf Land- und
Europa und Amerika. Grundlage wären Emissionszerti-
Forstwirtschaft sowie Fischerei und Viehzucht basieren-
fikate, die europäische und später auch amerikanische
de Volkswirtschaft Perus hatte als Folge des „El Niño”-
Energieunternehmen brauchen, um ihren Verpflichtun-
Phänomens schon mehrfach hohe Schäden zu beklagen,
gen zur CO2-Minderung nachzukommen. Investitionen
die das arme Land in seiner Entwicklung immer wieder
in klimaverträgliche Energieprojekte bzw. Maßnahmen
zurückwarfen. Auch in den Bergregionen gibt es Pro-
zur Wiederaufforstung oder Waldschutz in Lateiname-
bleme: Die Andengletscher verlieren zunehmend an
rika wären im Rahmen von CDM-Gutschriften möglich
Substanz und gefährden damit die Wasserversorgung
und diese erfolgen in einigen Ländern auch schon. Die
in der Millionen-Stadt Lima und im übrigen Land. Über
Bedingungen für erneuerbare Energien sind in Chile
90 Prozent der peruanischen Bevölkerung leben näm-
günstig für eine diversifizierte und umweltschonende
lich in Trockengebieten. Peru ist aber nicht nur Opfer
Energieversorgung. Die Geologie des Landes begüns-
des Klimawandels, sondern auch ein Mitverursacher,
tigt die Erdwärmenutzung. Daneben stehen Wind- und
denn die Hälfte seiner Emissionen resultiert aus der
Sonnenenergie sowie Biomasse in ausreichendem Um-
fortschreitenden Entwaldung des Landes. Etwa zwei
fang zur Verfügung. Eine Diversifizierung der Energie-
Drittel der Landesfläche besteht aus tropischem Regen-
quellen und die Stromverteilung bei 6000 km Nord-
wald im Amazonasbecken. Die Regierung erlaubt we-
Süd-Ausdehnung bleiben ein dringliches Problem.
gen des hohen Siedlungsdrucks aus der Andenregion
Allerdings ist der heimische Markt auf eine staatliche
und aus Gründen der Armutsbekämpfung die gezielte
Anschubfinanzierung angewiesen. So will die chileni-
Ansiedlung von Kleinbauern in den Waldgebieten. Nach
sche Regierung die Stromversorgung durch erneuer-
groben Schätzungen gibt es alle zwei Minuten weniger
bare Energien fördern und sich dabei am deutschen
Wald, etwa in der Größe eines Fußballfeldes. Das macht
EEG orientieren.
30 Fußballfelder pro Stunde oder 720 am Tag, die durch
Kahlschlag oder Brandrodung verschwinden. Damit
In Kolumbien verdrängen Armut und Gewalt drän-
unterläuft das Land die dem Ausland gegebenen Zusa-
gende Umweltfragen. Die Medien sind auf nationale
gen zum Klimaschutz.
Themen wie den bewaffneten Konflikt und den Drogenkrieg fokussiert. Der Klimawandel kommt in der öffent-
120
Ecuador hat mit einem viel beachteten Angebot an
Mexikaner sicherlich davon einen Vorteil hätte. Ein
die internationale Staatengemeinschaft bei der UN-
Viertel der mexikanischen Bevölkerung lebt im Bal-
Vollversammlung in New York auf sich aufmerksam
lungsraum der Hauptstadt Mexiko-City, der für rund
gemacht. Staatspräsident Correa möchte 920 Millionen
90 Prozent der landesweiten CO2-Emissionen verant-
Barrel Öl im Osten des Landes im Boden lassen und
wortlich ist. Hier müsste angesetzt werden, um die
damit der Atmosphäre 110 Millionen Tonnen CO2 er-
Umweltbelastungen zu reduzieren und eine effizientere
sparen. Dafür verlangt er nicht den vollen Gegenwert
Energie- und Wasserversorgung für das gesamte Land
in Höhe von 700 Millionen USD jährlich, sondern eine
zu organisieren. Die Stadtregierung von Mexiko-City
einmalige Kompensation in etwa dieser Größenord-
unternimmt erste Schritte im Rahmen der C40-Klima-
nung. Eine Hälfte des Staatsgebiets von Ecuador ist
inititative der großen Weltmetropolen. Es bleibt abzu-
Teil des großen grenzüberschreitenden Amazonas-
warten, ob die angekündigten Aktionspläne auch wirk-
beckens, dem größten tropischen Regenwald der Welt.
lich umgesetzt werden. Vielleicht führt jetzt die durch
Die Waldgebiete Amazoniens produzieren einen Groß-
riesige Überschwemmungen verursachte Naturkata-
teil des Sauerstoffs auf unserem Planeten. Sie beher-
strophe im Bundesstaat Tabasco zu einem Umdenken
bergen auch das weltweit größte Süßwasserreservoir.
– im nationalen Interesse.
Zudem leben im Regenwald die Hälfte aller bekannten
Tier- und Pflanzenarten der Erde, eine unermessliche
K L I M A D E B ATT E I N A S I E N
biologische Vielfalt. Außerdem ist er die Heimat von
indigenen Völkern. Noch sind zwei Drittel der Regen-
China ist aufgrund der gigantischen Wachstumsprozes-
waldgebiete intakt, doch zunehmend werden sie, wie
se im letzten Jahrzehnt zu einer der führenden Wirt-
in Ecuador, durch Brandrodung und Erdölförderung
schafts- und Handelsnationen aufgestiegen, gewisser-
zerstört. Vielleicht ist der Vorschlag, das Öl besser im
maßen als verlängerte „Werkbank der Welt”, weil es
Boden zu lassen, ein erstes Signal für ein Umdenken
Massenprodukte konkurrenzlos billig herstellt. Mit dem
in Richtung von mehr Ressourcen-, Arten- und Klima-
Wirtschaftswachstum geht ein ungestillter Energiehun-
schutz. Das eingeschränkte „Recht auf Entwicklung”
ger einher, der sich durch schnell wachsenden Emis-
könnte zur echten Überlebenschance für Menschen,
sionen von Treibhausgasen bemerkbar macht. Mittler-
Tiere und Natur werden.
weile hat China mit den USA als weltgrößter Emittent
von Kohlendioxyd in absoluten Zahlen gleichgezogen,
Auch Bolivien leidet unter den Folgen des periodisch
wenngleich die Pro-Kopf-Emissionen nur ein Fünftel
wiederkehrenden Klimaphänomens „El Niño”, welcher
der amerikanischen Werte betragen. Der internatio-
die gesamte Westküste Südamerikas beeinflusst.
nale Druck auf China wächst, sich auch der globalen
Erst im Februar 2007 machten starke Regenfälle und
Verpflichtung für den Klimaschutz zu stellen und nicht
Überschwemmungen mit Erdrutschen große Teile des
weiter hinter dem im Kyoto-Protokoll zugestandenen
Landes unpassierbar, verwüsteten Häuser, Ernten und
Status als „Entwicklungsland” zu verstecken. Zahlrei-
Anbauflächen und führten zu Epidemien mit Todes-
che Entwicklungsländer – allen voran China – verwer-
fällen. Doch die Regierung schiebt die Schuld für die
fen ökologische Vorgaben wie den Klimaschutz als
Erderwärmung und die dadurch ausgelösten Naturka-
unzulässige Einmischung in ihre inneren Angelegen-
tastrophen pauschal auf die Industriestaaten und sieht
heiten oder, schlimmer noch, als Versuch des Westens,
Bolivien als Opfer des Klimawandels. Weder Umwelt-
ihren mühsam erkämpften wirtschaftlichen Aufschwung
noch Katastrophenschutz erhalten die erforderliche
abzubremsen. Doch jetzt ist ein Schwenk in der chine-
politische Unterstützung zur Sicherheit der eigenen
sischen Politik festzustellen, nachdem auch die USA
Bevölkerung.
erkennen ließen, dass sie sich für Klimapolitik engagieren wollen. Die chinesische Regierung präsentierte
Mexiko zählt zu den Ländern, die nach Expertenmei-
am 4. Juni einen eigenen Klima-Aktionsplan, wohl auch
nung besonders schwer unter den Folgen der Erder-
um sich ein gutes Image in der internationalen Öffent-
wärmung leiden werden. Das zweitgrößte Land Latein-
lichkeit zu verschaffen. Zwar werde China keine ver-
amerikas ist in den Rang eines etablierten Schwellen-
pflichtenden Quoten für die Reduktion des CO2-Aus-
lands und eines Schlüsselstaats für den Kontinent auf-
stoßes akzeptieren, doch man wolle freiwillig bis 2010
gestiegen. Seine enge wirtschaftliche Verflechtung mit
rund 950 Millionen Tonnen Kohlendioxid durch diverse
dem nördlichen Nachbarn USA im Rahmen des NAFTA-
energiepolitische Maßnahmen einsparen. Gegenüber
Wirtschaftsbündnisses prägt auch die Orientierung
2005 wäre das immerhin eine Reduktion um 18 Pro-
seiner Eliten, die sich eng am amerikanischen Vorbild
zent, was eine sehr beeindruckende Zielvorgabe ist.
orientieren und oftmals persönlich davon profitieren.
Die Auffassung ist weit verbreitet, dass Klimaschutz
und wirtschaftliches Wachstum nicht miteinander vereinbar wären. Es fehlt oftmals der politische Wille zum
Umwelt- und Klimaschutz, obwohl die Mehrzahl der
121
Erreicht werden soll dieses Ziel durch eine Modernisie-
Der befürchtete Anstieg des Meeresspiegels durch
rung der Kraftwerke, eine Steigerung der Energiepro-
Abschmelzen der Gletscher insbesondere in der arktik-
duktivität um 20 Prozent, durch den weiteren Anteil
Region würde große Küstenflächen und Städte sowie
der erneuerbaren Energien und eine Wiederaufforstung
Mündungsgebiete von Flüssen überschwemmen und
in großen Stil. Ferner soll mehr in Forschung und Ent-
Millionen von Menschen in die Flucht und auf die Suche
wicklung von umweltschonenden und energiesparen-
nach anderen Lebensorten treiben. Insbesondere Ban-
den Technologien investiert werden. Diese Ankündi-
gladesh ist hiervon bedroht, wie die Überschwemmun-
gungen werden im Ausland – insbesondere in Deutsch-
gen dieses Sommers bereits nachdrücklich zeigten.
land und in den USA – gern gehört, doch Skepsis ist
Migrationen von Armuts- und Klimaflüchtlingen stellen
angesagt, was die konkrete Umsetzung dieser Maß-
auch ein hohes Sicherheitsrisiko mit Gewaltpotential in
nahmen betrifft. Wenngleich die Parteiführung ein
den betroffenen Regionen und Ländern dar. Auf jeden
gesteigertes Interesse an wirksamen Maßnahmen zum
Fall würden sie die nationalen Kapazitäten zum Katas-
Umwelt- und Klimaschutz hat, schon um ihre eigene
trophenschutz und zur Katastrophenhilfe strapazieren.
Machtposition zu sichern, hängt die Umsetzung von
Eine Verschiebung der Hauptregenzeiten (Monsun) auf
regionalen und lokalen Behörden ab, die nur schwer zu
dem südasiatischen Subkontinent hätte wohl ähnlich
kontrollieren sind. Diese bringen immer häufiger auch
gravierende Auswirkungen und würde die Lebensgrund-
eigene Interessen ins Spiel und widersetzen sich offen
lagen von Millionen Menschen zerstören. Die einheimi-
oder versteckt den zentralen Vorgaben. Teilweise gibt
sche Landwirtschaft könnte die Versorgung der Men-
es in der chinesischen Provinz auch kriminelle Mafia-
schenmassen mit Grundnahrungsmitteln in Dürrezeiten
ähnliche Strukturen, auf deren Konto schwere Umwelt-
wie bei Überschwemmungen vermutlich nicht länger
sünden gehen. Die von Menschen verursachten Um-
gewährleisten. Die Ärmsten wären dann noch ärmer
weltschäden in China werden von eigenen Experten
dran.
in einer Größenordnung taxiert, die die jährlichen wirtschaftlichen Wachstumsgewinne wieder aufzehren. Von
Die IPCC-Klimaberichte haben in Indien das öffentliche
offizieller Seite wird jetzt anerkannt, dass Wirtschafts-
Interesse am Klimawandel aufleben lassen, zumal der
wachstum durch Raubbau an der Natur nicht nachhaltig
Vorsitzende des UN-Wissenschaftsrats ein Inder ist,
ist und die eigene Zukunft gefährdet. Verschwiegen
Dr. Rajendra Kumar Pachauri. Die offizielle indische
werden aber Berichte über Opferzahlen durch Umwelt-
Sichtweise besagt, dass das Land nur für einen Bruch-
belastungen.
teil der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich ist
Oft wird Indien in einem Atemzug mit China genannt,
China) und weder gewillt noch in der Lage sei, für die
wenn es um die Entwicklung der großen Schwellenlän-
hohen CO2-Vermeidungskosten selbst aufzukommen.
der geht. Trotz einiger Gemeinsamkeiten wie einer
Außerdem würden sie die Bemühungen um höheres
großen Landmasse von den Ausmaßen eines Subkon-
Wirtschaftswachstum und um Armutsbekämpfung in
tinents und einer ähnlich beeindruckenden Bevölke-
Indien beeinträchtigen. Die befürchteten Folgen des
rungszahl gibt es wichtige Unterschiede in politischer,
Klimawandels werden mit Besorgnis zur Kenntnis
wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht, die eine diffe-
genommen, doch die Verantwortung dafür wird den
renzierte Betrachtung angeraten lassen. Die prognos-
westlichen Industrieländern zugewiesen.
(anders als die Industrieländer und neuerdings auch
tizierten Auswirkungen des globalen Klimawandels auf
den indischen Subkontinent sind erschreckend: Das
Von der Weltöffentlichkeit weitgehend unbemerkt ist
schon jetzt beobachtbare Abschmelzen der Gletscher
Indonesien nach den USA und China zum drittgrößten
im Himalaya-Gebiet durch den Temperaturanstieg
CO2-Produzenten der Welt aufgestiegen. Allerdings
würde die meisten der in diesem Quellgebiet entsprin-
ist diese negative Entwicklung nicht einem überdurch-
genden großen Flüsse der Region erst ansteigen und
schnittlichen Wirtschaftswachstum mit hohem Energie-
später versiegen lassen. Überschwemmungen und
einsatz zu verdanken, sondern resultiert aus einer
Dürren wären die Folgen. Gletscher stellen ein natür-
überdimensionalen Ausbeutung der eigenen Naturre-
liches Vorhaltesystem dar, das Wasser im Sommer
serven, nämlich der Abholzung des tropischen Regen-
abgibt, wenn es am meisten benötigt wird. Es speichert
waldes auf seinen großen Inseln und der Brandrodung
im Winter und in großen Höhen die monsunverursach-
abgeholzter Waldflächen. Nach einer Studie von Green-
ten Niederschläge als Schnee und Eis. Ein Abschmelzen
peace entstünden dort durch die Urwaldzerstörung
hätte also gravierende Folgen für den Wasserhaushalt
jedes Jahr 2,6 Mrd. Tonnen Kohlendioxyd, mehr als
von Südasien und könnte in der Folge nationale und
die Emissionen von Deutschland, Frankreich und Groß-
internationale Verteilungskämpfe um Wasserzugang,
britannien zusammen. Paradoxerweise trägt das west-
möglicherweise auch bewaffnete Konflikte, auslösen.
liche Ausland dafür eine Mitverantwortung, denn auf
den durch Abholzung neu gewonnenen Anbauflächen
werden Palmöl-Plantagen angepflanzt. Das Produkt
wird in alle Welt exportiert und kommt in den westli-
122
chen Industriestaaten u.a. als Biotreibstoff für Fahr-
Trotz der übertriebenen Erwartungen und Befürchtun-
zeuge und als Brennstoff in Kleinkraftwerken zum Ein-
gen, die sich mit den asiatischen Boom-Staaten China
satz. Das „grüne Gewissen” wird dort einerseits be-
und Indien als potentiellen Weltmächten verbinden,
friedigt, wenn es gilt, Ersatz für den fossilen Energie-
darf die zentrale Rolle von Japan in Asien und weltweit
träger und CO2-Verursacher Öl zu finden, doch anderer-
nicht übersehen werden. Der dicht bevölkerte Insel-
seits wird weit mehr Kohlenstoff durch Brandrodungen
staat ist die zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt
und Entwaldungen freigesetzt als durch die Nutzung
und einer der führenden Industrienationen auf einem
von Biodiesel eingespart wird. Eine absurde Situation,
hohen technologischen Entwicklungsstand. Das Land
die es im Sinne eines nachhaltigen Klimaschutzes zu
ist in vieler Hinsicht ein global player, der die Entwick-
korrigieren gilt. Der indonesische Urwald ist nämlich
lungen auch im Energie- und Klimabereich maßgeblich
einer der wichtigsten CO2-Speicher der Welt. Der Moor-
beeinflusst. Japan droht seine im Kyoto-Protokoll fest-
Torf-Boden speichert mehr Kohlenstoff als andere
gelegten Klimaschutzziele zu verfehlen. Das Land sollte
Landökosysteme. Die feuchten Torfschichten sind bis
seine Emissionen von Treibhausgasen um 6 Prozent
zu zehn Meter tief und bis zu 10.000 Jahre alt. Zum
gegenüber dem Stand von 1990 mindern, aber bis 2005
Plantagenanbau werden Kanäle gezogen, um den Bo-
stiegen diese um fast acht Prozent an. Deshalb will die
den zu entwässern. Dann trocknet der Torf aber aus
Regierung in Tokio ihre Anstrengungen zur Reduzierung
und setzt CO2 frei. Außerdem gerät der ausgetrocknete
von Treibhausgasen verstärken. Es sollen 100 Millionen
Boden wesentlich leichter in Brand, was jedes Jahr in
Dollar für den Klimaschutz aufgewendet werden, wo-
der Trockenzeit zu gewaltigen Bränden mit riesigen
von ein Großteil über die Asiatische Entwicklungsbank
Rauchwolken führt, die nicht nur monatelang das Son-
zur Förderung von nachhaltigen Entwicklungsprojekten
nenlicht in der ganzen Region trüben, sondern auch
in asiatischen Nachbarstaaten verwendet werden soll.
die Gesundheit der Menschen gefährden. Greenpeace
Die Steigerung der Energieeffizienz, bei der das Land
forderte die indonesische Regierung auf, die Einschläge
weltweit führend ist, soll auch international mit japa-
in den Torf-Moor-Wäldern zu verbieten. Die Vereinten
nischer Unterstützung gefördert werden, desgleichen
Nationen sollten die Urwälder weltweit unter Schutz
der Ausbau von erneuerbaren Energien. Tokio sieht
stellen. Ein solcher Schritt wäre ein echter Durchbruch
sich mit dem G8-Vorsitz im kommenden Jahr in der
für den globalen Klimaschutz. Denn zurzeit produziert
Verantwortung, auch die USA, China und Indien in ein
Indonesien zusammen mit Malaysia rund 80 Prozent
Nachfolgeabkommen für das 2013 auslaufende Kyoto-
des gesamten Weltbedarfs an Palmöl. Internationale
Protokoll einzubeziehen. Der Klimaschutz steht in
Energiekonzerne sitzen in den Startlöchern, um mit
Japan auf der politischen Agenda derzeit weit oben.
Milliarden-Investitionen die Produktion noch weiter auszubauen, zumal der weltweite Bedarf steigt. Die indo-
Auf Rang 10 der größten Verursacher von CO2-Emis-
nesische Regierung unterstützt diese Vorhaben und
sionen ist Südkorea anzutreffen. Zwar erscheint Koreas
verdient am Export und der Vergabe von Konzessionen.
Beitrag mit 1,7 Prozent der weltweiten Emissionen
Als Zugeständnis an die in dieser Frage zunehmend
relativ klein zu sein, doch es ist die Zuwachsrate von
kritische Weltöffentlichkeit werden Projekte zur Wie-
104 Prozent im Zeitraum von 1990–2004 die Sorgen
deraufforstung in Aussicht gestellt. Indonesien erwägt
macht, denn sie bewegt sich auf ähnlich hohem Niveau
auch gewisse Einschränkungen beim Plantagenbau
wie Chinas Wachstum beim Energieverbrauch und den
gegen entsprechende finanzielle Entschädigungen. Dies
daraus resultierenden Emissionen (110 Prozent). Auch
wird als wichtiger Beitrag Indonesiens zur Reduzierung
die Pro-Kopf-Emissionen steigen rasant und liegen
des Anstiegs der globalen Erwärmung gesehen. Image-
mittlerweile auf dem Niveau der westeuropäischen
pflege ist angesagt, zumal Bali im Dezember 2007 der
Industriestaaten. Die Koreaner nehmen den Klimawan-
Konferenzort der nächsten UN-Klimaverhandlungen
del ernst und sind auch bereit, notwendige Maßnah-
sein wird und Indonesien dort als Gastgeber auftritt.
men mit zu tragen. Als Reaktion auf den IPCC-Bericht
wurde von der koreanischen Regierung ein Plan vor-
Eine aktuelle energiepolitische Kontroverse im bevöl-
gestellt, der Klimakatastrophen vorbeugen soll und
kerungsreichsten muslimischen Staat betrifft die Kern-
geeignete Gegenmaßnahmen aufzeigt. Zur Reduktion
kraft. Ausgerechnet am Fuß eines schlafenden Vulkans
von Treibhausgasen setzt man weiter auf die Kern-
soll das erste Atomkraftwerk des Landes gebaut wer-
energie – Südkorea hat zurzeit zwanzig Atomkraft-
den, noch dazu auf Java, einer der am dichtesten be-
werke in Betrieb – sowie auf erneuerbare Energien.
siedelten Inseln der Welt, wo zwei Drittel der indonesi-
Deren Einsatz soll von derzeit 2,3 auf 10 Prozent im
schen Bevölkerung leben. Trotz der immensen Risiken
Jahr 2020 gesteigert werden. Damit soll auch die
bei möglichen Störfällen und trotz der Proteste der
große Abhängigkeit von Energieimporten reduziert
Bevölkerung hält die Regierung an den Plänen fest. Die
werden.
Frage ist, ob eine klimaverträgliche Stromerzeugung
nicht auch durch erneuerbare Energien garantiert werden könnte.
123
Vietnam zählt zu den Ländern in Asien, die wegen ihrer
land gehört zu den größten bilateralen Gebern, denn
Topographie am stärksten vom Klimawandel bedroht
Kambodscha ist ein Schwerpunktland deutscher Ent-
sind: Das Land hat eine 3.600 km lange Küste und zwei
wicklungshilfe.
große Flussdeltas, den Mekong im Süden und den
Roten Fluss im Norden. In beiden Flusstälern leben
In Thailand überragt die Hauptstadt Bangkok als
zusammen rund drei Viertel der Bevölkerung und er-
wuchernde Megacity das nationale Geschehen. Hier
wirtschaften 80 Prozent des Volkseinkommens. Knapp
wird die meiste Energie der Nation verbraucht und hier
zehn Millionen Vietnamesen leben in unmittelbar be-
muss auch politisch angesetzt werden, um Einsparer-
drohten Küstenregionen oder im Deltagebiet der beiden
folge und CO2-Minderungsziele zu erreichen. So zählt
großen Flüsse. Diese Gebiete sind auch die „Reisschüs-
die Stadt zu einer der 16 ausgewählten Megacities
seln” des Landes und ernähren den Großteil der Be-
weltweit, die sich am Klimaschutz-Programm des ehe-
völkerung. Die Anrainerstaaten am Mekong (China,
maligen amerikanischen Präsidenten Clinton beteiligen.
Thailand, Burma, Laos und Kambodscha) versuchen
In Bangkok wurde auch der dritte Teil des diesjährigen
seit längerer Zeit sich über eine gemeinsame Fluss-
IPCC-Berichts, der konkrete Maßnahmen zum Klima-
nutzung und Flussregulierung zu einigen; bislang aber
schutz vorschlägt, der Weltöffentlichkeit präsentiert.
vergeblich. Das mögliche Abschmelzen der Gletscher
im Himalaya könnte dazu führen, dass den Flüssen
Singapur hat als bevölkerungsreicher und dicht besie-
riesige Schmelzwassermengen zugeführt werden, was
delter Stadtstaat sowie als „Wohlstandsinsel” im durch-
die Pegelstände noch erhöhen würde. Schnee könnte
weg armen Südost-Asien einen besonderen Stellen-
möglicherweise auch in den Höhen künftig als ergiebi-
wert. Einmal ist das Stadtgebiet selbst vom Klimawan-
ger Regen fallen. An der Meeresküste sind Korallen-
del bedroht, denn ein Ansteigen des Meeresspiegels
riffe und Mangrovenwälder in ihrer Existenz bedroht,
um nur 15 cm würde die halbe Inselrepublik unter
was bei einem Absterben dieser ökologischen Schutz-
Wasser setzen. Zum anderen bedeuten die durch Brand-
barrieren den Küstenschutz schwächen und Erosion
rodungen in den Nachbarländern Indonesien und Ma-
begünstigen würde. Auch die Trinkwasserversorgung
laysia verursachte Smogwolken gravierende Gesund-
wäre gefährdet, weil verstärkt Salzwasser in die Delta-
heitsprobleme in der eigenen Bevölkerung. So setzen
gebiete eindringen würde. Klimaschutz konkurriert mit
sich Wissenschaft und Politik zwangsläufig mit diesen
Themen wie Wirtschaftswachstum, Infrastrukturpro-
Probleme auseinander, wobei die internationalen Ver-
blemen, Armutsbekämpfung, sozialer Sicherheit und
bindungen intensiv zu Kooperationen genutzt werden.
Bildungsreform. Für konkrete Maßnahmen fehlen oft
An den finanziellen Ressourcen für eventuell notwen-
die finanziellen Mittel und der politische Wille. Auch
dige Anpassungsmaßnahmen, wie den Deich- und
fehlt es in der Regel am notwendigen Wissen auf allen
Schleusenbau als Schutz vor Überschwemmungen wird
politischen Ebenen. In den großen Städten wie Saigon
es sicher nicht mangeln. Im Gegensatz zu den armen
und Hanoi gibt es keine Kläranlagen und keine sanitäre
Nachbarn kann sich Singapur diesen „Luxus” leisten,
Trinkwasseraufbereitung. Das Umweltbewusstsein ist
wenn es denn sein muss.
in der Bevölkerung Vietnams noch wenig ausgeprägt.
Folglich sieht auch die Politik keine Veranlassung, sich
Die zentralasiatischen Binnenstaaten Kasachstan,
mit diesem Thema zu befassen.
Usbekistan, Kirgisistan, Tadschikistan und Turkmenistan leiden unter zunehmender Wüstenbildung und
In Kambodscha gibt es zwar eine gewisse Besorgnis
Wasserknappheit. Das fügt der in dieser Region domi-
über Umwelt- und Klimaprobleme, die mit den periodi-
nierenden Landwirtschaft großen wirtschaftlichen
schen Dürren und Überschwemmungen sowie dem
Schaden zu. Insbesondere der bewässerungsintensive
Absinken des Grundwasserspiegels wahrgenommen
Baumwollanbau trägt zur Wüstenbildung und zum
werden. Doch als ernsthafte politische Herausforde-
Austrocknen des Aralsees bei, dessen Bilder die Welt-
rung werden diese Probleme nicht gesehen. Das Land
öffentlichkeit kennt. Trotzdem spielt der globale Klima-
verbraucht insgesamt sehr wenig Energie, da es kaum
wandel in der politischen Debatte kaum eine Rolle.
industrialisiert ist und eine Subsistenzwirtschaft die
Diese Länder befinden sich noch mitten im Transfor-
Regel ist. Die in Land- und Forstwirtschaft verursach-
mationsprozess, so dass eher damit verbundene wirt-
ten Emissionen von Treibhausgasen fallen eher ins
schaftliche und politische Probleme öffentlich thema-
Gewicht, insbesondere durch die Abholzung und Brand-
tisiert werden. Allenfalls in Kasachstan als dem wirt-
rodung von Wäldern. Die kambodschanische Regierung
schaftlich am weitesten entwickelten Land in Zentral-
wird von internationalen Entwicklungshilfeorganisatio-
asien gibt es Ansätze einer Umweltdebatte. Auch hier
nen unterstützt, weil es intern am nötigen Fachwissen
dominieren regional begrenzte Probleme, wie die Was-
und finanziellen Mitteln mangelt. Das Land zählt zu
serversorgung oder Altlasten aus der Sowjetzeit. Die
den am wenigsten entwickelten und damit ärmsten
Ländern der Welt. Rund die Hälfte des Staatsbudgets
zahlt die internationale Gebergemeinschaft. Deutsch-
124
Überwindung der weitverbreiteten Armut ist die Haupt-
Pro-Kopf-Ausstoß wird in der Reihe der Industrienatio-
sorge in diesen Ländern. Die Mitarbeit in internatio-
nen nur noch von den USA und Kanada überboten.
nalen Organisationen sowie die Hilfe von Industrie-
Dabei hätte der Kontinent mit 300 Tagen Sonnenschein
staaten könnten zu mehr Wissen und Bewusstsein
im Jahr günstige Voraussetzungen, um mindestens die
über die klimatischen Zusammenhänge und die kon-
Hälfte des Energiebedarfs mit Solarenergie zu decken.
kreten Umwelt- und Klimaprobleme führen.
Bislang tragen erneuerbare Energien erst acht Prozent
zur Stromversorgung bei. Auch ein Programm zum
Die aktuelle Kriegs- und Bedrohungssituation in Afgha-
Energiesparen ist nicht in Sicht, der nationale Energie-
nistan führt dazu, dass Klimaschutz nicht auf der poli-
verbrauch steigt jährlich um fast 2 Prozent. Auf Druck
tischen Agenda steht. Andere Probleme und Sorgen
einer zunehmend kritischen öffentlichen Meinung be-
überwiegen, auch akute Umweltprobleme in der Haupt-
ginnt die Regierung jetzt zu handeln. Programme zur
stadt Kabul, die ohne Kanalisation und Müllabfuhr
Erforschung von Clean-Coal-Technologien werden
auskommt. Gesundheitsrisiken durch verpestete Luft
staatlich finanziert und ab 2011 soll sich das Land am
und verschmutztes Wasser sind an der Tagesordnung.
Handel mit Emissionszertifikaten beteiligen.
Überhaupt stellt die Wasserversorgung im ganzen Land
ein ernstes Problem dar. Dass dies auch mit der Erd-
Die australische Regierung, die ebenso wie die USA
erwärmung zu tun haben könnte, wird offiziell nicht
das Kyoto-Protokoll nicht ratifiziert hat und eigene
gesehen. Die Zusammenarbeit der Regierung mit UNEP
Emissionsbeschränkungen bisher als wirtschaftsfeind-
sowie mit anderen internationalen Gremien und huma-
lich ablehnt, hat sich jetzt einer Initiative von Präsident
nitären Hilfsorganisationen ist wichtig für das Land,
Bush angeschlossen und einen gemeinsamen Aktions-
doch dafür muss auch die Sicherheit der Mitarbeiter
plan für Atomenergie vereinbart. Vorgesehen ist eine
garantiert werden.
Zusammenarbeit bei Forschung und Entwicklung sowie technischer Ausbildung. Australien betreibt selbst
Die Mongolei ist vom globalen Klimawandel stark be-
keine eigenen Atomkraftwerke, weil Atomenergie von
troffen, wie Naturkatastrophen durch extreme Kälte
weiten Teilen der Bevölkerung abgelehnt wird. Aber
und große Dürre belegen, die jedoch zum Teil auch
das Land hält 40 Prozent der bekannten Uranvorkom-
„hausgemacht” sind. Die Überweidung der Steppen
men weltweit und exportiert den Rohstoff in 36 Länder.
sowie der Umwelt belastende Bergbau führen zur Wüs-
Die USA haben natürlich ein strategisches Interesse
tenbildung, zum Austrocknen von Flüssen und generell
an den Uranressourcen des australischen Kontinents.
zu Problemen im Wasserhaushalt des Landes. 80 Pro-
Ob die beiden gleichgesinnten Staaten allerdings inner-
zent des Landes sind von der Trockenheit betroffen,
halb des asiatisch-pazifischen Wirtschaftsraumes auf
auch durch die fortschreitende Gletscherschmelze im
Unterstützung und Zustimmung treffen, ist fraglich.
Altai-Gebirge mit verursacht. Trotzdem spielt das Klima-
Nach ihren Vorstellungen soll der globale Klimaschutz
thema noch keine Rolle in der politischen und öffent-
ist erster Linie durch Forschung und Entwicklung von
lichen Debatte.
neuen Technologien und nicht durch wirtschaftliche
Einschränkungen erfolgen.
K L I M A D E B ATT E I N A U S T R A L I E N
Neuseeland hat sich dagegen andere, ehrgeizige Ziele
Australien ist vom Klimawandel besonders stark be-
gesetzt: es will die erste wirklich „nachhaltige Nation”
troffen. Sichtbarste Folge ist der notorische Wasser-
der Welt werden. Die Regierung konkretisierte jetzt die
mangel. Die Dürre hat das Land schon seit vielen
nationalen Klimaschutzpläne. Schrittweise soll bis 2013
Jahren im Griff. Die Folgen für die Land- und Viehwirt-
ein Emissionshandelssystem für alle Wirtschaftssekto-
schaft sind verheerend. Die niedrigen Pegelstände der
ren, wie Land- und Forstwirtschaft, Verkehr und Trans-
Flüsse im Osten des Kontinents, wo ein Drittel aller
portwesen, Energieerzeugung und Industrie, eingeführt
Lebensmittel produziert werden, erlauben keine künst-
werden. Daneben setzt die Klimastrategie auf mehr
liche Bewässerung mehr. Missernten und Viehsterben
Energieeffizienz und den stärkeren Einsatz von erneu-
sind an der Tagesordnung, so dass viele Farmerfamilien
erbaren Energien bei der Stromversorgung. Ihr Anteil
mittlerweile hoch verschuldet sind. Finanzielle Notpro-
soll bis 2025 auf 90 Prozent steigen. Staatliche För-
gramme der Regierung sollen Abhilfe schaffen. Die
dermittel fließen außerdem in Entwicklung neuer
schwierige Situation ist freilich auch zu gehörigen Teilen
Biokraftstoffe aus heimischen Ressourcen, d. h. nach-
selbst geschaffen durch eigene „Umweltsünden”. Aust-
wachsenden Rohstoffen aus der Land- und Forstwirt-
ralien deckt 85 Prozent seines Energiebedarfs mit der
schaft.
reichlich vorhandenen heimischen Kohle ab und ist nebenbei auch noch der größte Kohleexporteur der Welt.
Aufgrund seiner kohlebasierten Stromerzeugung ist das
Land einer der weltweit führenden Emittenten, sein
125
K L I M A D E B ATT E I N D E R R E G I O N N A H O S T /
Ägypten ist kein klassisches Beispiel für ein Land, bei
NORDAFRIKA
dem das Interesse zur Nutzung von alternativen Energien auf ökonomischen Zwängen zu beruhen scheint.
In dieser Region sind die Mittelmeer-Anrainer außer-
Das Land fördert Erdöl und Erdgas, allerdings deckt
halb Europas im Nahen Osten und in Nordafrika zusam-
die Produktion nur noch knapp den Eigenbedarf. Die
mengefasst. Diese Gruppe von Staaten mit überwie-
Stromerzeugung aus Wasserkraftwerken (Assuan-
gend islamisch geprägter Bevölkerung wird angeführt
Staudamm) und Gaskraftwerken, die fast alle ägypti-
von Ägypten (79 Millionen) und der Türkei (70 Millio-
schen Haushalte versorgt, soll mit ausländischer Hilfe
nen) als den beiden größten Ländern in der Region.
künftig auf der Basis von Sonnen- und Windenergie
Der Staat Israel nimmt auf Grund seiner außenpoliti-
erfolgen. Es sind nicht allein Klimaschutzerwägungen,
schen Isolierung und dem fortdauernden Konflikt mit
sondern auch ökonomische Überlegungen, die teuren
seinen Nachbarn eine exponierte Sonderstellung ein.
und knapper werdenden Öl- und Gasvorräte langfristig
Zu erwähnen sind ferner die Maghreb-Staaten Algerien
zu ersetzen. Ägypten zählt zu den am dichtesten be-
und Marokko mit jeweils 33 Millionen Einwohnern und
siedelten Ländern der Welt, weil sich fast die gesamte
Tunesien mit 10 Millionen Alle Staaten dieser Region
Bevölkerung im Niltal und Nildelta konzentriert, wobei
haben mit ähnlichen klimatischen Problemen wie Tro-
die großen Metropolen Kairo und Alexandria bei einem
ckenheit, Wüstengebieten und Wasserknappheit zu
potentiellen Anstieg des Meeresspiegels durch den Kli-
kämpfen. So verwundert es nicht, dass die möglichen
mawandel akut bedroht wären. So macht eine umwelt-
Auswirkungen einer weiteren Erderwärmung hier mit
gerechte Energieversorgung auch für ein armes Land
großer Besorgnis gesehen werden, weil sie die ohnehin
Sinn, selbst wenn es nur ein bescheidener Anfang ist.
bestehenden Probleme in Zukunft noch verschärfen
könnten. Im Allgemeinen liegen die Länder der Region
Israel hat bewiesen, dass es auch mit Wasserknappheit
mit ihren CO2-Emissionen weit unterhalb der Werte der
und Wüstenbesiedlung gut umgehen kann. Wegen sei-
Europäischen Union und der gesamten Welt. Der Anteil
ner politischen Isolierung in der Region muss der Staat
der einzelnen Länder an den Emissionen hängt stark
aber überwiegend mit eigenen Ressourcen auskommen,
von der Bevölkerungszahl und der Wirtschaftskraft
so auch bei der Wasser- und Energieversorgung. Auf-
ab. So steht die Türkei dank ihrer zunehmenden Wirt-
grund der intensiven Bewässerung in der Landwirtschaft
schaftsleistung in absoluten Zahlen bei weitem an ers-
ist der Wasserpegel im See Genezareth seit Jahrzehn-
ter Stelle in der Region. Ägypten hat dagegen als Ent-
ten kontinuierlich gefallen, weil mehr Wasser entnom-
wicklungsland bei vergleichbarer Bevölkerungszahl nur
men wird als durch den Jordan wieder zufließt. Regen-
die Hälfte der türkischen Emissionen zu verzeichnen.
fälle sind spärlich und auch der Grundwasserspiegel
sinkt. Die Entsalzung von Meerwasser könnte eine
In der Türkei berichten die Medien seit einigen Jahren
Option zur Wasserversorgung sein, doch diese ist sehr
zwar regelmäßig über den globalen Klimawandel und
energieaufwändig und extrem kostspielig. Erneuerbare
seine möglichen Auswirkungen auf das Land, doch die
Energien könnten zumindest für eine geregelte Strom-
Bevölkerung und auch die Politik nimmt dieses Thema
versorgung in Angriff genommen werden. Ins interna-
nicht wirklich ernst. Die eigenen Wasserprobleme sind
tionale Klimageschäft ist die israelische Regierung erst
überwiegend hausgemacht durch exzessive Bewässe-
kürzlich eingestiegen: Sie will im Rahmen von CDM-
rung in einer intensiven Landwirtschaft und Wasserver-
Projekten Emissionszertifikate an Deutschland veräu-
schwendung durch undichte Leitungen. Die Großstädte
ßern. Davon sollen gemeinsame Forschungsprojekte
Istanbul, Ankara und Izmir müssen sich schon ferne
zum Umwelt- und Klimaschutz finanziert werden.
Trinkwasserquellen erschließen und Fernleitungen bauen. Die türkische Regierung lehnt Emissionsbeschrän-
Marokko und Algerien sind von den Auswirkungen des
kungen bisher ab, weil das Land sich wirtschaftlich
Klimawandels betroffen, vor allem wegen des Nieder-
erst noch entwickeln müsse und es die Kosten für den
schlags- und Wassermangels mit negativen Auswirkun-
Umwelt- und Klimaschutz nicht tragen wolle. Dabei
gen auf die Land- und Forstwirtschaft. Es ist jedoch
kann die Türkei durchaus in die Gruppe der schnell
schwer zu trennen zwischen externen Klimafolgen und
wachsenden Schwellenländer einklassifiziert werden.
hausgemachten Umwelt- und Ressourcenproblemen,
Die Emissionswerte steigen im Zuge der energiegetrie-
z. B. durch Überfischung oder Wasserverschwendung.
benen Industrialisierung und Motorisierung ständig an,
Auch dem Tourismus als wirtschaftlichem Standbein
wobei die heimische Braunkohle der Hauptenergieträ-
und wichtigem Devisenträger Marokkos droht durch
ger ist. Erneuerbare Energien werden trotz der vorhan-
höhere Temperaturen und geringere Niederschläge
denen Potentiale – mit Ausnahme der großen Wasser-
ein Einbruch. Der Druck zum Handeln wächst, doch er
kraftwerke – bislang kaum genutzt.
kommt weniger von innen als von außen. Internationale Partner versuchen Umwelt- und Ressourcenschutz
im Bewusstsein der Menschen zu verankern, doch die
126
Alltagssorgen der Bevölkerung lassen wenig Raum für
Modernisierung der Landwirtschaft. Allerdings kann
umweltgerechtes Verhalten. Eine öffentliche Debatte
nicht der in den Industriestaaten ausgelöste Nachfrage-
über diese Dinge findet kaum statt. Die marokkanische
boom nach Bioethanol als Ersatz für Erdöl eine befrie-
Regierung ist sich der Problematik bewusst, die auch
digende Lösung für die afrikanische Landwirtschaft
die nationale Energieversorgung betrifft, welche sich
sein. Denn weltweit betrachtet ist die starke Expansion
überwiegend auf fossile Energieträger (Öl und Gas)
von Biotreibstoffen eine akute Gefahr für die biologi-
stützt. Mit deutscher Unterstützung wird der Ausbau
sche Vielfalt und den Artenschutz. Forscher warnen
von Solar- und Windenergie betrieben, wobei neben
davor, die Treibhausgasemissionen auf Kosten der
Klimaschutz die Reduzierung der Importabhängigkeit
Natur in Entwicklungsländern zu senken.
das Hauptmotiv ist. In Algerien sind die Umwelt- und
Klimaprobleme ähnlich wie im Nachbarland Marokko,
Nigeria, das bevölkerungsreichste Land Schwarzafrikas
doch es hat als OPEC-Staat eine ganz andere Energie-
mit rund 140 Millionen Einwohnern, steht klimapolitisch
basis und exportiert Öl und Gas gegen Devisen ins Aus-
vor einem Dilemma. Einerseits muss das Land eigene
land, nach Europa und Amerika. Der auch dort mög-
Anstrengungen schon im eigenen Interesse unterneh-
liche Ausbau von erneuerbaren Energien wird noch nicht
men, um seine Bevölkerung nicht weiter zu gefährden;
so ernsthaft betrieben wie in Marokko, aber auch Alge-
andererseits produziert und exportiert es in großen
rien wird sich in naher Zukunft wohl auf seine heimische
Umfang Erdöl- und Erdgas für den Weltmarkt, zuneh-
Sonnen- und Windenergie besinnen.
mend auch nach China. Nigeria ist auf diese Exporteinnahmen angewiesen, um seine nationale Entwicklung
K L I M A D E B ATT E I N A F R I K A
voranzutreiben. Jegliche Klimaschutzstrategie, die auf
(SÜDLICH DER SAHARA)
einen weitgehenden Verzicht auf fossile Energieträger,
wie Erdöl, setzt, schadet dem Staat in finanzieller Hin-
Die Länder Westafrikas (zumeist in der Sahelzone)
sicht und beeinträchtigt notwendige Investitionen in
zählen zu den ärmsten Ländern der Welt, wo die ele-
Bildung und Gesundheit, aber auch in Industrie- und
mentare Grundversorgung mit Lebensmitteln, Wasser
Infrastrukturprojekte.
und Energie oft nicht gewährleistet ist. In einer Region,
in der die Lebenserwartung der Menschen gerade
Die in Zentralafrika gelegene Demokratische Republik
mal 45 Jahre im Schnitt beträgt und viele Kinder an
Kongo ist flächenmäßig das größte afrikanische Land
Malaria sterben, stehen naturgemäß andere Themen
mit einer überwältigenden Biodiversität, die allerdings
auf der Tagesordnung als der Klimawandel. Doch ist
durch Abholzung und Brandrodung akut bedroht ist.
nicht zu übersehen, dass der Klimawandel bereits
Mit einer Bevölkerungszahl von knapp 65 Millionen ist
heute in Afrika – und viel direkter als in Europa – die
es der drittgrößte afrikanische Staat. Er zählt zu den
Lebensgrundlagen der meisten Menschen bedroht,
ärmsten der Welt und ist gleichzeitig Opfer und Mit-
insbesondere aber in den ländlichen Regionen. Fakto-
verursacher des Klimawandels, wenn der heimische
ren, die den Klimawandel in Afrika verschärfen, sind
tropische Regenwald als globaler Kohlenstoffspeicher
die Praktiken der Brandrodung und die Herstellung von
zunehmend verschwindet. Das gesamte Kongobecken,
Holzkohle. Mit dieser wird fast die gesamte Energie-
das eine ähnliche Schutzfunktion erfüllt wie das Ama-
versorgung auf dem Land abgedeckt. Die Stromver-
zonasbecken in Südamerika, ist von Entwaldung be-
sorgung ist insbesondere auf dem Land – aber auch
droht. Die Auswirkungen des Klimawandels können
in den Städten – mangelhaft. In den wuchernden
nur durch eine schnelle Wiederaufforstung gemildert
Städten greift die Luftverschmutzung durch den Auto-
werden, damit die Wasserversorgung auch zukünftig
verkehr und dieselgetriebene Stromgeneratoren die
gewährleistet werden kann. Eine nachhaltige Bewirt-
Gesundheit der Bevölkerung an. Die Stromproduktion
schaftung der Waldgebiete erfordert die Einbeziehung
ist ökologisch alles andere als nachhaltig und muss
aller Akteure, einschließlich der holzverarbeitenden
dringend auf eine klimaverträgliche Basis umgestellt
Industrie und der Nachfrageseite in den Industriestaa-
werden.
ten. Auch die Gesundheitsrisiken durch ganzjährige
Malaria in vielen afrikanischen Staaten bedürfen einer
Von allen Kontinenten trägt Afrika am wenigsten zum
internationalen Zusammenarbeit und einer finanziellen
Klimawandel bei, wird darunter aber am meisten zu
und technischen Unterstützung von außen. Die politi-
leiden haben. Westafrika benötigt also dringend inter-
sche Elite muss für diese Projekte erst noch gewonnen
nationale Partner, um die Region gegen die Folgen des
werden.
Klimawandels zu wappnen. In armen Entwicklungsregionen kann häufig mit viel weniger Geld ein größerer
In Ostafrika ist der Klimawandel kein neues Phänomen.
Beitrag zum Klimaschutz erzielt werden als in reichen
Extreme Trockenheit und starke Überschwemmungen
Industrienationen. So ist Hilfe bei der Substitution von
wechseln periodisch und gehören zum Alltag in Kenia,
Holzkohle durch andere, vorzugsweise erneuerbare,
Uganda und Tansania. Doch dass die Pegelstände am
Energiequellen dringend erforderlich, ebenso bei einer
Victoria-See, dem größten Süßwasserreservoir Afrikas,
127
seit Jahren bedrohlich sinken, ist schon besorgniserre-
und Lateinamerikas (Brasilien und Mexiko) repräsen-
gend. Auch die jüngsten Überschwemmungen in wei-
tiert es dort allein den afrikanischen Kontinent. Diese
ten Teilen Afrikas auf Grund monsunartiger Regenfälle
besondere Auszeichnung entspringt seiner wirtschaftli-
haben große Schäden angerichtet. Dass das Wetter
chen und politischen Vormachtstellung in der Region.
die Ernten beeinflusst ist wenig überraschend. Aber
Diese beruht auf seinem Reichtum an mineralischen
nicht die Dürre oder Überschwemmungen, die Ernten
und energetischen Ressourcen, seiner vergleichsweise
vernichten, sind die eigentlichen Probleme Afrikas. Die
gut ausgebildeten Arbeiterschicht und einer demokra-
Erträge der Landwirtschaft hängen nicht allein vom
tisch legitimierten, westlich orientierten Regierung.
Klima und seinen Folgen ab, sondern auch von den
Allerdings gibt es auch Problembereiche, wie die fast
politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.
ausschließlich auf Kohle basierte Energieversorgung des
Oftmals fehlen Recht und Ordnung, um – selbst bei
Landes mit hohen CO2-Emissionswerten, die jene des
widrigen klimatischen Bedingungen – nachhaltig wirt-
viermal größeren Brasilien in absoluter Höhe noch über-
schaften zu können, sowie in vielen Staaten Afrikas der
treffen. Trotzdem bleibt die nationale Stromversorgung
notwendige Frieden und die staatliche Stabilität. Nur
unzureichend für den industriellen wie privaten Bedarf.
starke Regierungen, die bereit sind zum Wohle ihrer
So soll auch die Kernkraft zum Einsatz kommen, mög-
Bürger zu handeln, sind verantwortungsvolle Partner
licherweise mit der ursprünglich in Deutschland ent-
der internationalen Staatengemeinschaft beim Klima-
wickelten und später dort ausrangierten Hochtempera-
schutz.
turtechnologie. Von Südafrika wird eine Vorreiterrolle
in Sachen Klima- und Umweltschutz sowie nachhaltige
In dieser Rolle versucht sich das Schwellenland Süd-
Entwicklung für die Nachbarstaaten erwartet. Mit Blick
afrika im Rahmen eines politischen Dialogs mit den
auf die Fußballweltmeisterschaft 2010 versucht das
G8-Staaten zu präsentieren. Zusammen mit den weit
Gastgeberland sein internationales Image entsprechend
größeren Schwellenländern Asiens (China und Indien)
aufzupolieren.
D I E Z E H N G R Ö S S T E N C O2 - E M I T T E N T E N I N D E R W E L T
Anteil in % an weltweiten energiebedingten Werten, 2006
Land
CO2-Emissionen
Energieverbrauch
Bruttoinlandsprodukt
Erdbevölkerung
USA
21,8
20,7
20,5
4,6
China
17,9
14,5
13,8
20,5
Russland
5,8
5,7
2,5
2,3
Japan
4,6
4,8
6,6
1,9
Indien
4,2
5,1
5,9
17,1
Deutschland
3,2
3,1
4,1
1,3
Kanada
2,1
2,4
1,8
0,5
Großbritannien
2,1
2,1
3,2
0,9
Südkorea
1,8
1,9
1,8
0,8
Italien
1,7
1,6
2,9
0,9
Weltanteil
65,2
61,9
63,1
50,8
Quelle: Spiegel online/Germanwatch/IEA
128
SCHLUSSFOLGERUNGEN
effizienz sowie den Ausbau von Erneuerbaren Energien
muss auch international glaubwürdig durch eigene
Deutschlands internationale Rolle beim Klimaschutz:
Vorleistungen und Erfolge unterstrichen werden. Die
Deutschland hat im Jahr 2007 eine doppelte Verantwor-
Unterstützung der anderen Mitgliedsstaaten in der EU
tung in Europa und der Welt geschultert. Im ersten
ist unabdingbar, häufig aber schwierig einzufordern.
Halbjahr hatte die deutsche Bundesregierung den Vor-
Das Problem ist, dass die Interessen und die Meinun-
sitz im Europäischen Rat und konnte so die Verabschie-
gen der 27 Mitgliedsstaaten zu weit auseinander gehen,
dung eines ehrgeizigen Zielkatalogs zur gemeinsamen
außerdem blockieren schwerfällige Abstimmungs- und
Energie- und Klimapolitik der EU-27 maßgeblich beein-
Entscheidungsprozesse die Formulierung einer gemein-
flussen. Nun gilt es, diese Ziele durch geeignete Maß-
samen Politik gegenüber wichtigen Drittstaaten, wie
nahmen auch auf nationaler Ebene zu konkretisieren.
z. B. Russland, USA und China.
Zum anderen war Deutschland in diesem Jahr der Gastgeber der sogenannten G8-Staaten in Heiligendamm,
Energiedialog mit Russland: Obwohl ein Gesamtinte-
wo die größten Wirtschaftsmächte der Welt zusammen
resse der EU an einer strategischen Partnerschaft mit
mit den fünf größten Schwellenländern konferierten,
Russland besteht, gibt es viele Probleme auf dem Weg.
u.a. zum Thema globaler Klimawandel und Klimaschutz.
Die gegenseitige Wahrnehmung ist schwierig gewor-
Somit war Deutschland mit Bundeskanzlerin Angela
den, weil Russland sich noch nicht an die neue, um
Merkel in einer wichtigen Führungsposition, um Bewe-
ehemalige sowjetische Satellitenstaaten erweiterte EU
gung in die internationalen Klimaverhandlungen zu
gewöhnt hat, ebenso wenig wie die EU das neue, wirt-
bringen und einen Durchbruch zu einem Kyoto-Nach-
schaftlich wieder erstarkte und politisch selbstbewusste
folgeabkommen zu erzielen. Das ist zumindest ansatz-
Russland richtig einzuschätzen vermag. Beide Seiten
weise gelungen, denn es besteht im Kreis der wich-
müssen lernen miteinander vernünftig umzugehen.
tigsten Staats- und Regierungschefs ein Grundkonsens
Auf dem Spiel steht die vertrauensvolle Partnerschaft
darüber, dass gemeinsam und schnell gehandelt wer-
mit dem wichtigsten Nachbarn in Europa, ohne den
den muss, um die möglichen Folgeschäden eines
man in absehbarer Zeit nicht auskommen kann und
globalen Klimawandels zu begrenzen. Im Detail wird
den man zur Lösung vieler gemeinsamer Probleme, wie
über die dazu erforderlichen Maßnahmen aber noch
Energiesicherheit und Klimaschutz, dringend braucht –
politisch gerungen.
auch in der Ära nach Putin. Der EU-Russland-Dialog
muss wieder belebt und intensiviert werden. Er sollte
Der Klimawandel ist ein globales Problem, das nur
aber bilateral und nicht vielstimmig geführt werden:
gemeinsam von allen Ländern gelöst werden kann. Es
die EU muss lernen, mit einer Stimme nach außen zu
bedarf dazu internationale Vereinbarungen, die Staaten
sprechen, z.B. in Energiefragen. Deshalb empfiehlt
zum Handeln verpflichten, um ihre Bevölkerung vor
die Kommission den Mitgliedsstaaten eine gemeinsame
den möglichen Folgen angemessen zu schützen. Vor-
Energieaußenpolitik zu formulieren.
leistungen der wirtschaftlich starken Staaten und zwischenstaatliche Kooperationen mit Technologie- und
Transatlantische Zusammenarbeit: Die Partnerschaft
Kapitaltransferleistungen sind auch erforderlich, damit
mit den USA ist in den letzten Jahren einigen schwie-
auch die armen Länder wegen mangelnder Ressourcen
rigen Belastungsproben unterzogen worden. Insbe-
nicht auf der Strecke bleiben. Es gilt weltweit die Ener-
sondere das amerikanische Engagement im Irak-Krieg
giesysteme nachhaltig umzubauen und deren Abhän-
hat die Beziehungen mit Deutschland und anderen
gigkeit von fossilen Energieträgern zu reduzieren. Der
EU-Staaten zeitweilig getrübt und einen Keil in die EU
Emissionshandel könnte dazu ein nützliches Instrument
getrieben, als in den US-Medien zwischen den Befür-
sein. Ebenso wichtig ist es der unkontrollierten Abhol-
wortern und den Gegnern des Kriegskurses nach einem
zung und der Brandrodung weitweit Einhalt zu gebieten
„neuen” und einem „alten” Europa unterschieden wur-
und in Waldschonung sowie Wiederaufforstung zu in-
de. Auch dass die amerikanische Administration unter
vestieren. Ferner wird es wohl ohne geeignete Anpas-
George Bush das Kyoto-Protokoll nicht unterzeichnet
sungsmaßnahmen, z. B. zum Küsten- und Gewässer-
hat, und damit nach deutscher und EU-Sichtweise die
schutz bis hin zur möglichen Umsiedlung von Menschen
internationalen Bemühungen um einen globalen Klima-
aus gefährdeten in sichere Zonen, auf Dauer nicht ge-
schutz behinderte, war in der Sache nicht förderlich.
hen. Im Zuge einer internationalen Solidarität müssten
Ermuntert durch inneramerikanische Entwicklungen
die reichen Staaten die armen Länder mit finanziellen
in einzelnen Bundesstaaten und Kommunen, setzen
und technischen Mitteln dabei unterstützen.
Deutschland und die EU mittelfristig auf die Mitwirkung
der USA an Maßnahmen zum internationalen Klima-
Die deutsche und europäische Klimadiplomatie hat noch
schutz im Rahmen eines Kyoto-Nachfolgeabkommens.
viele Herausforderungen zu meistern. Die eigene Vor-
Vieles hängt wohl auch von der wirtschaftlichen Rivali-
reiterrolle in Bezug auf eine radikale Energiewende
tät der USA mit China ab und dem Entgegenkommen
durch verstärktes Energiesparen und erhöhte Energie-
der großen dynamischen Wachstumsregionen beim
129
Umwelt- und Klimaschutz. Wenn das Eigeninteresse
LÖSUNG DES KLIMAPROBLEMS DURCH DIE
an solchen Schutz- und Vorbeugemaßnahmen auch in
I N T E R N AT I O N A L E S TA AT E N G E M E I N S C H A F T ?
den großen Schwellenländern überwiegt, wird eine
globale Zusammenarbeit bei diesen Fragen leichter zu
Globale Klimapolitik kann man nur in engem Zusam-
erzielen sein.
menhang mit internationaler Diplomatie und Weltpolitik
sehen. Auf dieser Bühne zählt nationale Größe, was
Politischer Dialog mit Schwellen- und Entwick-
Ressourcenausstattung, Bevölkerungszahl und Flächen-
lungsländern: Die Frage, ob der exklusive Kreis der
ausdehnung, vor allem aber die Wirtschafts-, Kapital-
G8-Wirtschaftsmächte um eine Gruppe von wenigen
und Militärmacht von Staaten betrifft. Zweifellos kann
großen Schwellenländern, wie China, Indien, Brasilien,
aber auch das Technologie- und Innovationspotential
Mexiko und Südafrika oder noch einige andere, aufge-
von Industriestaaten als positiver Einflussfaktor in den
stockt werden sollte, mag vielleicht verfrüht sein. Doch
internationalen Beziehungen gesehen werden. Bislang
sie weist auf den Kern des Problems hin: ohne diese
spielen Nordamerika, d.h. die USA und Kanada sowie
aufstrebenden dynamischen Wachstumsländer werden
die großen Staaten Europas hier eine herausragende
die Energie- und Klimaprobleme der Welt nicht zufrie-
Rolle. Als einziger asiatischer Staat gehört Japan zu den
denstellend gelöst werden können. Man muss sie
weltweit führenden Wirtschaftsmächten. Auch andere
künftig in gemeinsame Aktionen einbinden und dazu
große asiatische Staaten streben nun in die Rolle von
ist ein fachlicher und politischer Dialog unerlässlich –
Führungsmächten, allen voran die beiden bevölkerungs-
in welchem internationalen Rahmen auch immer. Die
reichsten Länder der Welt, China und Indien, beflügelt
Entwicklungsländer sehen sich in ihrer Mehrzahl als
durch anhaltendes dynamisches Wirtschaftswachstum.
„Opfer” der Klimaveränderungen, die hauptsächlich
Dieser Kreis kann sicherlich noch um einige andere
von den Industrieländern verursacht wurden. Die gro-
Staaten in der Region wie Südkorea oder Indonesien
ßen Schwellenländer sind dabei, diese wirtschaftliche
erweitert werden. Gleichwohl werden diese wirtschaft-
Entwicklung mit ähnlichen Fehlern, wie sie von den
lichen Boom-Staaten in internationalen Verträgen wie
Industrieländern gemacht wurden, in rasantem Tempo
der UN-Klimarahmenkonvention und dem Kyoto-Proto-
nachzuholen, wobei sie nach ähnlich energieaufwen-
koll noch als „Entwicklungsländer” klassifiziert ohne
digem Muster verfahren wie die bereits entwickelten
die gleichen Verpflichtungen zur Emissionsminderung
Volkswirtschaften. Für sie hat das Ziel der Energie-
wie die Gruppe der Industrieländer. Den in Medien ge-
sicherheit einen Vorrang vor dem Klimaschutz. Sie
bräuchlichen Begriff „Schwellenländer” gibt es offiziell
vertreten den Standpunkt, dass erst einmal die Indus-
nicht. Diese müssen aber neben der Gruppe der Indus-
trienationen in Vorleistung beim Klimaschutz treten
triestaaten in einem künftigen Klimaschutzregime mehr
müssen, bevor sie ähnliche Leistungen von ihnen er-
internationale Verantwortung übernehmen, wenn zähl-
warten und fordern können. So blockieren sich beide
bare Erfolge bei der Begrenzung der Erderwärmung
Seiten auf der politischen Verhandlungsebene.
verzeichnet werden sollen.
Die große Gruppe der armen und ärmsten Entwick-
Asien wird auf Grund der in vielen Ländern zu beob-
lungsländer, vor allem in Afrika, aber auch in Asien und
achtenden demografischen und wirtschaftlichen Wachs-
Lateinamerika, darf darüber aber nicht vergessen wer-
tumsdynamik als „Kontinent der Zukunft” wahrgenom-
den. Dort haben rund 1,6 Milliarden Menschen auf der
men. Die EU und ihre Mitgliedsstaaten werden zwar
Welt immer noch keinen Zugang zu einer Versorgung
von den großen Veränderungen in Asien betroffen sein,
mit Elektrizität. Häufig sind diese auch die Opfer eines
sie aber kaum aktiv gestalten können. Das betrifft
ungezügelten Klimawandels, dem sie aus Gründen der
auch die Lösung globaler Probleme, wie den Klima-
Armut wenig entgegen zu setzen haben und für dessen
schutz. Die Vorreiterrolle von Deutschland und der EU
Bewältigung sie auf finanzielle und technische Unter-
ist lobenswert, aber nur bedingt erfolgversprechend.
stützung von außen angewiesen sind. Voraussetzung
Denn der deutsche und europäische Beitrag zur Ener-
ist jedoch, dass die Regierungen dieser Länder sich
gieeinsparung und Emissionsminderung ist einfach zu
auch wirklich um die Belange der eigenen Bevölkerung
gering, um globale Wirkung entfalten zu können. Dafür
kümmern und nicht bloß Eigeninteressen vertreten.
müssen andere „global players”, wie die USA und China,
Diese Menschen und Staaten tragen jedoch mit ihren
erst einmal gewonnen werden. Vielleicht setzt sich
Handlungen auch selbst zum Klimawandel bei – häufig
auch dort bald die Erkenntnis durch, dass klimapoliti-
unwissentlich oder aus purer Not, manchmal aber auch
sches Handeln im ureigenen Interesse ist.
aus wirtschaftlicher Gier und Unvernunft. Abholzung
und Brandrodung sind in diesen Ländern die Hauptur-
Die internationale Staatengemeinschaft mit über
sachen für die Emissionen von Treibhausgasen, die den
190 Mitgliedern unter dem UN-Dach ist gefordert, dem
weltweiten Klimawandel antreiben. Nachhaltige Ent-
globalen Klimaschutz einen herausregenden politischen
wicklung muss in vielen Regionen der Welt erst wieder
Stellenwert einzuräumen und sich auf gemeinsame
erlernt werden.
Regeln und Maßnahmen zu verständigen. Das geschieht
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bei den internationalen Klimakonferenzen, wie in Bali,
Trotz des von manchen Ländern ausgesprochenen
nach dem in multilateralen Gremien üblichen Abstim-
Bekennnisses zu einer Energiewende werden die fossi-
mungsprinzip „ein Land, eine Stimme”. Fortschritte bei
len Energieträger, insbesondere die Kohle, auch in den
diesen Verhandlungen sind mühselig und langsam, weil
nächsten Jahrzehnten bei weltweit steigender Nach-
viele Regierungen nicht bereit oder nicht handlungs-
frage voraussichtlich noch den Löwenanteil (zur Zeit
fähig sind, um sich für die Belange der eigenen Bevöl-
80 Prozent) der globalen Energienutzung stellen. Des-
kerung, geschweige denn für globale Ziele, entschieden
halb ist die Entwicklung von klimafreundlichen Kraft-
einzusetzen. Von schwachen, unterentwickelten oder
werkstechnologien, wie die Abtrennung und Deponie-
gar „zerfallenden” Staaten mit hohem inneren Konflikt-
rung von Kohlendioxyd aus Kohle und Gas (CCS) von
und Gewaltpotential und instabilen Regierungen sind
großer Bedeutung für Wirtschaft und Politik. Auf diesen
kaum Entscheidungen und Handlungen zu erwarten, die
Technologiepfad setzen die USA und andere Industrie-
zur Lösung von globalen Problemen – wie den Folgen
staaten in Europa und Asien. Hier bietet sich auf inter-
des Klimawandels – beitragen. Sie sind oft noch nicht
nationaler Ebene eine Brücke zur Kooperation in For-
einmal in der Lage, ihre eigenen Probleme zu lösen.
schung und Entwicklung zum Wohle aller Staaten, wenn
diese Erkenntnisse und Erfindungen auch den Schwel-
Fortschritte sind eher von einer Gruppe handlungs-
len- und Entwicklungsländern zur Verfügung gestellt
bereiter und handlungsfähiger Staaten zu erwarten,
werden.
die sich auf gemeinsame Regeln und Maßnahmen verständigen und diese kontrollieren. Diese zweite infor-
Eine internationale Einigung auf das so genannte Zwei-
melle Verhandlungsebene, auf der sich die wichtigsten
Grad-Ziel bei der Erderwärmung ist insofern wichtig,
Industrie- und Schwellenländer begegnen, sollte die
als sich daraus eine große Anzahl von Unterzielen und
erste nicht ersetzen, kann sie aber sinnvoll ergänzen.
Maßnahmen zur Reduzierung von Treibausgasen ablei-
Deshalb sollte der 2005 im G8-Rahmen gestartete
ten lassen. Es muss endlich auch der finanzielle und
„Gleneagles-Prozess” fortgeführt werden.
technische Rahmen für die erforderlichen Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel in den am stärks-
Ausblick auf die Bali-Klimakonferenz: Es geht dort in
ten betroffenen Regionen, häufig in armen Entwick-
erster Linie darum, bis 2009 einen verbindlichen Fahr-
lungsländern, gesetzt werden. Dass der Klimawandel
plan zur Aushandlung eines Nachfolgeabkommens für
enorme sicherheitspolitische Risiken wie durch Umwelt-
das Kyoto-Protokoll, das Ende 2012 auslaufen wird, zu
und Wetterkatastrophen verursachte Flüchtlingswellen
vereinbaren. Dabei müssen die bisher abseits stehenden
verursachen kann, ist in einem Gutachten des Wissen-
Industrienationen USA und Australien sowie die auf-
schaftlichen Beirats der Bundesregierung (WBGU) erst
strebenden Schwellenländer wie China und Indien
kürzlich betont worden. Schon in unserem eigenen
ins gemeinsame Boot geholt werden. Ob die von der
nationalen Interesse ist entschiedenes Handeln ange-
Bundeskanzlerin angebotene Formel einer Pro-Kopf-
sagt. Besser sind natürlich international koordinierte
Zuteilung von Emissionsrechten unter dem Gebot der
Maßnahmen. Deutschland und die EU-Staaten leisten
globalen Gerechtigkeit von allen Staaten anerkannt
beim Klimaschutz eine wichtige Vorreiter-Funktion.
wird und zu einem Durchbruch bei den Verhandlungen
Diese kann aber nur dann glaubhaft erfüllt werden,
führt, bleibt abzuwarten. Gleiche Emissionsrechte be-
wenn auch die politisch vereinbarten oder selbst gesetz-
deutet für Industrienationen einen drastischen Umbau
ten Ziele größtenteils erreicht werden.
ihrer Energie- und Wirtschaftssysteme. Für die Entwicklungs- und Schwellenländer bedeutet dieses Zuge-
Klimaschutz ist nicht zum Nulltarif zu haben. Es kostet
ständnis einen erweiterten nationalen Entwicklungsrah-
allen Bürgern und der Wirtschaft viel Geld, rechnet
men mit mehr Wirtschaftswachstum und Energiever-
sich aber unter dem Strich, wie viele Studien und Gut-
brauch, aber auch Einkommen für nicht selbst benötig-
achten belegt haben. Die Kosten- und Nutzenfrage
te und ans Ausland veräußerte Emissionsrechte. Das
wird immer wieder gestellt und muss von Wirtschaft
alles setzt die Entwicklung eines globalen Markts für
und Politik beantwortet werden. Denn letztlich geht
Emissionsrechte voraus, den es bislang erst in Ansät-
es auch um die gesellschaftliche Akzeptanz und politi-
zen in Europa und Teilen Nordamerikas gibt. Auch
sche Durchsetzbarkeit von bestimmten Maßnahmen
von CDM-Maßnahmen würden Entwicklungsländer pro-
zum Klimaschutz. Dafür ist eine öffentliche Klimade-
fitieren, wenn ausländische Unternehmen aus Indus-
batte, zumindest in Demokratien, unerlässlich. Wie der
trieländern in Aufforstungsprojekte und Klima scho-
vorliegende Klimareport aufzeigt, gibt es international
nende Energietechniken investieren. In einem zu
betrachtet noch große Defizite, so dass der Boden für
vereinbarenden Klimaabkommen sollte ein effektiver
einen globalen Klimaschutz noch längst nicht vorberei-
Wald- und Meeresschutz neu bewertet werden, um
tet ist. Das Thema ist zwar in Deutschland und einigen
auch die Nichtausbeutung von Naturressourcen finan-
anderen Staaten in der Öffentlichkeit und auch in der
ziell zu honorieren.
Politik „angekommen”, doch es bleibt noch viel Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit weltweit zu leisten.
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Dr. Hartmut Grewe
109 | R E S Ü M E E
Texte
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
der Konrad-Adenauer-Stiftung
Gestaltung und Realisierung
SWITSCH KommunikationsDesign, Köln
workstation gmbh | produktionsservice
für analoge und digitale medien, Bonn
Fotos
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KLIMAREPORT INTERNATIONAL
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ISBN 978-3-939826-67-5
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