Machtkonzentration in Demokratien Welche Machtkonzentration führt zu einer harmonischeren Demokratie? Autorin und Autor: Mala Walz & Julian Stoffel Projektleiterinne: Lea Heyne & Miriam Hänni Zusammenfassung Wie lässt sich die Machtkonzentration in einer Demokratie messen und wie beeinflusst sie die Aspekte der Vermögensverteilung, des Vertrauens und des demokratischen Bildes nach aussen? Diese Fragen wurden beantwortet, indem zuerst die Machtkonzentration in einem Staat mithilfe von verschiedenen Indikatoren gemessen und zu einem Index zusammengefasst wurde. Mit den erhaltenen Daten liess sich feststellen, ob, über alle bewerteten Demokratien gesehen, ein Zusammenhang zwischen Machtkonzentration und den Aspekten Vermögensverteilung, Vertrauen in Politiker und der Stärke der Demokratie besteht. Dabei stellte sich heraus, dass Demokratien mit einer tiefen Machtkonzentration eher als harmonischer einzustufen sind. 1. Einführung Demokratien sind heute weltweit verbreitet und werden vor allem von westlichen Staaten als erstrebenswerte Staatsform angesehen, da das Volk viel Einfluss nehmen kann. Allerdings gibt es dabei verschiedene Formen der Demokratie, die sich unter anderem in der Konzentration der Macht unterscheiden. Aber was genau ist Machtkonzentration, wie kann sie gemessen werden und um eine Messung vorzunehmen: welche Eigenschaften machen den Grad der Machtkonzentration aus? Nach Beantwortung dieser Fragen stellt sich aufgrund der nun möglichen Einteilung nach Machtkonzentrationen die zentrale Frage, wie die Demokratien dadurch beeinflusst werden. Dabei sollen in dieser Forschungsarbeit die Aspekte, ob eine tiefe Machtkonzentration zu mehr Gerechtigkeit führt, mehr Vertrauen schafft und zu einer höheren Einschätzung der eigenen Demokratie führt, behandelt werden. 2. Material und Methoden Bei der Frage, wie konzentriert die Macht in einem demokratischen Staat ist, geht es grundsätzlich darum, auf wie viele unterschiedliche Akteure und Institutionen die Macht verteilt ist. Dies ist abhängig von der Art des Regierungssystems, den politischen Prozessen, wie zum Beispiel der Stärke von Parteien oder dem Wahlverfahren. Zur Vereinfachung der Beurteilung von Machtkonzentrationen lassen sich zwei Arten von Demokratien unterscheiden: die Mehrheits- und die Konsensdemokratie. In einer idealen Mehrheitsdemokratie wird das Prinzip der Mehrheitsregel durchgehend angewendet. Dies führt zu schnellen und klaren Entscheiden, allerdings gleichzeitig auch zu einer Machtkonzentration auf Seiten der Mehrheit. Dem entgegengesetzt wird die Konsensdemokratie, die darauf ausgerichtet ist, möglichst viele Gruppen in den politischen Prozess miteinzubeziehen und somit Kompromisse zu bilden, die in der ganzen Gesellschaft akzeptiert sind. Dieses Vorgehen führt nach Arend Lijphart, auf dessen Theorie die vorliegende Einteilung in Mehrheits- und Konsensdemokratie beruht, zu einer grossen Verteilung der Macht, da alle in den politischen Prozess miteinbezogen werden. Als typische Beispiele lassen sich nach Lijpharts Untersuchungen für eine Konsensdemokratie die Schweiz und für eine Mehrheitsdemokratie Grossbritannien definieren. Um die Machtkonzentration in einem Land zu erfassen, kann mit Unterscheidungsmerkmalen der beiden Demokratieformen gearbeitet werden: Im Bereich der Voraussetzungen des Systems kommt es darauf an, welches Wahlrecht, Proporz oder Majorz, gilt, ob mehrere Parlamentskammern bestehen und wie das Parteiensystem aussieht. Die Machtkonzentration hängt aber auch vom politischen Prozess ab, der auch andere wichtige Faktoren, wie die Anzahl der Regierungsparteien, die Machtaufteilung zwischen Legislative und Exekutive und das Parteiensystem im Allgemeinen mitbestimmt. In Folge dessen wurden eigene Indikatoren zur Bestimmung der Machtkonzentration aufgrund der oben genannten Unterschiede erstellt. Die Machtkonzentration lässt sich anhand von verschiedenen Faktoren messen. Nach dem Vorbild Lijpharts wurden die für die Statistik nötigen Indikatoren festgelegt bzw. definiert. Um die jeweilige Machtkonzentration in einer Demokratie zu messen wurde der Schwerpunkt auf die Indikatoren Dirdem, ENEP, Controlle, ToG und das Electoral System gelegt. Beim Indikator Dirdem (Eng. Direct Democracy) ist ausschlaggebend, wie viel Mitbestimmungsrecht der Bevölkerung zugestanden wird, bzw. wie aktiv die EinwohnerInnen auf die politischen Ereignisse Einfluss nehmen können; die Skala wurde von 0 (viel DD) bis 4 (keine DD) festgelegt. Der Indikator ENEP (Eng. Effective Number of Electoral Parties) befasst sich mit der Anzahl in an den Wahlen teilnehmenden Parteien, in diesem Fall betrug die entsprechende Skala 1 (eine Partei) bis 11 (11 Parteien). Der dritte Indikator Controlle misst die Kontrolle der Exekutive über die Legislative, die Skala belief sich auf 0 (keine Kontrolle) bis 3 (absolute Kontrolle). Beim Indikator vier, ToG (Eng. Type of Government), werden die verschiedenen Arten der Regierungszusammensetzungen untersucht, die Übergrosse Koalition, die Ein- bzw. Mehrparteien-Minderheitsregierung, die Minimal Winning Coalition und die Einparteienmehrheit resp. das Präsidentialkabinett, die entsprechende Skala beläuft sich auf 0 (ÜK) bis 3 (EPM/MPM). Der letzte Indikator Electoral System beurteilt das Wahlsystem eines Staates. Wird eine Regierung im Majorzverfahren gebildet erhält sie den Skalenwert 2, wird sie im Proporzsystem gewählt erhält sie den Wert 0, die Staaten mit der Angabe „Mixed“ wurden mit dem Wert 1 Skaliert. Alle Skalenwerte wurden auf ein entsprechendes Zahlenverhältnis zwischen 0 (wenig Machtkonzentration) und 1 (grosse Machtkonzentration) standardisiert, so dass bei der Indexbildung für Demokratien mit einer hohen Machtkonzentration ein hoher Wert berechnet und bei einer grossen Machtverteilung ein dementsprechend kleiner Wert ersichtlich wurde. Anschliessend wurde der entstandene Wert der verschiedenen Staaten dazu gebraucht, mit anderen Werten wie dem Gini-Index, der durchschnittlichen Einschätzung des eigenen politischen Systems als Demokratie und dem durchschnittlichen Vertrauen in Politiker, einen Zusammenhang herzustellen, um so Aussagen über die Auswirkungen der Machtkonzentration in Demokratien machen zu können. 2 Grafik 1: Diagramm, das die Machtkonzentration verschiedener Demokratien darstellt. Die Einteilung beruht auf einem selbst erstellten Index. Hohe Werte bedeuten eine hohe Machtkonzentration. 3. Resultate Die Messungen der Machtkonzentration der jeweiligen Staaten fallen den Erwartungen entsprechend aus. Länder wie die Schweiz und Dänemark befinden sich am unteren Ende der Grafik mit einer entsprechend tiefen Machtkonzentration, während die USA oder Grossbritannien eher am oberen Ende rangieren. Zum Zusammenhang von Gini-Index und Machtkonzentration lässt sich festhalten, dass mit einer höheren Machtkonzentration auch tendenziell die Ungleichheit der Vermögensverteilung zunimmt. Dies bestätigt die These, dass Konsensdemokratien eher gerechter als Mehrheitsdemokratien zu beurteilen sind. Grafik 2: Diagramm, das den Zusammenhang der Machtkonzentration und dem Gini-Index aufzeigt. Eine ungleiche Vermögensverteilung führt zu einem hohen Wert beim Gini- Index. Quelle: Demokratiebarometer, Weltbank Bei dem Vertrauen in die eigenen Politiker fällt auf, dass bei zunehmender Machtkonzentration das Vertrauen abnimmt. Also ist das Vertrauen in die Politiker einer Konsensdemokratie im Allgemeinen grösser. Das lässt vermuten, dass es für Wähler eine Rolle spielt, wie viel Macht der Vertrauensperson zugeteilt wird, sowie ob sie an sich vertrauenswürdig ist und ob sie auch von weiteren Personen (Politikern) kontrolliert wird, um so die Gefahr eines Alleingangs zu vermeiden. 3 Grafik 3: Diagramm zum Zusammenhang zwischen dem Vertrauen in die Politiker und der Machtkonzentration in einem Land. Quellen: Demokratiebarometer, ESS Bei der Einschätzung des eigenen Landes als Demokratie ergab sich, dass BürgerInnen in Staaten mit einer geringeren Machtkonzentration ihr Land in der Regel auch als eher demokratisch wahrnehmen. Grafik 4: Diagramm, das die persönliche Einschätzung der eigenen Demokratie im Zusammenhang zur im Staat vorhandenen Machtkonzentration aufzeigt. Quellen: Demokratiebarometer, ESS Quellen: Politikbarometer, ESS 4. Schlussfolgerungen Im Allgemeinen lässt sich sagen, dass Demokratien mit einer tiefen Machtkonzentration, also eher Konsensdemokratien, verglichen mit verschiedenen Faktoren wie dem Gini-Index, der Zufriedenheit mit der eigenen Demokratie sowie dem Vertrauen in die politischen Akteure im Verhältnis zu den Staaten mit einer hohen Machtkonzentration, also Mehrheitsdemokratien, besser abschneiden und so zu einer harmonischeren Demokratie führen. Aus diesem Blickwinkel könnten Konsensdemokratien deshalb als "bessere" Demokratien eingestuft werden. Danksagung Dank geht an alle Personen, welche das Forschungsprojekt und die Erstellung des Berichts ermöglicht und unterstützt haben, namentlich: Miriam Hänni, Lea Heyne und Schweizer Jugend Forscht. 4 Literatur- und Quellenverzeichnis • Abromeit, Heidrun, Stoiber, Michael, Demokratien im Vergleich, 2006, Wiesbaden • Croissant, Aurel, Regierungssysteme und Demokratietypen, hrsg. Lauth, HansJoachim, 2010, Wiesbaden • Democracy Barometer, www.democracybarometer.org [08.11.2013] • European social survey data, http://nesstar.ess.nsd.uib.no/webview/, [07.11.2013] • Eurostat, Gini-Koeffizient, http://appsso.eurostat.ec.europa.eu/nui/show.do?dataset=ilc_di12&lang=de, [07.11.2013] • Lijphart, Arend, Patterns of Democracy, 1999, Yale University, New Haven and London • PARLINE database on national parliaments, http://www.ipu.org/parlinee/parlinesearch.asp, [ 07.11.2013] • The World Bank, Gini-index, http://data.worldbank.org/indicator/SI.POV.GINI, [07.11.2013] 5