Falk Gastro-Kolleg Leber und Gallenwege

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Falk
Gastro-Kolleg
Leber und
Gallenwege
Therapie der chronischen
Hepatitis C – Update 2012
Zusammenfassung
Die antivirale Therapie der chronischen Hepatitis C besteht seit vielen Jahren aus der
Kombination von pegyliertem Interferon-α (PegIFNα) sowie Ribavirin. Dieses Therapieregime führt bei 80% der Patienten mit Hepatitis-C-Virus (HCV)-Genotyp 2 oder 3 zu
einer anhaltenden Viruselimination. Patienten mit HCV-Genotyp 1 sprechen jedoch nur
in 40–50% auf diese duale Kombinationstherapie an. Daher wurden für die Therapie der
chronischen HCV-Genotyp-1-Infektion in den letzten Jahren direkt antiviral wirksame
Substanzen entwickelt. Diese Substanzen hemmen verschiedene für die Virusreplikation
essenzielle virale Proteine, wie z. B. die NS3/4A-Protease, die NS5B-Polymerase und das
NS5A-Protein. Die beiden NS3/4A-Proteaseinhibitoren Telaprevir und Boceprevir wurden
als erste Vertreter dieser Substanzklasse vor Kurzem zur Therapie der chronischen
HCV-Genotyp-1-Infektion in Kombination mit PegIFN und Ribavirin zugelassen. Diese
Triple-Therapie führt bei ca. 70% der Patienten zu einer anhaltenden Viruselimination.
Es ist zu erwarten, dass in wenigen Jahren weitere direkt antiviral wirksame Substanzen
allein oder in Kombination zur klinischen Anwendung kommen und eventuell sogar
eine Interferon-freie Therapie ermöglichen.
Dr. C. Neumann-Haefelin
Prof. Dr. R. Thimme*
Abteilung Innere Medizin II
Medizinische Universitätsklinik
Freiburg
Hugstetter Str. 
6 Freiburg
*Korrespondierender Autor
Schlüsselwörter
Hepatitis C | Interferon | Telaprevir | Boceprevir
Fragebeantwortung unter
www.falkfoundation.de
Falk Gastro-Kolleg
Titelbild: Histologisches Bild bei Hepatitis C
15
Therapie der chronischen Hepatitis C – Update 2012
Einleitung
Das Hepatitis-C-Virus (HCV) ist ein RNA-Virus, das zur Familie der Flaviviren gehört [1].
Mehr als 170 Millionen Menschen sind weltweit mit HCV infiziert. Die HCV-Infektion ist
eine der häufigsten Ursachen der chronischen Hepatitis, der Leberzirrhose und des
hepatozellulären Karzinoms (HCC). Die dekompensierte Leberzirrhose als Folge einer
chronischen Hepatitis C stellt heute in den meisten Industrienationen die führende
Indikation zur Lebertransplantation dar [2]. Obwohl die Inzidenz neuer Infektionen
seit Einführung des Anti-HCV-Screenings von Blut und Blutprodukten 1991/1992 deutlich zurückgegangen ist, wird für die nächsten 20–30 Jahre eine weitere Zunahme von
Patienten mit Spätfolgen der chronischen Hepatitis C erwartet. Die Prävalenz von
HCV-Antikörpern (Anti-HCV) liegt in Deutschland bei 0,4–0,7%. Da 70–80% der Infek­
tionen chronisch verlaufen, gibt es in Deutschland derzeit nach Schätzungen des
Robert-Koch-Instituts 400.000–500.000 Virusträger. Die HCV-Infektion wird meist
­parenteral übertragen. Die höchste Inzidenz findet sich bei Männern im Alter von
20–29 Jahren. Hauptrisikofaktoren sind heutzutage intravenöser Drogenkonsum sowie operative oder invasive Eingriffe [3–5]. Übertragung durch Nadelstichverletzung
oder Piercing sowie Mutter-Kind-Übertragung und sexuelle Transmission sind möglich, aber selten und korrelieren mit der Höhe des Virustiters. Eine besondere Risikogruppe sind dabei homosexuell aktive Männer, vor allem bei HIV-Koinfektion. Eine
Übertragung über Blutprodukte spielt seit Einführung des Anti-HCV-Screenings von
Blutprodukten im Jahr 1991 in Deutschland zwar keine Rolle mehr, es werden jedoch
nach wie vor zahlreiche chronische Infektionen diagnostiziert, bei denen die Übertragung durch Blutprodukte mehr als 20 Jahre zurückliegt. In der klinischen Praxis lässt
sich heute bei ca. 50% der HCV-Infizierten kein Risikofaktor eruieren („sporadische
HCV-Infektion“).
P Die Hepatitis C ist eine häufige
Ursache der chronischen Hepatitis,
der Leberzirrhose und des
hepatozellulären Karzinoms.
Klinik
Die akute HCV-Infektion verläuft in der Regel asymptomatisch und wird dann in
70–80% chronisch. Nur etwa 25% der Verläufe sind ikterisch. Patienten mit einem
­k linisch symptomatischen Verlauf eliminieren das Virus in ca. 50% spontan [6]. Die
chronische Hepatitis C verläuft klinisch meist wenig symptomatisch. Sie kann ­dennoch
über viele Jahre progredient sein und führt bei 4–7% nicht-selektionierter Patienten
innerhalb von etwa 20 Jahren zu einer Leberzirrhose mit stark erhöhtem HCC-Risiko.
Der natürliche Verlauf der HCV-Infektion ist jedoch stark abhängig vom untersuchten
Kollektiv mit bis zu 30% Zirrhoseentwicklung innerhalb von 20 Jahren [7]. Faktoren, die
mit einer häufigeren und rascheren Zirrhoseentwicklung assoziiert sind, sind ein
­höheres Alter zum Zeitpunkt der Infektion, männliches Geschlecht, Alkoholkonsum,
Koinfektionen mit HBV, HIV oder Schistosoma sowie Eisenüberladung und die nichtalkoholische Steatohepatitis (NASH). Bei immunkompetenten bzw. sonst gesunden
Personen sind fulminante oder subfulminante Verläufe der Hepatitis C vor allem in
Japan beschrieben. In sehr seltenen Fällen kommt es zu einer primär cholestatischen
Verlaufsform der Hepatitis C mit rascher Progression und Leberversagen. Diese Verlaufsform wird vor allem bei Patienten unter Immunsuppression nach Organtransplantation beobachtet. Im Rahmen einer chronischen HCV-Infektion können verschiedene extrahepatische Manifestationen auftreten, unter anderem gemischte
Kryoglobulinämie, membranoproliferative Glomerulonephritis, Porphyria cutanea
tarda, oraler Lichen planus und Non-Hodgkin-Lymphome [8].
P Die akute HCV-Infektion verläuft in
der Regel asymptomatisch.
P Verschiedene Faktoren, wie z. B.
hohes Alter bei Infektion, männliches
Geschlecht, Alkoholkonsum oder
Koinfektionen, tragen zu einer
raschen Progression der
chronischen HCV-Infektion bei.
Diagnostik
Die Primärdiagnostik ist der Nachweis von Anti-HCV-Antikörpern durch sensitive und
spezifische Enzymimmunoassays (EIAs). Anti-HCV zeigt eine aktuelle (akute oder chronische) oder abgelaufene Infektion an. Anti-HCV wird durchschnittlich 7–8 Wochen
nach Infektion positiv. Der rekombinante Immunoblotassay (RIBA) wird als Bestätigungstest nur noch in speziellen Situationen empfohlen, z. B. bei Anti-HCV-positiven
16
Personen mit negativem HCV-RNA-Nachweis (DD: falsch-positiver EIA oder Status
nach durchgemachter Hepatitis C). Der qualitative Nachweis von HCV-RNA erfolgt
mittels Reverse Transkriptase-Polymerasekettenreaktion (RT-PCR). Zur Therapieplanung bzw. Erfolgskontrolle ist die Bestimmung des HCV-Genotyps und der Viruslast
wichtig. Vor Therapiebeginn wird weiterhin eine Leberbiopsie empfohlen, da einerseits die histologische Aktivität (Grading) und das Stadium der Fibrose/Zirrhose (Staging) nicht gut mit laborchemischen Befunden korrelieren, andererseits zusätzliche
ätiologische Faktoren (z. B. Alkohol, Eisenüberladung, NASH) erkannt werden können.
P Die Diagnose beruht auf dem
Nachweis von HCV-Antikörpern und
HCV-RNA.
Therapie
Für die akute Hepatitis C bestehen noch keine klaren Therapieempfehlungen. In einer
prospektiven, allerdings nicht kontrollierten klinischen Studie an 44 akut HCV-infizierten Patienten konnte mit 5 Mio. Einheiten Interferon (IFN)-α täglich für 4 Wochen und
dann dreimal pro Woche für weitere 20 Wochen bei 98% der Patienten ein dauerhaftes virologisches Ansprechen erreicht werden [9]. Da symptomatische Patienten die
HCV-Infektion jedoch in etwa 50% spontan eliminieren und auch bei einem späteren
Therapiebeginn ein günstiges Ansprechen zeigen, kann zunächst der spontane Verlauf abgewartet werden: Eliminieren die Patienten die HCV-Infektion nicht spontan
innerhalb von 12–15 Wochen, so kann mit einer PegIFNα-Monotherapie über 12 Wochen eine Ausheilung in > 90% erreicht werden [10]. In der vor Kurzem abgeschlossenen Hep-Net-Akute-HCV-III-Studie wurde eine sofortige antivirale Therapie mit PegIFN
über 24 Wochen mit einem abwartenden Verhalten über 12 Wochen und ggf. verzögertem Therapiestart bei Viruspersistenz, dann mit PegIFN und Ribavirin über 24 Wochen verglichen [11]. Hierbei wurde bestätigt, dass bei einem abwartenden Vorgehen
mit ggf. verzögerter Therapie prinzipiell sehr gute Heilungsraten erreicht werden können: Alle Patienten in diesem Studienarm, die die Therapie wie geplant durchführten,
konnten das Virus dauerhaft eliminieren. Allerdings erschien im Studienarm mit abwartendem Vorgehen ein hoher Prozentsatz der Patienten nicht zum Follow-up, was
die Wichtigkeit einer engen Patientenführung und -aufklärung bei diesem Vorgehen
unterstreicht. Patienten mit asymptomatischer akuter HCV-Infektion sollten aufgrund
der geringen Chance auf Spotanheilung sofort antiviral behandelt werden. Bei akuter
HCV-Infektion sollte ggf. mit einem hepatologischen Zentrum Kontakt aufgenommen
werden.
P Bei der akuten symptomatischen
HCV-Infektion kann der Spontanverlauf
abgewartet werden.
Bei Patienten mit chronischer Hepatitis C ist prinzipiell eine Therapieindikation unter
Berücksichtigung der Kontraindikationen zu diskutieren, insbesondere bei erhöhten
Transaminasen und/oder histologischem Nachweis einer Fibrose, die auf ein erhöhtes
Leberzirrhoserisiko hinweisen. Die Therapieindikation ist jedoch nicht immer klar und
muss grundsätzlich auf individueller Basis gestellt werden. Hierbei müssen das biologische Alter und der Allgemeinzustand des Patienten, das Vorliegen von extrahepatischen Manifestationen, der Therapiewunsch des Patienten, die Dauer der HCV-Infektion, das Risiko eine Leberzirrhose zu entwickeln, die Wahrscheinlichkeit auf eine
Therapie anzusprechen, insbesondere der Genotyp, die Nebenwirkungen der Therapie sowie Begleiterkrankungen u. a. berücksichtigt werden. Faktoren, die ein gutes
Ansprechen auf eine Therapie erwarten lassen, sind eine Infektion mit Genotyp 2 oder
3, eine niedrige Virämie, ein geringer Fibrosegrad, ein jüngeres Alter (< 40 Jahre) und
ein niedriges Körpergewicht (Body-mass-Index < 30 kg/m²). Darüber hinaus wurden
kürzlich über genomweite Assoziationsstudien Polymorphismen in der Nähe des
humanen IL28B-Gens als prädiktive Wirtsfaktoren identifiziert. IL28B kodiert für
­
Interferon-λ3, dem eine antivirale Aktivität zugeschrieben wird. Insbesondere der Genotyp CC des IL28B-Polymorphismus rs12989860 ist hochsignifikant mit einem dauerhaften Ansprechen, insbesondere der HCV-Genotyp-1-Infektion, assoziiert [12].
P Bei der chronischen HCV-Infektion
sollte die Therapieindikation unter
Berücksichtigung der Kontraindikatio­
nen diskutiert werden.
Das Ziel der Therapie bei der chronischen HCV-Infektion ist die Elimination des Virus
und damit verbunden die Senkung der Morbidität und Mortalität der HCV-Infektion.
Als Surrogatmarker einer Heilung dient das dauerhafte virologische Ansprechen (sustained virologic response, SVR), definiert als negative HCV-PCR 24 Wochen nach Therapieende.
P Ziel der antiviralen Therapie der
chronischen HCV-Infektion ist die
Elimination des Virus.
17
Die aktuelle Therapie der chronischen HCV-Infektion mit dem Genotyp 1 ist in der Regel eine Triple-Therapie bestehend aus einem Proteaseinhibitor (Telaprevir oder Boceprevir), PegIFN und Ribavirin. Durch diese Triple-Therapie kann die Ansprechrate auf ca.
70% erhöht werden (s. u.; Abb. 1). Die Therapiedauer kann bei schnellem virologischem
Ansprechen von 48 Wochen auf 24 bzw. 28 Wochen verkürzt werden (s. u.; Abb. 2a/b).
P Bei chronischer HCV-Genotyp-1Infektion erfolgt in der Regel eine
Triple-Therapie aus PegIFN, Ribavirin
und Telaprevir oder Boceprevir.
Bei der HCV-Genotyp-2- oder -3-Infektion wird nach wie vor eine ausschließlich duale
Therapie mit PegIFN plus Ribavirin durchgeführt. Die Therapie dauert in der Regel
24 Wochen, wobei bei initial niedriger Viruslast und negativer HCV-RNA zu Woche 4
die Therapiedauer auf 16 Wochen verkürzt werden kann (Abb. 3).
Im Folgenden sollen die neu zugelassenen Proteaseinhibitoren Telaprevir und Boceprevir genauer diskutiert werden.
P Bei HCV-Genotyp-2- oder
-3-Infektion erfolgt eine Therapie
mit PegIFN und Ribavirin.
Abb. 1
100
SVR (%)
80
75%
63%
60
44%
38%
40
20
0
TVR 12
+PR 24–48
PR 48
BOC 24
+ PR 28–48
Telaprevir-basierte
Triple-Therapie
PR 48
Boceprevir-basierte
Triple-Therapie
SVR-Raten einer Triple-Therapie mit Telaprevir bzw. Boceprevir bei Therapie-naiven Patienten
mit chronischer HCV-Genotyp-1-Infektion.
Gezeigt sind die Daten der Zulassungsstudien, jeweils im Vergleich mit der bisherigen Standardtherapie.
Da die beiden Proteaseinhibitoren bisher nicht in „Head-to-Head“-Studien getestet wurden, ist ein
direkter Vergleich der SVR-Raten nicht möglich.
TVR = Telaprevir; BOC = Boceprevir; PR = PegIFN/Ribavirin; Ziffern = Therapiewochen
Abb. 2a
A
Stoppregeln:
> 1000 IU/ml
Woche:
0 4 812
PCR
+
24
36
48
Responsegesteuerte • Therapienaive
Therapie:
• Relapser
Fixe Therapiedauer:
• Partielle Responder
• Null-Responder
• F4-Fibrose/Zirrhose
TVR + PR
nur PR
18
Abb. 2b
B
Stoppregeln:
> 100 IU/ml
Woche:
PCR
+
0 4 812
24
36
48
Responsegesteuerte
• Therapienaive
Therapie:
Fixe Therapiedauer:
• Relapser
• Partielle Responder
• Null-Responder
• F4-Fibrose/Zirrhose
BOC + PR
nur PR
Therapiealgorithmus der Triple-Therapie mit Telaprevir (A) bzw. Boceprevir (B) bei Patienten mit
chronischer HCV-Genotyp-1-Infektion.
TVR = Telaprevir; BOC = Boceprevir; PR = PegIFN/Ribavirin.
Details u. a. zu den Regeln zur Therapieverkürzung (grüne Symbole) sowie Stoppregeln (rot dargestellt)
siehe im Text.
Abb. 3
Therapiestart
HCV-Viruslast
HCV-RNA
positiv
Woche 4
HCV-Viruslast
Woche 12
HCV-Viruslast
HCV-RNA
negativ
Ausgangs-Viruslast
< 400–800.000
IU/ml
+
Keine
Risikofaktoren
(Fibrose, Insulin­
resistenz, etc)
Ggf. 16 Wochen
Therapie
< 2 log Abfall
(oder positiv zu Woche 24)
Abbruch
ansonsten
HCV-RNA
negativ oder
> 2 log Abfall
24 Wochen
Therapie
48 Wochen
Therapie
Therapiealgorithmus der dualen Therapie mit PegIFN und Ribavirin bei Patienten mit chronischer
HCV-Genotyp-2/3-Infektion.
Triple-Therapie mit Telaprevir und Boceprevir bei Therapienaiven
Telaprevir (Incivo®) und Boceprevir (Victrelis®) wirken über die Hemmung der
HCV-NS3/4A-Protease direkt antiviral. Beide Substanzen sind insbesondere gegen
HCV-Genotyp 1 wirksam und müssen zusammen mit PegIFN und Ribavirin als TripleTherapie eingesetzt werden, da die Telaprevir- bzw. Boceprevir-Monotherapie schnell
zu einer Resistenzentwicklung führt.
19
Bei therapienaiven Patienten zeigten beide Triple-Therapien im Vergleich zu der bisherigen Standardtherapie mit PegIFN und Ribavirin ein deutlich besseres Ansprechen.
So führte eine Telaprevir-basierte Triple-Therapie bei 75% der Patienten zu einem dauerhaften virologischen Ansprechen (SVR), definiert als nicht mehr nachweisbare
HCV-RNA 24 Wochen nach Therapieende. In der Standardtherapiegruppe lag die
SVR-Rate hingegen nur bei 44%. Bei einer Boceprevir-basierten Triple-Therapie lag die
SVR-Rate bei 63% im Vergleich zu 38% in der Standardtherapie-Kontrollgruppe (Abb. 1)
[13–15]. Zudem konnte die Therapiedauer bei etwa der Hälfte der Patienten mit schnellem Therapieansprechen im Rahmen einer „Response-gesteuerten“ Therapie deutlich
verkürzt werden: Unter dem Telaprevir-Regime war die HCV-RNA bei 58% der Patienten zu Woche 4 und 12 negativ, sodass die Therapie von 48 auf 24 Wochen verkürzt
werden konnte. Unter dem Boceprevir-Regime zeigten 44% der Patienten nach 8 und
24 Wochen ein komplettes virologisches Ansprechen, sodass die Therapiedauer von
48 auf 28 Wochen reduziert werden konnte (Abb. 2).
P Die Triple-Therapie zeigt bei Genotyp 1
eine bessere Ansprechrate als die
bisherige PegIFN/Ribavirin-Therapie.
Beide Proteaseinhibitoren müssen alle 8 Stunden zusammen mit einer Mahlzeit eingenommen werden. Insbesondere bei Telaprevir muss diese Mahlzeit fettreich sein
(ca. 20 g Fett), um eine ausreichende Bioverfügbarkeit zu gewährleisten. Die Therapie
mit Boceprevir wird erst nach einer 4-wöchigen sogenannten Lead-in-Phase mit
­PegIFN und Ribavirin begonnen. Die 4-wöchige Vorbehandlung führt zu einer Reduk­
tion der Viruslast und soll so das Risiko einer Boceprevir-Resistenz reduzieren. Dieses
auf Phase-II-Studien basierende Konzept wurde allerdings in den Zulassungsstudien
nicht evaluiert. Bei Telaprevir ist eine Lead-in-Phase nicht notwendig, möglicherweise
aufgrund der im Vergleich zu Boceprevir höheren antiviralen Effizienz. Zudem unterscheiden sich beide Substanzen u. a. im Hinblick auf die Dauer der Proteaseinhibitorgabe (bei Telaprevir immer 12 Wochen, bei Boceprevir in Abhängigkeit vom virologischen Ansprechen bei therapienaiven Patienten ohne fortgeschrittene Fibrose 24
bzw. 32 Wochen) sowie die Regeln zur Response-gesteuerten Verkürzung der TripleTherapie. Die im Folgenden detailliert dargestellten Regeln zur Therapiedauer sind in
Abbildungen 2a und b übersichtlich zusammengefasst:
P Die Proteaseinhibitoren müssen
alle 8 Stunden mit einer Mahlzeit/einem
Snack eingenommen werden.
•Bei dem Telaprevir-haltigen Therapieregime werden 12 Wochen alle 3 Substanzen
(Telaprevir, PegIFN, Ribavirin) gegeben. Danach wird die Therapie mit PegIFN und
Ribavirin im Rahmen des Response-gesteuerten Vorgehens folgendermaßen fortgesetzt: Ist die HCV-PCR zu Woche 4 und 12 negativ, reicht eine insgesamt 24-wöchige Therapie. Ist die HCV-PCR zu Woche 4 oder 12 positiv, muss die Therapie über
insgesamt 48 Wochen fortgeführt werden.
•Bei der Telaprevir-haltigen Therapie gelten folgende Stoppregeln: Wenn zu Woche
4 oder 12 die HCV-Viruslast > 1000 IU/ml liegt oder zu Woche 24 die HCV-PCR noch
positiv ist, muss die Therapie (alle Substanzen) beendet werden, da sonst die Chancen eines Therapieansprechens praktisch Null sind und die Gefahr einer Resistenzentwicklung sehr hoch ist.
•Beim Boceprevir-haltigen Therapieregime wird zunächst im Rahmen der sogenannten Lead-in-Phase 4 Wochen nur PegIFN und Ribavirin gegeben, dann startet
die Triple-Therapie mit Boceprevir, PegIFN und Ribavirin. Die Response-gesteuerte
Therapie erfolgt dann folgendermaßen: Ist die HCV-PCR zu Woche 8 negativ, kann
die Therapie auf 28 Wochen verkürzt werden (also insgesamt 4 Wochen Lead-in,
dann 24 Wochen Tripeltherapie). Ist zu Woche 8 die HCV-PCR noch positiv, wird die
Triple-Therapie bis Woche 36 fortgeführt und PegIFN und Ribavirin bis Woche 48
gegeben.
•Bei der Boceprevir-haltigen Therapie gelten folgende Stoppregeln: Ist die Viruslast
zu Woche 12 > 100 IU/ml oder ist die HCV-PCR zu Woche 24 noch positiv, muss die
Therapie (alle Substanzen) abgebrochen werden.
P Bei der Triple-Therapie müssen klare
Stoppregeln beachtet werden.
Nicht alle Patienten mit einer HCV-Genotyp-1-Infektion müssen zwangsläufig mit
­einer Triple-Therapie behandelt werden. Eine Ausnahme können z. B. Patienten mit
­besonders günstigen Indikatoren für ein Therapieansprechen auf die bisherige Standardtherapie darstellen, insbesondere solche mit einem niedrigen Fibrosestadium,
niedriger Viruslast (< 6–8 x 105 IU/ml) und dem günstigen Interleukin-28B-Genotyp
C/C (rs12979860). Diese Patienten erreichen auch ohne Proteaseinhibitor in ca. 80% ein
20
dauerhaftes virologisches Ansprechen [12, 16]. Bei langsamem Abfall der Viruslast
(HCV-PCR nach Woche 4 noch positiv) kann nachträglich zusätzlich ein Proteaseinhibitor gegeben werden, ohne die Therapiechancen wesentlich zu verringern. Die Wahl
des Proteaseinhibitors Telaprevir oder Boceprevir hängt im Wesentlichen von den bestehenden Vorerkrankungen und den zu erwartenden Nebenwirkungen ab.
Triple-Therapie mit Telaprevir und Boceprevir bei vorbehandelten und
schwierig zu behandelnden Patienten
Bei Patienten, die zuvor bereits mit PegIFN und Ribavirin erfolglos antiviral behandelt
wurden, richten sich die Ansprechraten der Triple-Therapie deutlich nach dem Verlauf
der vorangegangenen Therapie [17, 18]: Patienten mit einem kompletten virologischen
Ansprechen am Ende der Vortherapie und einem späteren Relaps zeigen in 70–80%
ein dauerhaftes virologisches Ansprechen; Patienten, die bei der Vortherapie eine
­Reduktion der Viruslast um wenigstens 2 Log-Stufen zeigten (partielle Response),
sprechen in 40–50% auf die Triple-Therapie an. Patienten hingegen, die unter der Vor­
therapie keine wesentliche Reduktion der Viruslast zeigten (Null-Response), weisen
unter der Triple-Therapie nur eine SVR-Rate von ca. 30% auf. Die folgenden Regeln zur
Therapiedauer sind in den Abbildung 2a und b übersichtlich zusammengefasst:
P Das Therapieansprechen bei vorbe­
handelten Patienten hängt vom Verlauf
der Vortherapie (Relaps, partielle
Response, Null-Response) ab.
•Bei der Telaprevir-haltigen Therapie können Patienten mit Relaps in der vorherigen Therapie nach den Regeln wie bei therapienaiven Patienten behandelt werden,
die Therapie darf also ggf. verkürzt werden. Bei Patienten mit vorheriger partieller
­Response oder Null-Response sollte die Gesamttherapie auf jeden Fall 48 Wochen
dauern (12 Wochen Triple-Therapie gefolgt von 36 Wochen PegIFN/Ribavirin), eine
Therapieverkürzung sollte nicht erfolgen.
•Bei der Boceprevir-haltigen Therapie werden Patienten mit vorherigem Relaps
oder vorheriger partieller Response wie therapienaive Patienten behandelt, eine
Therapieverkürzung erfolgt jedoch nicht (also 4 Wochen Lead-in, dann 32 Wochen
Triple-Therapie, dann 12 Wochen PegIFN/Ribavirin). Patienten mit vorheriger NullResponse werden nach der 4-wöchigen Lead-in-Phase über die weiteren 44 Wochen durchgehend mit der Triple-Therapie behandelt.
•Die Stoppregeln bei vorbehandelten Patienten entsprechen denen bei therapienaiven Patienten.
Bei Patienten mit fortgeschrittener Leberfibrose und kompensierter Leberzirrhose
sind die Erfolgsraten einer Interferon-basierten Therapie deutlich erniedrigt. Die Therapieregeln entsprechen daher denen bei Null-Respondern (Telaprevir: 12 Wochen
Triple-Therapie, dann 36 Wochen PegIFN/Ribavirin; Boceprevir: 4 Wochen Lead-in,
dann 44 Wochen Tripeltherapie).
Zur Triple-Therapie bei Patienten mit fortgeschrittener Leberzirrhose mit dem Risiko
der Dekompensation, nach Lebertransplantation sowie bei HIV-HCV-Koinfektion mit
potenziellen Medikamenteninteraktionen liegen bisher nur wenige Erfahrungen vor.
Deshalb sollten diese Patienten in spezialisierten Zentren und möglichst im Rahmen
von Studien betreut werden.
Telaprevir- und Boceprevir-assoziierte Nebenwirkungen
Die Standardtherapie mit PegIFN und Ribavirin ist mit zahlreichen Nebenwirkungen
verbunden. Dazu zählen u. a. teils sehr belastende grippeähnliche Beschwerden, psychiatrische Probleme bis hin zum Suizid und eine Zytopenie aller 3 Blutzellreihen. Kontraindikationen und Nebenwirkungen einer Therapie mit PegIFN und Ribavirin sind in
Tabelle 1 zusammengefasst.
21
Nebenwirkungen und Kontraindikationen der antiviralen Therapie
Nebenwirkungen einer Therapie mit PegIFN und Ribavirin (mit oder ohne
Proteaseinhibitor) (Auswahl)
• grippeähnliche Symptome (Muskel-, Gelenk- und Kopfschmerzen, erhöhte
Temperatur)
• Depression bis zur Suizidalität
• Leuko- und Thrombopenie
• Anämie
• Schilddrüsenfunktionsstörungen (Hyper- oder Hypothyreose)
• Haarausfall (reversibel)
• Schlafstörungen
• Krampfanfälle
Zusätzliche/verstärkte Nebenwirkungen durch
Telaprevir:
• Hautausschlag bis zu lebensbedrohlichen Hautveränderungen
• Juckreiz
• Anämie
• Übelkeit, Durchfall
• anorektale Beschwerden
Tab. 1
P Typische Nebenwirkungen von
Telaprevir sind Hautausschläge,
Juckreiz, anorektale Beschwerden
sowie eine Anämie.
P Typische Nebenwirkungen von
Boceprevir sind eine Anämie und
Geschmacksstörungen.
Boceprevir:
• Anämie
• Neutropenie
• Geschmacksstörungen (Dysgeusie)
• Übelkeit
Kontraindikationen einer Therapie mit PegIFN und Ribavirin (mit oder ohne
Proteaseinhibitor) (Auswahl)
• fortgeschrittene/dekompensierte Leberzirrhose (Child B und C)
• Schwangerschaft, unzuverlässige Kontrazeption
• Depression und andere psychiatrische Erkrankungen
• unkontrollierter Alkohol- oder Drogenabusus
• Autoimmunhepatitis und andere Autoimmunerkrankungen
• funktionierendes Nieren-, Herz- oder Lungentransplantat
• unzureichend eingestellte Hyper-/Hypothyreose
• schwere kardiale oder pulmonale Erkrankungen
• Hämoglobinopathien
• ausgeprägte Leukopenie, Thrombopenie oder Anämie
• schwere Niereninsuffizienz
Bei Triple-Therapie mit Telaprevir oder Boceprevir sind zudem die Medikamenteninteraktionen streng zu beachten, um u. U. lebensbedrohliche Spiegelerhöhungen
zu vermeiden.
Telaprevir und Boceprevir sind mit zusätzlichen Nebenwirkungen assoziiert [14–16]. So
führt die Telaprevir- wie auch die Boceprevir-Triple-Therapie wesentlich häufiger zu
­einer Anämie als die PegIFN-Ribavirin-Kombination (Telaprevir-Tripel 32% vs. 15%;
­Boceprevir-Tripel 49% vs. 29%) und macht dann ggf. eine Dosisreduktion oder Pausierung von Ribavirin erforderlich. In den Zulassungsstudien benötigten 3% der Patienten unter Proteaseinhibitortherapie Erythrozytenkonzentrate. In den Boceprevir-Studien erhielten 43% der Triple-Therapie-Patienten Erythropoetin im Vergleich zu 24%
der mit PegIFN/Ribavirin Behandelten. Bei den Telaprevir-Studien war Erythropoetin
nicht vorgesehen und ist in Europa hierfür auch nicht zugelassen. Daher werden in
der klinischen Praxis bei einer ausgeprägten Anämie die Ribavirin-Dosis entsprechend
der unter PegIFN/Ribavirin-Therapie etablierten Regeln reduziert und falls notwendig
zusätzlich Erythrozytenkonzentrate gegeben. Eine regelkonforme Ribavirin-Reduk­
tion verschlechtert das Therapieansprechen nicht [19].
22
Bei der Telaprevir-Triple-Therapie kommt es zudem häufig zu einem juckenden Hautausschlag sowie zu anorektalen Beschwerden. Der Hautausschlag ist mit einer lokalen
Behandlung mit steroidhaltigen Dermatika sowie dem Tragen leichter Kleidung mit
guter Lüftung zur symptomatischen Behandlung meistens gut therapierbar. Bei einzelnen Patienten treten jedoch schwere, z. T. lebensbedrohliche Hautveränderungen,
wie z. B. ein Steven-Johnson-Syndrom auf. Daher sind eine engmaschige Patientenbetreuung, eine gezielte Schulung der behandelnden Ärzte sowie eine enge Zusammenarbeit mit dermatologischen Kollegen essenziell. Bei Boceprevir kommen häufig
belastende Geschmacksstörungen (Dysgeusie) hinzu.
Während eine Dosisreduktion von PegIFN und Ribavirin zur Minderung der Nebenwirkungen nach den bisherigen Regeln erfolgen sollte, sollte die Dosis der Proteaseinhibitoren wegen des Risikos der Resistenzentwicklung auf keinen Fall reduziert werden.
Virale Resistenzentwicklung gegen Telaprevir und Boceprevir
Bei einer Monotherapie mit den Proteaseinhibitoren Telaprevir oder Boceprevir
kommt es rasch zu einer Selektion von präexistenten resistenten Virusspezies. So kam
es im Rahmen von frühen klinischen Studien mit den Proteaseinhibitoren bei einigen
Patienten innerhalb von ca. 2 Wochen zunächst zu einer deutlichen Reduktion der
Virämie, nach einigen Tagen jedoch zu einem Wiederanstieg. Damit assoziiert traten
Mutationen in der NS3/4A-Protease auf, die aus Zellkulturexperimenten bereits als Resistenzmutationen bekannt waren [20]. Resistenzmutationen sind dabei meist nicht
substanzspezifisch, d. h. Mutationen, die zu einer Telaprevir-Resistenz führen, resultieren auch in einer Resistenz gegen Boceprevir und andere Proteaseinhibitoren (Kreuzresistenz).
P Bei einem langsamen Therapie­
ansprechen (langsamer Abfall der
Viruslast) kann es zu viralen Resistenz­
mutationen und Therapieversagen
kommen.
Unter der Triple-Therapie kommt es merklich seltener zu Resistenzmutationen, bedingt durch die deutlich höhere antivirale Effektivität der Triple-Therapie mit rascher
Hemmung der Virusreplikation. Deshalb ist auch eine wirksame Therapie mit PegIFN/
Ribavirin mit einem geringen Resistenzrisiko assoziiert. Umgekehrt haben Patienten
unter Triple-Therapie bei nicht adäquater Reduktion der Viruslast ein hohes Risiko der
Resistenzentwicklung bei nur minimaler Aussicht auf ein dauerhaftes virologisches
Ansprechen. Deshalb ist es sehr wichtig, dass bei Patienten mit inkomplettem Ansprechen nach den definierten Stoppregeln vorgegangen (Abb. 2a/b) und die antivirale
Therapie beendet wird.
Unklar bleibt, ob die breite Anwendung von Proteaseinhibitoren zu einer Verbreitung
von resistenten HCV-Spezies führen wird. Bei den bisher untersuchten Patienten kam
es nach Absetzen der antiviralen Therapie meist zu einem relativ schnellen Verschwinden der Resistenzmutationen [20, 21]. Dies ist vermutlich dadurch bedingt, dass die
meisten Resistenzmutationen die HCV-Replikationsfähigkeit reduzieren (sog. virale
Fitnesskost) und damit das Wildtyp-HCV ohne Resistenzmutation einen Selektionsvorteil besitzt.
Medikamenteninteraktionen von Telaprevir und Boceprevir
Telaprevir und Boceprevir werden über das Cytochrom-P450-System metabolisiert
und können deshalb zur Interaktion mit zahlreichen anderen Medikamenten führen.
So kann zum einen durch Telaprevir und Boceprevir der Spiegel anderer Medikamente z. T. massiv erhöht oder vermindert werden: z. B. 70-fache Spiegelerhöhung von Tacrolimus bei einer Kombination mit Telaprevir und bis zu 5-fache Spiegelerhöhung
von oral eingenommenem Midazolam in Kombination mit Boceprevir oder Telaprevir.
Umgekehrt können andere Medikamente aber auch den Telaprevir- bzw. BoceprevirSpiegel stark beeinflussen. Daher sind zahlreiche Medikamente während der Telaprevir- oder Boceprevir-Triple-Therapie kontraindiziert oder dürfen nur mit großer Vorsicht verabreicht werden. Hierzu zählen u. a. auch häufig verordnete Medikamente,
wie z. B. Amlodipin, Digoxin, Statine, Phenytoin, Phenobarbital, Carbamazepin, Mida-
P Telaprevir und Boceprevir
interagieren mit zahlreichen
anderen Medikamenten.
23
zolam, Methadon und Johanniskraut-Präparate. Vor Einleitung einer Triple-Therapie
sollte deshalb bei allen Patienten die Begleitmedikation sorgfältig geprüft werden.
Eine hilfreiche Webseite zur Prüfung der individuellen Medikation auf Interaktionen
mit Telaprevir und Boceprevir findet sich unter www.hep-druginteractions.org.
Ein besonderes Problem stellen Medikamenteninteraktionen bei Patienten mit HIVHCV-Koinfektion oder Patienten nach Lebertransplantation dar, bei denen es zu Interaktionen mit der antiretroviralen bzw. der immunsuppressiven Therapie kommen
kann. Bei diesen speziellen Patientengruppen werden aktuell Therapiestudien durchgeführt.
Antivirale Substanzen in klinischer Erprobung
Neben den beiden Proteaseinhibitoren Telaprevir und Boceprevir wurden eine ganze
Reihe anderer direkt antiviral wirksamer Medikamente entwickelt, die entweder die
NS3/4A-Protease, die NS5B-Polymerase oder das NS5A-Protein hemmen. Einige dieser
Substanzen haben eine sehr hohe antivirale Aktivität und eine hohe Resistenzbarriere
und sind teilweise gegen mehrere HCV-Genotypen wirksam. Sie könnten in einigen
Jahren evtl. sogar eine Interferon-freie Therapie ermöglichen.
P Zahlreiche neue antivirale
Substanzen sind derzeit in
klinischer Erprobung.
Zu den Erfolg versprechenden, aktuell in klinischen Studien getesteten Substanzen
gehört z. B. der nukleosidische Polymeraseinhibitor GS-7977, der die NS5B-Polymerase
direkt im katalytischen Zentrum hemmt und somit eine hohe Resistenzbarriere hat.
GS-7977 führte in ersten Studien in Kombination mit PegIFN und Ribavirin bei fast allen HCV-Genotyp-1-Patienten zur Viruselimination, bei Patienten mit Genotyp 2 oder 3
konnte dabei sogar auf Interferon verzichtet werden [22, 23]. Nach diesen sehr vielversprechenden Ergebnissen wurde eine Kombination aus GS-7977 und Ribavirin bei Patienten mit HCV-Genotyp 1 und Non-Response auf eine vorherige PegIFN/RibavirinTherapie getestet. Diese Studie brachte enttäuschende Ergebnisse mit hohen
Relapsraten, sodass GS-7977 aktuell wieder als Triple-Therapie zusammen mit PegIFN
und Ribavirin getestet wird [24].
Eine erfolgreiche Interferon-freie antivirale Therapie könnte jedoch durch eine Kombination mehrerer direkt antiviraler Substanzen mit unterschiedlichen Angriffspunkten
möglich werden. So führte eine Kombination des Proteaseinhibitors Asunaprevir und
des NS4A-Inhibitors Daclatasvir zu einer Viruselimination bei 10/10 Patienten mit HCVGenotyp 1b und vorheriger Null-Response. Bei Patienten mit HCV-Genotyp 1a kam es
unter diesem Interferon-freien Therapieregime jedoch häufig zu Resistenzmutationen
und einem Therapieversagen [25, 26].
Neben den direkt antiviralen Substanzen werden zudem auch zahlreiche Substanzen
getestet, die Wirtsfaktoren der Virusreplikation hemmen. So kann das Cyclosporin-ADerivat Alisporivir die an der HCV-Replikation beteiligten Cyclophiline inhibieren und
so antiviral wirken. In ersten klinischen Studien wurde ein deutlicher antiviraler Effekt
von Cyclophilinen gezeigt [27]. Aktuell ist die weitere klinische Prüfung von Alisporivir
wegen vereinzelter schwerer Nebenwirkungen pausiert. Als weiterer wichtiger Kofaktor der HCV-Replikation kann auch die Micro-RNA-122 durch ein spezifisches komplementäres Oligonukleotid gehemmt werden. Auch diese Substanz zeigte in ersten klinischen Studien vielversprechende Ergebnisse, wobei die notwendige subkutane
Anwendung ein deutlicher Nachteil ist [28].
Insgesamt lassen aktuelle klinische Studien sowie präklinische Entwicklungen vermuten, dass es in den nächsten 5–10 Jahren Interferon-freie Therapieoptionen für die
­Hepatitis C geben wird.
24
Fazit
•Die neue Standardtherapie der chronischen HCV-Genotyp-1-Infektion besteht in
­einer Triple-Therapie aus PegIFN, Ribavirin sowie dem Proteaseinhibitor Telaprevir
oder Boceprevir.
•Die Triple-Therapie erhöht das Therapieansprechen (SVR) deutlich und erlaubt bei
zahlreichen Patienten eine Therapieverkürzung von 48 auf 24–28 Wochen.
•Die Triple-Therapie ist mit neuen sowie verstärkten Nebenwirkungen assoziiert, die
eine enge Überwachung erforderlich machen. Zahlreiche Medikamenteninteraktionen müssen beachtet werden. Zur Vermeidung von Resistenzentwicklungen müssen definierte Stoppregeln beachtet werden.
•Die Standardtherapie aller anderen HCV-Genotypen besteht nach wie vor in der
dualen Therapie mit PegIFN und Ribavirin.
•In klinischer sowie präklinischer Entwicklung befindliche Substanzen könnten in
der Zukunft eine Interferon-freie Therapie erlauben.
Zu empfehlende Literatur
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treatment naïve patients with genotype 1 (GT1) chronic HCV infection
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27
Fragen zur Therapie der chronischen
Hepatitis C
Frage 1:
Welche Aussage ist richtig? Eine HCV-Infektion ist eine häufige
Infektion, mit der weltweit ca.
EE
EE
EE
EE
EE
800 Millionen
400 Millionen
200 Millionen
20 Millionen
2 Millionen Menschen infiziert sind
Frage 2:
Welche der folgenden Aussagen ist richtig?
EE Eine HCV-Infektion führt bei allen akut infizierten Patienten zu einer chronischen
Infektion
EE HCV ist ein RNA-Virus aus der Familie der Herpesviren
EE Die Diagnose einer HCV-Infektion wird über den Antigennachweis gestellt
EE Die höchste Inzidenz findet sich bei Männern im Alter von 20–29 Jahren
EE Die akute Infektion verläuft zumeist ikterisch
Frage 3:
Die folgenden Faktoren sind mit einem guten Therapieansprechen
bei der HCV-Infektion assoziiert. Welche Antwort ist falsch?
EE
EE
EE
EE
EE
Falk
Gastro-Kolleg
Leber und
Gallenwege
Bitte beachten Sie:
Bei der Beantwortung der Fragen
ist immer nur 1 Antwort möglich.
Die Beantwortung der Fragen und
Erlangung des Fortbildungszertifikats
ist nur online möglich.
Bitte gehen Sie dazu auf unsere Homepage
www.falkfoundation.de.
Unter dem Menüpunkt Falk Gastro-Kolleg
können Sie sich anmelden und die Fragen
beantworten.
Bitte diesen Fragebogen nicht
per Post oder Fax schicken!
Junges Alter
HCV-Genotyp 2 oder 3
Niedrige Viruslast
IL28B-Polymorphismus CC
Fortgeschrittene Fibrose
Frage :
Welche Aussage zur Therapie der HCV-Infektion stimmt nicht?
EE
EE
EE
EE
Typische Nebenwirkungen von Telaprevir sind u. a. Juckreiz und Anämie
Zu den Nebenwirkungen von Boceprevir zählt die Dysgeusie
Interferon ist in der Schwangerschaft kontraindiziert
Die Triple-Therapie mit Telaprevir ist auch Standardtherapie der HCV-Genotyp-3Infektion
EE Ribavirin kann zur Hämolyse führen
Frage 5:
Welche Antwort ist richtig? Ein dauerhaftes virologisches
Ansprechen (SVR) ist definiert als nicht mehr nachweisbare
HCV-RNA zu Woche
EE
EE
EE
EE
EE
Wichtig:
Fragebeantwortung unter
www.falkfoundation.de
Falk Gastro-Kolleg
12 nach Therapieeinleitung
24 nach Therapieeinleitung
12 nach Therapieende
24 nach Therapieende
48 nach Therapieende
28
Frage 6:
Welche Aussage zur Therapie mit Telaprevir und Boceprevir
stimmt nicht?
EE
EE
EE
EE
EE
Beide Substanzen müssen dreimal täglich eingenommen werden
Beide hemmen die HCV-Polymerase
Sie werden gemeinsam mit PegIFN und Ribavirin eingenommen
Es müssen bei beiden klare Stoppregeln beachtet werden
Es besteht eine Kreuzresistenz zwischen den beiden Päparaten
Falk
Gastro-Kolleg
Leber und
Gallenwege
Frage 7:
Welche Aussage über Boceprevir trifft zu?
EE
EE
EE
EE
EE
Boceprevir hat keine direkt antivirale Wirkung
Boceprevir muss zusammen mit PegIFN und Ribavirin eingenommen werden
Die SVR-Rate der Boceprevir-Triple-Therapie liegt bei 90%
Boceprevir wird in der Regel über einen Zeitraum von 12 Wochen eingenommen
Typische Nebenwirkung ist die Hämolyse
Frage 8:
Welche Aussage trifft zu?
EE Mit der kürzlich zugelassenen Interferon-freien Therapie wurde eine SVR-Rate von
100% erreicht
EE Boceprevir wird nicht verstoffwechselt und primär über die Niere ausgeschieden
EE Telaprevir kann zu anorektalem Juckreiz führen
EE Die Kombination von Telaprevir und Ribavirin sollte aufgrund der starken Anämiegefahr vermieden werden
EE Bei positiven HCV-RNA-Werten nach 12 Wochen Triple-Therapie sollte die Therapie
intensiviert werden
Frage 9:
Welche Aussage zur akuten HCV-Infektion trifft zu?
EE Eine akute Infektion zeigt sich immer durch die Trias Ikterus, Hepatitis und positive
HCV-RNA
EE Eine akute ikterische Hepatitis heilt immer aus
EE Bei hohen Viruslasten sollte eine akute Hepatitis immer antiviral behandelt werden
EE Bei der akuten Infektion besteht die Standardtherapie aus einer 24-wöchigen
Triple-Therapie
EE Bei symptomatischem Verlauf kann eine spontane Elimination abgewartet werden
Frage 10:
Welche Aussage trifft zu?
EE Bei Nebenwirkungen wie Juckreiz und Anämie sollte die Therapie mit Protease­
inhibitoren halbiert werden
EE Eine Therapie mit Proteaseinhibitoren kann zu einer 70-fachen Spiegelerhöhung
von Tacrolimus führen
EE Boceprevir ist deutlich stärker antiviral wirksam als Telaprevir
EE Eine Kombination beider Präparate ist bei Patienten mit Leberzirrhose indiziert
EE Bei Negativierung der HCV-RNA zu Woche 4 kann die Therapie mit Protease­
inhibitoren beendet werden
29
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