erstellt: 30.01.2012 letzte Revision: 03.02.2012 nächste Revision: 03.02.2014 Wichtigkeit: Niveau III Therapie J05AE - Proteasehemmer Evaluation: Boceprevir und Telaprevir: neue Hepatitis C-Therapien Boceprevir und Telaprevir sind indiziert zur Behandlung mit dem Hepatitis C Virus vom Genotyp 1 infizierter Patienten, die nicht vorbehandelt sind oder die auf eine Kombinationstherapie mit Peginterferon alfa + Ribavirin nicht genügend angesprochen haben. [3] Durch Hinzufügen von Boceprevir oder Telaprevir zu dieser Zweifachtherapie wird das anhaltende virologische Ansprechen signifikant gesteigert, [1,2] allerdings ist noch nicht erwiesen, dass daraus ein relevanter klinischer Langzeitnutzen resultiert. [1] Die beiden oralen Proteasehemmer werden zusammen mit Nahrung und immer in Kombination mit Peginterferon und Ribavirin eingenommen. [3] Aufgrund der Komplexität der Tripeltherapie ist eine Adhärenz-Kontrolle zwingend. [4] Eine Schwangerschaft muss bis 6 Monate nach Therapieende unbedingt vermieden werden, auch bei Partnerinnen von Männern unter der Tripeltherapie. [3] Wirkmechanismus Boceprevir und Telaprevir hemmen die virale Protease, der in der Replikation des Hepatitis C Virus (HCV) eine entscheidende Rolle zukommt. Tripeltherapie und Adhärenz Eine Adhärenz-Kontrolle ist unbedingt nötig zur Verhinderung der Selektion resistenter Virusstämme. [4] Die Tripeltherapie besteht neben der täglichen Einnahme von 5-6 Tabletten Ribavirin und der wöchentlichen Injektion von Peginterferon alfa [4] aus einer zusätzlichen Einnahme von 4 Kapseln Boceprevir oder 2 Tabletten Telaprevir 3 mal täglich! [1,2] Wirksamkeit Die klinische Wirksamkeit der Therapien wird beurteilt durch die Messung des anhaltenden virologischen Ansprechens. Dieses Vorgehen ist akzeptabel, solange keine Langzeitevaluation aufgrund von Kriterien der Morbidität und Mortalität vorhanden ist. [1] Generell haben die Studien gezeigt, dass der Zusatz von Boceprevir oder Telaprevir zur StandardZweifachtherapie die Rate des anhaltenden virologischen Ansprechens steigert. [1,2] Auf der Basis dieser Studienresultate wird die Therapiedauer der Tripel- oder Zweifachtherapie einerseits infolge der Situation des einzelnen Patienten (vorbehandelt oder nicht, partielles Ansprechen oder Rückfall nach einer Zweifachtherapie, etc.), andererseits infolge der Analysenresultate zur Viruslast nach einigen Therapiewochen festgelegt. Dauer der Therapien siehe «Verwandte Dokumente» UAW Das UAW-Profil von Boceprevir und Telaprevir ist noch schlecht erfasst. [2] Nach derzeitigem Kenntnisstand verursacht Boceprevir tendenziell mehr hämatologische Probleme und Telaprevir mehr, potentiell schwerwiegende, unerwünschte Wirkungen an der Haut. [2] UAW - Boceprevir In den verfügbaren klinischen Studien verursachte das Hinzufügen von Boceprevir zur Zweifachtherapie vor allem hämatologische (Anämie, Neutropenie, Thrombozytopenie), Geschmacks- und gastrointestinale Störungen (Diarrhö, Nausea, Erbrechen). [1] Gewisse Experten vermuten verstärktes Auftreten eines autooder heteroagressiven Verhaltens. [5] UAW - Telaprevir Unter dem Zusatz von Telaprevir zur Zweifachtherapie traten, teilweise schwere, Hauteruptionen, Anämie, Hämorrhoiden und weitere anorektale (Analpruritus, anorektale Beschwerden) und gastrointestinale Nebenwirkungen (Nausea, Diarrhö) auf. [2] Interaktionen Evidence for efficacy Zahlreiche Interaktionen sind klinisch relevant (vor allem mit Midazolam, Triazolam, oralen Kontrazeptiva mit Drospirenon, Mutterkornalkaloiden, etc.). [1,2,3,5,6] Boceprevir ist ein starker CYP3A4-Inhibitor, wird aber nur teilweise durch dieses Isoenzym metabolisiert. [1,5] Vorsicht ist daher geboten mit Medikamenten, die hauptsächlich über CYP3A4 abgebaut werden und bei denen erhöhte Plasmaspiegel mit schweren UAW einhergehen [3,7]: Midazolam und Triazolam, Mutterkornalkaloide, [3,7] Amiodaron, Ciclosporin, Tacrolimus [3], Drospirenon [3], Simvastatin und Atorvastatin. [3] Vorsicht auch mit potenten CYP3A4 -Inhibitoren (z.B. Ketoconazol, Itraconazol, Erythromycin, etc.) und -Induktoren (z.B. Carbamazepin, Phenytoin, Hypericum, Rifampicin, etc.). Telaprevir, ein P-Glykoprotein-Substrat, wird hauptsächlich durch CYP 3A4 metabolisiert und hemmt dieses Isoenzym. [2,3] Es sind daher zahlreiche Interaktionen mit Medikamenten zu erwarten, die Substrat, Inhibitor oder Induktor von CYP3A4 und P-gp sind [2,3] (siehe auch Interaktionen mit Boceprevir). Schwangerschaft Die Tripeltherapie ist wegen der Toxizität von Ribavirin in der Schwangerschaft kontraindiziert. [1-2] Es muss eine strikte Kontrazeption durchgeführt werden. Für alle Frauen im gebährfähigen Alter und Partnerinnen von Männern unter der Tripeltherapie wird die Anwendung zweier kontrazeptiver Methoden während der Therapie und in den 6 Monaten nach Therapieende empfohlen. [3] Zudem müssen Männer, deren Partnerin schwanger ist, Präservative benutzen zur Minimierung einer Exposition von Mutter und Kind mit Ribavirin. [3] Lagerung Boceprevir muss bis zur Abgabe an den Patienten im Kühlschrank aufbewahrt werden und kann vom Patienten bis maximal 3 Monate bei Raumtemperatur gelagert werden oder bis zum Ablaufdatum im Kühlschrank. Telaprevir wird bei Raumtemperatur gelagert. [3] Expertenkommentar: Es wurde bisher kein direkter Vergleich der beiden Medikamente publiziert. Im indirekten Vergleich scheint ihre Wirkung auf die Viruslast ähnlich zu sein, ihre UAW-Profile unterscheiden sich aber. Gewisse Experten sind der Meinung, dass die hämatologische Toxizität von Boceprevir leichter zu handhaben ist als die kutane von Telaprevir. [2,6] Andererseits müssen unter Telaprevir weniger Tabletten eingenommen werden (2 Tabletten 3 mal täglich gegenüber 4 Kapseln 3 mal täglich) und die Behandlungsdauer ist kürzer als mit Boceprevir (12 Wochen gegenüber 24-32). Handhabung in der Schweiz: Spezialitätenliste: SL - Incivo: Verschreibung ausschliesslich durch Fachärzte; die Behandlungsdauer ist auf 12 Wochen beschränkt. SL - Victrelis: Verschreibung ausschliesslich durch Fachärzte; die Behandlungsdauer ist auf 44 Wochen beschränkt. Wirkstoffe: Boceprevir , Telaprevir , Ribavirin , Peginterferon Alfa 2-a , Peginterferon Alfa 2-b , Midazolam , Triazolam , Drospirenone , Ergotamine , Amiodarone , Ciclosporin , Tacrolimus , Simvastatin , Atorvastatin , Ketoconazole , Itraconazole , Erythromycin , Carbamazepine , Phenytoin , Rifampicin Verwandte pharmaDigest Karten: » Hepatitis C: Therapie und Therapieversager Verwandte Dokumente: » Boceprevir Telaprevir_Therapiedauer.pdf Referenz(en): [1] La revue Prescrire 2012; 32 (339): 6-10 [2] La revue Prescrire 2012; 32 (339): 11-14 [3] Kompendium/Compendium (Buch/livre). online: Documed; 2012 [4] Revue Médicale Suisse 2011; 7: 1667-1668 [5] arznei-telegramm 2011; 42 (9): 77-78 [6] arznei-telegramm 2011; 42 (12): 104-107 [7] Neie Arzneimittel - Victrelis (Boceprevir) , 01.11.2011: Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft pharmaDigest® © pharmaSuisse