SÜDWESTRUNDFUNK SWR2 Wissen – Manuskriptdienst Bewegte

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SÜDWESTRUNDFUNK
SWR2 Wissen – Manuskriptdienst
Bewegte Bilder im Ohr – Bemerkenswertes zu MP3
Autor: Marko Pauli
Redaktion: Detlef Clas
Regie: Autorenproduktion
Sendung: Montag, 12. November 2012, 8.30 Uhr, SWR2
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt.
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MANUSKRIPT
Autor:
Schon seit einigen Jahren führt der Wiener Musikwissenschaftler Emil Lubej ein
Experiment mit seinen Studenten durch. Er spielt ihnen MP3-Musikdateien in
unterschiedlicher Qualität und Musik von CD im Blindvergleich vor. Können die
Studenten die Klangqualität unterscheiden, hören, was datenkomprimiertes MP3, was
CD ist?
Cut 1: Ton Lubej + Carmina Burana
Eines, das ich sehr häufig verwende, ist von der Carmina Burana, der Beginn, so 30
Sekunden. Da hat man das ganze Spektrum Klang, Raum usw.
Beispiel Carmina Burana unkomprimiert geht über in ...
(weiter Cut 1) Da schaut dann so aus, ich hab nen vollen Hörsaal, um die 100 Leute,
ich spiel diese Sachen im AB-Vergleich vor: Original, dann 56, 128, 256 k/bit. Die Frage
ist nur: Ist dieses Paar das vorgespielt wird, gleich oder nicht gleich?
Beispiel Carmina Burana stark komprimiert, darüber:
Autor:
Je höher die Bitrate, die Datenmenge pro Sekunde, umso besser kann die MP3-Datei
klingen.
Cut 1: Lubej
In den ersten Jahren haben sie relativ gut unterscheiden können. Da hat die Mehrheit
festgestellt, wo's nicht gleich ist. Mit den Jahren ist es dann immer schwieriger
geworden für die Studenten, zu unterscheiden.
Autor:
Vor allem die jüngeren Generationen, die bereits mit MP3 aufgewachsen sind, haben
sich anscheinend an den MP3-Klang als Standard gewöhnt. Manipulationen, selbst bei
niedrigen Datenraten, werden nicht wahrgenommen.
Cut 2: Lubej
Und wenn man dann sagt, ja, jetzt hört's dann mal auf die Becken vielleicht, auf die
Räumlichkeit. Und dann spiel ich nach dem Ergebnis ein paar Situationen vor, da finden
sie's sehr interessant, wenn man weiß, worauf man hört, hört man die Unterschiede
natürlich besser.
Beispiel Beckenschläge in verschiedenen Kompressionsraten
Ansage:
Bewegte Bilder im Ohr – Bemerkenswertes zu MP3
Von Marko Pauli
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Autor:
Musik, Sprache, Geräusche in Radio, Fernsehen und Internet – unsere Ohren werden
ständig mit akustischen Ereignissen konfrontiert und dabei meistens sehr geschickt
getäuscht. Das geht schon am frühen Morgen los.
Atmo: Musik aus dem Radiowecker
Autor:
Die Musik, die aus den Lautsprechern des Radioweckers ertönt, wird vom Hörfunk
zumeist nicht als CD abgespielt und gesendet, sondern als mp2-Datei und von einer
speziellen Rundfunk-Software. mpeg1-Layer2, kurz mp2, ist das dominierende Format
in Hörfunk und Fernsehen und wird auch üblicherweise bei der DVD eingesetzt. Es ist
eines von drei Audiodatenkompressionsverfahren die Ende der 1980er Jahre entwickelt
wurden. Schon das Kürzel mp, das für bewegte Bilder, für Moving Pictures, steht, lässt
erahnen, dass es ursprünglich gar nicht um Musik ging.
Frauenstimme:
Eine Geschichte voller Zufälle
Autor:
1988 traf sich die internationale Standardisierungsgruppe Moving Pictures Experts
Group, kurz mpeg, in Hannover, eigentlich mit dem Ziel, Bildsignale für die heute längst
vergessene Video-CD zu komprimieren.
Cut 7: Edler
Die CD war aber vom Ton belegt, also musste man erst mal die Tonsignale reduzieren,
um Platz für Videosignale zu schaffen.
Autor:
Bernd Edler, heute Professor für Audio-Analyse, hat als junger Ingenieur und
wissenschaftlicher Mitarbeiter maßgeblich zur Entwicklung von MP3 beigetragen. Die
Expertengruppe, bestehend aus einigen Unternehmen und Instituten, die sich in
Hannover traf, brachte damals verschiedene Vorschläge ein, auf welche Art AudioDatenreduktion erreicht werden kann. Die meisten wurden verworfen, einige andere
zusammengefasst, sodass dann drei Verfahren, Layer genannt, als Ergebnis blieben.
Cut 8: Edler
Nachdem der Standard fertig war, war es so, dass Layer 1 und Layer 2 sehr schnell in
Produkte gekommen ist. Layer 1 hat Philips in die digitale Compact Kassette eingebaut,
die allerdings auf dem Markt nicht lange bestanden hat, Layer 2 ist genommen worden
für den digitalen Rundfunk; Layer 3 hat sich dann letztendlich übers Internet verbreitet.
Autor:
Man könnte sagen, das sich Anfang der 90er-Jahre noch in den Kinderschuhen
befindliche Internet hatte früh seine Stimme gefunden: MPEG-1 Audio Layer 3, kurz
MP3. Purer Zufall.
Cut 9: Edler
Das war gar nicht geplant damals alles. Denn man hat eigentlich gar keinen Markt mehr
gesehen, wo man den Layer 3 benutzen kann. Dann haben die Leute bei Fraunhofer
ein paar Musiksignale mit MP3 codiert ins Internet gestellt und da haben die gesagt,
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dann können die Leute es einfach mal ausprobieren und auf die Weise Werbung
machen für das Verfahren. Das hat sich dann rumgesprochen und ganz plötzlich
schneller verbreitet als man gedacht hat.
Cut 10: Frauenstimme:
MP3 – es funktioniert!
Autor:
Von der Funktionsweise unterscheiden sich MP3 und das Hörfunk-, TV- und DVDFormat mp2 nicht besonders voneinander, so Bernd Edler.
Cut 11: Edler
Layer 3 ist noch komplizierter und hat dafür eine noch höhere Effizienz in der
Datenreduktion.
Autor:
Um das Ursprungssignal klein zu rechnen, nutzen beide Verfahren Methoden der
Psychoakustik, die sich mit den Wechselbeziehungen zwischen dem subjektivem
Erleben und tatsächlich messbaren Ereignissen beschäftigt. Verbunden mit dem Ziel,
nur für den Menschen bewusst hörbare Audiosignale zu speichern, wird das Gehör
ausgetrickst, sprichwörtlich übers Ohr gehauen. Und dass das so gut funktioniert, war
alles andere als geplant.
Cut 12: Grill
Es ist ein glücklicher Zufall, dass zwei Effekte gut zusammenarbeiten.
Autor:
... sagt, Bernhard Grill, Leiter der Abteilung Audio am Fraunhofer Institut. Er gehörte zur
heute berühmten MP3-Entwicklergruppe um Karlheinz Brandenburg.
Cut 13: Grill
Der eine Effekt ist, dass jede Art von Audiosignal einfach Redundanz enthalten kann.
Redundanz heißt, da sind Sachen, die sind einfach doppelt drin.
Musikbeispiel Flöte
http://www.youtube.com/watch?v=oXwKsAXyoLI
(Telemann, Fantasie a-moll f. Blfl. solo ,M.Schneider)
Cut 15: Grill
Nehmen Sie eine Flöte. Wenn Sie sich die Frequenzzusammensetzung anschauen,
also welche Tonhöhen da vorkommen, da werden Sie den Grundton finden und noch
einige Obertöne. Und dazwischen ist gar nichts. Und an den Stellen, wo was passiert,
ist es vorhersagbar. Flöte ist z.B. sehr gut zu komprimieren. Solche Anteile haben Sie
immer irgendwo. Es reicht schon, wenn das auf 20 ms ein bisschen konstant ist.
Autor:
Verlustfreie Verfahren wie der Free Lossless Audio Codec, kurz FLAC, erzielen ihre
Datenkompression ausschließlich über den Redundanzeffekt. Diese Verfahren können
gegenüber der CD gut die Hälfte an Daten einsparen, werden aber als verlustfrei
bezeichnet, weil die Tonqualität identisch mit dem Original ist. Beim im Gegensatz dazu
verlustbehafteten MP3 müssen weitaus mehr Daten eingespart werden. Der
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Redundanz-Effekt funktioniert dabei abhängig vom Charakter des Stückes. Man kann
sagen, je weniger los ist, desto mehr Daten können dadurch eingespart werden. Wenn
jedoch mehr Geräuschanteile dazu kommen …
Musikbeispiel – Lauter moderner Pop
… also, bei moderner Popmusik etwa, greift die Redundanz weniger.
Cut 17: Grill
Der glückliche Zufall ist jetzt, dass Signale mit wenig Redundanz, also so
geräuschähnliche Sachen, dass die eine hohe Verdeckung im Ohr erzeugen.
Autor:
Das ist der zweite Effekt, den MP3 sich zunutze macht, um Daten einzusparen, die
Irrelevanz, auch Verdeckungseffekt genannt. Spezielle Eigenschaften des
menschlichen Gehörs werden ausgenutzt:
Cut 19: Grill
Das Innenohr wirkt wie ein Filter, das das reinkommende Schallereignis in verschiedene
Frequenzen, in verschiedene Tonhöhen zerlegt.
Autor:
In der Gehörschnecke im Innenohr liegen mit etwa 15.000 Härchen besetzte
Sinneszellen. Die hohen Töne werden von den Härchen am Eingang der
Gehörschnecke aufgenommen, die tiefen von denen am Ende. Wenn das eintreffende
Schallereignis einen hohen Geräuschanteil hat, sind alle Härchen gleichzeitig am
Schwingen.
Cut 20: Grill
Dann sind da leisere Ereignisse, die da gleichzeitig stattfinden, die gehen einfach unter,
weil das mechanische System da auch schon beschäftigt ist. D.h., wenn da ein zweites
Schallereignis eintrifft, das nur ein bisschen leiser ist als das Hauptschallereignis, dann
sind diese Haarzellen im Innenohr gar nicht mehr in der Lage, das aufzunehmen. D.h.
Irrelevanz.
Frauenstimme:
MP3 – Pro und Contra
Autor :
Diskussionen in Internetforen über MP3 und dessen Audio-Qualität beginnen häufig
damit, dass dazu wohl schon längst alles gesagt sei. Dennoch folgen oft so viele
Einträge, dass sich dicke Bücher damit füllen ließen. In den Foren großer InternetKaufhäuser etwa gibt es häufiger Beschwerden über die Klangqualität mancher MP3Alben. MP3-Dateien, so eine der Antworten, seien heruntergerechnet, Datenskelette
geradezu, und können sowieso keine gute Klangqualität liefern. Andere kontern dann
mit dem Verweis auf Hörtests, in denen kein Unterschied zur CD ausgemacht werden
konnte. Denen würde Bernhard Grill vom Fraunhofer-Institut, das jährlich übrigens über
100 Millionen Dollar an Lizenzgebühren für MP3-Patente erhält, auf jeden Fall
zustimmen.
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Cut 23: Grill
Immer wenn Sie Leute in nen Blindtest schicken, d.h. wenn sie den Leuten MP3s und
die CDs vorspielen und die nicht wissen, was sie hören, war das Ergebnis immer, wenn
die Datenrate hoch genug war: keine Unterschiede hörbar. Wenn Sie 128er MP3 hören,
dann werden Sie nen Unterschied, und bei 192 werden Sie noch einzelne Unterschiede
finden, und bei 256 haben Sie eigentlich keine Chance mehr für den Löwenanteil des
Materials.
Autor:
Doch selbst gut aufbereitete MP3s haben es bei vielen Musikliebhabern schwer. Dabei
geht es nicht unbedingt immer um den Vergleich des Formats zur CD-Qualität. Der
Musiker Neil Young z.B. hat in einem Interview gesagt, dass sich die vollständige Musik
nur auf LP und Blue Ray hören lasse. Andere digitale Medien würden nur einen
Bruchteil der Daten bieten, die aufgenommen wurden. Insofern seien es auch nicht die
illegalen Downloads, die die Industrie bedrohten, sondern die technische Qualität des
Produkts, das sie anbietet. Minderwertige Formate und Trägermedien wie MP3 und CD
würden das Hörerlebnis ruinieren. Wer zwei gesunde Ohren hätte, so Neil Young
weiter, müsste sich sagen: „Da mache ich nicht mit. Behaltet euren Dreck. Ich gehe
lieber angeln.“
Atmo Plattenknistern
Autor:
Die CD erlaubt zwar einen größeren Frequenz- und auch Dynamikumfang als die LP,
doch ist auf ihr nicht das ursprüngliche analoge Signal zu hören, und darauf spielt Neil
Youngs radikale Aussage an, sondern eines, das zuvor in 44,1 kHz, also in 44.100
Samples, in Einzelteile pro Sekunde zerschlagen und dann wieder zusammengesetzt
wurde.
Atmo Stotterndes Plattenknistern, wie auseinandergerissen klingend, geht über in
Musik – Afrika
Autor:
Doch zurück zu MP3. Wer sie nicht, wie Neil Young etwa, rundherum ablehnt, der nutzt
vielleicht gerne die Möglichkeiten, die MP3 und andere Kompressionsformate bieten:
verlustfreies Kopieren, Herunterladen oder auch das Streamen von Online-Radios und
die damit verbundene Möglichkeit, Neues zu entdecken. Z.B. Musik, die den meisten
ohne Internet und MP3 niemals zu Ohren kommen würde, wie beispielsweise auf der
Website Awesometapes.org, wo alte afrikanische Musikkassetten veröffentlicht werden.
Musik geht über in
Atmobeispiel Aporee.org
Autor:
Audiosoftware und MP3-Kodierer sind heute für Jedermann verfügbar. Entsprechend
leicht ist es, Musik, Geräusche und Wortbeiträge selbst zu produzieren. Unzählige
Internetportale laden dazu ein, das eigene Werk öffentlich anzubieten, ob als Podcast
oder Download. Da gibt es Musik, auf den Webseiten der Netlabels etwa, aber auch
Geräusche, z.B. bei Radio Aporee, wo sich auf einer akustischen Weltkarte von den
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Nutzern angefertigte Tonaufnahmen aus Natur und Umwelt entdecken lassen und zu
deren Erweiterung jeder beitragen kann.
Atmo Aporee
Autor:
Bei den neuen kommerziellen Online-Angeboten verlagert sich die Gewichtung in
Richtung Streaming statt Download. Wenn sowieso alles virtuell abgerufen werden
kann, braucht nicht mehr die eigene Festplatte mit Daten blockiert zu werden. Als ein
Beispiel für solche Dienste sei hier der schwedische Anbieter Spotify genannt, der im
März 2012 in Deutschland gestartet ist und seinen Nutzern die Auswahl aus etwa 13
Millionen Musikstücken bietet, die vom Computer oder Smartphone abrufbar sind. Per
kostenpflichtigem Abo können die Songs in der höchsten MP3-Qualität heruntergeladen
oder ebenfalls mit bis zu 320 Kilobit pro Sekunde gestreamt werden. Auch der kritische
Wiener Professor Emil Lubej sieht die vielen Vorteile von MP3 und Co.
Cut 29: Emil Lubej
In meiner Brust wohnen zwei Seelen. Ich betreibe seit vielen Jahren ein Internetradio.
Da haben wir viele Tests gemacht, welche Kompressionsraten und welche Encoder etc.
Und da ist es schon wichtig, auch wenn man reduzierte Daten anbietet, dass sie in
höchster Qualität einmal im Original vorliegen, und dann in einer Qualität, die für die
jeweilige Situation optimal kodiert sind.
Autor:
Wichtig ist zunächst die Quelle, aus der die MP3-Datei gemacht wird – die sollte am
besten unkomprimiert, sprich z.B. eine Original-CD sein. Wer jetzt in einem
Abspielprogramm wie z.B. iTunes diese CD zu einem MP3-Album machen will, kann
bestimmen, welche Bitrate die MP3s haben sollen, welche Datenmenge pro Sekunde
übertragen wird.
Bei MP3 stellt die höchste Qualität 320 kBit in konstanter Bitrate dar. Wer seiner Musik
nicht ganz so viel Datenplatz gönnen mag, könnte für eine dennoch gute Qualität einen
hohen Wert, aber in einer variablen Bitrate, VBR abgekürzt, wählen. Bei dieser wird, je
nach Komplexität der zu bearbeitenden Stelle innerhalb eines Musikstücks, mehr oder
weniger Speicherplatz benötigt. Wer sorgfältig vorgeht, wird ein gut klingendes MP3Ergebnis erzielen. Wer hören möchte, wie das Gegenteil klingt, findet bei Youtube
Tausende Beispiele – erkennbar an zischelnden Höhen, einem Verlust der Bässe und
der Räumlichkeit und einem flachen Gesamtklang.
Musik von Youtube (mit Bläsern) in schlechter MP3 Qualität
Cut 31: Lubej
Und auch bei bestimmten Instrumenten, da fehlt die Brillanz, wenn Sie irgendwo Bläser,
Blechbläser haben, das wird dann stumpfer, trockener.
Frauenstimme:
MP3 verändert das Hören, verändert die Musik
Autor:
Zischelnde und verwaschen klingende MP3s bestimmen zu einem nicht geringen Anteil
den Höralltag vor allem jüngerer Generationen. Sie werden zur Norm. So jedenfalls
könnten die Ergebnisse der Versuche des Komponisten und Professors Jonathan
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Berger interpretiert werden, der über mehrere Jahre mit den Studenten eines Kurses
die Qualität von verschiedenem Audiomaterial verglich. In Blindtests und auf einer
qualitativ hochwertigen Anlage spielte er ihnen Ausschnitte von Musikstücken in
unterschiedlichen Bitraten vor.
But 33: Berger
We asked for preferences. We were a little bit surprised of the results. (…) It amplifies
the sizzle. 00:05:22-1 The excitement of noise were beeing amplified by low bitrate
audio.
Übersetzer:
Wir wollten wissen, was den Studenten besser gefällt. Und die Resultate waren
durchaus überraschend. Denn die Musikausschnitte in der höheren Audioqualität
erhielten nicht automatisch den Vorzug. Im Laufe der Jahre wurden sogar MP3s in
niedriger Bitrate bevorzugt – was ich als Musiker einigermaßen erschütternd fand. Ich
dachte darüber nach, woher das wohl kommt, und da fiel mir auf, dass in diesen
bevorzugten Musikausschnitten viele hochfrequente Geräusche enthalten sind.
Beckenschläge, Blechbläser, viel Percussion – wenn die laut vorkamen, wurden diese
Musikausschnitte ganz klar in niedrigen Bitraten bevorzugt.
Beispiel Youtube-Musik
Autor:
Demnach werden die zischeligen Artefakte, die bei der MP3-Kodierung entstehen, vom
Ohr als Teil der in der Musik vorhandenen hohen Frequenzen interpretiert. Niedrigratige
MP3s kreieren also ein verstärktes Zischeln und dadurch einen eigenen,
charakteristischen Sound, der in den Tests von Jonathan Berger, quer durch alle
Musikstile, von den Studenten bevorzugt wurde.
Cut 37: Berger
We have a syndrome that I call (...) So the way we hear things changes.
Übersetzer:
Wir haben ein Syndrom, das ich Fickle Ears, wechselhafte Ohren, nenne. Ich meine
damit, dass die Art, wie wir Sachen hören, sich über die Jahre drastisch verändern
kann. Ein Beispiel: Als die ersten Synthesizer rauskamen und diese Geigen und
Streicherensembles nachbildeten, fanden wir das anfangs großartig und absolut
glaubwürdig.
Musik Streicher-Emulation von einem analogen Synthesizer
Übersetzer:
Zwei Jahre später fanden wir diese Emulation lächerlich. Die Wahrnehmung von dem,
was wir hören, verändert sich.
Cut 40: Berger
I've been concerned that (…) and the aesthetics is then affecting the limiting
technology.
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Übersetzer:
Ich fand es beunruhigend, dass ein Großteil der Jugend Musik heute über billige
Kopfhörer oder schlechte Computerlautsprecher hört. Es findet tatsächlich eine
Rückentwicklung der gehörten Audio-Qualität statt. Sie hören wirklich niemals Musik in
hoher Qualität. Andererseits gab es aber auch diesen hochinteressanten Aspekt, dass
sich die Musik wiederum an diese neuen Hör-Gewohnheiten anzugleichen scheint. Die
hochfrequenten Zischelanteile schlechter MP3s, die als attraktiv empfunden werden,
werden von den Musikproduzenten aufgegriffen und absichtlich eingebaut.
Musik http://www.youtube.com/watch?v=LRnSHbCzigg&feature=player_embedded
Sprecher:
Hinzu kommt eine Dynamikkompression, die keinen Unterschied mehr zwischen laut
und leise kennt, sondern alles bloß nur noch laut macht. Letzterer Effekt ist nicht nur im
Pop allgemein verbreitet und wird Loudness War, Lautheitskrieg genannt. Der Musiker
Clams Casino setzt diesen bewusst ein, macht ihn zum Stilmittel, und spiegelt damit
auch unsere mediale Hörwelt.
Musik Clams Casino
Atmo
Musik geht über in Haustürklappen, Straßenlärm
Frauenstimme:
MP3 – überall und mobil
Autor:
Ein Grund für den Erfolg von MP3 liegt ganz sicher in der Mobilität des Formats.
Unsichtbar kann da die ganze Popgeschichte auf dem kleinen Abspielgerät lagern. Die
einzelnen MP3s entstammen dabei häufig verschiedensten Quellen und haben große
Qualitätsunterschiede. Eine Information darüber könnten Bit- und Abtastrate des
jeweiligen Songs bieten. Doch diese werden, auch von den am meisten genutzten
Playern, nicht im Display abgebildet und so gar nicht erst zum Thema gemacht.
Genauso sieht es bei Online-Anbietern wie Amazon oder iTunes aus: Eine Information
über die Bitraten findet sich nur versteckt, und welche Ausgangsquelle die Grundlage
war, wird gar nicht erwähnt.
Cut 45 Umfrage: Junge a)
Wenn ich'n guten Song finde, dann gleich Youtube, runterladen, hab ich'n MP3, kann
ich im Auto hören.
Atmo Kopfhörermusikzischeln, dann Überblendung vom Straßenlärm zur Musik:
Autor:
Wer mit Kopfhörern durch die Stadt läuft, dem fällt vielleicht auf, dass auf den Plakaten
mit Konzertankündigungen auffallend viele Musiker zu sehen sind, die schon vor
Jahrzehnten große Erfolge feierten: Bryan Adams, Die Ärzte, Lionel Ritchie, Pur – ein
Blick auf die Litfaßsäulen der Städte kann geradezu eine Zeitreise auslösen. Es scheint
tatsächlich nur wenige Musiker jüngeren Datums zu geben, die große Säle oder Arenen
füllen. Dieser durchaus subjektive Eindruck erfährt Unterstützung bei einem Blick auf
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die verkauften Tonträger weltweit, in denen zumindest bei den Wikipedia-Listen bis auf
Rihanna und Lady Gaga keine Künstler dieses ja auch nicht mehr ganz so jungen
Jahrtausends auftauchen.
Ob das daran liegt, dass der Musikindustrie seit MP3 und den damit verbundenen
illegalen Downloads weniger Geld zur Verfügung steht und jungen Künstlern dadurch
weniger Förderung und Entwicklungszeit gegeben wird, kann kaum nachgewiesen, aber
durchaus vermutet werden. Doch gibt es nicht weniger Veröffentlichungen als vor MP3.
Cut 47 Umfrage: Junger Mann b)
Es gibt so unendlich viele Leute, die es produzieren können. Deswegen geht die
Qualität auch runter.
Autor:
Masse statt Klasse, nicht nur auf den Playern, auch bei den Produzierenden – meint
dieser junge Mann.
Cut 48 Umfrage: Junge b)
Ich erstell immer Playlists, nach Gefühlslage. Lieder, die ich ausgewählt habe, die ich
gut finde und jetzt gerade hören möchte. Alles bunt gemischt.
Autor:
Mit MP3 hat sich der Musikkonsum und damit auch das Konzept vom Tonträger
verändert. Die Musik erscheint da häufig nicht als Teil eines Albums, sondern als
einzelner Song, der eingebaut wird in den Soundtrack zum eigenen Alltag. Das Konzept
vom Album ist nicht mehr zeitgemäß.
Alben als in sich geschlossene Werke, haben aber auch aus einem anderen Grund
einen schwierigen Stand auf den Playern, wie sich der Musiker und Produzent Brian
Eno in einem Interview mit der Musik-Webseite Pitchfork beklagt hat. Sobald er etwas
höre, was er mag, möchte er wissen, welche Gedanken dahinterstecken und wer
mitgewirkt hat – wer Bassist, wer Ton-Ingenieur usw. war. Die Song-Dateien aus dem
Internet aber kämen ganz selbstverständlich ohne jede Nennungen daher, so Brian
Eno. Und auch wenn es bei einigen Online-Geschäften Zusatzinformationen gibt, sind
sie später auf dem Player doch maximal auf die Abbildung des Covers reduziert. Doch
apropos:
Frauenstimme:
MP3 und die Geschäfte
Atmo Plattenladen
Autor:
Cover, Booklets, Labelinformationen – all das findet sich auf den CDs und LPs im
Tonträgergeschäft Zardoz in Hamburg. Vor ein paar Jahren gab es noch drei Filialen,
heute ist eine übrig geblieben. André Sorgenfrei arbeitet seit mehr als 25 Jahren für das
Geschäft. Er meint, die Wertschätzung musikalischer Werke sei geringer geworden, das
sei allerdings schon vor MP3 losgegangen.
Cut 51: Sorgenfrei
Ich bin damals eingestiegen, da gab's noch keine CDs. Da ging's der Plattenindustrie
noch wahrscheinlich sehr, sehr gut. Die haben das Geld ordentlich verprasst. Dann kam
unglücklicherweise, wie ich finde, die CD auf den Markt, die, wie ich finde, Musik ein
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bisschen entwertet hat. Weil ich schon immer noch die vielleicht etwas altmodische
Auffassung hab, dass bei ner Schallplatte doch mehr das Haptische da ist, dass man
mehr in der Hand hat, dass es aufregender ist, ne Schallplatte aufzulegen, die Nadel
aufzusetzen.
Autor:
Immer mehr Musikliebhabern bringt die LP eine Wertigkeit, die eine MP3-Datei auf einer
Festplatte nicht bieten kann. Der Absatz von Schallplatten steigt seit einigen Jahren an,
2011 allein um 20 Prozent, macht allerdings insgesamt nur etwa ein Prozent am
Gesamtumsatz mit physischen Tonträgern aus. Doch im Gegensatz zu den 1980erJahren, als man mit dem Erscheinen der CD glaubte, die LP demnächst zu Grabe
tragen zu können, muss man heute eher das Ende der CD befürchten. Eine
bemerkenswerte Folge von MP3.
Cut 52 Umfrage: Junge d)
Ich hab Freunde, die auch Platten noch hören. Aber die meisten hören MP3. Tapes
überhaupt nicht mehr, CDs auch nicht mehr. Nur noch MP3 oder oldschool halt Platten.
Autor:
Oldschool ist womöglich auch das Konzept von Hifi, von der hohen Klangtreue in den
eigenen vier Wänden. Mächtige Stereoanlagen und mannshohe Lautsprecher, das war
vor einigen Jahren noch Normalität in deutschen Wohnzimmern. Hifi hat dafür gesorgt,
dass beinahe alle – auch die, die es nicht interessierte – mit hochwertigem Klang
versorgt wurden.
Doch wer interessiert sich in den heutigen Zeiten von MP3 und dem vermehrt mobilen
Musikkonsum noch dafür? Wenn man die Zahlen der GFU, der Gesellschaft für
Unterhaltungs- und Kommunikationselektronik, nimmt, dann gibt es da wohl einige.
Beim Verkauf von Hifi-Komponenten gab es in den vergangenen Jahren jeweils hohe
Zuwachsrate. Auch das Hifi- und Hi-End-Geschäft Audiophonie laufe gut, sagt Jörg
Schütt, einer der beiden Geschäftsführer:
Atmo Audiophonie
Cut 54: Schütt
80er-Jahre, 90er war Hifi Kult. Man brauchte ne große Anlage, je höher, desto besser.
Heute gehen unsere Kunden gehen gezielt Richtung Qualität und wenig sichtbares Hifi.
Das heißt, All in One Geräte, wo CD, Radio, Verstärker in hoher Qualität in einem Gerät
integriert werden, das findet hohen Zuspruch.
Autor:
Doch mussten die meisten Hersteller mit MP3 umdenken und es, ob gewünscht oder
nicht, auch irgendwie in die Produkte integrieren. Mit-Geschäftsführer Joachim Kock
zeigt ein wie ein Zeppelin aussehendes und auch sogenanntes Lautsprechersystem mit
MP3-Dockingstation.
Cut 55: Kock
Das ist ein typisches Beispiel für ne Firma, die Lautsprecher baut, die aber gemerkt hat,
dass man mit iPod-Zubehör gutes Geld verdienen kann.
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Autor:
Gut laufen auch externe Verstärker und Wandler, die die minderwertigen Bauteile in
den MP3-Abspielgeräten umgehen und so das Klangergebnis aufwerten.
Cut 56: Kock
Wenn man gute Bausteine in der Wiedergabekette hat, klingt es fast wie ne CD.
Autor:
Das größere Problem aus klangqualitativer Sicht sei, dass vieles von dem was heute an
Musik produziert wird, im Hifi-Sinne einfach nicht gut klingt. Das hat viel mit der
maximalen Dynamikeinschränkung in modernen Produktionen zu tun, dem erwähnten
Loudness War, bei dem sowohl Musiker als auch Produzenten versuchen, im
Endergebnis ein möglichst hohes Lautstärkeempfinden beim Hörer zu erreichen. Die
Klangqualität belibt dabei auf der Strecke.
Cut 57: Schütt
Ich hab viele Kunden zum Musikhören und die merken dann, wenn sie hier sitzen, dass
80 oder 70 Prozent aller CDs unhörbar, katastrophal schlecht aufgenommen wurden,
Und das merken sie dann bei einer hochwertigen Anlage und finden es furchtbar.
Autor:
Wenn der Massenmarkt keine vernünftige Klangqualität mehr bietet, müssen es die HifiHersteller halt selber machen. Die renommierte britische Firma Naim-Audio hat ein
eigenes Label gegründet, bei dem die Musik in bestmöglicher Qualität aufgenommen
wird. Nach Meinung von Naim geschieht das am besten ganz ohne Digitaltechnik, rein
analog.
Cut 58: Schütt
Die sind berühmt für natürlich gute Aufnahmen.
Autor:
Auf der Naim-Label-Website lassen sich CD und Vinyl erwerben, aber auch
verschiedene Download-Varianten, die bis hin zur Möglichkeit des sogenannten HiDefinition Downloads gehen, der einer Auflösung von 24bit und 88.2kHz entspricht und
bei einem Album etwa einer Datenmenge von 1,5 GB. Lohnt sich auf jeden Fall, sagt
Jörg Schütt:
Cut 59: Schütt
Es klingt noch natürlicher, es ist noch weniger Technik im Ton. Es ist die Technik, die
im Studio genommen wird. Das kann man auf die Festplatte packen oder auf einen
USB-Stick, dann geht man direkt in einen hochwertigen DA-Wandler, und hat dann die
Möglichkeit, die bestmögliche Auflösung einer Aufnahme zu hören. Die Unterschiede
sind dann nochmal deutlich zu einer CD und MP3 sowieso.
Atmo Park und Gitarre
Autor:
In Zeiten von MP3 ist Hifi zur Nische geworden. Doch braucht sich niemand Sorgen zu
machen, dass die Ohren irgendwann nur noch Klänge hören könnten, die von
Kompressionsverfahren möglichst klein gerechnet sind. Denn das Live-Konzert, aber
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auch die Vögel im Park, der Gitarrenspieler auf der Bank – sie alle sind garantiert
datenunkomprimiert. Ganz natürlich, und ohne Technik im Ton.
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