SÜDWESTRUNDFUNK SWR2 Wissen – Manuskriptdienst

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SÜDWESTRUNDFUNK
SWR2 Wissen – Manuskriptdienst
Diagnose Herzinfarkt
Autor: Konrad Lindner
Redaktion: Detlef Clas
Regie: Iiris Arnold
Sendung: Montag, 09. Februar 2009, 8.30 Uhr, SWR 2
Wiederholung: Montag, 15. Februar 2010, 8.30 Uhr, SWR 2
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt.
Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen
Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
Mitschnitte auf CD von allen Sendungen der Redaktion SWR2 Wissen/Aula
(Montag bis Sonntag 8.30 bis 9.00 Uhr) sind beim SWR Mitschnittdienst in
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1. Atmo: Herztöne Katheterlabor
Cut 1: Kerstin Günther
„Es gibt den Spruch oder die Weisheit: ‚Zeit ist Myokard. Also Herzmuskel.‘ Sodass,
wenn die Diagnose schon eindeutig gestellt werden kann – mit den entsprechenden
EKG-Veränderungen und Patient hat Schmerzen, die nicht zu coupieren sind – dann ist
wirklich Zeit im Verzug und man sollte auf schnellstem Wege dann die Wiedereröffnung
des Gefäßes anstreben im Rahmen einer Herzkatheteruntersuchung.“
Cut 2: Bernhard Meier
„Ein großes Gebiet war in Gefahr. Das ist makaber ‚Witwenmacher‘, weil, wenn man
nichts Gescheites macht damit und es einfach lässt, dann sterben wahrscheinlich 60 bis
70 Prozent der Patienten an diesem Problem. Die hinterlassen dann eben Witwen. Das
kommt noch aus der Zeit als man gedacht hat, der Infarkt sei für Männer reserviert.
Was wir heute wissen, ist, dass das nicht der Fall ist. Die Frauen haben ebenso häufig
Infarkte. Allerdings einige Jahre später in ihrem Leben, weil sie hormonell gegen die
Alterung der Gefäße geschützt sind und damit der Alterungsprozess etwa zehn Jahre
später einsetzt als bei den Männern. Genauso gut könnte man sagen: Das ist auch ein
„Witwermacher“-Problem, das Sie auf ihrem Herzkranzgefäß hatten. Ganz so schlimm
ist es dann auch nicht. Heute überleben das die meisten, weil man eben dank Andreas
Grüntzig und anderen Leuten, die auch Gutes in der Kardiologie gemacht haben, sehr,
sehr greifende Instrumente hat, dem zu begegnen ... Dann kann man sagen,
rückblickend sind Sie da dem Teufel vom Karren gesprungen, das kann man schon
sagen.“
Ansage:
Diagnose Herzinfarkt. Eine Sendung von Konrad Lindner.
Sprecher:
Während des Urlaubs im Berner Oberland waren sie plötzlich da, die heftigen
Schmerzen im Brustraum. Die Ärztin vor Ort in Zweisimmen stellte die Diagnose:
Herzinfarkt! Der Rettungshubschrauber kam. Binnen zehn Minuten wurde ich nach Bern
geflogen. Nach dem Schmerz kam die Erlösung: Im Katheterlabor öffneten die Ärzte –
was bei Bewusstsein geschieht – das verschlossene Gefäß. Der linke Herzmuskel
wurde wieder mit Blut versorgt und der Schmerz war weg. Aber erst viel später
interessierte mich, wie das Gefäß geöffnet und stabilisiert wurde. Obwohl es schnell
wieder bergauf ging, die ganze Wahrheit über den Infarkt und die Methoden seiner
Behebung wollte ich vorerst nicht wissen. Erst im Laufe der ambulanten Rehabilitation
zu Hause in Leipzig wollte ich mehr darüber erfahren, was ein Infarkt eigentlich ist und
welche Strategien es gibt, einem Wiederholungsfall entgegenzuwirken.
Sprecherin:
Ein Herzinfarkt ist ein tiefer Einschnitt im Leben. Aus völligem Wohlbefinden heraus
wird ein todesnahes Erlebnis produziert. In Deutschland erleiden jedes Jahr etwa
280.000 Menschen einen Herzinfarkt. Etwa 60.000 Menschen sterben pro Jahr an
einem akuten Infarkt. In der Schweiz sind jährlich rund 30.000 Menschen von einem
koronaren Ereignis – von Herzinfarkt oder Angina pectoris – betroffen.
Sprecher:
Weil ich während der Rehabilitation in der Medica-Klinik durch Sport und BelastungsEKG wieder Vertrauen zu meinem Körper fand, erwachte meine Neugier für den
zurückliegenden Infarkt. Aber erst einmal konzentrierte ich mich auf das angenehme
Warmwasserbad. Hydrotherapeutin Astrid Geisler leitete den Tauchgang meines linken
Armes.
Cut 3: Astrid Geisler
„Das sind ja jetzt die temperaturaufsteigenden Armbäder. Heute das erste Mal. Sie tun
den linken Arm hinein. Wir fangen mit einer Anfangstemperatur von 34 bis 36 Grad an.
Wir geben nur maximal warmes Wasser zu. Heiß kommt das aus der Leitung. Hier ist
ein Temperaturfühler an der Seite, wo das Wasser langsam aufsteigt. Also bis 40
Grad.“
Sprecher:
2
Als ich mich eine viertel Stunde lang von der Wärme durchströmen ließ, kam mir die CD
in den Sinn, die ich im Inselspital in Bern erhalten hatte. Ich wollte mir unbedingt die
Bilder anschauen, die dort im Kathetersaal von dem Herzdefekt angefertigt worden
waren. Jürgen Otto – der leitende Kardiologe der Medica-Klinik in Leipzig – musste
einige Minuten auf seinem Laptop suchen, bis er das Schlüsselbild in der Serie der
Herzaufnahmen gefunden hatte.
Cut 4: Jürgen Otto
„Ach, das kann man nicht so nehmen. Doktor, ich bin mit mir nicht zufrieden! Das ist die
Stammaufnahme. Spider view haben wir immer dazu gesagt, weil es wie bei einer
Spinne auseinandergeht. Ach, und hier oben bricht er ab! Sehen Sie: Hier! Nur in dieser
Abbildung! Ich halt’s mal an. Anhalten! Nur in dieser Abbildung sieht man das ganz
proximal. Hier! Das ist ein typisches Zeichen. Hier bricht’s ab. Ganz hoch proximal. Also
ganz weit oben zu Deutsch. Ganz weit oben ist kein spitzer, sondern ein breiter
Abbruch. Hier hängt das ganze Vorderwandgefäß dran. Au weia! Das ist in diesen
ganzen andern Ebenen überlagert gesehen. Das sah alles schön schlank und dünner
werdend aus. Und hier: Abbruch. ... Hier an dieser Stelle sitzt diese weiche Zeichnung,
das ist ein Gerinsel und der verschließt vollständig das Gefäß. Und wenn das nicht
innerhalb der nächsten viertel oder halben Stunde aufgemacht worden wäre, hätten Sie
hier eine riesige Narbe gehabt. Da wäre die linke Kammer, die Vorderwand, die
gesamte Vorderwand mit einer starken Pumpfunktionseinschränkung behaftet
gewesen, die Sie nicht losgekriegt hätten. Man hätte auch akut eine Rhythmusstörung
bekommen können oder ein akutes Pumpversagen, weil ja die gesamte linke Kammer
hängt an diesem Ast dran. Wir gehen zum Modell rüber!“
Sprecherin:
Der Verschluss eines Gefäßes ist umso gefährlicher, je näher es sich beim
Hauptstamm befindet! Das hat Konsequenzen für die Strategie der Behandlung.
Bernhard Meier – Direktor der Klinik für Kardiologie am Inselspital in Bern – über die
Prioritäten der Kardiologen.
Cut 5: Bernhard Meier
„Was wir bis heute machen auf Grund, was uns Andreas Grüntzig gegeben hat: Wir
beschränken uns auf die größeren Hauptäste dieses Baumes oder dieses Kranzes und
versuchen, die wieder in einen normalen Zustand zu bringen. Wir gehen nicht in die
kleinsten Ästchen hinaus. Die sind auch nicht mehr wichtig. Die versorgen vielleicht
zwei Muskelzellen und auf die kann man verzichten. Aber ein etwas zentral gelegenes
Gefäß kann durchaus ein Drittel des Herzens mit Blut versorgen. Und wenn das zugeht,
stirbt ein Drittel des Herzens ab, was tödlich sein kann oder zumindest zu einer
deutlichen Schwächung dieses Herzens des einzelnen Menschen führt.“
Sprecher:
Als junger Assistenzarzt gehörte Bernhard Meier in Zürich mit zu dem Team, das unter
Leitung von Andreas Grüntzig die weltweit erste Ballondilatation beim Menschen
erprobte: Mit einem winzigen Ballon wurde ein verschlossenes Gefäß aufgesprengt.
Eine Sternstunde der Medizingeschichte, der ich erst als Infarktpatient auf die Spur
kam.
Sprecherin:
3
Fast jeder dritte Mensch mit einem Herzinfarkt stirbt, bevor er die rettende Klinik
erreicht. Deshalb muss sofort reagiert werden. Wichtig ist, dass Betroffene oder
Angehörige umgehend den Rettungsdienst alarmieren.
Sprecher:
Das tat meine Frau. Zu uns kam die Vertretung von Doktor Zimmerli: Die Fachärztin für
Innere Medizin, Kerstin Günther. In Leipzig hatte sie Medizin studiert. Dann ging sie in
die Schweiz, um in der Praxis von Doktor Zimmerli ihre Assistenzzeit zu absolvieren.
Als eine Vertretung nötig war, kam sie wieder nach Zweisimmen. Am ersten Tag wurde
sie sogleich mit einem Notruf konfrontiert.
Cut 6: Kerstin Günther
„Wir haben in der Praxis alles stehen und liegen lassen. Sind sofort zu dieser
beschriebenen Adresse gefahren. Bereits auf Grund der doch recht typischen
Schmerzen – am Anfang steht immer, dass man zunächst kurz erfragt: Den
Schmerzbeginn. Die Lokalisation. Gibt es Risikofaktoren oder bekannte
Herzerkrankungen? – hat meine Gedanken schon in eine gewisse Richtung gelenkt.
Weil auch feststand, dass möglichst rasch eine Verlegung in ein Spital anstehen würde,
war dann bereits mein nächster Schritt – nachdem ich mir zunächst ein Bild gemacht
hatte – Blutdruck, Puls waren ja ganz passabel – hatte ich sofort die Ambulanz, d. h.
den Rettungsdienst angefordert, damit dadurch anschließend kein Zeitverlust entstehen
würde. Anschließend ist dann das Vorgehen, dass man zunächst versucht, den
Patienten zu beruhigen. Die Schmerzen lindert durch Medikamente. Eine intravenöse
Leitung, also einen Zugang legt, über den dann auch notwendige Medikamente
verabreicht werden könnten. Vor allem hat ein EKG dann zur Diagnose geführt.“
Sprecher:
Ich wurde auf einer Trage verpackt. Mehrere Frauen und ein Rettungssanitäter
stemmten mich durch das Fenster. Den Transport nach Bern erlebte ich wie im Film. Es
war mir unbegreiflich, dass so viele Menschen derart um meine Gesundheit kämpfen.
2. Atmo: Hubschrauber
Sprecher:
Nachdem ich im Innenraum verstaut war, startete der Hubschrauber. In Begleitung
einer Ärztin flog der rote Hubschrauber mit 300 Kilometern pro Stunde nach Bern ins
Inselspital.
Sprecherin:
Für die Rega – die Schweizerische Rettungsflugwacht – gehört der Transport von
Herzpatienten ebenso zur Routine wie für die Flugrettung in Deutschland. Markus
Braun ist einer der Piloten der Rega, der im Notfall auch Herzinfarktpatienten
transportiert.
Cut 7: Markus Braun
„Es ist natürlich ein akutes Problem, dass schnell behandelt werden muss. Deshalb
spielt Zeit eine große Rolle. Mit dem Hubschrauber kann man viele Schäden
verhindern, die auftreten würden, wenn der Patient nicht sofort behandelt werden
würde.“
Sprecher:
4
Nach der Landung beim Inselspital rollte ich wie von einer unsichtbaren Hand gelenkt
einem festen Ziel zu: Dem Kathetersaal. Ein flinker und freundlicher Arzt nahm mich in
Empfang: Der Kardiologe Rolf Vogel. Er führt pro Jahr etwa 700 Eingriffe durch. Über
die Biophysik des Herzens machte er sowohl in den Naturwissenschaften als auch in
der Medizin seinen Doktor. Am Herzen fasziniert ihn etwas, das mir erst während des
Fahrradfahrens im Rahmen der Rehabilitation richtig bewusst wurde.
Cut 8: Rolf Vogel
„Naturwissenschaftlich, philosophisch vielleicht kann man sagen: Das Herz, das will
arbeiten! Es macht nie eine Pause. Der Kopf macht eine Pause. Die Muskulatur, die
Körpermuskulatur macht Pausen. Das Herz macht keine Pausen. Es will wahrscheinlich
keine Pausen machen ... Deshalb ist man immer mehr dazu gekommen, eine möglichst
aktive Erholung zu machen. Nicht zu warten, bis die Gesundheit kommt. Die kommt
nicht bei der koronaren Herzkrankheit. Bei der koronaren Herzkrankheit kommt die
Krankheit, wenn man nichts macht. Wenn man die Krankheit verhindern will oder den
Verlauf bremsen will, dann muss man aktiv sein. Körperlich aktiv.“
1. Atmo: Herztöne Katheterlabor
Sprecher:
Am 27. Mai war ich im Katheterlabor 3 der zehnte und letzte Patient. Bereits zwei
Stunden nach dem Beginn der Schmerzen wurde ich im Inselspital behandelt. Rolf
Vogel begann den Eingriff mit seinem Team um 17.25 Uhr.
3. Atmo: Raumton Katheterlabor
Sprecherin:
Die invasive Kardiologie erfordert Kopf- und Handarbeit. Wer mit dem Katheter im Herzund Koronarraum der Patienten navigiert, muss sich die Wege im menschlichen Körper
räumlich vorstellen können, auch wenn ihm auf dem Bildschirm nur eine
zweidimensionale Darstellung zur Verfügung steht. Aber auch die Hände sind gefordert.
Zittern dürfen Kardiologen nicht. Sie benötigen eine ruhige Hand, wenn sie in dem
Geäst der Gefäße die dünnen Schläuche zur Schadensstelle steuern, um dort
Verschlüsse aufzumachen.
Sprecher:
Eine Schwester öffnete die Arterie in meiner rechten Leistengegend. Weh tat das nicht.
Von dieser Öffnung her hatte der Arzt mit dem Katheter – seiner verlängerten Hand –
den direkten Zugang zum Herzen. Rolf Vogel schob das Schläuchlein wie eine Rute
vorsichtig und doch geschwind in Richtung Brustraum. Wie immer bei einem Eingriff
musste er erst einmal Bilder vom Ausmaß des Schadens machen.
4. Atmo: Katheterlabor
„So, jetzt kommt das Wärmegefühl. Brummen. Spüren Sie’s?! Ja. Gut. (Brummen der
Geräte.) Sie können die Arme auf die Brust legen. Ich schaue mir die Bilder noch mal
an und sage Ihnen dann, was wir gesehen haben.“
Sprecher:
Während durch den feinen Schlauch das Kontrastmittel in die Herzhöhle strömte und in
den Blutkreislauf gepumpt wurde, steuerte Rolf Vogel die Kameras in eine geeignete
Position.
5
Sprecherin:
Gute Bilder sind die Grundlage für die zuverlässige Beurteilung des Schadens und für
eine effiziente Therapie.
Cut 9: Rolf Vogel
„Wir sehen hier einen relativ schweren Befund. Man sagt: Die ganze Vorderwand, die
funktioniert hier nicht mehr. Sie steht hier still. Die transportiert kein Blut mehr raus. Nur
noch die basale Manschette pumpt hier Blut. Das ist eine mittelschwer eingeschränkte
Pumpfunktion im Moment. Das lässt schon Rückschlüsse darauf zu, wo der Verschluss,
der potentielle Gefäßverschluss liegen kann. An und für sich erwarte ich in dieser
Situation nicht einen allzu komplizierten Eingriff, weil die Pumpfunktion noch nicht
schwerstgestört ist.“
Sprecher:
Ich spürte noch im Kathetersaal, dass der Eingriff erfolgreich verläuft. Um 17.20 Uhr
war ich in den Raum gekommen. Um 17.25 Uhr war der Arterienverschluss – des
mittleren Riva – klar lokalisiert. Riva ist das Gefäß, das sich zwischen der rechten und
linken Herzhöhle entlangzieht. Der nächste Schritt war die Rekanalisation des Gefäßes.
Sie erfolgte um 17.29 Uhr.
Cut 10: Rolf Vogel
„Das ist ein Ballon, der auf einem Rohr aufgemacht ist, (den wir) über diesen Draht
vorschieben ins Herzkranzgefäß. Davon spürt der Patient wieder nichts. Nachher
kommt eigentlich die Aufdehnung. Das sehen wir hier. Hier wird das Gefäß aufgedehnt.
Die enge Stelle oder der Verschluss wird hier auf gedehnt.“
Sprecher:
Der Schmerz hinter dem Brustbein verschwand. Ich empfand eine große Erleichterung.
Nachdem die Arterie wieder geöffnet war, begann die letzte Arbeitsetappe. Rolf Vogel
transportierte zur Stabilisierung des Gefäßes zwei Stents – zwei Metallgitterchen – von
der Leiste bis zur Herzarterie.
Cut 11: Rolf Vogel
„Es ist wieder ein Ballon, der im Gefäß aufgedehnt wird, nur dass auf den Ballon dieses
Gitter draufgemacht ist und das Ganze zusammengepresst, damit man das in das
Gefäß einführen kann. Dann dehnt man den Ballon auf und so wird das Gitter in die
Gefäßwand reingedrückt. Und nachdem man den Ballon ablässt, bleibt es da und man
kann den Ballon entfernen. Wenn man das dann kontrolliert, sieht man, dass das Gefäß
jetzt schön offen ist. Und dann ist die Behandlung mehr oder weniger abgeschlossen.“
Sprecher:
Durch das Aufsprengen der Engstelle wurde der Verschluss zügig, erfolgreich und ohne
Bypassoperation beseitigt. Ein Bypass ist eine Blutgefäßbrücke. Die Ärzte bedienen
sich oft der Venen des Beines, um defekte Koronargefäße zu ersetzen.
Sprecherin:
Die zur Bypassoperation alternative Technologie wurde am 16. September 1977 von
Andreas Grüntzig in Zürich erstmals am Patienten erprobt. Inzwischen wird sie in den
Industrieländern pro Jahr millionenfach angewendet. Bernhard Meier über den
fließenden Übergang zwischen Bypassoperation und Stenteinsatz.
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Cut 12: Bernhard Meier
„Wenn jemand sehr spät in seiner Krankheit ist und schon sehr viele Engstellen hat,
viele Gefäße auch ganz verschlossen und der Herzmuskel arbeitet schon nicht mehr
gut, ist auch heute die große Operation immer noch die bessere Wahl. Wenn man die
Patienten aber früh entdeckt, wenn eben das erste Problem sich früh manifestiert und
nur ein Gefäß erkrankt ist, vielleicht zwei maximal, selten mal drei, aber nur an vielleicht
drei Stellen kann man das heute praktisch voll umfänglich ersetzen durch diese
Ballondilatation mit Stenteinsatz und braucht keine Operation. Und zahlenmäßig war zu
Beginn Grüntzig relativ skeptisch und hat gesagt: Wenn wir mal 15 Prozent aller
Patienten, die einen Eingriff bei ihren Herzkranzgefäßen brauchen, mit dem Ballon
behandeln können, dann haben wir sehr viel erreicht. Und heute, und das hat nicht mal
er vorausgesehen, ist es genau umgekehrt. Es müssen nur noch 15 Prozent operiert
werden, ungefähr 80 bis 85 Prozent können mit den Ballonen und Stent behandelt
werden.“
5. Atmo: Herzgeräusch Überwachungsstation
Sprecherin:
Innerhalb von 48 Stunden nach einem Infarkt muss man mit schweren
Rhythmusstörungen rechnen. Diese Störungen können zum Kreislaufstillstand führen.
Deshalb ist nach einem Eingriff eine Überwachung erforderlich.
Sprecher:
Nach zwei Tagen Überwachungsstation konnte ich in das Spital nach Zweisimmen
verlegt werden. Nach weiteren zwei Tagen war die Arterie in der Leiste dann soweit
verheilt, dass ich entlassen werden konnte. Die Wanderungen im Berner Oberland
waren zwar diesmal ins Wasser gefallen, aber die Heimreise erfolgte planmäßig. Im
Gepäck hatte ich den Rat der Ärzte, mich zu Hause in Leipzig um eine ambulante
Rehabilitation zu kümmern.
Cut 13: Rolf Vogel
„Bei uns ist klar der Trend zur ambulanten Rehabilitation, weil man der Überzeugung
ist, dass man die Leute nicht allzu stark aus dem Alltag herausreißen will. Das sind vor
allem auch Leute, die sich gar nicht erlauben können, vom Arbeitsprozess lange
entfernt zu sein. Die brauchen dieses Angebot und nutzen dieses Angebot auch. Es ist
ja nicht nur die körperliche Anpassung an den Herzinfarkt, die eine Rehabilitation
braucht, sondern es ist vielleicht sogar primär ein großer Informationsbedarf, den man
decken will. Das kann man sehr gut im Rahmen von ambulanten Rehabilitationen
machen. Durch Vorträge et cetera.“
6. Atmo: Lautes Herzpochen
Sprecherin:
Wenn die Patienten nach einer Operation oder nach einem Eingriff im Katheterlabor
wieder Zutrauen zu ihrem Körper gewinnen, beschleunigt das die Genesung. Um einer
Überforderung vorzubeugen, erfolgt der Herzsport jedoch unter ärztlicher Anleitung.
Gelingt der Übergang zu einem sportlicheren Lebensstil, dann setzt das nicht nur
Glücksmomente frei, sondern hilft auch bei der Rückkehr ins Berufsleben und dient der
Gefäßgesundheit.
7
Sprecher:
Mein Glückstag in der Medica-Klinik war die Sprechstunde vom 18. Juli. Jürgen Otto
analysierte das Herz mit dem Ultraschall. Das Ergebnis lautete: Die Pumpfunktionen
sind wiederhergestellt! Das zeigte: Der Eingriff im Katheterlabor hatte mir wieder eine
Zukunft mit körperlicher Leistung eröffnet. Doch der Weg dahin bedurfte der
Rehabilitation. Sowohl durch Sport als auch durch Information. Der Kardiologe Jürgen
Otto.
Cut 14: Jürgen Otto
„Hier ist das Herzmodell, was ich ja auch in der Gruppe Ihnen gemeinsam gezeigt hatte.
Das ist der linke Hauptstamm. Und unmittelbar danach ist nach einem halben oder
dreiviertel Zentimeter, wo die ganze Vorderwand dranhängt mit einigen Septumästen
und einigen Seitenästen, dieses Ding war kurzzeitig weg. Das habe ich leider erst bei
dieser Aufnahme (gesehen), die wir unten machen. Von links unten machen wir die
Aufnahme, wo wir diesen Stamm gut auseinanderprojizieren können. Leider brauchen
wir für die linken Herzkranzgefäße fünf Aufnahmen, um sämtliche
Überlagerungsmöglichkeiten herauszuprojizieren. Sonst kann man was Schlimmes
übersehen. Ich habe ja bisher auch mit den ersten zwei, drei Aufnahmen habe ich auch
rumgerätselt. Aber diese Aufnahme hat es uns ja, wie wir beide gesehen haben,
eindeutig erbracht. Abbruch des linken Hauptgefäßes kurz nach dem linken
Hauptstamm. Ich glaube, wir haben die früher 'Witwenmacherstenose' genannt, weil
wenn es an der Stelle zugeht, viele mausetot sind. Paar Minuten später.“
Sprecher:
Nach einer dreiwöchigen Sporttherapie hatte ich nicht nur die Kraft, sondern auch den
Wunsch, die ganze Wahrheit an mich ranzulassen. Zuvor hatte ich durch
Ergometerfahren, Geh- und Zirkeltraining, durch Wasserbäder und nicht zuletzt durch
Gespräche mit der Psychologin sowie vor allem durch die Ultraschallbilder des wieder
elastisch pumpenden Herzens Schritt für Schritt die innere Zuversicht geschöpft, um die
Bilder aus Bern betrachten zu können. Mir halfen aber auch die Gespräche mit anderen
Patienten. Der Maler Rainer Knüpfer zum Beispiel hatte am Herzzentrum in Leipzig eine
vierstündige Bypassoperation hinter sich. Am Ende der Rehabilitation traute er sich
wieder etwas zu.
Cut 15: Rainer Knüpfer
„Die Zuversicht, dass es immer besser wird. Man hat keine Schmerzen mehr. Die
Therapien schlagen schon an hier. Ergometer und Gehen. Die Sportspiele. Das hilft
schon alles, dass man dann wieder körperlich fitter wird.“
Sprecherin:
Der Härtetest für Fitness ist das Belastungs-EKG. Dem Patienten verschafft es ferner
ein Gefühl dafür, bis zu welchem Punkt er sich belasten kann.
Sprecher:
Als Rainer Knüpfer am vorletzten Tag seiner Reha die Schwungräder in Bewegung
setzte, verfolgte die Ärztin Katrin Schoop auf dem Bildschirm die Herzkurven. Meine
Frage war: Quält die Ärztin der Medica-Klinik gern männliche Patienten?!
Cut 16: Katrin Schoop
„Nein. Ich quäle natürlich nicht gerne Männer. Aber es ist einfach so, dass ein kleines
Umdenken geschehen ist, dass eine Bypassoperation natürlich keine absolute
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Ruhigstellung postoperativ bedingt. Und wenn der Patient unter Wohlbefinden in der
Ergometrie durchaus gute Leistungen vollbringt, dann finde ich das persönlich wichtig,
dass er auch in der Reha ein Zutrauen zu seiner körperlichen Leistungsfähigkeit
bekommt.“
Sprecherin:
„Reha“ steht für „Rehabilitation“ und beschreibt alle Maßnahmen, die den Patienten
nach der Behandlung des Herzinfarkts wieder auf die Beine bringen sollen. Früher
standen Ruhe und Erholung dabei im Vordergrund – jetzt ist es die Bewegung. Nun
lösen sich körperliche und seelische Verkrampfungen, die ein Infarkt häufig hinterlässt,
nicht mehr nur durch Entspannungs- und Atemübungen. Auch Ballspiel, Gehtraining
und Fahrradfahren tragen dazu bei.
Sprecher:
Im Bereich der Herz- und Kreislauferkrankungen ist Holger Barthel der leitende
Sporttherapeut der Medica-Klinik. Ich erlebte ihn als einen Mann voller Spielideen. Als
Therapeut kennt er die Belastungsgrenzen der Patienten genau. Auch er hält nichts von
langer Bettruhe nach dem Infarkt.
Cut 17: Holger Barthel
„Ein moderates Maß an Belastung bringt unser Herz wieder in Trab. Bringt es wieder
auf ein bestimmtes Leistungsniveau, das auch notwendig ist. Wir wollen ja weiter leben.
Nach einem Herzinfarkt ist ja nicht Schluss. Es soll ja weitergehen. Es geht unten
wieder los. Das Herz ist ja ein Muskel. Kann trainiert werden wie jeder andere Muskel.
Wie jeder Skelettmuskel auch. Das hilft dann wieder, das Leben normal zu gestalten.
Vielleicht sogar ein bissel besser, gesünder, weil bewusster gelebt als vor dem Infarkt.“
Sprecherin:
Die heutige Medizin setzt nach Infarkt auf eine durchdachte Mischung von Aktivität und
Entspannung. Körperliche Bewegung führt auch zu Zuversicht und Freude am Leben.
Gesundheitssport ja, aber nicht Power auf Teufel komm raus.
Sprecher:
Während der Rehabilitation wurden wieder und wieder Herzfrequenz und Blutdruck
gemessen. Der Sporttherapeut sah aber auch am Gesichtsausdruck der Patienten oder
wenn er mit ihnen sprach, ob sie sich überfordert fühlten oder ob noch Kraftreserven da
waren.
Cut 18: Holger Barthel
„Das, was wir hier machen, soll auf der einen Seiten natürlich belastend sein, aber auf
der andern Seite soll es ein bissel Spaß machen. Genau das ist es, wenn der Patient
dann merkt, dass Sport in diesem Sinne vielleicht sogar Spaß macht, ganz einfache
Übungen, die wir hier machen, und man hat Spaß dabei, in der Gruppe Spaß dabei,
dann ist die Chance höher, dass er dann später sagt, wenn er fertig ist mit der Reha:
'Oh, das hat mir gefallen, das mache ich weiter.' Als wenn er sagt: ‚Na gut, da habe ich
drei Wochen lang was getan, ich habe zwar gemerkt, das war gut, aber weiter muss ich
es nicht unbedingt tun.‘“
Sprecher:
9
Wenn ich durch die Ärzte und Therapeuten der Klinik für ambulante Rehabilitation und
Sportmedizin in Leipzig motiviert wurde, nunmehr gezielt Herzsport zu treiben, dann
entspricht das auch den schweizer Erfahrungen, die Bernhard Meier schildert.
Cut 19: Bernhard Meier
„Die beste Art so etwas zu tun, ist im Rahmen eines ambulanten
Rehabilitationsprogramms. D. h. man geht da stundenweise hin, wird instruiert, spricht
nicht mit Gleichgesinnten, aber mit Leuten, die das gleiche Schicksal hatten. Spricht mit
Fachärzten, mit Diätberaterinnen, mit Raucherentwöhnerspezialisten, auch mit
Sportlehrern, wenn man so will. Was kann ich machen? Wie kann ich mich aufbauen?
Wie kann ich – mein Herz ist nicht mehr ganz so stark wie früher – wie kann ich aus
dem Herzen wieder ein starkes Herz machen? Und so weiter. Das kann man sehr gut
stundenweise, tageweise im ambulanten Programm machen. In Deutschland ist noch
eine sehr große Tradition von Häusern für Rehabilitation. Wo man wohnt vier Wochen
lang zum Beispiel. Das ist schon auch nicht schlecht. Aber ist natürlich extrem teuer.
Reißt den Patienten aus der Familienumgebung heraus. Macht ihn zum Teil
unglücklich. Er ist da wie im Exil während vier Wochen.“
Sprecherin:
Reha vor der Haustür ist besser. Inzwischen gibt es sie auch in Deutschland. Die
Integration in den Alltag gelingt leichter und die Rückkehr in den Beruf verläuft
schneller.
Sprecher:
Auch Senioren profitieren von der ambulanten Rehabilitation. Mir imponierte Horst
Stahl. Bei ihm kam der Infarkt während des Lesens der Zeitung. Am Ende der Reha
strampelte der 82-Jährige auf dem Fahrradergometer wieder wie vor dem Infarkt. Dabei
stachelte ihn der Sporttherapeut jedoch ein wenig an, worauf der vitale Patient meinte:
Cut 20: Horst Stahl
„Naja, das macht er sehr gerne, da freut er sich auch immer sehr. Und es ist eigentlich
auch die Übung, die mir am meisten zusetzt. Aber ich stehe sie immer noch ganz gut
durch und habe auch die Absicht, mich weiterhin zu bemühen, das Pensum hier zu
schaffen.“
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