Störungstheorie Vorlesungsunterlagen

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Störungstheorie
Vorlesungsunterlagen
Armin Scrinzi
January 13, 2016
Contents
1 Störungstheorie des 2-Niveausystem
1.1 Darstellung durch 2 × 2 Matrizen auf C2
1.2 Störungstheorie auf C2 . . . . . . . . . .
(1)
1.2.1 Erste Ordnung in λ : En
. . . .
(2)
1.2.2 2te Ordnung in λ : En . . . . . .
(1)
1.2.3 Korrektur erster Ordnung Φn . .
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4
4
4
5
5
6
2 Allgemeiner nicht-entarteter Fall
(1)
2.1 Korrektur En
. . . . . . . . . . . . . . .
(1)
2.2 Korrektur Φn . . . . . . . . . . . . . . . .
(2)
2.3 Korrektur En
. . . . . . . . . . . . . . .
2.4 Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.5 Anwendung: der quadratische Stark-Effekt
2.5.1 Korrektur 1ter Ordnung . . . . . .
2.5.2 Korrektur 2ter Ordnung . . . . . .
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7
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8
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9
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10
11
11
12
13
13
3 Korrektur 1ter Ordnung bei Entartung (einfache Version)
3.1 Prozedur Schritt-für-Schritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2 Eigenvektoren im entarteten Fall . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.3 Anwendung: Linearer Stark-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . .
3.3.1 Multiplets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.3.2 Störungsentwicklung des Starkt-Effekts konvergiert nicht!
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4 Grundlegende Techniken (fortgeschritten)
13
4.1 Allgemeinere Schreibweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
4.2 Riesz-Projektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
4.3 Resolventenentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
1
5 Korrekturen in den niedrigsten Ordnungen
5.1 Eigenzustand nullter Ordnung . . . . . . . . . . . . .
5.2 Korrektur zum Eigenwert: erste Ordnung . . . . . . .
5.3 Korrektur zum Eigenzustand: erste Ordnung . . . . .
5.4 Korrektur zum Eigenwert: zweite Ordnung . . . . . .
5.5 Diskussion der Korrekturen . . . . . . . . . . . . . .
(1)
5.5.1 1te Ordnung Korrektur zur Energie E∗ . . .
(1)
5.5.2 1te Ordnung Korrektur zum Eigenvektor |φ∗ i
(2)
5.5.3 2te Ordnung Korrektur zur Energie E∗ . . .
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15
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16
16
18
19
19
20
20
6 Entartete Eigenwerte und Korrekturen höherer Ordnung
20
6.1 Korrektur 1ter Ordnung bei entarteten Eigenwerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
6.1.1 Strategie zur Konstruktion einer Korrektur 1ter Ordnung . . . . . . . . . . . . 21
6.1.2 Durchführung der Strategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
7 Weitere Anwendungen
22
7.1 Anharmonischer Oszillator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
7.2 Stark- und Zeman-Effekt beim Wasserstoffatom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
7.3 Feinstruktur des Wasserstoffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
2
b nicht kennt, aber die Eigenwerte eines
Sehr oft findet man, dass man die Eigenwerte von H
b 0 kennt, das sich, in gewissem Sinn, nur wenig von H
b unterscheidet. Man könnte schreiben:
H
−1
b 0 (H
b −H
b 0 ) 1. In dem Fall versucht man eine Reihenentwicklung der Eigenzustände von H
b
H
b
um die bekannten Eigenzustände von H0 . Normalerweise sucht man auch nicht alle Eigenzustände,
b0.
sondern nur einen oder mehrere in der Nähe eines bekannten Eigenwerts von H
b 0 dessen
Etwas konkreter kann man die Fragestellung wie folgt formulieren: gegeben sein ein H
(0)
(0)
Eigenwerte En und Eigenfunktionen |Φn i bekannt sind. Wir suchen nun Eigenwerte En und
Eigenvektoren |Φn i eines Operators
b = H
b 0 + λVb
H
b 0 + λVb )Φn (λ) = Φn (λ)En (λ)
(H
(1)
(2)
Wir nehmen dabei an, dass für hinreichend kleine λ, sowohl die Eigenwerte als auch die Eigenvektoren
analytisch von λ abhängen:
En (λ) =
En(0)
+
∞
X
λk En(k)
(3)
λk Φ(k)
n
(4)
k=1
Φn (λ) = Φ(0)
n +
∞
X
k=1
Störungstheorie ist das systematische Verfahren, für gegebenes En die Entwicklungskoeffizienten
(k)
und Φn bis zu einer gegebenen Ordnung kmax zu bestimmen. Im Rahmen der Einführung in
die Quantenmechanik beschränkt man die Ordnung auf k ≤ 2 für die Energie
(k)
En
En (λ) ≈ En(0) + λEn(1) + λ2 En(2)
(5)
und auf k ≤ 1 für die Eigenvektoren
Φn (λ) ≈ Φ(0) + λΦ(1) .
(6)
Es gibt einen praktischen und einen fundamentalen Grund für diese Bescheidenheit. Der praktische Grund ist, dass höhere Ordnungen sehr rasch sehr kompliziert werden: die einzelnen Terme
werden sehr komplex, so dass eigene Buchhaltungsverfahren entwickelt wurden, um den Überblick zu
bewahren, (z.B. Feynmann-Diagramme). Der fundamentale Grund ist, dass die Abhängigkeit En (λ)
oft nicht analytisch ist und die Potenzreihen nicht konvergieren. Dies gilt für einige der populärsten
Anwendungen der Störungstheorie, z.B. die Störung durch ein elektrisches Dipolfeld. Dennoch geben
die ersten Terme sinnvolle Approximationen, nur verbessert man das Resultat nicht unbedingt durch
Hinzufügen höherer Ordnungen.
Für mathematisch ambitionierte gibt es am Schluss dieses Kapitels eine Einführung in die systematische Störungstheorie. Für den Lernstoff dieser Vorlesung illustrieren wir das Verfahren aber nur am
einfachst möglichen Beispiel - 2 × 2-Matrizen und präsentieren dann die allgemeinen Formeln. Jeder
Physiker muss die störungstheoretischen Formeln bis zur 2ten Ordnung in der Energie beherrschen
und verstehen.
3
1
Störungstheorie des 2-Niveausystem
Nehmen wir an, ein Quantensystem sei durch nur zwei Vektoren {|1i, |2i} schon ausreichend beschrieben.
Dies ist kein unrealistisches Szenario, das viele Phänomene, z.B. in der Quantenoptik, schon sehr gut
illustriert. Hier wollen wir dieses exakt lösbare System aber nur benutzen, um die Bedeutung der
Korrekturen zur Energie zu diskutieren.
1.1
Darstellung durch 2 × 2 Matrizen auf C2
Alle Operatoren in einem solchen System können durch 2 × 2-Matrizen dargestellt werden, was man
wie folgt sieht: ein beliebiger Vektor Ψ aus dem Hilbertraum des 2-Niveau lässt sich schreiben als
|Ψi = |1ic1 + |2ic2 ,
ci ∈ C.
(7)
b wirkt auf |Ψi wie folgt
Ein beliebiger Operator A
b
b
b
A|Ψi
= A|1ic
1 + A|2i = |Φi = |1id1 + |2id2 .
(8)
Durch schliessen der Gleichgung von links mit h1| und h2| erhält man
b
b
h1|A|1ic
1 + h1|A|2ic2 = d1
b
b
h2|A|1ic
1 + h2|A|2ic2 = d2
oder
A11 A12
c1
d1
=
,
A21 A22
c2
d2
(9)
(10)
(11)
b
b
mit der Notation Aij = hi|A|ji.
Wir erhalten also die Koeffizienten d~ ∈ C2 des Vektors Φ = AΨ
2
bezüglich der Basis {|1i, |2i} durch Anwenden einer Matrix auf die Koffiezienten ~c ∈ C von Ψ: unser
Hilbertraum ist äquivalent (“isomorph”) zum C2 , die Operatoren sind isomorph zu 2 × 2 Matrizen.
1.2
Störungstheorie auf C2
b 0 und Vb sei eine
Die beiden Vektoren |1i und |2i unserer Basis seien schon die Eigenvektoren eines H
algemeine hermitischer Operator. Damit haben wir die Matrixdarstellung
!
(0)
E
0
D1 C ∗
1
b
b
H0 =
V =
(12)
(0) ,
C D2
0 E2
mit den Matrixlementen Dn = hi|Vb |ii, i = 1, 2 und C = h2|Vb |1i. Die exakten Eigenwerte von
b =H
b 0 + λVb sind
H
r
1 (0)
1 (0)
(0)
(0)
E± (λ) = (E1 + λD1 + E2 + λD2 ) ±
(E + λD1 − E2 − λD2 )2 + λ2 C ∗ C
(13)
2
4 1
4
1.2.1
(1)
Erste Ordnung in λ : En
(0)
(0)
Wir können die Wurzel nach λ entwickeln. Für λ klein genug so dass := |E1 −E2 | |λδ|, λ2 |CC|,
δ := λ(D1 − D2 ) gilt
r
1
1 (0)
1
(0)
( + 2λδ)2 + λ2 |C|2 ≈ ( + λδ) = (E1 + λD1 − E2 − λD2 ).
(14)
4
2
2
Daraus schliessen wir
En (λ) = En(0) + λDn + O(λ2 ),
i = 1, 2.
(15)
In erster Ordnung ist die Korrektur also einfach
En(1) = hn|Vb |ni,
(16)
n = 1, 2.
Dieses Resultat verallgemeinert sich direkt auf den ∞-dimensionalen Fall: wir schlagen die Diagonalwerte λDn unseres Störungsoperators einfach zu den jeweiligen Eigenwerten En dazu und wir finden
das Störungstheoretische Resultat in 1ter Ordnung.
Beachten Sie die Bedingung für diese Entwicklung: es genügt nicht, dass die Matrixelemente
der Störung λVb klein gegen die Energien En sind, die Störung muss auch klein im Vergleich zur
(0)
(0)
Energiedifferenz |E1 − E2 | sein, damit der störungstheoretischen Ausdruck in erster Ordnung
(0)
sinnvoll ist. Wäre z.B. + λδ = 0, also die Energien in erster Ordnung entartet E1 + λD1 =
(0)
E2 + λD2 , dann ist die exakte Energie
1 (0)
(0)
E± = (E1 + λD1 + E2 + λD2 ) ± λ|C|,
2
(17)
und die Formel (16) führt in die Irre.
1.2.2
(2)
2te Ordnung in λ : En
(1)
Zur Vereinfachung setzen wir Dn = En = 0. Sie können sich auch vorstellen, wir hätten die
b 0 dazugeschlagen: En ← En + Dn .
Korrektur in erster Ordnung schon zu den Eigenwerten von H
(0)
(0)
Nun setzen wir wieder voraus |E1 − E2 | |λC| und entwicklen die Wurzel
s
r
1
4λ2 |C|2
1 (0)
(0) 2
(0)
(0)
(E1 − E2 ) + λ2 |C|2 =
(E1 − E2 ) 1 + (0)
(0)
4
2
(E1 − E2 )2
!
2
1 (0)
2|C|
(0)
≈
(18)
(E − E2 ) 1 + λ2 (0)
(0)
2 1
(E1 − E2 )2
Betrachten wir die Lösung zur positiven Wurzel
(0)
E+ ≈ E1 + λ2
|C|2
(0)
E1
−
(0)
E2
(0)
= E1 + λ2
5
h1|Vb |2ih2|Vb |1i
(0)
E1
−
(0)
E2
(0)
(2)
= E1 + E1 .
(19)
(0)
(0)
Mit der Bedingung |E1 − E2 | λ|C| haben wir also
(2)
E1 = −
h1|Vb |2ih2|Vb |1i
(0)
(20)
(0)
E2 − E1
(0)
Beachten Sie, dass wir das Vorzeichen so gewählt haben, dass im Nenner die Energie E1 von
(0)
(0)
der Energie E2 des “störenden” Zustands |Φ2 i subtrahiert wird. Der Grund für diese Wahl ist
(0)
(0)
der folgende: Wenn wir nummerieren E1 < E2 , dann senkt jede Störung in 2ter Ordnung den
niedrigeren Zustand E1 (λ)0 (und erhöht E2 (λ). Insbesondere wird der Grundzustand durch Störung
2ter Ordnung immer abgesenkt.
(0)
(0)
Beachten Sie wieder die Bedingung |E1 − E2 | |C| = |h1|Vb |2i|: wenn sie verletzt ist, wird die
Korrketur sehr gross und es erhebt sich der ganz berechtigte Verdacht, dass sie einfach sinnlos ist.
(0)
(0)
Ein Extremfall ist Entartung E1 = E2 =: E: Die exakte Loesung wird ganz einfach, allerdings
von 1-ter Ordnung in λ
E± = E ± λ|C|,
(21)
gleichzeitig wird der störungstheoretische Ausdruck (20) singulär.
1.2.3
(1)
Korrektur erster Ordnung Φn
b 0 + λVb auszurechnen das Resultat
Es ist leicht, die normierten Eigenvektoren der 2 × 2-Matrix H
nach λ zu entwickeln.
Problem 1.1: Berechne die normierten Eigenvektoren und schliesse daraus die konkret form von
(1)
Φn .
Damit findet man
(1)
|Φ1 i = −
(0)
|2ih2|Vb |1i
(0)
(0)
E2 − E1
(22)
(0)
Auch hier tritt ein Energienenner E2 − E1 der die Grösse der Korrektur wesentlich bestimmt und
(0)
(0)
im Fall von Entartung E1 = E2 singulär wird.
2
Allgemeiner nicht-entarteter Fall
Die Herleitung der Formeln für die niedrigsten Ordnungen der Störungstheorie ist mit elementaren
Manipulationen machbar, aber nicht sehr erhellend. Wir beschreiten hier den Weg von Analogiebildung zum 2-Niveausystem.
6
2.1
(1)
Korrektur En
b 0 und Vb
Wenn wir uns die Operatoren H
vorstellen,
 (0)
E1
0
0
 0 E (0) 0
2
b0 = 
H

(0)
0 E3
 0
..
..
.
.
(0)
b0
als Matrizen bezüglich der Eigenvektoren |Φn i von H

···
· · ·

,
· · ·


∗
∗
···
C13
D1 C12
C12 D2 C ∗ · · ·
23


Vb = C
,
C
D
·
·
·
23
3
 13

..
..
.
.
(23)
dann erwarten wir
En = En(0) + λDn + O(λ2 ) :
(24)
(0)
(0)
(0)
man schlägt einfach die Diagonalelemente Dn = hΦn |Vb |Φn i von Vb zu den En dazu. Das ist in
der Tat die
Korrektur erster Ordnung der Energie
b (0)
En(1) = hΦ(0)
n |V |Φn i
2.2
(25)
(1)
Korrektur Φn
Hier wird die Sache naturgemäss ein wenig komplizierter. Wir verwenden jetzt die allgemeinere
(0)
Schreibweise |Φn i womit die Korrektur für das 2-Niveau System die folgende Form hat:
(1)
|Φ1 i
=
(0) b
(0)
(0) hΦ2 |V |Φ1 i
−|Φ2 i (0)
(0)
E2 − E1
(1)
(26)
(1)
(0)
Wir beobachten, dass |Φ1 i orthogonal zum ungestörten Zustand ist: hΦ1 |Φ1 i = 0. Dies ist kein
(1)
Zufall: es soll ja ganz allgemein gelten, dass |Φn i = ∂λ |Φn (λ)i, also die Korrektur ist die 1te
Ableitung des exakten Eigenvektors nach λ. Da der exakte Eigenvektor aber normiert ist (und als
reell angenommen werden kann) gilt
(0)
(0)
(1)
(1)
(0)
0 = ∂λ hΦn (λ)|Φn (λ)i|λ=0 = hΦ(1)
n |Φn i + hΦn |Φn i = 2<(hΦn |Φn i)
(27)
(Vergleiche die Tangente an einen Kreis, die ja immer zum Radius orthogonal ist). Daher wissen wir,
dass die Korrektur in erster Ordnung nur Φm mit m 6= n enthalten kann:
X
|Φ(1)
|Φ(0)
(28)
n i =
m ibmn
m6=n
(0)
(0)
(0)
(0)
Der Vergleich mit dem 2-Niveausystem legt nahe anzunehmen bmn = −hΦm |Vb |Φn i/Em − En .
Mit Blick auf die Matrixdarstellung von Vb bedeutet das insbesondere, dass Korrekturen zu einer
gegebenen Energie nur von den Elementen n-ten Spalte bzw. Zeile mit |Cnm | = |Cmn |. Dies ist in
der Tat der Fall, was wir hier ohne weitere Herleitung feststellen. Wir haben damit die
7
Korrektur 1ter Ordnung zur Eigenfunktion
|Φ(1)
n i
2.3
=
(0) b
(0)
(0) hΦm |V |Φn i
−
|Φm i (0)
(0)
Em − En
m6=n
X
(29)
(2)
Korrektur En
Die selben Analogieschlüsse füren auf die
Korrektur 2ter Ordnung zur Energie
En(2)
=−
X |hΦ(0)
b (0) 2
m |V |Φn i|
(0)
m6=n
(0)
Em − En
=−
X
|Cmn |2
(0)
(30)
(0)
m6=n Em − En
(0)
Energiekorrektur 2ter Ordnung des Grundzustands ist immer negativ: es gilt ja Egrund ≤
(0)
(2)
Em ∀m, und daher Egrund ≤ 0.
2.4
Diskussion
(1)
b 0 , wo einfach die Diagonalelemente von Vb in
Die Korrektur En ist eine simple Re-definition des H
b
H0 absorbiert werden.
Sowohl bei (29) als auch bei (30) beinhalten Beimischungen anderer als des ursprünglichen
ungestörten n-ten Zustands. Die Stärke der Beimischung hängt von den direkten Matrixelementen
(0)
(0)
|Cmn | = |hΦm |Vb |Φn i| ab, man sagt: wie starkt die Zustände durch die Störung “gekoppelt” sind.
Ganz entscheidendet hängt der Korrektur aber auch davon ab, wie nahe Energie zur ursprünglichen
(0)
(0)
(0)
(0)
ungestörten Energie liegt, also von Em = En : im Extremfall, wo Em = En wird der Ausdruck
singulär und damit sinnlos.
Unfälle wie Singularitäten haben oft damit zu tun, dass man eine unsinnige Frage gestellt hat:
wenn eine Energie entartet ist, dann kann man den zugehörigen Zustand nicht mehr eindeutig anhand
der Energie identifizieren. Weitere Inputs sind für eine sinnvolle Antwort nötig, dies ist Gegenstand
der entarteten Störungstheorie, die wir spaeter kurz behnandeln werden.
2.5
Anwendung: der quadratische Stark-Effekt
Der Grundzustand des Wasserstoffatoms ist nicht entartet, daher können wir hier direkt die bisherige Theorie anwenden. Uns interessiert, wie sich die Grundzustandsenergie ändert, wenn man ein
äusseres Feld anlegt. Der Einfluss eines elektrischen Feldes auf die Spektrallinien heisst allgemein Lo
Surdo-Stark Effekt (meist zu “Stark-Effekt” verkürzt). “Quadratisch” verweist darauf, dass es sich
um eine Korrektur in der 2ten Ordnung handelt.
8
Die Wechselwirkung eines statischen, räumlich konstanten Feldes in z-Richtung mit dem Elektron
ist
E Vb = −E~ · ~r = −Ez.
(31)
Der Einfluss auf das Proton kann in der Approximation unendlicher (=sehr grosser) Protonmasse
vernachlässigt werden.
2.5.1
Korrektur 1ter Ordnung
Hier sind wir schnell fertig, denn diese Korrektur ist = 0, wie man sich sofort überzeugt. Das
kann man einfach ausrechnen. Instruktiver ist aber eine Symmetrieüberlegung. Natürlich ist der
Hamiltonoperator des H-Atoms — wie ein Grossteil der Physik — invariant unter Raumspiegelung
Sb : ~r → −~r, das sieht man sofort. Daraus kann man aber folgern, dass die Eigenfunktionen des
Wasserstoffatoms auch als Eigenfunktionen des Paritätsoperators geschrieben werden können. Sie
können sich ebenfalls leicht davon überzeugen
Problem 2.2: Zeige, dass die Ψnlm Eigenfunktionen des Paritätsoperators Sb sind, Eigenwerte
s = ±1 (Vergleiche Übung 7.4). Wie ist der Zusammenhang zwischen l und s? Hinweis: dazu muss
man untersuchen, wie sich die Plm (η) unter Raumspiegelung verhalten.
Für den Grundzustand muss man aber gar nichts explizit überprüfen: der ist ja nicht entartet
und daher muss er ein Eigenvektor von Sb sein:
b 100 = ±Ψ100 .
SΨ
(32)
Wir können den Fall = −Ψ übrigens ausschliessen, da Grundzustand keinen Knoten haben kann und
daher gerade sein muss. Dies ist aber nicht entscheidend für das Argument. Nun berechen wir
b
b 100 i = −hΨ100 |z|Ψ100 i
hΨ100 |z|Ψ100 i = hΨ100 |z Sb2 |Ψ100 i = hΨ100 |S(−z)
S|Ψ
(33)
woraus folgt hzi = 0, also Korrektur 1ter Ordnung = 0.
2.5.2
Korrektur 2ter Ordnung
Die kann man tatsächlich, sogar mit sehr moderatem Aufwand, exakt berechnen. Doch man benötigt
dazu eine etwas andere Darstellung des Problems, für die hier nicht die Zeit ist. Man erhält aber mit
sehr einfachen Mitteln eine ganz gute Abschätzung dieser Korrektur, deren Berechnung ausserdem
noch in mehrerer Hinsicht erhellend ist. Wir nummerieren jetzt der Einfachheit halber alle Eigenvektoren als Ψni li mi = |ii mit Energien Ei , wobei i = 1 den Grundzustand bezeichnen soll. Die (uns
ansonsten noch ganz unbekannten) Eigenfunktionen des kontinuierlichen Spektrums schreiben wir
als |Ei, E > 0. Die Korrektur 2ter Ordnung ist
(2)
−E1
(0)
= E 2 hz[H0 − E1 ]−1P z|1i
#
"
X h1|z|iihi|z|1i Z
h1|z|EihE|z|1i
+ dE
.
= E2
Ei − E1
E − E1
i>1
9
(34)
(35)
Ohne Kenntnis der |Ei können wir hier nicht exakt weiterrechnen, aber wir können eine Obergrenze
für die Grösse des Effekts angeben. Dazu beobachten wir, dass alle Beiträge in Summe und Integral
positiv sind. Weiters gilt natürlich für einen beliebigen Term
h1|z|iihi|z|1i
h1|z|iihi|z|1i
≤
Ei − E1
E2 − E1
denn Ei ≥ E2 für i > 1. Daher gilt auch
"
#
Z
X
h1|z|iihi|z|1i
h1|z|EihE|z|1i
(2)
−E1 ≤ E 2
+ dE
E
−
E
E2 − E1
2
1
i>1
Z
X
E2
dEh1|z|EihE|z|1i − h1|z|1ih1|z|1i
=
E2 − E1
b0 )
σ(H
(36)
(37)
(38)
Den letzten Term müssen wir zunächst dazuschreiben, denn er fehlt in der Störungssumme. Allerdings wissen wir schon, dass h0|z|1i = 0 und wir können den Term gleich wieder weglassen. Nun ist
aber
Z
X
dE|EihE| = 1
(39)
b0 )
σ(H
und daher
(2)
− E0 ≤ E 2
h1|z 2 |1i
.
E2 − E1
(40)
Problem 2.3: Berechne h1|z 2 |1i/(E2 − E1 ) = 8/3 ≈ 2.66.
Das exakte störungstheoretsiche Resultat ist 9/4 = 2.25.
3
Korrektur 1ter Ordnung bei Entartung (einfache Version)
Anstelle der vorangegangenen allgemeinen Darstellung, die auf zahlreiche ähnliche Verfahren in der
fortgeschrittenen Physik verweist, kann man auch ganz simpel argumentieren, worauf wir uns jetzt
beschränken.
Sehen wir zunächst die Situation im 2×2-Fall an: es sei
!
(0)
E
0
D1 C ∗
1
b
b
H0 + λV =
+λ
,
(41)
(0)
C D2
0 E1
wofür sich die exakten Eigenwerte leicht berechnen lassen, siehe Gl. (13):
!
r
2
(D
−
D
)
D
+
D
1
2
1
2
(0)
(0)
±
+ |C|2 .
E± (λ) = E1 + λV± = E1 + λ
2
2
(42)
Man sieht, dass der 2fach entartete Eigenwert des ungestörten Problems einfach um die Eigenwerte
λV± der Störungsmatrix Vb korrigiert wird.
10
Es beschleicht einen Verdacht, dass sich dieses Verhalten verallgemeinert. Die Verallgemeinerung
bezieht sich auf 2 Aspekte: (a) es gilt auch im Fall, dass das ungestörte System ausser der entarteten
(0)
(0)
(0)
Energie En auch noch andere, von Energien Em 6= En besitzt. Und (b) es gilt auch, wenn die
Entartung nicht nur 2-fach, sondern N -fach ist. Dies ist in der Tat der Fall, was wir hier ohne weitere
Herleitung feststellen.
3.1
Prozedur Schritt-für-Schritt
Man erhält die Korrektur in 1ter Ordnung zu den Eigenwerten eines N -fach entarteten Eigenwerts
(0)
b 0 durch folgende Schritte:
E∗ von H
(0)
b 0 zum Eigenwert
1. Es seien |En , νi, ν = 1, . . . , N alle (orthonormierten) Eigenvektoren von H
(0)
En
c: M
cνν 0 = hEn(0) , ν|Vb |En(0) , ν 0 i.
2. Bilde die N × N -Matrix M
(1)
c. Dieser Schritt ist im allgemeinen mit analytischen Methoden
3. Finde die Eigenwerte Eµ von M
nicht in geschlossener Form möglich. In dem Fall müssen approximative, oder, sehr einfach,
(1)
numerische Verfahren verwendet werden, um die Eµ zu bestimmen.
(0)
b 0 gehen N Eigenwerte Eµ , µ = 1, . . . , N
4. Aus dem N -fach entarteten Eigenwert En von H
hervor, die bis zur 1ten störungstheoretischen Korrektur durch
En,µ ≈ En(0) + λEµ(1)
(43)
gegeben sind.
5. Die Eµ sind oft verschieden, aber es kann auch einzelne Teilmengen geben wo weiterhin Eµ = Eµ0
gilt. D.h. die Entartung kann auch nach der Korrektur teilweise oder vollständig erhalten
bleiben.
3.2
Eigenvektoren im entarteten Fall
Die Eigenvektoren in der 1ten störungstheoretischen Approximation sind einfach durch die die Eigenc gegeben. Konkret seien
vektoren von M
~cµ :
ccµ = ~cµ Eµ(1) , bzw.
M~
N
X
cνν 0 cν 0 µ = cνµ E (1)
M
µ
(44)
ν 0 =1
dann ist sind die Eigenvektoren zum Eigenwert En,µ in 1ter Ordnung
|En , µi =
N
X
ν=1
11
|En(0) , νicνµ
(45)
3.3
Anwendung: Linearer Stark-Effekt
Ein klassischer Fall für die entartete Störungstheorie ist der lineare Stark-Effekt, d.h. der Effekt
eines äusseren elektrischen Feldes E auf die Energien des Wasserstoffatoms bis zur Ordnung O(E).
Wir hatten schon gesehen, dass aus Gründen der Parität der Term hn, l, m|z|n, l, mi, der sich in der
nicht-entarteten Theorie 1ter Ordnung ergäbe, =0 ist.
Wir betrachten als einfachsten Fall die entarteten Zustände |n, l, mi zur Haupquantenzahl n = 2,
(0)
E2 = −1/8 (in Ortsdarstellung)
|2, 0, 0i = Y00 (φ, η)L11 (r)e−r/n /N orm =: |l, mi ⊗ |R20 i
|2, 1, 0i = Y10 (φ, η)rL30 (r)e−r/n /N orm =: |l, 0i ⊗ |R21 i
|2, 1, ±1i = Y1±1 (φ, η)rL30 (r)e−r/n /N orm =: |l, ±1i ⊗ |R21 i
und die Matrixelemente von Vb = Ez = Eηr:
h i
0
c
Mν 0 ν = Vb = h2, l, m|Eη ⊗ r|2, l0 , m0 i = EhYlm |η|Ylm
0 ihRnl |r|Rnl0 i
0 0
(46)
(47)
(48)
(49)
(50)
n=2 lm,l m
Glücklicherweise sind nur 2 Elemente dieser Matrix 6= 0:

0 d 0
d 0 0
cν 0 ν = 
M
0 0 0
0 0 0

0
0

0
0
6 0 ist:
Die vielen Nullen erscheinen, weil nur hY10 |η|Y00 i =
!
r
r
r
r !
Z 2π Z 1
3
1
3 2
1
dφ
dη
η η
= 2π
=
2
8π
4π
32π 3
6
0
−1
(51)
(52)
Alle anderen Matrixelement sind =0, da entweder die η- oder die φ-Integration null ergeben. Nach
Berechnung des radialen Teils hR21 |r|R20 i findet man
d = 3E
(53)
(1)
c-Matrix gibt trivial die Eigenwerte Eµ=0
Das Diagonalisieren der M
= 0 (2-fach entartet) und
(1)
Eµ=± = ±3E, und somit die Energien bis zur ersten Ordnung
(0)
(1)
E2,0 (λ) ≈ E2 + λE0 = −
1
(2-fach entartet),
8
12
1
(0)
(1)
E2,± (λ) ≈ E2 + λE± = − ± 3E
8
(54)
3.3.1
Multiplets
Das Verhalten des entarteten Energieniveaus unter der äusseren Störung ist typisch: die 4 ursprünglich energetisch identen Zustände spalten in ein “Multiplet” mehrerer (hier: 3) verschiedener
Energien in der Nähe der ursprünglichen Energie auf.
Die tiefere Ursache für die Aufspaltung ist, dass das äussere Feld die für die Entartung verantwortliche Symmetrie (hier: Drehimpuls) “bricht”. Auf abstrakterer Ebene ist ein analoger Mechanismus dafür verantwortlich, dass Elementarteilchen in “Multiplets” arrangiert werden können: Sie sind
eigentlich entartete Zustände eines in nullter Näherung symmetrischen Systems, deren Symmetrie
aber durch Wechselwirkung mit einem “Störfeld” gebrochen ist.
Beispiele von Multiplets, die in dieser Weise verstanden werden können sind die “Baryonen”
(“schwere Teilchen”), wo Proton und Neutron ein achtfaches Multiplet (“Oktuplet”) mit exotischeren,
instabilen Teilchen bilden (übrigens ist auch ein freies Neutron instabil, Lebensdauer ca. 15 min).
Weitere Mutiplets sind die Leptonen (Elektron, Myon, τ -Lepton) und die zugehörigen Neutrinos
(Nobelpreis 2015!).
3.3.2
Störungsentwicklung des Starkt-Effekts konvergiert nicht!
“Eigentlich” hat ein Atom in einem konstanten äusseren Feld keine gebundenen Zustände. Sein
b 0 − Ez) = (−∞, ∞). Der Grund ist der Tunneleffekt: das Potential
Energiespektrum ist ganz R: σ(H
eines überall konstanten Feldes wird in ausreichend grosser Entfernung beliebig negativ:
−
1
− Ez → −∞ für z → ∞.
r
(55)
D.h., wenn sich das Elektron nur einen Tunnel durch einen — je nach Feldstärke E auch mal gewaltigen — Potentialberg gräbt, kann es beliebig negative potentielle Energie, und daher beliebig grosse
kinetische Energie erwerben: es ist frei.
Eine mathematische Konsequenz dieser physikalischen Tatsache ist, dass die Bedingungen für
die Anwendbarkeit der Störungstheorie verletzt sind. Korrekturen höhrer Ordnung werden beliebig
gross. Dennoch beschreiben die niedrigsten Ordnungen die Physik sinnvoll. Diese Aussage kann
präzisiert und mathematisch untermauert werden. Solch Situationen sind übrigens nicht untypisch
für physikalische Systeme.
4
Grundlegende Techniken (fortgeschritten)
So gut wie alle Techniken für solche Approximationen beruhen auf 2 “Tricks”: einer auf den ersten Blick
überraschenden Form der Darstellung von Projektoren auf einen ausgewählten Teil des Spektrums und einer
simplen Verallgemeinerung einer von den komplexen Zahlen wohlbekannten Formel auf nicht-kommutative
Operatoren.
13
4.1
Allgemeinere Schreibweise
Einen Hinweis auf diesen allgemeineren Zugang erhält man, wenn man schreibt


X
(0)
(0) −1
(0)  b
(0)
b
En(2) = hΦ(0)
|Φ(0)
n |V
m i(Em − En ) hΦm | V |Φn i.
(56)
m6=n
b 0 − En(0) )−1 in der Spektraldarstellung. Da En(0) ein Eigenwert
Man erkennt im Ausdruck [. . .] etwas wie (H
b 0 ist, existiert das Inverse allerdings nur, wenn man Anwendung auf den Eigenvektor verbietet, genau
von H
das m 6= n in der Summe. In kompakterer Schreibweise erreicht man das, indem man einen Projektor
definiert
(0)
b n = 1 − |Φ(0)
Q
(57)
n ihΦn |
b n |Φ(0)
mit der offensichtlichen Eigenschaft Q
n i = 0. Damit erhält man
|Φ(1)
n i=−
und
b
En(2) = −hΦ(0)
n |V
1
H0 −
1
H0 −
(0)
En
(0)
En
b n Vb |Φ(0) i
Q
n
(0) b
(1)
b n Vb |Φ(0)
Q
n i = hΦn |V |Φn i
(58)
(59)
b 2n = Q
b n und [Q
b n , (H
b 0 − En(0) )−1 ] = 0.) Solche Notation ist unabdingbar, will man sich über die
(Beachte Q
hier diskutierten niedrigsten Ordnungn der Störungstheorie hinauswagen will.
Literatur Eine gute Diskussion der Störungstheorie mittels der Techniken, die hier verwendet werden,
findet sich in Messiah, Quantenmechanik Band 2, Kapitel 16.
4.2
Riesz-Projektor
Zunächst eine simple Tatsache aus der Funktionentheorie:
Z
1
dz
= 2πi, C = z0 + reiφ , φ ∈ [0, 2π], |z0 − zi | < r
z − zi
C
Z
1
= 0 für |za − z0 | > r
dz
z − za
C
(60)
(61)
Dies gilt im Übrigen nicht nur für Kreise, sondern beliebige geschlossenen Kurven C, was wir aber hier nicht
ausdrücklich benötigen werden.
Problem 4.4: Residuensatz nachrechnen; beachte, dass man (z − z1 ) in einen für ganz C konvergente
Reihe entwickeln kann. Beachte: hier sind die Vorzeichen so definiert, dass der Kreis im Uhrzeigersinn
durchlaufen wird.
Wir studieren nun den Fall, dass H einen nicht-entarteten Eigenwert E∗ im Punktspektrum hat. Wir
wollen insbesondre, dass es zumindest einen kleinen Abstand gibt, innerhalb dessen es keinen weiteren
Eigenwert gibt: der Eigenwert E sei “isoliert”. Wir wenden nun die wir die obige Formel auf die Spektraldarstellung der Funktion (H − z)−1 an. Den Kreis C∗ in der komplexen Ebene legen wir um den Mittelpunkt
E∗ und wählen 0 < r < Z
Z
Z
Z
X
1
1
0
0
−1
hEi | +
dE |E i
dz 0
hE|
(62)
dz(H − z) =
|Ei i
dz
Ei − z
E −z
b
C∗
C∗
σc (H)
C∗
b
σp (H)
14
Hier haben wir ziemlich bedenkenlos die spektrale Summe und Integral mit dem Integral um C vertauscht.
Ohne weitere Erklärung versichere ich Ihnen, dass die Bedingungen dafür bestens erfüllt sind.
Fast alle z-Integrationen entlang C∗ geben 0! C∗ wurde ja so gewählt, dass E∗ als einziger Eigenwert
innerhalb liegt. Nur der Term Ei = E∗ mit dem zugehörigen Eigenvektor |Ei i = |φ∗ i bleibt übrig
Z
dz(H − z)−1 = −2πi|φ∗ ihφ∗ |
(63)
C∗
Wir haben die scheinbar unnötig komplizierte Darstellung des Projektors auf den Zustand |φ∗ i
Z
1
P∗ = |φ∗ ihφ∗ | = −
dz(H − z)−1
2πi C
(64)
Die Inverse (H − z)−1 nennt man Resolvente von H.
4.3
Resolventenentwicklung
Der Nutzen der obigen Formel liegt darin, dass wir für die Resolvente (H − E∗ )−1 eine einfache Reihenentwicklung nach Potentzen von (H − H0 )(H0 − E∗ )−1 angeben können. Diese Reihe werden wir bei einer
bestimmten Ordnung n abbrechen und erhalten so die Störungsreihe bis zur Ordnung n.
Die Reihe verallgemeinert die simple Formel für a, b ∈ C
∞ 1
1X
b n
=
−
.
(65)
a+b
a
a
n=0
Die Reihe konvergiert unter der Bedingung |b/a| < 1.
Für Operatoren gilt die Formel (Resolventenreihe)
−1
(H − z)
= (H0 + H1 − z)
−1
= (H0 − z)
−1
∞
X
n
−H1 (H0 − z)−1 .
(66)
n=0
Klarerweise spielen hier H0 − z und H1 = H − H0 die Rollen von a und b. Konvergenzfragen sind hier
etwas delikater, obwohl letztlich auch eine Bedingung für eine “Norm” der Operatoren ||H1 (H0 − z)−1 || < 1
erforderlich ist. In einem Grundkurs der QM hat die genaue Definition dieser Norm nicht viel zu suchen. Zu
Ihrer Beunruhigung sei gesagt, dass diese Bedingung für typische Anwendungen verletzt ist und die Reihe
nicht konvergiert, man aber wundersamerweise dennoch vernünftige Resultate erhält. Glück gehabt.
Problem 4.5:
Verifiziere die Resolventenentwicklung rein formal.
Anmerkung Jene von Ihnen, die sich weiter mit theoretischer Physik beschäftigen werden, werden dieser
Entwicklung in zahllosen Varianten begegnen. Die berühmten “Feynman-Diagramme” sind letztlich Verfahren, um alle Terme in einer solchen Entwicklung systematisch aufzulisten.
5
Korrekturen in den niedrigsten Ordnungen
Die Resultate in Form der Gleichungen (70), (78) und (97) sind von essentieller Bedeutung in aller angewandter Quantenmechanik und sehr wichtiger Prüfungststoff. Weiters sind die Anwendungsbeispiele (linearer und quadratischer Stark-Effekt, Diskussion der Bedeutung der Korrektur anhand des 2-Niveau-Systems)
Lernstoff.
15
Im Gegensatz dazu sind die Herleitungen nicht Prüfungsstoff. Sie gehören zu den komplizierteren
Rechnungen in diesem Kurs. Stärker theoretisch Interessierten empfehle ich, den Umgang mit den Konturintegralen sorgfältig zu studieren: es ist die einfachste Anwendung einer in der Theorie sehr weit vebreiteten
Technik.
Wir nehmen im Allgemeinen an, dass der gesuchte Eigenwert E∗ mit Eigenvektor |φ∗ i sich aus einem
(0)
Eigenwert E (0) von H0 mit Eigenvektor |φ∗ i entwickelt und sich nicht allzuviel von diesem unterscheidet.
(0)
Sowohl E∗ als auch E∗ seien isoliert und nicht-entartet. Es sollte also möglich sein, eine Kontur C∗ so zu
(0)
legen, dass sie beide Werte, E∗ und E∗ als jeweils einzige Eigenwerte umschliesst.
5.1
Eigenzustand nullter Ordnung
Die allerniedrigste Korrektur ist gar keine Korrektur, d.h. brechen die Resolventenreihe schon bei n = 0 ab
und erhalten
(H − z)−1 ≈ [(H − z)−1 ](0) = (H0 − z)−1
(67)
oder, trivialerweise
1
P∗ ≈ −
2πi
Z
−1 (0)
[(H − z)
C∗
]
1
=−
2πi
Z
(0)
(0)
(H0 − z)−1 = |φ∗ ihφ∗ |.
(68)
C∗
Wir approximieren den Eigenzustand von H in nullter Ordnung also ganz grob durch den nächstgelegenen
Eigenzustand von H0 :
(0)
|φ∗ i ≈ |φ∗ i
5.2
(69)
Korrektur zum Eigenwert: erste Ordnung
Die nullte Ordnung der Approximation ist doch zu etwas gut: wir können damit die Korrektur erster
Ordnung zum Eigenwert ausrechnen:
(0)
(0)
(0)
(0)
(0)
(0)
(0)
(1)
hφ∗ |H|φ∗ i = hφ∗ |H0 |φ∗ i + hφ∗ |H1 |φ∗ i =: E∗ + E∗
(70)
Wir nennen das erste Ordnung, weil die Korrektur linear mit der Grösse von H1 wächst.
Es ist nicht von vorne herein klar, dass dies der einzige Beitrag zur Energie in erster Ordnung ist. Eine
weitere Möglichkeit wäre, dass der Eigenvektor in erster Ordnung durch H1 verzerrt wird und sich dann die
Erwartungswerte von H0 mit diesem verzerrten Vektor ändern. Die Verrung geschieht, wie wir aber gleich
sehen werden, trägt das erst in der nächsten Ordnung zur Energie bei.
Die Bedeutung dieser Korrektur ist auch ganz einfach und klar: selbst wenn die Störung H1 den Eigenzustand nicht wesentlich verändert, so wird jedenfalls die Energie um den Erwartungswert des ungestörten
(0)
(0)
Zustands um den Erwartungswert der Störung hφ∗ |H1 |φ∗ i verschoben.
5.3
Korrektur zum Eigenzustand: erste Ordnung
Nun brechen wir die Resolvenenentwicklung erst bei n = 1 ab. Wir erhalten dann
(H − z)−1 ≈ [(H − z)−1 ](1) = (H0 − z)−1 − (H0 − z)−1 H1 (H0 − z)−1
16
(71)
(0)
(0)
Das z-Integral über den ersten Term gibt |φ∗ ihφ∗ |. Um über den 2ten Term zu integrieren gehen wir in
die (als bekannt angenommene) Spektraldarstellung von H0 und schreiben
Z
Z
X
X
|EihE|H1 |E 0 ihE 0 |
−1
−1
(H0 − z) H1 (H0 − z) =
dE dE 0
(72)
(E − z)(E 0 − z)
Dieser Ausdruck wirkt auf den ersten Blick ein wenig respekteinflössend. Ich werde Sie aber gleich überzeugen,
dass es gar keinen Grund zur Verzagtheit gibt.
Wir werden wieder zuerst über z integrieren und dafür rücksichtslos die Integration ganz nach innen
ziehen, so dass wir nur das folgende Integral berechnen müssen
Z
1
dz
=?
(73)
(E − z)(E 0 − z)
C∗
Wir bemühen den Residuensatz der Funktionentheorie, der besagt

2πi
0
Z
 − E−E 0 für E innerhalb C, E ausserhalb
1
dz
=
− 2πi
für E innerhalb C, E 0 ausserhalb
0
(E − z)(E 0 − z)  E −E
C
0
beide ausserhalb oder E = E 0
(74)
(0)
Nun erinnern wir uns, dass wir C∗ so gewählt haben, dass von allen Spektralwerten von H0 nur E∗
innerhalb C∗ liegt. Damit reduziert sich die doppelte Summe in Gl. (72) auf 2 einfache Summen:
Z
Z
Z
1 X X 0
1
0
0
(75)
dE dE |EihE|H1 |E ihE | dz
2πi
(E − z)(E 0 − z)
C
Z
Z
(0)
(0)
0
X
X
hE|H1 |φ∗ i (0)
0 (0) hφ∗ |H1 |E i
dE|Ei
=
dE
|φ
i
hφ
|
+
hE 0 |
(76)
∗
∗
(0)
(0)
(0)
(0)
0
0
E6=E∗
E 6=E∗
E − E∗
E − E∗
(1)
(0)
(0)
(1)
=: − |φ∗ ihφ∗ | + |φ∗ ihφ∗ |
(77)
Korrektur zum Eigenvektor in erster Ordnung: wir haben im obigen Ausdruck definiert
(1)
|φ∗ i
(0)
Z
X
=−
dE|Ei
hE|H1 |φ∗ i
(78)
(0)
E − E∗
E6=E∗
(0)
(0)
Der Term E = E∗ fehlt, da er erfordern würde dass im Integral (74) E = E 0 = E∗ ist, das gibt aber 0.
Wir führen eine kompakte Schreibweise ein, die die wahre Struktur der Formel deutlicher sichtbar macht.
Wir definieren eine “Pseudoinverse”
Z
X
(0) −1P
(0)
b
(H0 − E∗ )
:=
dE|Ei(E − E∗ )−1 hE|.
(79)
E6=E∗
b 0 − E∗(0) . Das kann ja gar nicht existieren, weil
Dies ist nicht ganz das Inverse von H
(0)
(0)
b 0 − E∗ ]|E∗ i = 0,
[H
17
b 0 −E∗(0) ) = |φ(0)
also, in Terminologie der linearen Algebra, ker(H
6 ∅. Das Superscript P steht für “pseudo”
∗ i=
(0)
oder auch “projeziert”. Die Pseudo-inverse funktioniert überall wie eine Inverse ausser auf |φ∗ i, wo sie
einfach 0 gibt
(
(0)
|Ψi falls hΨ|φ∗ i = 0
(0)
(0)
b 0 − E∗ )(H
b 0 − E∗ )−1P |Ψi =
(H
(80)
(0)
0
falls |Ψi = α|φ∗ i
Mit dieser Pseudoinversen können wir schreiben
(1)
b 0 − E∗(0) )−1P Vb |φ(0)
|φ∗ i = −(H
∗ i
(81)
Mit der Korrektur erster Ordnung wird der Eigenzustand von H = H0 + H1
(0)
(1)
|φ∗ i ≈ |φ∗ i + |φ∗ i.
(82)
Wir vergewissern uns
|φ∗ ihφ∗ | ≈
(0)
(1)
(0)
(1)
|φ∗ i + |φ∗ i hφ∗ | + hφ∗ |
(0)
(0)
(0)
(1)
(1)
(83)
(0)
(1)
(1)
= |φ∗ ihφ∗ | + |φ∗ ihφ∗ | + |φ∗ ihφ∗ | + |φ∗ ihφ∗ |
| {z }
(84)
2. Ordnung
≈
(0)
(0)
|φ∗ ihφ∗ |
+
(0)
(1)
|φ∗ ihφ∗ |
+
(1)
(0)
|φ∗ ihφ∗ |
(85)
Orthogonalität
Problem 5.6:
5.4
(0)
(1)
(0)
(1)
Man sieh leicht, dass hφ∗ |φ∗ i = hφ∗ |H0 |φ∗ i = 0
Korrektur zum Eigenwert: zweite Ordnung
Wir können nun die Korrektur zum Eigenwert in der zweiten Ordnung in H1 ausrechnen. Dazu berechnen
b mit dem in erster Ordnung approximierten Eigenvektor.
wir den Erwartungswert von H
(0)
(1) 2
(1) 2
2
Normierung Wir müssen hier auch beachten, dass ||φ(0)
∗ || = 1, aber ||φ∗ + φ∗ || = 1 + ||φ∗ || (wir
verwenden wieder Orthogonaliät). Diese Korrektur ist zwar klein, aber macht sich in der 2ten Ordnung
schon bemerkbar
1
1
(1) (1)
=
= 1 − hφ∗ |φ∗ i + O(Vb 4 )
(86)
(1)
(1)
N
1 + hφ∗ |φ∗ i
Der Erwartungswert mit dem normierten Eigenvektor in 1ter Ordnung ist
1 (0)
(1)
(0)
(1)
hφ∗ | + hφ∗ | H |φ∗ i + |φ∗ i
N
i
1 h (0)
(0)
(1)
(0)
(0)
(1)
(1)
(1)
hφ∗ |H0 + H1 |φ∗ i + hφ∗ |H1 |φ∗ i + hφ∗ |H1 |φ∗ i + hφ∗ |H0 |φ∗ i
=
N
1 (1)
(1)
+ hφ∗ |H1 |φ∗ i
{z
}
N|
(87)
(88)
(89)
3te Ordnung
(1)
(1)
(0)
(1)
(0)
(1)
(1)
(1)
≈ [1 − hφ∗ |φ∗ i]E∗ + E∗ + 2hφ∗ |H1 |φ∗ i + hφ∗ |H0 |φ∗ i
18
(90)
(1)
(0)
Hier haben wir die Orthogonalität der Korrektur hφ∗ |H0 |φ∗ i = 0 verwendet. Man sieht auch leicht
(0)
(1)
(1)
(0)
hφ∗ |H1 |φ∗ i = hφ∗ |H1 |φ∗ i. Im letzten Schritt haben wir alle Ordnungen > 2 vernachlässigt. Die
(0)
Korrektur der Norm muss nur bei E∗ angewandt werden, da alle anderen Terme schon mindestens Ordnung
1 haben.
Beim Berechnen des letzen Terms nützt uns unsere kompakte Notation
(1)
(1)
(1)
(0)
(1)
(1)
(0)
(1)
hφ∗ |H0 |φ∗ i = hφ∗ |H0 − E∗ |φ∗ i + hφ∗ |E∗ |φ∗ i
=
(0)
hφ∗ |H1 (H0
−
(0)
E∗ )−1P (H0
−
(0)
E∗ )(H0
−
(91)
(0)
(0)
E∗ )−1P H1 |φ∗ i
+
(0) (1) (1)
E∗ hφ∗ |φ∗ i
(92)
Nun beachten wir, dass
(0)
(0)
(0)
(0)
(H0 − E∗ )−1P (H0 − E∗ )(H0 − E∗ )−1P = (H0 − E∗ )−1P
(93)
und wir finden
(1)
(1)
(0)
(0)
(0)
(0)
(1)
(1)
hφ∗ |H0 |φ∗ i = −hφ∗ |H1 (H0 − E∗ )−1P H1 |φ∗ i + E∗ hφ∗ |φ∗ i
(0)
(1)
(0)
(1)
(1)
= −hφ∗ |H1 |φ∗ i + E∗ hφ∗ |φ∗ i
(94)
(95)
Sammelt man nun alle Terme, so kann man schreiben
(0)
(1)
(2)
E∗ = E∗ + E∗ + E∗ + O(Vb 3 )
(96)
mit der
Störungstheoretischen Korrektur zum Eigenwert in 2ter Ordnung
(2)
E∗
:=
(0)
(1)
hφ∗ |H1 |φ∗ i
(0)
Z
X
=−
dE
(0)
hφ∗ |H1 |EihE|H1 |φ∗ i
(0)
(97)
E − E∗
E6=E∗
oder in kompakter Schreibweise
(2)
(0)
(0)
(0)
E∗ = −hφ∗ |H1 [H0 − E∗ ]−1P H1 |φ∗ i
5.5
(98)
Diskussion der Korrekturen
Vergegenwärtigen wir uns die Bedeutung der einzelnen Korrekuren.
5.5.1
(1)
1te Ordnung Korrektur zur Energie E∗
Hier ist nicht viel zu erklären: die Korrkektur wächst linear mit der Grösse der Störung und ist einfach der
Erwartungswert des Störungsterms mit dem ungestörten Eigenzustand.
19
5.5.2
(1)
1te Ordnung Korrektur zum Eigenvektor |φ∗ i
Hier tragen alle Vektoren der Spektraldarstellung bei, für die das Matrixelement zum Ausgangszustand
(0)
hE|H1 |φ∗ i =
6 0. Der Beitrag ist natürlich auch proportional zu Grösse des Matrixelements. Dies aber nicht
der einzige Faktor, der die Bedeutung eines Vektors |Ei für die Korrektur bestimmt. Sieht man sich den
einzelnen Beitrag an
1
(0)
− |Ei
hE|H1 |φ∗ i
(99)
(0)
E − E∗
(0)
so erkennt man, dass der Beitrag mit Abstand der Energien E − E∗ abfällt. Umgekehrt tragen energetisch nahen Zustände besonders stark bei. Auch sehr schwach gekoppelte Zustände |Ei, d.h. sehr kleine
(0)
Matrixelemente hE|H1 |φ∗ i, können zu grossen Korrekturen führen, wenn sie energetisch nahe liegen.
Umgekehrt kann man hoffen, dass man die Summe sehr bald abbrechen darf, wenn die Mehrheit der
Zustände energetisch sehr ferne liegt. Es gibt durchaus sinnvolle physikalische Modelle, wo man ausser dem
(0)
Ausgangszustand |φ∗ i = |Ei i nur einen weiteren ungestörten Zuständ |Ej i in der Dynamik berücksichtigen
muss. Solche sogenannten 2-Niveau Systeme aus den zwei Zuständen {|Ei i, |Ej i} spielen insbesondre in
der Quantenoptik ein grosse Rolle.
5.5.3
(2)
2te Ordnung Korrektur zur Energie E∗
Mit den Einzelbeiträgen
(0)
−
|hE|H1 |φ∗ i|2
(100)
(0)
E − E∗
(0)
(0)
haben hier ebenfalls, neben den Matrixelementen |hE|H1 |φ∗ i|2 , die “Energienenner” E − E∗
Bedeutung.
prominente
Problem 5.7: Zeige, dass die Korrektur 2ter Ordnung zur Energie des Grundzustands immer
negativ ist.
6
Entartete Eigenwerte und Korrekturen höherer Ordnung
Mit Ausnahme des Grundzustands sind alle Eigenwerte unseres bisher physikalischten Beispiels, des
Wasserstoffatoms, entartet. Die hier verwendete Technik erlaubt eine relativ schmerzlose Herleitung
(0)
der Korrektur im Fall eines entarteten Eigenwerts E∗ . Ebenso ist die Resolventenreihe die auch
Grundlage für Korrekturen höherer Ordnung. Diese Herleitung als schmerzlos zu bezeichnen, wäre
allerdings ein Euphemismus und wir werden das Problem hier nicht behandeln. Es sei aber angemerkt, dass Feldtheorie und Teilchenphysik im grossen Umfang solche Entwicklungen verwenden.
Die schon erwähnten diagrammatischen Techniken (Feynman-Diagramme) erlauben die Buchhaltung
über eine Unzahl von Termen die in jeder neuen Ordnung auftauchen.
6.1
Korrektur 1ter Ordnung bei entarteten Eigenwerten
(0)
Störungstheorie der Eigenwerte in 1ter Ordnung auch im Falle, dass E∗ entartet ist, ist verhältnismässig
einfach. Wir verwenden wieder den selben Zugang wie im nicht-entarteten Fall: wir berechnen ap-
20
(0)
(1)
b mittels der Eigenvektoren |E∗ , λi des ungestörten
proximative Eigenwerte E∗,k ≈ E∗ + E∗k von H
b0.
Operators H
b0
Dazu betrachten wir die 1te Ordnung Korrektur mit neuen Augen: wir definieren ein neues H
0
0
0
b
b
b
und entsprechend V := H − H0
b 0 + |E∗ ihE∗ |Vb |E∗ ihE∗ | = H
b0 + Π
b ∗ Vb Π
b∗
b 00 = H
H
(101)
(0)
b 0 hat den Eigenvektor |E 0 i = |E∗ i und Eigenwert. Durch die Konstruktion gibt es zum
Dieses H
0
∗
b 0 keine Korrektur in 1ter Ordnung:
Eigenwert von H
b ∗ Vb Π
b ∗ |E∗ i = hE∗ |Vb |E∗ i − hE∗ |Vb |E∗ i = 0
hE∗0 |Vb 0 |E∗0 i = hE∗ |Vb |E∗ i − hE∗ |Π
(102)
Das gleiche lässt sich auch nur unter Verwendung der Projektoren ausdrücken, wo es noch viel
offensichtlicher ist:
b ∗ Vb 0 Π
b∗ = Π
b ∗ Vb Π
b∗ − Π
b 2∗ Vb Π
b 2∗ = 0.
(103)
Π
In der 2ten Form sieht man auch, dass das Fehlen einer Energiekorrektur 1ter Ordnung davon unabhängig ist, ob der Projektor nur auf einen einzigen Vektor oder auf einen mehrdimensionalen Raum
projeziert.
6.1.1
Strategie zur Konstruktion einer Korrektur 1ter Ordnung
b0
b =H
b 0 + Vb mit einem Λ-fach entarteten Eigenwert E∗(0) zu H
1. Gegeben H
b 0 Eigenwerte E 0 hat, aber Vb 0 keine
b = H
b 0 + Vb 0 , wo H
2. Wir suchen eine neue Zerteilung H
0
0
Korrektur 1ter Ordnung mehr bewirkt.
b ∗ auf alle Eigenvektoren |E∗(0) , λi, λ = 1, . . . , Λ von H
b 0 zum Eigen3. Wir finden den Projektor Π
(0)
wert E∗ .
b0 + Π
b ∗ Vb Π
b ∗.
b0 = H
4. Wie im nicht-entarteten Fall werden wir sehen H
0
(0)
(1)
5. Die Λ Korrekturen 1ter Ordnung Korrektur zu E∗ sind findet man als Eigenwerte Eµ von
b ∗ Vb Π
b ∗ . Dies ist im allgemeinen Fall nicht mehr mit rein analytischen Mittel lösbar, in wichtigen
Π
Sonderfällen jedoch schon.
6.1.2
Durchführung der Strategie
Der Riesz-Projektor auf die Eigenvektoren zu einem entarteten Eigenwert ist
b∗ = − 1
Π
2πi
Z
−1
dz(H0 − z)
C∗
=
Λ
X
λ=1
|E∗(0) , λihE∗(0) , λ|
=:
Λ
X
|λihλ|
(104)
λ=1
Wir nehmen hier natürlich orthonormale hλ|λ0 i = δλλ0 . Wenn es nun gelingt, die Spektraldarstellung
von
b0 = H
b0 + Π
b ∗ Vb Π
b∗
H
(105)
0
21
zu finden, wissen wir, dass in 1ter Ordnung keine Korrekturen zu Energie mehr vorkommen. Dies
reduziert sich aber auf die Diagonalisierung einer Λ × Λ-matrix:
X
b 00 =
H
|Ei , λi iEi hEi , λi | +
Λ X
Λ
X
λ=1 λ0 =1
(0)
Ei 6=E∗
|λi hλ|E∗(0) + Vb |λ0 ihλ0 |
|
{z
}
(106)
0
=Hλλ
0
(0)
(0)
Die Eigenwerte Ei 6= E∗ bleiben unverändert. Im Unterraum, der durch die |λi := |E∗ , λi aufgespannt wird, müssen wir die Matrix
0
(0)
Hλλ
+ Vb |λ0 i
0 = hλ|E∗
(107)
diagonalisieren. Numerisch ist das eine sehr einfache Aufgabe, die in wenigen Microsekunden erledigt
ist. Analytisch gelingt es für Λ = 2, für Λ > 2 nur, wenn eine besondere Struktur der Matrix vorliegt,
siehe z.B. Übung 2.6.
7
7.1
Weitere Anwendungen
Anharmonischer Oszillator
Problem 7.8: Molekül
7.2
Stark- und Zeman-Effekt beim Wasserstoffatom
Problem 7.9: Zemann-Effekt
7.3
Feinstruktur des Wasserstoffs
22
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