GROßE KOALITION Pro Kontra Die Große Koalition: klare Mehrheit, klarer Reformkurs! Einer Großen Koalition fehlt jegliches Kontrollorgan Rot-Grün ist nicht „gescheitert“, sondern hat unverzichtbare Reformen angestoßen. Und dennoch: Auch die Protagonisten des politischen Projekts der 68er-Generation haben es nicht vermocht, nach der 16 Jahre währenden Kohl-Ära die fundamentalen Probleme in Deutschland (v.a. die Arbeitslosigkeit) zu lösen und notwendige Reformen (z.B. in Bezug auf die Neujustierung der sozialen Sicherungssysteme) energisch voranzutreiben. Dieser Umstand ist nicht zwangsläufig der vermeintlichen Unfähigkeit dieser Regierung geschuldet, sondern steht – nicht zuletzt – auch in Zusammenhang mit den starren Strukturen unseres föderalistischen Staatswesens mit parlamentarischen Zwei-Kammerwesens mit parlamentarischem Zwei-Kammer-System, das gerade zur gegenseitigen Blokade von Regierung und Opposition einlädt. Der rot-grün dominierte Bundesrat hatte vor der Bundestagswahl 1998 die Regierungspolitik von CDU/CSU und FDP konsequent blockiert, heute tut die aus der Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der rot-grünen Bundesregierung resultierende Bundesratsmehrheit von Schwarz-Gelb genau das selbe. Dieses destruktive Wechselspiel existiert nunmehr seit etlichen Jahren: Der Wähler verleiht seiner Verärgerung über die Bundesregierung in Berlin Ausdruck, indem er den Oppositionsparteien in aller Regel hohe Stimmenzuwächse bei Landtagswahlen beschert und dadurch über den Bundesrat ein massives Gegengewicht zur Politik der Bundesregierung schafft. Unpopuläre, aber gleichermaßen unverzichtbare Reformen durch Um zu verstehen, warum ich gegen eine Große Koalition bin, müssen wir zuerst einen Ausflug in die Vergangenheit machen. Wir schreiben das Jahr 1966. Es ist das Jahr der ersten Großen Koalition, einer Koalition aus CDU und SPD. Geführt wird diese Koalition von Kurt Georg Kiesinger, dem damit dritten Bundeskanzler der Bundesrepublik. Sein recht populärer Vizekanzler ist Willy Brandt, der 1969 auch Kanzler der ersten sozialliberalen Koalition sein wird. In diesen Jahren der ersten Großen Koalition, also von 1966 bis 1969 erhielt die damalige Studentenbewegung starken Zuwachs. Jeder von uns kennt den Begriff der 68er, viele unserer Lehrer verstehen sich als solche. Die Studentenbewegung wurde vor allem vom SDS, dem Sozialistischem Deutschen Studentenbund, vorangetrieben. Und dies aus einem simplen Grund: Es gab keine Opposition im Parlament, oder zumindestens nur eine sehr geringe. Aus dieser fehlenden Opposition und den Anliegen des SDS entwickelte sich die APO, die außerparlamentarische Opposition, wie man sich selbst nannte. Zu dieser Zeit gab es im Bundestag nur drei Parteien, CDU/CSU, SPD und FDP. Da nun aber CDU und SPD, die zwei großen Volksparteien, in einer Großen Koalition waren, hatte die FDP, die nur über 50 Sitze verfügte, im Grunde keinerlei Einfluss auf die Gesetzgebung einzuwirken. Die Große Koaliiton hatte sogar eine Zweidrittelmehrheit im Deutschen Bundestag und im Bundesrat, was natürlich eine Verfassungsänderung ohne Probleme ermöglichen konnte. durch die Bundesregierung, die dem Wähler Einschnitte abverlangen, können angesichts dieses strukturellen Umstandes kaum umgesetzt werden. Primär aus diesem Grund haben sich sowohl CDU/CSU mit dem kleineren Koalitionspartner, der Klientelpartei FDP, als auch die SPD mit den Klientelpartei von Bündnis 90/Die Grünen als weitgehen unfähig erwiesen, Deutschland tatsächlich zu reformieren. Dringend erforderlich für die nachhaltige Erneuerung Deutschlands sind eindeutige Mehrheitsverhältnisse zu Gunsten einer Koalition in Bundestag und Bundesrat – dann gibt es für die Regierungsparteien (zumindest diesbezüglich) auch keine Ausreden für schlechte Bilanzen mehr, da die Mehrheiten in beiden Kammern die Grundlage für eine handlungsfähige Bundesregierung darstellt. Dies kann eine Große Koalition leisten. Ferner benötigt Deutschland in der gegenwärtigen Umbruchsituation eine Koalition der politisch-gesellschaftlichen Mitte, die den Bürgerinnen und Bürgern in einer partnerschaftlichen Kraftanstrengung die Notwendigkeit von Reformen erläutert und dieser Aufgabe möglichst ohne ideologische Scheuklappen nachkommen kann. Gerade wirtschafts- und sozialpolitisch stehen sich Union und Sozialdemokraten gegenwärtig bedeutend näher, als allgemein vermutet wird, z.B. In Hinblick auf etwaige Steuererhöhungen und unverzichtbaren sozialen Ausgleich im Zuge des Reformprozesses. Die bislang einzige Große Koalition auf Bundesebene (1967-69) hat unter Beweis gestellt, dass CDU/CSU und SPD in einer (v.a. wirtschaftlichen) Krisensituation prinzipiell „miteinander können“: Vor dem Hintergrund einer wirtschaftlichen Rezession gelang es beispielsweise durch Konjunkturprogramme, die Zahl von über 600 000 Arbeitslosen (1967) auf 243 000 (1969) zu senken. Darüber hinaus kam es 1968 zu einem Wirtschaftswachstum von 7,3%, gleichzeitig fiel die Inflation von ursprünglich 3,5% (1966) auf 1,5% (1968). Auch die Staatsverschuldung konnte von Finanzminister Schiller So war auch geplant eine Verfassungsänderung vorzunehmen und zwar um die Notstandsgesetzte zu verabschieden. Es ging hierbei um eine Notstandsgesetzgebung, die der Exekutive im Notstand mehr Rechte gibt als im Normalfall und essentielle Menschenrechte teilweise beschneiden kann. So darf zum Beispiel das Briefgeheimnis wobei das Fernmelde Geheimnis durch ein Gesetz zum Schutze der freiheitlichdemokratischen Grundordnung beschränkt werden. Die APO hatte also gute Gründe auf die Straße zu gehen. Es ging um den Erhalt gewisser Grundrechte. Auch forderte man eine Demokratisierung an den Hochschulen und Universitäten, man kämpfte gegen die Verdrängung der Verbrechen des Nationalsozialismus an und man schloss sich den Protesten gegen den Vietnam-Krieg an. Diese APO allerdings radikalisierte sich zunehmend, vor allem nachdem der Student Benno Ohnesorg bei einer Demonstration von der Polizei erschossen wurde. Einer der bekanntesten Wortführer der APO, Rudi Dutschke, wurde ein knappes Jahr später von einem von der Springer-Presse, namentlich der Bild-Zeitung, aufgehetzten rechtsgerichteten Mann namens Josef Bachmann angeschossen und damit schwer verletzt. Elf Jahre später starb Dutschke an den Spätfolgen. Aus den Überresten der APO, die sich nach 1969, nachdem auch die große Koalition nicht mehr bestand, auflöste, entwickelte sich später auch die Partei der Grünen, im negativen aber die RAF, die Rote Armee Fraktion. Sie verbreitete innerhalb Deutschlands Terror und Schrecken bis tief in die 80er hinein. Genug nun der vielen Geschichten. An diesem Beispiel wollte ich nur die Konsequenzen einer Großen Koalition aufzeigen und die wären folgende: 1. Da eine Große Koalition für Deutschland immer eine SPD-CDU Regierung bedeutet und diese schon immer in der Geschichte der Bundesrepublik die größten Parteien im Bundestag waren, würde bei Finanzminister Schiller in großem Umfang abgebaut werden. Darüber hinaus verfügte die Große Koalition über die erforderliche 2/3Mehrheit in beiden parlamentarischen Kammern, um das Grundgesetz zu ändern. Dies geschah beispielsweise 1967, als der Bundestag das „Stabilitätsgesetz“ verabschiedete und somit Artikel 109 des Grundgesetzes abänderte. Elementarer Bestandteil dieses Gesetzes ist, dass der Staat eine Mitverantwortung für das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht übernimmt, dass Bund und Länder in ihrer Finanz- und Wirtschaftspolitik die Grundsätze des so genannten „Magischen Vierecks“ beachten sollen. Die äußerst erfolgreiche finanz- und wirtschaftspolitische Bilanz der Großen Koalition wurde durch einen nicht weniger bedeutsamen außenpolitischen Kurs ergänzt: Außenminister Willy Brandt (SPD) schaffte die Basis für seine später intensivierte „Ostpolitik“, an die er noch in der nachfolgenden sozialliberalen Koalition von SPD und FDP anknüpfen konnte. Hieraus ergibt sich ein wichtiger Aspekt: Die Große Koalition ist in ihrem Wesen ein pragmatisches Zweckbündnis zur bloßen Krisenbehebung, damit auf der Basis einer soliden finanzund wirtschaftspolitischen Ausgangslage anschließend wieder Regierungsbündnisse zwischen einer der beiden Volksparteien sowie einer kleineren Partei geschlossen werden können, die Politik mehr als Gestaltungsfeld für gemeinsame programmatische Vorstellungen begreifen und ideologische Akzente setzen können, was eine Große Koalition so nicht kann – ideologisch muss sie in der Tat eine „Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners“ betreiben. Genau das brauchen wir im Jahr 2005 auf Bundesebene aber dringender denn je: Wir befinden uns in einer ausgewachsenen Krise. Wir brauchen beschlussfähige Mehrheiten, die „Krisenmanagement“ betreiben, um die Talsohle wieder zu verlassen und ggf. das Grundgesetz im Sinne einer vernünftigen Förderalismusreform zu ändern im Stande sind, um das „Kompetenz 1. bei einer Großen Koalition jegliches Kontrollinstrument gegenüber der Regierung innerhalb des Parlaments fehlen. Eine Opposition, die aber auch hin wieder Gesetzen verweigert oder sie stark angreift um sie zu verbessern, dagegen ist nichts einzuwenden. Übrigen lässt sich hier kein Vergleich zur derzeitigen Opposition herstellen, die lediglich aus parteipolitischen Gründen alle Gesetzesvorhaben der Regierung blockiert, egal ob die Vorschläge gut oder schlecht sind. 2. Eine Große Koalition hat meistens eine 2/3 Mehrheit in Bundestag und Bundesrat. Eine Verfassungsänderung, wie es unter Kiesinger der Fall war, ließe sich so ohne Probleme bewerkstelligen. Eine Große Koalition als Zweckbündnis anzusehen nur um wie zur Zeit häufig diskutiert eine große Förderalismusreform zu betreiben, halte ich für falsch. Wenn der politische Wille vorhanden wäre, bräuchte man doch keine Große Koalition. Eine simple und gute Zusammenarbeit würde hierfür genügen, wenn bloß nicht jeder auf seine eigenen Umfragewerte schauen würde. 3. Eine Regierung ohne nennenswerte Opposition kann, wie man in den 60ern beobachten konnte, zu einer starken Radikalisierung der Bevölkerung führen. Bestimmte Bevölkerungsgruppen fühlen sich auf Grund der Mehrheiten im Bundestag einfach nicht richtig oder falsch vertreten. Es gibt auch noch andere Gründe, die gegen eine Große Koalition sprechen. Dabei muss man sich doch nur mal die Verhältnisse in der Legislative, also beim Gesetzgeber, dem Bundestag und dem Bundesrat, anschauen. Im Moment kommen fast alle zustimmungspflichtigen Gesetze in den Vermittlungsausschuss, das Organ, das für die Umsetzung und Neubearbeitung des Gesetzes, unter Beteiligung der Opposition, verantwortlich ist. Wie schon gesagt befinden sich innerhalb dieses Ausschusses „Kompetenzchaos“ zwischen Bund und Ländern zu entwirren bzw. die Blockademöglichkeiten des Bundesrates massiv einzuschränken. Das Vertrauen in unser politisches System bzw. in seine Handlungsfähigkeit schwindet nämlich. Wir müssen den erstarkenden extremen Parteien am linken und rechten Rand des politischen Spektrums entgegentreten. Diese werden – entgegen der Argumentation von Gegnern der Großen Koalition – nämlich eher durch die aktuelle strukturell-institutionelle, soziale und ökonomische Krise und Existenzangst vieler Menschen gestärkt als durch das „ Schreckgespenst“ einer Großen Koalition, die wegen ihrer Mehrheitsdominanz keine Opposition im eigentlichen Sinne kennt, dafür allerdings auch handlungsfähig und in aller Breite legitimiert ist, um genau diese Krisensituation überwinden zu helfen. Eine Große Koalition muss jetzt als „Koalition der Reaktion“ (auf die Krise) mit dem Instrument eines nüchternen Pragmatismus, der keine ideologischen Vorbehalte kennt, wieder die wirtschaftlichen und sozialen Voraussetzungen für eine geStaltende „Koalition der Aktion“ zwischen einer großen und einer kleinen Partei schaffen. Dies bringt neben Erfolgen bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, der Sanierung der Staatsfinanzen sowie der UmgeStaltung des Sozialstaates eine Stärkung – keine Schwächung! – unserer Demokraite insgesamt mit sich. Denn: Nur eine Verbesserung der Situation innerhalb des bestehenden politisch-gesellschaftlichen Systems führt dazu, dass dieses demokratische System in seiner Gesamtheit mittelfristig nicht in Frage gestellt wird, wodurch verhindert wird, dass enttäuschte Bürgerinnen und Bürger links- oder rechtsextremen Parteien durch ihre Stimmen dauerhaft salonfähig machen. Insofern hat eine mit problemorientiertem Pragmatismus operierende Große Koalition doch eine signifikanten ideologischen Auftrag: die Sicherung unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung durch entschlossene Ausschusses Abgeordnete aller Parteien. Das heißt in der Praxis, dass sich alle Parteien, im besonderen SPD und CDU, über ein neues Gesetz einig sein müssen. Eine Zusammenarbeit der großen Parteien ist also schon mehr als gegeben. Zwar verschiebt sich das Gesetzgebungsverfahren durch das Geschacher in Bundesrat und Bundestag um einige Monate, aber eine Zusammenarbeit findet wie schon gesagt statt. Man ist ja fast schon dazu gezwungen. Wer also nun behauptet eine Große Koalition sei lediglich für ein Zweckbündnis sinnvoll, der hat zwar die derzeitige politische Lage erkannt und akzeptiert, jedoch versucht man nicht den Politikern eine neue Ehrlichkeit zu geben. Denn darauf kommt es doch letztendlich an. Wenn man sich im Bundestag und im Bundesrat nicht ständig gegenseitig in der Luft zerfetzen würde und auf eine anständige Debatte, Diskussion und Zusammenarbeit Wert legen würde, dann bräuchten wir doch keine Große Koalition, die ja schließlich meist ein bestimmtes Ziel vor Augen hat. Wer sich also nun Gedanken in historischer, rationaler und logischer weise macht, dem muss klar werden, dass eine Große Koalition keine Alternative für Deutschland ist. Ein Land ohne nennenswerte Opposition hat seine wesentliche Substanz und ein großes Stück seiner Demokratie verloren. Wie Arthur Schopenhauer schon über die Opposition sagte: „Sie ist ebenso wohltätig wie notwendig.“ Adrian Copitzky, 12d entschlossenes politisches Handeln ohne unproduktive parteitaktische Spielchen zwischen den beiden Volksparteien, die die Krise nur zusammen überwinden können – in einem gemeinsamen Regierungsbündnis der Vernunft und der Handlungsfähigkeit. Patrick Todt, 12a