Mehr Lean Enterprise! fordert Rainer Klug, Baumer Group Rainer Klug im Interview Wie helfen unternehmensweite Lean-Management-Programme dem Topmanagement? Was bedeutet es Unternehmensstrukturen aufzubrechen? Und was sind Erfolgsfaktoren und Herausforderungen auf dem Weg zum ganzheitlichen Lean Enterprise? Antworten auf diese und andere Fragen gibt Rainer Klug von der Baumer Group, Frauenfeld. Unternehmen müssen sich aufgrund des globalen Wettbewerbes und der aktuellen Finanzkrise auf ständig veränderte Rahmenbedingungen einstellen. Kann das Topmanagement heute noch auf Lean Management verzichten und führt Lean Management tatsächlich aus der unternehmerischen Krise? Nach meiner Einschätzung sollte heute kein Unternehmen auf einen vollständigen LeanManagement-Ansatz, oder mindestens die Einführung der wesentlichen Grundprinzipien, verzichten. Ob sich ein Unternehmen durch Lean Management aus einer unternehmerischen Krise herausbewegen kann, ist immer individuell für den Einzelfall zu beantworten. Eine Krise ist immer das Resultat vieler Faktoren und kann nicht vollständig durch einen einzelnen Management-Ansatz gelöst werden. Ich bin jedenfalls fest davon überzeugt, dass bei konsequenter Umsetzung der LeanPhilosophie in allen Unternehmensbereichen – und ich spreche hier explizit nicht nur von der Produktion – die Eintretenswahrscheinlichkeit unternehmerischer Krisen signifikant verringert wird. Für mich ist die Lean-Philosophie ein zukunftsgerichteter Unternehmensansatz, der es ermöglicht, eine Organisation schnell und flexibel den Marktbedürfnissen anzupassen und somit auch den zukünftigen Erfolg eines Unternehmens sicherzustellen. Ohne einen vom Management getragenen permanenten Wandel einzuleiten, könnten viele Unternehmen im globalen Marktumfeld nicht mehr dauerhaft überleben. Wie lässt sich am besten ein systematischer Wandel hin zum «Lean Enterprise» quasi von oben verordnen? Ich bin der Auffassung, der Wandel und Weg zum «Lean Enterprise» konsequent erfolgen soll. Die Geschäftsleitung muss also vollständig und geschlossen hinter diesem Thema stehen. Es muss klar, eindeutig und mit konkreten Zielen in der Unternehmensstrategie verankert sein. Top Down bildet sich so die Systematik ab, dass Zielkaskaden durch jede Führungsebene bis auf die gesamte Mitarbeiterebene etabliert und deren Erreichung regelmässig bewertet wird. Um damit dann erfolgreich zu sein, genügt eine reine Verordnung des Programms nicht. Vielmehr ist umfangreiche Überzeugungsarbeit auf allen Ebenen zu leisten. Die Überzeugung und der Reifegrad der Organisation werden mit der unumgänglichen LeanAusbildung aller Mitarbeitenden wachsen. Auf dem Weg zum schlanken Unternehmen müssen Strukturen des Unternehmens aufgebrochen und Handlungsmuster von Führungskräften hinterfragt werden. Wie begleiten Sie Ihre Führungskräfte in diesem anspruchsvollen Veränderungsprozess? Innerhalb der Baumer Group haben wir zuerst eine klare und auf unsere Unternehmensbedürfnisse zugeschnittene Definition unseres Lean-Ansatzes gemeinsam mit den Führungskräften erstellt. Diese Definition ist das «Baumer Operations System». Darin sind die für unser Geschäftsmodell und die für uns sinnvollen Lean-Six-Sigma-Methoden abgebildet und strukturiert. Unsere Führungskräfte waren von Anfang an eingebunden und ihre wertvolle Meinung ist eingeflossen. Ein Vorteil, den wir uns zu Nutze gemacht haben, war unsere Firmenkultur, die seit jeher auf der ständigen Verbesserung beruht. Die Themen der Lean-Philosophie, die in der Anfangsphase nicht jeder Führungskraft bekannt waren und dadurch vielleicht zu Besorgnis hinsichtlich Besitzstandverluste geführt hätten, haben wir durch frühe Einbindung in Trainings und Workshops vermieden. Diese Begleitung über ein klar definiertes Trainingsprogramm mit eigenen Lean-Six-Sigma-Experten führen wir kontinuierlich weiter. Mittlerweile hat Baumer Group das «Baumer Business System» entwickelt. Darin werden heute alle Geschäftsprozesse vor dem Hintergrund schlanker Unternehmensführung abgebildet und laufend auf Verbesserung überprüft und gegebenenfalls korrigiert. Zunehmend wichtiger wird dabei die Führungskräftequalifikation. Damit ein anspruchsvoller Wandel professionell ablaufen kann, qualifizieren wir unsere Führungskräfte regelmässig in internen und externen Schulungen im Bereich Leadership. Bei Baumer Group sind wir heute in der glücklichen Situation sagen zu können, dass unsere Mitarbeitenden und Führungskräfte das schlanke Unternehmen mit Leidenschaft leben. Veränderungen lösen immer auch Ängste und Widerstände bei Führungskräften und Mitarbeitenden aus. Wie vermitteln Sie in Ihrem Unternehmen, dass Lean Management insgesamt zu einer Stärkung des Unternehmens führt und wie motivieren Sie Ihre Crew? Ein zentraler Faktor ist die frühe Einbindung der Mitarbeitenden. Widerstände entstehen doch im Wesentlichen aus Ängsten und somit ist es eine wichtige Managementaufgabe, die Ängste als Ursache auszuräumen. Natürlich werden Sie nie alle individuellen Befürchtungen der Mitarbeitenden ausräumen. Seite 2 Die Widerstände entstehen in der Regel in der Initialphase, wenn man den mit Lean entstehenden Paradigmenwechsel beginnt. Aus unserer Erfahrung kommt es dann darauf an, sehr schnell Resultate zu liefern. Diese liefern wiederum den Beleg dafür, dass Ängste und Befürchtungen unbegründet sind. Durch die schnelle und erfolgreiche Realisierung entsteht ebenfalls sehr schnell eine Eigenmotivation der Mitarbeitenden und eben auch die notwendige Glaubwürdigkeit, dass sich das Unternehmen schrittweise von innen heraus stärkt. Ich selbst nehme zum Beispiel regelmässig an Workshops teil oder bin zumindest bei Beginn und Ende anwesend, um die Bedeutung für das Unternehmen zu verdeutlichen und den Experten die entsprechende Wertschätzung zu zeigen. Auch das ist ein wichtiger Motivationsfaktor. Natürlich gibt es auch Widerstände, die das direkte Arbeitsumfeld eines Mitarbeitenden betreffen. Dabei geht es häufig um lange praktizierte Gewohnheiten. Ich erwarte keine Begeisterung von Mitarbeitenden, wenn aus einer lange gewohnten sitzenden Tätigkeit nun eine «stehende-gehende» Tätigkeit wird. An diesen Stellen wird man einen Arbeitsplatz nach modernsten ergonomischen Gesichtspunkten schaffen. Jedoch wird sich an der grundsätzlichen Entscheidung ein verändertes Arbeitssystem zu schaffen, in dem zum Beispiel sitzende Tätigkeiten nicht mehr vorgesehen sind, nichts ändern. Haben Sie allgemeine Erfolgsfaktoren auf dem Weg zum Lean Enterprise identifiziert und welche stuf(t)en Sie als besonders kritisch ein? Allgemein ausgedrückt würde ich die Mitarbeitereinbindung als wichtigsten Faktor sehen. Nur mit der Kraft des gesamten Unternehmens schaffen Sie auch eine Veränderung des Gesamten. Die Qualitäten der Führungskräfte sind ein kritischer Erfolgsfaktor. Der Wandel hin zu einem Lean Enterprise ist kein Selbstläufer und muss klar und konsequent geführt werden. Kritisch betrachte ich eine zu undifferenzierte Betrachtung und Anwendung der bekannten und allgemein üblich etablierten Lean-Methoden. Die simple Kopie existierender LeanSysteme anderer Unternehmen führt im eigenen Unternehmen schnell zu Ablehnung. Ich halte es für wesentlich, ein individuelles Lean-System basierend auf dem eigenen Geschäftsmodell zu definieren. Das bedeutet nicht Lean neu zu erfinden. Nur sind unter Umständen Methoden, Werkzeuge und Prozesse, die ein mittelständischer Variantenfertiger benötigt, andere als die, die ein variantenarmer Mengenhersteller eines Grosskonzerns benötigt. Seite 3 Zur Wertfabrik AG Wertfabrik ist der neue Prozessdienstleister für Unternehmen in der Schweiz und in Deutschland. In Zusammenarbeit mit Kunden entstehen anspruchsvolle Lean-EnterpriseLösungen. Das Beratungsunternehmen mit Sitz in Seuzach bietet ein umfassendes Leistungspaket, das aus Beratung, Training und Erfahrungsaustausch besteht. Das Team von Wertfabrik umfasst fünf umsetzungsstarke Berater – alles Macher mit breiter Industrieund Prozesserfahrung. www.wertfabrik.ch Kontaktdaten Wertfabrik AG, Birchstrasse 2, 8472 Seuzach, Telefon +41 52 335 55 00 Herr Robert Ulrich, Geschäftsführender Partner, [email protected] Herr David Moser, Geschäftsführender Partner, [email protected] Seuzach, Juni 2012 Seite 4