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2 Logische Grundlagen
Neben der Mengenlehre ist die Logik das zweite Fundament der Mathematik. Die Mengenlehre wird gebraucht, um die Objekte, für die man sich in der Mathematik interessiert,
zu konstruieren, zu modellieren und zu manipulieren. Bisher kennen wir Paare, Relationen
und Funktionen. Später werden noch lineare Listen, Bäume und Graphen dazukommen.
Die Logik wird gebraucht, wenn in der Mathematik Beweise geführt werden, also in einer
gewissen (logischen) Art und Weise argumentiert wird, um zu zeigen, dass eine Aussage
wahr ist. Im Folgenden gehen wir auf die logischen Grundlagen der Mathematik ein. Auch
hier wählen wir wieder einen naiven Zugang. Für die formale mathematische Logik gibt
es im Laufe des Informatik-Studiums eigene Vorlesungen.
2.1 Sprache und Ausdrucksweise der Mathematik
Das Hauptgeschäft der Mathematikerinnen und Mathematiker ist das Beweisen. Dies heißt,
zu einer aufgestellten Behauptung – einer Aussage im Sinne von Definition 1.1.4, normalerweise Satz genannt (oder Lemma, Hauptsatz, Proposition, Theorem etc.) – eine Rechtfertigung zu liefern, bei der, neben den schon bewiesenen Aussagen und einigen Grundannahmen (den sogenannten Axiomen), nur Regeln des logischen Schließens verwendet werden.
Wir haben Beweise im ersten Kapitel des Texts bisher mit den Mitteln der Umgangssprache geführt. Dabei ist vielleicht vielen Leserinnen und Lesern aufgefallen, dass bei
der Formulierung der zu beweisenden Aussagen (welche wir dort immer als Sätze bezeichneten) gewisse Konstruktionen (Redewendungen, Formulierungen) immer wieder verwendet wurden und bei den Beweisen der Sätze, d.h. den logischen Rechtfertigungen der
entsprechenden Aussagen, ebenfalls gewisse Konstruktionen (logische Schlussweisen und
Argumentationen) immer wieder verwendet wurden. Die immer wieder verwendeten Konstruktionen beim Aufbau von Aussagen sind die nachfolgend angegebenen, in denen A, A1
und A2 für Aussagen stehen, x für ein Objekt steht und A(x) wiederum für eine Aussage,
nun über das Objekt x, steht.
(1) A gilt nicht, bzw. A ist falsch (Negation von A).
(2) A1 gilt und A2 gilt, bzw. A1 und A2 gelten (Konjunktion von A1 und A2 ).
(3) A1 gilt oder A2 gilt, bzw. A1 oder A2 gilt (Disjunktion von A1 und A2 ).
(4) Aus A1 folgt A2 , bzw. A1 impliziert A2 , bzw. wenn A1 gilt, dann gilt auch A2
(Implikation von A2 aus A1 ).
(5) A1 und A2 sind äquivalent, bzw. A1 und A2 sind gleichwertig, bzw. es gilt A1 genau
dann, wenn A2 gilt (Äquivalenz von A1 und A2 ).
(6) Für alle x gilt A(x) (Allquantifizierung mittels x).
(7) Es gibt ein x mit A(x), bzw. es existiert ein x, so dass A(x) gilt (Existenzquantifizierung mittels x).
Einige der bei den Beweisen von Kapitel 1 verwendeten umgangssprachlichen Schlussweisen sind etwa die nachfolgend aufgeführten, wobei wir auch jeweils eine Verwendungsstelle
angeben.
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R. Berghammer, Mathematik für Informatiker,
DOI 10.1007/978-3-658-06288-0_2, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2014
(1) „A impliziert A“ (Beweis von Satz 1.1.11, Teil (1)).
(2) Gelten „A1 impliziert A2 “ und „A2 impliziert A3 “, dann gilt auch „A1 impliziert A3 “
(Beweis von Satz 1.1.11, Teil (3)).
(3) „A1 und A2 “ ist äquivalent zu „A2 und A1 “ (Beweis von Satz 1.2.4, Teil (1)).
(4) Gilt A(a), so gilt auch „es gibt ein x mit A(x)“ (Beweis von Satz 1.2.6).
(5) Gilt „es gilt A(x) für alle x“, so gilt A(a) (Beweis von Satz 1.4.11).
Dies alles wird, gegebenenfalls nach einer gewissen Eingewöhnung, wesentlich prägnanter,
besser lesbar und auch besser manipulierbar, wenn man statt der Umgangssprache die
Formelsprache der Mathematik verwendet. Ihre wichtigsten Symbole werden nachfolgend
eingeführt. Sie entsprechen genau den obigen Konstruktionen (1) bis (7).
2.1.1 Definition: Konstruktionen der mathematischen Formelsprache
Die oben unter (1) bis (7) umgangssprachlich formulierten Aussagen werden in der Formelsprache der Mathematik wie folgt formuliert:
(1) ¬A
(2) A1 ∧ A2
(3) A1 ∨ A2
(4) A1 ⇒ A2
(5) A1 ⇔ A2
(6) ∀ x : A(x)
(Hier ist x durch das Symbol „∀“ gebunden.)
(7) ∃ x : A(x)
(Hier ist x durch das Symbol „∃“ gebunden.)
Damit man beim Hinschreiben von Aussagen unter Verwendung der eben eingeführten
Symbole Klammern sparen kann, wird angenommen, dass die Bindung der Symbole von
oben nach unten in Gruppen abnimmt. Es bindet das Symbol „¬“ am stärksten, dann
kommen die Symbole „∧“ und „∨“, die gleich stark binden, dann kommen die Symbole
„⇒“ und „⇔“, die ebenfalls gleich stark binden, und am schwächsten binden der Allquantor „∀“ und der Existenzquantor „∃“.
Statt ∀ x : ((¬A1 ∧ A2 ) ⇒ A3 ) kann man also ∀ x : ¬A1 ∧ A2 ⇒ A3 schreiben. Die obigen fünf umgangssprachlichen logischen Schlussweisen schreiben sich mit Hilfe der eben
eingeführten Symbole wie folgt:
(1) A ⇒ A
(Reflexivität)
(2) (A1 ⇒ A2 ) ∧ (A2 ⇒ A3 ) ⇒ (A1 ⇒ A3 )
(3) (A1 ∧ A2 ) ⇔ (A2 ∧ A1 )
(Transitivität)
(Kommutativität)
(4) A(a) ⇒ (∃ x : A(x))
(Zeuge zeigt Existenzquantifizierung)
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(5) (∀ x : A(x)) ⇒ A(a)
(Spezialisierung einer Allquantifizierung)
Solche in der Formelsprache hingeschriebenen Aussagen bezeichnen wir in Zukunft als
Formeln. Allquantifizierungen und Existenzquantifizierungen kommen normalerweise nur
in Verbindung mit Mengen vor, für deren Objekte die Variablen als Platzhalter stehen.
Man kann dies auch als Typisierung von Variablen in Quantifizierungen oder als typisierte
Quantifizierungen auffassen, wie wir es in Kapitel 1 schon einmal erwähnt haben. Für diese
speziellen Konstruktionen werden Abkürzungen verwendet. Diese führen wir nun ein.
2.1.2 Festlegung: Quantoren mit typisierten Variablen
Es wird die Formel ∀ x : x ∈ M ⇒ A(x) abgekürzt zu ∀ x ∈ M : A(x), und es wird die
Formel ∃ x : x ∈ M ∧ A(x) abgekürzt zu ∃ x ∈ M : A(x)
Bis jetzt wissen wir nur, wie man Aussagen durch die Symbole von Definition 2.1.1 formal als Formeln hinschreibt. Was solche Formeln dann bedeuten, ist zumindest für die
mittels der Konstruktionen (1), (2), (6) und (7) von Definition 2.1.1 aufgebauten intuitiv
klar. Bei Formeln der Gestalt (3) kann man diskutieren, ob A1 ∨ A2 ausschließend (genau
eine der Formeln muss wahr sein) oder nicht ausschließend (mindestens eine der Formeln
muss wahr sein) gemeint ist. Und bei (4) ist nicht sofort klar, was passiert, wenn A1 nicht
gilt. Wir werden uns bei den formalen Festlegungen von (3) und (4) später genau an das
halten, was wir in Abschnitt 1.1 informell beschrieben haben. Die spezielle Interpretation
von (4) hat natürlich auch Auswirkungen auf die Interpretation von (5), wenn man für
die Implikation und die Äquivalenz die folgende „natürliche“ Eigenschaft fordert, die wir
in Kapitel 1 beim Beweis von Satz 1.3.3 auch schon umgangssprachlich verwendet haben.
(A1 ⇔ A2 ) ⇔ (A1 ⇒ A2 ) ∧ (A2 ⇒ A1 )
In der „klassischen“ mathematischen Logik werden die obigen Konstruktionen normalerweise in zwei Gruppen aufgeteilt. Betrachtet man nur Formeln, die ohne Quantoren aufgebaut sind, so nennt man die entsprechende Logik Aussagenlogik. Diese wird im nächsten
Abschnitt betrachtet. Kommen noch die beiden Quantoren hinzu, so spricht man von der
Prädikatenlogik. Mit dieser Logik befassen wir uns im dritten Abschnitt dieses Kapitels.
2.2 Grundlagen der Aussagenlogik
Bei der Aussagenlogik beschäftigt man sich mit Formeln der Mathematik, in denen nur
die Konstruktionen (1) bis (5) von Definition 2.1.1 vorkommen. Da man den Konstruktionsprozess ja mit irgendetwas beginnen muss, legt man eine Menge von sogenannten
atomaren Aussagen oder Aussagenvariablen zugrunde, die für nicht weiter spezifizierte elementare und unzerteilbare Aussagen stehen. Man nimmt dazu einfach gewisse
Symbole, wie a, b, a1 , a2 , . . . , und fügt diese zu einer Menge zusammen.
2.2.1 Definition: Formeln der Aussagenlogik
Es sei X := {a1 , a2 , . . . , an } eine nichtleere Menge atomarer Aussagen. Dann ist die Menge
A der aussagenlogischen Formeln über X durch die folgenden Regeln definiert:
(1) Für alle a ∈ X gilt a ∈ A.
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(2) Für alle A ∈ A gilt ¬A ∈ A.
(3) Für alle A1 , A2 ∈ A gelten auch A1 ∧ A2 ∈ A, A1 ∨ A2 ∈ A, A1 ⇒ A2 ∈ A und
A1 ⇔ A2 ∈ A.
Damit man nicht noch zusätzliche Elemente in die Menge A bekommt, die man nicht als
Formeln haben will, legt man noch fest:
(4) Es gibt keine Elemente in A außer denen, die durch die Regeln (1) bis (3) zugelassen
werden.
Zu Strukturierungszwecken sind bei den Anwendungen von (2) und (3) noch die Klammern „(“ und „)“ erlaubt. Die Vorrangregeln der Formeln von A sind genau die, welche in
Definition 2.1.1 festgelegt wurden.
Nachfolgend geben wir einige Beispiele an.
2.2.2 Beispiele: aussagenlogische Formeln
Es seien a, b, c atomare Aussagen, d.h. X := {a, b, c}. Dann sind
a∧b⇒a∨b
¬a ⇒ (b ⇒ a)
a ∧ b ⇒ (a ∧ b) ∨ c
drei aussagenlogische Formeln. Verwendet man überflüssige Klammern, so schreiben sich
diese Formeln auch wie folgt:
(a ∧ b) ⇒ (a ∨ b)
(¬a) ⇒ (b ⇒ a)
(a ∧ b) ⇒ ((a ∧ b) ∨ c)
Zusätzliche Klammern machen manchmal Zusammenhänge klarer. Zu viele Klammern
können hingegen auch verwirren. Es ist deshalb sinnvoll, ein vernünftiges Mittelmaß zu
finden. Hingegen sind die Gebilde
a ⇒⇒
⇒ (a ∧ b)
offensichtlich keine aussagenlogischen Formeln.
(a ⇒ b)) ⇒ a ∨ b)
Erinnern wir uns: Aussagen sind nach Aristoteles sprachliche Gebilde, von denen es Sinn
macht, zu sagen, ob sie wahr oder falsch sind. Man ordnet ihnen also einen Wahrheitswert zu. Damit wir mit Wahrheitswerten formal argumentieren können, modellieren wir
sie durch spezielle Objekte.
2.2.3 Definition: Wahrheitswerte
Die Menge B := {W, F} heißt Menge der Wahrheitswerte. Dabei steht W für „wahr“
(oder gültig, richtig) und F für „falsch“ (oder nicht gültig, nicht richtig).
Manchmal werden auch andere Bezeichnungen für Wahrheitswerte verwendet, etwa L oder
1 statt W und O oder 0 statt F. Um den Wahrheitswert (kurz: den Wert) einer aussagenlogischen Formel bestimmen zu können, muss man nur wissen, welchen Wert die jeweils
darin vorkommenden atomaren Aussagen haben und wie diese Werte sich durch die sogenannten Junktoren „¬“, „∧“, „∨“, „⇒“ und „⇔“ fortsetzen. Letzteres wird nachfolgend
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definiert. Die Werte der atomaren Aussagen werden normalerweise nicht spezifiziert. Sie
ergeben sich jeweils aus dem vorliegenden Kontext. So hat z.B. die atomare Aussage 1 < 2
den Wert W und die atomare Aussage 1 ∈ {2, 3} den Wert F. Wenn wir jedoch die speziellen Aussagen wahr und falsch aus Kapitel 1 nun als atomare Aussagen auffassen, dann
wird natürlich W für wahr als Wert festgelegt und F als Wert für falsch.
2.2.4 Definition: Bedeutung der Junktoren
Die Werte der aussagenlogischen Formeln, welche in Definition 2.1.1 nach den Regeln (2)
und (3) gebildet werden, sind durch die nachfolgenden Tafeln festgelegt:
(1) Negation
A ¬A
W F
F W
(2) Konjunktion
A1 A2 A1 ∧ A2
W W
W
W F
F
F W
F
F F
F
(3) Disjunktion
A1 A2 A1 ∨ A2
W W
W
W
W F
F W
W
F F
F
(4) Implikation
A1 A2 A1 ⇒ A 2
W W
W
W F
F
W
F W
F F
W
(5) Äquivalenz
A1 A2 A1 ⇔ A 2
W W
W
W F
F
F W
F
F F
W
Durch (3) wird die Disjunktion „nicht ausschließend“ (vergl. mit Abschnitt 1.1).
Man beachte, dass die Implikation durch die entsprechende Tafel von (4) so spezifiziert
ist, dass im Sinne der Logik aus einer falschen Aussage alles gefolgert werden kann (vergl.
nochmals mit Abschnitt 1.1). Die Zuordnung von Wahrheitswerten zu den atomaren Aussagen nennt man eine Belegung. Auch den zugeordneten Wahrheitswert nennt man dann
so. Kennt man also die Belegung ihrer atomaren Aussagen, so kann man den Wert einer
jeden aussagenlogischen Formel gemäß den Tafeln von Definition 2.2.4 ausrechnen. Formal
kann man den Wert einer Formel zu einer Belegung definieren, indem man Belegungen
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als Funktionen spezifiziert und bei der Wertdefinition dem Aufbau der Formeln folgt.
Wir bleiben hier aber informeller, da dies für alles Weitere genügt. Belegungen geben wir
∧
nachfolgend durch das Zeichen = an.
2.2.5 Beispiel: Berechnung des Wertes einer Formel
Es sei die Menge X := {a, b, c} von drei atomaren Aussagen (Aussagenvariablen) gegeben.
Wir berechnen den Wert der aussagenlogischen Formel
¬((a ⇒ (b ⇒ c)) ∧ (a ∨ b))
∧
∧
∧
zur Belegung der atomaren Aussagen mittels a = W, b = W und c = F und stellen
die Berechnung als Folge von Schritten dar. Im ersten Schritt ersetzen wir jede atomare
Aussage durch ihre Belegung. Dies bringt:
¬((W ⇒ (W ⇒ F)) ∧ (W ∨ W))
Dann werten wir dies, wie von der weiterbildenden Schule her bei arithmetischen Ausdrücken bekannt, von innen nach außen aus. Dies bringt zuerst
¬((W ⇒ F) ∧ W),
indem die Tafeln für „⇒“ und „∨“ angewendet werden, und dann
¬(F ∧ W)
indem die Tafel für „⇒“ angewendet wird, und dann
¬F,
indem die Tafel für „∧“ angewendet wird, und schließlich
W,
∧
indem die Tafel für „¬“ angewendet wird. Also ist die Ausgangsformel zur Belegung a = W,
∧
∧
b = W und c = F wahr.
Eine oft vorkommende Aufgabe ist, zu zeigen, dass zwei Formeln A1 und A2 den gleichen
Wert haben, unabhängig davon, ob dieser W oder F ist. Wenn man dies als Beziehung
zwischen Formeln definiert, dann erhält man die folgende Festlegung.
2.2.6 Definition: logische Äquivalenz
Zwei aussagenlogische Formeln heißen logisch äquivalent, wenn jede Belegung ihrer atomaren Aussagen durch jeweils gleiche Wahrheitswerte dazu führt, dass die beiden Formeln
den gleichen Wert besitzen.
Die logische Äquivalenz von aussagenlogischen Formeln bestimmt man oft dadurch, dass
man zu einer angenommenen festen Belegung in Form einer Tabelle alle möglichen Werte gemäß dem Aufbau durchprobiert und die entstehenden Werte jeweils vergleicht. Wir
demonstrieren dieses Vorgehen mittels Wahrheitstabellen, welches in seiner nun gebräuchlichen Form dem österreichischen Philosophen Ludwig Wittgenstein (1889-1951) und dem
polnischen Logiker und Mathematiker Emil Post (1897-1954) zugeschrieben wird, im nächsten Satz anhand einiger bekannter Formeln.
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2.2.7 Satz: grundlegende logische Äquivalenzen
Die nachfolgend angegebenen sieben Paare von aussagenlogischen Formeln sind jeweils
logisch äquivalent.
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
(6)
(7)
A
A 1 ⇔ A2
A 1 ⇒ A2
¬(A1 ∧ A2 )
¬(A1 ∨ A2 )
A1 ∧ (A2 ∨ A3 )
A1 ∨ (A2 ∧ A3 )
¬¬A
(A1 ⇒ A2 ) ∧ (A2 ⇒ A1 )
¬A1 ∨ A2
¬A1 ∨ ¬A2
¬A1 ∧ ¬A2
(A1 ∧ A2 ) ∨ (A1 ∧ A3 )
(A1 ∨ A2 ) ∧ (A1 ∨ A3 )
Beweis: (1) Wir betrachten die folgende Tabelle aller möglicher Werte von A, ¬A und
¬¬A zu einer beliebig vergebenen Belegung (die im Beweis nicht explizit gebraucht wird):
A ¬A ¬¬A
W F
W
F W
F
Da die erste und die dritte Spalte identisch sind, ist die logische Äquivalenz gezeigt.
(2) In diesem Fall ist die Tabelle aller möglichen Werte von A1 und A2 und die sich daraus
ergebenden Werte von A1 ⇔ A2 und von (A1 ⇒ A2 ) ∧ (A2 ⇒ A1 ) analog zum Beweis von
(1) wie folgt gegeben. Ihre dritte und vierte Spalte sind wiederum identisch. Dadurch ist
die Behauptung gezeigt.
A1 A2 A1 ⇔ A2 (A1 ⇒ A2 ) ∧ (A2 ⇒ A1 )
W W
W
W
W F
F
F
F W
F
F
W
W
F F
(3) Und hier ist noch die Tabelle aller möglichen Werte von A1 und A2 und den sich daraus
ergebenden Werten für A1 ⇒ A2 , ¬A1 und ¬A1 ∨ A2 analog zum Beweis von (2), wobei
die dritte und fünfte Spalte die behauptete logische Äquivalenz zeigen.
A1 A2 A1 ⇒ A2 ¬A1 ¬A1 ∨ A2
W W
W
F
W
F
F
F
W F
F W
W
W
W
F F
W
W
W
Die Behauptungen (4) bis (7) beweist man vollkommen analog.
Man nennt die logischen Äquivalenzen (4) und (5) von Satz 2.2.7 wiederum Regel von
de Morgan und die logischen Äquivalenzen (6) und (7) Distributivgesetze. Der folgende Satz setzt nun die logische Äquivalenz von Formeln, die ja eine Beziehung zwischen
Formeln herstellt, also eine Relation auf der Menge A im Sinne von Kapitel 1 ist, mit
dem Wert (also der Gültigkeit) einer Formel in Beziehung. Das Resultat wird niemanden
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überraschen. Es zeigt aber sehr schön, dass man in der Mathematik oft auf verschiedenen
Sprachebenen argumentiert. Es wird in ihm nämlich die Äquivalenz auf drei verschiedenen
Ebenen angegeben, in (2) in Gestalt einer Formel, in (1) in Gestalt einer speziellen Beziehung zwischen Formeln und schließlich noch auf der umgangssprachlichen Metaebene.
2.2.8 Satz: logische Äquivalenz und Gültigkeit
Für alle aussagenlogischen Formeln A1 und A2 sind die folgenden zwei Eigenschaften äquivalent.
(1) Die Formeln A1 und A2 sind logisch äquivalent.
(2) Die Formel A1 ⇔ A2 hat den Wert W für alle Belegungen ihrer atomaren Aussagen.
Beweis: Wir zeigen zuerst, dass (2) aus (1) folgt. Es seien also A1 und A2 logisch äquivalent. Weiterhin sei eine beliebige Belegung der atomaren Aussagen gegeben. Wir unterscheiden zwei Fälle.
(a) Beide Formeln haben zu der gegebenen Belegung W als Wert. Dann hat aufgrund von
Definition 2.2.4, Punkt (5), auch die Formel A1 ⇔ A2 den Wert W.
(b) Beide Formeln haben zu der Belegung F als Wert. Dann hat aufgrund von Definition
2.2.4, Punkt (5), die Formel A1 ⇔ A2 ebenfalls den Wert W.
Nun beweisen wir, dass (1) aus (2) folgt. Dazu sei eine beliebige Belegung der atomaren
Aussagen vorgegeben. Hat die Formel A1 ⇔ A2 bezüglich ihr den Wert W, dann müssen
A1 und A2 bezüglich ihr beide den Wert W oder beide den Wert F haben. Dies sehen wir,
indem wir in Definition 2.2.4 (5) alle Zeilen der Tabelle durchgehen. Die Formeln sind also
per Definition logisch äquivalent.
Satz 2.2.7 besagt insbesondere, dass die folgenden aussagenlogischen Formeln für alle Belegungen der atomaren Aussagen den Wert W haben, also immer wahr sind:
A
(A1 ⇔ A2 )
(A1 ⇒ A2 )
¬(A1 ∧ A2 )
¬(A1 ∨ A2 )
A1 ∧ (A2 ∨ A3 )
A1 ∨ (A2 ∧ A3 )
⇔
⇔
⇔
⇔
⇔
⇔
⇔
¬¬A
(A1 ⇒ A2 ) ∧ (A2 ⇒ A1 )
¬A1 ∨ A2
¬A1 ∨ ¬A2
¬A1 ∧ ¬A2
(A1 ∧ A2 ) ∨ (A1 ∧ A3 )
(A1 ∨ A2 ) ∧ (A1 ∨ A3 )
Neben diesen Formeln gibt es noch weitere wichtige Formeln der Aussagenlogik, beispielsweise die offensichtliche Kommutativität und die auch offensichtliche Assoziativität der
Konjunktion und der Disjunktion, welche erlauben, Klammern zu sparen. Auch ist klar,
dass A ∨ ¬A und wahr logisch äquivalent sind und dieses auch für A ∧ ¬A und falsch
zutrifft. Wir wollen aber nicht näher auf weitere wichtige wahre Formeln der Aussagenlogik
eingehen, sondern uns nun einem anderen Thema aus diesem Gebiet zuwenden.
Bisher stellt die tabellarische Methode die einzige Möglichkeit dar, zu zeigen, dass zwei
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Formeln logisch äquivalent sind. Bei großen Formeln stößt diese Methode bald an ihre
Grenzen, da die Anzahl der Belegungen ihrer atomaren Formeln sehr groß wird. Hier
ist es viel vorteilhafter, zu rechnen, wie man es von der weiterbildenden Schule her von
den Zahlen und den arithmetischen Ausdrücken kennt. Diese zweite Möglichkeit, die logischen Äquivalenzen von aussagenlogischen Formeln zu beweisen, besteht in logischen
Umformungen gemäß schon als richtig bewiesenen logischen Äquivalenzen (in diesem
Zusammenhang auch Regeln genannt). Dem liegt zugrunde, dass
(1) die Formeln A1 und A3 logisch äquivalent sind, wenn es eine Formel A2 so gibt, dass
A1 und A2 logisch äquivalent sind und A2 und A3 logisch äquivalent sind und
(2) die Formeln A1 und A2 logisch äquivalent sind, wenn es in A1 eine Teilformel gibt,
deren Ersetzung durch eine logisch äquivalente Formel A2 liefert.
So sind etwa A1 ∧ A2 und A1 ∧ A3 logisch äquivalent, wenn A2 und A3 logisch äquivalent
sind, und ¬(A1 ⇒ A2 ) und ¬(A1 ⇒ A3 ) sind logisch äquivalent, wenn A2 und A3 logisch
äquivalent sind. Normalerweise schreibt man solche Beweise durch logische Umformungen
in Form von sogenannten Äquivalenzketten auf, wie etwa beim Beweis
A1 ⇐⇒
⇐⇒
⇐⇒
⇐⇒
A2
A3
A4
A5
Begründung des Schritts
Begründung des Schritts
Begründung des Schritts
der logischen Äquivalenz von A1 und A5 mittels der Zwischenformeln A2 , A3 und A4 . In
so einer Rechnung steht das Symbol „⇐⇒“ (man beachte den Unterschied zum Junktor
„⇔“) für die Relation der logischen Äquivalenz auf der Menge A. Begründungen können
in solchen Rechnungen weggelassen werden, wenn sie offensichtlich sind. Auch Angaben
im umgebenden Text sind oft sinnvoll. Nachfolgend geben wir drei Beispiele an.
2.2.9 Satz: weitere logische Äquivalenzen
Für aussagenlogische Formeln gelten die folgenden logischen Äquivalenzen:
(1) A1 ⇒ (A2 ⇒ A3 ) ⇐⇒ A1 ∧ A2 ⇒ A3
(2) A1 ⇒ A2 ⇐⇒ ¬A2 ⇒ ¬A1
(3) A1 ⇒ A2 ⇐⇒ A1 ⇒ A1 ∧ A2 und A1 ⇒ A2 ⇐⇒ A1 ∨ A2 ⇒ A2
Beweis: (1) Hier kommen wir mit der folgenden Äquivalenzkette zum Ziel.
A1 ⇒ (A2 ⇒ A3 ) ⇐⇒
⇐⇒
⇐⇒
⇐⇒
⇐⇒
¬A1 ∨ (A2 ⇒ A3 )
¬A1 ∨ (¬A2 ∨ A3 )
(¬A1 ∨ ¬A2 ) ∨ A3 )
¬(A1 ∧ A2 ) ∨ A3
A 1 ∧ A 2 ⇒ A3
Satz 2.2.7, (3)
Satz 2.2.7, (3)
Assoziativität
de Morgan
Satz 2.2.7, (3)
(2) Die Behauptung folgt aus der folgenden Rechnung.
A1 ⇒ A2 ⇐⇒
⇐⇒
⇐⇒
⇐⇒
¬A1 ∨ A2
A2 ∨ ¬A1
¬¬A2 ∨ ¬A1
¬A2 ⇒ ¬A1
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Satz 2.2.7, (3)
Kommutativität
Satz 2.2.7, (1)
Satz 2.2.7, (3)
(3) Die linke logische Äquivalenz folgt aus der Rechnung
A1 ⇒ A1 ∧ A2 ⇐⇒
⇐⇒
⇐⇒
⇐⇒
⇐⇒
¬A1 ∨ (A1 ∧ A2 )
(¬A1 ∨ A1 ) ∧ (¬A1 ∨ A2 )
wahr ∧ (¬A1 ∨ A2 )
¬A1 ∨ A2
A1 ⇒ A 2
Satz 2.2.7, (3)
Distributivität
Satz 2.2.7, (3)
(wobei die Schritte ohne Begründungen klar sind) und A1 ⇒ A2 ⇐⇒ A1 ∨ A2 ⇒ A2 zeigt
man in einer ähnlichen Weise.
Mittels der bisherigen Formeln und Regeln (und noch vieler Regeln, die wir aus Platzgründen nicht betrachten) kann man nun die Beweise von Kapitel 1, in denen keine Quantoren auftauchen, wesentlich knapper und präziser formulieren. Wir wollen dies nun demonstrieren. Dabei greifen wir zwei Mengengleichheiten auf, von denen wir eine schon
umgangssprachlich in Kapitel 1 bewiesen haben. Die folgenden Rechnungen sind sehr detailliert und deshalb etwas länglich; wer erfahrener in der Mathematik ist, wendet in einem
Umformungsschritt oft mehrere Regeln gleichzeitig an. Dies macht die Ketten kürzer.
2.2.10 Beispiele: Beweis von Mengengleichheiten
Für alle Mengen M , N und P und alle Objekte x können wir wie folgt logisch umformen.
x ∈ M \ (N ∩ P ) ⇐⇒
⇐⇒
⇐⇒
⇐⇒
⇐⇒
⇐⇒
⇐⇒
⇐⇒
x∈M ∧x∈
/ (N ∩ P )
x ∈ M ∧ ¬(x ∈ N ∩ P )
x ∈ M ∧ ¬(x ∈ N ∧ x ∈ P )
x ∈ M ∧ (¬(x ∈ N ) ∨ ¬(x ∈ P ))
(x ∈ M ∧ ¬(x ∈ N )) ∨ (x ∈ M ∧ ¬(x ∈ P ))
(x ∈ M ∧ x ∈
/ N ) ∨ (x ∈ M ∧ x ∈
/ P)
x∈M \N ∨x∈M \P
x ∈ (M \ N ) ∪ (M \ P )
Diese Rechnung zeigt die Mengengleichheit M \ (N ∩ P ) = (M \ N ) ∪ (M \ P ). Analog
bekommen wir, indem wir wiederum das Symbol „∈“
/ durch das logische Negationssymbol
„¬“ und das Enthaltenseinssymbol „∈“ ausdrücken, die Rechnung
x ∈ M \ (M \ N ) ⇐⇒
⇐⇒
⇐⇒
⇐⇒
⇐⇒
⇐⇒
⇐⇒
⇐⇒
⇐⇒
⇐⇒
x∈M ∧x∈
/ (M \ N )
x ∈ M ∧ ¬(x ∈ M \ N )
x ∈ M ∧ ¬(x ∈ M ∧ x ∈
/ N)
x ∈ M ∧ ¬(x ∈ M ∧ ¬(x ∈ N ))
x ∈ M ∧ (¬(x ∈ M ) ∨ ¬¬(x ∈ N ))
x ∈ M ∧ (x ∈
/ M ∨ x ∈ N)
(x ∈ M ∧ x ∈
/ M ) ∨ (x ∈ M ∧ x ∈ N )
falsch ∨ (x ∈ M ∧ x ∈ N )
x∈M ∧x∈N
x ∈ M ∩ N,
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http://www.springer.com/978-3-658-06287-3
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