zum - Prof. Dr. Wolfgang Gessenharter

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Was ist Rechtsextremismus?
Zentrale Aspekte eines vielschichtigen Problems
von Wolfgang Gessenharter
Erschienen in: Spöhr, Holger/Kolls, Sarah (Hrsg.): Rechtsextremismus in Deutschland und
Europa, Frankfurt: Peter Lang, 2010, S.27-43
0. Einleitung und Überblick
Der Begriff „Rechtsextremismus“ löst in Deutschland weitgehend negative Assoziationen
aus. Jemanden als rechtsextrem zu bezeichnen, bedeutet dessen Stigmatisierung. Man findet
wohl auch niemanden, der sich selbst als rechtsextrem bezeichnen würde. Gleichwohl ist der
Begriff in aller Munde und hat immer dann mediale Hochkonjunktur, wenn etwa in der
Öffentlichkeit Gewalttaten bekannt werden, die dem rechten Spektrum zugeordnet werden. In
diese öffentliche Diskussion mischen sich üblicherweise sogleich auch zwei Begleitmelodien
dazu, deren eine beinhaltet, dass Rechtsextremismus nur etwas für Dumme sei. Die zweite
besteht in der Forderung, es sei nun endgültig an der Zeit, Verbote auszusprechen, z.B.
gegenüber der NPD.
Im Folgenden will ich versuchen, dieser öffentlichen Diskussion über Rechtsextremismus, die
übrigens regelmäßig im Zyklus großer öffentlicher Aufregung einerseits und großen
Schweigens andererseits stattfindet, ein Bild von Rechtsextremismus gegenüber zu stellen,
wie es sich aus heutiger Forschungssicht ergibt. Dabei muss ich mich hier auf einen groben
Überblick beschränken. Ich will jedoch einige Akzente setzen, die mir gerade im
Zusammenhang mit der gegenwärtigen öffentlichen Diskussion wichtig sind.
So werde ich also im 1. Kap. etwas zur Begrifflichkeit sagen und damit auch die Sichtweisen
auf so etwas wie Rechtsextremismus thematisieren. Denn mit unseren Begriffen versuchen
wir die Wirklichkeit zu „begreifen“. Dabei plädiere ich für eine sog. bewegungstheoretische
Sichtweise. Im 2. Kap. gehe ich auf die zentralen Strukturen dieser Bewegung ein. Das 3.
Kap. widmet sich dem ideologischen Rahmen dieser Bewegung. Im 4. Kap. geht es um
zentrale Kontextstrukturen der rechten Bewegung. Im 5. Kap. werde ich nach einer
Zusammenfassung einige praktische Folgerungen ziehen.
1. Zur Terminologie und zur bewegungstheoretischen Sichtweise
In der Öffentlichkeit hat sich in den letzten Jahren eine Vielfalt von Begriffen etabliert, wenn
es um den politisch rechten Rand geht: etwa „Rechtsextremismus“, „rechtsextrem“,
„rechtsextremistisch“, „rechtsradikal“, „Neonazis“, „rechtsaußen“, oder einfach auch nur
„rechts“. Diese begriffliche Vielfalt ist nicht zufällig von einer Vielfalt von
Anschauungsobjekten begleitet: Mal sind es Parteien, dann Personen, dann Handlungen, mal
Ideologien, dann Gruppierungen oder Szenen. Diese Vielfalt der Objekte und auf sie
angewandten Begriffe ist einer Alltagskommunikation nicht unbedingt hinderlich, sie ist sogar
förderlich für Polemik, eine überprüfbare Erkenntnisgewinnung und auf diese sich stützende
politisch gezielte Einflussnahme verhindert sie jedoch. Um für unsere folgenden Diskussionen
Klarheit in unseren Begriffen und in der Auswahl unserer Realitätsaspekte zu fördern,
2
schlage ich vor1, die Begriffe „Rechtsextremismus“ und „rechtsextrem“ nur noch ganz im
Sinne der Verwendung durch die staatlichen Behörden, also insbesondere die
Verfassungsschutzbehörden, zu verwenden: Wenn rechte politische Gesinnungen und
Bestrebungen, Personen, Parteien oder Ideologien erkennbar den demokratischen
Verfassungsstaat sowie seine grundlegenden Werte bekämpfen, soll von „rechtsextremen“
Gesinnungen und Bestrebungen gesprochen werden. Nach Gesetzeslage sind dann auch nur
diese für den Verfassungsschutz als Beobachtungsobjekt erlaubt. Als „rechtsradikal“ kann
hingegen ein Denken genannt werden, das „rechtes“ Gedankengut von der Wurzel her, also
radikal, in Anspruch nimmt, ohne eine unmittelbare Bekämpfungsabsicht gegenüber
Grundgesetz und demokratischem Verfassungsstaat auszudrücken. „Rechtsextremismus“ und
„Rechtsradikalismus“ bilden in meiner Terminologie zusammen ein „rechtes Lager“ oder –
doch dazu gleich später – die „rechte Bewegung“. Dieses rechte Lager umfasst
selbstverständlich auch Neonazismus, von dem wir dann sprechen, wenn nachweislich positiv
auf den Nationalsozialismus Bezug genommen wird. Während Neonazis meist kein Hehl aus
ihren Gedanken und Absichten machen, ist die Abgrenzung zum Rechtsextremismus oft sehr
schwer, weil ein Akteur seine Bekämpfungsabsichten aus Furcht vor staatlichen
Sanktionsmaßnahmen vielfach nicht offen zeigt. Gleichzeitig gilt es zu berücksichtigen, was
das Bundesverfassungsgericht zur Meinungs- und Pressefreiheit 2005 entschieden hat 2. In
seiner Presseerklärung führt es aus: „Um den Verdacht einer verfassungsfeindlichen
Bestrebung zu bejahen oder die negative Sanktion einer Veröffentlichung im
Verfassungsschutzbericht zu ergreifen, müssen hinreichend gewichtige tatsächliche
Anhaltspunkte vorliegen. Die bloße Kritik an Verfassungswerten reicht nicht aus. Denn die
Meinungs- und Pressefreiheit lässt auch eine kritische Auseinandersetzung mit
Verfassungsgrundsätzen zu. Lassen sich aber aus den Meinungsäußerungen Bestrebungen zur
Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ableiten, dürfen Maßnahmen
zur Verteidigung dieser Grundordnung ergriffen werden.“ Parteien, Ideologien, Menschen
nach meinem Vorschlag mit dem Begriff „rechtsextrem“ zu belegen, setzt also voraus, bei
ihnen „Bestrebungen zur Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung“
nachgewiesen zu haben. Wenn dieser Nachweis nicht möglich ist, soll von
„Rechtsradikalismus“ gesprochen werden. In diesem Fall verwende ich auch den Terminus
„neurechts“ bzw. „Neue Rechte“. Inhaltlich setzt die Verwendung dieses Begriffs voraus,
dass der so Gekennzeichnete (mehr oder weniger massive) Fundamentalkritik an den
zentralen Verfassungsnormen übt.3
Nach dieser kurzen Abklärung der Begrifflichkeiten nun wieder zurück zum
Gegenstandsbereich. Noch bis in die endsechziger Jahre hinein war der äußerste rechte Rand
des politischen Spektrums durch unverbesserliche, bornierte Altnazis charakterisiert, die sich
in verschiedenen Kleinstparteien und –organisationen trafen, deren wichtigste, die
Sozialistische Reichspartei (SRP), allerdings schon 1952 verboten wurde und bei denen später
die 1964 gegründete NPD bis zu ihrem knappen Scheitern bei der Bundestagswahl 1969
dominierte. In der Folgezeit zeigte sich dann immer deutlicher, dass vor allem nachwachsende
junge Rechte sich von diesen Vorgängern distanzierten und neue Organisationsformen
1
Wie schon früher, z.B. in: Gessenharter, Wolfgang: Neue radikale Rechte, intellektuelle Neue Rechte und
Rechtsextremismus: Zur theoretischen und empirischen Neuvermessung eines politisch-ideologischen Raumes,
in: Gessenharter, Wolfgang/Fröchling, Helmut (Hrsg.): Rechtsextremismus und Neue Rechte in Deutschland.
Neuvermessung eines politisch-ideologischen Raumes? Opladen: Leske+Budrich 1998, S. 25-66
2
Vgl. Presseerklärung des BVerfG Nr.57/2005 v. 28.6.2005 zu seinem Urteil 1BvR1072/01 vom 24.5.2005
3
Zu dem Unterschied zwischen meiner Verwendungsweise und der des Verfassungsschutzes s. Pfeiffer,
Thomas: Avantgarde und Brücke. Die Neue Rechte aus Sicht des Verfassungsschutzes NRW, in: Gessenharter,
Wolfgang/Pfeiffer, Thomas (Hrsg.): Die Neue Rechte – eine Gefahr für die Demokratie? Wiesbaden: Verlag für
Sozialwissenschaften 2004, S.51-70, S.53; ich ziehe seit 1998 den sozialwissenschaftlichen Begriff
„Bewegungselite“ dem Alltagsbegriff „Scharnier“ für die Neue Intellektuelle Rechte vor.
3
wählten. Bis zum Antritt der „Republikaner“ (Rep) in den 80er Jahren waren infolgedessen
Parteien in der rechten Szene eher unbedeutend. Dudek/Jaschke haben in ihrer damals
bahnbrechenden Studie4 schon darauf hingewiesen, dass das „rechtsextreme Lager“ nach dem
Zweiten Weltkrieg aus einer Vielfalt politischer Kleingruppen bestand und dass es sich nicht
nur durch lagerinterne Prozesse, sondern in ständiger Auseinandersetzung mit der
Mehrheitskultur entwickelte. Dabei stärkte es die antidemokratischen Elemente in dieser
Mehrheitskultur, auch wenn sich dieser Einfluss nicht an Wahlergebnissen abmessen ließ.
Die Veränderungen nach 1970ff wirken im Grunde bis heute. Denn vor allem die jungen Teile
des rechten Lagers orientierten sich in der Folgezeit in abgrenzender Weise ideologisch an
den linken 68ern, waren jedoch nicht abgeneigt, sich deren Strategien zur öffentlichen
Durchsetzung ihrer eigenen Botschaften und Ziele zu bedienen.5 Aus allen diesen Gründen
genügte es noch nie und in den letzten Jahren noch umso weniger, das rechte Lager nur
parteien- oder wahlsoziologisch zu analysieren. Ich habe schon vor mehr als zehn Jahren im
Anschluss an die bewegungstheoretischen Studien von Dieter Rucht vorgeschlagen, eine
„Neuvermessung“ dessen vorzunehmen, was herkömmlich, vor allem in Anlehnung an die
damaligen Verfassungsschutzberichte, als „Rechtsextremismus“ galt.6 Mittlerweile scheint es,
dass sich ein solcher bewegungstheoretischer Ansatz insbesondere bei denjenigen
durchzusetzen begonnen hat, die an einer – auch international vergleichenden – empirischen
Forschung über dieses Lager interessiert sind. Dabei kann uns die Analyse anderer sozialer
Bewegungen, z.B. Friedensbewegung oder Anti-Atomkraft-Bewegung, Fragestellungen und
Analyseinstrumente bereitstellen, die uns davor bewahren könnten, mit zu eingeschränkter
und enger Perspektive an „Rechtsextremismus“ heran zu gehen. 7 Thomas Grumke und
Thomas Pfeiffer haben jüngst noch einmal das große Analysepotential des
Bewegungsansatzes für die Erforschung des rechten Lagers herausgestellt.8
Dabei übernehmen auch sie die Vorstellung konzentrischer Kreise für die Struktur von
Bewegungen, wie sie Dieter Rucht schon Mitte der 90er Jahre vorgeschlagen und ich sie bald
darauf für das rechte Lager adaptiert hatte. 9 Demnach kann man von innen nach außen gehend
Bewegungseliten (als innersten Kreis), Basisaktivisten (z.B. in Parteien und Organisationen),
Unterstützer (z.B. in lockeren Gruppen und Szenen) und zuletzt als äußersten Kreis
Sympathisanten (z.B. Wählerpotential) als verschiedene Ebenen voneinander unterscheiden.
Um die im rechten Lager innerhalb und zwischen diesen Ebenen ablaufenden Interaktionen
und Prozesse herauszufinden und zu analysieren, drängen sich bewegungstheoretisch gesehen
mindestens folgende wichtige Fragen auf: Welche Vernetzungen liegen innerhalb und
zwischen diesen Kreisen vor? Welche Aktionsrepertoires, Strategien und Taktiken gibt es auf
den verschiedenen Ebenen und in Bezug auf die gesamte Bewegung? Welche Ressourcen
4
Dudek, Peter/Jaschke, Hans-Gerd: Entstehung und Entwicklung des Rechtsextremismus in der Bundesrepublik,
2 Bde., Opladen: Westdeutscher Verlag 1984
5
Vgl. neuestens Benthin, Rainer: Angriffe aus der Nische: Die Bedeutung von ‚1968’ für den Kulturkampf der
Neuen Rechten in Deutschland, in: Skenderovic, Damir/Späti, Christina (Hrsg.): 1968 – Revolution und
Gegenrevolution. Neue Linke und Neue Rechte in Frankreich, der BRD und der Schweiz, Basel 2008, S.81-92
6
S. Gessenharter, Wolfgang: Neue radikale Rechte, intellektuelle Neue Rechte und Rechtsextremismus, a.a.O. ;
Rucht, Dieter: Modernisierung und neue soziale Bewegungen, Frankfurt/New York: Campus 1994
7
Vgl. z.B. Hellmann, Kai-Uwe/Koopmans, Ruud (Hrsg.): Paradigmen der Bewegungsforschung. Entstehung
und Entwicklung von Neuen Sozialen Bewegungen und Rechtsextremismus, Opladen: Westdeutscher Verlag
1998
8
Grumke, Thomas: „Und sie bewegt sich doch“: Rechtsextremismus als soziale Bewegung. Das
Analysepotential der Bewegungsforschung zur Interpretation neuerer Entwicklung im Rechtsextremismus, in:
Pfahl-Traughber, Armin (Hrsg.): Jahrbuch für Extremismus- und Terrorismusforschung 2008, Brühl 2008, S.95121
9
S. Gessenharter, Wolfgang: Neue radikale Rechte, intellektuelle Neue Rechte und Rechtsextremismus, a.a.O. ;
Rucht, Dieter: Modernisierung und neue soziale Bewegungen, a.a.O., S.76ff
4
(finanzieller, personeller, zeitlicher Art) können mobilisiert werden? Gibt es einen
gemeinsamen ideologischen Rahmen (frame) in der Bewegung? Wie einheitlich ist er? Wie
entwickelt er sich? Welche Personen(gruppen) sind für die Formulierung und
Weiterentwicklung des frame wichtig? Und schließlich: In welchen Kontextstrukturen agiert
das rechte Lager in Deutschland; sind sie eher für die Bewegung hinderlich oder förderlich?
2. Die Grundstrukturen des rechten Lagers
Jede Bewegung benötigt für ihre Aktionen jemanden, der ihr Ziele, Ideen, Strategien und
Taktiken vorgibt. Ohne solche Bewegungseliten, oft auch Bewegungsunternehmer genannt,
entwickeln Bewegungen keine öffentliche Durchschlagskraft. Diese Bewegungseliten stehen
deshalb auch im innersten Kern der konzentrischen Kreise. Wer in diesem Kern der rechten
Bewegung das letztgültige Sagen hat, ist dort immer umstritten gewesen, machtpolitisch
umstritten. Dies gilt vor allem auch für die Zeit nach 1970, als sich junge Rechte von den
alten ehemaligen Nazigrößen zu emanzipieren versuchten. Einen einheitlichen Namen hat es
für diese Bewegungseliten bis heute nicht gegeben; mal nannten sie sich selbst „junge
Konservative“, mal „Neue Rechte“ o.ä.. In der Forschung über das rechte Lager hat sich sehr
bald die letztere Selbstbezeichnung durchgesetzt, auch wenn immer wieder darauf verwiesen
wurde, dass diesen Kreis der Bewegungseliten nicht nur Kooperation, sondern Konkurrenz bis
hin zu harten gegenseitigen Anfeindungen charakterisierten. 10 Gleichwohl hat Dietzsch schon
1988 darauf verwiesen, dass „erklärtes Ziel“ dieses Kreises sei, „den Boden für eine
übergreifende nationale Sammlungsbewegung zu schaffen“ 11. Seit dieser Zeit konnte man
immer wieder Anläufe für eine derartige Sammlungsbewegung beobachten, oft geschart um
Publikationsnetzwerke und Verlage, wie etwa das Verlagsimperium des Dr. Herbert Fleissner.
Seit den 90er Jahren zählen Personen und Kreise zu einer in der Wissenschaft oft so
genannten „Neuen Intellektuellen Rechten“, die sich vor allem um die seit 1986 bestehende
und mittlerweile als Wochenblatt erscheinende „Junge Freiheit“ (JF) scharen. Mitte 2000 wird
aus diesem Umfeld heraus das „Institut für Staatspolitik“ u.a. zur Abhaltung von Akademien
gegründet, das einen eigenen Verlag, Edition Antaios, und die Zeitschrift „Sezession“ auf den
Markt
bringt.
Mittels
dieser
publizistischen
Offensive
sowie
durchaus
öffentlichkeitswirksamen Interviews in der JF mit mehr oder minder prominenten Vertretern
aus der Union, der SPD , der FDP, aus Verbänden, der Wissenschaft und Kultur, aber auch
aus dem rechtsextremen Umfeld, versucht diese rechte Bewegungselite umzusetzen, was einer
ihrer Wortführer 2001 im Interview in der JF so formulierte: „Uns geht es um geistigen
Einfluß, nicht die intellektuelle Lufthoheit über Stammtischen, sondern über Hörsäle und
Seminarräume interessiert uns, es geht um Einfluß auf die Köpfe, und wenn die Köpfe auf den
Schultern von Macht- und Mandatsträgern sitzen, um so besser.“12
Seit einigen Jahren und jüngst wieder verstärkt wendet sich allerdings der Herausgeber der JF,
Stein, gegen den Begriff „Neue Rechte“ und spricht sogar von einem „Phantom ‚Neue
Rechte’“13. Er begründet dies mit dem Argument, der Verfassungsschutz und „linke“
Wissenschaftler gebrauchten diesen Begriff, um den Konservativismus insgesamt in die
10
So z.B. Feit, Margret: Die „Neue Rechte“ in der Bundesrepublik, Frankfurt/New York: Campus 1987;
Dietzsch, Martin: Zwischen Konkurrenz und Kooperation. Organisationen und Presse der Rechten in der
Bundesrepublik, in: Jäger, Siegfried: Rechtsdruck. Die Presse der Neuen Rechten, Berlin/Bonn: Dietz 1988,
S.31-80
11
Dietzsch, Martin: a.a.O., S.34
12
Karlheinz Weißmann, in: JF Nr. 36/01 v. 31.8.01, S.6
13
Stein, Dieter: Phantom „Neue Rechte“. Die Geschichte eines politischen Begriffs und sein Mißbrauch durch
den Verfassungsschutz, Berlin: Edition JF 2005; Stein, Dieter: Troja lässt grüßen, in: JF 3/09 v. 9.1.09, S.11
5
rechtsextremistische Ecke abzudrängen. Wer aus dem konservativen Bereich glaube, den
Begriff „Neue Rechte“ „positiv besetzen“ und für sich reklamieren zu können, verkenne, dass
es sich hier um ein trojanisches Pferd handle. Stein findet für diese Sicht selbst aus seinem
eigenen Umfeld massiven Widerstand.14. Dahinter steckt indes wohl eher ein taktischer
Disput: Während Stein den Kampf um die Meinungsführerschaft im konservativen Lager
verstärken möchte, will Weißmann mit dem Begriff „rechts“ eine „trennscharfe“
Selbstbezeichnung vorhalten gegenüber all den üblichen „Gelegenheits-Konservativen“, wie
etwa Jörg Schönbohm, um aus dieser Position her anzugreifen. 15 Aber auch im Kreis um die
NPD, die noch vor wenigen Jahren mit großen Worten ihre „Dresdner Schule“ aus der Taufe
hob, tobt seit einiger Zeit ein Machtkampf, in dem der Vorsitzende Voigt von verschiedenen
Seiten angegriffen wird. Es scheint, dass bei den rechten Bewegungseliten die Wahlen 2009
bereits ihre Schatten voraus werfen.
Jede Bewegung benötigt für erfolgreiche Aktionen einen Kreis fest zugehöriger Aktivisten.
Solche Basisaktivisten findet man im rechten Lager üblicherweise bei den einschlägigen
Parteien und Organisationen. Ein Blick in die Verfassungsschutzberichte von Bund und
Ländern zeigt, dass es sich hierbei um ein Personenpotential handelt, das derzeit bei
geschätzten 31.000 Personen liegt – mit insgesamt abnehmender Tendenz in den letzten zehn
Jahren. Nach der Herausnahme der Partei „Die Republikaner“ aus den
Verfassungsschutzberichten gelten noch die DVU und die NPD als rechtsextreme Parteien.
Sie sind bei Wahlen auf Bundesebene und in den meisten Bundesländern zahlenmäßig
bedeutungslos. In einigen ostdeutschen Bundesländern hat die NPD jedoch Einzug in die
Parlamente halten und Entwicklungen vor Ort einleiten können, die treffend als
„Faschisierung der Provinz“ bezeichnet worden sind16. Auch auf dieser Strukturebene des
rechten Lagers gilt im Übrigen, dass Konkurrenzbeziehungen untereinander mindestens
ebenso häufig sind wie Kooperationen, auch wenn immer wieder die Einheit der rechten
Bewegung beschworen wird. Besonders umstritten ist, wie weit die organisierten Gruppen
sich mit jener Ebene einlassen sollen, die bewegungstheoretisch als „Unterstützer“ firmiert:
Kameradschaften, mehr oder weniger lockere Szenen.
Diese eher volatile Unterstützer-Ebene ist im rechten Lager schwer überschaubar. Oft handelt
es sich um kleine Zusammenschlüsse von Personen, die eine bestimmte Gesinnung einigt, die
sich aber sonst nur locker organisieren und nicht in größere Zusammenhänge eingebunden
sein wollen. Wichtig für ihre Identitätsgewinnung sind heute Internetauftritte und
Musikszenen. Bedeutsam ist, dass es sich bei diesen neuen Szenen um Gruppen mit einem
sehr jungen Durchschnittsalter handelt. Diesen jungen Leuten wird hier offenbar eine
„Erlebniswelt Rechtsextremismus“ bzw. „Menschenverachtung mit Unterhaltungswert“
geboten.17 Seit einigen Monaten wird zunehmend beobachtet, dass bei rechtsextremen
Demonstrationen auch sog. „schwarze Blöcke“ mitmischen, die stark gewaltbereit sind und in
Aussehen und Auftreten kaum von Linksautonomen zu unterscheiden sind. Die Frage nach
dem Umgang mit solchen „freien“ bzw. „autonomen Nationalisten“, die derzeit bundesweit
14
Kubitschek, Götz:Wie wichtig ist ein Begriff? Teil 1 und 2 eines Gesprächs mit Dieter Stein und Karlheinz
Weißmann. Veröffentlicht am 9. und 10. Februar 2009 auf der Netz-Seite der Zeitschrift Sezession:
www.sezession.de
15
A.a.O.; Stein im Interview: „Für mich wird der politisch-publizistische Standort ‚konservativ’ in Deutschland
durch keine etablierte Partei oder ein Medium vertreten. Weder FAZ, Springer-Presse, Rheinischer Merkur noch
CDU oder CSU besetzen diesen Begriff offensiv oder wollen ihn prägen.“ Und so möchte er demnächst den
Rheinischen Merkur überflügeln, s. seine Äußerung in JF 5/09 v. 23.1.09, S.21
16
Staud, Torals: Moderne Nazis. Die neuen Rechten und der Aufstieg der NPD, Köln: Kiepenheuer & Witsch
2
2006
17
Vgl. dazu die Überblicksaufsätze in Glaser, Stefan/Pfeiffer, Thomas (Hrsg.): Erlebniswelt Rechtsextremismus.
Menschenverachtung mit Unterhaltungswert, Schwalbach: Wochenschau-Verlag 2007
6
bei vier- bis fünfhundert Personen geschätzt werden, hat bei der NPD zu einigen
Verwerfungen geführt.18
Die Stärke und Durchsetzungskraft einer Bewegung hängt nicht bloß vom Zusammenspiel
und den Aktionen der bisher genannten drei Ebenen ab, sondern verdankt sich auch massiv
der Anzahl und den Handlungen von sog. Sympathisanten, also von Menschen, die bereit
sind, einschlägige Parteien zu wählen, deren Slogans in die Öffentlichkeit zu bringen oder bei
Demonstrationen und anderen öffentlichen Aktionen Beifall zu klatschen, Flagge zu zeigen.
Wir wissen, dass wir es bei dem Großteil der Wähler rechtsextremer Parteien mit Personen zu
tun haben, die über ein einigermaßen gefestigtes rechtsextremes Weltbild verfügen. Wie weit
dies etwa bei jenen Rostocker Bürgerinnen und Bürger der Fall war, die bei den
ausländerfeindlichen Brandanschlägen in Rostock-Lichtenhagen offen Beifall klatschten,
kann nicht schlüssig beantwortet werden. In einer Mediendemokratie ist jedoch die
Gewinnung möglichst vieler und einflussreicher Sympathisanten von herausragender
Bedeutung. Einen ungefähren Eindruck vom Sympathisantenpotential des rechten Lagers
kann man sich machen, wenn man die Ergebnisse empirischer Studien zur Kenntnis nimmt,
dass nämlich rund 15 Prozent der deutschen Bevölkerung rechtsextremistische Einstellungen
aufweisen.19 An diesen Zahlen sieht man deutlich, dass die Wahlergebnisse für rechtsextreme
Parteien nur ein sehr lückenhaftes Bild des rechten Lagers zulassen.
Ganz besonders bedeutsam für den Zusammenhalt der verschiedenen Gruppen im Innern als
auch untereinander wird zunehmend das Internet. Es steigert auch massiv die internationale
Vernetzung. Wie groß die Mobilisierungsfähigkeit des rechten Lagers durch das Internet ist,
kann gegenwärtig zwar nur abgeschätzt, aber sicherlich gar nicht überschätzt werden. 20Wie
groß für spezifische rechte Probleme und Aktionen die Mobilisierungsfähigkeit insgesamt
ausfällt, hängt allerdings nicht nur von den hier erwähnten Potentialen, sondern auch von der
Brisanz, der Problemhaltigkeit und der Aktualisierungsfähigkeit eines Mobilisierungsinhalts
ab: Was sind also die Anliegen und Ziele der rechten Bewegung, des rechten Lagers?
3. Zum ideologischen Rahmen des rechten Lagers
Es ist immer wieder zu Recht darauf verwiesen worden, dass es in der Ideologiediskussion
des rechten Lagers Vielfalt, Spannungen, Streit, Konkurrenz gibt. Nichtsdestoweniger lassen
sich einige Grundmuster herausarbeiten, die sich jedoch zumeist in unterschiedlicher Art und
Verpackung finden: Schärfer oder weicher formuliert, in eher generalisierter oder eher
differenzierter Ausarbeitung, auf einige Punkte konzentriert oder eher eine breitere Palette
anbietend, in (mehr oder weniger) klaren inhaltliche Aussagen oder in Hinweisen bzw. in
Anspielung auf Autoren, geistige Strömungen oder bekannte Texte. Weitere Unterschiede
können sich durch die Verpackung der Aussagen ergeben: Programmatische Äußerungen,
etwa in Form von Parteiprogrammen, Buchpublikationen, Zeitschriften, Zeitungen, Reden.
Diese Vielfalt gab es seit Beginn der Bundesrepublik. Dies verwundert nicht, weil spätestens
seit dem Verbot der SRP durch das Bundesverfassungsgericht 1952 Grenzen gesetzt waren,
18
Vgl. hierzu Menhorn, Christian: Die Bedeutung subkultureller Bewegungen für den deutschen
Rechtsextremismus. Die Strategie und Taktik von Neonationalsozialisten und NPD gegenüber subkulturell
geprägten Rechtsextremisten, in: Pfahl-Traughber, Armin (Hrsg.): Jahrbuch für Extremismus- und
Terrorismusforschung 2008, Brühl 2008, S. 247-263
19
Vgl. zusammenfassend Stöss, Richard: Rechtsextremismus im Wandel, Berlin: Friedrich-Ebert-Stiftung 2007,
Kap. 4
20
Vgl. dazu u.a. Glaser, Stefan/Pfeiffer, Thomas (Hrsg.): Erlebniswelt Rechtsextremismus. Menschenverachtung
mit Unterhaltungswert. Schwalbach: Wochenschau Verlag 2007, Kap.3
7
die man tunlichst nicht überschreiten durfte, wenn man nicht von einem Verbot bedroht
werden wollte. Wie stark man sich aber diesen Grenzen näherte, welche verbalen Kunststücke
man formulierte, um nicht anzuecken, war durchaus umstritten. Mit dem allmählichen
Abgang ehemaliger NS-Aktiven, mit dem Scheitern der NPD 1969 bei der Bundestagswahl
und mit dem Auftreten junger rechter Akademiker, die sich sowohl als Reaktion auf die
Emanzipationsbewegungen der 68er verstanden als auch sich von den nach ihrer Meinung
gescheiterten ehem. NS-Aktiven distanzieren wollten, entstand eine neue Situation bei den
rechten Bewegungseliten: In der Ablehnung der Ideen von 1968, die ihren Kern in der
Erweiterung und Vertiefung der Ideen der französischen Revolution hatten, war man sich
einig. Wo man positiv andocken sollte, blieb jedoch umstritten. Den größten Widerhall haben
ab den 70er Jahren – bis heute – jene Deutungseliten erfahren, die sich auf die (durchaus
vielfältigen) Traditionsbestände der Konservativen Revolution bezogen. Deren Vertreter
wetterten in der Weimarer Republik gegen die Demokratie und lieferten für die NS-Ideologie
wichtige Grundlagen.21
Die folgenden Merkmale fassen die ideologischen Inhalte zusammen, wie sie sich aus vielen
Publikationen und sonstigen Verlautbarungen aus dem Kreis der rechten Bewegungseliten
herausarbeiten lassen. Insbesondere in den ersten vier Punkten spiegeln sich dabei die
Anleihen an die Konservative Revolution.22
1. Kollektivismus und Leugnung universaler Menschenrechte: Das jeweilige Kollektiv,
vor allem der Staat bzw. die Nation, ist gegenüber dem Individuum vorrangig; mit dieser
Rangfolge steht man allerdings im Gegensatz zu Art.1GG, der ja genau die umgekehrte
Wertung beinhaltet. Damit hält man auch die Vorstellung von allgemeinen
Menschenrechten für eine gefährliche Ideologie.
2. Antipluralismus: Staat und Gesellschaft müssen „homogen“ sein; Minderheiten sind
daher immer eine Gefahr für diese Kollektive. Also ist es auch gefährlich, diesen
Minoritäten die Gleichheitsrechte nach Art.3GG einzuräumen.
3. Antiparlamentarismus: Politik ist nicht das gemeinsame, wenngleich konfliktreiche
Ringen um gemeinsame Ziele, sondern ist die Unterscheidung von Freund und Feind;
Kompromisse sind gefährlich und schlecht; der Parlamentarismus fördert
Bonzenherrschaft unfähiger Politiker.
4. Autoritarismus: Eine lebensfähige, d.h. homogene Gesellschaft kann letztlich nur
durch einen autoritären Staat hergestellt und erhalten werden. Der liberale Staat, der das
Individuum im Vordergrund sieht, geht an seiner eigenen Machtlosigkeit zugrunde.
21
Vgl. hierzu z.B. die kurzen, aber eindrücklichen Zitate von Edgar Julius Jung, Moeller van den Bruck und
Othmar Spann bei Pfeiffer/Puttkamer, S. 60ff. Auf diese Zusammenhänge ist schon seit vielen Jahren
hingewiesen worden, z.B. Feit, Margret: Die „Neue Rechte“ in der Bundesrepublik, Frankfurt/New York:
Campus 1987; Greß, Franz/Jaschke, Hans-Gerd/Schönekäs, Klaus: Neue Rechte und Rechtsextremismus in
Europa, Opladen: Westdeutscher Verlag 1990; Gessenharter, Wolfgang: Kippt die Republik? Die Neue Rechte
und ihre Unterstützung durch Politik und Medien, München: Knaur 1994. Vor diesem Hintergrund ist die
Polemik gegen die einschlägige Fachliteratur völlig abwegig, die Mathias Brodkorb: Der metaphysische Nazi,
in: Süddeutsche Zeitung v. 29.11.2008, S.16, glaubt vorbringen zu sollen, nämlich dass es „ein typisch deutsches
Vorurteil“ sei, „jede rechte politische Erscheinung müsse Scheitel und Oberlippenbärtchen tragen“.
22
Eine detailliertere Erläuterung dieser Merkmale findet sich in: Gessenharter, Wolfgang: Intellektuelle
Strömungen und Vordenker in der deutschen Neuen Radikalen Rechten, in: Grumke, Thomas/Wagner, Bernd
(Hrsg.): Handbuch Rechtsradikalismus. Personen – Organisationen – Netzwerke vom Neonazismus bis in die
Mitte der Gesellschaft, Opladen: Leske+Budrich 2002, S.189-201; Gessenharter, Wolfgang: Im Spannungsfeld.
Intellektuelle Neue Rechte und demokratische Verfassung, in: Gessenharter, Wolfgang/Pfeiffer, Thomas (Hrsg.):
Die Neue Rechte – eine Gefahr für die Demokratie? Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2004,
S.31-49
8
5. Ethnopluralismus: Gegen Integration von Ausländern, weil diese die Homogenität
vereiteln. Aber kein chauvinistischer Nationalismus, sondern eher: „Deutschland den
Deutschen – Die Türkei den Türken!“23
6. Revisionismus und Antisemitismus: Erhaltung und Verteidigung der Würde des
Kollektivs, z.B. des deutschen Volkes; daher der ständige Versuch der Relativierung der
NS-Verbrechen durch Aufrechnen der Schuld anderer Staaten. Dazu gehört auch der
Vorwurf an die Juden, die Deutschen wegen des Holocaust ständig unter Druck zu setzen.
7. Zunehmend (teilweise) Absage an NS-Ideologie: Orientierung an den Ideen der
Weimarer Konservativen Revolution. Die Bandbreite der Haltung zum
Nationalsozialismus und Hitler ist dabei groß und reicht von bedingter Verehrung („wenn
Hitler den Krieg gewonnen hätte…“) bis zu eindeutiger Ablehnung (Hitler hat durch seine
Radikalisierung die Ideen der Konservativen Revolution verraten).
8. Dogmatismus (Verismus): Gegen Relativismus gerichtet, weil man selbst genau weiß,
was wahr ist (z.B. NPD: „lebensrichtiges Menschenbild“); Intoleranz gegenüber anderen
Meinungen; gleichzeitig Vorwurf an diese, einen „linken Meinungsterror“ bzw. „PCTerror“24 zu etablieren
Insgesamt ist die rechtsradikale Ideologie also gegen Art.1 und 20 GG gerichtet, aber verbal
nicht (oder selten) direkt, sondern verbrämt („politische Mimikry“ 25): Art.1 GG sei zu
idealistisch, halte nicht stand im harten politischen Alltag o.ä.. Damit werden alle anderen
Grundrechte und die Staatsziele nach Art.20 GG ebenfalls infrage gestellt. Art.1 und 20 GG
sind aber bekanntlich nach Art.79,3 GG jeglicher Änderung entzogen.
Wenn der Chefredakteur der JF, Stein, schreibt, bei den von mir vorgestellten Merkmalen der
Ideologie des rechten Lagers handele es sich um „willkürlich“ aufgezählte
Diskussionsfelder26, dann vergisst er oder will seine Leser vergessen lassen, dass es sich bei
diesen Merkmalen schlicht um die Quintessenz einer an der Konservativen Revolution und
insbesondere an deren wichtigstem Vordenker, Carl Schmitt, orientierten politischen
Weltsicht handelt. Es ist hier nicht der Platz, um diese Zusammenhänge detailliert
aufzuzeigen; zudem ist dies an anderer Stelle längst und ausführlich geschehen. 27 Im übrigen
zeigt auch ein kurzer Vergleich mit den für die „rechtsextremistische Weltsicht“ von Richard
Stöss angeführten Merkmalen – Nationalismus, Rassismus, autoritäres Staatsverständnis,
Ideologie der Volksgemeinschaft –, dass es sich um im ganzen rechten Lager zentrale
Ideologiemerkmale handelt. Aber auch Stöss weist darauf hin, dass es in dieser
rechtsextremistische Weltsicht, die etwa Gewalthandeln zumindest nicht ausschließt28, um ein
„heterogenes Gemisch unterschiedlichster Begründungszusammenhänge und Sichtweisen“
23
So die ständig von Franz Schönhuber als damaligem Vorsitzenden der „Republikaner“ Anfang der 90er Jahre
gebrauchte Formel
24
PC: “political correctness“
25
So Weißmann, Karlheinz: Neo-Konservatismus in der Bundesrepublik, in: Criticón Nr.96 (1986), S.61ff.
„Politische Mimikry“ bedeutet so viel wie politische Verstellungskunst, politisches Anpassungsverhalten. Für
den neuen Konservativen sei es – so Weißmann – wichtig, bei der Beurteilung einer Situation zu lernen, „ob hier
der offene Angriff oder die politische Mimikry gefordert ist“.
26
Stein, Dieter: Phantom „Neue Rechte“, a.a.O., S. 64
27
Z.B. Gessenharter, Wolfgang: Kippt die Republik? Die Neue Rechte und ihre Unterstützung durch Politik und
Medien, München: Knaur 1994, Kap.3; Gessenharter, Wolfgang: Der Schmittismus der „Jungen Freiheit“ und
seine Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz, in: Braun, Stephan/Vogt, Ute (Hrsg.): Die Wochenzeitung „Junge
Freiheit“. Kritische Analysen zu Programmatik, Inhalten, Autoren und Kunden, Wiesbaden: VS Verlag für
Sozialwissenschaften 2007, S.77-94; Pfahl-Traughber, Armin: „Konservative Revolution“ und „Neue Rechte“,
Opladen::Leske+Budrich 1998; Lenk, Kurt/Meuter,Günter/Otten, Henrique Ricardo: Vordenker der Neuen
Rechten, Frankfurt/New York: Campus 1997
28
Stöss, Richard: Rechtsextremismus im Wandel, a.a.O., S.27
9
handelt, was „Ausdruck der Vielfalt miteinander konkurrierender Konzeptionen und Ziele“
sei.29
Eine ganz andere Frage ist natürlich, ob man diese Merkmale überhaupt bei bestimmten
Akteuren vorfindet und nachweisen kann. In diesem Zusammenhang vergisst aber Stein ein
Weiteres oder will es vergessen machen, nämlich dass seine Zeitung, die JF, und ihr Umfeld
seit Beginn ihrer publizistischen Tätigkeit zu eben dieser gegen das Grundgesetz gerichteten
politischen Ideologie dauernd und expressis verbis tiefe Verbundenheit zeigten – etwa nach
dem Motto „Jedes Abo eine konservative Revolution“, mit dem die JF im Juni 1993 für sich
warb30. Und noch vor wenigen Jahren attestierte man sich im Umkreis der JF einen
„verbreiteten ‚Schmittismus’“31. Dabei wusste man sehr genau, auf welches dem Grundgesetz
und seiner pluralistischen Demokratie genau entgegengesetzte Denken man sich da
eingelassen hatte. Wie hieß es doch so überdeutlich in der JF: „Wer mit dem Grundgesetz
unter dem Kopfkissen schläft, braucht Carl Schmitt nicht. Wer jedoch erkannt hat, dass die
Verfassung das Gefängnis ist, in dem die res publica der Deutschen – gerade auch nach der
kleinen Wiedervereinigung – gefangen gehalten wird, greift gerade jetzt zu seinen Werken“. 32
Weitere vielfältige für jedermann nachprüfbare Beispiele finden sich in der kritischen
Literatur zur Neuen Rechten sowie zur JF zuhauf gesammelt 33. Ob Stein mit seiner jüngsten
Volte, vom Begriff „Neue Rechte“ abrücken zu wollen, auch Abschied nehmen möchte von
den vielen unsäglichen Artikeln, die unter seiner Herausgeberschaft veröffentlicht wurden,
muss man abwarten. Glaubwürdiger wäre dieser Schwenk, wenn er den Mut fände, seine
bisherige Richtung öffentlich als „Irrweg in die rechte Ecke“ zu bedauern, wie es 1992 der
Herausgeber der vormals rechtsextremen Zeitschrift „MUT“ tat.34.
4. Zu den Kontextstrukturen des rechten Lagers in Deutschland
Es besteht kein Zweifel, dass der in der Nachkriegszeit langsam gewachsene
bundesrepublikanische Grundkonsens gegen NS-Diktatur und Hitlerismus im großen Ganzen
bis heute anhält. Die Zustimmungsraten der deutschen Bevölkerung zur Demokratie als
Staatsform sind – von Schwankungen abgesehen – im internationalen Vergleich nach wie vor
hoch. Das Konzept der „streitbaren Demokratie“ ist weitgehend unbestritten. Die in diesem
Kontext zu verstehende 5%-Hürde für Parteien bei Bundestags- und Landtagswahlen wird,
natürlich abgesehen von den durch sie betroffenen Parteien, weithin als legitim betrachtet.
Was in der Öffentlichkeit über das rechte Lager bekannt ist, wird gemeinhin als „normale
Pathologie von Industriegesellschaften“ (Scheuch/Klingemann) bewertet. Bei genauerem
Hinsehen jedoch zeigt sich, dass die Befunde im deutschen politischen Mentalitätshaushalt
nicht ganz so unproblematisch waren und sind. So finden wir mit den Worten Hajo Funkes 35
„historisch gewachsene und gesellschaftliche verankerte Mentalitätsbestände eines
fremdenfeindlichen Ethno-Nationalismus in breiten Teilen der deutschen Gesellschaft und der
deutschen (Bildungs-) Eliten, deren Wurzeln weit in das 20. Jahrhundert und darüber hinaus
29
A.a.O., S.26
Vgl. Puttkamer, Michael: „Jedes Abo eine konservative Revolution“. Strategie und Leitlinien der ‚Jungen
Freiheit’, in: Gessenharter, Wolfgang/Pfeiffer, Thomas (Hrsg.): Die Neue Rechte – eine Gefahr für die
Demokratie?, a.a.O., S.211-220
31
Institut für Staatspolitik: Die „Neue Rechte“. Sinn und Grenze eines Begriffs, Albersroda 2003, S.17
32
JF v. Okt. 1992, S.17
33
So z.B. Gessenharter, Wolfgang/Pfeiffer, Thomas (Hrsg.): Die Neue Rechte – eine Gefahr für die Demokratie?
Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2004, Braun, Stephan/Vogt, Ute (Hrsg.): Die Wochenzeitung
„Junge Freiheit“. Kritische Analysen zu Programmatik, Inhalten, Autoren und Kunden, Wiesbaden: VS Verlag
für Sozialwissenschaften 2007; vgl. auch weiter unten Fußn. 42
34
In der April-Nummer von 1992; s. dazu Gessenharter, Kippt die Republik?, a.a.O., S.126f
35
Funke, Hajo: Paranoia und Politik. Rechtsextremismus in der Berliner Republik, Berlin: Schiler 2002, S.130
30
10
in das 19. Jahrhundert zurückreichen und sich auch nach dem Scheitern der extremsten Form
des
deutschen
Nationalismus,
des
deutschen
Nationalsozialismus,
in
den
Nachkriegsgesellschaften in Ost und West zeigten: als fremdenfeindliche, rassistische und
antisemitische Mentalitätsbestände, Einstellungen und Formen des Rechtsextremismus sowie
als Ethnonationalismus in den demokratischen Parteien selbst.“
Wilhelm Heitmeyer und sein Team warnen in diesem Zusammenhang, dass
Fremdenfeindlichkeit in Deutschland „nicht länger auf den rechten Rand des politischen
Spektrums beschränkt“ sei36. Zentral in diesem Zusammenhang ist, dass die in Art.3 GG
verbürgte Gleichwertigkeit aller Menschen Ungleichwertigkeitsvorstellungen weicht, die sich
auf alle jene Gruppen konzentriert, die von den „Alteingesessenen“ als „Neue“,
„Zugezogene“ oder als solche gesehen werden, „die sich noch nicht angepasst haben“37. Die
Vorstellung einer „’ethnischen Homogenität der deutschen Nation’..., die es gegenüber den
Einwandernden zu mobilisieren gelte“, war bereits zu Beginn der 80er Jahre dem damaligen
CSU-Bundesinnenminister Friedrich Zimmermann eigen; die „Republikaner“ Franz
Schönhubers konnten diese Idee einige Jahre später problemlos übernehmen und in der
Asyldebatte zu Beginn der 90er Jahre die etablierten Parteien damit vor sich hertreiben38.
Wie sehr solche Ungleichheitsvorstellungen heute offenbar schon wieder – oder immer noch?
– in der veröffentlichten Meinung und in der Bevölkerung verankert sind, zeigt die öffentliche
Reaktion auf jene Skandalrede, die der damalige CDU-Bundestagsabgeordnete Martin
Hohmann am 3.10.2003 gehalten hatte. Seine verquere Argumentation zur Frage, ob Juden
wie Deutsche jeweils als „Tätervolk“ gebrandmarkt werden könnten, wurde wegen eines
darin vermuteten Antisemitismus sofort heftig kritisiert. Er wurde deshalb aus der CDUBundestagsfraktion und später auch aus der Partei ausgeschlossen; gleichzeitig konnte er aber
auf viel Beifall aus konservativen Kreisen verweisen39. Keinerlei öffentliche Aufmerksamkeit
erregte es jedoch, dass Hohmann in seiner Rede einen völlig ungeschminkten Angriff auf den
Gleichheitsgrundsatz des Art.3 GG gefahren hatte. So sagte er – sich in Übereinstimmung mit
der ‚schweigenden Mehrheit’ der Deutschen fühlend –, dass er „leider... den Verdacht, das
man als Deutscher in Deutschland keine Vorzugsbehandlung genießt, nicht entkräften“ könne,
und fährt fort: „Der eigene Staat muss in erster Linie für die eigenen Staatsbürger da sein.
Wenn schon eine Bevorzugung der Deutschen als nicht möglich oder nicht opportun
erscheint, dann erbitte ich wenigstens Gleichbehandlung von Ausländern und Deutschen.“
Wie hieß doch der Art.3, Abs.3 GG? „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner
Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens,
seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“ Bei
Hohmann ist die „Würde des Menschen“ (Art.1 GG) auf die „Würde des Deutschen“
reduziert – und kaum jemanden erregt dies!
So verwundert es auch nicht, dass erst das Bundesverfassungsgericht eine Verwaltungspraxis
stoppte, die unter Hinweis auf das Asylbewerberleistungsgesetz und abgesegnet von allen
unteren Gerichten, eindeutig gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art.3 GG verstieß: Eine
36
Heitmeyer, Wilhelm (Hrsg.): Deutsche Zustände, Folge 5, Frankfurt/M.: Suhrkamp 2007, S.29; vgl. auch
Decker, Oliver, u.a. Vom Rand zur Mitte. Rechtsextreme Einstellungen und ihre Einflussfaktoren in
Deutschland, Berlin: Friedrich-Ebert-Stiftung 2006; Decker, Oliver u.a.: Ein Blick in die Mitte. Zur Entstehung
rechtsextremer und demokratischer Einstellungen in Deutschland, Berlin: Friedrich-Ebert-Stiftung 2008
37
Heitmeyer , Wilhelm (Hrsg.): Deutsche Zustände, Folge1, Frankfurt/M.: Suhrkamp 2002, S.20
38
vgl. hierzu Gessenharter, Wolfgang: Kippt die Republik? Die Neue Rechte und ihre Unterstützung durch
Politik und Medien, München: Knaur 1994; ähnlich der damalige CDU-MdB Pflüger, Friedbert: Deutschland
driftet. Die Konservative Revolution entdeckt ihre Kinder, Düsseldorf u.a.: ECON 1994
39
Vgl. die Dokumentation aus neurechter Sicht: Schenk, Fritz (Hrsg.): Der Fall Hohmann: die Dokumentation,
München: Universitas 2004
11
Asylbewerberin hatte Schmerzensgeld für ihren Lebensunterhalt einsetzen müssen, bevor sie
staatliche Leistungen erhielt, Dagegen hatte sie geklagt.40 Einen ähnlich schludrigen Umgang
mit dem Herzstück unserer Verfassung, nämlich dem Art.1 GG, findet man immer wieder im
Sicherheitsdiskurs, und zwar nicht erst seit dem 11. Sept. 2001, wo nicht mehr diejenigen die
Argumentationslast zu tragen gewillt sind, die dem Staat immer mehr Rechte zur
Einschränkung der individuellen Freiheit einräumen wollen, sondern den Verteidigern dieser
Freiheiten diese Last aufbürden41. Vergessen werden darf in diesem Zusammenhang auch
nicht, dass das Bundesverfassungsgericht 2004 große Teile des im Frühjahr 1998
verabschiedeten Gesetzes zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität als
verfassungswidrig verurteilt hat, weil sie gegen die Menschenwürde verstoßen.
6. Zusammenfassung und einige Schlussfolgerungen
Die hier nur kurz erwähnten Beispiele zeigen, dass in Deutschland durchaus einflussreiche
Denkströme vorhanden sind, die immer noch oder schon wieder Probleme mit
Verfassungsvorgaben sehen, die im Art.1 GG eindeutig niedergelegt sind: „Die Würde des
Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen
Gewalt. Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen
Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der
Gerechtigkeit in der Welt.“ Dabei ist zu konstatieren, dass dieser Artikel nur von ganz
extremen Gruppierungen direkt angegriffen wird. Hier hat der Verfassungsschutz sein
zentrales Betätigungsfeld. Dagegen hat er sich dort zurückzuhalten, wo nur verbale Kritik an
diesen Werten geübt wird. Dabei handelt es sich oft um Formen der Distanzierung, die von
der Relativierung bis zum Lächerlichmachen dieser Werte reichen. Oft aber geht es dabei im
Kern darum, dem (deutschen) Kollektiv, dem Staat, der Nation, den faktischen Vorrang
gegenüber den Individuen in diesem Kollektiv zu geben. Gruppen, Programme, Publikationen
usw., bei denen diese Intention nachweisbar ist, zähle ich zum „rechten Lager“, zur „rechten
Bewegung“. Dieser ideologische Rahmen wurde im 3. Kap. näher erläutert. Dabei wurde
insbesondere auf jenen ideologischen Rahmen (frame) eingegangen, der im Kern die
Gedanken der Konservativen Revolution der Weimarer Republik aufnimmt. Dass dieser
Rahmen inzwischen auch von rechtsextremen Gruppierungen aufgenommen wird, ist ebenso
nachweisbar wie eine Entwicklung, die offenbar versucht, diese Grundgedanken bis zu einem
für konservative Kreise durchaus bekömmlichen Weltbild zu verdünnen. Im Kap. 4 ging es
darum, dass alle sozialen Bewegungen, wenn sie überleben wollen, in vielfältigen, sie
fördernden oder sie behindernden, Beziehungen zu ihren Umgebungen stehen. Diese
Kontextstrukturen können historischer, sozialer und ökonomischer, kultureller oder auch
institutioneller Provenienz sein. Die extremen Teile des rechten Lagers finden derzeit in
Deutschland fast durchweg für sie negative Kontextstrukturen vor. Anders sieht dies für die
neurechten, um den konservativen Beritt sich bemühenden Teile der rechten Bewegungselite
aus. Hier ist die ‚Erosion der Abgrenzung’ nach wie vor in vollem Gang. Das
Bundesverfassungsgericht hat in den letzten Jahren wiederholt Korrekturen an politischen
Entscheidungen vornehmen müssen, die auch Folgen solcher Erosion waren. Auf Dauer wird
aber eine Gesellschaft nur dann in einer sozialen, demokratischen und pluralistischen
Verfasstheit bestehen können, wenn sie die Verteidigung ihrer Werte auch selbst in die Hand
nimmt – wozu in erster Linie die schonungslose öffentliche Kritik solcher Verzerrungen ihrer
Wertebasis gehört.42
40
S. Beschluss des BVerfG v. 11.7.2006 – 1 BvR 293/05; vgl. auch die Pressemitteilung des BVerfG Nr.
104/2006 v. 2.11.2006
41
Vgl. zur Argumentationslastregel des Art.1GG Gessenharter, Wolfgang: Kippt die Republik? a.a.O., S.71ff
12
Eine weitere Möglichkeit dieser Verteidigung will ich zum Schluss nur noch in einer These
vorstellen. Die These lautet: Eine wirksame Bekämpfung rechtsradikaler Entwicklungen kann
durch eine effektive und effiziente Beteiligung von Menschen an für sie wichtigen Dingen
bewirkt werden. Schlagwortartig ausgedrückt: Wer eine gute Partizipationserfahrung gemacht
hat, ist für den Rechtsradikalismus/Rechtsextremismus gleichsam rettungslos verloren. Er
weiß nämlich jetzt aus eigener Anschauung, wie schwierig das politische Geschäft sein kann
und dass ideologische Worthuberei nur stört, dass aber Kompromisse meist unumgänglich
und oft auch gar nicht so schlecht sind. Darüber hinaus wird sein Selbstbewusstsein wachsen,
das ihn davon abhält, defätistisch die Dinge dem „starken Mann“ anzuvertrauen,
Sündenböcke zu suchen und „den schnellen Prozess“ zu machen. Vielmehr wird er versuchen,
die fälligen Konflikte im Austausch mit anderen, insbesondere mit den Konfliktgegnern, einer
soweit wie möglich gemeinsam erarbeiteten Regelung zuzuführen. Zielbild müssen immer
win-win-Lösungen sein, weil nur durch sie nachhaltige Konfliktregelungen möglich sind.
Freund-Feind-Vorstellungen sind in diesem Konfliktregelungsmuster nicht Ausgangs- und
Endpunkt von Politik, wie im Denken Carl Schmitts und seiner neurechten Adepten, sondern
mögliche Stationen in einem Konfliktablauf, die es zu überwinden gilt. Das mögliche
Scheitern einer Suche nach win-win-Lösungen gilt dabei nicht als Beweis der Unmöglichkeit
solcher Suchprozesse, sondern als Aufforderung, es erneut zu versuchen. Wer „Politik“ vom
klassisch-griechischen polemos, d.h. Krieg, her definiert, hat schon verloren – oder vielleicht
auch einmal gewonnen, aber für wie lange? Wer dagegen „Politik“ vom altgriechischen polis
ableitet, setzt darauf, dass nur gemeinsame, dialogische Arbeit daran, gegenseitiges Vertrauen
zu schaffen, den sonst letztlich drohenden gemeinsamen Untergang verhindern kann.
42
Besonders ärgerlich oder eher kurios ist in diesem Zusammenhang, wenn in Medien, auch in solchen, die als
Qualitätsmedien gehandelt werden, solche Kritik abgewimmelt wird mit dem Argument, es würden von den
Kritikern, z.B. von mir, keine „bündigen Belege“ für neurechte Tendenzen geliefert werden, so etwa Heribert
Seifert: Ein seltsames Freiheitsverständnis. Überrissene Aufregungen um die „Junge Freiheit“, in: Neue Züricher
Zeitung v. 20. Juni 2008. Hier ein bescheidener Hinweis für Recherche-Faule oder -Unkundige auf meine
einschlägigen Buch- oder Aufsatzpublikationen der letzten etwa 15 Jahre, wo ich anhand genauer Textanalysen
zumeist aus der JF solche neurechten Passagen identifiziert habe: a) Kippt die Republik? Die Neue Rechte und
ihre Unterstützung durch Politik und Medien, München: Knaur 1994; b) Utopien der "Neuen Rechten". Thesen
zum aktuellen Diskussionsstand, in: Tribüne. Zeitschrift zum Verständnis des Judentums, 34. Jg., Heft 135, 3.
Quartal 1995, S. 40-48; c) Herausforderungen zur Jahrtausendwende: Kann „Nation“ die Antwort sein?, in:
Butterwegge, Christoph (Hrsg.): NS-Vergangenheit, Antisemitismus und Nationalismus in Deutschland.
Beiträge zur politischen Kultur der Bundesrepublik und zur politischen Bildung, Baden-Baden 1997, S. 141-171;
d) Rückruf zur ‚selbstbewußten Nation‘. Analyse eines neurechten Frames aus bewegungs-theoretischer Sicht,
in: Hellmann, Kai-Uwe/Koopmans, Ruud (Hrsg.): Paradigmen der Bewegungsforschung. Entstehung und
Entwicklung von Neuen sozialen Bewegungen und Rechtsextremismus, Opladen/Wiesbaden: Westdeutscher
Verlag 1998, S.166-180; e) Zur Funktion neurechter Freund-Feindbilder in Geschichte und Gegenwart der
Bundesrepublik, in: Greven, Michael Th./von Wrochem, Oliver (Hrsg.): Der Krieg in der Nachkriegszeit,
Opladen: Leske+Budrich 2000, S.197-211; f) Intellektuelle Strömungen und Vordenker in der deutschen Neuen
Radikalen Rechten, in: Grumke, Thomas/Wagner, Bernd (Hrsg.): Handbuch Rechtsradikalismus. Personen –
Organisationen – Netzwerke vom Neonazismus bis in die Mitte der Gesellschaft, Opladen: Leske+Budrich 2002,
S.189-201; g) Die Neue intellektuelle Rechte und ihre Unterstützung durch Politik und Medien, in: Braun,
Stephan/Hörsch, Daniel (Hrsg.): Rechte Netzwerke – eine Gefahr, Wiesbaden: VS Verlag für
Sozialwissenschaften 2004, S.17-25; h) Im Spannungsfeld: Intellektuelle Neue Rechte und demokratische
Verfassung, in: Gessenharter, Wolfgang/Pfeiffer, Thomas (Hrsg.): Die Neue Rechte – eine Gefahr für die
Demokratie?, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2004, S.31-49; i) Der Schmittismus der „Jungen
Freiheit“ und seine Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz, in: Braun, Stephan/Vogt, Ute (Hrsg.): Die
Wochenzeitung „Junge Freiheit“. Kritische Analysen zu Programmatik, Inhalten, Autoren und Kunden,
Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2007, S.77-94.
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