Seminar: Vielfalt des Islam: Traditionen und Entwicklungen TU Dortmund Institut für evangelische Theologie Wintersemester 2013/2014 Dr. Reinhard Kirste Thema: Brennpunkte islamischer Geschichte (1. Teil) Protokoll der 6. Sitzung vom 20.11.2013 Protokollantinnen: Ann-Kathrin Ketzer und Dominique Tomm Die Sitzung wurde durch Herrn Dr. Reinhard Kirste mit einer Klangschale und einem Zitat von Ibn Ata Allah eingeleitet: „Jedes Wort, das hinausgeht, trägt das Gewand des Herzens, aus welchem es kommt.“ Anschließend erfolgte eine Ruhe-Gedanken und Besinnungsminute, woran schließlich unterschiedliche Äußerungen über Gedanken und Gefühle folgten. Es erfolgte ein Vergleich mit den Jesusworten aus Matthäus 15,11: „Nicht was in den Mund hineingeht, verunreinigt den Menschen, sondern was aus dem Mund herausgeht, das verunreinigt den Menschen.“. Gebete und Gebetshaltungen Anschließend kam ein kurzer Rückblick auf die Sitzung des 13.11.2013, indem auf das Protokoll eingegangen, sowie eine Linkänderung bezüglich der Gebete und Gebetshaltung angegeben wurde, da der alte Link zu einer fundamentalistischen Seite führte, welche die christliche Bibel zu widerlegen sucht. „Da in dem Augenblick, in dem eine Religion etwas absolutistisch behauptet, keine Diskussion mehr möglich ist“, ist nun ein neuer Link verfügbar, der auf die Seite des Verbands der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) verweist ( http://islam.de/41.php) Nachfolgend erwähnten wir die Sendung „Juden und Muslime. So nah. Und doch so fern.“, welche am Samstag, dem 09. November um 10:40 Uhr, auf Arte zu sehen war und die Beziehung von Juden und Muslimen in den vergangenen 1.400 Jahren beleuchtet ( http://www.arte.tv/guide/de/042497-000/juden-muslime-so-nah-und-doch-so-fern-1-4). Islamische Feiertage Anknüpfend daran erinnerten wir an die islamischen Feiertage, „Islamisches Neujahr – al Hidschra“ am 04.11.2013, „Aschura und Muharrem - Fasten der Aleviten“ am 13.11.2013, sowie den evangelischen Feiertag „Buß- und Bettag“, welcher am heutigen Seminartag war ( http://www.ekd.de/advent_dezember/brauchbar/buss_und_bettag.html). Exkurs zu Muhammad Khorchide und Verweis auf sein Buch: Mohammad Khorchide: Scharia. Der missverstandene Gott. Der Weg zu einer modernen islamischen Ethik. 2013. Mohammad Korchide ist liberaler Lehrer in Münster und wurde angegriffen, dass er durch seine Liberalität keinen Konfessionsgebundenen Islamischen Unterricht lehren würde und keine Glaubenskunde vermitteln würde. Des Weiteren wurde er sogar der Ketzerei beschuldigt. Vgl.: http://intra-tagebuch.blogspot.de/2012/04/islamische-theologie-deutschen.html Im christlichen Religionsunterricht ist es so vereinbart, dass die Kirche als eindeutiger Ansprechpartner des Staates fungiert. Doch gibt es keine eindeutigen vergleichbaren Ansprechpartner für den Islam, weshalb u.a. die großen islamischen Verbände diese Funktion (DITIB, VIKZ und weitere) wahrnehmen. Islamische Bundesschlüsse Anschließend beschäftigten wir uns mit den Bundessschlüssen des Propheten Mohammed und islamischer Herrscher mit den Christen der Welt, sowie mit den geschichtlichen Abläufen: ( http://www.covenantsoftheprophet.com/). Als ein Zeichen des Bundes zwischen Christen und Muslimen wird auch das Katharinenkloster auf dem Berg Sinai verstanden. Hier herrscht eine friedliche Zusammenarbeit, und das Kloster wurde durch die Jahrhunderte von den islamischen Herrschern anerkannt (Artikel zum Kloster: http://de.wikipedia.org/wiki/Katharinenkloster_%28Sinai%29 ; http://www.sinaimonastery.com/en/index.php?lid=1 und http://whc.unesco.org/pg.cfm?cid=31&id_site=954 ). 1 Seminar: Vielfalt des Islam: Traditionen und Entwicklungen TU Dortmund Institut für evangelische Theologie Wintersemester 2013/2014 Dr. Reinhard Kirste 615 n.Chr. floh eine erste Gruppe von Muslimen nach Abessinien, wo ihnen vom christlichen Herrscher Asyl gewährt wurde, weshalb im Koran häufig erwähnt wird, dass Christen den Muslimen besonders gewogen seien. Vertrag von Medina: Es handelt sich um eine Tatsache, dass Mohammed Stadtverfasser und Staatsgründer Eingefügt von: http://textmaterial.blogspot.de/2013/11/die-stadtverfassung-von-medina.html war. (Farbig gekennzeichnet: Seminar- Kommentare) Mohammed und die Stadtverfassung von Medina, 623 n. Chr. „Im Namen Gottes, des Gnädigen, des Barmherzigen. Dies ist der Vertrag von Mohammed, dem Propheten, zwischen den Gläubigen von Kureisch (=Qura’isch = der Stamm, dem Mohammed und seine Gefährten angehörte, s.o.) und Medina und denen, die ihnen folgten und sich ihnen anschließen, und mit ihnen kämpfen. Sie bilden nur ein Volk, geschieden von allen anderen Menschen. Die Gläubigen sollen keinen (mit Schulden) schwer Belasteten unter sich lassen, den sie nicht unterstützen, sei es, das ein Sühne- oder ein Lösegeld zu bezahlen sei. Kein Gläubiger soll die Verbündeten eines anderen anfeinden.“ Schuldenzahlen soll rechtlich geregelt werden. „Die Gläubigen sollen über die wachen, die Gewalt üben oder Sündengeld begehren oder Feindschaft und Korruption unter den Gläubigen anzetteln; sie sollen alle die Hand gegen ihn erheben, und wäre er der Sohn eines von ihnen. Ein Gläubiger soll keinen Gläubigen wegen eines Ungläubigen töten, er soll keinem Ungläubigen gegen einen Gläubigen beistehen.“ d.h.: ein generelles Verbot bezüglich des Tötens wird hier ausgesprochen! Anschlag in Beirut / Libanon (Nov. 2013) – Die Gewalt der Pro-Assad-Gruppe gegen die Schiiten ist nicht rechtlich nicht begründbar. Christen und alle anderen, die an einen Gott glauben, sind keine Ungläubigen, sondern Andersgläubige. „Gottes Schutz ist einer und erstreckt sich über den Geringsten, und die Gläubigen sollen sich gegenseitig, allen anderen Menschen gegenüber, beschützen. Diejenigen, die von uns den Juden folgen, werde Beistand und gleiches Recht. Es soll ihnen kein Unrecht angetan und ihren Feinden kein Beistand gegen sie geleistet werden. Der Friede der Gläubigen soll einer sein, es soll nicht einem Gläubigen von einem anderen (bevorzugt) Frieden geschlossen werden im Kampf auf dem Pfade Gottes, sondern alles soll mit Gleichheit und Billigkeit geschehen.“ Hier wird für alle, auch die Geringsten, der Schutz Gottes ausgeführt, d.h. alle Gläubigen in Medina sollen den Schutz gegenüber den anderen wahren. Allerdings wurde nicht alles so umgesetzt, wie es im Vertrag von Medina festgehalten wurde, wie ein gemeinsamer Frieden im Detail auszusehen hat oder dass Muslime keinen Vorzug gegenüber Andersgläubigen haben. Genauer betrachtet, ist hier jedoch von der Gleichwertigkeit der Religionen die Rede. „ … Wer erwiesenermaßen einen Gläubigen tötet, soll wieder getötet werden, außer wenn der nächste Verwandte des Getöteten sich in anderer Weise zufriedenstellen lässt, und die Muslime sollen sich insgesamt gegen die Mörder erheben. Auch soll jeder Gläubige, der den Inhalt dieses Blattes (=Vertrages) bestätigt, und an Gott und den Jüngsten Tag glaubt, keinem der ein Unrecht tut, beistehen, noch ihn aufnehmen. Wer dies tut, den trifft Gottes Flucht und Zorn am Tag der Auferstehung, und es wird kein Ersatz und kein Stellvertreter für ihn angenommen.“ der entscheidende Punkt ist: „Wer erwiesenermaßen einen Gläubigen tötet“ ihn erwartet ein Prozess, und er muss vor den Kadi (Qadi) treten (muslimischer Richter) den Übeltäter erwartet die Todesstrafe. Beispiel Strafjustiz: Handabschlagen - Jemand wird erwiesenermaßen durch vier unabhängige Zeugen eines schweren Diebstahls oder Raubs überführt. Aus diesem Grund wird ihm zunächst die rechte Hand abgetrennt. Sollte diese Person weiterhin rauben, folgt die linke Hand und womöglich auch noch beide Füße. 2 Seminar: Vielfalt des Islam: Traditionen und Entwicklungen TU Dortmund Institut für evangelische Theologie Wintersemester 2013/2014 Dr. Reinhard Kirste Erst im Laufe der Geschichte gab es eine Veränderung. Bis ins 19. Jahrhundert gab es im Christentum noch die Hinrichtung am Galgen als Strafe für einen schweren Raub oder Diebstahl. Vgl. http://www.eduhi.at/dl/schulunterlagen_zurTodesstrafe_neu100001.pdf Im Islam ist Scharia der Lebensrahmen, und die islamische Rechtsprechung hat sich an die Scharia zu halten bzw. ihn konkret auszulegen. als heutiges Beispiel: Der Staat Oman kommt dem Stadtvertrag von Medina am Nächsten. Im Blick auf das Christentum zum Thema „Stellvertretung“: Man kann keinen Ersatzmann schicken, um für seine Strafe zu büßen: der Gedanke, dass jemand für unsere Sünden stellvertretend stirbt, ist hier problematisch, da eine Art Blutgeld bezahlt würde. Dorothee Sölle: „Der Stellvertreter ist kein Ersatzmann, sondern er engagiert sich so – auch unter dem Einsatz seines Lebens –, dass sich die Situation insgesamt verbessert.“ „Seid ihr in Zweifel über etwas in dieser Urkunde, so wendet euch zu Gott und zu Mohammed ... Wer ein Unrecht begeht, schadet sich selbst und seiner Familie, außer wenn ihm Gewalt angetan worden ist. Gott will, dass dies alles rein gehalten werde ... Wer Reinheit ohne Schuld sich aneignet, hat selbst Nutzen davon. Gott verlangt, dass der Inhalt dieser Urkunde in vollster Wahrheit und Reinheit eingehalten werde, dass es aber keinen Verbrecher oder Übeltäter schütze. Wer in Medina ausgeht oder zu Hause bleibt, soll sicher sein, mit Ausnahme der Übeltäter und Verbrecher. Gott und Mohammed, Sein Gesandter, beschützen den Reinen und Gottesfürchtigen ...” ( Eine ausführliche Fassung findet sich auf: http://www.luk-korbmacher.de/Schule/PP/medina.htm) Hier wird Eine Gemeinschaft wird konstituiert, die nicht von einer einzigen Religion ausgeht und deren Führung autokratisch und nicht demokratisch ist. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948 wurde erst im 2. Vatikanischen Konzil 1965 von der Katholischen Kirche akzeptiert. Asylorte kann man teilweise noch an den Ortsnamen erkennen z.B. Freistadt, Freiburg. Daher kommt der heutige Gedanke des Kirchenasyls, da die staatliche Macht keinen Einfluss auf die Kirchen hatte. Unsere drei Religionen (Judentum, Islam, Christentum) haben ein sehr ausgeprägtes Asylverständnis. Der Gedanke der Solidarität gilt für alle Menschen, die in der eigenen Gegend/Stadt wohnen bzw. dorthin kommen. Berühmt geworden ist darum die Ermordung von Thomas Becket, Bischof von Canterbury im Jahre 1170 in der dortigen Kathedrale, und zwar auch durch das Drama von T.S. Eliot: Der Mord im Dom. Details hier. http://www.dieterwunderlich.de/Eliot_mord_dom.htm Zeittafeln zur Geschichte des Islam Anschließend beschäftigten wir uns mit den geschichtlichen Zeittafeln und erhielten den Hinweis uns bei Interesse die Seite „Explore the Islamic Heritage of the Mediterranean“ zu nutzen : http://www.explorewithmwnf.net/programme.php?th=1&lng=en) Auf dieser Seite wird die Fülle des Islams deutlich, welcher in die Vielfalt von Kulturen eingebettet ist. Die folgende Zeittafel der islamischen Geschichte kann man auch als heilsgeschichtliche Zeittafel der Geschichte bezeichnen. Sie beschreibt die Zeit von der Schöpfung, den ersten Propheten bis zu den ersten islamischen Herrschaftsgebieten. http://www.islam-pedia.de/index.php5?title=Zeittafel_der_islamischen_Geschichte Judentum, Christentum und Islam kommen alle aus der gleichen Region und haben daher ähnliche bis gleiche Traditionen. Die Zeit, in der Mohammed auftritt, ist eine Zeit einer gewissen Unwissenheit „Jawiliha“. Vergleich Gregorianischer Kalender und islamische Zeitrechnung: n.H. /n.Chr. Beides kann man angeben, wenn man auch islamisch sehr offen seien will! z.B. 632 n.Chr. /10 n.H.) Es gibt keine rechtgeleiteten Kalifen in der Schia, nur in der Sunna. Entscheidend jedoch für alle Richtungen ist, dass der Kalif Osman (Uthman) als Koran-Redaktor diesen kanonisierte. Auch war er ein Schwiegersohn des Mohammed. 3 Seminar: Vielfalt des Islam: Traditionen und Entwicklungen TU Dortmund Institut für evangelische Theologie Wintersemester 2013/2014 Dr. Reinhard Kirste Nach dem Tod Mohammeds setzte sich eine andere politische Struktur durch: 661/750: Omayyaden-Dynastie eine erste Blüte der arabischen Kultur, z.B. Damaskus: eine Oasenstadt; hier hielt sich das (konservative) Christentum sehr lange und die beiden Konfessionen lebten friedlich miteinander bis in die Gegenwart. 711 sind arabische Heere bereits in Europa! Es bilden sich auf der Iberischen Halbinsel islamische Fürstentümer. In diese politische und militärische Lücke durch das Ende des Weströmischen Reiches und der Schwäche von Byzanz stößt der Islam, sodass viele Christen zum Islam konvertierten (u.a. um die Privilegien der Muslime genießen zu können, wie beispielsweise finanzielle Gründe, weniger Steuern etc.) Arianische Christen, die auf der Iberischen Halbinsel lebten, haben Jesus nicht gleichwertig göttlich gesehen. Das erleichterte für viele die Konversion zum Islam. 732 (so heißt es) hat ein islamisches Heer sich in die Mitte Frankreichs vorgewagt Poitiers (jedoch gibt es keine islamischen Quellen!) Schlacht von Tours und 786-809: Harun al-Raschid, Kalif von Bagdad, regiert, und das Zentrum des Islams verschiebt sich gegen Osten nach Bagdad! Er war ein Zeitgenosse von Karl dem Großen. Im Osten befindet sich nun ein stabiles islamisches Reich, welches allerdings nicht bis nach Spanien und Portugal reicht. 777 Reichstag von Paderborn: Pfalzen in bestimmten Städten des Frankenreiches; hier versuchte Karl der Große, sein Reich zu stabilisieren, zu dem Zeitpunkt trug er noch nicht seinen Ehrentitel und war noch nicht Kaiser. Das Entscheidende, was die Weltgeschichte seitdem prägt: der Osten gehörte dem Islam und der Westen dem Christentum; Spanien und Portugal (bis auf den Norden) blieben lange Zeit unabhängig islamisch Diese Grundstruktur der Trennung von Ost und West, hält bis heute an und lässt sich besonders deutlich auf dem Balkan zeigen. Rolandslied und der Kampf Karls d.Gr. in Spanien Es gelingt Karl d. Gr. Letztlich nicht, sein Reich nach Spanien hin auszudehnen. Davon erzählt u.a. das Rolandslied mit der dramatischen Zuspitzung in der Schlacht in der Nähe von Pamplona, in Roncesvalles: Roland bläst mit seiner Trompete vor Verzweiflung (Ruf nach Karl). Die Trompete zerplatzte, jedoch starb er kurz darauf in der Schlacht. --- Hintergrund und Information zum Rolandslied: http://www.nibelungenlied-gesellschaft.de/03_beitrag/martin/fs09_mart.html --- Rolandslied, vollständiger Originaltext: http://www.hs-augsburg.de/~harsch/germanica/Chronologie/12Jh/Konrad/kon_ro00.html 791: Karl der Große und Harun al-Raschid schließen einen Vertrag. Ab dem 8. Jahrhundert: Geistige Aufbrüche durch die Begegnung mit der Antike (Platon etc.), z.B. Mutaziliten und Sufismus Auch die Balearen, Sizilien sowie Unteritalien werden islamische Herrschaftsgebiete. 873 Schia: Verschwinden des 12.Imams (er tauchte nie wieder auf!) Auch der (heute) französische Teil Kataloniens war Teil der spanisch-islamischen Fürstentümer. Ab Toulouse fing es an, christlich zu werden. Erst sehr langsam gelang es, den islamischen Einfluss politisch und militärisch zurückzudrängen. Weitere externe Links: http://www.rpi-virtuell.net/workspace/CFF7AB46-2FDA-475C-A6C73F92D3174C51/Seminare%20TU-DO%202008ff/Isl-Zeittafel.pdf http://chronico.de/magazin/chronik/von-mohammed-bis-zum-irakkrieg/ TU-DO/Protokoll-20-11-13-Islam-Geschichte, 25.11.13 Alle Links geprüft: 25.11.13 4