Himmelfahrtsoratorium BWV 11 von Johann Sebastian Bach

Werbung
Himmelfahrtsoratorium BWV 11
von Johann Sebastian Bach
Im Jahr 1734 hatte Johann Sebastian Bach sein berühmtes Weihnachtsoratorium
(BWV 248) komponiert und dessen sechs Teile an jeweils einem der Sonn- und Feiertage zwischen dem 25. Dezember 1734 und 6. Januar 1735 in Leipzig erstmals
aufgeführt. Fast genau fünf Monate später, nämlich am Himmelfahrtstag des Jahres
1735 (19. Mai) konnten die Leipziger Gottesdienstbesucher der Thomas-Kirche wiederum ein neues Oratorium aus der Feder des Thomaskantors hören. Es handelte
sich um die Kantate BWV 11 Lobet Gott in seinen Reichen, die der Komponist selbst
auf seinem Autograph als Himmelfahrtsoratorium (Oratorium in Festo Ascensionis)
bezeichnet hat. Zwar ist dieses Oratorium von seiner Länge nicht mit dem Weihnachtsoratorium vergleichbar, denn es dauert nur unwesentlich länger als viele seiner Kantaten. Manche seiner Kantaten übertreffen in dieser Hinsicht sogar das Himmelfahrtsoratorium, zum Beispiel Herz und Mund und Tat und Leben (BWV 147).
Oratorium oder Kantate: Worin liegt nun der Unterschied? Wenn wir hier im Rahmen
der geistlichen Kompositionen bleiben, dann kann man vereinfacht sagen: Während
dem Zuhörer in einer Kantate die theologischen Inhalte eines Sonn- oder Feiertags
in freien Texten nahe gebracht werden durch Choräle, Arien und Rezitative, so beinhaltet zunächst auch ein Oratorium diese Elemente. Zusätzlich aber weist ein Oratorium (und auch die Passionen) eine Handlung auf, die von einem Erzähler meist in
Form eines Rezitativs vorgetragen wird. Bei den Oratorien von Bach - neben dem
Weihnachts- und Himmelfahrtsoratorium gibt es noch das Osteroratorium (Kommt,
eilet und laufet BWV 249) – entstammen die Handlungen wörtlichen Textpassagen
aus den Evangelien oder der Apostelgeschichte. Auch im Himmelfahrtsoratorium
greift der Textdichter (vermutlich Christian Friedrich Henrici, auch bekannt unter dem
Pseudonym Picander) in mehreren Rezitativen auf Texte des Lukas- und Markus-Evangeliums sowie auf die Apostelgeschichte zurück. Somit trägt Bachs Komposition BWV 11 vollkommen zu Recht die Bezeichnung Oratorium, beinhaltet sie
doch alle Merkmale dieser Kompositionsgattung. Dass das Werk von seinem Umfang her lediglich einer etwas längeren Kantate entspricht, hat einen einfachen
Grund: Die Berichte in den Evangelien und in der Apostelgeschichte über die Himmelfahrt fallen nämlich deutlich knapper aus als beispielsweise die über die Geburt
Jesu.
Dem hohen Feiertag entsprechend lässt Bach bereits im Eingangschor des Himmelfahrtsoratoriums im strahlenden D-Dur eine musikalische Klangpracht entfalten, die
einen Vergleich mit dem berühmten und festlichen Eingangschor des Weihnachtsoratoriums (Jauchzet, frohlocket) nicht zu scheuen braucht. Hier wie dort setzt der
Komponist, um der Freude über das Ereignis zum Ausdruck zu bringen, drei Trompeten, zwei Oboen und zwei Querflöten, Pauken sowie Streicher und Basso continuo ein. Nach dem konzertanten Vorspiel stimmen auch die immer wiederkehrenden
Sechzehntel-Passagen der Chorstimmen mit dem Text Lobet Gott in seinen Reichen in den Jubel ein.
Einem ersten Bibel-Rezitativ über den Abschied Jesu folgt ein weiteres betrachtendes Rezitativ auf den Text Ach Jesu, ist dein Abschied schon so nah?, das mit zwei
Querflöten begleitet wird. Nach einem Rezitativ, das die biblische Erzählung über
das Himmelfahrtsgeschehen fortsetzt, folgt ein schlichter vierstimmiger Choral Nun
lieget alles unter dir. Dabei handelt es sich um die vierte Strophe des alten Kirchenlieds Du Lebensfürst, Herr Jesu Christ von Johann Schop. Den Text dazu hat der
Kirchenmusik St. Rochus Zirndorf
Pfarrhof 3, 90513 Zirndorf
Internet: www.kirchenmusik-zirndorf.de
E-Mail: [email protected]
Dichter und Prediger Johann Rist 1641 verfasst. Bach scheint dieses Kirchenlied
sehr geschätzt zu haben, da er in der bereits 1726 entstandenen Kantate zum Himmelfahrtstag Gott fähret auf mit Jauchzen (BWV 43) weitere Strophen daraus verwendete.
Der biblische Bericht von der Himmelfahrt wird mit mehreren Rezitativen abgeschlossen. Darauf folgt die solistisch von zwei Flöten, Oboe und Violine begleitete
Sopran-Arie Jesu deine Gnadenblicke. Auffallend sind im Mittelteil der Arie, die über
mehrere Takte aufsteigende Sopranlinie, die musikalisch besonders gut zum Festtag Himmelfahrt passt. Auch bei dieser Arie handelt es sich um eine Parodie aus der
erwähnten Hochzeitskantate auf den ursprünglichen Arientext Unschuld, Kleinod reiner Seelen.
Beendet wird das Himmelfahrtsoratorium mit einem überaus aufwändig instrumentierten Chor auf den Text Wenn soll es doch geschehen. Das ist die siebte Strophe
des Kirchenliedes Gott fähret auf gen Himmel. Dabei legt Bach dem Text eine andere Kirchenliedmelodie unter, nämlich Von Gott will ich nicht lassen, die vom Sopran
unter Begleitung von Querflöten, Oboen und Streichern gesungen wird. Wie im Eingangschor verwendet Bach auch hier das volle Orchester. Die ganze Anlage des
Schlusssatzes, dessen instrumentale Besetzung, dieselbe strahlende Tonart D-Dur
sowie die mehrtaktige Unterbrechung für den Chor, in welcher nur das festlich instrumentale Zwischenspiel erklingt, erinnert an den überaus freudig gestimmten Abschlusssatz des sechsten Teils aus dem Weihnachtsoratorium Nun seid ihr wohl gerochen. Beide Schlusschören stehen im strahlenden D-Dur, in das Bach äußerst gekonnt die Tonart-fremden Kirchenliedmelodien einbettet (die alten Kirchenliedtonarten phrygisch im Weihnachtsoratorium und dorisch im Himmelfahrtsoratorium). Stilistische Ähnlichkeiten sind also unverkennbar sowohl zwischen dem Einleitungssatz
der ersten Kantate des Weihnachtsoratoriums und des Himmelfahrtsoratoriums als
auch zwischen den Schlusssätzen beider Werke. In beiden Oratorien verdeutlicht
Bach die Freude über das biblische Geschehen mit Hilfe seiner Musik: Zuerst die
Glückseligkeit über die Geburt Jesu, dann der Jubel und Triumph über seine Himmelfahrt.
Quellen:
Alfred Dürr - Johann Sebastian Bach: Die Kantaten
Martin Geck – Bach : Leben und Werk
Klaus Klingen – Johann Sebastian Bach: Das Weihnachtsoratorium
Kirchenmusik St. Rochus Zirndorf
Pfarrhof 3, 90513 Zirndorf
Internet: www.kirchenmusik-zirndorf.de
E-Mail: [email protected]
Herunterladen