1 Empirische Evaluation von Fair-Use-Flatrate

Werbung
Empirische Evaluation von Fair-Use-Flatrate-Strategien für das mobile
Internet
Marcel Fritz, Christian Schlereth, Stefan Figge
Dipl.-Kfm., Dipl.-Komm.-Wirt Marcel Fritz
Detecon Inc. (USA)
128 Spear Street
San Francisco, CA 94105
USA
[email protected]
Prof. Dr. Christian Schlereth [Korrespondenzautor]
Juniorprofessor für Marketing und Electronic-Services
Fachbereich Wirtschaftswissenschaften
Goethe-Universität Frankfurt am Main
Grüneburgplatz 1
60323 Frankfurt
Deutschland
[email protected]
Dr. Stefan Figge
T-Mobile Stiftungsprofessur für Mobile Business & Multilateral Security
Fachbereich Wirtschaftswissenschaften
Goethe-Universität Frankfurt am Main
Grüneburgplatz 1
60323 Frankfurt am Main
Deutschland
[email protected]
[Received]
2010-08-30
[Accepted]
2011-04-15
[ArticleNote]
Angenommen nach zwei Überarbeitungen durch Dr. Bub.
[ArticleNote]
This article is also available in English via http://www.springerlink.com and http://www.bisejournal.org: <Zitat im Springer Reference Basic Style (DOI)>
1
Empirische Evaluation von Fair-Use-Flatrate-Strategien für das mobile
Internet
Empirische Evaluation von Fair-Use-Flatrate-Strategien für das mobile Internet
Die Fair-Use-Flatrate ist eine vielversprechende neue Tarifart, die verstärkt im Zugangsgeschäft
zum mobilen Internet eingesetzt wird. Vergleichbar mit einer klassischen Flatrate gestattet sie die
unbegrenzte Nutzung zu einem festen monatlichen Preis, drosselt allerdings die Geschwindigkeit
nach Überschreitung eines bestimmten Transfervolumens. Gegenwärtig findet mit der weltweiten
Einführung von LTE (Long Term Evolution) eine Veränderung der Markt und Kostenstruktur der
Telekommunikationsanbieter statt, wodurch der Einsatz und die Ausgestaltung von Fair-UseFlatrates neu zu bewerten sind. Hierfür schlagen wir den Einsatz eines Simulationsmodells vor, um
die Auswirkung unterschiedlicher Strategien auf den Deckungsbeitrag zu evaluieren. Zentraler
Bestandteil dieses Modells ist die Durchführung eines Discrete-Choice-Experiments zur Schätzung
der Präferenzen und des Verhaltens von Kunden.
Auf Basis der Präferenzerhebung und der Simulationsergebnisse lassen sich folgende
Empfehlungen für eine optimale Preisstrategie für das mobile Internet aussprechen: Klassische
Flatrates können aufgrund der aktuellen Kostensituation nicht profitabel am Markt angeboten
werden. Stattdessen führen Fair-Use-Fatrates mit niedrigen Volumengrenzen von 1 oder 3 GB zu
einer deutlichen Steigerung des Deckungsbeitrags. Dabei spielt die Übertragungsgeschwindigkeit
für den wahrgenommenen Nutzen der Kunden nur eine eingeschränkte Rolle. Neue
Mobilfunktechnologien wie LTE sollten daher vorwiegend mit dem Ziel der Kostenoptimierung statt
einer vermuteten erhöhten Zahlungsbereitschaft der Kunden eingeführt werden.
Schlüsselwörter: Mobiles Internet, Discrete-Choice-Experimente, Fair-Use-Flatrates
Empirical Evaluation of Fair Use Flat Rate Strategies for Mobile Internet
The fair use flat rate is a promising tariff concept for the mobile telecommunication industry. Similar
to classical flat rates it allows unlimited usage at a fixed monthly fee. Contrary to classical flat rates
it limits the access speed once a certain usage threshold is exceeded. Due to the current global
roll-out of the LTE (Long Term Evolution) technology and the related economic changes for
telecommunication providers, the application of fair use flat rates needs a reassessment. We
therefore propose a simulation model to evaluate different pricing strategies and their contribution
margin impact. The key input element of the model is provided by so-called discrete choice
experiments that allow the estimation of customer preferences.
Based on this customer information and the simulation results, the article provides the following
recommendations. Classical flat rates do not allow profitable provisioning of mobile internet
access. Instead, operators should apply fair use flat rates with a lower usage threshold of 1 or 3
GB which leads to an improved contribution margin. Bandwidth and speed are secondary and do
merely impact customer preferences. The main motivation for new mobile technologies such as
LTE should therefore be to improve the cost structure of an operator rather than using it to skim an
assumed higher willingness to pay of mobile subscribers.
Keywords: Mobile Internet, Discrete choice experiments, Fair use flat rates
Vorspann:
Tarife sind wichtige Entscheidungsparameter im Marketingmix von Mobilfunkunternehmen.
Flatrates, als ein solches Preismodell, entkoppeln die Nutzung eines Kunden vom generierten
Umsatz. Dies führt zu kommerziellen Risiken für die Telekommunikationsanbieter. Das aktuelle
Preisniveau für eine Datenflatrate führt mit aktuellen Technologien und Nutzungsverhalten zu
hohen Produktionskosten und negativen Deckungsbeiträgen. Fair-Use-Flatrates führen als
Alternativkonzept zu einer Begrenzung der Nutzung und decken gleichzeitig das
Nutzungsverhalten typischer Kunden ab. Sie sind daher den klassischen Flatrates vorzuziehen.
Neue Produktionstechnologien wie LTE werden diese Situation nicht ändern, da sie zu keiner
höheren Zahlungsbereitschaft der Kunden führen. Stattdessen besteht die Motivation zur
Einführung in einer verbesserten Kostensituation für die Telekommunikationsanbieter.
2
Empirische Evaluation von Fair-Use-Flatrate-Strategien für das mobile Internet
1
Einleitung
Der Informations- und Telekommunikationssektor gehört mit einem jährlichen Umsatz von
knapp 150 Milliarden Euro zu den größten Wirtschaftszweigen in Deutschland (BMWI
2010). Als besonderer Hoffnungsträger innerhalb dieses Marktes gilt das Bereitstellen
breitbandiger Internetzugänge über das Mobilfunknetz. Mit diesem als „mobiles Internet“
bezeichneten Leistungsangebot sollen neue Umsatzquellen erschlossen und dadurch die
schwierige Situation in dem von Sättigung und Preiskampf geprägten Segment der mobilen
Sprachkommunikation kompensiert werden.
Die Nachfrage nach mobilem Internet blieb jedoch zunächst lange hinter den Erwartungen
der Anbieter zurück. Grund hierfür waren insbesondere die Skimming-Preisstrategie der
Netzbetreiber sowie die in Relation zum Festnetz geringen Datenübertragungsraten
(Delaney 2009). Erst mit der Einführung von Flatrate-Tarifen, einem Absinken des
Preisniveaus und dem Roll-Out leistungsfähigerer Übertragungstechnologien wurden diese
Adoptionsbarrieren überwunden. Inzwischen steigt die Nachfrage nach mobilem Internet
rapide. Für den Zeitraum von 2008 bis 2013 wird in Deutschland mit einem
durchschnittlichen, jährlichen Wachstum der Nutzerzahl von 46,8 % gerechnet. Für den
Datenverkehr und damit die Netzbelastung wird im gleichen Zeitraum ein
durchschnittliches Wachstum von 89,3 % jährlich prognostiziert (Informa 2009).
Dieser weltweit beobachtbare Trend bewirkt eine grundlegend neue Situation für die
Netzbetreiber: Aufgrund der begrenzten Kapazität von Netzinfrastrukturelementen und
Mobilfunkfrequenzen erfordert die Befriedigung zusätzlicher Nachfrage heute stets auch
die Erweiterung der Netzkapazität. Dadurch entstehen dem Netzbetreiber direkte, vom
genutzten Datenvolumen abhängige Produktionskosten. Das internetökonomische Postulat
der „Grenzkosten nahe Null“ (Shapiro und Varian 1998) ist im Fall der Vermarktung von
mobilem Internet damit nicht mehr gegeben.
Um mobiles Internet unter Berücksichtigung dieser Produktionskosten profitabel anbieten
zu können, ist die Gestaltung des Tarifangebots als Regulativ zwischen Nachfrage und
Kosten von zentraler Bedeutung. Seit kurzem begegnen Netzbetreiber der Herausforderung
vornehmlich mit dem Angebot sogenannter Fair-Use-Flatrates. Unter Fair-Use-Flatrates
versteht dieser Beitrag einen Tarif zu einem festen monatlichen Preis, bei dem aber die
Übertragungsgeschwindigkeit nach Überschreitung einer festgelegten Volumengrenze
gedrosselten wird. Die Nutzung des Dienstes ist somit über die Volumengrenze hinaus
kostenfrei möglich, gleichzeitig gelingt es aber, die Vielnutzung und das Kostenrisiko des
Anbieters einzuschränken. So liegt derzeit der monatliche Preis bei einem führenden
deutschen Telekommunikationsunternehmen bei einer Volumengrenze von 5 GB und einer
Geschwindigkeit von 7,2 Mbit/s bei 39,95 €.
Die Bestimmung von Preis, Volumengrenze und Geschwindigkeit einer Fair-Use Flatrate
ist ein äußerst komplexes ökonomisches Problem (Marn et al. 2004). Beispielsweise führt
eine Senkung der Volumengrenze zu einer durchschnittlich geringeren Nutzung, aber auch
zu einer Verringerung von Kundenzahl und Umsatz. Im Hinblick auf die internationale
Einführung der nächsten Mobilfunkgeneration Long Term Evolution (LTE) ist zudem von
zentraler Bedeutung, wie sich der von Kunden wahrgenommene Mehrnutzen durch den
Geschwindigkeitszuwachs oder die angenommene verbesserte interne Kostensituation der
Anbieter in der Preisgestaltung niederschlagen sollte.
3
Dieser Beitrag verfolgt das Ziel, die optimale Preisgestaltung von Fair-Use-Flatrates zu
identifizieren. Hierfür schlagen wir den Einsatz eines Simulationsmodells vor, das zur
Entscheidungsunterstützung die Auswirkung unterschiedlicher Strategien auf den
Deckungsbeitrag quantitativ aufzeigt. Im Unterschied zu den existierenden, meist rein
analytischen Arbeiten zum Problem der Preisbestimmung (z. B. Schade et al. 2009; Png
und Wang 2010), bei denen das Wissen über das Kundenverhalten als bekannt
vorausgesetzt wird, bildet die empirische Erhebung und Schätzung des Kundenverhaltens
mittels Discrete-Choice-Experimenten den zentralen Bestandteil dieses Modells.
Abschn. 2 präsentiert zunächst den Stand der Forschung in den für diesen Beitrag zu
berücksichtigenden Wissenschaftsgebieten. Abschn. 3 geht auf die Veränderungen in der
Techniksituation durch die Einführung von LTE ein. Abschn. 4 präsentiert als Kern des
Beitrags die Datenerhebung und Simulationsstudie. Abschn. 5 schließt die Arbeit mit einer
kritischen Diskussion der Ergebnisse sowie einem Ausblick auf weitere Forschungsfragen.
2
Stand der Forschung
Die für diesen Beitrag einschlägigen Theoriegebiete ergeben sich aus der Interpretation
mobiler Breitbandzugänge als Ausprägung eines zu gestaltenden Informations- und
Kommunikationssystems (IKS), das als Produkt am Markt angeboten werden soll. Mobile
Breitbandzugänge sind damit, wie auch Software-as-a-Service oder andere digitale
Mehrwertdienste, ein Element der Klasse „IKS als Marktleistung“. Bei der Einführung
solcher IKS werden des Öfteren Akzeptanzprobleme offensichtlich, die auf methodische
Defizite bei der Gestaltung hindeuten (GI 2010). Um diese Akzeptanzprobleme
auszuschließen, widmet sich die Wirtschaftsinformatik klassischerweise der
Methodenentwicklung und -anwendung im Rahmen der Anforderungsanalyse bzw. des
Requirements Engineering, also letztendlich auch der frühzeitigen Messung und Prüfung
des wahrgenommenen Nutzens des Produkts aus Sicht der Anwender vor dessen
Markteinführung (GI 2010).
Basierend auf diesem Verständnis sind folgende drei Wissenschaftsgebiete von besonderer
Relevanz: (1) Interdisziplinäre Erklärungsansätze der Internetökonomie, (2) die durch die
Betriebswirtschaftslehre
und
Wirtschaftsinformatik
geführte Diskussion
um
Geschäftsmodelle und (3) die durch Marketing und Psychologie entwickelten
Erhebungsverfahren für Kundenpräferenzen und Zahlungsbereitschaften.
2.1
Internetökonomie
Die Internetökonomie beschäftigt sich mit den ökonomischen Implikationen der
kommerziellen Nutzung des Internets, also der Produktion, dem Vertrieb und dem Konsum
von Informationsgütern (Shapiro und Varian 1998). Der Fokus liegt typischerweise auf
dem Nicht-Zugangsgeschäft, also dem Anbieten von Diensten und Inhalten. Aber auch die
optimale preispolitische Strategie von mobilen Internetzugängen sind elementarer
Bestandteil des Systems Internet und so in diesem Kontext zu analysieren. Die
Grundlagenwerke von Shapiro und Varian (1998) sowie Zerdick et al. (2001) identifizieren
hierzu die zentralen Fragestellungen. Dazu gehören neben technischen Aspekten der
Realisierung auch mikroökonomische Diskussionen um deren Vertrieb und Konsum. Ziel
ist im Sinne des Requirements Engineering die theoriegestützte Analyse und Gestaltung
adäquater Geschäftsmodelle als Entwurfsmuster zur Anwendung durch die
Marktteilnehmer der Internetökonomie.
Zur Beschreibung von Geschäftsmodellen entwickeln die Arbeiten von Stähler (2001) oder
Gordijn et al. (2005) entsprechende Fachsprachen. Hierbei herrscht eine weitgehende
Übereinstimmung, dass die zentral zu beschreibenden Bereiche eines Geschäftsmodells die
4
Architektur der Wertschöpfung, das Nutzenangebot sowie Erlösmodelle darstellen.
Während Ersteres zur Beschreibung der Produktion von Informationsgütern benötigt wird,
ist das Zusammenführen von Nutzenangebot und Erlösmodell ein kritischer Faktor für die
Kauf- und Nutzungsentscheidung von Kunden. In der Telekommunikationsindustrie haben
sich direkte Erlösmodelle gegenüber werbefinanzierten, indirekten Erlösmodellen
durchgesetzt, bei denen ihre Kunden zwischen verschiedenen Tarifarten wählen können.
2.2
Erlösmodelle von ISPs
Fair-Use-Flatrates, als relevante Tarifkonzepte der Telekommunikationsbranche, sind
bisher in der Wissenschaft weitestgehend vernachlässigt worden. Skiera (1999) untersucht
den Einsatz von Flatrates, Pay-Per-Use- und mehrteiligen Tarifen, die aus einer
nutzungsunabhängigen Grundgebühr und einem Preis pro Leistungseinheit bestehen. Diese
Tarife sind auf Kunden mit unterschiedlichem Nachfrageverhalten – z. B. auf Viel- und
Wenignutzer – ausgerichtet, sodass der letztendlich zu entrichtende marginale Preis von
der nachgefragten Menge und dem gewählten Tarif abhängt. Lambrecht und Skiera (2006)
zeigen, dass Kunden unterschiedliche Präferenzen für diese Tarifarten besitzen und dass
sie Flatrates gegenüber mehrteiligen Tarifen bevorzugen, auch wenn sie für dieselbe
Leistung einen höheren Preis zahlen. Zum einen bleibt der am Monatsende zu entrichtende
Preis konstant, sodass die Kosten für den Dienst planbar sind. Zum anderen sind sich
Kunden unsicher über die Höhe der Nutzungsmenge (Delaney 2009) und können Flatrates
einfacher vergleichen, als mehrteilige Tarife. Zudem verbuchen Kunden mental die Kosten
einer Flatrate bereits zum Periodenbeginn. Da zum Konsumzeitpunkt dann Grenzkosten
von null anfallen, kann der Konsum, für den bereits gezahlt wurde, stärker genossen
werden (Lambrecht und Skiera 2006).
Die Flatrate erweist sich bei hohen variablen Kosten als problematisch, da der Kunde
keinen Anreiz hat, seine Nutzung einzuschränken, was im mobilen Internet zu einem
massiven Anstieg der Netzbelastung, Einbußen in der Servicequalität und damit zu Kosten
für den Anbieter führt.
Fair-Use-Flatrates kombinieren die von Kunden wahrgenommenen Vorteile klassischer
Flatrates mit der Möglichkeit für den Anbieter, das Nutzungsverhalten einzuschränken. Die
Tarife von Altmann und Chu (2001) kommen ihnen am nächsten, da sie sich neben der
Menge und dem Preis zusätzlich durch die Quality of Service (QoS) differenzieren – also
im Falle des mobilen Internets durch die Übertragungsgeschwindigkeit. Allerdings
unterscheiden die Autoren eine kostenfreie Version des Dienstes mit sehr niedriger QoS
und eine kostenpflichtige Version mit einer hohen QoS und es bleibt ungeklärt, wie die
Ausrichtung der Tarife an das heterogene Nachfrageverhalten gelingt.
2.3
Messung des Nachfrageverhaltens von Kunden
Drei empirische Ansätze zur Bestimmung des Nachfrageverhaltens werden unterschieden
(Völckner 2006): Die Nutzung von (1) Expertenmeinung, (2) Transaktionsdaten (z. B.
Lambrecht et al. 2007) und (3) Befragungsdaten (z. B. Iyengar et al. 2008). Die
Expertenmeinung wird als wichtige Informationsquelle von Personen eingeholt, die auf
einem Sachgebiet über umfangreiches Fachwissen sowie Erfahrungen verfügen. Allerdings
ist die Korrektheit nicht garantiert und meist subjektiv. Die Expertenmeinung bietet jedoch
großen Nutzen, wenn sie synergetisch zur Evaluation der Handlungsempfehlungen aus
anderen Datenquellen eingesetzt wird.
Transaktionsdaten weisen hingegen eine hohe externe Validität auf, da sie auf tatsächlich
getätigte Kaufentscheidungen basieren. Jedoch variiert der Preis meist nur minimal und
Nicht-Kauf Entscheidungen sind nicht beobachtbar (Swait und Andrews 2003). Ferner
5
existieren sie zum Zeitpunkt einer Markteinführung nicht und die Auswirkungen eines
leicht höheren oder niedrigeren Preises sind nur schwer auf die Nachfrage messbar, sodass
die wahren Zahlungsbereitschaften von Kunden unbekannt bleiben.
Wenn Transaktionsdaten nicht zeitnah zur Verfügung stehen, empfiehlt sich die Nutzung
von Befragungsdaten, z. B. unter Verwendung von Discrete-Choice-Experimenten (siehe
Abschn. 4.1). Befragungsdaten bieten gegenüber Transaktionsdaten den Vorteil, dass der
zu analysierende Forschungsgegenstand noch nicht in der Realität existieren muss und
Beobachtungen kostengünstig erhoben werden können (Swait und Andrews 2003). Zudem
hat der Analyst einen größeren Einfluss auf den datengenerierenden Prozess der Studien
und kann so wesentlich gezielter zentrale Problemstellungen untersuchen. Häufig werden
Befragungsdaten aufgrund der niedrigeren externen Validität kritisiert, da Befragte
lediglich hypothetische Entscheidungen treffen, die keine direkte Konsequenzen für ihr
Handeln haben (Völckner 2006). Diese Kritik begegnen derzeit Forscher, indem sie
anreizkompatible Mechanismen, wie den Becker-DeGrot-Marschack-Mechanismus
(Wertenbroch und Skiera 2002), mit der Befragung kombinieren oder Befragte nicht direkt
nach deren Zahlungsbereitschaft fragen (z. B. Ding 2007). Stattdessen treffen sie, wie z. B.
in Discrete-Choice-Experimenten, Auswahlentscheidungen, die mit realen Kaufsituationen
vergleichbar sind. Im Bereich von mehrteiligen Tarifen existiert alleine die Studie von
Iyengar et al. (2008), die Tarife mithilfe von Befragungsdaten evaluiert.
3
Technologische Rahmenbedingungen für das mobile Internet
Die in Abschn. 4 dargestellte Simulationsstudie dient der Entscheidungsunterstützung, um
technologiebedingte Kosten und tarifmoderierte Nachfrage von mobilen Internetzugängen
in Einklang zu bringen. Die hierfür relevanten Phänomene der technologischen
Diskurswelt werden nachfolgend dargestellt.
3.1
Etabliertes Technologieumfeld: UMTS und HSPA
Der Grundstein für die heute verfügbaren mobilen Internetzugänge wurde mit dem RollOut von UMTS im Jahr 2003 gelegt. Die mit UMTS anfänglich maximal mögliche
Datenübertragungsrate von 384 kbit/s lag noch weit unter der Geschwindigkeit
vergleichbarer Festnetzanschlüsse. Diese Adoptionsbarriere wurde schließlich mit dem
weltweit eingeleiteten Roll-Out des technologischen Standards High Speed Packet Access
(HSPA) im Jahr 2007 überwunden und ermöglicht Übertragungsraten von bis zu 7,2
Mbit/s, vergleichbar mit einem DSL-Festnetzanschlusses (Dahlman et al. 2008).
Deutsche
Netzbetreiber
planen
bereits
die
Einführung
der
nächsten
Mobilfunkgenerationen. Zunächst wird mit dem Upgrade von HSPA auf HSPA+ eine
Verdoppelung der möglichen Übertragungsraten auf 14,4 Mbit/s erwartet. Bei den
genannten Technologien finden die Prinzipien des Resource Sharings und der
paketorientierten Datenübertragung Anwendung. Das bedeutet, dass die zur
Datenübertragung erforderlichen Ressourcen nicht für eine Verbindung exklusiv reserviert,
sondern alle Informationspakete parallel nach dem Best-Effort-Prinzip verarbeitet werden.
Folglich sinkt die verfügbare Datenübertragungsrate pro Kunde mit jeder zusätzlichen
Netzauslastung. So liegt die heute durchschnittlich erreichte Übertragungsleistung bei der
Nutzung von HSPA bei etwa 1 Mbit/s und damit deutlich unter dem theoretischen
Maximalwert von 7,2 Mbit/s.
Analog zu diesen Kapazitäts- und Geschwindigkeitsminderungen entstehen dem
Netzbetreiber Kosten bei der Bereitstellung mobiler Internetzugänge. Diese sind direkt der
einzelnen Leistungseinheit zurechenbar. Kurzfristig sind hier Opportunitätskosten durch
die Minderung der Servicequalität und Kundenzufriedenheit zu nennen. Mittel- bis
6
langfristig sind sprungfixe Kosten als Investitionen für Kapazitätserweiterungen des Radio
Access-, Backhaul- oder Core-Netzes zu berücksichtigen. Neben diesen engpassbezogenen
Netzkosten (Kapazitätskosten) sind Strom- und Wartungskosten für die Signalvermittlung
(netzbezogene Betriebskosten) anzusetzen. In Summe wird davon ausgegangen, dass die
Produktionskosten für den Transfer eines Megabytes Datenvolumen über ein
Mobilfunknetz in Deutschland im Jahr 2009 bei 2 bis 3 Cent liegen und damit zehnmal so
hoch wie im Festnetz sind (Informa 2009).
Durch die Überwindung verschiedener Adoptionsbarrieren konnte das mobile Internet in
Deutschland ein enormes Nachfragewachstum verzeichnen. Besonders stark hat dabei die
Verwendung mittels mobiler Computer wie Laptops oder Netbooks zugenommen. Die
Nutzung erfolgt dabei entweder als Ergänzung oder auch als vollständiger Ersatz für den
heimischen Festnetzanschluss. Mit der zunehmenden Verbreitung stoßen allerdings die
etablierten Mobilfunktechnologien in technologischer als auch kommerzieller Hinsicht
zunehmend an ihre Grenzen.
3.2
Der Hoffnungsträger: LTE
Während HSPA technologisch weitestgehend auf UMTS aufbaut, steht mit dem Übergang
auf dem durch das 3rd Generation Partnership Project als internationalen Standard
entwickelten Long Term Evolution (LTE) ein tiefgreifender Generationswechsel bevor
(Dahlman et al. 2008) 1. Zwar ist LTE für eine Koexistenz mit den vorigen Technologien
ausgelegt, doch ergeben sich sowohl beim Architekturansatz als auch bei der für
Mobilfunktechnologien zentralen Funkschnittstelle große Unterschiede. Im Resultat
erlaubt LTE gegenüber seinen Vorgängern sowohl eine flexiblere Spektrumsallokation als
auch eine bessere Spektrumseffizienz. Dadurch steigt die Kapazität von mit LTE
ausgerüsteten Sendemasten verglichen mit HSPA um das Dreifache. Kapazitätsengpässe
können so zunächst kostengünstig durch ein Technologieupgrade bestehender
Sendemasten behoben werden. Hinzu kommt, dass eine einfachere, flexiblere Architektur
den Administrationsaufwand eines LTE-Netzes im Vergleich zu HSPA reduziert.
Zusammengenommen wird durch diese Effekte von einer Reduzierung der
Produktionskosten von LTE-basierten mobilen Internetzugängen ausgegangen.
Neben diesen Vorteilen auf der Kostenseite ergeben sich auch aus Kundensicht
Verbesserungen. Bei der maximalen Datenübertragungsrate wird von anfänglichen Werten
um die 20 Mbit/s ausgegangen mit einer Steigerung in den Folgejahren. Zusätzlich wird
sich mit LTE auch die Latenz, also die Wartezeit zwischen einem Aufruf von
Internetinhalten und deren Übermittlung, verkürzen und so insgesamt die
Nutzungserfahrung dem stationären Internet weiter annähern.
Nachdem in vielen europäischen Ländern die Versteigerung von Spektren für LTE bereits
erfolgt ist, führen Mobilfunkbetreiber aktuell bereits den Netzausbau durch. Es ist
anzunehmen, dass in Deutschland die kommerzielle Verfügbarkeit von LTE spätestens
gegen Ende 2011 gegeben ist. Während bei den durch LTE erzielten Kosteneinsparungen
hinreichende Transparenz zu vermuten ist, bleibt die Frage offen, welche zusätzlichen
Zahlungsbereitschaften die Kunden für LTE besitzen und welche Auswirkungen auf die
Tarifgestaltung bestehen. Dieser Frage wird im folgenden Kapitel nachgegangen.
1
Siehe ebenfalls http://www.3gpp.org/-Industry-White-Papers.
7
4
Datenerhebung und Simulationsstudie
Nachdem der reale Markt für das mobile Internet in dem vorangegangenen Abschnitt
beschrieben wurde, widmet sich dieses Kapitel der Modellkonstruktion und -analyse.
Hierzu wird zunächst die Methodik zur Erhebung der Kundenpräferenzen vorgestellt und
deren Ergebnisse erläutert. Anschließend werden die Präferenzen im Rahmen einer
Simulationsstudie genutzt, um Auswirkungen unterschiedlich ausgestalteter Fair-UseFlatrates auf den ökonomischen Erfolg aufzuzeigen.
4.1
Discrete-Choice-Experimente
Als bedeutende Datenerhebungsmethode zur Erfassung der Präferenzen und des
Kundenverhaltens hat sich das Discrete-Choice-Experiment (Louviere et al. 2000) in einer
Vielzahl an Disziplinen, wie Marketing, Psychologie oder Gesundheitswesen, etabliert.
Discrete-Choice-Experimente weisen eine tiefe Fundierung in der Soziologie und
Verhaltensforschung auf und sind bekannt dafür tatsächliches Kaufverhalten sehr gut
erklären zu können (Swait und Andrews 2003).
Die Befragten treffen wiederholt Auswahlentscheidungen in Choice-Sets (siehe Abb. 1),
die realen Entscheidungssituationen (beispielsweise die Tarifwahl) nachempfunden sind.
Ein Choice-Set besteht aus mehreren Profilen, die durch Eigenschaften und deren
Ausprägungen beschrieben sind. Somit sind in jedem Choice-Set Trade-off
Entscheidungen zu tätigen, also zwischen unterschiedlich attraktiven Kombinationen aus
Eigenschaftsausprägungen zu wählen, welche wiederum Rückschlüsse auf die Präferenzen
eines Befragten gestatten.
Abb. 1 Zusammenhang zwischen Nutzen und Auswahlentscheidung
Zur Analyse der Auswahlentscheidungen wird die Random Utility Theory (Louviere et al.
2000) herangezogen, nach der sich ein Befragter h für das Profil i entscheidet, das ihm den
höchsten latenten – also nicht direkt beobachtbaren – Nutzen uh,i stiftet. Der Nutzenbegriff
wird hierbei als quantitatives Maß der Bedürfnisbefriedigung verwendet und setzt sich aus
einer deterministischen Komponente vh,i und einer stochastischen Komponente, dem
Fehlerterm εh,i, zusammen. Die deterministische Komponente berechnet sich wiederum aus
dem subjektive Nutzen β h ⋅ X i (Vektor an Nutzenparametern des Befragten h, multipliziert
mit dem Designvektor des i-ten Produkts) abzüglich den wahrgenommenen Kosten
ϖ h ⋅ pi (Preisparameter mal Preis) zusammen.
(1)
u h,i = v h,i + ε h,i = β h ⋅ X i − ϖ h ⋅ pi + ε h,i
(h∈H, i∈I).
Unter der häufig eingesetzten Annahme des Gumbel-verteilten Fehlerterms (Louviere et al.
2000) kann das Logit-Modell gebildet werden. Nach Train (2009) sind die Unterschiede zu
alternativen Verteilungen, wie die Normalverteilung, vernachlässigbar gering. Die Stärke
8
des Logit-Modells gegenüber beispielsweise dem aus der Normalverteilung resultierenden
Probit-Modells ist, dass es mathematisch einfach und leicht zu interpretieren ist. So lässt
sich die Auswahlwahrscheinlichkeit Prh,i, der Person h für Profil i in Choice-Set Ca durch


Prh,i exp(v h,i ) /  exp(v h,0 ) + ∑ exp(v h, j ) 
=
(2)
j∈Ca


(h∈H, i∈I),
beschreiben. Gleichung (2) berücksichtigt zudem eine Nicht-Kauf Option vh,0 = 0, falls ein
Kunde h sich gegen alle angebotenen Tarife entscheidet. Individuelle
Parameterverteilungen für jeden Befragten, welche das beobachtete Verhalten am besten
erklären, werden mit Hierarchical Bayes geschätzt. Dass dies trotz der geringen Anzahl an
Beobachtungen (in der folgenden Studie 16) gelingt, ist eines der wesentlichen Vorteile
von Hierarchical Bayes im Vergleich zu alternativen Verfahren (siehe Web Appendix).
Hierzu werden über mehrere Tausend Iterationen Verhaltensmuster über die Population der
Befragten identifiziert, welche zum Anreichern der Daten eines einzelnen Befragten
dienen. Hierarchical Bayes ist daher äußerst rechenintensiv und erst seit wenigen Jahren
aufgrund der gestiegenen Leistungsfähigkeit von aktuellen PCs einsetzbar. Eine detaillierte
Darstellung der Schätzung findet sich in Gensler (2003) und der dabei getroffenen
Annahmen in Chandukala et al. (2007).
4.2
Aufbau der Studie
Zur Entwicklung des Befragungsdesigns wurden im Rahmen einer Marktanalyse sowie
einer "Dual Questioning"-Vorstudie (Myers und Alpert 1968) die wichtigsten
Eigenschaften von mobilem Internet identifiziert (siehe Tab. 1). Während die
Geschwindigkeiten 3,6 Mbit/s und 7,2 Mbit/s bereits heute mit HSPA am Markt existieren,
lassen sich die 20 Mbit/s ausschließlich durch Einführung von LTE realisieren. Der
Fragebogen der Hauptstudie bestand aus vier Abschnitten: Der erste Abschnitt erfasste
Informationen zum Internetnutzungsverhalten der Befragten, insbesondere der
durchschnittliche monatliche Verbrauch, sowie die Anzahl an Stunden für beispielsweise
Surfen auf Webseiten, Filme, Online-Spiele oder Musik. Im zweiten Abschnitt waren
Auswahlentscheidungen in den Choice-Sets zu treffen. Im dritten Abschnitt wurde zu zwei
Angeboten mit einer Geschwindigkeit von 7,2 Mbit/s und einer Volumengrenze von 1 GB
und 5 GB gefragt, wie stark Befragte erwarten, die monatliche Volumengrenze zu unterbzw. überschreiten. Im letzten Abschnitt wurden demografische und sozioökonomische
Angaben erhoben.
Tab. 1
Eigenschaftsausprägungen des mobilen Internetzugangs
Level 1
Level
2
Leve
l3
Leve
l4
Leve
l5
Level
6
Volumengrenze (in GB)
0,5
1,0
3,0
5,0
10,0
Unbegrenzt
Geschwindigkeit (in Mbit/s)
3,6
7,2
20,0
Monatlicher Preis (in €)
10
15
20
25
30
35
Leve
l7
Level
8
40
45
Eine große Herausforderung ist die Erzeugung eines effizienten Choice-Designs (Street
und Burgess 2007). Hierzu wurden die Techniken in Street and Burges (2007) angewandt,
9
und ein D-optimales (6∙3∙8) Full Factorial Design mit 18 Choice-Sets erzeugt. Diese
Designs sind bekannt für ihre guten Effizienzeigenschaften und deren Eignung für
vielfältige Fragestellungen. Jedes Choice-Set zeigt drei verschiedene Tarife für mobiles
Internet und eine Nicht-Kauf-Option (siehe Abb. 1). Die Beobachtungen aus 16 von 18
Choice-Sets gehen in die Schätzung ein und die verbleibenden beiden Choice-Sets werden
zur Prüfung der Prognosevalidität genutzt.
4.3
Erhebungsergebnisse
Eine im September 2009 online durchgeführte Befragung erzielte 270 vollständig
ausgefüllte Fragebögen. Die Stichprobe wurde durch einen Online-Panelanbieter erhoben,
sodass die Zusammensetzung der Stichprobe repräsentativ für die deutsche Bevölkerung
hinsichtlich der Kriterien Alter und Geschlecht ist (siehe Online Appendix). Die Befragten
zeigten mittleres bis großes Interesse an mobilem Internet und wählten zu 37,02 % einer
der beiden obersten Kategorien auf einer 5-Punkt-Likert-Skala.
Nach eigenen Angaben orientiert sich der Verbrauch stark an der angebotenen
Volumengrenze. 74,39 % (87,54 %) der Befragten würden bei einer Volumengrenze von 1
GB (5 GB) diese Grenze nicht überschreiten. Davon gaben 44,64 % (34,60 %) der
Befragten an, ihr Nutzungsverhalten genau an der Grenze auszurichten. 20,76 % (33,22 %)
würden sie bis zu 200 MB (1 GB) weniger nutzen und 9,00 % (19,72 %) würden sie
deutlich weniger zu nutzen.
Für die Simulation werden die Kundenpräferenzen auf individueller Ebene mit dem
Hierarchical Bayes-Verfahren geschätzt. Alle Ausprägungen, mit der Ausnahme des
Preises, sind effekt-kodiert, während dem Preis ein Vektormodell unterliegt. Zur
Schätzung wurde eine Burn-In-Phase von 20.000 Iterationen gewählt, damit das System in
den relevanten Informationsbereich schwingt. Die geschätzten Parameterwerte basieren auf
der Analyse von weiteren 20.000 Iterationen.
Die Ergebnisse der Schätzung sowie die Bedeutungsgewichte (siehe z. B. Gensler 2003)
der Eigenschaften sind in Tab. 2 gelistet. Sämtliche Werte sind plausibel und haben das
erwartete Vorzeichen. Der streng monoton steigende Nutzen bei den Volumengrenzen und
Geschwindigkeiten deutet auf eine hohe Augenscheinvalidität hin. Die für die Befragten
wichtigste Eigenschaft ist die Volumengrenze (45,22 % Bedeutungsgewicht), nahezu
gleichbedeutend wie der Preis (40,79 % Bedeutungsgewicht). Die Geschwindigkeit hat das
geringste Bedeutungsgewicht (13,99 %). Bemerkenswert ist, dass eine unbegrenzte
monatliche Volumengrenze im Vergleich zu 10 GB nur einen vernachlässigbaren
Mehrwert bietet. Noch bemerkenswerter ist, dass der Nutzenzuwachs zwischen der
Geschwindigkeit 3,6 Mbit/s und 7,2 Mbit/s deutlich höher bewertet wird als derjenige
zwischen 7,2 Mbit/s und 20 Mbit/s.
10
Tab. 2 Ergebnisse der Schätzung
Konstante
Wert
Mittelwert
3,18
Std.-Abweichung
(3,86)
Volumengrenze
(in GB)
0,5
1,0
3,0
5,0
10,0
Unbe
grenzt
Mittelwert
-6,72
-2,39
1,16
1,77
2,55
3,63
Std.-Abweichung
(3,04)
(1,68)
(0,96)
(1,06)
(1,57)
(2,57)
Geschwindigkeit
(in Mbit/s)
3,6
7,2
20,0
Mittelwert
-1,88
0,55
1,33
Std.-Abweichung
(1,32)
(0,47)
(1,03)
Monatlicher
Preis
Wert
Mittelwert
0,27
Std.-Abweichung
(0,17)
Bedeutungsge
wicht
45,22 %
13,99 %
40,79 %
Zur Beurteilung der Validität der Ergebnisse ziehen wir den Anteil der individuell korrekt
prognostizierten Auswahlentscheidungen bei einem unterstellten First-Choice-Modell
heran. Die Auswahlentscheidungen in den zur Schätzung verwendeten Choice-Sets werden
zu 86,40 % und in den beiden nicht zur Schätzung berücksichtigten Choice-Sets zu 71,63
% korrekt vorhergesagt. Damit liegen beide Werte deutlich über dem 25%-Niveau bei
zufälliger Auswahlentscheidung, was für eine adäquate Modellgüte (z. B. Figge und
Theysohn 2006; Schlereth und Skiera 2009) und die Eignung des Datensatzes für die
folgende Simulation spricht.
4.4
Aufbau der Simulation
Zur Demonstration sollen auf Basis der erhobenen Kundenpräferenzen verschiedene
Strategien des Einsatzes von Fair-Use-Flatrates untersucht werden. Zusätzlich soll als
wichtige Information für eine Investitionsentscheidung analysiert werden, inwieweit sich
die Senkung der variablen Kosten durch Innovationen wie LTE auf die optimale
Gestaltung des Tarifangebots auswirkt.
Zu diesem Zweck wird ein Simulationsmodell angewandt, das Informationen über die
wesentlichen Einflussfaktoren der Preisbestimmung integriert: Kundennutzen,
Wettbewerbspreise und Kosten des Unternehmens (vgl. Simon und Fassnacht 2009). Die
Entscheidungsalternativen werden somit unter gleichzeitiger Berücksichtigung sämtlicher
unmittelbar preisrelevanter Informationen bewertet. Derartige Simulationen werden in der
Preisforschung als besonders leistungsfähig, aber gleichzeitig äußerst anspruchsvoll
erachtet (vgl. Wiltinger 1998).
Formal lässt sich das Modell als die funktionale Beziehung E = f (X, Y) zwischen
Zielkriterien (E), Entscheidungsalternativen (X) und Umweltparametern (Y) beschreiben
11
(vgl. Hanssmann 1993). Ausgangspunkt des Modells ist Telekommunikationsanbieter A,
der durch die Anpassung seiner derzeit angebotenen Fair-Use-Flatrate A0 den
Deckungsbeitrag (E) maximieren möchte. Als sekundäres Zielkriterium wird zusätzlich die
Steigerung der Kundenzahl angestrebt. Die exemplarisch zu evaluierenden Preisstrategien
(X) sind in Form der Tarife A1 bis A6 (X) in Tab. 3 aufgelistet.
Tab. 3 Tarife und Datenkonsum
Simulierte
Tarife
Tarif
A0
(Referenz)
Tarif
A1
Tarif
A2
Tarif
A3
Tarif
A4
Tari
f A5
Tarif
A6
Tarif
B
Tarif
C
Volumengrenze
(in GB)
5,0
1,0
1,0
3,0
5,0
10,0
Unbe
grenzt
5,0
5,0
Geschwindigkeit
(in Mbit/s)
7,2
3,6
20,0
7,2
20,0
7,2
20,0
7,2
3,6
Monatlicher
Preis (in €)
40
20
30
30
40
50
60
40
25
Geschätzter Datenkonsum
Mittelwert (in GB)
1,82
0,62
0,73
1,26
1,98
2,29
2,71
Std.-Abweichung
(1,33)
(0,24)
(0,26)
(0,76)
(1,42)
(2,1
5)
(3,13)
Die Umweltparameter des Modells bilden die marginalen Produktionskosten des
Anbieters, Konkurrenzangebote und die Verteilung des Datenkonsums der Verbraucher.
Die Wettbewerbersituation in Deutschland wird vereinfacht durch die Berücksichtigung
zweier statischer Konkurrenzangebote B und C reflektiert. Die Verteilung des
Datenkonsums wird über die Lage („durchschnittlicher Pro-Kopf-Verbrauch“) und Form
(„Asymmetrie“) einer Lognormalverteilung im Modell parametrisiert.
Der Zusammenhang zwischen den genannten Modellgrößen ist in Abb. 2 illustriert (in
Anlehnung an Skiera (forthcoming), für aufwendigere Strukturmodelle siehe
beispielsweise Reiss und Wolak 2007). Das Angebot von Anbieter A bestimmt den
Kundennutzen und damit die Nachfrage in Abhängigkeit vom Tarifangebot der
Wettbewerber (1). Die Ausgestaltung der Tarifmerkmale beeinflusst dabei zum einen die
Menge der Kunden und zum anderen deren Internetnutzungsverhalten (Iyengar et al.
2008). Letzteres geschieht in zweierlei Hinsicht: Erstens sprechen unterschiedliche Tarife
unterschiedliche Nutzertypen an (zum Beispiel Viel- oder Wenignutzer). Zweitens
moderiert der Tarif ex post das Nutzungsverhalten der Kunden, da diese die Menge ihrer
Nutzung an den erworbenen Tarif anpassen.
Der Datenverkehr (2) leitet sich aus der Menge und dem Nutzungsverhalten der Kunden ab
und wird dabei von der angenommenen Verteilung des Datenkonsums moderiert (Skiera
forthcoming). Darüber hinaus wird der Datenverkehr direkt von den Tarifmerkmalen
Volumengrenze und Geschwindigkeit beeinflusst (3): Das Tarifmerkmal Geschwindigkeit
moderiert den individuellen Datenkonsum pro Monat, und das Tarifmerkmal Volumen
12
bestimmt dessen monatliche Obergrenze 2. Die preisinduzierten Kosten ergeben sich aus
dem Produkt von Datenverkehr und Produktionskosten pro Volumeneinheit (4). Das
Produkt aus Menge der Kunden (5) und dem Preis (6) ergibt den erzielten Umsatz (Reiss
und Wolak 2007).
Tarifangebot
Anbieter A
(1)
Volumengrenze,
Geschwindigkeit (3)
Tarifangebote
Wettbewerber B & C
Nachfrage
Verteilung
Datenkonsum
(Kauf wahrscheinlichkeit,
Nutzungsverhalten)
Monatlicher
Preis (6)
(2)
Datenverkehr
Marginale
Produktionskosten
(5)
(4)
Deckungsbeitrag
Umsatz
Entscheidungsvariable
Kosten
Zielkriterium
Umweltparameter
Abb. 2 Systemzusammenhang
Die konkrete Modellierung der Umsatzseite und der Kostenseite wird im Folgenden
erläutert: Die Auswahlwahrscheinlichkeit des Kunden h für Tarif Ai errechnet sich in
Gleichung (3) unter Berücksichtigung der Wettbewerber B und C durch (Draganska et al.
2010):
(3)
=
Prh,A exp(v h,A , ) / ( exp(v h,0 ) + exp(v h,A ) + exp(v h,B ) + exp(v h,C ) ) (h∈H, Ai∈I).
i
i
i
Der Umsatz ergibt sich aus dem Produkt der Auswahlwahrscheinlichkeit und dem
U Ai ∑ Prh,Ai ⋅ p Ai . Um die Stichprobe auf die Größe des gesamten
=
monatlichen Preis:
h∈H
deutschen Marktes zu skalieren, wurde von einem Gesamtmarktpotenzial von 10 Millionen
Konsumenten ausgegangen (Informa 2009).
Zur Modellierung der Kostenseite wurden die Probanden zunächst anhand ihrer Angaben
im ersten Teil des Fragebogens in eine ordinale Rangordnung nach dem geschätzten
Datenkonsum bei der Nutzung von stationärem Internet gebracht. Daraufhin wurde der
Datenkonsum durch Ziehen von Zufallszahlen aus einer Lognormalverteilung nach dem
Prinzip der Inversion der Wahrscheinlichkeitstransformation (Liebl 1995) bestimmt und
den Probanden zugeordnet. Die Parameter der Lognormalverteilung wurden mit μ=0,7 und
σ=1,6 so geschätzt, dass die resultierende Verteilung den Ergebnissen empirischer Studien
zum Internetkonsum möglichst gut entspricht (Hatton 2008; Persson 2010). Im dritten
2
In dem Modell wird von dem Datenverkehr abstrahiert, der durch die Nutzung bei gedrosselter Geschwindigkeit (64 kbps)
verursacht wird.
13
Schritt wurde der Datenkonsum eines Probanden bei der Nutzung von mobilem Internet
jeweils als prozentualer Anteil an seinem Verbrauch bei der Nutzung von stationärem
Internet ermittelt. Die Datenbasis hierzu liefert der erste und dritte Teil des Fragebogens.
Zudem wurde unterstellt, dass ein Tarif mit einer Geschwindigkeit von 3,6 Mbit/s (20
Mbit/s) zu einem um zehn Prozent niedrigeren (höheren) Datenkonsum als bei 7,2 Mbit/s
führt.
4.5
Simulationsergebnisse
Die Ergebnisse der Simulation sind in Abb. 3 zusammengefasst. Die linke Hälfte der
Abbildung stellt die Simulationsergebnisse für den Fall variabler Kosten von 2 Cent pro
MB dar. Die rechte Bildhälfte zeigt die Sensitivität der Simulationsergebnisse bei
Veränderung der variablen Kosten.
Abb. 3 zeigt, dass der Ausgangstarif von Anbieter A nicht optimal ist und einen nur knapp
positiven Deckungsbeitrag erzielt. Ausgehend vom Basistarif A0 wird der maximale
Deckungsbeitrag durch eine Preissenkung bei gleichzeitiger Reduktion des Tarifvolumens
erreicht (Tarife A1, A2 und A3). So kann der betrachtete Anbieter zum Beispiel bei einer
Senkung des monatlichen Preises von 40 auf 30 € in Verbindung mit einer Reduktion der
Volumengrenze von 5 GB auf 3 GB den Deckungsbeitrag um jährlich 60 Millionen Euro
steigern und gleichzeitig einen 30 Prozent höheren Marktanteil erzielen (Tarif A3).
Die Einführung einer höheren Übertragungsgeschwindigkeit von 20 Mbit/s führt in dem
Modell nur dann zu einer Ergebnisverbesserung, wenn gleichzeitig die Tarifmerkmale
Preis und Volumen angepasst werden. Andernfalls sinkt der erzielte Deckungsbeitrag
(Tarif A4), da die zusätzliche Zahlungsbereitschaft der Konsumenten für die höhere
Übertragungsgeschwindigkeit nicht ausreicht, um den zusätzlichen Datenkonsum zu
kompensieren. Das Angebot einer echten Flatrate (Tarif A6) erweist sich in der Simulation
als besonders defizitär.
Die rechte Hälfte von Abb. 3 zeigt die Sensitivität des erzielten Deckungsbeitrages auf die
marginalen Produktionskosten für Basistarif A0, sowie die Tarife mit dem höchsten (Tarif
A3) und niedrigsten (Tarif A6) Deckungsbeitrag im Szenario variabler Kosten von 2 Cent
pro MB. Hier zeigt sich, dass Tarif A3 nahezu unabhängig von der Höhe der variablen
Kosten den höchsten Deckungsbeitrag der drei betrachteten Tarife erzielt. Des Weiteren ist
ersichtlich, dass die unbegrenzte Flatrate (Tarif A6) bei Produktionskosten unterhalb von
1,6 Cent pro MB profitabel wird und bei variablen Kosten von weniger als 1,4 Cent pro
MB zu einem höheren Deckungsbeitrag als die Basisstrategie (Tarif A0) führt.
14
80
300
A3
A2
Jährlicher Deckungsbeitrag (in Mio. €)
Absolute Veränderung des jährlichen
Deckungsbeitrags gegenüber A 0 (in Mio €)
AA3
3
60
A1
40
20
A0
0
A4
-20
-40
A5
A6
-60
AA6
6
100
0
-100
-200
-300
-80
-30%
AA0
0
200
-10%
10%
Absolute Veränderung des Marktanteils gegnüber A 0
30%
0.6
1
1.4
1.8
2.2
2.6
3
Netzproduktionskosten pro MB Datentransf er (€ Cent)
Abb. 3 Simulationsergebnisse
5
Fazit
5.1
Diskussion der Ergebnisse
Auf der Basis der Simulationsergebnisse lassen sich drei preisstrategische Empfehlungen
für Telekommunikationsanbieter ableiten. Erstens bestätigt das Modell, dass klassische
Flatrates mit unbegrenztem Nutzungsvolumen bei heutigen Marktpreisen und dem
aktuellen Kostenniveau von HSPA nicht profitabel bereitgestellt werden können. Die
Aufgabe dieser Tarifmodelle ist daher jedem Telekommunikationsanbieter zu empfehlen
und entsprechende Tarifentscheidungen haben am Markt bereits stattgefunden. Mit einem
Absinken der Produktionskosten auf unter 1,6 Cent pro MB, wie es durch den Einsatz von
LTE möglich wäre, zeigt das Simulationsmodell eine Veränderung dieser Situation. Bei
einem solchen Kostenniveau lassen sich mit unbegrenzten Flatrate-Tarifen höhere
Deckungsbeiträge als mit dem Referenztarif A0 erzielen.
Mit Hinblick auf die aktuell hohen variablen Kosten lässt sich die zweite Empfehlung
aussprechen, Flatrate-Tarife stärker als in der Vergangenheit anhand einer
Nutzungssegmentierung zu differenzieren. Diese Aussage begründet sich durch die
gleichzeitige Verbesserung von Deckungsbeitrag und Marktanteil bei Tarif A1 und Tarif A3
(vgl. Abb. 3), die komplett unterschiedliche Nutzertypen adressieren. Tarif A1 mit einem
kostengünstigen Preispunkt sowie einem geringeren Übertragungsvolumen, adressiert die
sporadischen Nutzer des mobilen Internets, die Informationen nur in begrenztem Umfang
mobil abrufen. Dabei ist die angebotene Datenübertragungsleistung zweitrangig und mit
3,6 MBit/s für dieses Segment ausreichend. Tarif A3 adressiert die Vielnutzer des mobilen
Internets. Hier zeigt das Modell, dass maximales Datenvolumen und
Datenübertragungsleistung nicht zwingend notwendig sind. Ebenfalls zeigt das Modell,
dass 3 GB die Datenvolumenanforderungen der meisten Vielnutzer bereits adressieren.
Das zusätzliche Angebot eines Internetzugangs mit einer Geschwindigkeit von 7,2MBit/s
und einer auf 3 GB beschränkten Volumengrenze verspricht daher die beste
Voraussetzung, um den Marktanteil und damit den Deckungsbeitrag zu steigern. Trotz der
generellen
Homogenität
des
mobilen
Breitbandinternets
unterstützen
die
Simulationsergebnisse damit die Erkenntnis, dass eine Differenzierung des Dienstangebots
die Deckungsbeitragssituation positiv beeinflusst.
Die dritte Empfehlung bezieht sich auf das geringe Bedeutungsgewicht der
Übertragungsgeschwindigkeit. In der Studie konnte festgestellt werden, dass die
15
Verfügbarkeit von mit LTE möglichen 20 MBit/s am wenigsten die Präferenz der Kunden
determiniert und der Geschwindigkeitszuwachs von 7,2 Mbit/s auf 20 Mbit/s einen
deutlich kleineren Mehrwert bietet, als der Sprung von 3,6 Mbit/s auf auf 7,2 Mbit/s, wie
er einst durch die Einführung von HSPA ermöglicht wurde (vgl. Tab. 2). Der Einsatz von
LTE ist damit aktuell vielmehr durch die mit der Technologie verbundenen Kostenvorteile
für die Telekommunikationsanbieter als durch eine mögliche Umsatzsteigerung durch
einen höheren, durch Geschwindigkeit getriebenen Präferenzanteil seitens der Kunden zu
begründen. Mit dem Aufkommen neuer mobiler Anwendungsfelder mit höheren
Ansprüchen an die Übertragungsgeschwindigkeit ist von einer Veränderung dieser
Situation auszugehen. Kandidaten für solche Präferenzstrukturen verändernde
Applikationen sind etwa mobiles interaktives Fernsehen oder Videotelefonie.
Damit stellt sich generell die Frage nach der zeitlichen und geografischen Übertragbarkeit
der Ergebnisse. In zeitlicher Hinsicht ist diese dadurch eingeschränkt, dass
Präferenzstrukturen von Konsumenten instabil und vom jeweils aktuellen Etablierungsgrad
des untersuchten Gutes abhängig sind (Teichert 2001). In geografischer Hinsicht variiert
der den Konsumenten gestiftete Nutzen abhängig von der lokalen Marktsituation, also etwa
dem Preisniveau oder verfügbaren Substitutionsgütern. Aufgrund sehr ähnlicher
Entwicklungshistorien der jeweiligen Telekommunikationsmärkte ist von einer
Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die europäischen, und eingeschränkt, auf die
nordamerikanischen Märkte auszugehen.
Bei den ausgesprochenen drei Empfehlungen ist ferner zu berücksichtigen, dass
vereinfachende Annahmen getroffen wurden, die in zukünftigen Forschungsarbeiten
sukzessiv aufgelöst werden sollten. Beispielsweise wurden statische Preise bei
konkurrierenden Anbietern angenommen. In der Realität ist aber ein dynamischer
Wettbewerb (Draganska et al. 2010) eher zu erwarten, bei dem die Konkurrenz ihre Preise
auf neu eingeführte Tarife anpasst, bis ein Bertrand-Nash Preisgleichgewicht (Draganska
et al. 2010) erreicht wird. Dies ist allerdings besonders im Kontext von Diensten nicht
trivial zu modellieren, da Tarifwahl und Mengenentscheidungen simultan berücksichtigt
werden müssen und sich auch Wahrnehmungen des Nutzens über die Zeit ändern können.
Eine weitere Einschränkung ergibt sich aus der vereinfachten Modellierung der
Kostenseite. So wurde beispielsweise von einer möglichen Kostendegression mit
steigender Ausbringungsmenge abstrahiert, ausschließlich volumenbasierte Netzkosten
berücksichtigt und die Existenz rein kundenbezogener Kosten, wie etwa für
Vertriebsprovisionen, aus Gründen der übersichtlicheren Darstellung verzichtet.
5.2
Ausblick
Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Identifikation der optimalen Preisgestaltungsstrategie
von Fair-Use-Flatrates unter Berücksichtigung neuer Technologien wie LTE. Zwar werden
Fair-Use-Flatrates gegenwärtig hauptsächlich im Kontext mobiles Internet angewandt,
jedoch eignen sie sich ebenfalls für viele weitere internetbasierte Dienste, die variable
Kosten aufweisen und sich auf Basis der QoS differenzieren lassen. Ein Beispiel sind
kommerzielle Web-Services, die im Sinne eines Mashup-Service selbst kostenpflichtige
Web-Services nutzen und miteinander kombinieren. Diese Dienste könnten so zu
attraktiven Flatrate-Preisen angeboten werden. Die Drosselung bestimmter QoS-Merkmale
bei Vielnutzung würde jedoch sicherstellen, dass die variablen Kosten nicht die erzielten
Erlöse übersteigen.
Die Nutzung empirisch gestützter Simulationsmodelle kann hier bei der Findung eines
bestmöglichen Dienst- und Tarifportfolios unterstützen und zusätzliches Wissen bei
Investitionsentscheidungen schaffen. Die durchgeführte Studie sieht sich damit auch als
16
Beitrag zur Beantwortung der Frage nach der privatwirtschaftlichen Finanzierung der für
eine Informationsgesellschaft notwendigen Infrastruktur. Das durch die ökonomische
Theorie postulierte und am Markt beobachtbare Problem eines intensiven
Preiswettbewerbs
bei
der
Vermarktung
homogener
Informationsund
Kommunikationsdienste stellt Telekommunikationsanbieter vor die Herausforderung,
gegenüber dieser Entwicklung robuste Erlösquellen zur Finanzierung zu erschließen. Nur
wenn auf dieses Problem adäquate Antworten gefunden werden, können
Marktmechanismen auch in Zukunft dafür Sorge tragen, dass die notwendigen
Investitionen zum Aufbau neuer Informationsinfrastrukturen getätigt werden. Erste
Probleme, dass Marktmechanismen Gefahr laufen zu versagen, sind bereits beobachtbar.
So sehen beispielsweise Experten das italienische Telekommunikationsnetz aufgrund
fehlender Investitionen in die Kapazitätserweiterung kurz vor dem Kollaps. Ähnliches gilt
für Großbritannien und die USA (Kort 2010).
Danksagung
Die Autoren danken Andreas Albers und Mike Radmacher für ihre hilfreichen
Anmerkungen während der Erstellung des Manuskripts. Ebenso danken wir den drei
anonymen Gutachtern und dem Herausgeber Udo Bub für die äußerst konstruktive
Zusammenarbeit und Vorschlägen. Die Datenerhebung durch einen Panelbetreiber wurde
von Detecon finanziell unterstützt. Zudem entstanden Teile des Aufsatzes während
Christian Schlereths Forschungsaufenthalt am Centre for the Study of Choice (CenSoc) der
University of Technology in Sydney (UTS). Die Autoren danken Jordan Louviere für
Anregungen zur Methodik und der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur finanziellen
Förderung des Aufenthalts mit einem Forschungsstipendium (GZ: SCHL 1942/1-1).
Literatur
Altmann J, Chu K (2001) How to charge for network services – Flat-rate or usage-based? Computer
Networks 36(5-6):519-531
BMWI (2010) Informationstechnik und Telekommunikation. Bundesministerium für Wirtschaft und
Technologie, http://www.bmwi.de/BMWi/Navigation/Wirtschaft/branchenfokus,did=197728.html,
Abruf am 15.03.2011
Chandukala SR, Kim J, Otter T, Rossi PE, Allenby GM (2007) Choice models in marketing: economic
assumptions, challenges and trends. Foundations and Trends in Marketing 2(2):97-184
Dahlman E, Parkvall S, Skold J, Beming P (2008) 3G evolution: HSPA and LTE for mobile
broadband. 2. Aufl. Academic Press, Oxford
Delaney J (2009) Mobile broadband: home and away. European Wireless and Mobile
Communications. IDC, London
Ding M (2007) An incentive-aligned mechanism for conjoint analysis. Journal of Marketing Research
44(2):214-223
Draganska M, Klapper D, Villas-Boas S (2010) A larger slice or a larger pie: an empirical
investigation of bargaining power in the distribution channel. Marketing Science 29(1):57-74
Figge S, Theysohn S (2006) Quantifizierung des Nutzenangebots eines werbefinanzierten
Geschäftsmodells für den Mobile Commerce. WIRTSCHAFTSINFORMATIK 48(2):96-106
Gensler, S (2003) Heterogenität in der Präferenzanalyse. Gabler, Wiesbaden
GI (2010) Requirements Engineering – Aufgaben und Ziele. Gesellschaft für Informatik,
http://www1.gi-ev.de/fachbereiche/softwaretechnik/re/ziele.htm, Abruf am 15.03.2011
Gordijn J, Osterwalder A, Pigneur Y (2005) Comparing two business model ontologies for designing
e-business models and value constellations. In: Proceedings of the 18th Bled eConference,
Sloveniena
Hanssmann F (1993) Einführung in die Systemforschung. 4. Aufl. Oldenbourg, München
17
Hatton M (2008) Strategies for mobile broadband pricing and packaging. Analysis Mason, Cambridge
Informa (2009) Content & services interactive forecast tool. Informa Telecoms & Media, London
Iyengar R, Jedidi K, Kohli R (2008) A conjoint approach to multi-part pricing. Journal of Marketing
Research 45(2):195-210
Kort K (2010) Italiens Netz steht vor dem Kollaps. Handelsblatt 07.08.2010,
http://www.handelsblatt.com/unternehmen/it-medien/italiens-netz-steht-vor-demkollaps/3484828.html, Abruf am 15.03.2011Lambrecht A, Seim K, Skiera B (2007) Does uncertainty matter? Consumer behavior under three-part
tariffs. Marketing Science 26(5):698-710
Lambrecht A, Skiera B (2006) Paying too much and being happy about it: existence, causes and
consequences of tariff-choice biases. Journal of Marketing Research 43(2):212-223
Liebl F (1995) Simulation. Problemorientierte Einführung. Oldenbourg, München
Louviere JJ, Hensher DA, Swait JD (2000) Stated choice methods: analysis and application.
Cambridge University Press, Cambridge
Marn MV, Roegner E, Zawada CC (2004) The price advantage. John Wiley & Sons, Hoboken
Myers JH, Alpert MI (1968) Determinant buying attitudes: meaning and measurement. Journal of
Marketing 32(4):13-20
Persson M (2010) The mobile broadband connectivity market. NGT Research Series 2010, Götheburg
Png IPL, Wang H (2010) Buyer uncertainty and two-part pricing: theory and applications.
Management Science 56(2):334-342
Reiss PC, Wolak FA (eds) (2007) Structural econometric modeling: rationales and examples from
industrial organization. Handbook of Econometrics, Amsterdam
Schade S, Frey T, Mahmoud N (2009) Simulation von Diskontpreis-Strategien im GSMMobilfunkmarkt. WIRTSCHAFTSINFORMATIK 51(4):335-346
Schlereth C, Skiera B (2009) Schätzung von Zahlungsbereitschaftsintervallen mit der Choice-Based
Conjoint-Analyse. Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung 61(8):838-865
Shapiro C, Varian HR (1998) Information rules: a strategic guide to the network economy. Harvard
Business School Press, Boston
Simon H, Fassnacht M (2009) Preismanagement. 3. Aufl. Gabler, Wiesbaden
Skiera B (1999) Mengenbezogene Preisdifferenzierung bei Dienstleistungen. Deutscher UniversitätsVerlag, Wiesbaden
Skiera B (forthcoming) Differences in the ability of structural and reduced-form models to improve
pricing decisions. Marketing – Journal of Research and Management
Stähler P (2001) Geschäftsmodelle in der digitalen Ökonomie. Merkmale, Strategien und
Auswirkungen. Josef Eul Verlag, Lohmar
Street DJ, Burgess L (2007) The construction of optimal stated choice experiments: theory and
methods. 1. Aufl. Wiley-Interscience, New Jersey
Swait J, Andrews RL (2003) Enriching scanner panel models with choice experiments. Marketing
Science 22(4):442-460
Teichert T (2001) Nutzenschätzung in Conjoint-Analysen. Theoretische Fundierung und empirische
Aussagekraft. Deutscher Universitäts-Verlag, Wiesbaden
Train K (2009) Discrete choice models with simulation. 2. Aufl. Cambridge University Press,
Cambridge
Völckner F (2006) Methoden zur Messung individueller Zahlungsbereitschaften: Ein Überblick zum
State of the Art. Journal für Betriebswirtschaft 56(1):33-60
Wertenbroch K, Skiera B (2002) Measuring consumer willingness to pay at the point of purchase.
Journal of Marketing Research 39(2):228-241
Zerdick A, Picot A, Schrape K, Artope A, Goldhammer K, Lange UT, Vierkant E, Lopez-Escobar E,
Silverstone R (2001) Die Internet-Ökonomie. Strategien für die digitale Wirtschaft. Springer,
Heidelberg
18
Anhang 1 – Bewertung der Annahmen bei der Schätzung
Die bei der Schätzung von Präferenzen aus Discrete-Choice-Experimenten getroffenen
Annahmen werden in verschiedenen Arbeiten, beispielsweise in Kapitel 2 von Chandukala et
al. (2007) zusammengefasst. Im Folgenden gehen wir kritisch auf die Annahmen ein und
fassen kurz zusammen, inwieweit wir sie als erfüllt betrachten. Für eine ausführliche
Diskussion verweisen wir auf Chandukala et al. (2007).
Tab. A-1 Annahmen bei der Schätzung und deren kritischen Bewertung
Annahmen
(i) Auswahlentscheidungen sind
voneinander unabhängig.
Kritische Bewertung
Durch das D-effiziente Design des Discrete-Choice-Experiments ist
sichergestellt, dass die gezeigten Auswahlalternativen voneinander
unabhängig sind. Die Auswahlentscheidungen können über die ChoiceSets als unabhängig angesehen werden, wenn von dynamischen
kognitiven Prozessen (z. B. Lern- oder Ermüdungseffekte beim
Beantworten der Choice-Sets) abstrahiert wird.
(ii) Auswahlentscheidungen werden
durch Parameter bestimmt, welche
sich nicht über die Zeit ändern.
Dadurch, dass das Discrete-Choice-Experiment in einer relativ kurzen
Zeitspanne beantwortet wird (z. B. innerhalb 5 Minuten), ist davon
auszugehen, dass Präferenzen konstant bleiben. Ebenfalls wird hier von
kognitiven Prozessen während der Beantwortung abstrahiert. Diese
Annahme ist kritisch bei der Analyse von Transaktionsdaten mit
tatsächlich getroffenen Entscheidungen zu hinterfragen, da sich
Auswahlentscheidungen über einen wesentlich längeren Zeitraum
erstrecken.
(iii) Das Verhalten ist durch Einsen
und Nullen repräsentiert, welche
die Entscheidung für und wider
eine Alternative repräsentieren.
Diese Annahme ist durch den Aufbau von Discrete-ChoiceExperimenten bereits sichergestellt. Die Integration einer Nicht-KaufOption in jedem Choice-Set ermöglicht zudem, dass Konsumenten
nicht zu einer Tarifentscheidung gezwungen werden, wenn alle
dargestellten Alternativen für sie unattraktiv sind.
(iv) Die möglichen
Auswahlalternativen sind für die
Analyse explizit eingeschränkt.
Auch diese Annahme ist durch den Aufbau von Discrete-ChoiceExperimenten bereits sichergestellt.
(v) Kovariate besitzen einen
explizit spezifizierten funktionalen
Verlauf.
Die in dieser Arbeit durchgeführte Schätzung verzichtet auf die
Berücksichtigung von Kovariaten (z. B. Alter, Geschlecht oder
Einkommen). Für die in den Auswahlalternativen dargestellten
Eigenschaften wird ein additiver funktionaler Zusammenhang
unterstellt.
(vi) Einige Koeffizienten
beeinflussen den Nutzen von
Auswahlalternativen, andere sind
über Auswahlalternativen hinweg
konstant.
Die in dieser Arbeit verwendete Nutzenfunktion berücksichtigt sowohl
eine Konstante (die über die Nicht-Kauf-Option identifiziert wird), als
auch Koeffizienten, welche von den Eigenschaften eines Tarifs
abhängen.
(vii) Die Independence-ofIrrelevant-Alternatives-Eigenschaft
wird als erfüllt angesehen.
Diese Annahme wird in der Literatur besonders kritisch diskutiert und
es existieren genügend Gegenbeispiele, in denen diese Eigenschaft
nicht erfüllt ist (siehe beispielsweise die Red-Bus-, Blue-BusDiskussion in Train 2009). In dieser Arbeit, sollte diese Eigenschaft
weitestgehend erfüllt sein, da nur eine Dienstkategorie (mobiler
Internetzugang) betrachtet wird und die Tarife in den Choice-Sets sich
durch das Design klar unterscheiden.
19
Anhang 2 – Vergleich von Schätzverfahren
Als Alternativen zu dem in dieser Arbeit gewählten Hierarchical-Bayes-Verfahren werden
ebenso in der Literatur häufig Maximum-Likelihood- und Latent-Class-Schätzverfahren
eingesetzt. Der Unterschied besteht im Aggregationsniveau, auf dem die Parameterwerte
bestimmt werden. Maximum Likelihood ist im Falle von Discrete-Choice-Experimenten
lediglich in der Lage genau einen Vektor an Parameterwerten zu bestimmen, welcher die
Präferenzen aller Befragten beschreibt. Das Verfahren eignet sich daher dann, wenn die
Befragten weitestgehend homogen in ihren Präferenzen sind. Im Gegensatz dazu unterstellen
Latent Class-Verfahren, dass mehrere Segmente mit unterschiedlichen Präferenzen existieren
und die Befragten sich jeweils einem der Segmente zuordnen lassen. Die Zugehörigkeit eines
Befragten zu einem Segment sowie die Parameterwerte, welche die einzelnen Segmente
beschreiben, werden bei diesem Verfahren simultan geschätzt. Individuelle Parameterwerte
für jeden einzelnen Befragten können bei Discrete-Choice-Experimenten meist nur mit
Hierarchical Bayes geschätzt werden. Einen detaillierten Überblick über die einzelnen
Funktionsweisen der Schätzung gibt Gensler (2003).
Die Unterschiede in der Modellgüte der verschiedenen Aggregationsniveaus werden im
folgenden Vergleich aufgezeigt, bei dem alle drei Verfahren zur Schätzung angewandt
wurden. Zur Bewertung der Modellgüte ziehen wir die in der Literatur häufig verwendete
First Choice Hit Rate (prozentualer Anteil der mit den geschätzten Parametern korrekt
vorhergesagten Auswahlentscheidungen) und die mittlere absolute Differenz zwischen
prognostizierter Auswahlwahrscheinlichkeit und tatsächlich beobachteter Auswahl (Mean
Absolute Deviation, kurz MAD) heran (z. B. Gensler 2003). Beide Kennzahlen werden
sowohl zur Prognose der in der Schätzung berücksichtigen Choice-Sets (interne Validität), als
auch zur Prognose der beiden Holdouts (prognostizierte Validität) herangezogen. Im Falle der
Schätzung mit Finite Mixture muss im Voraus eine diskrete Anzahl an Segmentklassen
spezifiziert werden, also eine Anzahl an Gruppen mit unterschiedlichem Auswahlverhalten.
Beispielhaft haben wir im folgenden Vergleich die Segmentklassenzahlen 4 und 8 gewählt.
Die Ergebnisse des Vergleichs sind in Tab. A-2 berichtet.
Tab. A-2 Güte der Schätzungen
Maximum Likelihood
Finite Mixture (4 Segmentklassen)
Finite Mixture (8 Segmentklassen)
Hierarchical Bayes
Interne Validität
First Choice Rate
MAD
52 %
0,61
70 %
0,42
75 %
0,36
86 %
0,22
Prognostizierte Validität
First Choice Hit Rate
MAD
57 %
0,58
66 %
0,46
62 %
0,44
76 %
0,27
Je stärker Heterogenität in der Schätzung berücksichtigt wird, desto höher ist die Modellgüte.
Die beste interne Validität bietet Hierarchical Bayes. Die Unterschiede zu den Ergebnissen
der Maximum-Likelihood-Schätzung sind groß (z. B. 86 % vs. 52 % und 76 % vs. 57 % Hit
Rate). Daraus kann gefolgert werden, dass die Präferenzen der Befragten sehr heterogen sind
und deren Berücksichtigung bei der Schätzung die Ergebnisgüte substanziell steigert.
20
Anhang 3 – Repräsentativität der Befragungsteilnehmer bezüglich der Deutschen
Bevölkerung
In Zusammenarbeit mit einem deutschsprachigen Befragungspanelanbieter wurde eine
bevölkerungsrepräsentative Stichprobe erhoben. Diese setzt sich aus 49,83 % männlicher
Teilnehmer (Anteil Männer in Deutschland 49,00 %) und einem Durchschnittsalter von 44,50
Jahren (Durchschnittsalter in Deutschland 42,10 Jahre) zusammen 3. Ein detaillierter
Vergleich nach Altersklassen ist in Tab. A-3 zu finden.
Tab. A-3 Vergleich der Altersklassen
Anteil \ Alter
Bevölkerung
Befragung
18-21
5,7 %
4,8 %
22-40
37,1 %
28,7 %
41-65
57,1 %
66,4 %
*Bevölkerungsanteile stammen vom statistischen Bundesamt. Es wurden lediglich die Altersgruppen von 18-65
Jahren betrachtet.
3
Die Angaben basieren auf Daten vom statistischen Bundesamt (http://www.destatis.de/).
21
Herunterladen