FEUILLETON Freitag, 17. Mai 2013 KUFP-1 Seite 19 Frapo v. 17.05.2013,Wun,S.19 Zum Tage „feucht schneuzen“ Von Ralf Sziegoleit D Das Sams ist kaum zu bändigen, von links, Silke Franz, Gabriele Dossi, Laura Puscheck, Norbert Heckner, Simone Bartzick, Johann Anzenberger, Jürgen Fischer, Rudolf W. Brem. Foto: Luisenburg/Miedl Wo der Eisbär Tango tanzt Zum Start in den Theatersommer gehört die Luisenburg ganz den kleinen Leuten. Das frech-fröhliche Sams macht 1700 Kindern bei der ersten Premiere auf Wunsiedels Naturbühne mächtig Spaß. Von Michael Thumser Wunsiedel – Die Welt ist ein Kalender. Wie riesige Blätter liegen die Wochentage auf der Naturbühne herum. Der Montag wird zur Boutique: „Sale“, „Neu“, „30 %“ steht dort zu lesen. Der Dienstag ist ein nüchternes Büro mit Aktenordnern und -bündeln, Schreibtisch, Rechenmaschine, Paragrafen auf der Tapete. Der Samstag ist davon das Gegenteil: das Kleinreich des Herrn Taschenbier. Hier, im gemieteten Wohn-Schlafzimmer, versteckt der brave Buchhalter das Sams, jenes eigentümlich aussehende, unaufhaltsam quirlige, lärmend lustige Minimonstrum, das dem Duckmäuserdasein seines Gastgebers ungeahnt neue Impulse verleiht. Hier und ebenso auf den Kalenderblättern Sonntag und Mittwoch bis Freitag tobt sich der Wünsche erfüllende Kobold mit der Steckdosennase – halb Pumuckl, halb Ferkel – nach Kräften aus. Sich selbst gönnt er mit viel Schabernack jedes Vergnügen, heitert aber beiläufig auch den leisetretenden Herrn Taschenbier auf und lehrt ihn, lästigen Zeitgenossen ein geharnischtes „Nein“ ins anmaßende Gesicht zu schleudern. Wie immer macht das „Familienstück“ den Anfang der LuisenburgFestspiele. So gehörte denn am Donnerstagvormittag Wunsiedels Freiluftbühne den 1700 kleinen Premierenbesuchern, die sich, gehütet von einer Schar leicht überforderter Erzieher, die Premiere von „Eine Woche voller Samstage“ aufs Genüsslichste gefallen ließen: mit ihrer unvermeidlichen Unruhe, ihrem Riesengelächter und tosenden Applaus, den das fichtelgebirgige Naturtheater allsommerlich einheimst. Günter Lehr hat die als Buch und Film popu- Haus Wahnfried soll erst 2015 wieder öffnen Man rechne mit Kosten von bis zu 16 Millionen Euro, teilte Friedrich mit. Neben der kompletten Sanierung Wahnfrieds wird auch das benachbarte Siegfriedhaus renoviert, dazu kommt ein Neubau im Garten. Die Verzögerungen zum Baubeginn und die Arbeiten ausgerechnet im Jubiläumsjahr begründete der Museumsleiter mit den umfangreichen Planungen, die vorab nötig gewesen seien. „Das ist bei so einem großen Projekt schwierig, da es viele Spieler gibt.“ Neben der Stadt Bayreuth beteiligen sich auch „Ärgerlich“: das einstige Wohnhaus von Richard Wagner in Bay- der Freistaat der reuth ist im Jubiläumsjahr eine Baustelle. Während der Festspie- und Bund an le ist wenigstens das Erdgeschoss zugänglich. den Kosten. gerlich“, räumte Bayreuths Oberbür- Zur diesjährigen Festspielzeit soll imgermeisterin Brigitte Merk-Erbe ein. merhin das Erdgeschoss von WahnNach der Wiedereröffnung werde fried zugänglich sein: Das Haus der das dann erneuerte und erweiterte Bayerischen Geschichte präsentiert Museum aber eine große Wirkung die Wanderausstellung „Götterdämentfalten, die weit über das Jubiläum merung“ zu Bayernkönig Ludwig II., dem größten Mäzen Wagners. hinaus weise. Bayreuth – Die große Sanierung in Richard Wagners Haus Wahnfried in Bayreuth dauert voraussichtlich bis 2015. Das sagte der Chef des in Wahnfried untergebrachten WagnerMuseums, Sven Friedrich, am Donnerstag. Dass ausgerechnet heuer, zum 200. Geburtstag des weltberühmten Komponisten, das Anwesen eine riesige Baustelle ist, sei „är- läre Geschichte des in Bamberg lebenden Paul Maar um neue, zündende Lieder ergänzt. Auch in ihnen steckt so mancher aktuelle Gag verborgen, der sich eher an die größeren als an die jungen Besucher wendet. Ein Familien-Stück ist eines, zu dem die Kinder ihre Eltern (oder Großeltern oder Lehrer) mitnehmen; und die sollen ja auch was zu lachen haben. „ Voll krass! “ Schul-Kids über das Sams Reichlich findet Jung und Alt dafür Gelegenheit. Weil allerdings die Sams-Saga sattsam bekannt ist, sah sich Regisseurin Susi Weber vor der Herausforderung, sie umso frischer zu erzählen. Wirklich sorgt sie pausenlos für Putzmunterkeit und Kinderzimmeralberei, Slapstick-Jux und drastisches Spektakel. Ein Klarinette spielender Erzähler – Johann Anzenberger, ironisch, listig, mit Anzug und Melone wie ein verjüngter Pan Tau – leitet das Spiel und lässt, per Fernbedienung, auch schon mal eine Lieblingsszene in Zeitraffer oder -lupe oder rückwärts laufen. Freilich, auch ohne solche Fremdsteuerung findet sich die herrlich freche Simone Bartzick als Sams in jeder Szene und jedem Winkel auf Peter Engels attraktiv-origineller Szenerie zurecht. Kurz, aber flink; einmal losgelassen – nicht mehr aufzuhalten: Stolz drückt sie ihren runden Bauch heraus, und mit dem noch dickeren Popo wackelt sie wichtig-witzig. Derart wohl scheint sich die aufgekratzte Jungschauspielerin in Rolle und Kostüm zu fühlen, dass sie die Bühne so, als ob sie jeden Augenblick neu improvisierte, wohl auch allein bespielen könnte. Ein liebevoller Wicht, ungemein anhänglich: kaum wieder loszuwerden. Herr Taschenbier – Norbert Heckner als einsamer Senior-Single, dem ein bisschen Belustigung nur guttut –, er kommt zum Sams auf rätselhafte Weise: wie die Jungfrau zum Kind, weswegen es ihn auch „Papi“ nennt. Eine Woche voller Samstage heißt: eine Woche voller Alltage. Also gehen die beiden Klamotten kaufen: Den charakteristischen blauen Taucheranzug verpasst dem Sams ein grandios schwuchteliger Harald-Glööckler-Klon (Rudolf Waldemar Brem). Und der Schulpflicht gilt es zu genügen: Eine Clique hip-hoppender Kids findet den neuen Kumpel „voll krass“ (Choreografie: Sebastian Eilers, Kostüme: Heide Schiffer-El Fouly). Zwischendurch geht’s autoritären Quälgeistern an den Kragen: Gerissen haut das Sams Jürgen Fischer als Herrn Taschenbiers Blutsauger-Chef übers Ohr, und den Hausdrachen Frau Rotkohl alias Gabriele Dossi verurteilt es dazu, wehrlos mit einem Eisbären Tango zu tanzen. Das Kinder-Publikum kann nicht genug kriegen – und kriegt, mitten im Schlussapplaus, noch mehr: noch’n Lied. „War geil, was?“, fragt beim Hinausgehen ein Junge den anderen, und noch auf dem Weg zum Bus verlangt eine Handvoll Scherzkekse lauthals: „Zugabe!“ ————— Nächste Vorstellungen: heute (Freitag), 20. Mai, 2. Juni, jeweils um 10.30 Uhr. – Eröffnungspremiere „Die Fahnenweihe“ am 21. (öffentliche Generalprobe am 20.) Juni. Frauen, Männer und die Beatles Von Kerstin Starke Hof – Wenn heute Abend das Publikum zur Premiere von „Viel Lärm um Nichts“ ins Theater Hof strömt, liegen sie am Eingang schon bereit: die neuen Spielplanhefte für die Saison 2013/14. Das Programm selbst ist seit Anfang November bekannt, wir berichteten; jedoch, sagte Intendant Reinhardt Friese gestern, hätten sich noch kleine Änderungen ergeben, und auch alle Regisseure der Stücke stünden jetzt fest. Das SpielzeitMotto hat sich ebenfalls konkretisiert, es lautet „Frauen ... Männer ... Mitbürger!“ und trägt somit auch eine politische Dimension in sich. Friese: „Zugrunde liegen der Begriff Tradition und wie sie in unseren heutigen Alltag hineinwirkt.“ Gleich zwei Traditionen folgt das Haus, wenn es am 20. September in die Spielzeit startet: „Aida“ ist ein zentrales Werk der Operngeschichte – und eine Hofer Erstaufführung. Mit einer modernen Inszenierung von Klaus Kusenberg vom Staatstheater Nürnberg gratuliert das Theater Hof gleichzeitig dem Komponisten Giuseppe Verdi zu dessen 200. Geburtstag. Das Schauspiel kommt am 5. Oktober erstmals ins große Haus mit Kleists „Penthesilea“. Friese bezeichnet diese Fassung als ein Experiment und freut sich darauf, das sprachgewaltige Stück zu inszenieren. Dreimal steht Musical auf dem Programm; zunächst führt Karsten Nach so viel klassischer Musik lassen es die Tänzer richtig krachen mit dem Rockballett „Beatles – Das weiße Album“ in einer Uraufführung von Barbara Buser; die Hofer Band „Wee Bush“ spielt mit LiveMusik dazu. Das Schauspielensemble eröffnet die Saison am 3. Oktober mit der Studio-Komödie „Die fetten Jahre sind vorbei“, die von Ralf Hocke inszeniert wird. Danach zeigt Frank MatIntendant Reinhardt Friese präsentierte das thus Franz Wittenbrinks Urneue Spielplanheft des Theaters Hof. Foto: kst Liederabend „Sekretärinnen“. Das Familienstück „Aladin Jesgarz im Studio Regie bei „Wenn und die Wunderlampe“ inszeniert Rosenblätter fallen“, bei dem es um Antje Hochholdinger. In die Vollen Sterbehilfe geht, dann folgen „Ein geht das Schauspiel dann 2014 mit Käfig voller Narren“ (Regie: Friese) „Buddenbrooks“ in der Regie von und „Jesus Christ Superstar“ (Regie: Michael Blumenthal, mit „Arsen und Roland Hüve). In der Operette der Spitzenhäubchen“ (Regie: Stephan nächsten Spielzeit trifft das Publi- Brauer) und schließlich mit „Ein kum auf eine alte Bekannte: „Frau Sommernachtstraum“, den Friese Luna“, der Klassiker wird inszeniert mit der Musik von Felix Mendelsvon Karsten Jesgarz. Den Reigen der sohn Bartholdy, live gespielt von den Opern nimmt im März ein „ziemli- Hofer Symphonikern, inszeniert. cher Brocken“ (Friese) wieder auf: „Harold und Maude“ (Regie: Kri„Aufstieg und Fall der Stadt Maha- stoffer Keudel) sowie „So oder so – gonny“ von Brecht/Weill wird insze- Hildegard Knef“ (Regie: Sapir von niert von dem Brecht-Fachmann Pe- Kleist) sind weitere Studioproduktioter Kupke. Weitere Opern sind das nen. „Wir haben im nächsten Jahr zeitgenössische Kammerstück „Fräu- zwei Studiostücke mehr“, erläutert lein Julie“, für die der frühere Inten- Intendant Friese. „Einfach, weil diese dant Uwe Drechsel als Regisseur zu- kleinen Formen sich ganz besonderückkehrt, sowie im Juni „Die Hoch- rer Zuschauergunst erfreuen.“ zeit des Figaro“ in einer Inszenierung ————— von François de Carpentries. www.theater-hof.de en nach Georg Büchner benannten wichtigsten deutschen Literaturpreis erhielt er posthum: Siebzehn Tage vor der Verleihung, am 4. Oktober 2006, war der rumäniendeutsche Dichter Oskar Pastior im Alter von 78 Jahren während der Frankfurter Buchmesse gestorben. Damals arbeitete er zusammen mit seiner engen Freundin Herta Müller an einem Buch, das von seinem Zwangsaufenthalt in einem sowjetischen Arbeitslager von 1945 bis 1949 erzählen sollte. Nach seinem Tod schrieb Müller das Buch allein. Kurz nachdem es 2009 unter dem Titel „Atemschaukel“ erschienen war, wurde ihr der Nobelpreis für Literatur zugesprochen. An Oskar Pastior erinnert jetzt eine Doppel-CD, die unter dem Titel „Lesen gehn ...“ bei Hörbuch Hamburg erschienen ist. Auf der ersten Scheibe liest der große Sprachartist und -analytiker, Wortklauber und -musiker selbst eine Reihe seiner Gedichte – insgesamt 54 Stück –, auf der zweiten kommen Freunde und Kollegen zu Wort, unter ihnen auch Ernest Wichner, der Leiter des Literaturhauses Berlin, Schwiegersohn des Hofer Schriftstellers Claus Henneberg und Weggefährte Oskar Pastiors. An diesem zweiten Teil gefällt besonders, dass er neben Texten des Autors, dessen Humor – etwa in dem Gedicht „schneuzt euch heut feucht!“ – oft an Ernst Jandl erinnert, auch Kommentierendes bietet. So legt Urs Allemann sehr unterhaltsam den Bauplan eines „Gedichtgedichts“ frei, Péter Esterházy wird von Pastiors Sprachspielen zu der Feststellung veranlasst, dass der Sinn der Wörter vielleicht nicht deren Wichtigstes ist, Herta Müller erzählt, wie sich ihr – „ohne zu wollen“ – die Wörter des Gedichts „Tas Illusiun ...“ übersetzen, und von Ernest Wichner ist zu erfahren, dass Pastior Biografisches „partikelweise in seinen Texten versenkte“. So ist das Hörbuch eine schöne Annäherung und Hommage an den Dichter, der zu den größten des 20. Jahrhunderts zählte und übrigens auch einmal mit einer Lesung in Hof zu Gast gewesen ist. Naturbühne startet mit „Dorfheiligen“ Trebgast – Mit dem Schwank „Die drei Dorfheiligen“ eröffnet heute, Freitag, 20.30 Uhr, die Naturbühne Trebgast die Saison 2013. Die weitere Premieren sind am 24. Mai „Michel aus Lönneberga“, am 31. Mai „Ein Geist kommt selten allein“ und am 7. Juni „Jedermann“. Dazu kommen zahlreiche attraktive Veranstaltungen, darunter Konzerte mit Andy Lang, der Altneihauser Feierwehrkapeln oder Joy in Belief und Kabarettabende mit Bernd Regenauer oder Lizzy Aumeier. „Die drei Dorfheiligen“ werden in Trebgast aus dem Oberbayerischen nach Oberfranken verlegt: Alles geht seinen gewohnten Gang in dem kleinen Dorf. Kleine Familienstreitigkeiten gab es schon immer, zum Beispiel wer wen heiratet, und wer das Sagen hat. Da tauchen Briefe einer Hauswirtschafterin auf, die das Dorf vor zwanzig Jahren verlassen musste. Darunter sind Liebesgeständnisse honoriger Familienvätern, die wenig Interesse daran haben, dass die alten Geschichten ans Tageslicht kommen. Auch den Bürgermeister drückt das schlechte Gewissen: Er konnte damals der Hauswirtschafterin nicht widerstehen und zahlt seit 20 Jahren Alimente. Seinen beiden Freunden allerdings geht es ebenso ... Regie führt Rainer Streng. ————— Mehr Informationen zu den Terminen und Stücken sowie Kartenbestellung unter www.naturbuehne-trebgast.de.