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Hessischer Rundfunk
hr-iNFO
Redaktion: Dr. Regina Oehler
Wissenswert
Steinerne Boten aus dem All:
Was lehrt uns die Forschung an Meteoriten?
von Tobias Klein
Sprecher: Tobias Klein
Sendung: 03.04.16, hr-iNFO
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Sprecher:
Die Sonne schien, der Himmel war strahlend blau und es war
keine Wolke zu sehen. Der 3. April 1916 war ein wunderschöner
Frühlingstag in der Region rund um Marburg und Treysa. So dass
die Menschen am Nachmittag ungestört den leuchtenden Feuerball
am Himmel beobachten konnten. Bis nach Kassel war er zu sehen.
Zu dieser Zeit war der Geologe und Meteorologe Alfred Wegener
Privatdozent an der Universität Marburg. Er wurde später
weltberühmt, als Polarforscher und vor allem als Begründer der
Kontinentalverschiebungstheorie. Diese beschreibt, wie unsere
Kontinente entstanden sind. Zum Zeitpunkt des Himmelsereignisses
war er allerdings nicht in Marburg. In Europa herrschte Krieg und
Wegener war als Soldat eingezogen worden, er musste Dienst beim
Heereswetterdienst verrichten. Als Alfred Wegener Fronturlaub
bekam und nach Marburg zurückkehrte, wurde ihm von der
Leuchterscheinung am 3. April 1916 berichtet.
OT1
Ihm war sofort klar, dass es sich um einen Meteoriten handelt. Er ist um
die Gegend von Marburg gelaufen und hat versucht diesen Meteoriten zu
finden. Ein Unterfangen das eigentlich von vornherein zum Scheitern
verurteilt war. Dann kam aber der Wissenschaftler Alfred Wegener, hat
mehrere deutsche Zeitungen mit der Bitte um Benachrichtigung
angeschrieben, die dann auch seine Bitten über die Leuchterscheinung
über den Eintrittswinkel und so weiter veröffentlicht haben. Da kamen
wenige Antworten, damit war klar, dass die Sichtbarkeitsgrenze sehr
schnell zu legen war im Süden an den Main und im Westen an den Rhein.
Sprecher:
So erzählt es Peter Masberg, der Leiter des Mineralogischen
Museums in Marburg. Doch Alfred Wegener gab nicht auf. Er
schaltete Anzeigen in den lokalen Zeitungen, ging in die Schulen und
auf Bauernmärkte und befragte dann selber die Menschen, die den
Fall des Meteoriten beobachtet hatten. Insgesamt trug er gut 180
Aussagen zusammen, die er auswertete und analysierte.
Schließlich, nach drei bis vier Monaten Arbeit, wagte er sogar eine
Vorhersage. Einerseits über den ungefähren Ort, wo der Meteorit
gelandet sein müsste. Andererseits aber auch über die
Zusammensetzung des kosmischen Körpers, über dessen Gewicht
und darüber, wie tief er beim Aufprall auf die Erde wohl in den
Boden eingedrungen sein mag. Die Bauern in der Region bat er, die
Augen offen zu halten.
OT2
Dann ist der Herbst vorbeigegangen, die Bauern haben die Felder
abgeerntet. Der Meteorit ist nicht aufgefunden worden. So hat dann im
Januar 1917 die Gesellschaft zur gesamten Förderung der
Naturwissenschaft zu Marburg dreihundert Reichsmark ausgelobt für die
Auffindung des Meteoriten, der dann später Anfang März von einem
Revierförster, dem Oberförster Huppmann, in der Gemarkung
Rommershausen bei Threysa gefunden worden ist.
Sprecher:
Der Meteorit lag in einem Waldstück. Und die Vorhersagen, die
Alfred Wegener gemacht hatte, erwiesen sich als verblüffend genau.
OT3
Es waren 600 m an der von Wegener berechneten Hemmpunktsstelle.
Dort wo der Meteorit seine kosmische Geschwindigkeit verliert. Alfred
Wegener hat gesagt, es ist ein Eisenmeteorit. Es ist ein Eisenmeteorit. Er
sagte, er ist 50 kg schwer - er war wie gesagt 63,28 kg schwer. Und er
dringt beim Aufprall in den Waldboden ungefähr 1,50 m tief ein und in
1,60 m Tiefe hatte der Herr Huppmann ihn gefunden. Also eine Klasse
wissenschaftliche Untersuchung oder Aussage aufgrund von subjektiven
Beobachtungen.
Sprecher:
Peter Masberg ist nicht nur der Leiter des Mineralogischen
Museums in Marburg. Er ist sozusagen auch der Hüter des
Meteoriten von Treysa. Dieser wurde nach seinem Fund zunächst
der Physik der Universität Marburg übergeben und dort untersucht.
Irgendwann hat er aber den Weg in das Mineralogische Museum
gefunden. Heute ist er dort im ersten Stock dauerhaft ausgestellt.
Der Meteorit hat einen Durchmesser von 36 Zentimetern. Sein
heutiges Gewicht beträgt in etwa 50 Kilogramm. Für
wissenschaftliche Untersuchungen und Weitergaben an andere
Forschungseinrichtungen wurden gut 13 Kilogramm Material
abgesägt. Der Meteorit hat somit auf einer Seite eine gerade
Schnittfläche. An den anderen Seiten hat er die für Meteoriten
typische Struktur, Dellen und Ausbuchtungen, die aussehen, als
hätte man sie mit dem Daumen hineingedrückt.
OT4
Diese Dellen oder diese Ausbuchtungen die bezeichnet man
wissenschaftlich als Regmaglypten. Das sind Plasma-Verwirbelungen.
Beim Eintritt in die Atmosphäre entstehen ja wahnsinnige Reibungskräfte
und diese Reibungstemperaturen die haben dafür gesorgt, dass PlasmaVerwirbelungen von 2.000 Grad auftreten. Diese enormen
Wärmeeinwirkungen haben dafür gesorgt, dass hier Material
aufgeschmolzen worden ist und durch den Flug, durch die Luft, wieder
abgezogen worden ist.
Sprecher:
Diese Dellen im Meteoriten entstehen also, weil beim Eintritt in die
Erdatmosphäre hohe Temperaturen dafür sorgen, dass das Material
zu schmelzen beginnt. Wenn der Meteorit dann wieder abkühlt,
entsteht außen herum zudem eine hauchdünne schwarze Schicht,
die sogenannte Schmelzkruste. Sie ist charakteristisch für
kosmische Körper, die auf der Erde landen. Doch woraus besteht er
genau, der Meteorit von Treysa? Peter Masberg.
OT5
Er besteht zu 90 Prozent aus Eisen 9,5 Prozent aus Nickel. Dann treten
Elemente dazu wie Schwefel, Kobalt, Chrome, es gibt Gold, Iridium,
Vanadium, Platin. Also eine ganze Reihe von Elementen die in diesem
Körper drin sind, aber diese Elemente, die ich neben Eisen und Nickel
genannt habe, die treten dann im so genannten PPB beziehungsweise
PPM Bereich auf, also Parts per Million.
Sprecher:
Also nur in allerkleinsten Spuren. Der Meteorit von Treysa ist somit
ein Eisen-Nickel-Meteorit. Und er stammt vermutlich aus dem
Asteroidengürtel. Dieser befindet sich zwischen dem Planeten Mars
und dem Planeten Jupiter. Und in diesem Gürtel schwirren
Hundertausende solcher kosmischer Körper und kollidieren
natürlich auch miteinander. Der Meteorit von Treysa ist vermutlich
durch die Kollision zweier oder mehrerer Asteroiden aus dem Gürtel
hinausgeschleudert worden. Er ist dann auf eine Umlaufbahn
geraten, die die Umlaufbahn der Erde kreuzt, irgendwann in das
Schwerefeld der Erde gekommen und dann in der Nähe von Treysa
abgestürzt.
OT6
Er ist so alt wie unser Sonnensystem: 4,56 Milliarden Jahre. Denn die
Asteroiden und Meteoriten die sich im Asteroidengürtel gebildet haben,
die sind genauso alt wie unsere Erde. Er hat ein stolzes Alter, ist also die
älteste Materie die es eigentlich gibt.
Sprecher:
Mit dieser ältesten Materie die es in unserem Sonnensystem gibt,
mit der befasst sich hauptberuflich Jutta Zipfel. Sie ist Leiterin der
Sektion Meteoritenforschung der Senckenberg-Gesellschaft für
Naturforschung in Frankfurt am Main. Meteoritenforscher wollen
herausfinden, wie sich kosmische Körper, wie sich Planeten und
Asteroiden gebildet haben, wie sie entstanden sind, wie sie sich
entwickelt haben. Das faszinierende dabei ist, dass die Forscher
dabei Material untersuchen, das aus der Zeit stammt, zu der unser
Sonnensystem entstanden ist und sich seitdem kaum verändert hat.
Aber der Reihe nach. Zunächst stellt sich die Frage, woher man
weiß, dass Meteoriten zum Beispiel aus dem Asteroidengürtel
kommen.
OT7
Vorwiegend macht man das fest tatsächlich an der Fallbeobachtung, d.h.
wenn man die Bahn sehr gut bestimmt hat, wenn der Meteorit fällt, den
Rest der Bahn kann man zurück extrapolieren, wo kommt dieses Objekt
überhaupt her. Und das hat man bei vielen Fällen mittlerweile so gemacht
und bei fast allen sieht man, dass diese Bahnen der ursprünglichen
Meteoroide ihren Ursprung im Asteroidengürtel haben. Also das ist
natürlich schon eine ganz große Evidenz, dass das Material wirklich aus
diesem Bereich kommt.
Sprecher:
Die Meteoritensammlung der Senckenberg-Gesellschaft für
Naturforschung befindet sich zum großen Teil in einem schmalen
kleinen Raum. Der Boden ist gefliest. In einer Ecke steht eine
Diamantdrahtsäge, mit der die Meteoriten zerschnitten werden
können. An den Wänden reiht sich ein schwererer Metallschrank an
den anderen. Darin liegen einige der Meteoriten und MeteoritenFragmente.
ATMO Schublade aufschließen, Schublade öffnen
Sprecher:
Jutta Zipfel öffnet eine der Schubladen.
OT8
Das sind jetzt alles Scheiben von unterschiedlichen Eisenmeteoriten. Die
sind eingeschweißt in Plastikfolie unter Vakuum, so dass sie möglichst
von der Feuchtigkeit geschützt sind. Damit man den Prozess des Rostens
etwas minimiert. Wenn ich ein Foto machen möchte, dann gucke ich
schon noch mal rein. Aber im Wesentlichen versucht man die einfach
auch so zu belassen und stabil zu halten.
Sprecher:
Insgesamt umfasst die Sammlung rund 5.500 Objekte. Sie stammen
von gut 2.000 verschiedenen Meteoriten. Jutta Zipfel erklärt, wie
sich die einteilen lassen.
OT9
Traditionell hat man unterschieden so genannte Steinmeteorite, von
Stein-Eisen-Meteoriten und Eisenmeteorite. Und wie Sie schon hören,
Eisenmeteorite, bestehen mehr oder weniger zu 100 % aus Eisen, Nickel,
Metall. Steineisen ist dann eine 50 zu 50 Mischung von Eisen, Nickel,
Metall und silikatreichen Phasen. Und Steinmeteorite sind nicht
metallfrei, aber haben eben deutlich geringere Anteile, 10 % und weniger
an diesen Eisen-Nickel-Legierungen. Es gibt aber auch welche die haben
überhaupt kein Metall, das ist zum Beispiel der Fall bei Mars- und
Mondmeteoriten.
Sprecher:
Neben Meteoriten, die aus dem Asteroidengürtel kommen, gibt es
also auch welche, die vom Mond oder vom Mars stammen. Wie aber
schaffen die es auf die Erde? Von alleine löst sich kein Stein von der
Oberfläche des Mondes oder des Mars und macht sich auf den Weg
in Richtung Erde. Dies kann nur dann passieren, wenn auch dort
Bruchstücke von Asteroiden einschlagen und so Gestein aus Mond
oder Mars heraussprengen. Die Energie muss dabei allerdings so
groß sein, dass die herausgeschlagenen Steine so stark
beschleunigt werden, dass sie die Anziehungskraft von Mond oder
Mars überwinden können. Dann sind die Steinbrocken als
Meteoroide im All unterwegs und gelangen auf Bahnen, die
möglicherweise irgendwann die Umlaufbahn der Erde kreuzen. Und
dann kann eben auch Mond- oder Marsgestein auf unseren Planeten
fallen. Ob ein Meteorit vom Mond stammt, das kann man heute
relativ sicher sagen.
OT10
Weil wir haben ja durch die Apollo-Mission sehr viel Material was von der
Mondoberfläche auf die Erde zurück gebracht wurde. Das ist sehr gut
untersucht. Und da hat man natürlich ideales Vergleichsmaterial. D.h.
den Meteoriten von außen sieht man es in der Regel nicht an, man muss
ihn schon ins Labor bringen, aufschneiden und dann im Detail mit einem
Mikroskop, mit einem Rasterelektronenmikroskop genau schauen, wie ist
der zusammengesetzt, welche Minerale treten auf, wie ist das
Gesteinsgefüge, und dann natürlich gibt es noch viele andere
Analysemethoden, die man anwenden kann, zum Beispiel
Sauerstoffisotopen. Und das Vergleich man mit dem Mondgesteinen und
da kann man es zweifelsfrei eigentlich zuordnen, ok, das ist Material vom
Mond.
Sprecher:
Solche Vergleiche kann man bei Meteoriten die vom Mars stammen
nicht anwenden. Denn noch hat es keine Marsmission gegeben, bei
der Gesteinsproben mit zurück auf die Erde gebracht worden wären.
Meteorite, von denen die Wissenschaftler glauben, dass sie vom
Mars kommen, sind alle vulkanischen Ursprungs und weisen
ähnliche chemische Charakteristika und Eigenschaften auf.
OT11
Das Hauptargument warum man glaubt, dass es vom Mars kommt ist,
dass viele dieser Mars-Meteoriten offensichtlich an der Oberfläche ihres
Planetenkörper auch wieder von anderen Asteroiden getroffen wurden,
bei Einschlägen auf der Oberfläche und dabei haben sich so genannte
Schmelzgläser gebildet.
Sprecher:
Schmelzgläser sind Bereiche im Gestein, die durch hohe
Temperaturen und hohen Druck geschmolzen und dann wieder
schnell abgekühlt sind. Auslöser dafür kann beispielsweise der
Einschlag eines Asteroiden sein. Solche Schmelzgläser sind
zwischen einem halben Millimeter und einem Zentimeter groß, und
das besondere ist: In ihnen können atmosphärische Gase
eingeschlossen werden, sie bewahren also ein Stück Mars-
Atmosphäre. Auf der Erde hat man Meteoriten mit genau solchen
gefüllten Schmelzgläsern gefunden
OT12
Und diese Gase hat man gemessen in ihrer Zusammensetzung, man
konnte sie dann eben auch vergleichen mit
Atmosphärenzusammensetzungen, wie sie bei den ursprünglich mal bei
dem Viking-Missionen auf der Oberfläche vom Mars gemessen wurden.
Und da hat man festgestellt, das sind doch ganz ähnliche Element- und
auch Isotopenverhältnisse in dieser Gaszusammensetzung. Und die ist so
einzigartig wiederum im Vergleich zu anderen Meteoriten, dass der
Schluss relativ nahe lag, ok, wir haben da tatsächlich Material von der
Oberfläche von Mars.
Sprecher:
Die US-Weltraumbehörde NASA gibt an, dass schätzungsweise pro
Tag über 40 Tonnen kosmische Materie auf die Erde niederregnen.
Der Großteil davon ist allerdings sehr viel feines Material in
Staubkorngröße. Aber es fallen täglich auch Meteoriten auf unseren
Planeten. Da die Erdoberfläche hauptsächlich von Wasser bedeckt
ist, fallen viele solcher Objekte einfach ins Meer. Wird der Fall eines
Meteoriten über Land beobachtet, dann kann die Bahn berechnet
und der Ort des Aufpralls relativ gut bestimmt werden. Fällt ein
Meteorit unbeobachtet, sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass er
gefunden wird. Aber es gibt Gegenden auf der Erde, wo Meteoriten
leichter zu erkennen sind und heute besonders viele gefunden
werden. Zum Beispiel in Wüsten oder im Eis, beispielsweise in der
Antarktis. Dort fallen nichtirdische Gesteine eher auf.
OT13
Zum einen Vegetation spielt keine Rolle. In der Sahara zum Beispiel das
ist ein sehr großes Fundgebiet, wo in den letzten 10, 15 Jahren, 20 Jahren
sogar, sehr viele Meteorite gefunden worden, hat sich gezeigt das die
Verwitterungsraten sich auch in Grenzen halten. D.h. die Objekte
verwittern nicht so stark. Und wo man gezielt sucht ist dann eigentlich
nicht in den Sandwüsten, weil die Meteoriten der vom Sand zugedeckt
werden, sondern man geht in die Steinwüsten.
Sprecher:
Dort sucht man insbesondere auf Hochebenen, wo der feine Sand
ausgeblasen wird. Hier werden dadurch unter anderem Meteoriten
freigelegt. Jutta Zipfel erzählt von Objekten, die 70.000 Jahre in der
Wüste lagen und erst im Laufe dieser langen Zeit vom Wind
freigelegt worden sind.
OT14
Für die Eiswüste gilt im Prinzip dasselbe. Auch da Hauptfundgebiet nach
wie vor ist die Antarktis tatsächlich, dort wird auch systematisch nach
Meteoriten gesucht. Von zum Beispiel einem japanischen Suchprogramm,
es gibt auch ein nordamerikanisches US-Suchprogramm. Da werden die
Meteorite auch, die vor langer Zeit oder jetzt eben erst gestern auf die
Eisoberfläche fallen, zum Teil ins Eis eingeschlossen und dann mit dem
Eis transportiert. Und an bestimmten Stellen entlang vom
Transantarktischem Gebirge beispielsweise wird das Eis wieder nach
oben geschoben sozusagen und die Fallwinde abladieren die
Eisoberfläche und dann werden diese eingeschlossenen Meteorite
freigelegt und man kann sie dann eben auch einlesen und einsammeln.
Sprecher:
Suchte man noch bis vor 40 Jahren gezielt nach einzelnen
Meteoriten, deren Fall man beobachtet hatte, geht man heutzutage
wesentlich systematischer vor. Besonders in der Antarktis und in
Wüsten wird ständig nach diesen kosmischen Körpern gesucht, mit
Hilfe moderner Technik. Es gibt mehrere Such-Programme, bei
denen mit stationären Kameras und mit Radar-Aufnahmen
gearbeitet wird, um Meteoritenfälle zu beobachten.
OT15
Es gibt zum Beispiel so ein stationäres Kamera-Netzwerk in der
Nullarbor-Wüste in Australien, die jetzt immer mehr Lichterscheinungen
von Meteoritenfällen aufgenommen haben und diese Daten dann
auswerten und somit eben berechnen können wo dieser Meteorit
niedergegangen ist und dann auch gezielt suchen können an der Stelle.
Und sie haben auch einige gefunden basierend auf dieser Beobachtung.
D.h. man geht jetzt doch zurück auf nicht nur Augenzeugenberichte
sondern auch instrumentelle Hilfsmittel, die es ermöglicht, viele zu
erfassen.
Sprecher:
Warum aber dieser Aufwand? Warum sind Meteoriten für die
Forschung so interessant? Es sind viele Fragen, die im Zentrum der
Meteoritenforschung stehen, sagt Jutta Zipfel. Eine davon betrifft die
Asteroiden, die sich im Asteroiden-Gürtel zwischen Mars und
Jupiter bewegen. Sie bestehen im Grunde nach wie vor aus dem
ersten Material, das sich in unserem Sonnensystem gebildet hat.
Unsere Erde hingegen hat sich im Laufe ihrer Geschichte immer
wieder verändert.
OT 16
Die Erdoberfläche ist nicht mehr die Erdoberfläche wie sie vor 4,5
Milliarden Jahren aussah, das ist uns allen bewusst. Aber mit diesen
Meteoriten haben wir die Chance auf Material zu gucken, das vor 4,56
Milliarden Jahren gebildet wurde und das im Wesentlichen auch so noch
heute aussieht.
Sprecher:
Dadurch eröffnen sich für die Wissenschaftler viele Möglichkeiten.
OT17
Das heißt man kann sehr vieles lernen über die chemische
Zusammensetzung des Sonnensystems. Über die Bildungsbedingungen
von festem Material im Sonnensystem. Über die Prozesse die zur Bildung
von Kleinplaneten und dann eben auch zur Bildung von planetaren
Körpern wie der Erde geführt haben. Auch die chemische Entwicklung
des Sonnensystems, die chemische Entwicklung von solchen planetaren
Körpern.
Sprecher:
Das Material aus den Anfängen unseres Sonnensystems kann auch
darüber Aufschluss geben, wie schnell sich die Planeten gebildet
haben oder wie homogen das Material für die Bausteine der
Planeten war. Ein weiterer Schwerpunkt der Meteoritenforscher ist
mittlerweile die vergleichende Planetologie. Was unterscheidet zum
Beispiel die Erde vom Mars. Den Mars vom Mond, oder auch den
Merkur von der Venus. Letztlich geht es darum, zu ergründen wie
unser Sonnensystem entstanden ist.
OT18
Im Wesentlichen, aus welchem Material ist unser Sonnensystem
entstanden, wann ist unser Sonnensystem entstanden und wie haben sich
diese ganzen planetaren Körper bis hin zu den terrestrischen Planeten
daraus gebildet oder wie sind die entstanden. Und welche Evolution
haben die dann auch durchgemacht. Warum haben manche eine
Atmosphäre, andere nicht. Natürlich auch dann die Frage zur Entstehung
des Lebens, das ist sicherlich auch ein wichtiger Teilaspekt davon.
Sprecher:
Jutta Zipfel interessiert sich in ihrer Forschung insbesondere für die
Eisenmeteorite, also für die Bruchstücke von Asteroiden aus dem
Asteroiden-Gürtel. Sie will herausfinden, wie der Asteroid, aus dem
der Eisenmeteorit stammt, chemisch zusammengesetzt war und
wie er sich gebildet hat. Die Fragen die dabei im Mittelpunkt stehen
sind zum Beispiel: Wie schnell ist so ein Asteroid entstanden und
welche Entwicklung hat er im Laufe der Zeit durchgemacht. Der
Eisen-Nickel-Meteorit von Treysa steht momentan nicht im Zentrum
ihrer Forschung. Sie findet ihn aber vor allem aus historischer Sicht
spannend.
OT19
Die ganzen Fundumstände und die ganzen Fall-Berichte und die Rolle,
die Wegener spielte, auch in der Frage wie der Meteorit von Treysa
aufgefunden wurde. Und dass er überhaupt aufgefunden wurde, das finde
ich einfach auch aus so einem historischen Blickwinkel eine sehr
spannende Frage. Es ist ein sehr schönes Beispiel, wie Meteoriten als
was Besonderes wahrgenommen worden und auch heute noch werden
und das da schon ein Drang danach besteht, dass man diese Objekte
danach findet und bewahren kann.
Sprecher:
Dann öffnet sie noch einmal einen der metallischen Schränke, in der
die Meteoriten lagern. Sie holt eine Plastikschachtel hervor, die
Bohrspäne enthält. Diesen stammen vom Meteoriten von Treysa.
Atmo: Schublade öffnen / Bohrspäne in der Plastikschachtel rascheln.
OT20
Die Bohrspäne die kann man durchaus noch analysieren. Man hat jetzt
zwar keine Kontrolle darüber, wo genau die herkommen aus welchem
Stück aus welcher Position. Aber wenn es jetzt darum geht die chemische
Zusammensetzung nachzuschauen oder noch mal die Mineralogie, dann
kann man die durchaus auflösen in Säure und noch mal analysieren. Das
kann man ganz gut benutzen. Oder einbetten und macht einen Anschliff
draus und guckt sich an wie das aussieht.
Sprecher:
Zurück im Mineralogischen Museum in Marburg. Im Meteoriten von
Treysa erkennt man deutlich ein Bohrloch. Und es verleitet einen
dazu zu glauben, dass die Späne aus diesem Bohrloch in der
Senckenberg-Sammlung in Frankfurt liegen. Doch das kann heute
niemand mehr genau sagen und nachvollziehen. Museumsleiter
Peter Masberg sagt, man habe mit der Bohrung vermutlich
überprüfen wollen, wie homogen der Eisen-Brocken ist und ob er
Innen die gleiche Zusammensetzung hat wie Außen. Der Meteorit
von Treysa war und ist noch immer für Wissenschaftler interessant.
OT21
Ja, es ist viel geforscht worden, es wird immer noch geforscht. Es wird
jetzt auch 2016 zum 100-jährigen Geburtstag, des Fall-Geburtstags, eine
neue Arbeit von einem amerikanischen Kollegen herausgegeben. In dem
also neue Zusammensetzungen und Schmelzmodelle für die Entstehung
dieses Eisenmeteoriten dargestellt werden.
Sprecher:
Selbst heute noch, 100 Jahre nach seinem Fall, ist der Meteorit von
Treysa Gegenstand der Forschung. Und auch auf Peter Masberg übt
er eine ganz besondere Faszination aus.
OT22
Der Meteorit von Treysa ist faszinierend, weil er zunächst mal zu den
sechs Meteoriten zählt die hessischen Boden getroffen haben. Dann ist er
der größte Meteorit dessen Fall beobachtet worden ist in Deutschland. Er
ist der erste Meteorit der aufgrund von subjektiven Beobachtungen durch Alfred Wegener ausgewertet - gefunden worden ist.
Sprecher:
Ohne den Einsatz von Alfred Wegener wäre der Meteorit wohl
niemals gefunden worden. An der Stelle im Wald, wo der Meteorit
vor 100 Jahren niedergegangen ist, ist übrigens nichts mehr davon
zu sehen. Nur eine Gedenktafel weist auf das historische Ereignis
hin.
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