der beginn der bipolarität

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Informationen zur politischen Bildung (Heft 245)
Der Beginn der Bipolarität
Manfred Görtemaker
Inhalt
Einleitung
Aufstieg der USA und der UdSSR
Anglo-Amerikanische Allianz
Anti-Hitler-Koalition
Wachsende Kluft
Die Aufteilung Europas
Potsdamer Konferenz
Beginn des Atomzeitalters
Weltwährungssystem
Gründung der UNO
Einleitung
Der Ost-West-Konflikt war von 1945 bis 1990 das bestimmende
Merkmal der Weltpolitik. Er war gekennzeichnet durch die
machtpolitische Rivalität zwischen den USA und der UdSSR sowie
dem weltanschaulichen Gegensatz von Kommunismus und
westlicher Demokratie. Die Auseinandersetzung zwischen den
gegensätzlichen Systemen nahm zunächst die Form eines "Kalten
Krieges" an und eskalierte mehrfach bis an den Rand eines
Atomkrieges. Nach der Erfahrung der Berlin- und Kuba-Krise
1961/62 bemühte man sich in beiden Lagern verstärkt um
Entspannung und friedliche Koexistenz, um einen
selbstzerstörerischen Nuklearkrieg zu vermeiden. Doch erst nach
dem Zusammenbruch der sowjetischen Herrschaft in Osteuropa
im Gefolge der Revolution von 1989 und der anschließenden
Selbstauflösung der Sowjetunion durch Aufkündigung des
Unionsvertrages von 1922 sowie der Gründung der
"Gemeinschaft Unabhängiger Staaten" (GUS) fand der
Ost-West-Konflikt ein - zumindest vorläufiges - Ende.
Seit dem 19. Jahrhundert als Auseinandersetzung zwischen
"östlicher" und "westlicher" Zivilisation oft vorhergesagt und seit
der Oktoberrevolution in Rußland 1917 als Ringen zwischen
liberalkapitalistischen Prinzipien und staatssozialistischen Ideen
unmittelbar erwartet, wurde das internationale System nach dem
Zweiten Weltkrieg durch den Ost-West-Konflikt maßgeblich
geprägt. Das Doppelereignis der Oktoberrevolution in Rußland
und des Eintritts der USA in den Krieg der europäischen Mächte,
der sich dadurch zum Ersten Weltkrieg ausweitete, schuf zwar
bereits 1917 eine Konstellation, in der sich die spätere
Entwicklung abzeichnete. Doch erst der Krieg Hitlers und die
damit verbundene Zerschlagung der politischen Strukturen
Mitteleuropas, die es den "Randmächten" USA und Sowjetunion
erlaubten, das politische Vakuum in Europa zu füllen, machte die
Ost-West-Konfrontation möglich.
Aufstieg der USA und der UdSSR
Der Zweite Weltkrieg bedeutete einen tiefen Einschnitt in den
internationalen Beziehungen. Die Veränderungen, die sich durch
den von Hitler begonnenen Krieg vollzogen, führten nicht nur zur
Zerschlagung der Macht Deutschlands und Italiens in Europa
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sowie Japans im Fernen Osten, sondern auch zum Ende des
"europäischen Zeitalters" in der Weltpolitik. Sie öffneten damit
zugleich die Schleusen für den zunehmenden Einfluß der
bisherigen "Randmächte" USA und Sowjetunion auf die
internationale Politik. Die USA und die UdSSR lösten die
klassischen europäischen Großmächte als bestimmende Faktoren
ab und stiegen selbst zu Welt- und Supermächten auf.
Dabei hatten die USA und die Sowjetunion in den dreißiger
Jahren zunächst große Mühe gehabt, sich überhaupt
außenpolitisch zu etablieren. Der amerikanische Präsident
Franklin D. Roosevelt sah sich nach seiner Amtsübernahme 1933
vor schwere wirtschaftliche Probleme gestellt, die von der
Weltwirtschaftskrise - ab 1929 - heraufbeschworen worden
waren. Er versuchte mit einem umfangreichen Aufbau- und
Hilfsprogramm im Rahmen des sogenannten "New Deal", die
ökonomischen und sozialen Schwierigkeiten zu überwinden. Für
eine aktive Außenpolitik blieb dabei anfangs nur wenig Raum.
Ein striktes Neutralitätsgesetz, das der Kongreß 1935 erließ,
band dem Präsidenten überdies die Hände, so daß ein Eingreifen
der USA in militärische Konflikte, die nicht im unmittelbaren
Sicherheitsinteresse der USA lagen, unmöglich war. Erst im
Oktober 1937 gab der Präsident seine außenpolitische
Zurückhaltung auf: Angesichts der totalitären Bewegungen in
Europa und des militärischen Vorgehens von Japan gegen China
im Fernen Osten forderte er in seiner berühmt gewordenen
"Quarantäne-Rede" die Isolierung aller aggressiven Staaten von
der Völkergemeinschaft. Doch den energischen Worten folgten
zunächst keine Taten.
Die Sowjetunion war zu dieser Zeit ebenfalls weitgehend mit sich
selber beschäftigt. Stalin suchte seine Macht zu sichern, indem er
jeden Widerstand gegen seine Politik brutal unterdrückte und
allein zwischen 1936 und 1938 mindestens acht Millionen
Menschen in Lager und Gefängnisse einsperren oder umbringen
ließ. Zugleich trieb er seine Kollektivierungs- und
Industrialisierungspläne voran und setzte damit unter großen
Entbehrungen der Bevölkerung den Wandel der Sowjetunion vom
Agrarland zum Industriestaat durch. Erst die aufkeimende
Bedrohung durch den deutschen Nationalsozialismus, die noch
durch russisch-japanische Grenzzwischenfälle im Fernen Osten
verstärkt wurde, zwang Stalin schließlich, sich ebenfalls vermehrt
der Außenpolitik zuzuwenden.
Angesichts der Appeasement-Politik (Politik des
Entgegenkommens) der Westmächte gegenüber dem
nationalsozialistischen Deutschland, die im Münchener
Abkommen vom September 1938 gipfelte, strebte Stalin nun
sogar ein Bündnis mit Hitler-Deutschland an. Zuvor hatte er im
Vorfeld der Münchener Konferenz vergeblich eine gemeinsame
Erklärung Großbritanniens, Frankreichs und der Sowjetunion zum
Schutz der Tschechoslowakei und die Ausarbeitung eines
Verteidigungsplanes vorgeschlagen. Da Stalin befürchten mußte,
daß Hitler sich nach den Zugeständnissen der Westmächte in
München mit neuen Ansprüchen nach Osten wenden würde,
bemühte er sich somit um eine Anpassung der sowjetischen
Außenpolitik an das gewandelte internationale Umfeld. Das
Ergebnis waren der im August 1939 unterzeichnete
deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt sowie ein geheimes
Zusatzprotokoll, in dem die Aufteilung Polens, die Angliederung
des Baltikums an die Sowjetunion und das deutsche Desinteresse
an Bessarabien vereinbart wurden.
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Mit dem Abschluß des "Hitler-Stalin-Paktes" am 31. August 1939,
der in Westeuropa und den USA große Überraschung und
Bestürzung auslöste, wurde deutlich, daß nun auch das Schicksal
Polens, an das Hitler ähnliche Forderungen stellte wie an die
Tschechoslowakei, besiegelt war. Selbst in den USA, wo man in
den Jahren zuvor geneigt gewesen war, die Europa-Politik
weitgehend den Briten und Franzosen zu überlassen, begann man
zu begreifen, daß man den Entwicklungen nicht länger tatenlos
zusehen durfte. Allerdings kam es vorerst nur zu persönlichen
Appellen Roosevelts an Hitler, Mussolini und den polnischen
Staatspräsidenten Moscicki, sich um eine diplomatische Lösung
des Konflikts zu bemühen. Nach dem deutschen Überfall auf
Polen am 1. September 1939, der den Zweiten Weltkrieg
auslöste, bekräftigte Roosevelt erneut die Neutralität der USA.
Daran änderte sich selbst dann noch nichts, als am 17.
September die sowjetische Armee in Ostpolen einmarschierte und
Deutsche und Russen am 28. September einen Grenz- und
Freundschaftsvertrag unterzeichneten, in dem sie Polen nach der
Kapitulation der deutschen und sowjetischen Oberhoheit
unterstellten. Doch die moralische Empörung über diese
Mißachtung aller Grundsätze des Völkerrechts war in den USA
ebenso groß wie etwa in Großbritannien, das Deutschland bereits
am 1. September den Krieg erklärt hatte. Sie nahm noch zu, als
die Sowjetunion nach dem Sieg über Polen auch Litauen, Estland
und Lettland unter ihre Kontrolle brachte (im August 1940
wurden sie als Sowjetrepubliken einverleibt) und im Oktober
1939 schließlich auch die finnische Regierung mit stattlichen
Gebietsforderungen konfrontierte, die sie im Winterkrieg 1939/40
teilweise mit Waffengewalt durchsetzte. Vor allem das
sowjetische Verhalten gegenüber den Finnen, die in der
anglo-amerikanischen Welt große Sympathien genossen, trug
dazu bei, daß die antisowjetische Stimmung im Westen einen
neuen Höhepunkt erreichte.
1940 wurde deshalb die Sowjetunion aus dem Völkerbund
ausgeschlossen. Die US-Regierung verhängte zudem ein
sogenanntes "moralisches Embargo", um amerikanische Firmen
davon abzuhalten, insbesondere strategische Güter, wie
Flugzeuge, Treibstoffe und Metalle, in die Sowjetunion zu
exportieren. Die Entrüstung in der amerikanischen Öffentlichkeit
über das deutsche und sowjetische Machtstreben reichte
allerdings auch 1940 noch nicht aus, ein Eingreifen der USA in
den Krieg, der nach wie vor die amerikanische Sicherheit nicht
unmittelbar bedrohte, zu befürworten.
Anglo-Amerikanische Allianz
Mit dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion im Juni 1941
änderte sich diese Lage von Grund auf. Nachdem deutsche
Truppen im September 1939 Polen und im Frühjahr und Sommer
1940 Dänemark, Norwegen, die Niederlande, Belgien und
schließlich Frankreich überrannt hatten, drohte jetzt bei einem
deutschen Erfolg gegen Rußland die völlige nationalsozialistische
Herrschaft über den europäischen Kontinent. Im amerikanischen
Außenministerium rechnete man mit einem Zusammenbruch der
Sowjetunion innerhalb von drei Monaten. Schließlich war die
sowjetische Armee in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre
weitreichenden "Säuberungen" unterworfen worden und hatte
1939/40 nur mit Mühe das kleine Finnland bezwingen können.
Der britische Premierminister Winston Churchill, der im Falle der
sowjetischen Niederlage eine deutsche Invasion der britischen
Inseln befürchtete, sagte Stalin deshalb noch am Tag des
deutschen Angriffs die englische Unterstützung gegen Hitler zu.
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Präsident Roosevelt, dessen Abneigung gegen den sowjetischen
Kommunismus bisher ebenso groß gewesen war wie gegen den
deutschen Nationalsozialismus, gab seine Hilfszusage nur eine
Woche später. Er hatte Großbritannien trotz aller Widerstände in
der amerikanischen Öffentlichkeit und im Kongreß gegen einen
unmittelbaren Kriegseintritt der USA bereits seit 1939 mit Waffen
und anderen Hilfsgütern versorgt. Am 11. März 1941 setzte
Roosevelt im Kongreß ein Leih-Pacht-Gesetz (lend-lease) zur
Ausweitung der Unterstützung durch, um die USA, wie er zur
Begründung erklärte, zum "Zeughaus der Demokratie" zu
machen. Dabei wollte er auch die UdSSR in ihrem Kampf gegen
Hitler-Deutschland unterstützen.
Die Zusammenarbeit mit der Sowjetunion war allerdings weder
für Roosevelt noch für Churchill eine Selbstverständlichkeit. Zwar
war die Allianz unter machtpolitischen Gesichtspunkten - als
sogenannte "Anti-Hitler-Koalition" - zu rechtfertigen. Dennoch
blieb sie ein künstliches, "unnatürliches" Bündnis, das zur
anglo-amerikanischen Übereinstimmung, die aus der
Gemeinsamkeit der demokratischen Werte herrührte, in einem
bemerkenswerten Kontrast stand.
Um den Gegensatz auch nach außen deutlich zu machen und
zugleich die amerikanisch-britische Solidarität zu betonen, trafen
Roosevelt und Churchill im Sommer 1941 vor der Küste
Neufundlands an Bord der Schiffe "Augusta" und "Prince of
Wales" zusammen. Hier verabschiedeten sie am 14. August die
Atlantik-Charta, die unter Rückgriff auf Woodrow Wilson
britisch-amerikanische Grundsätze für eine internationale
Staatenordnung verkündete: Selbstbestimmungsrecht der Völker
und freie Wahl der Regierungsform, Ablehnung territorialer
Annexionen, Gewaltverzicht und weltweite wirtschaftliche
Zusammenarbeit ohne Handelsschranken.
Anti-Hitler-Koalition
Für die Sowjetunion war die Unterstützung durch Großbritannien
und vor allem durch die USA - trotz der weltanschaulichen und
politischen Gegensätze - von lebenswichtiger Bedeutung. Denn
die rasch vorrückenden deutschen Truppen waren von der
schlecht ausgerüsteten sowjetischen Armee zunächst nicht zu
stoppen, obwohl Stalin den Kampf gegen Deutschland zum
"Großen Vaterländischen Krieg" erklärte und damit an den
russischen Patriotismus appellierte.
Tatsächlich umfaßten die amerikanischen Lieferungen an die
Sowjetunion bereits im ersten Vierteljahr Waren im Wert von 145
Millionen Dollar, ehe der Kongreß im November 1941 die
Verteidigung Sowjetrußlands als "lebenswichtig für die
amerikanische Sicherheit" bezeichnete. Damit schufen sie die
Voraussetzungen für eine Einbeziehung der UdSSR in das
Leih-Pacht-Programm. Danach konnten die Lieferungen nahezu
beliebig ausgeweitet werden. Roosevelt, der die Sowjetunion
jetzt einen "angemessenen Partner" für eine amerikanische
Unterstützung nannte, räumte dem Kreml daher sogleich einen
zinsfreien Kredit über eine Milliarde Dollar zum Ankauf
kriegswichtiger Güter ein.
Stalin zeigte sich für diese Hilfe, auf die er dringend angewiesen
war, auch durchaus erkenntlich. So vermied er es von Anfang an,
den Krieg als einen "Kampf um die Weltrevolution" zu führen, und
verfügte im Mai 1943 sogar die Auflösung der Komintern, um den
Westmächten sein Entgegenkommen zu signalisieren. Zudem
bekannte er sich im September 1941 grundsätzlich zu den
Prinzipien der Atlantik-Charta, die er später - auf der Konferenz
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von Jalta im Februar 1945 - sogar unterzeichnete. Roosevelt
leitete daraus die Hoffnung ab, die Zusammenarbeit zwischen Ost
und West werde nicht nur ein taktisch bedingter Schachzug zur
Niederringung Hitler-Deutschlands sein, sondern sich zu einem
langfristig gültigen Grundzug der internationalen Beziehungen
entwickeln.
Quellentext
Die Atlantik-Charta
14. August 1941:
Der Präsident der Vereinigten Staaten und Premierminister
Churchill, als Vertreter von Seiner Majestät Regierung in dem
Vereinigten Königreich, erachteten es bei ihrem
Zusammentreffen für richtig, gewisse allgemeine Grundsätze der
nationalen Politik ihrer beiden Länder bekanntzumachen, von
denen sie eine bessere Zukunft für die Welt erhoffen.
Erstens, ihre Länder streben nach keiner Vergrößerung, weder
auf territorialem Gebiet noch anderswo.
Zweitens, sie wünschen keine territorialen Änderungen, die nicht
mit dem frei zum Ausdruck gebrachten Wunsch der betreffenden
Völker übereinstimmen.
Drittens, sie achten das Recht aller Völker, sich die
Regierungsform zu wählen, unter der sie leben wollen. Sie
wünschen die obersten Rechte und die Selbstregierung der
Völker wiederhergestellt zu sehen, denen sie mit Gewalt
genommen wurden.
Viertens, sie werden, unter gebührender Achtung ihrer
bestehenden Verpflichtungen, darnach streben, daß künftig alle
Staaten, große und kleine, Sieger und Unterlegene,
gleicherweise Zugang zum Handel und den Rohmaterialien der
Welt haben, die sie für das Gedeihen ihrer Wirtschaft benötigen.
Fünftens, sie wünschen die engste Zusammenarbeit aller
Nationen auf wirtschaftlichem Gebiet, um bessere Löhne,
wirtschaftlichen Fortschritt und soziale Sicherheit zu
gewährleisten.
Sechstens, nach der endgültigen Vernichtung der Nazityrannei
hoffen sie auf einen Frieden, der allen Nationen die Möglichkeit
bietet, innerhalb der eigenen Grenzen sicher zu leben, und der
allen Menschen die Sicherheit gibt, in ihren Ländern frei von Not
und Furcht zu leben.
Siebentens, ein solcher Friede würde allen Menschen gestatten,
ungehindert die Meere und Ozeane zu überqueren.
Achtens, sie glauben, daß alle Nationen der Welt, sowohl aus
praktischen wie aus sittlichen Gründen, dazu kommen werden,
auf Gewaltanwendung zu verzichten.
Da kein künftiger Friede aufrecht zu erhalten ist, so lange die
Rüstungen zu Land, zur See und in der Luft von Nationen
weiterhin zum Angriff außerhalb der Grenzen eingesetzt werden,
glauben sie auch, daß es wesentlich ist, diese Nationen zu
entwaffnen, bis ein umfassenderes und dauerndes System der
allgemeinen Sicherheit geschaffen wurde. [...]
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Quelle: Wolfgang Lautemann/Manfred Schlenke (Hrsg.),
Weltkriege und Revolutionen 1914-1945, Geschichte in Quellen,
München 1979, S. 491.
Ungeachtet aller ideologischen Gegensätze wurde die
Zusammenarbeit der Anti-Hitler-Koalition somit ein Erfolg. Vor
allem die Abwicklung des Leih-Pacht-Programms der USA verlief
bemerkenswert reibungslos. Das Programm, das ursprünglich mit
sieben Milliarden Dollar dotiert war, umfaßte bis zu seiner
Aufhebung am 21. August 1945 schließlich mehr als 43,6
Milliarden Dollar und damit 14 Prozent der gesamten
amerikanischen Verteidigungsausgaben im Zweiten Weltkrieg.
Die Sowjetunion erhielt davon Lieferungen - Kriegs- und
Industriematerial, einschließlich kompletter Produktionsanlagen im Wert von etwa zwölf Milliarden Dollar, die wesentlich dazu
beitrugen, die Kampfkraft der sowjetischen Armee zu stärken. Im
einzelnen zählten dazu 14800 Flugzeuge, 427000 dreiachsige
Lastkraftwagen, 50000 Jeeps, 420000 Tonnen Aluminium sowie
2,12 Millionen Tonnen Stahl und 2,5 Millionen Tonnen Erdöl und
Benzin.
Doch die Zusammenarbeit funktionierte nicht nur in materieller
Hinsicht. Auch über die unmittelbaren Kriegsziele waren sich die
Verbündeten weitgehend einig. Nachdem die USA nach dem
japanischen Überfall auf Pearl Harbor am 7. Dezember 1941
offiziell in den Krieg eingetreten waren, verständigte man sich
rasch darauf, daß die Achsenmächte - vor allem Deutschland und
Japan - niedergerungen und entwaffnet werden sollten. Dabei
wollte man, wie Churchill und Roosevelt auf der Konferenz von
Casablanca im Januar 1943 vereinbarten, zunächst alle Kräfte auf
Deutschland konzentrieren (Germany first), um dessen
bedingungslose Kapitulation zu erreichen. Allerdings bestand von
vornherein eine prinzipielle Unvereinbarkeit zwischen den
Rooseveltschen Vorstellungen einer "gemeinsamen Weltordnung"
nach dem Kriege (one world) und den Stalinschen Forderungen
zur Erfüllung der sowjetischen Sicherheitsbedürfnisse.
Wachsende Kluft
Diese Kluft wurde schon zu Beginn der amerikanisch-sowjetischen
Zusammenarbeit 1941 erkennbar, als die UdSSR sich unter
Mißachtung der Grundsätze der Atlantik-Charta weigerte, die
aufgrund des Hitler-Stalin-Paktes besetzten Gebiete wieder
aufzugeben. Präsident Roosevelt zog es daraufhin vor, die
Klärung von Einzelfragen der Nachkriegsordnung bis zum Sieg
über Deutschland zu verschieben (Politik der Verschiebung =
policy of postponement), um angesichts der gewaltigen
militärischen Aufgaben den Fortbestand der Anti-Hitler-Koalition
nicht zu gefährden.
Die Zusammenarbeit der "Großen Allianz" war auch durch andere
Probleme überschattet. Dazu gehörte vor allem die Befürchtung,
daß einer der Alliierten aus dem Bündnis ausscheren und einen
Separatfrieden mit Deutschland schließen könne. Tatsächlich kam
es von Juni bis September 1943 in Stockholm und Lissabon zu
Kontakten zwischen Deutschen und Russen, ohne daß die
Gespräche jedoch zu einem konkreten Ergebnis geführt hätten.
Noch vor der Konferenz von Teheran im Dezember 1943 wurden
sie - offenbar auf Anweisung Hitlers - abgebrochen.
Errichtung einer zweiten Front
Zur ersten großen Belastungsprobe wurde die Frage der
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Errichtung einer Zweiten Front. Stalin hatte bereits 1941 eine
westalliierte Angriffslinie für das folgende Jahr gefordert, um die
russische Kriegführung zu entlasten, die sich dem Hauptansturm
der deutschen Armeen gegenübersah. Als eine entsprechende
Zusage Roosevelts von den militärisch noch ungenügend
vorbereiteten Westmächten weder 1942 noch 1943 eingehalten
werden konnte, verdächtigte Stalin seine Verbündeten, den
Frontaufbau bewußt hinauszuzögern, um die Russen im Kampf
gegen die Deutschen verbluten zu lassen.
Auch in der Frage der internationalen Nachkriegsordnung traten
die Gegensätze zwischen Ost und West allmählich schärfer
hervor, obwohl die "Politik der Verschiebung" von Entscheidungen
einen offenen Konflikt zunächst verhinderte. Während Roosevelt entsprechend den Prinzipien der Atlantik-Charta - seine
Bündnispartner auf die Grundsätze von Demokratie und
nationalem Selbstbestimmungsrecht festzulegen suchte und zur
Verwirklichung einer ungeteilten Welt ohne Handelsschranken
aufrief, ließ sich Stalin hauptsächlich von sowjetischen
Sicherheitsvorstellungen leiten.
Bereits bei der Bildung der Anti-Hitler-Koalition hatte der
sowjetische Diktator nicht nur die Anerkennung seiner
Annexionen, sondern auch Reparationen zur Entschädigung der
sowjetischen Kriegsverluste aus sicherheitspolitischen Gründen
verlangt. Darüber hinaus forderte er die Einsetzung
sowjetfreundlicher Regierungen in den Nachbarländern der
UdSSR und damit "einen bestimmten Grad von Einmischung in
deren innere Angelegenheiten" (Thomas Weingartner). Macht als
Sicherheitsinteresse und Ideologie waren, so Karl-Heinz
Ruffmann, "nicht alternative oder gar sich widersprechende,
sondern komplementäre Aspekte der - dennoch (oder gerade
deshalb!) keineswegs widerspruchsfreien - sowjetischen Politik".
Anders ausgedrückt: Ein Gürtel von "Satellitenstaaten" in Ostund Ostmitteleuropa sollte sowohl dem ausgeprägten
sowjetischen Sicherheitsbedürfnis als auch dem Streben nach
Ausdehnung des kommunistischen Herrschaftsbereiches gerecht
werden.
Im übrigen lehnte Stalin keineswegs alle Vorstellungen des
amerikanischen Präsidenten ab. So konnte er beispielsweise
dessen Plan zur Gründung einer Organisation der Vereinten
Nationen (United Nations Organisation = UNO) oder der Idee,
vier "Weltpolizisten" - die USA, Großbritannien, die UdSSR und
China - zu Garantiemächten des neuen Weltsystems zu ernennen,
durchaus positive Seiten abgewinnen. Aber er war nicht bereit,
sein grundlegendes Ziel der Machtbefestigung der UdSSR
zugunsten der Angebote Roosevelts aufzugeben, auch wenn
dessen Überlegungen von der Fortsetzung der
amerikanisch-sowjetischen Zusammenarbeit nach dem Kriege
ausgingen und damit praktisch eine Sicherheitsgarantie für die
Sowjetunion bedeuteten.
Die Aufteilung Europas
Als die Sowjetunion mit dem Sieg von Stalingrad Anfang 1943 zu
einem militärischen Machtfaktor ersten Ranges aufstieg, wuchs
sie auch innerhalb der Anti-Hitler-Koalition in eine
Führungsposition hinein, die sich wesentlich von der Rolle des
Bittstellers unterschied, in der sich die UdSSR noch 1941/42
befunden hatte. Das sowjetische Selbstbewußtsein machte sich
bereits bei den alliierten Kriegskonferenzen bemerkbar, auf
denen ab 1943 versucht wurde, Lösungen für die Gestaltung der
Welt nach dem Kriege zu finden.
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Stalin drängte nun immer offener auf die Verwirklichung seines
Machtkonzeptes, das der Sowjetunion eine Einflußsphäre in
Osteuropa zuerkennen sollte, während Roosevelt weiter auf einer
"Politik der offenen Tür" und der Verwirklichung demokratischer
Gesellschaftssysteme in allen Ländern beharrte. Im Oktober 1943
wurde deshalb auf einer Außenministerkonferenz der USA,
Großbritanniens und der Sowjetunion in Moskau beschlossen,
eine Europäische Beratende Kommission (European Advisory
Commission = EAC) einzusetzen, die sich mit der Ausarbeitung
von Plänen für die europäische Nachkriegsordnung befassen
sollte.
Zwei Monate später, vom 28. November bis 1. Dezember 1943,
trafen Churchill, Roosevelt und Stalin in Teheran erstmals zu
einer Konferenz der "Großen Drei" zusammen. Da Ergebnisse der
EAC noch nicht vorlagen, konnte man sich zunächst nur über
allgemeine Grundsätze einigen. Dazu gehörten vor allem die
Zerstückelung Deutschlands (dismemberment) und die
Wiederherstellung Österreichs in den Grenzen von 1937 sowie die
prinzipielle Zustimmung der Westmächte zu der von Stalin
geforderten neuen polnischen Ostgrenze entlang der
"Curzon-Linie" (1919 zunächst als Ostgrenze vorgesehene Linie
entlang der Flüsse Bug und San), die mit einer Entschädigung
Polens im Westen auf Kosten Deutschlands einhergehen sollte
(Westverschiebung Polens). Außerdem verständigte man sich
darauf, im Frühjahr 1944 endlich die Zweite Front in Frankreich
zu errichten.
Eine genaue Abgrenzung von Einflußsphären wurde in Teheran
jedoch nicht vorgenommen, weil Roosevelt nach wie vor hoffte,
daß es gelingen werde, Stalin auf die Einhaltung der Grundsätze
der Atlantik-Charta und zur vorbehaltlosen Anerkennung der
Souveränität aller Staaten verpflichten zu können. Da Churchill
frühzeitig die Gefahr eines Vordringens der sowjetischen Armee
nach Ost- und Mitteleuropa und der damit verbundenen
Ausdehnung des sowjetischen Herrschaftsbereiches erkannt
hatte, war er in dieser Hinsicht weniger optimistisch. Bereits
1941/42 hatte er deshalb mehrfach versucht, Roosevelt zu
überzeugen, die Zweite Front auf dem Balkan zu errichten, um
von dort aus ein ungehindertes Vordringen der Sowjetmacht in
Ost- und Mitteleuropa zu blockieren. Doch weil Roosevelt die
Zusammenarbeit mit der Sowjetunion nicht gefährden wollte,
hatte er sich entschieden, dem Wunsch Stalins zu entsprechen
und den Hauptstoß gegen Deutschland von Frankreich aus zu
führen. Churchill bemühte sich daher im Oktober 1944 in Moskau
noch im Alleingang um eine Einigung mit Stalin über
Interessensphären. Die von beiden getroffenen Absprachen über
Südosteuropa wurden jedoch von der amerikanischen Regierung
nicht anerkannt, so daß sie offiziell keine Gültigkeit erlangten.
Schaffung vollendeter Tatsachen
Schon im Spätsommer 1944 kontrollierte die Sowjetunion nahezu
den gesamten osteuropäischen Raum, nachdem auch Bulgarien
und Rumänien von sowjetischen Truppen besetzt worden waren,
ohne daß es alliierte Vereinbarungen gegeben hätte, wie mit
diesen Gebieten in Zukunft zu verfahren sei. Ein besonderes
Kapitel war die Entwicklung in Polen, wo Stalin im Juli 1944 das
von prosowjetischen Kräften gegründete Lubliner Komitee als
einzige Vertretung Polens anerkannte. Er setzte sich damit nicht
nur in Gegensatz zur polnischen Exilregierung in London, sondern
weckte auch neues Mißtrauen bei den Alliierten. Denn immerhin
war die Exilregierung aus Wahlen, die im November 1938
stattgefunden hatten, und einem im März und April 1939
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geschlossenen "Burgfrieden" zwischen Opposition und Regierung
in Polen hervorgegangen und konnte somit auf demokratische
Legitimität verweisen. Dagegen stellte das Lubliner Komitee eine
reine Kadergründung prosowjetischer Kräfte dar.
Das rücksichtslose Vorgehen Stalins wurde erneut deutlich, als
die sowjetische Armee im Januar 1945 auch Warschau eroberte
und das kommunistisch gelenkte Komitee sofort die Rolle der
neuen polnischen Regierung übernahm. Vertretern der Londoner
Exilregierung wurde die Rückkehr nach Polen verweigert. Nach
westlicher Auffassung zeichnete sich damit ab, was viele
befürchtet hatten: eine Politik der "Schaffung vollendeter
Tatsachen" und die sowjetische Vorherrschaft in Osteuropa ohne
Rücksicht auf die Interessen der betroffenen Völker oder die
Prinzipien des Völkerrechts und der Atlantik-Charta.
Präsident Roosevelt - zu Beginn des Jahres 1945 bereits von
schwerer Krankheit gezeichnet - hoffte trotzdem auf eine
einvernehmliche Regelung der Nachkriegsordnung, zumal die
zweite Konferenz der "Großen Drei", die vom 4. bis 11. Februar
1945 in Jalta auf der Krim stattfand, dafür einige Anhaltspunkte
zu bieten schien. Denn man verständigte sich hier nicht nur auf
die Bildung einer polnischen provisorischen Regierung unter
Beteiligung der Londoner Exilregierung und die Einberufung einer
Konferenz zur Gründung der Vereinten Nationen, sondern bewog
Stalin auch dazu, sich zum Selbstbestimmungsrecht der Völker zu
bekennen, die Abhaltung freier Wahlen in den von der
sowjetischen Armee besetzten osteuropäischen Ländern "so bald
wie möglich" zuzusichern und die "Erklärung über das befreite
Europa" zu unterzeichnen. Hier sollten sich die drei Alliierten
ausdrücklich verpflichten, in allen befreiten Gebieten
demokratische Strukturen aufzubauen.
Schon bald nach Jalta jedoch erwiesen sich die Hoffnungen auf
eine pluralistische Entwicklung Osteuropas als Illusion: Offenbar
verstanden die Westmächte und die Sowjetunion unter freien
Wahlen und Demokratie etwas Grundverschiedenes. Jedenfalls
war der Kontrast zwischen den Worten und Taten Stalins
unverkennbar. Bereits im März 1945 zwang er Rumänien eine
kommunistisch beherrschte Regierung auf. Die versprochenen
Wahlen in Ungarn, Bulgarien, Polen und Jugoslawien wurden
immer wieder verschoben, als sich abzeichnete, daß freie Wahlen
entgegen den ursprünglichen Erwartungen Stalins nicht zu
kommunistischen Regierungen führten. Statt dessen fanden nun
in allen Ländern blutige Säuberungen statt, denen große Teile der
bürgerlichen und sozialdemokratischen Opposition zum Opfer
fielen. Selbst Roosevelt mußte deshalb noch unmittelbar vor
seinem Tod im April 1945 erkennen, daß der Kreml nicht daran
dachte, in den von sowjetischen Truppen besetzten Ländern die
Zusagen über die Errichtung freier, demokratischer und
unabhängiger Staaten einzuhalten.
Potsdamer Konferenz
Als die "Großen Drei" im Juli und August 1945 im Schloß
Cecilienhof in Potsdam zu ihrer letzten Kriegskonferenz
zusammentraten - der Krieg in Europa war zwar zu Ende, doch im
Fernen Osten wurde noch gekämpft -, zeichnete sich ab, daß der
Zweite Weltkrieg das internationale Mächtegefüge grundlegend
verändert hatte: Die Zerschlagung der traditionellen politischen
und sozialen Strukturen in Ost- und Ostmitteleuropa hatte hier
ein Machtvakuum entstehen lassen. Die bisherigen "Randmächte"
USA und UdSSR waren zu weltpolitischen "Supermächten"
aufgestiegen. Die weltanschaulichen Gegensätze, die im Prinzip
bereits seit der Oktoberrevolution 1917 bestanden hatten,
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wurden nun beim unmittelbaren Aufeinandertreffen der
Sowjetunion und der Westmächte im Zentrum Europas als
ideologischer Konflikt offen sichtbar.
Die Potsdamer Konferenz war deshalb ein erster Test, wie sich
die neue Konstellation auf die Nachkriegspolitik auswirken würde.
Stalin war dabei gegenüber seinen westlichen
Verhandlungspartnern im Vorteil. Er konnte nicht nur auf
vollendete Tatsachen verweisen, die durch das Vordringen der
Roten Armee geschaffen worden waren, sondern verfügte auch
über die bei weitem größte politische Erfahrung unter den
versammelten Staatsmännern. Weder Harry S. Truman, der nach
dem Tode Franklin D. Roosevelts im April 1945 das Amt des
amerikanischen Präsidenten übernommen hatte, noch Clement
Attlee, der Ende Juli 1945 nach den britischen Unterhauswahlen
zum Nachfolger Winston Churchills als britischer Premierminister
gewählt worden war, konnten von sich behaupten, an den
vorausgegangenen Beschlüssen von Teheran und Jalta persönlich
mitgewirkt zu haben und damit die Voraussetzungen für die
Verhandlungen von Potsdam aus erster Hand zu kennen.
Diese starke Position spielte Stalin nunmehr bei den
Verhandlungen in Cecilienhof in vollem Umfang aus, indem er
nicht nur die Errichtung einer gemeinsamen Ordnung
demokratischer Staaten durch freie Wahlen ablehnte, sondern
auch die Anerkennung der mit Gewalt veränderten
Machtverhältnisse in Ost- und Ostmitteleuropa durch die
Westmächte forderte. Dazu gehörten sowohl die bereits in Jalta
vorbesprochene "Westverschiebung" Polens - und damit die
Festlegung neuer deutscher Ostgrenzen entlang der Oder und
westlichen Neiße - als auch die Schaffung eines Gürtels
sowjetisch kontrollierter Satellitenstaaten entlang der
sowjetischen Westgrenze, die als "Pufferzone" (cordon sanitaire)
einem erneuten Angriff aus dem Westen entgegenwirken sollten.
Stalin sah offenbar auch keine Probleme darin, von der in Jalta
unterzeichneten "Erklärung über das befreite Europa" wieder
abzurücken, in der freie Wahlen für alle befreiten Länder in
Europa vereinbart worden waren. Insofern bedeutete das in
Cecilienhof verabschiedete Kommuniqué kein Weiterkommen.
Keine der großen Fragen der Weltpolitik konnte darin
abschließend geregelt werden. Die getroffenen Vereinbarungen
blieben vage und unbestimmt. Im Kommuniqué enthaltene
Begriffe wie "demokratisch", "friedlich" und "gerecht", die den
Kern der alliierten Politik umschreiben sollten, waren je nach
politischer Opportunität und ideologischem Standort
unterschiedlich auslegbar und trugen wenig dazu bei, die
Verhältnisse zu klären.
Selbst der im politischen Sprachgebrauch später oft verwendete,
vereinfachende Begriff "Potsdamer Abkommen" war unzutreffend,
weil es sich lediglich um eine Zusammenfassung der
Gesprächsergebnisse handelte, nicht jedoch um eine formelle
Abmachung zwischen den beteiligten Regierungen. Die
völkerrechtliche Verbindlichkeit der Cecilienhof-Vereinbarungen
blieb daher umstritten. Da die Regierungschefs offenbar ahnten
oder wußten, daß die Potsdamer Beschlüsse nicht ausreichen
würden, um im politischen Alltag zu bestehen, wurde von ihnen
noch ein ständiger "Rat der Außenminister" mit Sitz in London
eingerichtet, der den Auftrag erhielt, die Beratungen fortzusetzen
und Lösungsmöglichkeiten zu erkunden. Vor allem die
Deutschlandpolitik sollte bei den Diskussionen im
Außenministerrat in den folgenden Jahren Gegenstand der
Beratungen sein.
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Quellentext
Kommuniqué der Potsdamer Konferenz
2. August 1945
1. Entsprechend der Übereinkunft über das Kontrollsystem in
Deutschland wird die höchste Regierungsgewalt in Deutschland
durch die Oberbefehlshaber der Streitkräfte der Vereinigten
Staaten von Amerika, des Vereinigten Königreichs, der Union
der Sozialistischen Sowjetrepubliken und der Französischen
Republik nach den Weisungen ihrer entsprechenden
Regierungen ausgeübt, und zwar von jedem in seiner
Besatzungszone, sowie gemeinsam in ihrer Eigenschaft als
Mitglieder des Kontrollrates in den Deutschland als Ganzes
betreffenden Fragen.
2. Soweit dieses praktisch durchführbar ist, muß die Behandlung
der deutschen Bevölkerung in ganz Deutschland gleich sein.
3. Die Ziele der Besetzung Deutschlands, durch welche der
Kontrollrat sich leiten lassen soll, sind:
(I) Völlige Abrüstung und Entmilitarisierung Deutschlands und
die Ausschaltung der gesamten deutschen Industrie, welche für
eine Kriegsproduktion benutzt werden kann oder deren
Überwachung. [...]
(II) Das deutsche Volk muß überzeugt werden, daß es eine
totale militärische Niederlage erlitten hat und daß es sich nicht
der Verantwortung entziehen kann für das, was es selbst
dadurch auf sich geladen hat. [...]
(III) Die Nationalsozialistische Partei mit ihren angeschlossenen
Gliederungen und Unterorganisationen ist zu vernichten; [...]
(IV) Die endgültige Umgestaltung des deutschen politischen
Lebens auf demokratischer Grundlage und eine eventuelle
friedliche Mitarbeit Deutschlands am internationalen Leben sind
vorzubereiten.
4. Alle nazistischen Gesetze, welche die Grundlagen für das
Hitlerregime geliefert haben oder eine Diskriminierung auf
Grund der Rasse, Religion oder politischer Überzeugung
errichteten, müssen abgeschafft werden. Keine solche
Diskriminierung, weder eine rechtliche noch eine administrative
oder irgendeiner anderen Art, wird geduldet werden. [...]
8. Das Gerichtswesen wird entsprechend den Grundsätzen der
Demokratie und der Gerechtigkeit auf der Grundlage der
Gesetzlichkeit und der Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz
ohne Unterschied der Rasse, der Nationalität und der Religion
reorganisiert werden. [...]
(II) In ganz Deutschland sind alle demokratischen politischen
Parteien zu erlauben und zu fördern mit der Einräumung des
Rechtes, Versammlungen einzuberufen und öffentliche
Diskussionen durchzuführen.
10. Unter Berücksichtigung der Notwendigkeit zur Erhaltung der
militärischen Sicherheit wird die Freiheit der Rede, der Presse
und der Religion gewährt. Die religiösen Einrichtungen sollen
respektiert werden. Die Schaffung freier Gewerkschaften,
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gleichfalls unter Berücksichtigung der Notwendigkeit der
Erhaltung der militärischen Sicherheit, wird gestattet werden.
[...]
IV. Reparationen aus Deutschland
In Übereinstimmung mit der Entscheidung der Krim-Konferenz,
wonach Deutschland gezwungen werden soll, in größtmöglichem
Ausmaß für die Verluste und die Leiden, die es den Vereinten
Nationen verursacht hat, und wofür das deutsche Volk der
Verantwortung nicht entgehen kann, Ausgleich zu schaffen,
wurde folgende Übereinkunft über Reparationen erreicht:
1. Die Reparationsansprüche der UdSSR sollen durch Entnahmen
aus der von der UdSSR besetzten Zone in Deutschland und
durch angemessene deutsche Auslandsguthaben befriedigt
werden.
2. Die UdSSR wird die Reparationsansprüche Polens aus ihrem
eigenen Anteil an den Reparationen befriedigen.
3. Die Reparationsansprüche der Vereinigten Staaten, des
Vereinigten Königreiches und der anderen zu
Reparationsforderungen berechtigten Länder werden aus den
westlichen Zonen und den entsprechenden deutschen
Auslandsguthaben befriedigt werden.
4. In Ergänzung der Reparationen, die die UdSSR aus ihrer
eigenen Besatzungszone erhält, wird die UdSSR zusätzlich aus
den westlichen Zonen erhalten:
a) 15 % derjenigen verwendungsfähigen und vollständigen
industriellen Ausrüstung, vor allem der metallurgischen,
chemischen und Maschinen erzeugenden Industrien, soweit sie
für die deutsche Friedenswirtschaft unnötig und aus den
westlichen Zonen Deutschlands zu entnehmen sind, im
Austausch für einen entsprechenden Wert an Nahrungsmitteln,
Kohle, Kali, Zink, Holz, Tonprodukten, Petroleumprodukten und
anderen Waren, nach Vereinbarung.
b) 10 % derjenigen industriellen Ausrüstung, die für die
deutsche Friedenswirtschaft unnötig ist und aus den westlichen
Zonen zu entnehmen und auf Reparationskonto an die
Sowjetregierung zu übertragen ist ohne Bezahlung oder
Gegenleistung irgendwelcher Art. [...]
Quelle: Ernst Deuerlein (Hrsg.), Potsdam 1945. Quellen zur
Konferenz der "Großen Drei", München 1963, S. 353-367.
Beginn des Atomzeitalters
Währenddessen dauerte der Krieg im Pazifik und im Fernen Osten
weiter an, in den nun auch die Sowjetunion, die hier seit 1941
Neutralität gewahrt hatte, mit ihrer Kriegserklärung an Japan am
8. August 1945 noch eingriff. Der Termin - genau drei Monate
nach dem Ende des Krieges in Europa - war bereits in Jalta
zwischen Stalin, Roosevelt und Churchill vereinbart worden. Doch
mittlerweile hatte sich manches geändert, wie sich nun auch in
Japan wieder zeigte. Denn am selben Tag, als die Sowjetunion in
den Krieg eintrat, bereiteten die USA den Abwurf einer
Atombombe über Nagasaki vor, um die japanische Hafenstadt
ebenso zu zerstören wie es am 6. August bereits mit Hiroshima
geschehen war.
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Die genauen politischen Hintergründe dieser
Atombombenabwürfe sind bis heute in der historischen Forschung
umstritten. Die neuartige Waffe sollte ursprünglich gegen
Deutschland eingesetzt werden. Doch die Kapitulation
Deutschlands zu einem Zeitpunkt, als die Waffe noch nicht
einsatzfähig war, verhinderte ihre Verwendung in Europa. Da der
Krieg im Fernen Osten noch andauerte, erschien es nur logisch,
sie nunmehr auf Japan abzuwerfen. Die amerikanische Regierung
rechtfertigte ihre Entscheidung mit dem doppelten Ziel, die
Kapitulation Japans zu beschleunigen und zugleich das Leben von
etwa 500000 amerikanischen Soldaten zu retten, die nach
militärischen Schätzungen bei einer Invasion der japanischen
Hauptinseln vermutlich umgekommen wären.
Der Einsatz der neuen Waffe hatte indessen auch
"Nebenwirkungen", die der amerikanischen Regierung durchaus
gelegen kamen: Zum einen bot sich damit die Gelegenheit, dem
künftigen Rivalen Sowjetunion das neue Machtinstrument der
USA eindrucksvoll vor Augen zu führen. Zum anderen sollte die
rasche Kapitulation Japans dazu verhelfen, die Sowjetunion so
weit wie möglich von einer gemeinsamen Besetzung des
Inselreiches auszuschließen und damit eine Situation zu
vermeiden, wie sie in Europa durch den Kriegsverlauf eingetreten
war.
Kapitulation Japans
Diese Rechnung der USA ging tatsächlich auf. Nach der
Kapitulation Tokios, die nun überraschend schnell - schon am 10.
August - erfolgte, lehnte US-Außenminister Byrnes auf der ersten
Tagung des Rates der Außenminister im September 1945 in
London die sowjetische Forderung nach einer Mitwirkung an der
Besatzungsherrschaft auf den japanischen Hauptinseln rundweg
ab, da die UdSSR an den Kämpfen gegen Japan nur zwei Tage
beteiligt gewesen sei. Die USA fungierten daraufhin im
wesentlichen als alleinige Besatzungsmacht in Japan und
bestimmten praktisch im Alleingang den Weg Japans in der
Nachkriegszeit. Lediglich die Inselgruppe der Kurilen, die seit
dem 18. Jahrhundert zu Rußland gehört hatte und erst 1875 an
Japan gefallen war, wurde der UdSSR als Lohn für ihren
Kriegseintritt zugesprochen. Selbst diese Entscheidung blieb
jedoch umstritten, da Japan bis heute die Rückgabe der Inseln
Iturup und Kunashiri fordert.
Allerdings sicherte sich die Sowjetunion mit der Besetzung der
Mandschurei und Nordkoreas bis zum 38. Breitengrad auf dem
ostasiatischen Festland stattliche territoriale Gewinne, die als
Basis für eine aktivere Fernost-Politik dienen konnten. Die
Vereinigten Staaten und die Sowjetunion wurden damit auch in
Asien faktisch immer mehr zu Rivalen, obwohl die Westmächte
zunächst ihre Zustimmung zum sowjetischen Vorgehen in diesem
Raum gegeben hatten, das der gemeinsamen Kriegführung
entsprach.
In dem "Ost-West-Konflikt", der sich auf diese Weise in Europa
und Asien anbahnte, besaßen die beiden Hauptkonkurrenten USA
und Sowjetunion bei Kriegsende höchst unterschiedliche
Voraussetzungen: Die USA waren aus dem Zweiten Weltkrieg
politisch und wirtschaftlich gestärkt hervorgegangen. Die Verluste
an Menschen und Material waren verhältnismäßig gering
geblieben. Zudem verfügten die USA durch das
Atombombenmonopol über einen Trumpf, dessen politische und
militärische Bedeutung noch kaum abzuschätzen war. Die UdSSR
hingegen hatte mehr als 20 Millionen Menschen verloren und
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riesige Verwüstungen erlitten, die eine schwerwiegende Einbuße
an Infrastruktur und Wirtschaftskraft bedeuteten.
Andererseits war die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg zu einer
militärischen Supermacht aufgestiegen, die den eigenen
Einflußbereich maßgeblich vergrößert hatte. Sie besaß im Bereich
der Landstreitkräfte ein gewaltiges Potential, das nach
Kriegsende nur unwesentlich abgebaut wurde, und arbeitete
überdies mit Hochdruck an der Entwicklung einer eigenen
Atombombe. Hinzu kam, daß die neuen "Supermächte" nicht
mehr - wie in der Zwischenkriegszeit - durch Ozeane und
Kontinente voneinander getrennt waren, sondern in ihren
Einflußzonen politisch und territorial direkt aufeinanderprallten.
Alle Elemente einer machtpolitischen Konfrontation zwischen den
USA und der Sowjetunion, zwischen Ost und West, waren damit
gegeben.
Weltwährungssystem
Die beginnende Rivalität zwischen den USA und der Sowjetunion
zeigte sich ebenfalls im Bereich der neuen wirtschaftlichen
Strukturen, über die parallel zu den politischen und militärischen
Fragen entschieden wurde. So beriefen die USA im Sommer 1944
zur Neuordnung der durch den Zweiten Weltkrieg zerrütteten
Weltwirtschaft eine internationale Konferenz aller Staaten, die im
Kampf gegen Deutschland und Japan standen, nach Bretton
Woods im amerikanischen Bundesstaat New Hampshire ein. Die
Konferenz, deren Vorgeschichte bis zu den Verhandlungen über
das amerikanisch-britische Leih-Pacht-Abkommen im Mai 1941
zurückreichte, fand vom 1. bis 22. Juli unter Beteiligung von 44
Ländern statt und sollte die strittigen Währungs-, Zahlungs- und
Handelsfragen klären, die den Aufbau der Nachkriegsordnung
belasteten.
Bei dem Treffen wurden zwei Organisationen gegründet: die
"Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung"
(International Bank for Reconstruction and Development = IBRD,
oft auch nur Weltbank genannt) und der "Internationale
Währungsfonds" (IWF). Sie sollten eine möglichst offene
Welthandelsordnung garantieren. Sie litten jedoch von Anfang an
unter dem Handicap, daß trotz intensiver Bemühungen des
amerikanischen Finanzministers Henry Morgenthau weder das
Abkommen über die Weltbank noch die Vereinbarung über den
Währungsfond von der Sowjetunion ratifiziert wurde.
Die Weltbank wurde mit einem Grundkapital von 7,6 Milliarden
Dollar ausgestattet. Das Geld, das nahezu vollständig von den
USA stammte, sollte dazu dienen, das kriegszerrüttete Europa
wiederaufzubauen und den neu entstehenden Ländern in Afrika,
Asien und Lateinamerika bei ihrer Entwicklung zu helfen.
Hauptanliegen der Weltbank war es, wirtschaftliches Wachstum
zu fördern und Kapital bereitzustellen, um staatliche Eingriffe und
damit sozialistische Wirtschaftslenkung unnötig zu machen.
Mit 7,3 Milliarden Dollar, über die der Internationale
Währungsfonds verfügen konnte, sollten vor allem jene Nationen
unterstützt werden, die unter hohen Handelsdefiziten litten.
Außerdem sollten die Mittel dazu beitragen, Währungen zu
stabilisieren, die unter dem Druck interner wirtschaftlicher
Probleme standen. Destruktive Handels- und Währungskriege, die
in den dreißiger Jahren den Zusammenbruch der internationalen
Ordnung mit verursacht hatten, sollten damit möglichst
verhindert werden. Zudem bestanden die amerikanischen
Vertreter in Bretton Woods darauf, daß das Wirtschaftssystem
der Nachkriegszeit auf Gold und dem US-Dollar als Leitwährung
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basieren sollte. Da die USA über zwei Drittel der Goldreserven
der Welt verfügten, kam diese Forderung nicht überraschend:
Washington kontrollierte damit sowohl die Weltbank als auch den
Internationalen Währungsfonds.
Die Beschlüsse von Bretton Woods traten nach der Ratifizierung
durch 28 Staaten am 27. Dezember 1945 in Kraft. Die
Sowjetunion, die sich anfangs beteiligt hatte, hielt sich - wie
angesichts der Inhalte und Ziele der Konferenz kaum anders zu
erwarten - abseits. Tatsächlich sollten die in Bretton Woods
getroffenen internationalen Wirtschafts- und
Währungsabkommen in der Folgezeit mehr als jedes andere
Vertragswerk die Nachkriegszeit bestimmen: Sie bildeten die
Grundlage der Außenwirtschaftsbeziehungen der westlichen Welt
und stellten damit ein wichtiges Element des Ost-West-Konflikts
dar, weil sich mit den Instrumenten des IWF und der Weltbank wie später mit dem Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen
(General Agreement on Tariffs and Trade = GATT) - die
kommunistischen Staaten isolieren ließen.
Der Internationale Währungsfonds umfaßte zunächst 28
Mitglieder und hat sich inzwischen auf über 180 Mitgliedstaaten
erhöht. Die Mitglieder der Weltbank müssen zugleich Mitglieder
des IWF sein, so daß mit Ausnahme Jugoslawiens die
osteuropäischen Länder bis zum Ende des Kalten Krieges aus
beiden Organisationen ferngehalten werden konnten. Die USA
waren daher 1944/45 in der Lage, nicht nur die politische und
militärische, sondern auch die wirtschaftliche und finanzielle
Führungsrolle in der Welt relativ unangefochten zu übernehmen,
wobei das in Bretton Woods geschaffene neue
Weltwährungssystem ganz in ihrem Sinne wirkte.
Leitwährung Dollar
Der ökonomische Aufstieg der USA hatte sich allerdings seit
langem angekündigt. Bereits in den Jahren zwischen 1899 und
1902, als Großbritannien im Buren-Krieg gebunden gewesen war,
hatten die USA kurzzeitig die Rolle des internationalen Financiers
gespielt. In der desolaten Wirtschafts- und Währungssituation
nach dem Ersten Weltkrieg hatten die USA dann bis zum Beginn
der Weltwirtschaftskrise 1929 England als Finanzzentrum der
Welt abgelöst. Schon in den zwanziger Jahren war die Wall Street
in New York zum Synonym für wirtschaftliche Macht geworden.
Doch erst mit den Vereinbarungen von Bretton Woods wurde
diese Rolle der USA festgeschrieben.
So wurde der US-Dollar im neuen Weltwährungssystem
zusammen mit Gold als internationale Leit-, Reserve- und
Transaktionswährung eingesetzt. Der IWF wurde zentrale
Institution dieses Währungssystems der westlichen Welt. Die USA
verfügten im obersten Verwaltungsgremium des IWF - dem Board
of Governors - wie in der Weltbank aufgrund ihrer Einlagen und
dem darauf abgestellten Abstimmungsverfahren von Anfang an
über eine Sperrminorität. Ohne Zustimmung der USA konnten
keine Beschlüsse gefaßt werden. Diese Dominanz kommt auch in
der Tatsache zum Ausdruck, daß die USA alle bisherigen
Präsidenten der Weltbank stellte - unter ihnen der ehemalige
amerikanische Verteidigungsminister Robert McNamara -,
während im IWF auch andere Länder den Geschäftsführenden
Direktor stellen konnten.
Insgesamt kontrollierten die USA auf diese Weise im Verein mit
den anderen westlichen Industrieländern, deren Finanzminister
und Zentralbankpräsidenten sich im "Zehnerclub" des IWF
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zusammenschlossen, über 70 Prozent aller Währungsreserven der
im IWF vereinigten Länder. Amerikanische Banken waren bis
Ende der sechziger Jahre die wichtigste Quelle internationaler
Kredite. Entscheidungen der amerikanischen Regierung
bestimmten die Entwicklung der Weltwirtschaft und der
internationalen Kapitalmärkte.
Die Sowjetunion und die übrige kommunistische Welt waren
davon praktisch ausgeschlossen. Die Weigerung Stalins, die
Vereinbarungen von Bretton Woods zu unterzeichnen, führte die
UdSSR in wirtschaftliche und finanzielle Isolierung und zwang sie
dazu, eine eigene Wirtschaftsgemeinschaft mit entsprechendem
Finanzsystem in Gestalt des Rates für Gegenseitige
Wirtschaftshilfe (RGW) aufzubauen. Die Konkurrenzsituation, die
im machtpolitischen und ideologischen Bereich bestand,
entwickelte sich damit auch auf ökonomischem Gebiet.
Gründung der UNO
Unmittelbar nach der Konferenz von Bretton Woods trafen sich
die Alliierten erneut - diesmal in Dumbarton Oaks in der
amerikanischen Hauptstadt Washington -, um die Gründung einer
weiteren Organisation vorzubereiten, die die Nachkriegswelt
bestimmen sollte. Vom 21. August bis 7. Oktober 1944 berieten
hier Vertreter der USA, Großbritanniens, Chinas und der
Sowjetunion über eine neue Weltorganisation als Ersatz für den
Völkerbund.
Es wurde vereinbart, eine Organisation der Vereinten Nationen
(United Nations Organization = UNO) zu errichten, die aus einer
Vollversammlung und einem Sicherheitsrat bestehen sollte. In
der Vollversammlung sollten alle Nationen vertreten sein, aber
die wirkliche Macht sollte bei den zwölf Mitgliedern des
Sicherheitsrates liegen. Unter ihnen sollte es fünf ständige
Mitglieder mit Vetorecht geben (die USA, Großbritannien,
Frankreich, die Sowjetunion und China), während die übrigen
sieben Sitze nach dem Rotationsprinzip abwechselnd an andere
Mitgliedstaaten der UNO vergeben werden sollten.
Diese Vereinbarungen wurden anschließend auf der
Gründungskonferenz der Vereinten Nationen festgeschrieben, die
im Mai 1945 in San Francisco begann und mit der Unterzeichnung
der UN-Charta am 26. Juni 1945 endete. Der Gründungsvertrag
trat nach der Ratifizierung durch die Mitgliedstaaten am 24.
Oktober 1945 in Kraft.
Quellentext
Charta der Vereinten Nationen vom 26. Juni 1945
[...] Artikel 1: Die Vereinten Nationen setzen sich folgende
Ziele:
1. den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren
und zu diesem Zweck wirksame Kollektivmaßnahmen zu treffen,
um Bedrohungen des Friedens verhüten und zu beseitigen,
Angriffshandlungen und andere Friedensbrüche zu unterdrücken
und internationale Streitigkeiten oder Situationen, die zu einem
Friedensbruch führen könnten, durch friedliche Mittel nach den
Grundsätzen der Gerechtigkeit und des Völkerrechts zu
bereinigen oder beizulegen;
2. freundschaftliche, auf der Achtung vor dem Grundsatz der
Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Völker
beruhende Beziehungen zwischen den Nationen zu entwickeln
und andere geeignete Maßnahmen zur Festigung des
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Weltfriedens zu treffen.
3. eine internationale Zusammenarbeit herbeizuführen, um
internationale Probleme wirtschaftlicher, sozialer, kultureller und
humanitärer Art zu lösen und die Achtung vor den
Menschenrechten und Grundfreiheiten für alle ohne
Unterschiede der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder der
Religion zu fördern und zu festigen. [...]
Artikel 2: Die Organisation und ihre Mitglieder handeln im
Verfolg der in Artikel 1 dargelegten Ziele nach folgenden
Grundsätzen:
1. Die Organisation beruht auf dem Grundsatz der souveränen
Gleichheit aller ihrer Mitglieder.
2. Alle Mitglieder erfüllen, um ihnen allen die aus der
Mitgliedschaft erwachsenden Rechte und Vorteile zu sichern,
nach Treu und Glauben die Verpflichtungen, die sie mit dieser
Charta übernehmen.
3. Alle Mitglieder legen ihre internationalen Streitigkeiten durch
friedliche Mittel so bei, daß der Weltfriede, die internationale
Sicherheit und die Gerechtigkeit nicht gefährdet werden.
4. Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen
Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die
politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst
mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung
oder Anwendung von Gewalt.
5. Alle Mitglieder leisten den Vereinten Nationen jeglichen
Beistand bei jeder Maßnahme, welche die Organisation im
Einklang mit dieser Charta ergreift; sie leisten einem Staat,
gegen den die Organisation Vorbeugungs- oder
Zwangsmaßnahmen ergreift, keinen Beistand. [...]
7. Aus dieser Charta kann eine Befugnis der Vereinten Nationen
zum Eingreifen in Angelegenheiten, die ihrem Wesen nach zur
inneren Zuständigkeit eines Staates gehören, oder eine
Verpflichtung der Mitglieder, solche Angelegenheiten einer
Regelung auf Grund dieser Charta zu unterwerfen, nicht
abgeleitet werden; die Anwendung von Zwangsmaßnahmen
gemäß Artikel VII wird durch diesen Grundsatz nicht berührt.
Artikel 23: (1) Der Sicherheitsrat besteht aus 11 Mitgliedern
der Vereinten Nationen. Die Republik China, Frankreich, die
Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, das Vereinigte
Königreich Großbritannien und Nordirland sowie die Vereinigten
Staaten von Amerika sind ständige Mitglieder des
Sicherheitsrats. Die Generalversammlung wählt sechs weitere
Mitglieder der Vereinten Nationen zu nichtständigen Mitgliedern
des Sicherheitsrates. [...]
Artikel 39: Der Sicherheitsrat stellt fest, ob eine Bedrohung
oder ein Bruch des Friedens oder eine Angriffshandlung vorliegt;
[...]
Artikel 41: Der Sicherheitsrat kann beschließen, welche
Maßnahmen - unter Ausschluß von Waffengewalt - zu ergreifen
sind, um seinen Beschlüssen Wirksamkeit zu verleihen; er kann
die Mitglieder der Vereinten Nationen auffordern, diese
Maßnahmen durchzuführen. Sie können die vollständige oder
teilweise Unterbrechung der Wirtschaftsbeziehungen, des
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Eisenbahn-, See- und Luftverkehrs, der Post-, Telegraphen- und
Funkverbindungen sowie sonstiger Verkehrsmöglichkeiten und
den Abbruch der diplomatischen Beziehungen einschließen.
Artikel 42: Ist der Sicherheitsrat der Auffassung, daß die in
Artikel 41 vorgesehenen Maßnahmen unzulänglich sein würden
oder sich als unzulänglich erwiesen haben, so kann er mit Luft-,
See- oder Landstreitkräften, die zur Wahrung oder
Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen
Sicherheit erforderlichen Maßnahmen durchführen. Sie können
Demonstrationen, Blockaden und sonstige Einsätze der Luft-,
See- oder Landstreitkräfte von Mitgliedern der Vereinten
Nationen einschließen.
Artikel 43: (1) Alle Mitglieder der Vereinten Nationen
verpflichten sich, zur Wahrung des Weltfriedens und der
internationalen Sicherheit dadurch beizutragen, daß sie nach
Maßgabe eines oder mehrerer Sonderabkommen dem
Sicherheitsrat auf sein Ersuchen Streitkräfte zur Verfügung
stellen, Beistand leisten und Erleichterungen einschließlich des
Durchmarschrechts gewähren, soweit dies zur Wahrung des
Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlich ist.
[...]
Quelle: Wolfgang Lautemann/Manfred Schlenke (Hrsg.), Die
Welt seit 1945, Geschichte in Quellen, München 1980, S. 666 ff.
Die UNO zählte zunächst nur 49 Mitglieder, unter ihnen auf
Drängen Stalins neben der Sowjetunion auch noch zwei
sowjetische Republiken - die Ukraine und Weißrußland -, um das
Stimmenverhältnis für die UdSSR zu verbessern. Denn die
Mitglieder waren 1945 in ihrer überwiegenden Mehrzahl westlich
orientiert. Sie machten die UNO zu einer Einrichtung, die - wie
Weltbank und IWF - von den USA kontrolliert wurde. Zudem
verstand sich die Organisation anfangs als Siegervereinigung, die
sich weigerte, ehemalige Feindstaaten als Mitglieder
aufzunehmen, und damit ihren Universalitätsanspruch nur
begrenzt einlösen konnte. Immerhin war aber die Sowjetunion
vertreten.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ging es für die UNO
vorrangig darum, den durch die Beendigung des Krieges
erreichten Zustand zu erhalten und möglichst vor weiteren
gewaltsamen Veränderungen zu bewahren. Dabei kam den fünf
Großmächten, die über einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat
verfügten, eine besondere Rolle zu, die sie allerdings nur spielen
konnten, wenn die Kriegskoalition auch im Frieden weiterbestand.
Denn das Instrumentarium der Friedenssicherung setzte
angesichts des Veto-Rechts der Großmächte im Sicherheitsrat
deren Konsens voraus.
Der Zerfall der Koalition, der sich schon unmittelbar nach
Gründung der UNO im Sommer 1945 abzeichnete, wirkte daher
von vornherein als große Belastung, mit der die Weltorganisation
nur schwer fertigzuwerden vermochte. Die Eskalation des
Ost-West-Konflikts zu einem Kalten Krieg ließ dann ab 1946/47
kaum noch Spielraum für Gemeinsamkeit. Die UNO spiegelte
vielmehr den Gegensatz wider, der die internationalen
Beziehungen insgesamt prägte. Nur auf Gebieten, in denen keine
direkten Interessen der Großmächte berührt waren, konnte es
der UNO jetzt noch gelingen, erfolgreich tätig zu werden.
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