Spastik mit THC bekämpfen, Medical Tribune 1206

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45. Jahrgang · Nr. 6 · 10. Februar 2012
Schweizer Wochenzeitung für Ärztinnen und Ärzte
Diese Woche
Spastik mit THC bekämpfen
Kolloquium
Querschnittlähmung
Ausgabe 2/2012 | 10. Februar 2012 | www.medical-tribune.ch
erz
Rheumatologie/Schm
ACR 2011
Jahreskongress des
American College of
Rheumatology,
Chicago
Neu: Latanoprost
Syndesmophyten gebremst
NSAR beeinflussen den
Bechterew-Verlauf
Frakturrisiko bei RA
Frauenknochen brechen
frühzeitig
Aktuelle Optionen
Das hilft gegen den
Arthroseschmerz
Schadstoffe im Visier
Rheuma aufgrund von
Luftverschmutzung?
Kolloquium
Rheumatologie/
Schmerz
Neurologie/Psychiatrie
Special
Cannabis, als Heilmittel schon über
Jahrtausende bekannt und im Einsatz, rutschte in der zweiten Hälfte
des 20. Jahrhunderts als Rauschmittel Haschisch und Marihuana in die
Illegalität ab. Dabei war Cannabis
ein Jahrhundert früher ein äusserst
beliebtes Medikament. Es war das
meistgebrauchte Mittel überhaupt,
eingesetzt bei generellen Schmer-
Entwirrung am OTO 2012
2
Politik und Wirtschaftlichkeit
bei der Makula-Degeneration
«Medizin in der Manege»
3
Dr. Hans Spring und sein
19. Symposium im Circus KNIE
Neurologie/Psychiatrie
Special
Psychoonkologie
Wie sag ich es
dem Kinde?
11
Narzissmus
Macht auf Dauer
nicht nur Männer krank
15
Nächste Woche
22623, 01/2012
Kardiologie/Diabetes
Special
zen, Migräne, Epilepsie-ähnlichen
Krämpfen, Neuralgien, Schlafstörungen oder Asthma, sagte Dr. Regula
Spreyermann, REHAB Basel, an der
26. Jahrestagung für Phytotherapie der
Schweizerischen medizinischen Gesellschaft für Phytotherapie (Bild links).
Hinzukommt, dass bereits in mehreren Studien über eine Wirkung des
THC auf die Spastik bei Querschnittgelähmten berichtet wurde. Darauf
basierend wurde in der REHAB
Basel eine Studie durchgeführt. «Wir
wurden hellhörig, als uns Patienten
in der jährlichen Nachsorge davon
berichteten, dass sie vom CannabisKonsum – als Rauschmittel eingesetzt,
versteht sich – bezüglich der Spastik
sehr profitierten», sagte Dr. Spreyermann. Die Studien-Ergebnisse
finden Sie auf
Seite 9
Hepatitis C
Multiple Sklerose
Eine neue Ära
der Therapie bricht an
Vitamin-D-Mangel
als Ursache?
Die neuen oralen Proteasehemmer
verkürzen die Therapie-Dauer der
Hepatitis C bei Genotyp 1 und zeigen deutlich höhere Response-Raten.
Medical Tribune sprach anlässlich des
Jahreskongresses 2011 der American
Association for the Study of Liver
Diseases mit Professor Dr. Francesco
Negro, Hepatologe, HUG, darüber,
welche Informationen für Grundversorger und Internisten besonders
wichtig sind.
Seite 6
Eine genetische Variante, die zu verringerten Vitamin-D-Werten führt,
scheint in direktem Zusammenhang
mit MS zu stehen. Ein WissenschaftlerTeam unter der Leitung von Professor
Dr. George Ebers, University of
Oxford, hat dieses mutierte Gen bei
35 Eltern identifiziert, deren Kinder
an MS leiden. In allen diesen Fällen
erbte das Kind die Krankheit von
den Eltern.
Seite 14
Kraft.
Entfesselt.
BLUTZUCKERSENKUNG OHNE KOMPROMISSE#
Ausführliche Informationen entnehmen Sie bitte der Fachinformation. #Referenzen und gekürzte Fachinformation siehe Seite 6.
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Neurologie/Psychiatrie Special
Sonderrubrik der Medical Tribune Nr. 6 · 10. Februar 2012
THC gegen Spastik bei Querschnittlähmungen
Zurück aus der Illegalität in den
Medikamentenschrank?
BADEN – Cannabis, als Heilmittel schon über Jahrtausende bekannt und im
Einsatz, rutschte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts als Rauschmittel
Haschisch und Marihuana in die Illegalität ab. Dabei war Cannabis ein
Jahrhundert früher ein äusserst beliebtes Medikament.
Zwischen 1850 und 1900 basierten 50 % aller verwendeten Medikamente auf Cannabis. Und es war
das meistgebrauchte Medikament
überhaupt, eingesetzt bei generel-
Unberechenbar waren schon dazumal die psychogenen Symptome, die
als Nebenwirkung auftraten. Auch
war das Dosieren stets eine schwierige Sache, denn je nach Pflanze,
Dr.
Regula
Spreyermann
Dr.
Holger Peer
Lochmann
Leitende Ärztin
REHAB
Basel
Oberarzt
Leiter Ambulatorium
REHAB
Basel
Foto: Nadja Pecinska
Foto: Nadja Pecinska
Ernte oder klimatischen Bedingungen konnte der Wirkstoffgehalt an
Tetrahydrocannabinol (THC) in der
Cannabis-Pflanze stark variieren. Das
Abgleiten der Pflanze in die Welt der
illegalen Drogen macht heute den
Einsatz als Heilmittel alles andere als
einfach. So braucht jede einzelne Ver-
Bei Patienten mit Querschnittlähmung ist die Spastik ein besonders grosses Problem. «Es handelt
sich dabei um eine rein spinale
Spastik. Da gibt es in der Folge weitere Symptome wie Schmerzen des
Bewegungsapparats, neuropathische
Schmerzen, Kompressionssyndrome,
rezidivierende Infekte, Störungen der
Blasen- und Darmentleerung sowie
der sexuellen Funktion. Das ist sehr
schwierig zu behandeln», sagte Dr.
Spreyermann.
Die Therapie basiert auf einem
Stufen-Schema, worin als erstes
physio- und ergotherapeutische
Massnahmen zum Zuge kommen,
kombiniert mit medikamentösen
Therapie-Versuchen mit Baclofen
(Lioresal®), Tizanidin (Sirdalud®),
Tolperison (Mydocalm®, Tolflex®),
Dantrolen (Dantamacrin®) oder eher
selten mit Benzodiazepinen.
Bei schwerer Spastik können eine
intrathekale Baclofen-Pumpe oder
intramuskuläre Botox-Injektionen
zur Anwendung kommen, ergänzt
Dr. Lochmann. Es könnten aber auch
neuro-orthopädische Eingriffe oder
andere interventionelle Methoden
notwendig werden.
Durch illegalen
Konsum profitiert
Hanf-Illustration aus dem Jahre 1897.
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Foto: MT-Archiv
Wie die Spastik
therapeutisch angehen?
Foto: Franz Eugen Köhler, Köhler’s Medizinal-Pflanzen
len Schmerzen, Migräne, Epilepsieähnlichen Krämpfen, Neuralgien,
Schlafstörungen oder Asthma, sagte
Dr. Regula Spreyermann, REHAB
Basel, an der 26. Jahrestagung
für Phytotherapie der Schweizerischen
medizinischen Gesellschaft für
Phytotherapie (SMGP).
ordnung eine Bewilligung vom Bundesamt für Gesundheit und ist jeweils
zeitlich limitiert, erklärte Dr. Holger
P. Lochmann, REHAB Basel, an der
selben Veranstaltung.
«Wir wurden hellhörig, als uns
Patienten in der jährlichen Nachsorge davon berichteten, dass sie vom
Cannabis-Konsum – als Rauschmittel
eingesetzt, versteht sich – bezüglich
der Spastik sehr profitierten», berichtete Dr. Spreyermann. Hinzukommt,
dass bereits in mehreren Studien
über eine Wirkung des THC auf die
Spastik bei Querschnittgelähmten
berichtet wurde.
Darauf basierend wurde in der
REHAB Basel eine Studie durchgeführt.1 An 25 querschnittgelähmten Patienten konnte nach Absetzen
aller anderen Spastik-Medikamente
durch die Verabreichung von oral
durchschnittlich 31 mg, rektal 43 mg,
ein signifikanter Effekt auf die
Hanf (Cannabis sativa).
Spastik festgestellt werden. Mit der
oralen Gabe konnte die Spastik im
SSS (Spasticity Sum Score) um die
Hälfte reduziert werden (von 16,7 auf
8,9 Punkte). Mit der rektalen Verabreichungsform war ein noch grösserer Effekt feststellbar (von 22,7 auf
9,2 Punkte). Die Spastik-Minderung
wurde in der Selbstbeurteilung
der Patienten bestätigt.
Trotz Nebenwirkungen
effektiv und sicher
Bezüglich der befürchteten Nebenwirkungen konnten in der Studie für
THC gegenüber Placebo keine signifikanten Unterschiede festgestellt
werden. Bei fünf Patienten trat hingegen eine Schmerzverstärkung auf. Sie
schieden frühzeitig aus der Studie aus.
Die relevanten Nebenwirkungen
des THC waren Mundtrockenheit
(32 %), Schläfrigkeit (36 %) und
Angstgefühle (32 %). «Aus diesen
Resultaten schlussfolgerten wir,
dass THC eine effektive und sichere
Methode für die Spastik-Behandlung
von querschnittgelähmten Patienten
darstellt. Es sind Tagesdosen von
mindestens 15 bis 20 mg THC erforderlich, um einen therapeutischen
Effekt erzielen zu können. Die Dropouts waren durch Schmerzzunahme,
die noch nicht zu erklären ist, oder
unangenehme psychologische Effekte
zustande gekommen», fasste Dr.
Spreyermann die Resultate zusammen. Dronabinol (teil-synthetisch
produziertes THC) ist somit eine
interessante Option zur Behandlung
der Spastik und weiteren Beschwerden bei Querschnittgelähmten. Dieser Wirkstoff ist auch gut mit anderen
Standardsubstanzen kombinierbar,
bleibt wegen den hohen Kosten und
dem grossen Aufwand, der bei der
Verschreibung betrieben werden
muss, jedoch bisher nur ausgewählten Fällen vorbehalten. Mit der Verbesserung dieser Situation befasst sich
die Swiss Task-Force for Cannabinoid
Medicines (Swiss-TCM).
np
1. Hagenbach U et al., The treatment of
spasticity with Delta9-tetrahydrocannabinol in persons with spinal cord injury.
Spinal Cord 2007 Aug;45(8):551-562.
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10
Medical Tribune
Neurologie/Psychiatrie Special
45. Jahrgang · Nr. 6 · 10. Februar 2012
Phytotherapie bei Depression und Schlafstörungen
Bestehen die Medikamente unter dem
strengen Auge der Evidenz?
In den letzten Jahren hat die Phytotherapie nicht nur bei Patienten, sondern auch bei Ärzten zunehmend an
Popularität gewonnen. Dies zeigt
sich nicht zuletzt an den stetig steigenden Zahlen an Mitgliedern bei
der Schweizerischen Medizinischen
Gesellschaft für Phytotherapie SMGP
(www.smgp.ch), wie auch an dem
Faktum, dass seit Juli 2011 die Phyto-
Wann Sedativa und
Antidepressiva einsetzen?
Prof. Dr.
Jürgen Drewe
Geschäftsführer
SMGP
Wädenswil ZH
Klinische
Pharmakologie
Universitätsspital
Basel
Foto: MT-Archiv
Foto: Nadja Pecinska
sind eng miteinander verwoben
und nicht immer klar voneinander
abgrenzbar. Deshalb ist auch der
Therapie-Ansatz in allen Fällen ein
ähnlicher. «Insbesondere in diesen
Bereichen ist die Akzeptanz der
Patienten für Phytopharmaka sehr
hoch, sowohl in Mono-Therapie
aber auch kombiniert mit klassischen Medikamenten», sagte Prof.
Drewe. Es gibt eine ganze Reihe
von Pflanzen, die zur Behandlung
Foto: Thinkstock
therapie von der FMH als Fähigkeitsprogramm anerkannt wird, wie
Professor Dr. Beat Meier, Geschäftsführer der SMGP, an deren 26. Jahrestagung berichtete. Zu diesem Anlass
nahmen Professor Dr. Jürgen Drewe,
Universitätsspital Basel, und Zeller AG,
Romanshorn, Johanniskraut
(Hypericum perforatum) und Baldrian
(Valeriana spp.) auf der Basis von
evidenzbasierter Medizin genauestens unter die Lupe.
Wesentlich kompliziertere
Studien-Situation
Sedativa und Antidepressiva werden bei verschiedenen
Krankheitsbildern eingesetzt, wie
Schlafstörungen, Depressionen,
Angst- und Panikstörungen und
agitierten Zuständen. Diese Störungen treten oft komorbid auf,
Prof. Dr.
Beat Meier
Die Studien-Situation stellt sich
bei Phytotherapeutika wesentlich komplizierter dar, als das bei
Synthetika der Fall ist. Von den
pflanzlichen Wirkstoffen gibt es
meist verschiedene Medikamente
mit unterschiedlichen Dosierungen, Extrakten, und Wirkungsspektren. «Bei Phytopharmaka
sind deshalb insbesondere MetaAnalysen problematisch», erklärt
Prof. Drewe.
Für das Johanniskraut sei die
Datenlage sehr gut, berichtet
der Experte. Es liegen 18 randomisierte kontrollierte klinische
Studien und zwei Meta-Analysen
vor. «Zusammenfassend zeigen die
Johanniskraut-Extrakte hinsichtlich der Wirksamkeit signifikant
bessere Resultate als Placebo und
eine mit Standard-Antidepressiva
vergleichbare Effektivität für die
Behandlung einer leichten bis mittelschweren Depression.»
Johanniskraut erreicht somit
in der klinischen Evidenz für eine
gute Wirkung bei Depression den
Level A.1
«Bezüglich der Verträglichkeit
sind die Studien-Aussagen auch
recht klar. Die unerwünschten
Wirkungen befinden sich auf
Placebo-Niveau und treten signifikant seltener auf als mit StandardAntidepressiva», fasste Prof. Drewe
die Daten zusammen.
Analyse der
Meta-Analyse
Bei Baldrian ist die Datenlage
etwas komplizierter. Es liegt eine
Meta-Analyse vor, die 16 Placebokontrollierte Studien beinhaltet, wovon jedoch zehn eine sehr
kleine Fallzahl von nur 8 bis 25
Patienten, methodische Mängel
und/oder ein negatives StudienErgebnis hatten. 2 Aus diesem
Grund erreicht Baldrian lediglich
eine Level-C-Evidenz.1
Vergleichbare WirksamkeitsMessungen wurden in den sechs
grösseren Studien der MetaAnalyse vorgenommen, mit dem
gemeinsamen Endpunkt SchlafVerbessserung. «Fasst man diese
sechs Studien zusammen, sehen
wir eine signifikante Verbesserung
des Schlafes gegenüber Placebo,
und eine mit Placebo vergleichbare
Verträglichkeit», so Prof. Drewe.
Baldrian mit
Oxazepam verglichen
Der Gemeine Baldrian (Valeriana officinalis).
MTCH_2012_06_S10.indd 10
Foto: MT-Archiv
dieser Symptomen-Komplexe eingesetzt werden können. Diese reichen vom indischen Wassernabel
über Lavendel, Melisse und der
Passionsblume bis hin zum Helmkraut und dem Mönchspfeffer.
BADEN – Der Vergleich der Wirksamkeits- und Verträglichkeits-Profile
für Antidepressiva und Sedativa zeigt, dass Phytotherapeutika eine von
den Patienten gut akzeptierte Alternative für klassische, synthetische
Medikamente darstellen. Aber sind die Resultate auch evidenzbasiert?
Eine weitere Studie, in der man
Baldrian Oxazepam (Seresta ®)
Das Echte Johanniskraut (Hypericum perforatum).
gegenüberstellte, zeigte für beide
Behandlungen eine vergleichbare und signifikant verbesserte
Schlafqualität. 3 «Baldrian lässt
sich mit vielen anderen pflanzlichen Wirkstoffen kombinieren.
Dabei liegen für die Kombination
mit Hopfen die besten Daten vor.»
Dieser Kombination sei deshalb
auch von der europäischen Arzneimittelbehörde EMA der «wellestablished use»-Status zuerkannt
worden, sagte Prof. Drewe zum
Schluss.
np
1. Sarris J et al., Herbal medicine for depression, anxiety and insomnia: a review
of psychopharmacology and clinical
evidence. Eur Neuropsychopharmacol
2011 Dec;21(12):841-860.
2. Bent S et al., Valerian for sleep: a systematic review and meta-analysis. Am J
Med 2006 Dec;119(12):1005-1012.
3. Ziegler G et al., Efficacy and tolerability
of valerian extract LI 156 compared with
oxazepam in the treatment of nonorganic insomnia – a randomized, doubleblind, comparative clinical study. Eur J
Med Res 2002 Nov 25;7(11):480-486.
Kommentar
Betreffend Artikel
«Diese Pflanzenextrakte helfen in der Psychiatrie»
in der Medical Tribune Nr. 39 vom 30.9.2011
Permamed AG legt Wert auf
folgende Richtigstellung:
Im oben genannten Artikel der
Medical Tribune Nr. 39 stand auf
Seite 18 «900 mg LI 160 = Jarsin®».
Diese Schreibweise lässt vermuten, dass es in der Schweiz
das Medikament Jarsin® in der
Dosierung 900 mg pro Tablette
gibt, was nicht stimmt. Richtig
ist, dass man 3 x 300 mg, resp.
2 x 450 mg Jarsin® einnehmen
muss, um auf 900 mg zu kommen. Einzig das JohanniskrautPräparat Deprivita® von Permamed
AG enthält 900 mg JohanniskrautExtrakt pro Tablette.
Wir bitten um Kenntnisnahme.
01.02.2012 16:17:27
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