Cannabinoide zur symptomatischen Behandlung der Multiplen Sklerose Nutzung von Cannabis in der Medizin - Geschichte 2737 v. Chr. Empfehlung durch den chinesischen Kaiser bei Gicht, Rheumatismus, Verstopfung, Geistesabwesenheit und „Frauenkrankheiten“ 1100 n. Chr. Hildegard von Bingen erwähnt Hanf in ihren Schriften 1839 Beschreibung der schmerzstillenden, krampflösenden und muskelentspannenden Wirkung durch den irischen Arzt O‘Shaughnessy, Empfehlung bei Rheuma, Cholera und Tetanus ca. 1850 in den USA beliebtes Schlafmittel Bromidia aus Cannabis, Bilsenkraut und Kaliumbromid 1964 Beginn der modernen Cannabis-Forschung mit Isolierung des euphorisierenden Inhaltsstoffes THC 1980 Entdeckung der Cannabis-Rezeptoren im Körper, Verständnis für die Wirkweise Cannabis bei Multipler Sklerose Cannabis wird geraucht wegen muskelrelaxierender schmerzlindernder entspannender Wrkung Britische Erhebung zwischen 1998 und 2002 ergab bei MS-Patienten in 75% der Fälle eine Besserung oder leichte Besserung ihrer Beschwerden gegenüber der vorherigen Behandlung (größtenteils Raucher) bezogen auf Schmerzen, aber auch sonstige Symptome der MS Ware et al. Int J Clin Pract 2005;59: 291-95. Aber gerauchtem Cannabis fehlt Standardisierung und Reinheit pflanzliche Proben haben hohe Spiegel von THC (psychoaktiv) und niedrige Spiegel CBD (anti-psychoaktiv) das rasche Anfluten der Substanzen nach Inhalation begünstige die psychoaktive Wirksamkeit Rauchen ist eine potentiell gesundheitsgefährdende Applikation der Konsum ist zwar in der Regel nicht strafbar, aber illegal Cannabis - Inhaltsstoffe Cannabis enthält mehr als 60 verschiedene sog. Cannabinoide, die sich in ihrem Wirkprofil auf den menschlichen Körper unterscheiden THC (Tetrahydrocannabinol) psychotrop/euphorisierend schmerzlindernd muskelentspannend appetitstimulierend antiemetisch synthetisch hergestelltes THC ist zur Therapie von Anorexie bei AIDS Patienten und gegen Übelkeit bei Chemotherapien zugelassen (USA) CBD (Cannabidiol) mildert psychotrope Effekte von THC ab (Intoxikation, Sedierung, Stimmungsschwankungen) zusätzlich wahrscheinlich angstlösend Entwicklung von Kombinationspräparaten Cannabis – Wirkung im Körper Cannabis-Rezeptoren sitzen in Schlüsselregionen für das motorische System, für das Belohnungssystem und für Lernvorgänge Frontaler Cortex Cannabis – Muskelentspannend bei Spastik? Tiermodell keine antispastische Wirkung bei Mäusen, denen ein bestimmter Cannabis-Rezeptor fehlt Spastik ist eine unfreiwillige Anspannung der Muskulatur in Form von Steifigkeit oder rhythmischen Zuckungen, die willentlich nicht zu unterdrücken ist entsteht bei MS durch eine Entzündung im Gehirn oder Rückenmark, die das sog. erste motorische Neuron betrifft betrifft bis zu 84% der Patienten aus: Rizzo et al. Mult Scler 2004; 10: 589-95. Cannabis bei MS - Sativex Sativex enthält im Wesentlichen THC und CBD hohe Reinheit und Verlässlichkeit in der Zusammensetzung Genetisch identische Pflanzen mit hohen Cannabinoidanteilen Abgesicherte Gewächshäuser Standardisierte AufwachsBedingungen Biochemische Weiterverarbeitung der Extrakte und Kombination zu fixen Konzentrationen Cannabis bei MS - Sativex Sativex wird als Mundspray verabreicht Anfluten rasch genug zur bedarfsorientierten Behandlung aber langsamer als beim Rauchen keine frühe Verstoffwechselung in der Leber wie bei Tabletten/Tropfen enthält THC und CBD im Verhältnis 1 : 1 Cannabis bei Spastik - Studienlage Spastik ist ein schwer messbares Symptom selbst übliche zugelassene Medikation zeigt in Studien keine relevante Reduktion der Spastik anhand der üblichen AshworthSkala bei Selbstbeurteilungsskalen durch die Patienten können auch andere Cannabiseffekte eine Rolle spielen (schmerzlindernd, psychotrop) 2003 CAMS-Studie (Cannabinoids in Multiple Sclerosis) - Cannabis-Extrakt, synthetisch hergestelltes THC, Placebo - keine Verbesserung der Spastik nach Cannabis oder THC gemessen mit der Ashworth-Skala - Verbesserung der Gehstrecke unter THC 2006 Studie zu Sativex (Gemisch aus THC und CBD) - Verwendung einer Selbstbeurteilungs-Skala - auch länger anhaltender Effekt von Sativex auf die Spastik 2007 Feststellung, dass es „Responder“ und „Non-Responder“ auf Sativex gibt, mindestens 30%ige Reduktion der Spastik Cannabis bei Spastik - Studienlage 2011 Studie nur zu „Respondern“ auf Sativex, so genauere Darstellung des Therapieeffekts - ca. 50% „Responder“ - deutliche Besserung der Spastik - auch Besserung des Schlafverhaltens führte zur Zulassung von Sativex bei Spastik infolge Multipler Sklerose - nur zusätzlich zu etablierter antispastischer Therapie - 4wöchige Testphase bei Behandlungsbeginn Sativex – Nebenwirkungen ZNS Benommenheit/Müdigkeit 30% Desorientiertheit 4% Konzentrationsstörungen 4% Gleichgewichtsstörungen 3% Appetitsteigerung 2% Euphorie 2% Depression 3% unklar: kognitive Störungen, Beeinträchtigung des Lernens Magen/Darm Mundtrockenheit 6% Übelkeit 9% Diarrhoe 5% Allgemein Fatigue 15% Allgemeinkörperschwäche 6% Einzelfälle mit schweren psychischen Störungen wie Wahn oder Suizid Sativex – Nebenwirkungen Langsames Eindosieren verhindert Risiko insbesondere zentralnervöser Nebenwirkungen Tag Anzahl der Sprühstöße am Morgen Anzahl der Sprühstöße am Abend Gesamtanzahl an Sprühstößen pro Tag 1 0 1 1 2 0 1 1 3 0 2 2 4 0 2 2 5 1 2 3 6 1 3 4 7 1 4 5 8 2 4 6 9 2 5 7 10 3 5 8 11 3 6 9 12 4 6 10 13 4 7 11 14 5 7 12 Sativex – Sonstiges Suchtpotential wird als gering eingestuft (nur selten Euphorie als Nebenwirkung) keine Toleranzentwicklung kein sicheres Entzugssyndrom allerdings Berichte über Müdigkeit, emotionale Unausgeglichenheit, lebhafte Träume Kontraindikation Suchterkrankung psychiatrische Vorerkrankung Fahrtüchtigkeit Datenlage unklar, im Zweifel abraten Reisen? Sativex fällt unter Betäubungsmittelgesetzt, für die Dauer von 30 Tagen darf Medikament mitgeführt werden, beglaubigte Bescheinigung mitführen