ZACK ZACK - Ox

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Interviews & Artikel
ZACK ZACK
Wo sind die SHOCKS
geblieben?
Was ist eigentlich mit den
Berlinern SHOCKS
passiert? Irgendwann
waren sie weg, wie Eis in
der Sonne,
weggeschmolzen, einfach
nicht mehr da. Warum eigentlich? Zig (viel) schlechtere
Bands muss man Jahrzehnte ertragen, die Guten aber lösen
sich einfach auf. Doch wie so oft sieht man sich zweimal, und
das ist bei ZACK ZACK der Fall, bei denen man auf Smail und
Lotze von den SHOCKS stößt. Musikalische Ähnlichkeiten
sind natürlich reiner Zufall, und wer seinen Punkrock gerne
beatlastig, poppig und britisch hat, ist hier genau richtig.
Smail (Gesang & Gitarre) beantwortete meine Fragen.
Alter Wein in neuen Schläuchen, oder wie ex-THE SHOCKS
ist die Band?
Ich kann das selbst schlecht einschätzen. In meinen Augen sind
ZACK ZACK eine völlig andere Sache, die Band ist nicht THE
SHOCKS, und Lotze und ich sind nicht die, die wir vor zehn
Jahren waren. Stillstand stinkt! Ich spreche noch dieselbe
Sprache, spiele die gleichen Akkorde, hab noch dieselben
Macken, aber verändere mich trotzdem jeden Tag. Mit jeder
Erfahrung, mit jeder Entscheidung, mit jedem Fehler. Ich bin kein
Schauspieler, die Musik funktioniert nicht getrennt von meinem
Leben. Da waren neue Songs, da waren Andi, Marius und Lotze
und wir haben versucht, das Zeug zu spielen. Das Ganze dann
SHOCKS zu nennen, wäre vermessen gewesen und hätte auch
nur immer und immer wieder die ganzen alten Songs
herausgefordert. Für mich war es wichtig, mal eine neue Chemie
zu probieren und mit zweiter Gitarre und mehr Vocals zu arbeiten.
So ein Neuanfang macht dich frei, verneint die Erwartungen und
das ist, was ich wollte. Aber was soll’s, man kann nicht aus seiner
Haut ... Es kann gut sein, dass es an die SHOCKS erinnert. Aber
das hängt auch davon ab, inwieweit man sich mit ihnen
beschäftigt hat. Mir fehlt die nötige Distanz, aber ich halte unsere
Band für weit mehr von positiver Energie angeschoben.
Gegenprobe: 50% von ZACK ZACK ist zwar THE SHOCKS,
die beiden anderen dagegen bringen neue Einflüsse mit. Wer
sind sie und wie habt ihr euch gefunden?
Andi spielt die zweite Gitarre, ein alter Freund aus Dresden. Mit
den CREEKS hat er eine recht gute Platte abgeliefert, die
allerdings in der Masse der Neuerscheinungen gnadenlos
untergegangen ist. Er ist ein langjähriger Weggefährte und guter
Freund. Marius hatte mal in jungen Jahren einen SHOCKS-Gig in
Straußberg/Berlin organisiert und unserem Alex eines seiner
Becken überlassen. Ich habe ihn vor Jahren bei den MINUS
APES und den FRANTIC ROMANTICS gesehen und wollte
seither mit ihm mal ’ne Band starten. Er ist der Jüngste bei uns,
ein guter Grafiker und immer noch ledig, Mädels.
Jeschke von eurem Label Dirty Faces bezeichnet dich als
„Mastermind“ der Band. Bist du also der Kreativdirektor oder
Kontrollfreak?
Viele Ideen und einen Plan, wie es klingen könnte, das hab ich
schon. Aber ich bin beileibe nicht der Einzige. Alle vier fügen das
Ganze zusammen und bringen Input mit. Viele der Texte und
auch viel Musik ist in meinem Blumentopf gewachsen, aber wäre
nie was geworden, wenn nicht jeder seinen Teil dazu abgeliefert
hätte. Wir sind ohne Zweifel eine Band, will ich damit sagen. Und
das ist ausbaufähig.
Gut, dass ZACK ZACK durchaus an die SHOCKS anknüpfen,
denn so locker und versiert gespielter Pop-Punk ist
hierzulande Mangelware, die durchschnittliche deutsche
Punkband ist deutlich ungelenker.
Wir hören wirklich ziemlich verschiedene Sachen, aber was mit
Schlagzeug, Bass und Gitarren dabei herauskommt, wenn wir
spielen, ist nunmal das, was du da hörst. Wir haben uns nicht
vorgenommen, an die SHOCKS anzuknüpfen oder ein klares
Konzept in der Tasche. Unsere musikalischen Vorlieben bewegen
sich zwischen dem R&B-beeinflussten Pubrock der Siebziger,
Punkrock aller Dekaden, Sixties-Garage, Mod und Powerpop,
auch Cold Wave. Vielleicht hört man das ja. Eigentlich sind mir die
Aussagen oder die Haltung wichtiger als die Musik. Im übrigen,
Pop-Punk halte ich für Scheiß. Punk-Pop ist besser. Ich mag
Eingängiges, was sofort in den Kreislauf übergeht und dir Kraft
oder Klarheit gibt oder so was. Auf eine einfache und direkte
Weise.
Dass du neuseeländischen Garagenpunk hörst, beweist das
Cover von den BLUE STARS. Was hörst du derzeit sonst so?
Im Moment hör ich oft „Zwiegespräche mit Gott“ von Ahne und die
LP der CREEKS aus Dresden.
Der Album-Opener „Was ist dein Bio-Arsch wert“ hetzt sehr
auf den Punkt gebracht gegen LOHAS und Öko-Yuppies. Was
hat dich so in Rage gebracht?
Ich habe letztens einen Kommentar in der Zeitung gelesen: „Die
einen sagen Gentrifizierung, die anderen Veränderung dazu.“
Kolonialisierung könnte es auch treffen. Den kosmopolitischen
Weltbürger wird es vielleicht weniger stören, aber die kleinen
Leute hier haben nicht viel mehr als ihre gewachsenen Strukturen,
ihre Freunde und Nachbarn, Kneipen, Treffpunkte. Eine über
lange Zeit gewachsene Vernetzung wird durch die inflationäre
Neubesiedlung von Berlin zerstört. Um nicht wie ein Schwein
rüberzukommen, hängt man sich vielleicht einen coolen
Gutmenschen-Wimpel an sein Cabriolet oder kauft Biogemüse für
die Gesundheit, macht Yoga auf einem Fairtrade-Kissen und fühlt
sich dabei in der moralischen Überlegenheit. Wenn man sich das
leisten kann jedenfalls.
Ist das in deiner Umgebung echt so schlimm?
Das ist eine giftgrüne Doppelmoral, die mich kotzen lässt. Kennst
du Bobos, Bourgeois Bohemians? Schon Anfang der Neunziger
war die Tendenz auszumachen, ich hab quasi am Kollwitzplatz
gewohnt. Das war mal ein rebellisches Stück Prenzlauer Berg.
Heute klackern hier die vergoldeten Stöckelschuhe über die
Straße, vorbei an den Junkies mit vollgeschissener Hose.
Und was ist mit dir? Büchsenbier und Dosenravioli von Aldi –
oder doch mal Bio-Supermarkt?
Dreck zu fressen hilft da auch nicht raus. Büchsenbier gibt’s nicht
mehr und von Ravioli wird mir schlecht. Es ist nur krank, dass sich
nicht jeder vernünftiges Essen leisten kann.
Generell zeugen deine Texte davon, dass du deine
Umgebung, deine Mitmenschen genau beobachtest und
vernünftigerweise ein klares Feindbild hast. Aber was kann
man machen gegen die ganzen Deppen da draußen?
Also ich habe nicht den Eindruck, ein Feindbild zu haben. Der
Scheiß steckt doch in jedem von uns. Nur der eine merkt es, der
andere nicht – oder findet sich damit ab. Solange du ein
lebendiges Wesen bist, ist es noch nicht vorbei.
Joachim Hiller
Webseite
© by Ox-Fanzine / Ausgabe #95 (April/Mai 2011)
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