ALLGEMEINE CHEMIE FÜR STUDIERENDE DER NATURWISSENSCHAFTEN IM WS 2012/2013 Kapitel 5 Die Halogene (7. Hauptgruppe; 17. Gruppe) 5.1 Allgemeines F Fluor (fluor lat. fließend; aus Flussspat (Fluorit = CaF2) elementares Fluor = F2 farbloses, sehr reaktives Gas, giftig, ätzt Glas! Cl Chlor (chloros griech. gelb-grün) elementares Chlor = Cl2 gelb-grünes, sehr reaktives Gas, giftig Br Brom (bromos griech. stinkend) elementares Brom = Br2 rotbraune Flüssigkeit, Dämpfe giftig I Iod (englisch: iodine; iodos griech. violett) elementares Iod = I2 violett-schwarzer Feststoff; Halbmetall; lässt sich sublimieren: Sub lim ation fest → gasförmig At Astat (astatos griech. instabil) radioaktives Element langlebigstes Isotop 210At; t1/2 (Halbwertszeit) = 8,3 h; Astat ist ein Metall Einige Eigenschaften: F Cl Br I 2 5 2 5 2 10 5a Valenzelektronen 2s 2p 3s 3p 4s (3d )4p 5s2(4d10)5p5 IE (eV) 17,42 13,01 11,84 10,45 b EA (eV) 3,35 3,61 3,36 3,06 158,8 242,6 192,8 151,1 ∆HDiss (X–X) (kJ/mol) – Ionenradius (X ) (pm) 133 184 196 230 Siedepunkte (°C) –188,1 –34 59,5 185,2 Schmelzpunkte (°C) –218,6 –101 –7,25 113,6 a Die d-Elektronen zählen in Wahrheit nicht zu den Valenzelektronen, sie stehen nämlich nicht für „Chemie“ zur Verfügung. b die Aufnahme eines Elektrons ist exotherm für die Halogenatome, dennoch erscheint der Energiebetrag mit einem positiven Vorzeichen; EA(Cl) = IE(Cl–) (siehe Edelgase) In der Natur kommen die Halogene (X2) wegen ihrer hohen Reaktivität nicht elementar vor, sondern stets als Verbindung. Elektronenkonfiguration: es fehlt ein e– zur Edelgaskonfiguration →die Bildung von Anionen X– ist sicher eine wichtige Reaktion. Dissoziationsenergie der X2: X2 2 X· F << Cl > Br > I > At Abstand dX–X (pm) = 143 (F2) < 199 (Cl2) < 228 (Br2) < 266 (I2) (für die Gasmoleküle) Eigentlich müsste die Dissoziationsenergie stetig innerhalb der Gruppe bis zum Fluor steigen. Bei Fluor liegt also eine Labilisierung der F–F-Bindung vor. Erklärt werden kann diese (u.a) Anhand des Modells der Valenzstrichformel: 33 ALLGEMEINE CHEMIE FÜR STUDIERENDE DER NATURWISSENSCHAFTEN IM WS 2012/2013 ******************************************************************************** <EXKURS: VALENZSTRICHFORMEL – LEWIS-FORMEL - DAS VSEPR-MODELL> A) Die Elektronentheorie der Valenz – Valenzstrichformel (1) Prinzip: Die Valenzelektronen eines Atoms werden entweder als · oder als ↑ dargestellt. Elektronenpaare werden als — (Bindungen) oder (freie Elektronenpaare) dargestellt. Beispiele für Lewis-Formeln: Atome: 1. Periode H 2. Periode Be Li He oder He B C N O F oder F Ne Moleküle (Bildung von; siehe Kapitel 4) H H + H H oder oder H H H + H H H Achtung, diese Ausdrücke sind nicht nur antiquiert sondern auch irreführend Moleküle (Strukturen) H H O H H Bindungselektronenpaare freie Elektronenpaare Molekül - Name - Anzahl der Valenzelektronen H2 - Diwasserstoff - VE = 2 H2O - Wasser - VE = 2 × 1 + 1 × 6 = 8 Cl Cl Cl2 - Dichlor - VE = 2 × 7 = 14 B) Die Elektronentheorie der Valenz – Erstellen von Valenzstrichformeln (2) Regeln: 1) Ermitteln der Gesamt-Valenzelektronenzahl 2) Verteilen der Valenzelektronen paarweise auf Bindungen (bindende Elektronenpaare) und freie Elektronenpaare auf möglichst symmetrische Art und Weise 3) Bei Molekülen aus mehreren verschiedenen Atomen wird immer die symmetrischere Variante bevorzugt. Zwischen den Atome gibt es mindestens ein bindendes Elektronenpaar 4) Die Valenzelektronen werden so verteilt, dass Bindungen zwischen den Atomen eine Bindungsordnung von 1, 2 (Doppelbindung) oder 3 (Dreifachbindung) haben 5) Die Gesamtzahl der Velenzelektronen um ein Atom darf im Fall von Elementen der Perioden 1 und 2 die Zahl 8 nicht übersteigen (Oktettregel) 6) Für die elemente der 3. und weiteren Perioden kann von der Oktettregel abgewichen werden. 7) Restliche ungepaarte Elektronen werden analog denselben Regeln hinzugefügt. Moleküle oder Ionen mit einem ungepaarten Elektron heißen Radikale. 8) Die Anzahl der nun zu einem Element zugeordneten Valenzelektronen bestimmt auch die Formalladung des Elements (siehe unten). Diese sollten möglichst gering sein. Die Oktettregel: Hauptgruppenelemente sind in ihren Verbindungen meist von insgesamt acht Valenzelektronen umgeben (bindende und freie Elektronen). Das ist streng anzuwenden auf die Elemente der 1. und zweiten Periode: H, He, Li, Be, B, C, N, O, F, Ne. Für die Elemente der 3. Und der folgenden Perioden ist dies nicht durchzuhalten (hypervalente Moleküle) 34 ALLGEMEINE CHEMIE FÜR STUDIERENDE DER NATURWISSENSCHAFTEN IM WS 2012/2013 b (Oktett erfüllt) O O c (Oktett erfüllt) a (Oktett erfüllt) O Formalladungen: Durch homolytische Bindungsspaltung werden den Atomen, jeweils ein Elektron einer kovalenten Bindung zugeordnet. Weicht danach diese Valenzelektronenzahl von der Hauptgruppennummer ab, gibt man dem Atom eine Formalladung. 5 VE = HG-Nummer -1 O O 6 VE = HG-Nummer O 1 positive Ladung + - O 7 VE = HG-Nummer +1 1 negative Ladung O O Das Ergebnis der Anwendung des Valenzstrichmodells für das Ozon (O3) ist überzeugend. Das Modell gibt unter anderem die gewinkelte Struktur von O3 wieder (kein Ring). Auch wird die leichte Polarisierung des Moleküls (negativ an den peripheren O-Atomen, positiv am zentralen OAtom) richtig wiedergegeben. Resonanz: Den Regeln oben folgend kann es mehrere mögliche Valenzstrich-Formeln für ein Molekül geben. z.B. beim O3 (Ozon) oder NCO− (Cyanat): O O O O O O O 2 O O N C O N C O n N C m O 2 (B) (A + B) 2 n+m=2 Für beide Moleküle kommen je zwei Formen in Betracht (A und B). Der Pfeil steht für die sogenannte Resonanz (auch Mesomerie genannt). Bekannt ist dieser Begriff auch aus der Beschreibung der Elektronenstruktur ungesättigter organischer Moleküle, wie Benzol: (A) (A + B) 2 (B) H 6 H C 1 5 C C H C H 2 4 C C H 3 H H 6 H C 1 5 C C H C H 2 4 C C H 3 H (A) H 6 H C 1 5 C C H H C 2 4 C C H 3 H (A + B) 2 Der reale Zustand des Moleküls ist als eine Überlagerung (Mischung) der möglichen Resonanzformen zu betrachten (keine stoffliche Mischung, sondern energetische Mischung), z.B. beim Benzol und beim O3 in einem Verhältnis von 1:1. Daraus resultiert z.B. beim O3 eine FormalLadung von +1 am zentralen O-Atom und von −1/2 an den beiden peripheren O-Atomen. Beide OO-Bindungen sind auch gleich lang und das Molekül symmetrisch. Beim OCN− liegt keine exakte 1:1-Überlagerung vor. Weshalb nicht?). (A) (B) 35 ALLGEMEINE CHEMIE FÜR STUDIERENDE DER NATURWISSENSCHAFTEN IM WS 2012/2013 C) Das VSEPR-Modell (Theorie der Elektronenpaarabstoßung) “valence-shell-electron-pairrepulsion“ (rein empirisch, d.h. das Modell hat keine physikalische Basis) Regeln: 1. Bindende und freie Elektronenpaare eines Moleküls ZLn (Z = Zentralatom, L = Liganden, n = Anzahl der Liganden) ordnen sich so um das Zentralatom an, dass sie den größtmöglichen Abstand voneinander besitzen 2. Freie Elektronenpaare beanspruchen mehr Platz als bindende. 3. Die Raumerfüllung bindender Elektronenpaare nimmt mit steigender Elektronegativität der gebundenen Liganden ab 4. Mehrfachbindungen brauchen mehr Platz als Einfachbindungen Beispiele: H C O C O C O H N H H H H H • • • • O H H CO; Kohlenstoffmonoxid hat eine Dreifachbindung (und Formalladungen) CO2; Kohlenstoffdioxid hat zwei Doppelbindungen und ist linear CH4; Methan hat vier Einfachbindungen und ist tetraedrisch strukturiert NH3; Ammoniak hat drei Einfachbindungen und ist pyramidal aufgebaut (pseudotetraedrisch); Grund: Platzanspruch des freien Elektronenpaars • OH2; Wasser hat zwei Einfachbindungen und ist gewinkelt (pseudo-tetraedrisch) wegen zwei freier Elektronenpaare *************************************************************************** Beim Fluor: F F oder F F Ein detaillierter Blick auf die Bindungsverhältnisse: 1 × 2s- und 3 × 2p-Orbitale am F F-F-σ-Bindung pz-Orbitale F F s-, px- und py-Orbitale F F freie Elektronenpaare Nach Regel 2 stossen sich die jeweils drei freien Elektronenpaare ab, was sich beim Fluor als kleinstes Atom stark auswirkt, und zur Schwächung der σ-Bindung führt. Chlor ist wesentlich größer (siehe Tabelle) bzw. der X–X-Abstand ist wesentlich größer. Hier führt der Platzanspruch der freien Elektronenpaare zu keiner gegenseitigen Abstoßung. 5.2 Vorkommen, Darstellung und Verwendung Fluor Vorkommen in Mineralien CaF2 = Fluorit; Na3AlF6 = Kryolith; Ca5(PO4)3F = Fluorapatit 36 ALLGEMEINE CHEMIE FÜR STUDIERENDE DER NATURWISSENSCHAFTEN IM WS 2012/2013 vgl. Ca5(PO4)3OH = Hydroxylapatit; Zähnen und Knochen bestehen im Wesentlichen aus Hydroxylapatit (+organischem „Kitt“); in den Zähnen ist teilweise OH– durch F– ersetzt; macht Zähne härter und F− ist toxisch für Bakterien Darstellung durch Elektrolyse von KF (in wasserfreier Flusssäure = HFa) Verwendung: • fluorierte organische Verbindungen (Teflon, FCKW) • in Form von UF6 zur Anreicherung von Uran (235U) • HF zum Ätzen von Glas • Fluorapatit in den Zähnen Chlor Vorkommen: Hauptmenge gelöst im Meer; fest im Kochsalz, Meersalz; als Mineral NaCl (Steinsalz) Darstellung durch Elektrolyse (Chlor-Alkali-Elektrolyse): in wässriger Lösung: Versuch: Elektrolyse von NaCl-Lösung Cl− ½ Cl2 + e− an der Anode Produkte → Cl2 − − H2O + e ½ H2 + OH an der Kathode Produkte → H2, Natronlauge Produkte → Cl2 in Schmelzen: Cl− ½ Cl2 + e− Na+ + e− Na(s) Produkte → Natrium Verwendung: • Chlorierte organische Verbindungen (PVC) • Cl2 als Bleichmittel / Desinfektionsmittel – Versuch: Bleichen von Lackmuspapier (geht nur in Anwesenheit von H2O): Cl2 + OH– + H2O OCl– + H3O+ + Cl–; OCl– = Hypochlorid →oxidierende Wirkung • Reinstsilicium aus SiCl4 • „Pyrogenes“ Kieselgel = SiO2 (als Weißpigment) aus SiCl4 Brom Vorkommen: Hauptmenge gelöst im Meerwasser, als Mineral AgBr = Bromspat (Bromargyrit) Darstellung durch Oxidation von Bromid mit Cl2. z.B. KBr + ½ Cl2 KCl + ½ Br2 (siehe 5.3.1) Verwendung: • KBr (Kaliumbromid) als Sedativum und Antikonvulsivum (Krampflöser) • AgBr (Silberbromid) in der Fotographie Iod Vorkommen: Hauptmenge gelöst im Meer; NaIO3 Bestandteil des Chilesalpeters (NaNO3); als Mineral Lautarit = Ca(IO3)2 Darstellung: a) Oxidation von Iodiden mit Cl2 (siehe 5.3.1) b) Reduktion von IO3− I 2 IO3− + 6 HSO3− 2 I− + 6 SO42− + 6 H+ II 5 I− + IO3− + 6 H+ 3 I2 ↓ + 3 H2O Verwendung: • I2 als Antiseptikum (Iod-Tinktur) • Iod-organische Verbindungen → organische Synthesechemie • Thyroxin (Iod ist ein essentielles Element für den Menschen) 37 ALLGEMEINE CHEMIE FÜR STUDIERENDE DER NATURWISSENSCHAFTEN IM WS 2012/2013 H I I I C O H HO I NH2 O C C HO OH I I C C C C H I O C I C C C H C H NH2 H C C H2 C OH O Zwei Darstellungen von Thyroxin. Links eine gebräuchliche vereinfachte Darstellung, rechts eine „vollständige“. In der vereinfachten Darstellung wird auf die Bezeichnung der C-Atome verzichtet, sie stellen das „Gerüst“ dar. Ebenso werden diejenigen H-Atome nicht gezeigt, die ebenfalls „zum Gerüst“ gehören und nicht Teil von Funktionellen Gruppen sind (rechts im Bild coloriert). Thyroxin ist eine Aminosäure, ein wachstumsregulierendes Hormon und wird von der Schilddrüse produziert. Bei Mangel versucht die Schilddrüse den Mangel durch Wachstum zu kompensieren (→Kropfbildung) 5.3 Reaktionen und Verbindungen 5.3.1 Allgemein, die Elemente X2 Die Elemente X2 sind starke Oxidationsmittel: X2 + 2 e− 2 X− + Energie Energie wird angegeben in Form der elektrochemischen Potentiale (E0) X2 F2 Cl2 Br2 0 E (V) +2,886 +1,395 +1,087 I2 +0,615 In der Reihe F > Cl > Br > I sinkt die oxidierende Wirkung F2 oxidiert Cl−, Br−, I− Cl2 oxidiert Br−, I− KCl + ½ F2 KF + ½ Cl2 KBr + ½ Cl2 KCl + ½ Br2 Versuch Cl2 + 2 Br− Br2 + 2 Cl− Nachweis über die Farbe Versuch Cl2 + 2 I− I2 + 2 Cl− Nachweis über die Farbe Br2 oxidiert I− KI + ½ Br2 KBr + ½ I2 Die oxidierende Wirkung von I2 (Iod-Tinktur, -Salbe) beruht auf der Oxidationswirkung von I2 z.B. gegenüber Bakterien. 5.3.2 Reaktionen mit den Edelgasen Edelgase IE He > Ne > Ar > Kr > Xe > Rn ab hier: IE > F IE < Cl 1962 Neill BARTLETT (Vancouver): Oxidation von Sauerstoff: O2 + PtF6 O2[PtF6] 38 O2+ = Oxygenyl ALLGEMEINE CHEMIE FÜR STUDIERENDE DER NATURWISSENSCHAFTEN IM WS 2012/2013 Und analog von Xenon: 1962 Rudolf HOPPE (Marburg) Xe + F2 XeF2 Xe + PtF6 „Xe[PtF6]“ „Stöchiometrie ist anders“ 1962 Howard CLAASEN, John G. MALM (Argonne, US) Xe + 2 F2 XeF4 Heute bekannt u.a.: XeF6, KrF2, XeF+, Xe2F2+, Kr2F3+, XeCl+, Xe2Cl3+ XeO2, XeO4 (= achtbindiges Xenon), HArF 5.3.3 Reaktionen mit Wasserstoff – Die Halogenwasserstoffe X2 + H2 2 HX Halogenwasserstoffe Die üblichen aber trivialen Namen sind HF = Fluorwasserstoff; HCl = Chlorwasserstoff; HBr = Bromwasserstoff und HI = Iodwasserstoff Systematischer würde man sie als Hydrogenfluorid, -chlorid, -bromid, und -iodid bezeichnen. Alles farblose Stoffe, mit Ausnahme des Fluorwasserstoffes HF (Sdp. 19,54°C) alle gasförmig HX F –543,6 kJ ∆HB ∆HB = Bindungsenthalpie Cl –184,7 kJ Br –103,7 kJ I –9,46 kJ *************************************************************************** <EXKURS: DAS CHEMISCHE GLEICHGEWICHT - DAS MASSENWIRKUNGSGESETZ> Wir betrachten die chemische Reaktion: A + B C + D Hinreaktion: A + B −(k1)→ C + D k1 = Reaktionsgeschwindigkeit der Hinreaktion Rückreaktion: C + D −(k−1)→ A + B k−1 = Reaktionsgeschwindigkeit der Rückreaktion a) Qualitative Beschreibung Ein Teilchen A reagiert mit 1 Teilchen B zu 1 Teilchen C und 1 Teilchen D Gleichzeitig: C reagiert mit D zu A und B. Im Gleichgewicht sind Hin- und Rück-Reaktion gleich schnell (k1 = k−1) und die Teilchenzahl im System A…D ist konstant. Bei gegebenem Volumen sind auch die Konzentrationen konstant. Wichtig: Nach Außen hin zeigt sich bei einer chemischen Reaktion, die sich im Gleichgewicht befindet, keine Reaktion mehr. Man muss sich aber klar machen, dass lediglich Hin- und Rückreaktion gleich schnell ablaufen. Es ist also falsch zu sagen, die Reaktion würde aufhören. b) Quantitativ cC cA cD = konstant = KC cB cA = Konzentration des Stoffs A (mol/L); cB …, cC …, cD … KC = Gleichgewichtskonstante KC ist typisch für eine gewählte Reaktion, hängt also von T und p ab Das ist das Massenwirkungsgesetz (MWG) für diese Reaktion 39 ALLGEMEINE CHEMIE FÜR STUDIERENDE DER NATURWISSENSCHAFTEN IM WS 2012/2013 [C ] ⋅ [ D] = konst = K C andere Schreibweise: [ A] ⋅ [ B] [C] = Konzentration des Stoffs C Einflüsse auf die Gleichgewichtslage: Das Prinzip des kleinsten Zwangs – LE CHATELIER (1850-1936) Übt man auf ein im GGW befindliches System durch Änderung der äußeren Bedingungen einen Zwang aus, so verschiebt sich das GGW derart, dass es dem äußeren Zwang ausweicht. Daraus ergeben sich nun Möglichkeiten das GGW gezielt zu verschieben: 1) Konzentrationen Wird die Konzentration eines Reaktanden verändert, stellt sich das Gleichgewicht neu ein. Beispiel: Auflösen / Ausfällen von Kochsalz NaCl(s) + n H2O Na+(aq) + Cl−(aq) Durch Zugaben von konzentrierter Salzsäure (HCl-Gas in Wasser) gelingt es NaCl(s) auszufällen. 2) Temperatur Durch Temperaturerhöhung wird derjenige Prozess gefördert, der Energie verbraucht. Beispiel: Wassergas H2O + C + 129,8 kJ CO + H2 Temperaturerhöhung → CO + H2O CO2 + H2 + 41,9 kJ ←Temperaturerniedrigung 3) Druck Durch Druckerhöhung wird derjenige Prozess gefördert, der die kleineren (Gas)Volumina zur Folge hat. Beispiel: Ammoniaksynthese (NH3) 3 H2 + N2 2 NH3 Druckerhöhung → In Wahrheit müßten für das Massenwirkungsgesetz nicht die Konzentrationen, sondern die Aktivitäten angesetzt werden: aA = Aktivität des Stoffs A (mol/L); aB …, aC …, aD … aC aD = konstant = Ka aA aB aA = γ . cA γ = Aktivitätskoeffizient Ka = Gleichgewichtskonstante ******************************************************************************** angewandt auf die Halogenwasserstoffe: Für I2 + H2 2 HI ist ∆H = −9,46 kJ und KGGW (298 K) = 794 Bei 300°C sind 19% HI dissoziiert Bei 1000°C sind 33% HI dissoziiert Die Bindungen H–X bei den Halogenwasserstoffen sind kovalente Bindungen (Atombindungen). Allerdings ist das bindende Elektronenpaar bzw. die entsprechende Elektronendichte nicht 40 ALLGEMEINE CHEMIE FÜR STUDIERENDE DER NATURWISSENSCHAFTEN IM WS 2012/2013 gleichverteilt zwischen den beiden Atomen. Die beiden Bindungspartner haben eine unterschiedliche Affinität zu Elektronen und werden dementsprechend das bindende Elektronenpaar für sich beanspruchen. Im Beispiel das Cl-Atom mehr als das H-Atom. Energie Energie Ψab Ψab Ψb ΨAO H ΨMO H H Ψb ΨAO ΨAO H H ΨMO H Cl ΨAO Cl Der beschreibende Begriff hierfür ist die Elektronegativität (EN) ******************************************************************************** <EXKURS: DIE ELEKTRONEGATIVITÄT (EN) UND WEITERE TENDENZEN IM PERIODENSYSTEM> Elektronegativität Die Elektronegativität ist ein Maß für die Stärke eines Atoms in einem Molekül Elektronen an sich zu ziehen (L. PAULING). Es handelt sich bei der Elektronegativität um eine Größe, die nicht direkt meßbar ist. Vielmehr muß sie aus verschiedenen anderen Größen wie zum Beispiel Ionisierungsenergie, Bindungsenergie etc. gebildet werden. Elektronegativität nach PAULING Die Elektronegativität nimmt generell von links nach rechts und von unten nach oben zu. Bei der Elektronegativität nach PAULING bzw. nach ALLRED und ROCHOW handelt es sich um dimensionslose Größen, da sie bei der Einführung ihrer Skala jeweils einen Wert als Bezugsgröße 41 ALLGEMEINE CHEMIE FÜR STUDIERENDE DER NATURWISSENSCHAFTEN IM WS 2012/2013 definiert haben und sich alle anderen Werte an diesem orientieren. Daneben gibt es eine Reihe weiterer EN-Skalen. Am eingängigsten sind jedoch die Skalen nach PAULING oder ALLRED und ROCHOW, z.B für die zweite Periode ergeben sich folgende ungefähre EN: Li: 1,0 Be: 1,5 B: 2,0 C: 2,5 N: 3,0 O: 3,5 F: 4,0 Die Edelgase haben im Prinzip die höchsten EN (A & R): He: 5,5; Ne: 4,8; Ar: 3,2; Kr:2,9; Xe: 2,4; Rn: 2,0 Der EN zu Grund liegen natürlich die allgemeinen Tendenzen im PSE: Atomradien: Innerhalb einer Periode nehmen die Atomradien leicht von links nach rechts ab, innerhalb einer Gruppe stark von oben nach unten zu. Ursache für die leichte Abnahme der Radien innerhalb einer Periode ist die steigende effektive Kernladungszahl, die die Elektronen zunehmend stäerker anzieht und damit die Atomradien schrumpfen läßt. Die starke Zunahme innerhalb einer Gruppe entspricht dem „Einbau“ neuer Schalen. Ionisierungenergien und Elektronenaffinitäten: Die Ionisierungsenergien nehmen innerhalb einer Periode langsam zu (steigende effektive Kernladung) und weisen stets ein Maximum bei der 18. Gruppe auf (Edelgase, siehe S. 25). Innerhalb einer Gruppe nehmen die IE von oben nach unten ab, da die Ionisierung weiter entfernter (Radius) Elektronen einfacher ist. ******************************************************************************** Im H–Cl hat Chlor eine höhere EN als Wasserstoff, also ist der Schwerpunkt der Elektronendichte in Richtung auf das Chlor verschoben. Das wird auf folgende Weise dargestellt: H Cl oder H δ+ Cl δ− Beide Darstellungsformen implizieren eine dipolare Ladungsverteilung. In der Tat sind HXMoleküle Dipole. Definition Dipol: Molekül, das sich im elektrischen Feld orientiert (es hat ein Dipolmoment) Ein weiterer „Beweis“ für die oben beschriebene Ladungsverteilung ist die charakteristische Reaktion der HX-Verbindungen mit Wasser: HCl-Gas ist in Wasser löslich, zusätzlich reagiert es nach HCl + H2O H3O+ + Cl– H3O+ = Oxonium- / Hydronium-Ion HX in Wasser sind Säuren – Die Lösung von HCl-Gas in Wasser nennt man Salzsäure ******************************************************************************** <EXKURS: SÄUREN UND BASEN> 1) Säuren und Basen - Verschiedene Definitionen 42 ALLGEMEINE CHEMIE FÜR STUDIERENDE DER NATURWISSENSCHAFTEN IM WS 2012/2013 ARRHENIUS: Säuren dissoziieren in Wasser unter Bildung von H+-Ionen, Basen unter Bildung von OH– z.B. HCl(g) (in H2O) → H+ + Cl– NaOH(s) (in H2O) → Na+ + OH– BRÖNSTEDT: Säuren sind Protonendonatoren, Basen sind Protonenakzeptoren Es gibt nur eine Säure, wenn auch eine Base zugegen ist: HA + B A– + BH+ Säure HA + Base B korrespondierende Base A– + korrespondierende Säure HB+ Wichtig: Bezugspunkt H+-Ion (bzw. H3O+) LEWIS: Eine LEWIS-Säure ist ein Teilchen mit einem Elektronenmangel, LEWIS-Base ist ein Teilchen mit einem Elektronenüberschuss. Beispiele für Lewis-Säuren und -Basen: 1) Das Proton (H+) ist eine Lewis-Säure (und auch eine Brönstedt-Säure), Wasser ist eine LewisBase (= Brönstedt-Base) (links). Wasser ist aber auch eine Brönstedt-Säure, allerdings keine LewisSäure (rechts) !!! H O H+ + H + O H H O bzw. H H O + H H H O H H - + + H O H 2) BF3 ist eine Lewis-Säure, NH3 eine Lewis-Base H F F B F + H N H F H B N F H H F 3) Cu2+-Ion in wässriger Lösung = Cu2+(aq) OH2 H2O 2+ OH2 Cu H2O OH2 OH2 Cu2+-Ion ist eine Lewis-Säure, OH2-Molekül ist eine Lewis-Base Fazit: Das Elegante an der LEWIS-Definition ist, dass diese sowohl die BRÖNSTEDT’schen Säuren und Basen mit einschließt sondern darüber hinaus ein (einfaches) Modell für die Bindungsverhältnisse in Komplexen (Koordinationsverbindungen) liefert. In wässrigen Lösungen ist die BRÖNSTEDTsche Definition ausreichend. 43 ALLGEMEINE CHEMIE FÜR STUDIERENDE DER NATURWISSENSCHAFTEN IM WS 2012/2013 2) Säuren und Basen in Wasser – Die Säurestärke – Die Basenstärke Allgemein gilt für eine Säure in Wasser: HA + H2O + − H3O + A c (H3O+) c (A−) = konstant c (HA) c (H2O) das MWG: dabei sind die Konzentration von Wasser = c(H2O): 1 l Wasser = 1000 g (bei 25°C) und das Molgewicht MG(H2O) = 18,015 mol/l; 1000 g H2O ≈ 55,5 mol Geht die Konzentration von Wasser in die Konstante mit ein entsteht die Säurekonstante KS c (H3O+) c (A−) = KS c (HA) = Säurestärke ← → KS groß; GGW H3O+ + A− vollständig (weitgehend dissoziiert) ⇒ starke Säure (z.B. Salzsäure) ← → KS klein; GGW HA + H2O wenig dissoziiert ⇒ schwache Säure (z.B. Essigsäure) Analog für eine Base (A−) c (OH−) c (HA) = KB c (A−) = Basenstärke starke Base: OH− (z.B. aus NaOH in H2O = Natronlauge) schwache Base: NH3 (Ammoniak) sehr schwache Base: F− (aus KF in H2O) 3) Reines Wasser - Der pH-Wert H2 O + H2 O H3O+ + OH– Autoprotolyse-Gleichgewicht experimenteller Beweis: Leitfähigkeit von reinstem Wasser MWG: bzw. c (H3O+) c (OH−) c (H3O+) c (OH−) = KS(H2O) = 1,8.10−16 = konstant c (H2O) c (H2O) c (H2O) c(H3O+) . c(OH–) = KS (H2O) . c(H2O) = KW = 10–14 = Ionenprodukt des Wassers KS = Säurekonstante von Wasser, KB = Basenkonstante von Wasser und KS . KB = KW weil: c(H3O+) = c(OH−), ist c(H3O+) = c(OH–) = 10–7 (in reinem Wasser bei 25°C) Da dies recht unhandliche Größen sind, werden c(H3O+), Ks, Kw, KB durch ihre negativen dekadischen Logarithmen ersetzt: → pH pK S pK B pK W = – log c(H3O+) = – log KS = – log KB = – log KW 44 ALLGEMEINE CHEMIE FÜR STUDIERENDE DER NATURWISSENSCHAFTEN IM WS 2012/2013 pH von reinem Wasser = 7. Es gilt KS . KB = KW und pKS + pKB = pKW = 14 4) Korrespondierende Säure- und Basepaare Beispiele Säure pKS korrespondierende Base pKB − Salzsäure* Cl + H2O H3O 15,74 −1,74 2− Phosphorsäure 2,12 11,88 H2PO4 Ameisensäure 2,75 Formiat 11,25 Essigsäure 4,75 Acetat 9,25 9,25 NH3 4,75 NH4+ − H2O 15,74 OH −1,74 *Salzsäure ist vollständig dissoziiert, d.h. es ist eine stärkere Säure als H3O+. Deshalb kann in wässriger Lösung kein pKS angegeben werden ⇒ zu einer starken Säure korrespondiert immer eine schwache Base und andersherum. pKS + pKB = pKW = 14 5) Bedeutung des pH-Werts (bzw. Konzentration von H3O+) • • • Biologie / Biochemie: viele Reaktionen sind vom pH-Wert der Umgebung abhängig z.B. Nährstoffaufnahme Organische Chemie / Anorganische Chemie: Verbindungen und dissoziierte Protonen sind in ihren Eigenschaften (Reaktivität, Farbe, u.a.) vom pH-Wert abhängig. Bioanorganische Chemie: Mineralisierung oder Verfügbarkeit von Metallionen sind vom pH abhängig 6) Messung des pH-Werts a) mit pH-Indikatoren Indikatoren (Farbindikatoren): Organische oder anorganische Moleküle, die schwache Säuren sind und daher als protonierte (HInd) und deprotonierte Form (Ind‒) existieren und für beide Formen unterschiedliche Farben zeigen. HInd + H2O MWG: Ind− + H3O+ c (H3O+) c (Ind−) = KS(Indikator) c (HInd) bzw. c (H3O+) = KS(Ind) ist klein (schwache Säure)!!! gebräuchliche Indikatoren: Indikator Methylrot p-Nitrophenol Bromthymolblau Phenolphthalein Lackmus Umschlagsbereich 4,4 – 6,2 5,0 – 7,0 6,2 – 7,6 8,0 – 10,0 4,5 – 8,3 45 Farbumschlag rot – gelb farblos – gelb gelb – blau farblos – rot rotviolett - blau KS(Ind) c (Ind−) c (HInd) ALLGEMEINE CHEMIE FÜR STUDIERENDE DER NATURWISSENSCHAFTEN IM WS 2012/2013 Versuche - Bespiele für Indikatoren: -Phenolphthalein -Blaukraut -Universalindikator -Kölsches Leitungs-Wasser Weshalb tritt hier ein Umschlagbereich auf, und kein „scharfer“ pH-Wert? aus + c (H3O ) = KS(Ind) c (Ind−) ergibt sich c (HInd) c (Ind−) pH = pKS(Ind) + log c (HInd) Ist die Unterscheidbarkeit der Farben von HInd und Ind− beispielsweise erst gegeben, wenn c(HInd)/c(Ind−) = 10/1 oder 1/10 ist, dann ist der Umschlagsbereich pH = pKS(Ind) ±1 Universalindikatorpapier wird durch Mischen mehrerer Indikatoren so präpariert, dass es den gesamten pH-Bereich überstreicht. b) Messen des pH-Wertes mit der pH-Elektrode Das elektrochemische Potential der Reaktion 1/2 H2 + H2O H3O+ + e− hängt von c(H3O+) ab. Also lässt sich bei standardisierten Bedingungen (p, T, c(H2)) anhand eines gemessenen Potentials der pH-Wert ermitteln (siehe dazu EXKURS REDOXREAKTIONEN) c) Leitfähigkeit Durch Leitfähigkeitsmessungen kann man grundsätzlich die Art und Anzahl von Ionen in einer Lösung bestimmen. Daher auch die c(H3O+). 7) Neutralisationsanalyse Zur Bestimmung des Gesamtgehaltes (Anzahl der Teilchen) einer Lösung an H3O+-Ionen titriert man mit Lösungen bekannten OH−-Ionen-Gehalts (und umgekehrt). Die Neutralisationsreaktion ist exotherm: H+ + OH− H2O | ∆H = −57,3 kJ/mol oder H3O+ + OH− H2O + H2O Der Endpunkt der Titration (das dosierte Zutropfen einer sogenannten Maßlösung) ist erreicht, wenn die zugegebene Menge Base (Säure) der vorliegenden Menge Säure (Base) entspricht (= Äquivalenzpunkt). Der Äquivalenzpunkt kann durch Umschlag eines Indikators oder mittels pH-Elektrode oder Leitfähigkeit ermittelt werden. 46 ALLGEMEINE CHEMIE FÜR STUDIERENDE DER NATURWISSENSCHAFTEN IM WS 2012/2013 pH = pKS(Ind) + log c (Ind−) c (HInd) , d.h. in einer Säurelösung liegt Für den Umschlag des Indikators gilt: anfänglich Hind vor. Im Verlauf der Titration wird die zu analysierende Säure verbraucht und schließlich auch Hind, welches am Äquivalenzpunkt dann halb und nur bei wenig mehr Base vollständig zu Ind− deprotoniert ist. Beispiel 1 Titration einer starke Säure mit starker Base (Salzsäure + Natronlauge) H3O+(aq) + Cl–(aq) a) HClgas + H2O b) NaOHfest + H2O OH–(aq) + Na+(aq) c) H3O+(aq) + Cl–(aq) + OH–(aq) + Na+(aq) 2 H2O + Na+(aq) + Cl–(aq) = Lösung von Kochsalz (NaCl) in Wasser; pH = 7; Indikator: Bromthymolblau Beispiel 2 Titration einer schwachen Säure mit starker Base (Essigsäure + Natronlauge) = Lösung von Natriumacetat in Wasser H3O+(aq) + Ac–(aq) a) HAc + H2O b) NaOHfest + H2O Ac = Acetat = CH3COO– OH–(aq) + Na+(aq) c) H3O+(aq) + Ac–(aq) + OH–(aq) + Na+(aq) 2 H2O + Na+(aq) + Ac–(aq) Wichtig: Bei der Neutralisationsreaktion spielt die Stärke der Säure nun keine Rolle. Durch die starke Base wird die Säure vollständig dissoziiert und alle H3O+ werden neutralisiert. Aber: eine schwache Säure hat eine starke Base als korrespondierenden Partner. Acetat ist eine Base, die resultierende Lösung von Natriumacetat ist also basisch: – d) Ac (aq) + H2O – HAc + OH (aq) c (HAc) c (OH−) KB(Ac−) = c (Ac−) mit c(HAc) = c(OH–) ist c (OH−)2 KB(Ac−) = c (Ac−) und mit KW2 = c(H3O+)2 · c(OH–)2 KB(Ac−) = + 2 c(H3O ) = und daraus: KW 2 KB(Ac−) c (Ac−) KW2 c (H3O+)2 c (Ac−) c (H3O+) = bzw. KW 2 KB(Ac−) c (Ac−) Mit KS(HAc) · KB(Ac–) = KW (gilt für alle korrespondierenden Säure-Base-Paare) c (H3O+) = wird daraus: KW KS(HAc) c (Ac−) oder: pH = 7 + 1/2 pKS(HAc) + 1/2 log c(Ac–) 47 ALLGEMEINE CHEMIE FÜR STUDIERENDE DER NATURWISSENSCHAFTEN IM WS 2012/2013 Indikator: Phenolphthalein Beispiel 3 Titration einer schwachen Base mit starker Säure (Ammoniak + Salzsäure) Betrachtet man die vorhergehenden Beispiele, wird klar, dass die resultierende Lösung identisch ist mit einer Ammoniumchlorid-Lösung in Wasser. Nachdem Ammoniak eine schwache Base ist, ist klar, dass Ammonium-Lösungen sauer reagieren: Für NH4+(aq) + H2O H3O+(aq) + NH3 gilt KS(NH4+) = und mit c(NH3) = c(H3O+) ist c (NH3) c (H3O+) c (NH4+) c (H3O+)2 KS(NH4+) = c (NH4+) daraus wird c(H3O+)2 = KS(NH4+) . c(NH4+) bzw. c (H3O+) = KS(NH4+) c (NH4+) und mit KS(NH4+) · KB(NH3) = KW KW c (NH4+) KB(NH3) c (H3O+) = wird daraus: oder: pH = 7 – 1/2 pKB(NH3) – 1/2 log c(NH4+) Beispiel 4 Titration einer schwachen Base mit schwacher Säure (Ammoniak + Essigsäure) Die nach der Titration erhaltene Lösung ist identisch mit einer Lösung von Ammoniumacetat in Wasser. Ammonium reagiert in Wasser sauer, Acetat hingegen basisch, ob die resultierende Lösung insgesamt sauer oder basisch ist, hängt von KS(Säure) und KB(Base) ab: Für NH4+(aq) + H2O KS(NH4+) = gilt c (NH3) c (H3O+) c (NH4+) mit c(Ac−) = c(NH4+) ist ist und Ac−(aq) + H2O H3O+(aq) + NH3 KB(Ac−) = und KS(NH4+) = c (HAc) c (OH−) c (Ac−) c (NH3) c (H3O+) KB(Ac−) c (OH−) c (HAc) c (NH3) c (H3O+) KB(Ac−) c (H3O+) KS(NH4+) = KW c (HAc) c (H3O+)2 = umgeformt: KS(NH4+) KW c (HAc) c (NH3) KB(Ac−) OH−(aq) + HAc c (Ac−) = c (HAc) c (OH−) bzw. KB(Ac−) c (OH−) = und mit KW c (H3O+) c (H3O+)2 KB(Ac−) c (NH3) = c (HAc) KW und da NH3 und HAc in äquivalenten Mengen eingesetzt wurden c(HAc) = c(NH3) 48 ALLGEMEINE CHEMIE FÜR STUDIERENDE DER NATURWISSENSCHAFTEN IM WS 2012/2013 gilt c (H3O+) = KS(NH4+) KW KB(Ac−) gilt c (H3O+) = KS(NH4+) = und mit KS(HAc) KW KB(NH3) KW KB(NH3) KB(Ac−) = , sowie KW KS(HAc) oder pH = 7 + 1/2 pKS(HAc) – 1/2 pKB(NH3) 8) Puffer Puffer sind Systeme aus schwachen Säuren und deren korrespondierenden Basen, die H3O+- c (H3O+) = KS c (HA) c (A−) Konzentration ergibt sich dabei aus: Säurezugabe: H3O+ + A– → HA verschiebt nur unwesentlich das Gleichgewicht Basenzugabe: OH– + HA → A– verschiebt nur unwesentlich das Gleichgewicht Bei einer 1:1-Verhältinis von c(HA) und c(A–) ist pH = pKS(HA) Bei einem Verhältnis c(HA)/c(A–) von 10/1 steigt der pH nur um 1; Bei einem Verhältnis c(HA)/c(A–) von 100/1 steigt der pH nur um 2 Pufferlösungen bieten stabile pH-Verhältnisse für Reaktionen, die empfindlich auf Änderung des c(H3O+) reagieren. Viele biochemische Prozesse sind darunter. 9) der pH-Wert von Elektrolyten Wie in 7) erläutert weißen die wässrigen Lösungen diverser Salze teilweise pH-Werte = 7 auf. Vorraussetzung dafür ist, dass ein oder beide Ionen (Kation und/oder Anion) Säuren oder Basen sind, mit H2O reagieren. In erweitertem Sinne gilt dies für wässrige Lösungen jeglicher Stoffe, die mit H2O als Säuren oder Basen reagierten können. Neben den Elektrolyten (anorganische Salze) können dies auch organische Moleküle sein (Carbonsäuren, Alkohole, Amine, Amide …). Der pHWert läßt sich rechnerisch wie in 7) gezeigt ermitteln. Versuche - Bespiele für den pH von Elektrolyten (Nachweis mit pH-Papier): - primäres Phosphat z.B. NaH2PO4 (sauer) - sekundäres Phosphat z.B. Na2HPO4 (leicht sauer) - tertiäres Phosphat z.B. Na3PO4 (basisch) ******************************************************************************** Die Säurestärke der Halogenwasserstoffe: (vergleichbar nicht in Wasser, sondern etwa in Essigsäure): HI > HBr > HCl > HF; Grund (vereinfacht): zunehmende Bindungsstärke H–X 49 ALLGEMEINE CHEMIE FÜR STUDIERENDE DER NATURWISSENSCHAFTEN IM WS 2012/2013 5.3.4 Die Silberhalogenide Die Verbindungen AgX (außer AgF) sind sehr schwerlösliche Festkörperverbindungen. Die Schwerlöslichkeit wird zu analytischen Zwecken genutzt. ******************************************************************************** <EXKURS: DIE LÖSLICHKEIT - DAS LÖSLICHKEITSPRODUKT> Elektrolyte: Stoffe, die beim Auflösen in Wasser solvatisierte Ionen bilden und sich dadurch lösen. E. lassen sich beschreiben als im Festkörper aus Ionen aufgebaute Stoffe (Ionenbindung). Man nennt sie auch Salze oder salzartige Stoffe. Beim Auflösen eines Elektrolyten löst sich der Gitterverband der Anionen und Kationen auf und es bilden sich solvatisierte Ionen. Während das Auflösen des Gitterverbandes normalerweise endotherm ist (Gitterenergie) ist die Bildung der solvatisierten Ionen exo- oder endotherm (Solvatationsenergie). Letzteres ist of entscheidend ob sich ein Stoff löst oder nicht (siehe Kapitel 2). Das Ausfallen eines Elektrolyten erfolgt dann, wenn seine Löslichkeit überschritten ist. Versuche - Bespiele für ausfallende Festkörper (Salze): 1) CuSO4 in H2O = Cu2+(aq) + SO42‒(aq); Kupfersultat CuSO4 löst sich recht gut in Wasser, bei Zugabe von Ammoniak (Base: NH3 + H2O = NH4+ + OH‒) fällt Cu(OH)2 aus: Cu2+(aq) + 2 OH‒(aq) Cu(OH)2 ↓ Der ↓ bedeutet, der Stoff fällt aus. Wiederauflösen von Cu(OH)2 (Teilen der Suspension): a) durch Säure: in saurer Lösung gibt es nicht genügend OH‒-Ionen. Bzw. die OH‒-Ionen des Feststoffs reagieren als starke Basen gegenüber Säure. b) durch Ammoniak: Cu2+ bildet einen Komplex [Cu(NH3)4(H2O)2]2+, der thermodynamisch gesehen günstiger/stabiler ist als Cu(OH)2. 2) BaCl2 in H2O = Ba2+(aq) + 2 Cl‒(aq); Bariumchlorid ist in Wasser recht gut löslich, bei Zugabe von Natriumsulfat-Lösung (= 2 Na+(aq) + SO42‒(aq)) fällt BaSO4 (Bariumsulfat) aus: Ba2+(aq) + SO42‒(aq) BaSO4 ↓ BaSO4 lässt sich nicht durch Säuren auflösen. SO42‒ ist keine Base. Das Massenwirkungsgesetz MWG für den Lösungsvorgang eines Elektrolyten stellt sich wie folgt dar: Beispiel Silberhalogenide AgX: AgX(fest) AgX(gelöst) Ag+(aq) + X−(aq) c (Ag+) c (X−) = konstant c (AgXgelöst) MWG (nur für das zweite Gleichgewicht*: (* das ist der Trick daran) Wichtig: c(AgXgelöst) ist die Konzentration von gelösten AgX-Molekülen in der Lösung. Bei einem schwerlöslichen Stoff ist diese Konzentration sehr gering. Bei vielen Elektrolyten geht man davon 50 ALLGEMEINE CHEMIE FÜR STUDIERENDE DER NATURWISSENSCHAFTEN IM WS 2012/2013 aus, dass es solche Moleküle nicht gibt sondern diese Verbindungen nur im Festkörper existieren. Ungeachtet dessen ist c(AgXgelöst) eine vernünftige Rechengröße und am wichtigsten: Diese Größe ist konstant: AgX-Teilchen in Lösung solvatisieren sich und bilden Ionen und in gleichem Maße werden AgX-Teilchen aus dem Festkörper nachgeliefert. Ob es nun also solche Teilchen gibt oder nicht, ihre Konzentration ist in einer Lösung, bei der zur gleichen Zeit ein Bodenkörper (Festkörper) vorliegt konstant. Dann wird aus dem MWG: c(Ag+) · c(X−) = KL = Löslichkeitsprodukt Allgemein gilt für die Auflösung eines Elektrolyten: KmAn KL = c(Kn+)m c(Am−)n m Kn+ + n Am− Und für die Löslichkeit L L= n+m KL n mm n KL = (dimensionslose Größe); L = Löslichkeit (in g/l) ⇒ pKL = − log KL Beispiel 1 Die Löslichkeit der Silberhalogenide: AgX pKL AgF –2,3 AgCl 9,96 AgBr AgI 12,4 16 Löslichkeit von Silberchlorid (AgCl; MG =143,32 g/mol): AgCl löst sich auf unter Bildung von Ag+ und Cl– zu gleichen Teilen. Deshalb ist c(Ag+) = c(Cl−) = L; Aus der Formel: L = (KL)1/2 mit KL = 1,09 · 10–10 (Tabellenwert) c(AgClgelöst) = (1,09 · 10–10)1/2 = 1,0471 · 10–5 (mol/l); Löslichkeit = 1,0471 · 10–5 × 143,32 = 1,5 mg in 1000 ml Wasser Löslichkeit von Silberfluorid (AgF; MG = 126,87 g/mol): L = (KL)1/2 = 1800 g in 1000 ml Wasser Beispiel 2 Die Löslichkeit von Bleichlorid (PbCl2; MG = 278,096 g/mol): KL = c(Pb2+) · c(Cl–)2 = 2 · 10–5 (pKL = 4,77) Wenn 1 Teilchen PbCl2 sich auflöst, entstehen 1 Teilchen Pb2+ und 2 Teilchen Cl–, deshalb ist c(Pb2+) = L, c(Cl–) = 2 L daraus leitet sich ab KL = c(Pb2+) · {2 c(Pb2+)}2 = {4 c(Pb2+)}3 und L = c(Pb2+) = (KL/4)1/3 und andererseits KL = 1/2 c(Cl–) · c(Cl–)2 = {1/2 c(Cl–)}3 und L = 1/2 c(Cl–) = (KL/4)1/3 dasselbe aus der Formel: L = (KL/4)1/3 = 1,71 · 10–2 (mol/l), bzw. 4,755 g/l Weshalb lösen sich manche Stoffe und andere sind „unlöslich“? (Ein didaktischer Ausflug) Es gibt darauf drei verschiedene Antworten: 1) Die Antwort aus dem Löslichkeitsprodukt (tabellierte Werte): 51 ALLGEMEINE CHEMIE FÜR STUDIERENDE DER NATURWISSENSCHAFTEN IM WS 2012/2013 Ein Stoff mit einem kleinen Löslichkeitsprodukt KL ist schlecht löslich, ein Stoff mit einem großen Löslichkeitsprodukt ist gut (oder leicht) löslich. Oder: Ein Stoff mit einem großen pKL-Wert ist schwer löslich, ein Stoff mit einem kleinen pKL-Wert ist gut löslich, Stoffe mit negativem pKL-Wert sind sehr gut löslich (vgl. Tabelle). KL pKL KL pKL Na2SO4 AgF 200 30,60 −2,3 −1,48 −5 NaCl 38 CaSO4 4,62 −1,58 2,4 · 10 −5 −7 BaF2 4,62 SrSO4 6,12 2,4 · 10 7,6 · 10 −5 −9 4,77 BaSO 8,82 PbCl2 1,60 · 10 1,5 · 10 4 −10 −22 AgCl 9,72 ZnS 21,60 1,09 · 10 2,5 · 10 −11 −28 CaF2 10,41 CdS 28,00 3,9 · 10 1,0 · 10 −18 −54 17,96 HgS 53,80 Hg2Cl2 1,6 · 10 1,10 · 10 −14 • CdS in Wasser hat eine Löslichkeit 10 mol/l; bei einem Molgewicht von 144,477 g/mol ist die Löslichkeit 1,4·10−12 g/l, das sind 1,4 pg (Pikogramm/l). • Für HgS sind das 1,26·10−27 mol/l. Auf den ersten Blick ist damit erkennbar, dass bei der Avogadrokonstante NA = 6,022·1023 mol−1 die Chance ein Hg2+-Ion in einem Liter einer solchen Lösung zu finden kleiner als 1:1000 liegt. • Die Löslichkeit von NaSO4 hängt stark von der Temperatur ab, bei 25°C lösen sich 280 g/l H2O (MG = 142,04) = 1,97 mol/l; mit L = (KL/4)1/3 ist KL = 4 · (1,97)3 = 30,58 Bleibt die tiefergehende Frage, weshalb gibt es solche Unterschiede? 2) Antwort aus der Thermodynamik (vgl. Kapitel 2): Bei der Auflösung eines Elektrolyten kommt es zur Auflösung des Kristallverbandes (Verlust an Gitterenthalpie) unter Bildung von solvatiierten Ionen (Gewinn an Solvatationsenthalpie) Energie Energie M+g ∆HHydr + M+g + X−g X−g Ionen in der Gasphase ∆HHydr ∆HGitter Ionen in der Gasphase M+Hydr. ∆HGitter Festkörper X−Hydr. in Lösung Festkörper ∆HLösung (MX)s in Lösung M+Hydr. (MX)s ∆HLösung X−Hydr. Versuche: Auflösen von CaCl2 in Wasser: Wasser erwärmt sich; Auflösen von NH4NO3 in Wasser: Wasser kühlt ab. Solvatisierte Ionen (in Wasser: aquatisierte Ionen): OH2 OH2 H O 2 OH2 Cl H2O OH2 H2O OH 2 H2O H2O H2O Na+ OH2 = Na+aq Cl-aq = aquatisierte Ionen Ion-Dipol-Wechselwirkungen zwischen dem Dipol Wasser und den Ionen (→ Gewinn an Solvatationsenthalpie) 52 ALLGEMEINE CHEMIE FÜR STUDIERENDE DER NATURWISSENSCHAFTEN IM WS 2012/2013 Bleibt wiederum die Frage, kann man das verstehen oder gar vorraussagen? Welche Parameter bestimmen denn die Gitterenergie und die Hydratisierungsenthalpie? 3) Antwort aus den Ionenradien, Hydratisierungsenthalpie und dem HSAB-Konzept a) Die Hydratisierungenthalpie sollte (in erster Näherung) mit steigendem Ionenradius größer werden (mehr H2O haben Platz um das Kation oder Anion). b) Die Gitterenergie ist in vereinfachter Weise eine Funktion der Ionenradien: Coulombsche Energie: 1 n+e+ n−e− E= 4π ε0 r2 e+, e− Elementarladungen, n+, n− Anzahl der Elementarladungen, r = Abstand zwischen den beiden Ionen, ε0 ist die elektrische Feldkonstante. Wenn in erster Näherung die Coulombsche Energie der Gitterenthalpie entspricht, dann steigt die Gitterenthalpie mit steigender Ladung und sinkt mit der Größe der Ionen. Das könnte den Unterschied zwischen NaF und CaF2 erklären, stimmt aber nicht mit dem Lösungs-Verhalten von AgF und AgCl überein. Die Coulombsche Näherung ist also zu grob, was zu erwarten war, berücksichtigt sie doch nicht den kovalenten Teil der Bindung in solchen Salzen. Tatsächlich ist die Annahme von rein ionischer Bindung selbst für ausgeprägte Salze wie NaCl eine recht schlechte Näherung und Kovalenz spielt eine wichtige Rolle (dazu später mehr). Wie ist nun aber die kovelente Wechselwikrung zwischen den Anionen und Kationen abzuschätzen? Dazu hilft das HSAB-Konzept. c) Das HSAB-Konzept (principle of hard and soft acids and bases) sagt, dass die Wechselwirkungen zwischen harten Lewis-Säuren und harten Lewis-Basen sowie zwischen weichen Lewis-Säuren und weichen Lewis-Basen stabiler sind als die Kombination hart-weich. • Harte Lewis-Säuren sind kleine, möglichst hochgeladene Kationen (H+ oder H3O+, Na+, Be2+, Al3+, Fe3+...). • Harte Lewis-Basen sind kleine, hochgeladene Anionen (O2−, OH−, F−, Cl− ...). • Weiche Lewis-Säuren sind große, möglichst niedrig geladene Kationen (Cu+, Cu2+, Pd2+, Tl+, Hg2+, ... ). • Weiche Lewis-Basen sind große, möglichst niedrig geladene Anionen (S2−, HS−, Br−, I−, ... ) Häufig wird auch der Begriff „polarisierbar“ diskutiert. Weiche Säuren und Basen sind leicht polarisierbar, d.h. ihre Ladung ist über einen großen Bereich verteilt und lässt sich leicht „umverteilen“, harte Säuren und Basen sind schwer polarisierbar. Wichtig: das HSAB-Konzept ist sehr empirisch und nie absolut: z.B. ist Fe2+ sicher weicher als Fe3+ (kleiner und höher geladen) und Cu2+ ist weicher als Fe2+ (weil größer). Schwierig wird es bei Na+ und Ca2+ (höher geladen, aber deutlich größer) ... Im Hinblick auf die Löslichkeit, sagt das HSAB-Konzept. Salze die eher einer hart-hart oder weichweich-Kombination entsprechen haben hohe Gitterenergien als die mit einer hart-weichKombination. In der obigen Tabelle lässt sich daher verstehen weshalb NaCl vs. AgCl eine deutlich 53 ALLGEMEINE CHEMIE FÜR STUDIERENDE DER NATURWISSENSCHAFTEN IM WS 2012/2013 geringere Gitterenergie aufweist und in der Serie ZnS, CdS und HgS die Gitterenergie offensichtlich dramatisch ansteigt. Nochmal zusammenfassend: Das Ausfallen eines Elektrolyten erfolgt dann, wenn seine Löslichkeit bzw. das Löslichkeitsprodukt überschritten ist. Kurz vor dem Ausfallen nennt man eine Lösung gesättigt, nach Überschreiten der Löslichkeit nennt man die Lösung übersättigt, es setzt dann die Kristallisation des übersättigten Stoffes ein (Ausfallen oder Kristallisieren). Übersättigung herbeiführen (zum Zwecke des Ausfällens eines Stoffes) kann man durch. 1) 2) 3) 4) Zugabe einer Komponente (Anion oder Kation) des Stoffes. Temperaturerniedrigung Volumenreduktion (Verdampfen des Lösungsmittels) Verschlechterung des Lösungsmittels (z.B. Mischen von H2O mit Ethanol) Ist ein Stoff ausgefallen, kann er i.A. durch Filtration von der Lösung getrennt werden. In der Lösung bleiben alle weiteren (an der Fällung unbeteiligten) Ionen gelöst und können so vom gefällten Stoff abgetrennt werden. Je nach Löslichkeit des Stoffes bleiben aber auch einige der Ionen in Lösung, die den Stoff aufbauen. Z.B. in einer Lösung aus der AgCl ausgefallen ist, lassen sich immer noch Cl‒ und Ag+ Ionen finden, in einer Lösung aus der HgS ausgefallen ist, jedoch schwerlich Hg2+ und S2‒ Ionen (siehe obige Tabelle). Auch hat die Löslichkeit Implikationen auf die Giftigkeit eines Stoffes. Um physiologischen Schaden (Giftwirkung) anzurichten muss ein Stoff nämlich löslich sein. Beispielsweise sind Ba2+Ionen giftig (Barium ist ein Schwermetall), in gegenwart von SO42‒-Ionen fällt BaSO4 aus und die restlichen Ba2+-Ionen in einer solchen Lösung sind zu wenige, als dass sie eine Giftwirkung entfalten könnten. Daher werden Suspensionen von BaSO4 als Kontrastmittel für Röntgenuntersuchungen des Gastro-Intestinal-Traktes verwendet. Selbst im Magen (stark sauer) ist BaSO4 kaum löslich. ******************************************************************************** Die Löslichkeit der Alkalimetallhalogenide (NaX und KX) ist sehr viel größer als die der AgX. Kochsalz (NaCl) und Sylvit (KCl) werden aus Gesteinen ausgeschwemmt und finden sich in gelöster Form in großen Mengen im Meer. Dabei tritt Natrium 30x häufiger auf als Kalium (weshalb wohl?). 54