Bilharziose der Harnblase

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Bilharziose der Harnblase
Stefan Gerbera, Stephan Holligerb
a
Klinik für Viszeral-,Thorax- und Gefässchirurgie, Bürgerspital Solothurn, b Privatpraxis, Urologie, Solothurn
Einleitung
Wir berichten über einen Fall eines Patienten mit Ma­
krohämaturie im Rahmen einer Schistosomiasis, welche
durch eine Zystoskopie mit Biopsientnahme diagnosti­
ziert werden konnte. Die Schistosomiasis, auch Bilhar­
ziose genannt, befällt mehr als 200 Millionen Menschen
weltweit [1] und liegt nach der Malaria auf Rang zwei
der parasitären Erkrankungen. Obwohl die Schistoso­
miasis primär in den Regionen der Sub­Sahara, Afrika,
Südamerika, Asien und im mittleren Osten endemisch
anzutreffen ist, steigt die Inzidenz im Rahmen der stei­
genden Mobilität auch in Europa an.
Fallvorstellung
Ein 19­jähriger männlicher Immigrant, geboren in
Benin, Westafrika, stellt sich wegen intermittierender
Hämaturie seit über einem Monat bei uns vor. Blasenent­
leerungsstörungen bestehen keine. Die persönliche
Anamnese ist blande. Die klinische Untersuchung ergibt
ein weiches und schmerzfreies Abdomen ohne palpable
Resistenzen oder vergrösserte Organe, sowie regelrechte
äussere Genitalien. Im Urinsediment fallen kleine Blut­
koagel auf, keine Leukozyten. Das Blutbild war abgese­
hen von einer Leukopenie von 3x109/l normal.
In Spinalanästhesie wird eine Zystoskopie durchge­
führt. Es findet sich eine rötliche runde sessile Forma­
tion an der lateralen Harnblasenwand (Bilharziom),
umgeben von multiplen weisslichen Läsionen in der
Mukosa (bilharziöse Noduli) (Abb. 1 x). Die histologi­
sche Untersuchung der Biopsien zeigt eine subakute bis
chronische granulomatöse Entzündung, welche vorwie­
gend aus eosinophilen Granulozyten und Lymphozyten
zusammengesetzt ist und in allen Schichten der Harn­
blasenwand nachgewiesen werden kann (Abb. 2 x).
Umgeben von Entzündungszellen werden mehrere
Schistosomeneier identifiziert, gut zu erkennen an ih­
ren typischen prominenten terminalen Ausläufern
(Abb. 3 x).
Der Patient wird mit einer Einzeldosis Praziquantel
(40 mg/kg KG) behandelt.
Die Autoren erklären, dass sie keine
Interessenkonflikte
im Zusammenhang
mit diesem Beitrag
haben.
ziose verantwortlich, welche sich bei der Frau auf die
Zervix uteri sowie die Tuben ausbreiten kann. Ein Be­
fall der Hoden beim Mann ist ebenfalls in sehr seltenen
Fällen möglich.
Der Lebenszyklus der Schistosomen ist komplex und be­
inhaltet einen Zwischenwirt, die sog. Pärchenegel (Schis­
tosoma) aus der Gattung der Saugwürmer (Abb. 4 x). Es
kommt zur Vermehrung der Larven (sog. Mirazidien),
welche nach 4–6 Wochen die Saugwürmer verlassen, um
sich anschliessend im Endwirt zu erwachsenen Wür­
mern zu entwickeln. Nach Verlassen des Paaregels über­
leben die Larven bis zu 72 Stunden im Wasser. Während
dieser Zeitspanne können sie durch die menschliche
Haut und in die Lymphgefässe eindringen. Hier werden
sie in die mesenterischen Venen (S. japonicum, S. mekongi, S. mansoni, S. intercalatum) und in den venösen
Plexus der Harnblase transportiert (S. haematobium). In
diesem Milieu wachsen die Larven zu Würmern von bis
zu 20 mm Länge heran. Die Würmer überleben bis zu
30 Jahre in vivo und produzieren Eier, welche mit dem
Urin oder Kot ausgeschieden werden können. Im Süss­
wasser schlüpft schliesslich aus jedem Ei eine Mirazi­
dium­Larve, welche die Pärchenegel infiziert. Damit
schliesst sich der Kreis.
Die Abwehrreaktion des menschlichen Körpers führt
schliesslich zur lokalen Entzündungsreaktion, Granu­
lomformation im Bereich der Eier und in späteren
Stadien zu Fibrosierung und Vernarbung [2].
Im Rahmen dieses Lebenszyklus sind verschiedene kli­
nische Verlaufsbilder bekannt. Nach dem Bad im infi­
zierten Gewässer tritt in manchen Fällen ein lokaler
Pruritus auf (Schistosomatidendermatitis). Einige Wo­
Diskussion
Es sind fünf Spezies von Schistosomen (S. japonicum,
S. mansoni, S. haematobium, S. mekongi, S. intercalatum) bekannt. S. haematobium bleibt im venösen Plexus
der Harnblase sitzen und ist für die urogenitale Bilhar­
Abbildung 1
Zystoskopische Aufnahme eines mukosalen Polypen, umgeben
von weissen bilharziösen Noduli.
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Abbildung 2
Granulomformation in der Lamina propria der Harnblasenschleimhaut
mit entzündlichem Infiltrat um die Schistosomeneier.
Abbildung 4
Lebenszyklus der Schistosomen.
Abbildung 3
Eier von Schistosoma haematobium mit charakteristischen
dornartigen Ausläufern (Pfeile), umgeben von einem lymphozytären
Infiltrat.
chen später kann es im Sinne einer systemischen Über­
empfindlichkeitsreaktion zum sogenannten Katayama­
syndrom mit Fieber, diffusen Abdominalschmerzen
und Hepatosplenomegalie kommen. Die Schistosoma­
tidendermatitis sowie das Katayamasyndrom können
prinzipiell durch jede Schistosomenspezies hervorgeru­
fen werden, treten jedoch beim Befall durch S. mansoni
und S. japonicum am häufigsten auf.
Ein Befall des Urogenitaltraktes manifestiert sich oft­
mals erst Monate bis Jahre später. Dabei können urolo­
gische Symptome wie terminale oder intermittierende
Hämaturie fakultativ vergesellschaftet mit Blasenent­
leerungsstörungen auftreten. Hervorgerufen durch die
Fibrosierung und Narbenbildung ist das Endstadium
gekennzeichnet durch uretrale Stenosen mit Hydrone­
phrose, chronischer Niereninsuffizienz und Pyelone­
phritiden. Urothelkarzinome können sich, möglicher­
weise durch die chronische Infektion hervorgerufen,
auf dem Boden einer Harnblasenbilharziose entwickeln
[3]. Der Befall des urogenitalen Trakts ist bei Frauen
häufiger als bei Männern und kann zu Infertilität und
ektopen Schwangerschaften führen.
Der diagnostische Goldstandard besteht im mikro­
skopischen Nachweis der Eier. Bei einem Darmbefall
finden sich diese im Stuhl oder in der Darmschleim­
haut, bei der urogenitalen Bilharziose im Urin [4]. Die­
ser sollte am besten um die Mittagszeit abgenommen
werden, da zu dieser Zeit die höchste Konzentration an
Eiern im Urin vorliegt.
Der Antikörpernachweis gibt keine Auskunft über ver­
gangene oder aktuelle Infektionen und kann Kreuz­
reaktionen mit anderen Helminthen ergeben. Das Vor­
liegen eines negativen Resultates schliesst allerdings
eine Infektion aus [5]. Die radiologische Diagnostik mit­
tels Ultraschall/Abdomenröntgen oder IVP zeigt Kalzi­
fizierungen der Harnblasenwand, Polypen oder Ureter­
strikturen. Sekundäre Läsionen wie Hydronephrose
infolge einer Ureterstriktur können ebenfalls nachge­
wiesen werden. Die definitive Diagnose basiert auf dem
histopathologischen Nachweis von Schistosomeneiern
in der Submukosa der Harnblase (Abb. 2 und 3).
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Die Therapie mit einer Einzeldosis Praziquantel
(40 mg/kg KG) führt bei 60 bis 90% der Patienten zu
einer Heilung. Praziquantel ist auch bei Kindern und
Schwangeren zugelassen. In einigen endemischen Re­
gionen wie Kenia und Ägypten sind aber bereits erste
Fälle mit Praziquantelresistenzen bekannt geworden.
Schlussfolgerung
Mit zunehmender Mobilität und steigenden Immi­
grantenströmen aus unterschiedlichsten Regionen der
Welt nehmen hierzulande die parasitären tropischen
Erkrankungen zu. Bei Auftreten von Hämaturie bei Ri­
sikopatienten sind Krankheiten wie z.B. die Bilharziose
in Betracht zu ziehen.
Wir danken den Mitarbeitern der Pathologie Länggasse Bern für die
freundliche Bereitstellung der histologischen Bilder.
Korrespondenz:
Dr. med. Stephan Holliger
Facharzt für Urologie und operative Urologie FMH
Bielstrasse 18
CH-4500 Solothurn
[email protected]
Literatur
1 Schistosomiasis. World Health Organization; www.wpro.who.int/
health_topics/schistosomiasis/general_info.htm.
2 Gryseels B, Polman K, Clerinx J, Kestens L. Human schistosomiasis.
Lancet. 2006;368(9541):1106–18.
3 El­Sebaie M, Zaghloul MS, Howard G, Mokhtar A. Squamous cell
carcinoma of the bilharzial and non­bilharzial urinary bladder: a
review of etiological features, natural history, and management. Int J
Clin Oncol. 2005;10(1):20–5.
4 Feldmeier H, Poggensee G. Diagnostic techniques in schistosomiasis
control. A review. Acta Trop. 1993;52(4):205–20.
5 Tsang VC, Wilkins PP. Immunodiagnosis of schistosomiasis. Immunol
Invest 1997;26(1–2):175–88.
Auflösung: Wie viele Leben hat ein Patient mit – ulzerativer Kolitis?
– und die Geschichte dürfte weitergehen! Die initial verabreichten
Medikamente waren Mesalazin, Azathioprin, Prednisolon, Butylscopolamin und Infliximab. Das Risiko opportunistischer Infekte sollte
nicht in wilden Kombinationen von Antibiotika gegeben werden, sondern in schnell wirkenden Einzel-Antibiotika mit kurzer Halbwertszeit.
Und übrigens: Wenn die medizinische Therapie nicht wirkt, nicht
lange zuwarten mit der Proktokolektomie – sagt der Autor. (Lancet.
2010;376:928.)
assoziation? Ein 41-jähriger Mann kommt mit rektaler Blutung und 20 Stuhlentleerungen pro Tag zu seinem Arzt. Die regelrechte Therapie nützt nichts, der Mann erhält ein modernes
Medikament – und verschwindet. Wie er wieder auftaucht, hat
er eine fulminante Pankolitis, eine Aorteninsuffizienz und einen
endokardialen Abszess. Streptococcus anginosus wird therapiert, die Aortenklappe ersetzt, nach 6 Tagen Herzstillstand,
Reanimation, Homograft-Versagen, paravalvuläres Leck, erneute
Herzoperation, noch einmal Herzstillstand, DDD-Schrittmacher,
wiederum fulminante Kolitis, Proktokolektomie. Dann ist der
Patient «vorerst geheilt» – wovon?
(Auflösung siehe rechte Spalte)
Verdankung
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