Oligoarthritis Kleinkindrheuma - Medizinische Hochschule Hannover

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MEDIZINISCHE HOCHSCHULE HANNOVER
Abteilung Kinderheilkunde I
Pädiatrische Pneumologie und Neonatologie
Rheumaambulanz für Kinder und Jugendliche
Liebe Familie
bei Ihrem Kind spricht derzeit viel dafür, dass es
an Rheuma erkrankt ist. Weil viele Eltern in der
Aufregung der ersten Vorstellung bei uns nicht
alles auf einmal behalten können, soll dieser
Handzettel die wichtigsten Informationen für Sie
noch einmal wiederholen und zusammenfassen.
Rheuma bei Kindern?! Natürlich denkt jeder bei
Rheuma zunächst an einen (älteren) Erwachsenen
und nicht an ein Kind oder gar an ein Kleinkind.
Aber es gibt im Kindesalter sogar mehrere
Rheumaformen
und
mehrere
Tausend
rheumakranke Kinder. Andererseits darf das
Rheuma bei Kindern nicht verwechselt werden mit
dem Rheuma im Erwachsenenalter. Es handelt
sich um verschiedene Erkrankungen! Das Gemeinsame der rheumatischen Erkrankungen im Kindesund Erwachsenenalter ist ein entzündlicher Prozeß
im Gelenk (Arthritis), der den Gelenkknorpel
beschädigen kann. Man spricht deshalb auch von
chronischer Arthritis und bei Kindern und
Jugendlichen von juveniler chronischer Arthritis.
Welche Form von Rheuma hat mein Kind? Ihr
Kind hat aller Wahrscheinlichkeit nach eine Form
des kindlichen Rheumas, die man Oligoarthritis
nennt. Das bedeutet, dass nur wenige Gelenke
betroffen sind („oligo“ griech. für wenig;
„arthritis“, latein. für Gelenkentzündung).
Was sollte man über die juvenile Oligoarthritis
wissen? Aus bislang noch ungeklärten Gründen
erkranken an der Oligoarthritis sehr viel häufiger
Mädchen
als
Jungen,
wobei
der
Erkrankungsbeginn oft im frühen Kindesalter
liegt und man deshalb diese Form auch als
frühkindliche
Form
von
chronischem
Gelenkrheuma bezeichnet.
Überwiegend tritt die Erkrankung an den großen
Gelenken auf (am häufigsten Kniegelenk, aber
auch Sprunggelenk, Ellbogen- und Handgelenk,
seltener Hüftgelenk), während nur selten auch
einzelne Finger- und Zehengelenke (kleine
Gelenke) betroffen sind. Meist ist trotz der
Gelenkentzündung das Allgemeinbefinden des
Kindes nicht stark verändert (z.B. kein hohes
Fieber). Besonders wichtig ist, dass zusätzlich zur
Entzündung im Gelenk auch eine Entzündung der
Regenbogenhaut des Auges (Iridozyklitis)
auftreten kann. Diese Entzündung des Auges
verläuft fast immer ohne Schmerzen oder Rötung
des Auges, so dass Sie als Eltern kaum die
Möglichkeit haben, eine solche Entzündung zu
erkennen. Besonders wichtig ist, dass kein
Zusammenhang zwischen der Entzündung im
Gelenk und im Auge bestehen muss. Es kann also
passieren, dass im Auge eine Entzündung abläuft,
während die Gelenke ganz ohne Probleme sind.
Hinzu kommt, dass die Entzündungen in den
Gelenken unter entsprechender Behandlung meist
ohne langfristige Folgen gut ausklingen, dass
aber
eine
unerkannte
Augenentzündung
(Iridozyklitis) recht schnell zu bleibenden
Schäden am Auge und zu einer Sehminderung
führen kann. Es müssen daher die Augen
besonders gut überwacht werden, auch wenn man
bei „Rheuma“ immer an Probleme mit den
Gelenken denkt.
Was weiß man über die Ursachen? Wie auch bei
den anderen rheumatischen Erkrankungen ist die
Ursache des kindlichen Gelenkrheumas bislang
leider immer noch unbekannt. Zwar wurden in den
letzten Jahrzehnten zahlreiche Vermutungen und
Hinweise überprüft, aber keine von diesen hat sich
als stichhaltig herausgestellt. Auch wenn man es
immer wieder hören kann, sind deshalb auch
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Vermutungen wie, dass das Rheuma seelisch
bedingt sei oder mit falscher Ernährung
zusammenhänge, nicht zutreffend. So sehr Sie
selbst die Frage nach den Ursachen beschäftigen
mag, sollten Sie also getrost skeptisch sein, wenn
Ihnen demnächst wunderbar einfach klingende
„Erklärungen“ angetragen werden, sei es von
Bekannten oder anderen Leuten, die irgendwo
irgendwas über „das“ Rheuma aufgeschnappt
haben.
Ist eine Behandlung auch ohne Kenntnis der
Ursachen möglich? Es mag für Sie paradox
klingen, dass eine Therapie möglich sein soll, auch
wenn man die Ursachen des Rheumas noch nicht
kennt. Aber man kennt beim Rheuma zumindest
schon einen Teil jener Mechanismen, durch den es
in den Gelenken zu Schädigungen kommt. Das
heißt, man weiß zwar noch nicht, warum es zu
Krankheitsprozessen kommt, aber man weiß recht
genau, wie dieser Prozeß „funktioniert“! Und
genau solche Krankheitsmechanismen können mit
Hilfe von Medikamenten unterbrochen oder
gemildert werden.
Was gehört zur Behandlung? Die Therapie steht
im wesentlichen auf drei Säulen: Erstens die Medikamente, zweitens die Krankengymnastik, drittens
die präventiven Maßnahmen, also die Vorsorge:
1. Die medikamentöse Therapie bezieht sich
einmal auf die Entzündung und Schmerzen in
den Gelenken bzw. zusätzlich auf die
Entzündung im Auge. Für die Gelenke wird
man in der Regel einen Behandlungsversuch
mit
bewährten
antientzündlichen
Medikamenten (z.B. Proxenâ) unternehmen.
Führt diese Behandlung nicht innerhalb der
nächsten Wochen zu einer deutlichen
Besserung, wird über eine Cortisonspritze in
das betroffene Gelenk oder die betroffenen
Gelenke
entschieden.
Reichen
diese
Maßnahmen nicht aus, die Gelenkentzündung
zu
beherrschen,
müssen
sogenannte
Langzeitantirheumatika gegeben werden.
Deren Wirkung setzt oft erst nach mehreren
Wochen bis Monaten ein und sie müssen über
einen längeren
werden.
Zeitraum
eingenommen
Tritt eine Augenentzündung auf, wird diese
zunächst
mit
Cortison-Augentropfen
behandelt, die mehrmals täglich verabreicht
werden müssen. Ist die Entzündung stärker
ausgeprägt, stehen auch in diesem Fall weitere
Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung.
Über
die
medikamentöse
Behandlung
informieren wir Sie in einer zusätzlichen
Elterninformation.
2. Die krankengymnastische Therapie hat bei der
Oligoarthritis vor allem die Aufgabe, die oft zu
beobachtende Entwicklung einer Schonhaltung
wieder zu korrigieren und die Gelenke kontrolliert durchzubewegen. Es ist dafür eine im
Umgang
mit
Kindern
erfahrene
Krankengymnastin nötig. Wir können Sie bei
der entsprechenden Suche bei Bedarf
unterstützen. Auf jeden Fall stehen wir beratend
zur Verfügung, wenn diese Kollegin sich nicht
so im Detail mit Rheuma im Kindesalter auskennen sollte. Dies wäre bei der sehr seltenen
Krankheit gar nicht so verwunderlich. Auch zu
Hause
kommen
krankengymnastische
Maßnahmen zum Einsatz, nämlich vor allem
die Kühlung der heissen und schmerzenden
Gelenke sowie das Durchbewegen der Gelenke,
das Ihnen von der Krankengymnastin
beigebracht werden wird. Der Einsatz von
Hilfsmitteln, wie Gelenkschienen oder
Einlagen, ist bei dem günstigeren Verlauf der
Oligoarthritis meist nicht erforderlich.
3. Präventive Maßnahmen, also Vorsorge, soll
heißen, dass die krankengymnastischen
Übungen kontinuierlich fortgesetzt werden, und
zwar auch dann, wenn Ihr Kind beschwerdefrei
ist. Wann die Krankengymnastik nicht mehr
erforderlich ist, teilen wir Ihnen ausdrücklich
mit. Vorsorge ist aber vor allem über lange Zeit
als sorgfältige Kontrolle der Augen
erforderlich. Da die Entzündungen im Auge
wie erwähnt unabhängig von den Gelenkbeschwerden verlaufen können und
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insbesondere kleine Kinder nicht von sich aus
über beginnende Sehstörungen berichten,
müssen Sie als Eltern die allergrößte Sorgfalt
auf
die
Einhaltung
regelmäßiger
augenärztlicher Untersuchungstermine an den
Tag legen. Durch eine einfache Untersuchung
mit der Spaltlampe beim Augenarzt kann eine
Augenentzündung erkannt und dann behandelt
werden. Sie sollten ihr Kind regelmäßig im
Abstand von 3 Monaten vom Augenarzt
untersuchen lassen, auch wenn keine
Beschwerden vorliegen. Auch Sie selbst
können im Alltag etwas Wichtiges zur
Vorsorge beitragen: erstens sollten Sie mit
Ihrem Kind regelmäßig Übungen mit den
betroffenen
Gelenken
durchführen
(sogenanntes Durchbewegen der Gelenke) und
zweitens besonders während der Zeit akuter
Beschwerden darauf achten, dass bei
körperlichen Aktivitäten eine gewisse
Schonung der betroffenen Gelenke eingehalten
wird. Dass Ihnen dies zumal bei der
Bewegungslust von Kleinkindern immer nur
ungefähr gelingen kann, versteht sich von
selbst. Praktische Tips zur Durchführung von
häuslichen Übungen und Hilfen bei der
Therapie
werden
Sie
durch
die
Krankengymnastin erhalten.
Was weiß man über den Verlauf? Für alle
Formen von Rheuma ist es typisch, dass sie in
Krankheitsschüben auftreten und verlaufen. Der
Auslöser für einen neuerlichen Schub können
unterschiedliche Einflüsse sein, etwa ein Infekt
oder irgendein anderer Einfluß auf das
körpereigene Immunsystem. Bei einem großen
Teil der Krankheitsschübe findet man auch gar
keinen Anhaltspunkt für den jeweiligen Auslöser.
Eine vollständige Kontrolle und Vermeidung von
Krankheitsschüben ist auch bei sorgfältiger
Behandlung und Vorsorge nicht in jedem Fall
möglich.
Welche Prognose hat die Krankheit? In der
Regel kann man für die Oligoarthritis von einer
günstigen Prognose sprechen. Dies ist bei
anderen rheumatischen Erkrankungen teilweise
nicht der Fall. Eine „günstige Prognose“ heißt für
die betroffenen Gelenke, dass die Entzündungen
in den meisten Fällen ohne bleibende oder mit
nur geringen Schäden vorbeigehen. Wenn zum
Zeitpunkt der Diagnose nicht bereits Schäden an
den Augen vorhanden sind, wird man mit
regelmäßiger
Kontrolle
und
frühzeitiger
Behandlung die Sehkraft der Augen in den
meisten Fällen erhalten können. Sollte innerhalb
von 7 Jahren nach Krankheitsbeginn keine
Entzündung in den Augen aufgetreten sein, ist
mit großer Wahrscheinlichkeit auch im weiteren
Verlauf nicht mehr mit einer solchen Iridozyklitis
zu rechnen.
Aber auch wenn die Oligoarthritis eine „günstige
Prognose“ hat, kann es durchaus im Verlauf zu
mehreren Krankheitsschüben kommen. Anders
als bei manchen anderen Rheumaformen lassen
sich diese Krankheitsschübe meistens gut
medikamentös beherrschen.
Was bedeutet das Rheuma für mein Kind und
für uns? Eltern blicken für Ihre Kinder immer
auch in die Zukunft. Die Diagnose „Rheuma“ mag
für Sie daher eine starke Erschütterung zur Folge
haben, denn rheumatische Erkrankungen gelten
mit Recht als chronische Krankheiten. Das
schließt nicht aus, dass die Krankheit auch einmal
ganz verschwunden sein kann. Die Regel ist, dass
das Rheuma über Jahre anhält und behandelt
werden muß. Gemessen an Ihrem Wunsch, dass
Ihr Kind gesund und lebensfroh sein möge, wird
diese Diagnose für Sie bedrückend sein.
Andererseits wissen wir aus unserer praktischen
Arbeit sehr gut, dass auch das rheumakranke Kind
lebensfroh sein kann und sich genauso gut
entwickeln kann, wie andere Kinder auch!
Was
die
körperliche
Entwicklung
und
Leistungsfähigkeit anbetrifft, sind Vorhersagen
zum langfristigen Verlauf sehr viel schwieriger.
Hier kommt es entscheidend darauf an, wie gut die
Therapie im Einzelfall anspricht. In der Mehrzahl
der Fälle wird man davon ausgehen können, dass
auch
im
Erwachsenenalter
gelegentlich
Beschwerden auftreten, dass aber keine
weitreichende Behinderung daraus resultiert.
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Manche Eltern haben, wenn sie das erste Mal mit
der Diagnose „Rheuma“ bei ihrem Kind
konfrontiert sind, die schlimme Befürchtung, dass
ihr Kind über kurz oder lang womöglich gar nicht
mehr richtig laufen oder sich im Alltag nicht mehr
selbständig fortbewegen kann. Diese Befürchtung
ist in fast allen Fällen unbegründet!
Wenn also kein Zweifel daran besteht, dass sich
durch diese Krankheit und durch die notwendige
Behandlung einiges in Ihrem Leben und für Ihr
Kind verändern wird, so können Sie auf der
anderen Seite mit Recht davon ausgehen, dass
viele Ihnen wichtige Dinge ganz normal bleiben
und weitergehen werden wie immer.
Wir wissen, dass auch eine ausführliche Information nicht alle Fragen oder Zweifel gleich aus der
Welt schaffen kann. Scheuen Sie sich deshalb nicht, uns beim nächsten Ambulanztermin oder
in der Telefonsprechstunde auf alles anzusprechen, was Sie beschäftigt. Bei Bedarf sind wir
auch gern bereit, Ihnen einen Kontakt zu einer anderen bei uns betreuten Familie zu
vermitteln, so daß Sie sich auch auf diesem Weg einen Eindruck verschaffen können, was die
Oligoarthritis für den Lebensalltag bedeutet und was nicht.
Dr. med. A. Thon und Dr. med. F. Dressler
Unsere Sprechzeiten finden Sie auf der Rückseite
Die regulären Tage der Rheumaambulanz sind jeweils Dienstags und Mittwochs. Eine Voranmeldung ist
notwendig. Bitte beachten Sie, dass wir nicht nur Ihre Versichertenkarte brauchen, sondern auch für
jedes Quartal einen neuen Überweisungssschein.
Sie erreichen:
- Frau Leunig/ die Rheumaambulanz (Anmeldung) Montags bis Freitags 8.00h – 16.00h unter 532 3216
- Frau Dr. Thon oder Dr. Dressler (Telefonsprechstunde) Freitags 10.00h - 11.00h unter 532 3219
- Herrn Ammon (Sozialberatung) Montags bis Donnerstags 9.00h - 15.00h unter 532 5190
- Frau Legler oder Frau Reimann (Krankengymnastik, Abteilung Physikalische Medizin und
Rehabilitation der MHH) Montags bis Freitags 8.00h-9.00h oder 12.30h-13.00h unter 532 3234
- Herrn Dr. Ullrich (Psychologische Beratung) Dienstags und Mittwochs 10.00h - 15.00h unter 532 3181.
In dringenden Fällen können Sie sich jederzeit über die Pforte der Kinderklinik (0511-532 3220)
mit uns in Verbindung setzen.
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