Read article - Parvez Sheik Fareed

Werbung
Bellevue
Tages-Anzeiger – Dienstag, 21. Februar 2017
«Wollt ihr bloss mitmachen?»
Parvez Sheik Fareed wurde letztes Jahr bekannt, als er die Durchsetzungsinitiative mit einem Hakenkreuz
im HB bekämpfte. Er sagt, gute Werbung müsse provozieren. Das habe die SVP als einzige Partei begriffen.
Mit Parvez Sheik Fareed
sprach Reto Hunziker
Vor einem Jahr sorgte das HakenkreuzPlakat im Zürcher HB für Aufregung.
«Nein zur 2-Klassen-Justiz!» hiess es darauf, und unter dem Schriftzug war ein
Schweizer Kreuz zu sehen, das sich zur
Swastika verzog. Es war die meistbeachtete und umstrittenste Aktion des Jahres. Der Mann dahinter, Parvez Sheik Fareed, wirkt mit seiner runden Brille und
der Glatze selbst äusserst plakativ. Der
Jurist arbeitete in der Finanzbranche,
bevor er 2014 in die Werbung wechselte.
Sind Sie ein Gutmensch?
Wenn Sie mit Gutmensch links, verblendet sozial und idealistisch meinen, dann
nein. Ich sehe mich politisch weder links
noch rechts. Früher war ich mal Mitglied
der FDP. Heute stufe ich mich als liberal
ein und bilde mir meine eigene Meinung, egal aus welcher politischen Ecke
der Anstoss kommt.
Fortan galten Sie als der
«Hakenkreuz-Werber».
Als der «Blick» mir diesen «Titel» verlieh, musste ich schmunzeln. Es hat
mich nicht sonderlich gestört.
Mussten Sie sich viel Häme anhören?
Ja. Ich habe aber auch viel Zuspruch bekommen. Mir war klar, dass ich damit
polarisiere. Unangenehm waren mir eher
die Spekulationen, die dann kursierten.
Wer mich beauftragt habe und mir, weiss
Gott, wie viel dafür bezahlt habe.
Was stimmt denn?
Nachdem ich das Plakat entworfen und
auf Social Media geteilt hatte, griffen es
die Medien auf. Dann sind Leute an mich
herangetreten, die wissen wollten, ob
das Plakat geschaltet werde. Erst so entstand die Idee, das Ganze gross am HB
zu bringen. Finanziert haben die Plakatschaltung ein Historiker aus Basel und
ein paar wenige Freunde von mir – den
grössten Teil habe ich selber bezahlt.
Insgesamt hat die Schaltung etwas über
3000 Franken gekostet. Es bedurfte also
keines enorm generösen Investors.
Glauben Sie, mit Ihrer Aktion etwas
bewirkt zu haben?
Der Werbung kann nie verlässlich Wirkung nachgewiesen werden. Aber aufgrund der Reaktionen denke ich schon,
B-Side
Öffentlicher Verkehr
Schleichende Autos
machen mehr Umsatz
Gerade hat Zürichs links-grüner Gemeinderat gefordert, im ganzen Langstrassenquartier Tempo 30 durchzusetzen. Auf den ersten Blick wirkt das wie
die typische rot-grüne Verkehrsberuhigungspolitik, deren einziger Zweck laut
den Bürgerlichen darin besteht, Autofahrer und das Gewerbe zu plagen. Aber
wie so oft: Der erste Eindruck täuscht. In
Wahrheit handelt es sich beim RotlichtTempo-30 um eine gewerbefördernde
Massnahme. Hinter der Idee stehen die
mächtigen Prostituiertenverbände. Sie
erhoffen sich, dass sich Autofahrer dank
der Verlangsamung leichter ansprechen
und von einem Geschäft überzeugen lassen. So wollen sie die Gewinne, die sich
immer mehr in die Agglo absetzen, zurück in den Kreis 4 holen. Ursprünglich
versuchten die Verbände sogar, Tempo
15 durchzusetzen; dazu die Pflicht, mindestens ein Fenster «zwecks Kommunikation» offen zu halten. Doch das ging
sogar den Grünen zu weit. (bat)
PR from Hell
Chris, ich weiss nicht recht,
ob ich das packe
Diese Mail von Chris erreichte mich soeben, völlig unerwartet: «Seit mehr als
30 Jahren wird mein Ruf als Hellseher,
Astrologe und Parapsychologe weltweit
sowie auch im TV anerkannt.» Massenmail! Abzocker!, rufe ich innerlich aus.
Wobei: auch am TV? Das kann kein
Schurke sein. «Das wird Sie wahrscheinlich überraschen, aber heute richte ich
mich an Sie.» Ha! «Ich werde Ihnen viel
davon erklären können von dem, was
gerade um Sie passiert, und über das,
was noch eintreffen wird.» Chris, bin ich
denn bereit dafür? Chris? Chriiiis? (bra)
Was hat Sie dazu bewegt, vor
einem Jahr das Hakenkreuz-Plakat
gegen die Durchsetzungsinitiative zu
schalten?
Es war schlicht ein unhaltbarer Zustand:
Die Befürworter der Initiative machten
Werbung wie wild für ein Anliegen, das
eine 2-Klassen-Gesellschaft eingeführt
hätte. Demgegenüber stand das lasche
Kunstplakat des Nein-Lagers: kein Statement, keine Botschaft. Für mich stand
fest: Es darf nicht sein, dass die Initianten damit durchkommen.
Ihr Plakat war reichlich
überzeichnet.
Das finde ich nicht. Für mich diktiert
der Inhalt die Form. Es gab faktisch belegbare Parallelen zwischen 1933 in
Deutschland, 1948 in Südafrika und
2016 in der Schweiz mit der Durchsetzungsinitiative; nämlich die drohende
Einführung eines Automatismus, bei
dem vor dem Gesetz nicht mehr alle
gleich gewesen wären.
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Anzeige
Event-Vorschau
«Ich habe noch ein Aspirin, das hilft gegen Deutungsgeilheit»: Parvez Sheik Fareed. Foto: Dominique Meienberg
«Ein Werber, der nicht
provozieren will, ist wie
ein Chirurg, der kein Blut
sehen kann. Provokation
weckt Interesse.»
dass dieses Plakat auch desinteressierte
und unentschlossene Personen erreicht
hat. Dieses Plakat dominierte die Diskussion in den letzten zwei Wochen vor der
Abstimmung.
Würden Sie rückblickend etwas
anders machen?
Ich würde noch ein zusätzliches Plakat
am Flughafen buchen, um all die von
Glückshormonen durchtränkten Heimkehrer aufzurütteln.
Haben Sie Probleme mit Ihrem
damaligen Arbeitgeber bekommen?
Kein Kommentar.
Das könnte man nun als ein Ja
deuten.
Ich habe noch ein Aspirin, das hilft
gegen Deutungsgeilheit.
Was ist in der Zwischenzeit passiert?
Es gab zwei Strafanzeigen. Eine wegen
Verstosses gegen die Rassismusstrafnorm und eine wegen Verletzung des
Wappenschutzgesetzes. Auf beide ist die
Staatsanwaltschaft nicht eingetreten.
Ansonsten nichts, ich führe ein unaufgeregtes, ruhiges Leben.
Was haben Sie aus der ganzen Sache
gelernt?
Dass man sich als Werber sehr leicht
politisch engagieren kann, es aber nur
die allerwenigsten tun.
Eine Ihrer Aktionen als Privatperson
heisst «Donate balls», bei der man
Menschen, die zu wenig Mut
beweisen, «Eier» schenken kann.
Brauchen Sie die Provokation?
Ich als Mensch brauche die Provokation
nicht. Ich bin nicht derjenige, der sich
ins Zentrum des Geschehens rückt und
Lärm und Radau veranstaltet. Aber ein
Werber, der nicht provozieren will, ist
wie ein Chirurg, der kein Blut sehen
kann. Die Ausgangslage ist folgende: Der
Betrachter einer Werbung interessiert
sich nicht für Werbung. Ergo muss ich
zuerst sein Interesse wecken. Das erreiche ich mit der Provokation. Ich provoziere nicht um der Provokation willen.
Hoden verschenken – ist das nicht
etwas pubertär?
Humor scheint nicht Ihre Stärke zu sein.
Ist aufrüttelnde Werbung denn gute
Werbung?
Die meisten Werbungen scheitern daran, dass sie gar nicht erst wahrgenommen werden, weil sie zu trivial sind. Das
Kind schreit, dann muss man noch die
Einkäufe erledigen, der Besuch der
Schwiegereltern steht an und so weiter.
Niemand geht durchs Leben und fragt
sich: Wo ist die nächste Botschaft?
Darf politische Werbung auch
übertreiben?
Klar. Korrekt und übertrieben schliessen sich nicht aus.
Dann macht es die SVP richtig?
Absolut. Die SVP zeigt meines Erachtens
die beste politische Werbung. Sie weiss,
wie man Themen zum Gespräch macht,
wie man die Debatte dominiert. Während die anderen die Nase rümpfen: Das
ist nicht unser Stil. Da frage ich mich:
Wollt ihr bloss mitmachen, oder wollt
ihr gewinnen?
Seriös ist also zu brav?
Werbung braucht Kontroversen. Mit Zurückhaltung erreicht man nichts.
Wie haben Sie künftig vor, mit
brachialen Mitteln die Intelligenz
des Konsumenten zu kitzeln?
Es gibt keine Formel für Ideen. Ich muss
zuerst das Problem erkennen. Erst dann
weiss ich, was ich kommunizieren muss,
damit es zum Nachdenken anregt. Mir
hat kürzlich das Titelbild des «Spiegels»
sehr gefallen, das Donald Trump als Jihadisten zeigt mit dem enthaupteten
Kopf der Freiheitsstatue in der Hand.
Das reisst einen schonungslos aus der
Lethargie.
SCHACHNOVELLE
Stefan Zweigs berühmtestes Werk spielt
an Bord eines Passagierschiffes, das sich
auf dem Weg von New York nach Buenos
Aires befindet, und es treffen Charaktere
aufeinander, wie sie unterschiedlicher
nicht sein könnten.
Szenische Lesung von / mit Volker Ranisch
Sogar Theater · Josefstrasse 106 · Zürich
Donnerstag, 23. Februar · 20.00 Uhr
DUO FISCHBACH - ENDSPURT
Comedy
Theater am Hechtplatz · Hechtplatz 7 · Zürich
Dienstag, 21. Februar · 20.00 Uhr
MYTHS & POETRY
Ausstellung
Hauser & Wirth · Limmatstrasse 270 · Zürich
Mittwoch, 22. Februar · 11.00 - 18.00 Uhr
KARNEVAL DER TIERE
Puppentheater
Theater im Waaghaus · Winterthur
Mittwoch, 22. Februar · 14.30 Uhr
TONHAUFEN DELUXE
Konzert, Jazz
Verein Langstrassenkultur · Zürich
Donnerstag, 23. Februar · 21.00 Uhr
Einträge unter www.eventbooster.ch · [email protected]
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